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Full text of "Plautus. Spätere Bearbeitungen plautinischer Lustspiele. Ein Beitrag zur vergleichenden Litteraturgeschichte"

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Plautus. 


Spätere  Bearbeitungen  plautinischer  Lustspiele. 


Ein  Beitrag  zur  vergleichenden  Literaturgeschichte 


Karl  Ton  Reinhardstoettner. 


S-H  M  ft 


9;0. 


Leipzig, 

Verlag   von    Wilhelm    Friedrich, 

K.  R.  Hofbochhüiuller. 

1886. 


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6585 
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Alle  Rechte  vorbehalten. 


Yor-wort. 


Als  ich  vor  fünf  Jahren  meine  kleine  Abhandlung  über 
den  Amphitruo  des  Plautus  und  seine  späteren  Bear- 
beitungen1) hinausgegeben  und  eine  Reihe  günstiger  Be- 
sprechungen erzielt,  sowie  zahlreiche  Aufforderungen,  die 
Arbeit  fortzusetzen,  erfahren  hatte,  da  waren  es  gerade  die 
wohlwollenden  Kritiken  im  Zusammenhalte  mit  meinen  in- 
zwischen neu  gewonnenen  Resultaten,  die  mich  in  der  Ab- 
sicht bestärkten,  die  begonnene  Arbeit  nicht  mehr  weiter 
zu  führen.  Denn  konnte  der  eine  oder  andere  Rezensent 
mich  auf  ein  Paar  übersehene  Amphitruobearbeitungen  hin- 
weisen, so  hatte  ich  selbst  von  der  Drucklegung  des 
Schriftchens  bis  zum  Erscheinen  der  Besprechung  desselben 
vielleicht  deren  dreissig  gesammelt,  und  es  schien  mir  zwei- 
felhaft, was  beschämender  war,  die  Hinausgabe  oder  die 
Kritik  der  Arbeit,  deren  überreiches  Material  Autor  und 
Rezensent  in  gleichmässig  unvollkommener  Weise  be- 
herrschten oder,  besser  gesagt,  beherrschen  konnten. 
Aus  einzelnen  kleineren  Versuchen  und  Programmen,  die 
unendlichen  Fleiss  und  Liebe  zur  Sache  verraten,  ersah  ich 
erst  recht  die  Unmöglichkeit  meines  Vorhabens.  Es  ist 
für  einen  einzelnen  Forscher  nicht  durchführbar,  die  ge- 
samten Nachahmungen    z.  B.   der  plautinischen   Lustspiele 


')   Die  plautinischen  Lustspiele   in    späteren    Bearbeitungen.     I.    Amphitruo. 
Leipzig   1880.     (W.  Friedrich.)  77.  S. 


VI  Vorwort. 

nicht  allenfalls  bei  den  Kulturvölkern  Europas,  sondern  nur 
bei  einem  einzigen,  etwa  Italien,  nachzuweisen.  Sein  Ver- 
such muss  aus  vielen  Gründen  lückenhaft  bleiben. 

Diese  schon  bei  dem  ersten  Stücke  gewonnene  Er- 
fahrung musste  entmutigend  wirken;  führte  sie  ja  zu  der 
Überzeugung,  dass  das  Werk,  ein  Nachweis  aller  Nach- 
ahmungen plautinischer  Komödien,  niemals  vollendet 
werden  könne.  Wie  viele  für  das  Thema  wichtige  Angaben 
hat  mir  nicht  systematische  Forschung,  sondern  ein  reiner 
Zufall,  oft  ein  einem  andern  Buche  beigebundenes  Büchlein, 
geliefert!  Konnte  nun  auf  Erschöpfung  des  Werkes  nach 
dieser  Seite  hin  nicht  gerechnet  werden,  so  ergab  sich 
doch  ein  anderer  Gesichtspunkt,  von  dem  aus  es  vielleicht 
gerechtfertigt  erschien,  das  gesammelte  Material  als  erste 
Grundlage  fernerer  Forschungen  hinauszugeben  — 
es  war  die  Rücksicht  auf  die  vergleichende  Lite- 
raturgeschichte. Hier  mochten  die  zahlreichen  Lücken 
eher  verzeihlich  erscheinen;  handelte  es  sich  ja  doch  nicht 
um  einen  Katalog  aller  irgendwo  einmal  erschienenen 
Plautusnachahmungen,  als  vielmehr  darum,  zu  zeigen,  wTelche 
von  den  Komödien  des  alten  römischen  Lustspieldichters 
hat  die  Teilnahme  der  modernen  Völker  am  meisten  für 
sich  beansprucht,  welches  Volk  hat  sich  der  Antike  am 
meisten,  welches  am  wenigsten  genähert,  was  ist  unter  ver- 
schiedenen Himmelsstrichen,  zu  verschiedenen  Zeitaltern 
und  unter  dem  Einflüsse  verschiedener  religiöser,  politischer, 
sozialer  Strömungen  aus  dem  gleichen  Stücke  geworden  — 
kurz:  wie  hat  sich  dasselbe  Samenkorn  unter  den 
einander  entgegengesetzten  Zonen  zu  einer  mehr 
oder  minder  bedeutenden  Pflanze  entwickeln 
können?  Wie  könnte  sich  die  poetische  Fähigkeit,  das 
dichterische  Gestaltungsvermögen,  die  sittliche  Anschauung 
einzelner  Nationen  zutreffender  mit  einander  vergleichen 
lassen,  als  wenn  allen  so  zu  sagen  eine  gleiche  Aufgabe 
gestellt  ist,   deren  Bearbeitung  ergeben  wird,  wie  die  einen 


Vorwort.  VII 

ängstlich  am  Wortlaute  des  Originals  haften  blieben,  andere 
sich  mit  der  Lokalisierung  des  Stoffes  begnügten,  wieder 
andere,  die  Freiheiten  des  alten  Dichters  verabscheuend,  sein 
Stück  zu  einem  Moralexempel  zu  gestalten  suchten,  indessen 
andere  gerade  hierin  ihr  Feld  fanden  und  die  dem  Römer 
kaum  mehr  verzeihliche  Unmoralität  einzelner  Vorwürfe  in 
üppigster  Form  erweiterten;  wie  die  einen  sich  von  der 
leitenden  Hand  des  Meisters  nicht  losrangen,  während 
andere,  ihm  treu  zwar  im  Grossen  und  Ganzen,  Meister- 
werke für  alle  Jahrhunderte  schufen,  wie  Moliere  mit  seinem 
„Geizigen"? 

Diese  vergleichende  Literaturgeschichte,  auf  welche 
die  g-leichen  Stoffe  in  ihrer  mannigfachen  Bearbeitung  hin- 
weisen müssen,  gestaltet  sich  zu  einem  Stück  Kulturge- 
schichte und  findet  hierin  ihre  höchste  Bedeutung. 

Einen  derartigen  Versuch,  den  ersten  Baustein 
zu  einem  solchen,  soweit  es  Plautus  betrifft,  zu 
liefern,  war  mein  bescheidenes  Ziel.  Je  mehr  ich  mich  über 
den  Entgang  des  einen  oder  andern  Stückes  trösten  musste, 
und  je  leichter  ich  es  angesichts  des  geringen  poetischen 
Wertes  so  vieler  konnte,  um  so  mehr  musste  ich  das 
Augenmerk  auf  den  Vergleich  der  bedeutendsten  Bear- 
beitungen richten,  stets  die  vergleichende  Absicht  vor- 
kehrend. Damit  war  mir  auch  die  Art  der  Durchführung 
vorgezeichnet. 

Es  handelte  sich  vorerst  darum,  ein  Bild  des  plau- 
tinischen  Stückes  zu  geben.  Das  Original  musste  so 
genau  analysiert  werden,  dass  es  dem  Nichtkenner  der 
Komödie,  ja  selbst  jenem,  der  sich  mit  ihrer  Lektüre  nicht 
beschäftigen  will,  klar  vor  Augen  liegt.  Dabei  musste 
vielfach  der  Wortlaut  gegeben  werden.  Es  musste  auf  ein- 
zelne Figuren  ein  besonderer  Nachdruck  gelegt  werden,  und 
selbst  Stücke,  die  wenig  Nachahmung  fanden,  ein  Pseudolus, 
Stichus  u.  dgl.,  mussten  vornehmlich  in  jenen  Charakteren 
nicht  kürzer  behandelt  werden,  welche  in  den  späteren  Nach- 


VIII  Vorwort. 

ahmungen  ständig  sind,  in  ihren  Kupplern  und  Parasiten, 
in  ihren  grosssprecherischen  Soldaten,  Pedanten 
und  verschlagenen  Sklaven;  denn  alle  diese  Gestalten  zu- 
sammen aus  den  sämtlichen  Stücken  sind  die  ruf- 
fiani  und  arlecchini,  die  capitani  und  famigli  u.  s.  w.  der 
späteren  Komödie  geworden;  ihr  Gesamtbild  ist  aus  allen 
jenen  Stücken  gewonnen,  in  welchen  sie  bei  Plautus  spielen, 
und  darum  schien  ihre  Charakteristik,  wo  immer  sie  vor- 
kamen, unentbehrlich. 

Nicht  anders  glaubte  ich  bei  den  nachgeahmten  Stücken 
verfahren  zu  müssen.  Schon  beim  Amphitruo  ist  gelegent- 
lich bemerkt  worden,  dass  die  fremdsprachlichen  Zitate 
fast  zu  viele  seien,  während  von  anderer  Seite  eine  Über- 
setzung derselben  verlangt  oder  doch  als  praktisch  bezeich- 
net wurde.  Ich  habe  mir  zahlreiche  Gutachten  erholt  und 
bin,  gestützt  auf  diese  und  auf  eigene  Überlegung,  meinem 
alten  Grundsatze  treu  geblieben.  Einmal  war  es  des  Ver- 
gleiches halber  unbedingt  nötig,  besonders  in  den  roma- 
nischen Sprachen,  den  vollen  Wortlaut  anzuführen,  wo  er 
sich  mit  dem  Originale  völlig  deckte  oder  wesentlich  von 
demselben  unterschied.  Ich  habe  gesucht,  die  Schlagwörter 
zunächst  zu  geben,  meist  so,  dass  der  Sinn  der  Rede 
deutsch  vorlag;  nur  etwa  im  Französischen  habe  ich  mehr 
zu  zitieren  gewagt.  Und  wenn  hin  und  wieder  die  Schön- 
heit oder  Eigenart  einer  Stelle  ein  Paar  Verse  zu  viel  ver- 
anlasste, so  mag  dies  verzeihlich  sein. 

Ein  anderer  Grund  aber  zwang  fast  zu  reichhaltigeren 
Zitaten;  es  war  die  grosse  Seltenheit  einzelner  angeführter 
Werke.  Wenn  die  Herbeischaffung  eines  Buches  mit 
grossen  Opfern  für  mich  und  mit  mancher  Belästigung  für 
andere  verbunden  war,  so  musste  man  den  einmal  gewon- 
nenen Schatz  doch  so  verwerten,  dass  einem  andern  die 
gleiche  Mühe  erspart  bleibt,  dass  er  aus  meinen  Angaben 
so  viel  entnehmen  kann,  als  er  zu  seinem  Zwecke  braucht. 

Ich    habe    mit    den    Angaben    meiner   Vorgänger    die 


Vorwort.  IX 

meiste  Zeit  verloren.  Die  seltsamsten  Mitteilungen  über 
Nachahmungen  plautinischer  Lustspiele  finden  sich  hier  und 
dort;  mit  allem  Scharfsinn  vermöchte  man  nicht,  wenn  man 
sich  mit  tausend  Opfern  das  Buch  zu  verschaffen  wusste, 
eine  solche  darin  aufzuspüren.  Darum  glaubte  ich,  gerade 
bei  seltenen  Werken,  dem  Nachfolger  den  grössten  Dienst 
zu  thun,  wenn  ich  ihn,  und  sei  es  selbst  in  breiterer  Form, 
darüber  aufkläre,  ob  und  in  wie  weit  eine  Nachahmung 
des  Plautus  vorliegt,  an  welcher  Stelle  dieselbe  sich  findet, 
ja  sogar  unter  Umständen  die  Szene  angebe,  die  man  irr- 
tümlicherweise oder  mit  wenig  Berechtigung  bisher  als 
eine  solche  bezeichnet  hat.  So  nur  kann  er  sich  selbst  ein 
Urteil  über  die  aufgestellten  Behauptungen  bilden. 

Wenn  ich  meine  Arbeit  einen  bescheidenen  Beitrag 
zur  vergleichenden  Litteraturgeschichte  nenne,  so  liegt  hierin 
zugleich  die  Entschuldigung  stilistischer  Mängel.  Es  wäre 
leicht  gewesen,  die  einzelnen  Stücke  ihrem  Inhalte  nach 
zu  beschreiben,  von  der  Fabel  ein  abgerundetes  Bild  zu 
geben  und  am  .Schlüsse  in  langen  Worten  aus  den  ge- 
gebenen Thatsachen  ein  Resultat  zu  ziehen.  Das  hielt  ich 
diesmal  noch  nicht  für  meine  Aufgabe.  Obwohl  es  zu 
mancher  Monotonie  führen  musste,  deren  Vermeidung  ein- 
fach unmöglich  war,  zog  ich  es  vor,  jedes  analysierte  Stück 
nach  Akten  und  Szenen  wiederzugeben.  Damit  ist  auch 
hinsichtlich  der  Technik  der  betreffenden  Stücke 
Plautus  gegenüber  stets  der  Vergleich  ermöglicht.  Diesen 
zu  ziehen,  habe  ich  meist,  wenige  Worte  ausgenommen,  dem 
Leser  überlassen;  denn  es  handelte  sich  in  diesem  Buche 
vorerst  nur  darum,  die  Bausteine  zu  weiterem  zu  sammeln. 

Der  Erinnerungen  sind  gelegentlich  meines  Amphitruo 
verschiedene  geschehen,  die  auch  diesmal  unberücksichtigt 
geblieben  sind.  Um  nur  eine  herauszugreifen,  wurde  der 
Textkritik  von  einzelnen  Rezensenten  gedacht.  Ich  habe 
nach  den  besseren  mir  erreichbaren  Ausgaben  des  Plautus 
zitiert  und  dieselben   stets   genannt.     Die   Berücksichtigung- 


X  Vorwort. 

di  r  Resultate  der  neueren  Textkritik  kann  hier  niemand 
fordern;  denn  es  handelt  sich  ja  nur  um  die  ästhetische 
Seite  der  plautinischen  Komödien.  Lagen  ja  doch  den 
meisten  Nachahmern  keine  kritischen  Ausgaben  vor,  und 
nahmen  sie  so  manchen  Prolog  als  echt,  dessen  Unechtheit 
heute  die  Wissenschaft  anerkennt. 

Behörden,  Anstalten  und  Kollegen  haben  mich  während 
meiner  Arbeit  zu  höchstem  Danke  verpflichtet.  Sie  alle  zu 
nennen  wäre  zu  weitläufig.  Neben  den  reichen  Schätzen 
der  Münchener  Hof-  und  Staatsbibliothek  durfte  ich  in  aus- 
gedehntem Masse  die  königliche  öffentliche  Biblio- 
thek in  Dresden  benützen  und  verdanke  der  allseits  ge- 
rühmten Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Oberbibliothekars 
Dr.  Förstemann  und  des  Herrn  Bibliothekars  Prof.  Dr. 
Schnorr  von  Carolsfeld  die  nachhaltigste  Unterstützung. 
Nicht  minder  unterstützte  mich  das  freundliche  Entgegen- 
kommen der  kgl.  Bibliothek  zu  Berlin. 

Besonderes  Verdienst  hat  sich  mein  ehemaliger  Schüler 
und  nunmehriger  Kollege  Herr  Dr.  Karl  Trautmann  in 
München  um  meine  Arbeit  erworben,  der,  selbst  in  der 
Geschichte  des  Theaters  mit  so  schönem  Erfolge  arbeitend, 
nichts  unbeachtet  vorübergehen  Hess,  was  in  einiger  Be- 
ziehung zu  meinem  Unternehmen  stand. 

Möge  die  Arbeit  wenigstens  die  Teilnahme  so  vieler 
bedeutender  Kräfte  in  etwas  lohnen! 

Villa  Lixenried,  Herbstferien   1885. 

Professor  Dr.  Karl  von  Reinhardstoettner. 


INHALT. 


Seite 

Vorwort V— X 

Erster  Teil. 

Einleitung.     Plautus  und  Terenz  und  ihr  Einfluss  auf 

die  späteren  Litteraturen 1 — 111 

(I.  Bedeutung  des  Altertums  für  die  späteren  Littera- 
turen. Einleitendes.  II.  Plautus.  Terenz.  Ansichten 
der  Alten  über  sie.  Anerkennungen  des  Mittelalters. 
Terenz  dem  Plautus  gegenüber  bevorzugt.  Gründe 
hierfür.  Terentius  christianus.  Fortgesetzte  Pflege 
des  Terenz.  Beispiele  der  Aufführung  von  Komödien 
des  Plautus  und  Terenz  bis  in  die  neueste  Zeit. 
Nachahmungen  des  klassischen  Lustspieles  in  den 
Schulkomödien.  Bearbeitungen  und  Nachahmungen 
des  Plautus  und  Terenz  in  Italien,  in  Spanien,  in  Por- 
tugal, in  Frankreich,  in  England,  in  den  Nieder- 
landen, in  Dänemark,  in  Schweden,  in  Ungarn, 
in  Deutschland.  Ständige  Figuren  aus  den  alten 
Dichtern.  Der  Sklave.  Die  Soubrette.  Der"  Päd  a- 
gog.  Der  Parasit.  Der  Prahler.  Umgestaltung  ein- 
zelner Komödien.  Einfluss  des  Pönulus.  Plautus 
selber  dramatisiert.) 

Zweiter  Teil. 

Die  plautinischen  Lustspiele  und  ihre  hervorragend- 
sten Bearbeitungen. 

1.  Amphitruo 115—229 

(Der  Geta  des  Vitalis  Blesensis.  Seine  weite  Ver- 
breitung. Ins  Französische  übersetzt  von  Eustache 
Deschamps;  Italienische  Bearbeitung.  —  Der  spanische 
Amphitruo  des  Villalobos,  des  Perez  de  Oliva. 
—  Amphitryon  eines  Anonymus  von  1554.  —  D.  San- 
tos  Diez  Gonzalez.  D.  Jose  de  Canizares.  D.  Sal- 
vador Constanzo.  —  Camöes.  Jose  da  Silva.  — 
Amphitruo  in  Ferrara,  übersetzt  von  Pandolfo  Colle- 
nuccio. —  Dolces  II  Marito.  — Groto  Cieco  di  Ha- 
drias  La  Calisto.  —  M.  Angelo  Buonarroti,  II 
Natale  d' Ercole.  —  Pariati.  —  Sellori.  —  N.  Forti- 


Xll  Inhalt. 

Seite 

guerra.  —  P.  Piareta.  —  Gasparini  Francescos 
Oper  Aufitrione.  —  Meschinots  Übersetzung.  —  Ch. 
Fe  aus  Brusquet.  —  Rotrou.  —  Sein  Lustspiel;  sein 
Ballet.  —  Benserades  Ballet  de  la  Nuit.  —  Venard 
de  la  Jonchere.  —  Beauchamp.  —  Raguenet.  — 
Pellegrini.  —  Moliere. —  Ein  Amphitruo  von  1681. 

—  Gr£try  und  Sedaine.  —  Interlude  von  Jack  Jug- 
gler.  —  Anthony  Munday,  John  a  Kent  and  John  a 
Cumber.  — Tomkins  Albumazar  nach  dem  Italienischen 
des  della  Porta.  —  John  Crownes  The  countiy  wit. 

—  Ben  Jonsons  Idee.  —  Thomas  Heywood,  the 
silver  age.  —  Amphitruo  in  Dresden  von  englischen 
Schauspielern  [162GJ  gespielt.  —  Drydens  Lustspiel  mit 
Purcells  Musik. —  Echard.  —  Coocke.  —  Englische 
Oper  Alcmena  von  Michel  Arne  und  Battishill.  — 
Dr.  Hawkesworth.  —  Wolfahrt  Spangenberg.  — 
Johannes  Burmeister.  —  J.  G.  Schochs  Comödia 
vom  Studentenleben.  —  Historie  vom  Herkules  in  Nürn- 
berg 1549.  —  Amphitruo  in  Dresden.  —  Die  in 
Lorbeer  verwandelte  Daphne.  —  Juppiter  und  Alc- 
mena, zwei  Opern  von  1696  und  1704.  —  Amphitruo 
in  Tzschimmers  Festbericht.  —  Amphitruo  1716  in 
Wien  nach  Lady  W.  Montagues  Bericht.  —  Falks 
„Die  Uhu".  „Amphitruon."  —  H.  v.  Kleist.  —  Am- 
phitruogeschichte  im  Neuen  Blatt.) 

Asiuaria 229-255 

(Aufführungen  in  lateinischer  und  italienischer 
Sprache  in  Born.   —  Jakob  Lochers  ludicrum  drama. 

—  A.  Beolco  Ruzzantes  Vaccaria.  —  Cecchis  II 
Martello.  —  Joh.  Burmeisters  Bearbeitung.  — 
R.  Lenz,  Das  Väterchen.) 

3.  Aiilnlaria  (Querolus) 255—324 

(Vitalis  Blesensis  Aulularia  [Querolus].  —  Gellis 
La  Sporta.  —  Lorenzinos  de'  Medici  Aridosio.  — 
Paride  Ceresara.  —  Carlo  M.  Maggi.  —  Gius.  M. 
Stampa.  —  Lisimbo  Oristoniano  Pastor  Arcade 
u.  a.  Übersetzer.  —  Lariveys  Les  Esprits.  —  S.  Chap- 
p  uze  au,  le  riche  vilain.  —  Moliere,  l'.Avare.  —  Con- 
greves  Love  for  love.  —  Zahlreiche  Übersetzungen 
von  Molieres  Avare.  In  Deutschland  zu  Frankfurt 
1670;  Neuber  in  Hamburg;  Zschocke  in  Weimar;  in 
Spanien  D.  M.  de  Iparraguirre;  D.  L.  F.  Colmella; 
in  Dänemark  1722;  in  Holland  Pluismer;  in  Un- 
garn Simai;  Döbrentcy;  Kacinczky. —  Der  Philo- 
chrysus  des  Jesuiten  Lejay.  —  Hoofts  Warenar.  — 
Shadwells  The  Miser  und  seine  französische 
Übersetzung.  —  Ben  Jonson  in  The  Devil  is  an  Ass.  — 
Wycherlys  Geizhals  [?]  —  Steeles  The  tender  Hus- 
band.  —  Henry  Fieldings  The  Miser.  —  Deutsche 
Übersetzungen  von  J.  Gref'f,  Zenckfrey,  Kayser 
u.  a.  —  Steffens,  der  Geldtopf.  —  R.  Lenz,  die  Aus- 
steuer. [Doppelte  Bearbeitung.]  —  Juan  Claudio  de 
la  Hoz  y  Mota,  El  castigo  de  la  miseria.  —  B.  Sousa 
Mejia  „0  avaro".  —  Angely.  —  K.  v.  Holtei.  — 
Goldoni  [P  avaro;  il  geloso  avaro ;  1'  avaro  fastoso;  il 
vero  amico.]  —  Opern.) 


» 


Inhalt.  XIII 

Seite 

4.  Capthi 324—355 

(L.  Ariosto,  I  suppositi.  —  Ihre  Nachahmungen  im 
Französischen  von  Jacques  Bourgeois,  Jean  Pierre 
de  Mesmes,  Godard;  im  Englischen  von  George 
Gascoigne.  Anklänge  in  Massingers  A  new  way  to 
pay  old  debts.  —  Abbe  Voisenon,  l'heureuse  ressem- 
blance.  —  G.  P.  Clerici,  I  prigionieri.  —  Rotrou,  les 
Captifs.  —  P.  Duryer.  —  Jean  Roy.  —   Coste  u.  a. 

—  Ben  Jon  so  n,  The  case  is  altered  [und  The  Devil 
is  an  Ass].  —  Hayneccius.  —  Lipsius.  —  Lenzens 
verlorne  „Algierer".) 

">,  Cnrculio 355—365 

(Massinger,  A  very  woman.  —  Aug.  Teod.  Villa.  — 
PL  Lenz,  Die  Türkensklavin.) 

6.  Casina 365-390 

(G.  Berrardo.  —  Machiavellis  Clizia.  —  Gelli,  Lo 
Errore.  —  Brunamonti.  —  Larivey,  le  laquais.  — 
Dolce,  il  Ragazzo.  —  della  Porta,  la  fantesca.  — 
Regnard,  les  folies  amoureuses.  —  Dominique,  la 
folle  raisonnable.  —  Ben  Jonson,  Epicoene.) 

7.  Cistellaria 390-400 

(Cecchi,  gl'  Incantesimi.  —  Lo  specchio,  Canevas.) 

8.  Epidikns , .    .    .    401-426 

(Beolco  Ruzzantes  Brigella.   —  Moliere,    l'Etourdi. 

—  Les  fourberies  de  Scapin.  —  Riccoboni,  les  four- 
beries  de  Scapin.  —  W.  C.  S.  Mylius,  So  prellt  man 
Füchse.  —  Th.  Otway,  The  cheats  of  Scapin.  —  Cail- 
hava,  le  mariage  interrompu.  —  Th.  Middleton,  No 
wit  [help]  like  a  woman's.  —  Echard.  — Parmindo. 

—  Alticozzi.  —  Dacier.  —  L.  G.  Cieco  di  Hadria, 
1' Emilia.  —  N.  L.  Lemercier,  Piaute,  ou  la  comedie 
latine.) 

9.  Bacchides 426—444 

(Alb recht  vonEybe.  —  Niccolb  Barbieri,  1'  inav- 
vertito.  —  Philippe  Quinuult,  Tamant  indiscret.  — 
J.  Dryden,  Sir  Martin  Mar- all.  —  Cailhava,  le  ma- 
riage interrompu.  —  L.  Domenichi,  Le  due  cortigiane; 
französisch  von  Hieröme  d'Avost  de  La  Val.) 

10.  Mostellaria .    414-489 

(Berrardos  Mustellaria.  —  Ercole  Bentivoglio,  I 
fantasmi.  —  Montfleury,  le  comödien  poete.  —Reg- 
nard, le  retour  imprevu.  —  Gaveaux'  Oper.  —  Th. 
Heywood,  the  English  traveller. —  H.  Fielding,  the 
intriguing  chamber-maid.  —  L.  Holberg,  Huus-Spögelse. 

—  Ariostos  Cassaria.  —  Cecchi,  i  Sciamiti.  —  L'Ari- 
dosia.  —  Addissons  the  d rummer.  --  Desto uch es, 
le  tambour  nocturne;  deutsche  Ausgaben  desselben.  — 
Opern  von  Paisiello,  Schack,  Ditters,  Grätz  u.  a. 

—  Desto uches,  le  dissipateur.  —  Ben  Jonson,  the 
Alchemist.  —  Ramon  de  la  Cruz  Cano  y  Olmedilla.) 

11.  Meiiaeohini 490—594 

(Anonyme  spanische  Menechmos,  Antwerpen  1555.  — 
Juan   de   Timoneda.    —    Calderon,    Hombre    pobre 


XIV  Inhalt. 


todo  es  trazas.  —  Cibber,  tbe  double  gallant.  —  Er- 
cole  I.  —  Giov.  Falugi.  —  Gir.  Pentio  da  Lecco.  — 
Anonimo  von  1530.  —  Gli  Omodolfi  des  Niccolö 
Griffo  da  Valcapraja.  —  Bibbienas  Calandria.  — 
P.  Buonfanti  da  Bibbiena,  Errori  incogniti.  —  Gl'  In- 
gannati  von  einem  Mitgliede  der  Intronati  zu  Siena. 
—  Charles  Estienne,  les  Abusez.  —  G.  B.  della 
Porta,  1'  Olimpia.  —  Porta,  la  f'antesca.  —  G.  F.  Lo- 
redano,  la  Tnrca.  —  Calrno,  il  Travaglia.  —  J.  de 
Montemayor,  La  Diana  enamorada.  —  Lope  de  Rue- 
<ia,  los  Engaiios.  —  Medora.  —  Calderon,  la  Espanola 
en  Florencia.  — ■  Shakespeare,  the  twelfth-night,  or 
what  you  will.  —  Tugend  und  Liebesstreit.  —  Secchi 
[Secco],  Gl'Inganni. —  Larivey,  les  tromperies.  —  Cur- 
zio  Gonzago,  Gl'  inganni.  —  D.  Cornacchini,  Gl'In- 
ganni. —  Sforza  d'  Oddi,  la  Prigione  d' aniore.  — 
Trissino,  I  siuiillimi.  —  A.  Firenzuola,  I  Lucidi.  — 
Cecchi,  la  moglie.  —  Pietro  Aretino,  Lo  Hipocrito.  — 
Commedia  dell'  arte  [Flaminio  Scala]:  li  due  vecchi  ge- 
melli;  li  due  capitani  simili;  li  fintiservi;  la  gelosa  Isa- 
bella. —  Lelio,  la  fille  crue  garcon.  —  Giancarli  Rho- 
digino,  la  Cingana.  —  Porta,  i  fratelli  simili.  —  Fr. 
Toretti,  gli  schiavi  gemelli.  —  G.  Pianelli,  le  due 
sorelle  simili.  —  Andreini,  i  dno  Lelii  simili.  —  N. 
Amenta,  la  somiglianza.  —  B.  d'Azzi,  le  due  Fran- 
cesche. —  Chiesa,  i  quatro  simili.  —  G.  Cenci,  gli 
•errori.  —  G.  Gilbert,  les  intrigues  amoureuses.  — 
Goldoni,  I  due  gemelli  Veneziani.  —  Colalto,  les 
trois  jumeaux  veuitiens;  deutsch  von  Bonin.  —  Gol- 
donis  Zwillinge;  deutsch  von  Heubein.  —  Florian, 
les  jumeaux  de  Bergame  mit  Musik  von  Desauguers.  — 
Opern  von  Tritto,  Guglielmi,  Niccolini,  Gagli- 
ardi  u.  a.  —  Rotrou,  les  Menechmes.  —  E.  Bour- 
sault,  les  Nicandres,  ou  les  menteurs  qui  ne  mentent 
point.  —  Eustache  le  Noble,  les  deux  Arlequins.  — 
P.  Biancolelli,  les  quatre  semblables.  —  Li  due  Leli 
u.  a.  ■ —  Regnard,  les  Menechmes.  —  Ihre  deutschen 
Bearbeitungen.  —  Cailhava,  les  Menechmes  grecs.  — 
Palissot,  Clerval  et  Cleon,  ou  les  r.ouveaux  Menech- 
mes. —  Picard,  Encore  des  Menechmes.  —  Schillers 
Neffe  als  Onkel.  —  Historie  of  Error  1577.  —  William 
Warner.  —  Shakespeare,  Comedy  of  Errois.  —  Oper 
von  Bishop.  —  Farqhvar  the  twin  rivals.  —  Vol- 
taire, l'enfant  prodigue.  —  Schillers  Räuber.  — 
A.  v.  Eybe.  —  Hans  Sachs.  —  Jakob  Ayrer.  — 
Klingers  Zwillinge.  —  H.  Peter  Sturz.  —  Ad.  Öhlen- 
sch läger,  Die  Drillingsbrüder.) 

Miles  gloriosus 595—680 

(Spanischer  Anonymus,  Antwerpen  1555.  —  Celio 
Calcagnini,  il  soldato  millantatore.  —  L.  Dolce,  il 
capitano.  —  A.  Carmeli.  —  0.  Bianchi.  —  Distichi- 
sches Gedicht  (Traso).  —  Matthieu  de  Vendome, 
comoedia  de  milite  glorioso.  —  Ba'ff,  le  Brave.  — 
P.  Corneille,  l'illusion  comique.  —  Mareschal,  le 
veritable  Capitan  Matamore;  le  Railleur.  —  Cailhava, 
le  tuteur  dupti.  —  Cecchi,  il  corredo.  —  Hoibe-rg, 


Iahalt.  XV 

Seite- 
Jacob    von    Tyboe;     deutsch     von    Detharding.     — 
Holbergs  Ulysses  von  Itbacia   und  den  Ellefte  Junii. 

—  Kotzebues  Gimpel  auf  der  Messe.  — Herzog  Hein- 
rich von  Braunschweig,  Yincentio  Ladislao;  der- 
selbe metrisch  bearbeitet  durch  Eli  am  Herlicium 
Cicensem.  —  A.  Gryphius,  Horribilicribrifax.  — 
R.  Lenz,  der  grosspralerische  Offizier  [die  Entfüh- 
rungen]. —  S.  A.  Gock,  der  grosssprecherische  Offizier. 

—  K.  F.  Mally,  der  prahlerische  Krieger.  —  Falk  im 
Amphitruo.  —  Personen  des  Capitano  in  verschiede- 
nen Stücken.  —  Spavento,  Mondor,  Spezzafer.  —  Gui- 
seppe Bianchi.  —  Commedia  dell'  arte.  —  Scala, 
teatro  delle  fauole  rappresentative.  —  Orazio  Yecchi, 
Anfiparnasso.  —  Secondo  Tarentino,  il  capitan  bi- 
zarro.  —  Andrea  Calmo,  la  Spagnolas.  —  Cecchi,  il 
Martello,  I  Rivali.  —  L.  Groto  Cieco  di  Hadria, 
T  Emilia.  —  Della  Porta,  la  fantesca,  la  Trappolaria, 
Olimpia.  —  Pietro  Aretino,  la  Talanta.  —  Vergilio 
Verucci,  il  servo  astuto.  —  Fabrizio  de' Fornans, 
l'Angelica.  —  Goldoni,  l'amante  militare;  la  guerra.  — 
Ff.  Andreini,  le  bravure  del  Capitano  Spavento,  zwei 
Teile;  französisch  von   Jean    de  Fönten y.  —  Ballets. 

—  Lope  de  Rueda,  Medora.  —  Dr.  Ant.  Ferreira, 
Bristo.  —  Joaquim  Manoel  de  lacedo,  0  fantasma 
branco.  —  F.  Villon  [?],  Monologue  du  Franc  Archier 
de  Baignollet,  —   Odet  de  Tournebu,  Les   Contens. 

—  Scarron,  les  boutades  du  Capitan  Matamore;  Jo- 
delet ou  le  maitre  valet;  le  Jodelet  duelliste.  —  S.  Cy- 
rano  Berger  ac,  le  pedant  joue\  —  Mo  Her  e,  les  four- 
beries  de  Scapin,  l'amour  mödecin.  —  La  Comedie 
des  Proverbes.  — Boyron  [Baron],  1'honime  a  bonne 
fortune,  le  militaire  fanfaron.  —  Pal ap rat,   le  muet. 

—  Destouches,  le  glorieux.  —   Interlude  Thersytes. 

—  N.  Udall,  Royster  Doyster.  —  Shakespeare,  Fal- 
staff,  Pistol,  Poins,  Parolles,  Armado.  —  W.  H.  Brömel, 
Hannibal  von  Donnersmark,  Gideon  von  Tromberg.  — 
P.  Meurice,  Falstaff.  —  A.  Vacquerie,  le  capitame 
Parolles.  —  J.  Lilly,  Endimion.  —  BenJonson,  Every 
man  in  his  humour;  Every  man  out  of  his  humour; 
the  Poetaster.  —  Dekkers  Captain  Tucca.  —  G.  Chap- 
man,  May-day.  —  Beaumont  k  Fletcher,  A  lang 
and  no  king;  The  custom  of  the  country.  —  W.  Con- 
greve,  the  old  batchelor.) 

13.  Mercator •    •    •    68°- 689 

(A.  Murphy,  the  Citizen.  —  Orazio  Bianchi,  il  mer- 
cadante.  —  Cecchi,  la  Stiava.  —  Ercole  Bottri- 
garo,  il  mercadante.) 

14.  Pseudolus •    •    690—714 

(Vergilio  Verucci,  il  servo  astuto.  —  Regnard,  la 
se'renade.  —  S.  Gays  Oper,  Musik  von  Gail.  —  Hol- 
berg,  Diderich  Menschenskräk. —  Lessing,  Justin.  — 
Della  Porta,  la  Trappolaria,  l'Olimpia,  la  Carbonana. 

—  Ital.  Übersetzung  von  Torelli.) 

15.  Poeuulus •..•    •    •    714-718 

(Aufführungen  des  Poenulus.  —  Italienische  Überset- 
zungen von  1520  und  1526.  —  Ariostos  Cassaria.) 


XVI  Inhalt. 

Seite 

16.  Persa    .    . ' 719-722 

(High  life  below  stairs.) 

17.  Rudens .    722—736 

(L.  Dolce,  il  ruffiano.  —  Goldhagens  Anthologie.  — 
Leo  Lipsius.  —  Dacier.  —  Hei.  Baletti  Ricco- 
boni,  le  n  au  frage.) 

IS.   Stichus 737—745 

(Lessing,  Weiber  sind  Weiber.  —  Brunamotti,  lo 
Stico.) 

15).  Trinuiniiiiis 746—767 

(Uecchi,  la  dote.  —  Alticozzi.  —  N.  Destouches, 
le  tresor  cache,  le  dissipateur.  —  Andrieux,  le  tre"sor. 
—  Ant.  le  Bret,  l'epreuve  indiscrette.  —  Lessing, 
der  Schatz.  —  Goldhagens  Anthologie.  —  Leo  Li- 
psius und  andere  Übersetzer.) 

20.  Truculentus 767—776 

(R.  Lenz,  Die  Buhlschwester.) 

Register ' 777—793 


ERSTER  TEIL. 

(Einleitung.     Plautus  und  Terenz  und  ihr  Einfluss 
auf  die  späteren  Litteraturen.) 


I.    Einleitung. 

Mit  wenigen,  aber  trefflichen  Worten  kennzeichnet  Benfey1) 
das  Verhältnis  der  Nachwelt  zur  klassischen  Litteratur:  „Die  Er- 
kenntnis und  Aneignung1  der  klassischen  Welt  ward  und  blieb 
bis  auf  den  heutigen  Tag  ein  Hauptbestreben  der  folgenden 
Zeiten;  wesentlich  auf  dem  Boden  der  klassischen  Bildung  hat  sich 
die  moderne  erhoben;  und  was  sie  in  ihrer  weiteren  Ent- 
wicklung geleistet  hat,  verdankt  sie  zu  einem  nicht  ge- 
ringen Teil  dem  Geiste  des  klassischen  Altertums,  der 
sie   belebt." 

Es  ist  eine  unwiderlegbare  Tbatsache,  dass  an  den  grossen 
Vorbildern  der  klassischen  Periode  Griechenlands  und  Roms  die 
Nachwelt  sich  herangebildet  bat;  und  mag  sie  auch  aiif  die  Pflege 
derselben  verhältnismässig  viel  Zeit,  Fleiss  und  Mühe  verwendet 
haben,  der  Lohn,  den  sie  daraus  zog,  war  ein  unberechenbarer; 
er  stand  völlig  im  richtigen  Verhältnisse  zu  dem  aufge- 
wandten Studium. 

Vor  uns  entfaltet  sich  die  Geschichte  der  Litteraturen  Euro- 
pas. So  wie  sie  heute  vor  uns  liegen,  könnten  wir  uns  dieselben 
ohne  den  Einfluss  des  klassischen  Altertums  nicht  denken;  zum 
mindesten  müsste  ihre  ganze  Entfaltung,  ihr  Aufbau,  ihre  Blüte 
eine  vollständig  andere  geworden  sein,  wären  sie  nicht  durch 
die  Antike  angeregt,  gehoben,  gebildet,  zu  neuen  Idealen  ge- 
leitet worden. 

Tief  im  Abgrunde  lagen  mehrmals  die  litterarischen  Zustände 
der  Kulturvölker ;  es  schien,  als  ob  ihre  poetische  Scliöptüngskratt 
erlahmt,  der  Genius  der  Dichtkunst  verschwunden  wäre;  da  hob 
ein  Blick  auf  das  Altertum  eine  verfallene  Litteratur,  und  ein 
neues  Schrifttum  rankte  sich  empor  an  der  Stütze  der  Alten, 
befruchtet  von  der  nie  versiegenden  Quelle  der  Griechen  und 
Römer. 

Man  kann  die  klassischen  Autoren  des  Altertums  niemals 
gänzlich  erschöpfen.      Es  keimt  in  ihnen  eine  ewig  frische  Jugend 


')  Geschichte  der  Sprachwissenschaft.  (München  18G9.)  S.207. 

1* 


4  Bedeutung  des  Altertums 

und  Triebkraft,  es  quillt  ein  nie  vertrocknender  Born  stets  neuer 
Anregung  aus  ihnen;  immer  wieder  bieten  sie  neue  Gesichtspunkte, 
ohne  dass  man  Neues  in  sie  hineinzulesen  brauchte.  P.  Albert1) 
sagt  in  richtiger  Weise:  „Ils  s'imposent  ä  nous,  ces  grands  ecri- 
vains,  nu'iiie  encore  aujourd'hui,  dans  ce  souci  accablant  des 
choses  materielles,  ils  rayonnent,  ils  ^chauffent,  ils  fbrtifient. 
De  leur  commerce  on  sort  plus  aguerri,  plus  droit,  plus  pret  au 
sacrifice. " 

Die  glückliche  äussere  Entwicklung  jener  Völker,  ihr  ge- 
sundes Verständnis  des  Realen,  das,  eben  weil  es  auf  voller 
Wahrheit  beruhte,  zum  Idealen  führte,  jene  durch  keine  schwär- 
merische Askese,  durch  keine  grübelnde  Intuition  gestörte  rein 
menschliche  Entfaltung  hat  in  den  Schriften  der  Alten  wahre 
Wunder  gethan  und  auf  Jahrtausende  gewirkt. 

Es  hat  nicht  an  solchen  gefehlt,  welche  diese  Hingabe  an  die 
längst  vergangenen  Tage  der  klassischen  Zeit  mit  schelem  Auge 
betrachteten:  kühner  als  je  erhebt  heute  eine  feindselige  Partei 
ihr  Haupt,  die  da  lehren  will,  diese  Verehrung  vor  Jahrtausend 
alten  Vorbildern  habe  die  organische,  freie  Entwicklung  neuer, 
zeitgemässer  litterarischer  Richtungen  beeinträchtigt  oder  auf 
fälsche  Bahnen  gelenkt.2)  Abgesehen  von  der  Unzulässigkeit  der 
Frage,  was  unter  anderen  Verhältnissen  hätte  geschehen  können 
—  Geschichte  ist  ja  eben  das  Geschehene  —  beweisen  gerade 
jene,  welche  die  klassische  Litteratur  dafür  verantwortlich  machen 
wollen,  dass  die  litterarische  Entfaltung  einzelner  Kulturvölker  so 
und  nicht  anders  sich  gestaltete,  so  z.  B.  ein  anonymer  Essai  sur 
la   litterature   romantique,3)    ohne    es    zu   wollen,    für    die    hohen 


')  La  litterature  fran§aise  des  origines  ä  la  fin  du  XVP  siecle. 
Paris,  Hachet  (1875).     S.  117. 

2)  So  klagt  Mercier  in  seinem  Buche  über  Rousseau  (II,  209): 
„Nous  serions  bien  au  dessus  de  ce  que  nous  sommes,  si  les  produetions 
meme  des  anciens  se  fussent  tout  ä  fait  ensevelies  sous  les  ruines  de 
ces  empires  qui  ont  disparu.     Limitation  arrete  les  elans  du  genie." 

3)  Paris  (le  Normant  Pere.     N.  Pichard  1825).     Dort  heisst  es: 

(S.  72):  Si  l'Europe  alors,  dans  les  developpemens  progressifs  de 
la  pensee  et  de  l'imagination  füt  restee  livree  ä  ses  seuls  elemens  de 
eulture,  si  nulle  influence  etrangere  n'en  eüt  modine  l'action,  on  auroit 
vu  naitre  partout  sur  son  sol  une  litterature  vraiment  nationale,  comme 
celle  des  anciens  et  oü  se  seroient  retrouves  sans  addition  et  sans  me- 
lange  tous  les  traits  qui  caracterisent  sa  civilisation.  Des  avant  le  quin- 
zieme  siecle  la  France  en  avoit  donne  l'exemple.  Les  poesies  de  ses 
Trouveres,  ses  anciens  fabliaux,  ses  anciens  romans  de  chevalerie  y  com- 
posoient  des  lors  une  litterature  basee  sur  des  traditions  populaires,  sur 
la  peinture  des  usages  nationaux,  surtout  sur  l'esprit  galant  et  militaire 
du  moyen  äge.  Denuee  sans  doute  de  ce  genre  de  variete  et  de  pro- 
fondeur  que  donnent  seule  l'abondance  des  lumieres  et  l'habitude  de  la 
reflexion  eile  etoit  du  moins  en  pariaite  harmonie  avec  le  genie  de  la 
nation.  Si,  corrigeant  ses  imperfections  sans  changer  son  principe,  la 
France   füt  restee  fidele   ä  ces  premiers  essais  de  son  talent  litteraire, 


für  die  neuere  Litteratür.  5 

Verdienste  und  den  segensreichen  Einfluss  der  Kenntnis  und  Nach- 
ahmung der  Antike.  Wenn  in  der  genannten  Abhandhing  auf 
die  hohe  Entwicklung  der  Trouveres  hingewiesen  und  die  Mei- 
nung vertreten  wird,  dieselben  hätten,  ohne  das  Dazwischen- 
kommen der  klassischen  Litteratür,  sich  noch  weiter  verbreitet, 
so  wird  verschwiegen,  dass  die  Poesie  der  Trouveres  ihr  Ende 
nicht  nur  durch  das  Eintreten  gänzlich  veränderter  sozialer  Zu- 
stände fand,  sondern  in  sich  selber  lange  schon  den  Todeskeim 
trug.  Glücklich  vielmehr  traf  es  sich,  dass  nach  dem  Versinken 
dieser  Dichtungen,  welche  in  den  meisten  Ländern  nur  Treibhaus- 
pflanzen waren,  man  sofort  an  der  Antike  Muster  fand,  an  welchen 
man  sich  zu  der  so  stark  misskannten  wirklichen  Poesie  begeistern 
konnte.  Freilich  möchte  man  wünschen ,  dass  die  lateinische 
Sprache  auf  nicht  allzu  lange  Zeit  die  Erzeugnisse  in  der 
Muttersprache  verdrängt  hätte;  doch  aber  ist  man  längst  davon 
abgekommen,  jene  Perioden,  wo  sie  das  Übergewicht  hatte,  als 
gänzlich  unfruchtbare  zu  bezeichnen.  Man  weiss  jetzt  zu  wür- 
digen, wie  viel  die  Litteratür  selbst  den  lateinischen  Sekulkomödieu 
zu  danken  hat,  und  dass  sie  in  einer  poetisch  ziemlich  unpro- 
duktiven Zeit,  wie  solche  in  der  Geschichte  aller  Litteraturen 
eintreten,  nicht  nur  die  Form  und  äussere  Gestalt  des  Dramas  ge- 
funden, gepflegt  und  erhalten,  sondern  auch  Gedanken  und  dichte- 
rische Stoffe  auf  die  kommenden  Generationen  verpflanzt  haben. 
Der  Geistesgang  der  einzelnen  Völker  ist  durch  den 
Einfluss  der  klassischen  Litteratür  nur  gefördert,  nie- 
mals gehemmt  worden.  Wenn  die  Dichtkunst  des  Aristoteles 
heute  noch  in  den  meisten  Stücken    giltig   ist,    so    mag   dies   nur 


eile  jouiroit  aujourd'hui  des  avantages  trop  peu  sentis  d'ime  litterature 
nee  et  perfectionnee  sur  le  sol  de  la  patrie.  Mais  on  entroit  alors  dans 
le  quinzierae  siecle,  epoque  ä  janiais  memorable  par  cette  invention  de 
l'imprirnerie  qui  devoit  desorniais  influer  si  puissamment  sur  la  civilisation. 
(S.  75):  Sans  doute  les  ouvrages  des  anciens  se  distinguent  par  des 
beautes  d'un  ordre  superieur,  et  nieritent  la  place  que  leur  ont  de  tout 
tems  assignee  les  nations  eclairees.  Mais  ces  ouvrages,  fruits  d'un  genie 
etranger,  furent  ecrits  pour  le  siecle  qui  les  vit  uaitre,  ou  plutut  sont 
l'iuspiration  de  ce  siecle.  Appropries  ä  l'ordre  de  choses  qui  existoit 
alors,  ils  en  portent  l'empreinte  et  lui  durent  leurs  anciens  succes.  Si 
la  Grece  entiere  applaudissoit  ä  ses  orateurs  ou  ä  ses  poetes ,  si  la  re- 
presentation  de  leurs  productions  y  excitoit  des  transports,  dont  aucun 
autre  äge  n'a  reproduit  la  vivacite  c'est  que  ces  productions  offroient 
ä  la  masse  de  la  nation  l'image  de  ses  mceurs,  de  ses  sentimeus,  de  ses 
croyances;  c'est  qu'elles  etoient  populaires.  dans  tonte  l'etendue  de  cette 
expression.  Mais  en  les  transportant  dans  les  langues  modernes,  chez 
des  peuples  qui  n'avoient  presque  que  le  nom  d'liommes  commun  avec 
ceux  de  l'antiquite,  devoit-ou  leur  accorder  autre  chose  que  l'admiration 
qui  est  due  au  genie  sous  quelque  forme  qu'il  se  presente?  Et  falloit-il 
citer  comme  des  modeles  pratiques,  et  imposer  comme  tels  ä  l'imitation 
des  modernes,  des  productions  aussi  etrangeres  ä  leurs  mceurs,  ä  leurs 
lois  et  ä  leur  culteV 


g  Bedeutung  des  Altertums 

als  ein  Beweis  ihrer  richtigen  Vorschriften  angesehen  werden; 
und  wenn  die  Werke  der  alten  Künstler  und  Dichter  uns  heute 
noch  begeistern,  wenn  sie  zwei  Jahrtausende  lang  zu  neuem 
Schaffen  anzuregen  vermochten  und  eine  wetteifernde  Nachahmung 
hervorriefen,  so  zeugt  das  eben  von  der  ihnen  innewohnenden, 
unverwüstlichen  Kraft. 

Litterarisch  tiefgesunkenen  Epochen  haben  die  alten  Autoren 
als  Leitstern  gedient.1)  An  ihrem  Lichtglanze  haben  sie  sich, 
und  war  es  auch  lange  nur  auf  dem  Wege  der  Nach- 
ahmung, zu  neuem  Schaffen  herangebildet.  Von  diesen  Nach- 
ahmern haben  einige  nur  dadurch  Ruhm  und  Ansehen  erlangt, 
dass  sie  sich  strenge  an  die  grossen  Alten  hielten.  Wahrlich  ge- 
ring war  die  poetische  Kraft  eines  Pope  oder  Boileau,  dennoch 
hat  der  eine  seinen  hohen  Ruhm  der  strengen  Nachahmung 
der  antiken  Vorbilder  zu  danken,  indessen  der  andere,  ebenfalls 
von  diesen  ausgehend,  sich  zum  „Gesetzgeber  des  Parnasses" 
emporschwang. 

Wo  immer  es  an  selbstschaffenden  Geistern  fehlte,  da  hat 
die  Hinneigung  zur  klassischen  Litteratur  die  Völker  vor  jenen 
grauenhaften  Undingen  bewahrt,  von  denen  jede  Litteratur  trau- 
rige Proben  aufzuweisen  hat.  Sie  allein  hat  die  litterarische 
Lehrzeit  der  Nationen  mit  Werken  ausgestattet,  welche,  ob  ihnen 
auch  das  grosse,  selbstschöpfende  Moment  mangelte,  sich  doch 
zu  ganz  anerkennenswerten  Leistungen  gestalteten.  Wo  aber 
einmal  ein  bedeutender  Genius  es  verstand,  sich  die  den  Alten 
abgelernte  Kunst  zu  nutze  zu  machen,  da  entstanden  jene  ge- 
waltigen, einzig  dastehenden  Dichterwerke,  welche,  wie  Shake- 
speares Comedy  of  Errors,  wie  Goethes  Iphigenie  auf  Tauris 
u.  a.  nicht  bloss  mit  Stolz  ihre  antike  Abkunft  zur  Schau  tragen, 
sondern  auch  die  Vorbilder,  denen  sie  entwuchsen  und  nachstrebten, 
kühn  zu  einem  Vergleiche  herausfordern  durften.  „Der  deutsche 
Homer  von  Voss,  Goethes  Iphigenie,  Hermann  und  Dorothea, 
Pandora,  zweiter  Faust,  Schillers  spätere  Dramen  sind  die  Früchte 
der  Verbindung  des  deutschen  Geistes  mit  dem  der  An- 
tike ....  Nur  in  der  innigsten  Verbindung  mit  der 
Litteratur  des  Altertums  konnten  wir  Hingebung  und 
Selbständigkeit   mit   einander  verbinden."2) 

Es  atmet   für  alle  Kulturvölker   in  den  antiken  Schöpfungen 


')  Mit  Recht  fragt  der  Ab.  Carlo  Deniua  (Discorso  sopra  le  vi- 
cende  della  letteratura.  Venezia  1780.  II,  5):  Senza  gli  studj  delle 
liugue  antiche  e  degli  autori  greci  e  latiui  e  senza  le  cognizioni  delle 
antiche  storie,  che  cosa  sarebbesi  fatto  che  portasse  pregio  in 
questi  secoli? 

2)  Max  Koch.  Über  die  Beziehungen  der  englischen  Litteratur 
zur  deutschen  im  XVIII.  Jahrhundert.    Lpz.  1883.    S.  40. 


für  die  neuere  Litteratur.  7 

etwas,  das  sie  kosmopolitisch  vereint;  sind  ja  Griechisch  und  La- 
teinisch Gemeingut  aller  geworden.  Hier  liegen  die  allen  gleich- 
massig  zugänglichen  grossen  Werke,  eine  Art  gemeinsamen  Be- 
sitztums aller  Erdbewohner.  Andere  gewaltige  Schöpfungen  der 
verschiedenen  Völker,  das  prächtige  Beöwulflied,  das  grossartige 
Nibelungenepos  sind  nur  einzelnen  zugänglich.  Homer  ist  die 
poetische  heilige  Schrift  aller  Völker,  soweit  das  Griechentum 
drang,  bekannt  und  geschätzt,  und  wohin  hat  sich  diese  Sprache 
nicht  den  Weg  gebahnt,  von  der  Rabelais  mit  soviel  Recht  sagt 
„sans  laquelle  c'est  honte  qu'une    personne  se  die  scavant?"  ') 

Die  Eindrücke  der  einfachen  und  doch  so  erhabenen  bibli- 
schen Darstellungen  verwischen  sich  niemals  wieder.  Genau  so 
steht  es  mit  den  Erinnerungen  des  klassischen  Altertums.  Sowie 
uns  die  Erzählungen  der  heiligen  Schriften  nie  aus  dem  Gedächt- 
nisse schwinden,  so  vergessen  wir  niemals  jene  einfach  naiven 
Anekdoten,  jene  trefflichen  Aussprüche,  deren  innersten  gold- 
haltigen Kern  weder  ihr  zwei  Jahrtausende  zählendes  Alter,  noch 
ihre  vielfache  Abnützung  als  Gemeinplätze  hat  irgendwie  vermindern 
können.  Sie  stehen  vor  den  Augen  unseres  Geistes  wie  die  gleich- 
altrigen Fabeln,  deren  Einfachheit  sie  unversehrt  durch  ein  Welt- 
alter gebracht  hat,  und  die  überall  da  herabsanken  und  an  Gehalt 
verloren,  wo  man  glaubte,  ihr  herkömmliches  bescheidenes  Kleid 
irgendwie  ändern  oder  ausschmücken  zu  können. 

„Das  Altklassische  ist  so  verwachsen  mit  unserem  ganzen 
Leben,  dass  es  den  Anschein  hat,  als  ob  wir  es  gar  nicht  ent- 
behren könnten  und  nur  zum  Nachteil  für  uns  entbehren  wür- 
den. Wir  würden  Gefahr  laufen,  Rückschritte  zu  thun,  wenn  wir 
mit  dem  Altertume  nicht  in  steter  Verbindung  blieben. " 2) 

Im  Altertume  finden  wir  die  Schatten  alle,  die  uns  durch 
unser  ganzes  Studium  geleiten,  die  in  unserm  heutigen  Leben 
noch  spielen,  auf  unsrer  dermaligen  Szene  noch  erscheinen.  Wir 
kennen  sie  alle  diese  ständigen  Figuren,  den  schlauen  Sklaven, 
der  zum  „valet"  der  französischen  Bühne  wurde;  den  geizigen 
Euklio,  der  mit  seiner  Magd  schilt,  sehen  wir  wieder  in  Har- 
pagon,  wenn  er  la  Fleche  zu  Rede  stellt,  der  prahlerische 
miles  gloriosus  in  seinen  mannigfachen  Spielarten  ruft  uns 
überall,  ob  er  als  Falstaff  auftritt,  ob  er  uns  als  Horribili- 
cribrifax  ergötzt,  die  Figuren  des  Plautus  und  Terenz  vor 
Augen.  Und  so  begegnen  uns  aller  Orten  jene  wohlbekannten 
Freunde  der  Jugend  wieder,  welche,  ob  sie  auch  unter  dem  wan- 
delnden Geschmacke  verschiedener  Jahrhunderte  bisweilen  ein 
anderes    Gewand    angelegt    haben,    doch    immer   und    überall    laut 


')  Pantagruel.    I,  8. 

2)  Teutsche  Vierteljahrsschrift.   1843.  No.  23.   (Bedeutung  der  Philo- 
logie für  Europa.) 


8  Bedeutung  des  Altertums 

für  ihre  Herkunft  aus  dem  klassischen  Altertume  zeugen.  Die 
erhabenen  Gestalten  der  Tragiker,  eine  Iphigenie  und  Antigone, 
liaben  fortgelebt  in  den  zahlreichen  nachgebornen  Dramatikern; 
die  Gestalten  des  Aristophanes,  Plautus,  Terenz,  selbst  wieder 
älteren  nicht  mehr  bekannten  Meistern  entnommen,  bevölkern 
heute  noch  die  Szenen  unsers  Lustspiels.  Den  Epikern  und  Ly- 
rikern der  Alten  sind  zahlreiche  spätere  Schöpfungen  entwachsen, 
und  wie  anregend  wirkten  nicht  die  Historiker!  Hat  doch  Shake- 
speare, der  z.  B.  Plutarch  nur  aus  der  Übersetzung1)  kannte, 
sich  an  ihm  zu  einer  Reihe  der  grossartigsten  Tragödien  be- 
geistert, und,  was  in  noch  höherem  Masse  für  die  rhetorische 
Kraft  dieses  Autors  spricht,  er  fand  die  in  demselben  eingefloch- 
tenen Reden  so  wirksam  und  so  gelungen,  dass  er  sie  für  wert- 
voll genug  hielt,  dieselben  oft  kaum  verändert  seinen  herrlichen 
Trauerspielen  einzuverleiben. 

Für  das  Epos  war  Jahrhunderte  lang  die  Form  in  Vergils 
„Arma  uirumque  cano"  stereotyp  gegeben;  die  Satiriker 
glaubten,  über  die  Alten  nicht  hinauskommen  zu  können.  Ihnen 
nahegerückt  zu  sein,  galt  als  Vollendung,  und  es  war  es  auch, 
wenigstens  schon  insoferne,  als  es  vor  argen  Missgriffen  schützte  und 
Horazens  Wort2)  zur  Wahrheit  machte:  uirtus  est  uitium  fugere; 
hätten  nur  alle  Imitatoren  auch  jenes  andere3) 

„In  uitium  ducit  culpae  fuga,  si  caret  arte"' 

oft  nicht  gänzlich  ausser  Acht  gelassen! 

Aber  nicht  bloss  die  Dichtkunst  zehrte  von  der  Antike,  auch 
die  Prosaiker  haben  sich  an  ihr  gebildet,  und  die  hohe  Vollendung, 
die  erhabene  Stufe  geistiger  Kraft,  zu  der  sich  z.  B.  unter  den 
Franzosen  Montaigne,  la  Boetie,  Rabelais  u.  v.  a.  emporge- 
schwungen haben,  ist  nichts  als  eine  köstliche  Frucht  ihrer  Hingabe 
an  das  klassische  Altertum,  das  heute  noch  genug  der  Anregung 
und  Stoff  zur  Nachbildung  bietet.4) 

Es  ist  in  hunderten  von  Schriften  auf  die  hohe  Bedeutung 
der  Antike  für  die  Kultur  Europas  hingewiesen  worden.  Ein 
arger  Feind  des  römischen  Militärstaates  und  der  Eroberungskriege 
hat  sich  doch  einst  nur  darum  für  ausgesöhnt  mit  den  Römern 
erklärt,    weil   sie    der   Kanal    geworden,    durch    welchen   uns    die 


*)  North  von  1595.  Vgl.  Four  Chapters  of  North's  Plutarch  .  .  . 
Edited  by  Prof.  Dr.  F.  A.  Leo.     London  (Trübner). 

Epist.  I.  1.  41. 

Epist.  H,  3.  31. 

So  griff  erst  unlängst  Robert  Hamerling  in  seiner  Dichtung 
Amor  u.  Psyche  zu  dem  Märchen  des  Apuleius.  —  Schon  früher  hat 
der  Goldesel  des  Apuleius  die  Komödie  Formicone  des  Publio  Philipp  o 
Maatouano  (gedr.  1537  in  Venedig  bei  Francesco  Bindoni)  veranlasst. 


für  die  neuere  Litteratur.  9 

künstlerischen  und  litterarischen  Schätze  Griechenlands  zugeflossen 
sind.  Wieder  in  hunderten  von  Schriften  ist  dargethan  worden, 
wie  oft  und  wie  nachhaltig  der  Humanismus  der  sinkenden  Welt 
zu  Hilfe  geeilt  ist.  Alle  dagegen  ins  Treffen  geführten  Gründe 
—  und  auch  an  den  lächerlichsten  fehlte  es  nicht1)  —  zerfallen 
in  sich  seihst. 

Der  segenspendende  Einfluss  der  klassischen  Litteratur  auf 
das  gesamte  Schrifttum  Europas,  die  üppige  Befruchtung,  die  von 
ihr  ausgehend,  seihst  auf  dürrem  Boden  verhältnismässig  schöne 
und  reiche  Saaten  reifte,  ist  nur  im  allgemeinen,  nur  in  ihren, 
freilich  ohnehin  schon  greifbaren  Hauptzügen,  oder  da,  wo  sie 
Kunstwerke  ersten  Ranges  hervorrief,  verfolgt  worden.  Und  doch 
ist  ihre  heilbringende  Wirkung  auch  da  nicht  zu  verachten,  wo 
sie  einer  völligen  Stagnierung  oder  entsetzlichen  Missgriffen  Ein- 
halt that.  Diese  zu  verfolgen,  sei  die  Aufgabe  nachstehender 
Blätter,  und  zwar  richtet  sich  unsere  Aufmerksamkeit  zunächst  auf: 

I.   Plautus. 
IL   Terentius  und  Aristophanes. 

III.  Die  griechischen  Tragiker:    Aischylos,    Sophokles, 

Euripides. 

IV.  Seneka. 

V.   Epiker,   Elegiker,   Lyriker. 

VI.   Satiriker,     Epigrammatisten,     Didaktiker,    Fa- 
beldichter. 
VII.   Prosaiker. 

Aus  einer  solchen  Darstellung  wird  sich,  woferne  sie  ge- 
lingt, ergeben  müssen,  dass  die  klassische  Litteratur  mehr  denn 
anderthalb  Jahrtausende  den  thätig  und  stille  wirkenden 
Sauerteig  bildet,  welcher  die  geistige  Masse  der  europäischen 
Kulturvölker  durchdringt;  es  wird  sich  ergeben  müssen,  dass  nicht 
nur  die  grossen,  den  Alten  nachgeahmten  Universalwerke  von 
hoher  Bedeutung  auf  diesen  wurzeln,  sondern  dass  auch  kleinere 
Dichtungen,  ja  sogar  die  zahlreichen  Übersetzungen  klassi- 
scher Werke  für  die  Entwicklung  der  sprachlichen  Fähigkeit,   der 


')  Wie  wenn  einst  in  einer  Sitzung  der  französischen  Deputierten- 
kammer (29.  Mai  1835.  No.  149  u.  150  in  le  Moniteur  universel.)  Ms. 
de  Tracy  die  französische  Revolution  demselben  in  die  Schuhe  schiebt, 
oder  Charles  Nodier  in  seinen  Erinnerungen  (I,  89)  meint,  Livius  u. 
Tacitus  hätten  an  der  Untergrabung  des  monarchischen  Prinzips  in 
Frankreich  grossen  Anteil.  Vgl.  Einige  Bemerkungen  über  die  fort- 
dauernde Abhängigkeit  unserer  Bildung  von  der  klassischen  Gelehrsam- 
keit. (Maximilianstag  1825,  gelesen  in  der  bair.  Akad.  d.  W.  zu  Mün- 
chen) von  Friedrich  Roth.     (16  S.) 


10  Bedeutung  des  Altertums 

dichterischen  Anlage  einer  Nation  von  ungeahntem  Werte  sind.') 
Es  wird  sich  ergeben  müssen,  dass  der  Einfluss,  den  Lotheissen2) 
den  Klassikern  für  eine  gewisse  Periode  der  französischen  Litte- 
ratur  (1600 — 1636)  zuschreibt,  auf  alle  Völker  und  Zeitab- 
schnitte sich  gleichmässig  erstreckt,  so  dass  es  sich  für  alle  Jahr- 
hunderte als  giltig  erweist,  was  er  von  jener  Epoche  schreibt: 
,,Der  Einfluss  der  altklassischen  Litteratur  ist  kaum 
abzumessen.  Er  formte  die  Sinnesart  der  Menschen  und 
ihr  ästhetisches  Gefühl  um,  Avobei  anfangs  eine  gewisse 
Verwirrung  nicht  immer  vermieden  werden  konnte;  er 
machte  sich  nicht  minder  in  der  Ausbildung  der  Sprache,  in  der 
Weiterentwicklung  der  Litteratur  fühlbar. 

Die  Versuche,  die  Werke  der  Alten  zu  übersetzen,  machten 
die  Unbeholfenheit  der  Muttersprache  klar;  aber  sie  ermunterten 
auch,  derselben  grössere  Geschmeidigkeit  zu  geben,  um  sie  den 
feinen  Wendungen  der  ausgebildeten  Sprachen  von  Hellas  und  Rom 
anzupassen. "  3) 

Grossartig  waren  die  Wirkungen  der  Antike.  „Ce  fut  donc 
par  son  propre  charme,"  urteilt  P.  Albert,4)  „par  la  vertu 
qui   etait  en  eile  que  l'antiquite  agit  sur  les  intelligences;  ä  ceux 


')  Dass  man  auch  hierin  des  Guten  zu  viel  thun  kaun,  zeigt  ein 
Programm  von  Münnerstadt.  „Antike  Charakterbilder  in  Schillers  Teil 
von  Hieron.  Schneeberger.  1875.  (19  S.)  Wenn  der  Verfasser  zeigen 
will,  dass  Gertruds  Worte:  Er  setzt  sich  kummervoll  auf  eine  Bank  — 
so  ernst  mein  Freund  —  ich  bin  dein  treues  Weib,  und  meine  Hälfte 
fordr'  ich  deines  Grams  —  des  edlen  Iberg  Tochter  rühm'  ich  mich, 
wörtlich,  und  wie  sie  sind,  ihre  Entstehung  Plutarch  verdanken:  ivdvo- 
jusvoq  zw  Xoyiaiup  ovz'  ikdv&ave  zijv  yvvalxa  —  /j.eazoq  zaQayjjq  ätföovq 
—  xoivcDvdq  fiev  üyad-öJv  eivcu  xoivcovöq  6h  dviaQÜiv  —  Käzojvoq  eivai 
d-vyartQa  xal  zö  Bqovzov  yvvalxa  tiqöosozii'' ,  oder  dass  Gertruds  Entschluss: 
die  letzte  Wahl  steht  auch  dem  Schwächsten  offen,  ein  Sprung  von  dieser 
Brücke  macht  mich  frei,  mit  Porcias  Selbstmord  zusammenhängen  soll, 
so  heisst  das,  jedes  dichterische  Schaffen  verleugnen.  Gegen  einen  sol- 
chen Einfluss  der  klassischen  Litteratur  müsste  man  Protest  einlegen; 
wahrlich  wenn  Schiller,  wie  der  Verfasser  meint,  Gertrud  und  Hedwig 
aus  Plutarch  und  Homer  (Porcia  und  Andromache)  geholt  hat,  dann 
stand  es  schlimm  um  sein  dichterisches  Vermögen.  —  Vgl.  dagegen 
LudwigHirzel,  Schillers  Beziehungen  zum  Altertum.  (Aarau  1872.)  — 
Stets  zu  beherzigen  sind  bei  ähnlichen  einfachen  Parallelstellen  die 
Worte,  mit  welchen  Oskar  Bro sin  seinen  Artikel  „Anklänge  an  Vergil 
bei  Schiller"  (Schnorrs  Archiv  VIE.  Bd...S.  518  —  533)  schliesst:  „Wie 
aber,  wenn  trotz  alledem  in  allen  jenen  Übereinstimmungen  das  blosse 
Spiel  des  Zufalls  waltete.  So  bliebe  wenigstens  das  eine  Resultat,  das, 
so  trivial  es  ist,  aufs  neue  bestätigt  zu  sehen,  vielleicht  doch  interessiert, 
dass  gewisse  dichterische  Schönheiten  in  Anschauung.  Empfindung,  Ge- 
danken, Bild  und  Ausdruck  nicht  das  Eigentum  einzelner  Völker  und 
Dichter  sind,  sondern  den  verschiedensten  Nationen,  Individuen  und 
Zeiten  gemeinsam  angehören." 

2)  Geschichte  der  franz.  Litteratur  im  17.  Jahrh.    (Wien  1877.)    I,  29. 

3)  Vgl.  auch  Rigault  Hist.    S.  42. 

4)  A.  a.  0.    S.  117. 


für  die  neuere  Litteratur.  \\ 

qui  se  donneren  t  ä  eile,  eile  donna  ce  qui  est  en  eile,  ce  que  rien 
ne  pouvait  leur  donner  alors." 

Und  wenn  Werke  nach  fast  zweitausend  Jahren  solcher 
Wirkungen  fähig  sind,  wer  dürfte,  wer  könnte  ihnen  selbst  den 
Wert  absprechen,  den  sie  in  anderen  so  glänzend  Widerscheinen 
lassen?  Und  wenn  sie  so  gewaltig,  so  grossartig  sind  an  sich 
und  durch  ihren  Einfluss ,  wer  möchte  es  wagen ,  die  Welt  von 
diesen  Studien  abzuziehen?  Es  hiesse  gewaltsam  die  Axt  an  die 
Wurzeln  der  allgemeinen  Veredlung  legen,  die  Quelle  verschütten, 
die  wohlthätig  tausende  von  Generationen  erfrischt  hat,  die  einen 
mit  einem  Labetrunk,  den  sie  unterwegs  dankbar  zu  sich  nahmen, 
die  andern  durch  reiche  Erquickung,  die  sie  ihnen  ihr  Leben 
lang  bot,  —  alle  aber  gleichmässig  stärkend,  „alles  segnend, 
allgesegnet".1) 


')  Siehe  eine  reiche  Litteratur  über  die  klassischen  Autoren  bei 
Sulzer:  Allgemeine  Theorie  der  schönen  Künste  etc.  (Lpz.  1792.)  Bd.  I, 
S.  123b.  —  Vgl.  zum  Ganzen  von  neueren  Erscheinungen:  Histoire  de 
la  querelle  des  anciens  et  des  modernes  par  M.  Hippolyte  Rigault. 
Paris  (L.  Hachette).    1856. 


IL    Plautus  und  Terenz  und  ihr  Einfluss 
auf  die  späteren  Litteraturen. 

Einen  unerschöpflichen  Stoff  für  die  Lustspieldichter 
der  kommenden  Jahrhunderte  hahen  die  römischen  Ko- 
möden  Plautus1)  und  Terenz2)  hinterlassen.3)  Oh  auch 
die  Meinungen  üher  den  künstlerischen  Wert  heider  zu  verschie- 
denen Zeiten  andere  waren, 4)  wurden  sie  doch  stets  mit  besonderem 


*)  T.  Maccius  Plautus  aus  Sarsina  in  Umbrien,  um  254  v.  Ch. 
(500  a.  u.  c.)  geboren,  184  v.  Ch.  (570  a.  u.  c.)  gestorben,  war  von  nie- 
derem Stande,  jedoch  ein  Freier.  Nachdem  er  in  Geldspekulationen  sein 
Vermögen  verloren  hatte,  lebte  er  von  der  Bearbeitung  griechischer 
Lustspiele  für  die  römische  Bühne.  S.  W.  S.  Teuf  fei,  Geschichte  der 
römischen  Litteratur.  Vierte  Auflage  bearbeitet  von  Ludwig  Schwabe. 
Leipzig  (Teubner).  1882.  S.  144—160.  —  Bernhardy,  Grundriss  der 
römischen  Litteratur.  5.  Bearbeitung.  Braunschweig  1872.  455 — 463.  — 
Bit  sc  hl,  Parerga  zu  Plautus  und  Terenz.  Lpz.  1845.  T.  I.* —  Über 
den  Namen  Maccius,  den  Bitschi  (aus  M.  Accius)  hergestellt  hat, 
vgl.  Bitschi  Parerga  p.  3;  M.  Hertz,  T.  Maccius  Plautus  oder  M.  Ac- 
cius Plautus?  Berlin  1854.  —  T.  Maccii  Plauti  comoediae.  Becensuit 
et  enarravit  Joannes  Ludovicus  Ussing.  Havniae,  suniptibus  libra- 
riae  Gyldendalianae  1875.    I.  Bd.     S.  141.     De  Plauti  poetae  nomine. 

2)  Publius  Terentius  aus  Karthago,  Sklave  und  später  Frei- 
gelassener des  Senators  Terentius  Lucanus,  geboren  185  v.  Ch.  (569  a. 
u.  c),  war  einer  der  vollendetsten  Nachbilder  griechischer  Komödien. 
In  einem  Alter  von  sechsundzwanzig  Jahren  starb  er  auf  der  Bückreise 
von  Griechenland  i.  J.  159  v.  Ch.  (595  a.  u.  c).  —  Vgl.  Teuf  fei  a.  a.  0. 
S.  169—179.  —  Bernhardy  a.  a.  0.    S.  465—472. 

3)  Denina,  (Vicende  della  lett.  LT,  19).  Plauto  e  Terenzio  erano 
piü  conosciuti  e  piü  letti  che  Sofocle  ed  Euripide  ed  anche  per 
questa  ragione  era  piü  facile  che  si  pensasse  a  compor  com- 
medie  che  tragedie. 

4)  Vulcatius  Sedigitus  „de  poetis"  (bei  Gellius,  noct.  att.  XV,  24) 
nennt  Plautus  unter  zehn  komischen  Dichtern  Borns  als  den  zweiten, 
Terenz  als  den  sechsten: 

Multos  incertos  certare  hanc  rem  uidimus: 
Palmam  poetae  comico  cui  deferant. 
Eum,  meo  iudicio,  errorem  dissoluam  tibi. 
Ut  contra  si  quis  sentiat,  nihil  sentiat. 
Caecilio  palmani  Statio  do  miinico. 
Plautus  secundus  facile  exuperat  caeteros. 


Plautus  im  Urteile  der  Alten.  13 

Lobe  genannt.  Cicero1)  rühmt  an  Terenz  die  „elegantia  ser- 
monis"   und  gedenkt  anerkennend    des   Terentianus  Chremes. 2) 

Des  Plautus  thut  Cicero  einige  male  Erwähnung ] 3)  ja  an 
einer  Stelle4)  setzt  er  ihn  auf  dieselbe  Stufe  wie  die  Attiker: 
„Duplex  omnino  est  iocandi  genus,  unum  illiberale,  petulans, 
flagitiosum,  obscenum,  alterum  elegans,  urbanum,  ingenio- 
sum,  facetum.  Quo  genere  non  modo  Plautus  noster  et  Atti- 
corum  antiqua  comoedia,  sed  etiam  philosophorum  Socraticorum 
libri  referti  sunt." 

Minder  günstig  hat  bekanntlich  Horatius  in  seiner  Epistel 
an  die  Pisonen5)  über  Plautus  geurteilt: 

At  uestri  proaui  Plautinos  et  mvmeros  et 
Laudauere  sales,  nimiuni  patienter  utrumque, 
Ne  dicam  stulte,  mirati,  si  modo  ego  et  uos 
Seimus  inurbanum  lepido  seponere  dicto 
Legitimumque  sonum  digitum  callemus  et  aure. 

Mit  Unrecht  also  habe  Plautus  das  Lob  der  Ahnen  besessen;  auch 
an  einer  andern  Stelle6)  wird  ihm  das  „ad  exemplar  Siculi  pro- 
perare  Epicharmi"   zum  Vorwurfe  gemacht. 

Dies  Urteil  des  Horatius,  das  verschieden  ausgelegt  wurde,7) 
hat  Jahrhunderte  lang  die  Freunde  des  Plautus  in  Erregung  ver- 
setzt;8) eigentlich  unbegründet;  denn  an  Anerkennung  des  Dich- 
ters hat  es  keine  Zeit  fehlen  lassen. 


Dein  Naevius  qui  servet,  pretio  in  tertiost. 
Si  erit  quod  quarto  detur,  dabitur  Licinio. 
Post  insequi  Licinium  facio  Attilium. 
In  sexto  consequetur  hos  Terentius. 
Turpilius  septimum,  Trabea  oetavum  optinet. 
Nono  loco  esse  facile  facio  Luscium, 
Decimum  addo  causa  antiquitatis  Ennium. 
Vgl.  Ladewig:  Über  den  Kanon  des  Volc.  Sedig.     Neustrelitz  1842.  — 
H.  Iber  De  Volc.  Sedig.  canone.     Münster  1865.     Gegen  dies  Urteil  des 
Vulcatius   eifert   Guillaume  Lugans   de  S.  Geal,   gentilhomme  li- 
mosin  in  einem  Sonette,   das  in  der  Ausgabe  von  1567  der  frz.  Terenz- 
übersetzung  steht: 

Je  te  pry  (6  Lecteur)  n'approuuer  la  censure 
De  Volcat  deuisant  de  la  gloire  Comique, 
Lequel  messeament  par  vn  vers  Jambique 
Veut  fruster  vostr'  autheur  de  son  loz  et  droieture  u.  s.  w. 
')  Epist.  ad  Atticum.    VIT,  3.  10. 
2)  De  fin.    I,  3. 
8)  So  im  Brutus  §  73;  Brut.  60;  de  oratore  DZ,  12.  45. 

4)  De  offieiis  I,  29.  104. 

5)  Epist.  II,  3.  270. 

6)  Epist.  n,  1.  57  u,  .170. 

7)  Th.  Ladewig.  Über  den  Kanon  u.  s.  w.  19.  u.  im  Philologus 
I,  276.  —  Linge  „De  Plauto  properante  ad  exemplar  Epicharmi".  Ka- 
tibor  1827. 

8)  Besonders  verteidigte  Plautus  L.  Lipsius;  Daniel  Heinsius 
suchte  Horaz  zu  stützen  in  „Dissertatio  ad  Horatii  de  Plauto  et  Terentio 


14  Plautus  im  Urteile  der  Alten. 

Ciceros  Freund,  M.  Terentius  Varro,  der  sich  mit  der 
dramatischen  Litteratur  und  besonders  mit  Plautus  eingehend  be- 
schäftigte,1) urteilte  nach  Quintilians  Bericht'2)  sehr  günstig  über 
Plautus.  „In  comoedia  maxime  claudicamus,  licet  Varro  Musas, 
Aelii  Stilonis  sententia,  Plautino  dicat  sermone  locuturas 
fuisse,  si  latine  loqui  vellent,"  ein  Ausspruch,  welchen  später 
Melanthon   im   Prologe    zum    Miles  (V.   15)  wieder    verwertete: 

Germana  Plauti  est  quam  modo  exhibebimus 
Cuius  ferebant  ore  facundissimo 
Musas  fuisse  libenter  usuras,  probe 
Si  quando  decressent  latine  dicere, 

was  auch  in  die  Verse  gefasst  wurde: 

Si  Musae  vellent  uti  sermone  latino, 

Eligerent  numeros,  Piaute,  salesque  tuos. 

Gellius3)  bezeichnet  Plautus  als  „homo  linguae  atque  ele- 
gantiae  in  uerbis  latinae  princeps",  als  „linguae  latinae  decus" ; 
als    „uerborum  latinorum   elegantissimus"   u.  s.  w. 

Der  hl.  Hieronymus  nahm  gerne  den  Plautus  zur  Hand, 
was  er  in  seiner  Schrift  von  der  Bewahrung  der  Keuschheit  (ad 
Eustochium  de  virginitate  servanda)4)  erzählt:    „Post  noctium  cre- 

judicium".  (Amstelod.  1618.)  —  Dagegen  Bened.  Fioretti  Apologia 
pro  Plauto  opposita  saevo  judicio  Horatiano  et  Heinsiano.  Francof.  1647 
und  früher  schon  in  italienischer  Sprache.  —  Vgl.  Ussing  I,  146  ff.; 
und  Handbuch  der  klassischen  Litteratur  oder  Anleitung  zur  Kenntnis 
der  griechischen  und  römischen  klassischen  Schriftsteller  von  Wilhelm 
David  Fuhr  man.  Eudolstadt  1809.  III,  65.  —  Älter  ist  die  Schrift 
des  Franc.  Flor.  Sabinus  adversus  calumniatores  Plauti.  Basil.  1540.  8. 
—  Bitter  äussert  sich  Scaliger  gegen  Horaz.  Josephi  Scaligeri, 
Julii  Caesaris  filii,  animadversiones  in  chronologica  Eusebii  im  The- 
saurus temporum  (Lugduni  Batavorum  1606)  S.  94:  „Sed  non  mirum  de 
Choerilo  ita  sensisse,  cui  sales  Plautini  et  Laberiani  sordere  visi.  At 
quis  non  illa  miretur  potius?  quis  adeo  aversus  a  musis,  ut  eorum  lepore 
non  tangatur  ?  .  .  .  Haec  satis  sunt  eludendo  iudicio  hominis  libertino 
patre  nati,  cui  in  huius  poetae  versibus  satis  lippiebant  oculi."  —  Gleich- 
falls mit  dem  Urteil  des  Horaz  beschäftigt  sich  Bich.  Hurd,  Commen- 
tary  and  notes  on  the  art  of  poetry  of  Horace  (London  1766);  deutsch 
von  Jos.  Joach.  Eschenburg.  Lpz.  1772.  (S.  196 — 204.)  Hurd  ver- 
tritt die  Ansicht,  Horaz  habe  nur  als  Gegner  der  Verehrer  der  alten 
Dichter  so  gegen  Plautus  gesprochen.  —  In  seinem  Bomane  Kl  aas  je 
Zevenster  ('s  Gravenhage  1877.  I.  Bd.  S.  46)  ergreift  auch  J.  van 
Lennep  (1802 — 1868)  in  beredter  Weise  Partei  für  Plautus:  Ik  wil  met 
u  het  gemis  betreuren  der  blijspelen  van  Menander  en  van  die  voor- 
treffelijke  Latijnsche  blijspeldichters,  waaronder  Terentius  —  in  de 
schatting  der  Bomeinen  ■ —  niet  dan  den  zesden  rang  bekleede  en  Plau- 
tus niet  eens  genoemd  werd  —  wat  ons,  in  't  voorbijgaan  gezegd,  een 
siechten  dunkgeeftvan  den  Bomeinschen  smaak:  At  uestri  u. s.w. 

»)  Teuf  fei.     G.  d.  r.  L.    S.  277. 

-)  M.  Fabii  Quintiliani  institut.  orator.    X,  1.  99. 

3)  VI,  17;  4;  XIX,  8;  6.    I,  7;  17. 

4)  S.  das  Zitat  bei  H.  P.  de  Limiers,  les  Oeuvres  de  Piaute. 
Amsterd.  1719.    Bd.  I.    S.  20.  A.  q. 


Plautus  im  Urteile  der  Späteren.  15 

bras  vigilias,  post  lacrimas,  quas  mihi  praeteritorum  recordatio 
peccatorum  ex  imis  visceribus  eruebat,  Plautus  sumebatur 
in  manus." 

Eusebius  lobt  ihn  nicht  minder.1)  Appollinaris  Sido- 
nius2)  äussert  sich: 

Et  te  tempore  qui  satus  seuero 
Graios,  Piaute,  sales  lepore  transis. 

Was  Wunder,  wenn  jene  Zeit,  zu  welcher  die  Wissenschaften 
neu  aufblühten,  wenn  die  hervorragendsten  Humanisten  sich  be- 
geistert für  die  lateinischen  Komiker  aussprechen.  Montaigne,3) 
der  im  College  zu  Guyenne  sich  viel  mit  den  Komikern  beschäf- 
tigte,4) findet,  dass  in  den  neueren  Komödien  immer  der  Stoff  von 
drei  bis  vier  antiken  verarbeitet  sei:  „II  m'est  souvent  tumbe  en 
fantasie  comme,  en  nostre  temps,  ceulx  qui  se  meslent  de  faire 
des  comedies  (ainsi  que  les  Italiens  qui  y  sont  assez  heureux) 
employe'nt  trois  ou  quatre  arguments  de  celles  de  Te- 
rence  ou  de  Piaute  pour  en  faire  une  des  leurs:  ils 
entassent  en  une  seule  comedie  cinq  ou  six  contes  de  Boccace. 
Ce  qui  les  faict  ainsi  se  charger  de  matiere,  c'est  la  desfiance 
qu'ils  ont  de  se  pouvoir  soustenir  de  leurs  propres  graces:  il  faut 
qu'ils  treuvent  im  corps  oü  s'appuyer:  et  n'ayants  pas,  du  leur, 
assez  de  quoy  nous  arrester,  ils  veulent  que  le  conte  nous  amuse. 
II  en  va  de  mon  aucteur5)  tout  au  contraire:  les  perfections  et 
beaiitez  de  sa  facon  de  dire  nous  fönt  perdre  l'appetit  de  son 
subiect;  sa  gentillesse  et  sa  mignardise  nous  retiennent  par  tout; 
il  est  par  tout  si  plaisant,  liquidus,  puroque  simillimus  amni, 6) 
et  nous  remplit  tant  l'ame  de  ses  graces  que  nous  en  oublions 
celles  de  sa  fable." 

Auch  pädagogischen  Wert  fand  man  in  den  lateinischen  Ko- 
mödiendichtern. Der  Amsterdamer  Humanist  Kaspar  Barlaeus 
schreibt  im  Jahre  1641  an  einen  Prinzenlehrer:7)  „Ich  rate,  Ihren 
Zöglingen  ....  in  die  Hände  zu  geben  die  Lustspiele  des  Te- 
renz,  sowohl  um  durch  ihre  Anmut  ihre  zarten  Gemüter  milde 
zu  machen  und  ihnen  daraus  Kenntnis  der  bürgerlichen  und  häus- 
lichen  Sitten  des  Altertums  beizubringen,   als  hauptsächlich  damit 


')  Vgl.  bei  Villalobos,  Bibliot.  de  autores  espanoles  Bd.  36.  S.  461. 

2)  Caii  Sollii  Apollinaris  Sidonii  Arvernorum  episcopi  opera. 
Carmen  XXIII.  147.    Hanoviae  1627. 

3)  Essais.    II,  10. 

4)  Sainte-Beuve,  Port  Royal  II,  140.     „II  enfile  d'un  train,  nous 
dit-il,  l'Eneide,  Terence,  Piaute  et  les  comedies  italiennes." 

5)  Terenz. 

c)  Hör.  Epist.    II,  2.  120. 

7)  H.  Grotii  et  aliorum   dissertat.   de  studiis  instituendis.     (Ainst. 
1645.)     S.  340  ff. 


\Q  Plautus  im  Urteile  der  Späteren. 

sie  sich  an  die  Schönheit  und  Feinheit  der  Sprache  im  hesten 
Zeitalter  der  römischen  Litteratur  gewöhnen.  Ich  würde  diesem 
wegen  seiner  muntern  und  witzigen  Antworten  den  Plautus 
beifügen.  .  .  .  Machen  Sie  z.  B.  aufmerksam  in  Terenz  auf 
Thrasos  Kühnheit,  in  Plautus  auf  den  prahlerischen  Soldaten 
oder  im  Amphitruo  auf  das  Gespräch  des  Juppiter  und  Amphitruo 
von  grossen  Kriegsthaten,  Siegen  und  Wunden;  im  zweiten  Akte 
des  Pönulus  auf  das  Gespräch  der  beiden  Soldaten  (?)  Lyells  und 
Anthemonides;  im  Truculentus  auf  das  des  Stratophanes ,  in  den 
Bacchides  auf  die  Reden  des  Kleomachus." 

Zwar  hat  man  sich  hin  und  wieder  an  der  freien  Ausdrucks- 
weise des  Plautus  gestossen;  allein  durfte  sie  schon  bei  dem 
Kenner  der  Antike  kein  allzustrenges  Urteil  hervorrufen,  so  muss 
doch  auch  auf  einige  andere  Lustspiele  des  Plautus  hingewiesen 
werden,   die  ein  solcher  Vorwurf  nicht  treffen  kann. 

Einer  der  bedeutendsten  Nachahmer  des  römischen  Lustspiel- 
dichters, der  Däne  Ludwig  Holberg,  äussert  sich  hierüber: 
„Des  Plautus  Mercator  kann  ebensowenig  verteidigt  werden,  als 
es  dem  eifrigsten  Sittenrichter  möglich  sein  wird,  seine  Captivi 
zu  verdammen.  .  .  .  Freilich  lesen  Männer  und  Kinder  z.  B.  den 
Plautus  auf  verschiedene  Weise;  Amphitruo  und  Menaechmi 
können  allerdings  nur  zum  Zeitvertreib  dienen,  während  die 
Aulularia  voll  der  gewichtigsten  Moral  ist.  .  .  .  Plautus'  Am- 
phitruo und  sein  Geiziger  sind  noch  heute  musterhafte  Stücke, 
weniger  empfehlenswert  sind  die  übrigen  Komödien  des  Plautus 
und  noch  weniger  Terenz  und  Aristophanes. " a) 

Bekannt  ist,  welchen  hohen  Wert  unter  den  Deutschen 
Lessing2)  dem  Plautus  zumass.  —  A.  W.  v.  Schlegel  findet 
zwar:3)  „beim  Plautus  geht  alles  in  die  Breite"  und  „seine  ge- 
rühmten Spässe  [in  ihrer  derben  Keckheit]  schmecken  nach  seinem 
Umgange  mit  den  niedrigen  Ständen,"  dennoch  aber  rühmt  er 
„die  Gefangenen,  die  man  ein  rührendes  Drama  nennen  kann, 
[die  Schwiegermutter  des  Terenz,  ein  wahres  Familiengemälde], 
während  der  Amphitruo  an  die  kühne  Willkür  der  alten  Ko- 
mödie hinstreift  und  die  Zwillingsbrüder  ein  wildes  Intriguen- 
stück  sind."4) 

Plautus  zeichnet  seine  Figuren  ganz  der  Natur  gemäss. 
Sehr   geschickt   berührt   diesen  Punkt  der  Epilogus  zu  M.   Job. 


')  Ludwig  Holberg,   sein  Leben   und  seine  Schriften  von  Robert 
Prutz.    Stuttgart  (Cotta)  1857.    S.  214. 

2)  Vgl.  seinen  Vorbericht  zu  den  Captivi.     Über  Plautus,  Schluss. 
(Lachmann  ILT,  29.) 

3)  Über  dramatische  Kunst  und  Litteratur.    Vorlesungen.    (Siebente 
Vorlesung.) 

4)  Vgl.  hierzu:  M.  Rapp,  die  plautinischen  Lustspiele  im  Trimeter 
übersetzt,    (Stuttg.  1838.)    S.  1489. 


Plautus  und  seine  Stoffe.  17 

Sebastiani  Mitternachts,  des  Reuss-Plauischen  Gymnasii  zu 
Gera  Rectoris,  Trauerspiel  „der  Unglückliehe  Soldat  und 
Vorwitzige  Barbier",1)  wenn  es  dort  heisst,  dass  es  schwer 
sei,  für  die  Bühne  zu  schreiben,  da  ja  jede  Person  anders  zu 
reden  pflege.  „Welches  alles  Plautus  wohl  beobachtet, 
und  dannenhero  von  vielen  dem  Terentio  vorgezogen  wird,  weil 
dieser  fast  alle  Personen  mit  gleicher  eleganz  reden  lasset,  jener 
aber  einem  Knechte  oder  Magd  viel  andere  Red-Arten  zu  leget, 
als  einem  vornehmen  Manne. "  2) 

Freilich  haben  wir  in  der  römischen  Komödie  wenig  Origi- 
nale vor  uns.3)  Aber  mit  ganz  besonderer  Kunst  hat  es  Plau- 
tus verstanden,  ob  er  auch  fremde  Stoffe  wählte,  dieselben  zu 
nationalisieren4)  und  zu  lokalisieren;  und  hierin  übertrifft  er  Te- 
renz.5) Bei  der  Wahl  derselben  „zog  ihn,  den  komischen  Volks- 
dichter,  Philemon  mehr  an  als  der  feinere  Menander".6) 
Cäcilius  Statius  verfolgte  mit  Plautus  das  gleiche  Ziel,  die 
Griechen  in  Rom  einzuführen;  allein  der  Weg,  den  er  einschlug, 
war  ein  anderer.  Obwohl  auch  Cäcilius  aus  gemeinem  Stande 
war    und    sich    zunächst    in    den   Kreisen    und    der    Redensart    der 


1)  Leipzig  bey  Joh.  Wittigauen  (1662). 

2)  Vgl.  auch  Le  Brun,  Discours  sur  la  comedie  S.  90.  91.  „On  ne 
peut  douter  que  ce  poete  comique  (Piaute)  ne  soit  tres-reprehensible; 
mais  aussi  faut-il  reconnaitre  qu'il  n'y  a  plus  d'obscenites  dans  teile 
comedie  de  Dancourt  et  de  le  Grand  qu'il  n'y  a  dans  les  dix-neuf  co- 
medies  de  Piaute.  On  peut  voir  lä-dessus  un  livre  anglais  de  M.  Collier, 
traduit  par  le  Pere  de  Courbeville,  jesuite." 

3)  Vgl.  Herder,  Ideen  zur  Geschichte  der  Menschheit  (14.  Buch  V): 
„Als  eine  Sklavin  war  die  szenische  Muse  bei  den  Römern  eingeführt, 
und  sie  ist  bei  ihnen  immer  auch  eine  Sklavin  geblieben;  wobei  ich 
indes  den  Verlust  der  hundert  und  dreissig  Stücke  des  Plautus  und 
die  untergegangene  Schiffsladung  von  hundert  und  acht  Lustspielen  des 
Terenz  .  .  .  sehr  bedauere;  denn  im  einzigen  Terenz  hätten  wir,  nach 
Cäsars  Ausdruck,  wenigstens  den  halben  Menander  wieder." 

4)  W.  A.  Becker,  De  comoed.  rom.  maxime  Plautin.  quaestiones. 
(Lpz.  1837.)  —  Ritschi,  Parerga  271.  —  F.  V.  Pritzsche,  De  graecis 
fbntibus  Plauti.  I.  (Rostock  184.5.)  —  Schröder,  De  romanis  moribus 
palliatae  fabulae  immixtis.  (Marienwerder  1853.)  —  G.  Boissier,  Quo- 
niodo  graecos  poetas  Plautus  transtulerit.  (Paris  1857.)  —  F.  Schultz, 
Plautus  in  seinem  Verhältnis  zur  mittleren  und  neueren  griechischen 
Komödie.  (Neustadt  in  Pr.  1866.)  —  L.  Ussing,  Den  yngre  attiske  ko- 
medie  og  dens  latinske  bearbeidere.  (Kjöbenh.)  —  Bagnato,  Plautus  in 
seinem  Verhältnisse   zu   seinen  griechischen  Originalen.     (Tübing.  1878.) 

5)  S.  Theätre  de  Piaute,  traduction  nouvelle,  accompagnee  de 
notes  par  J.  Naudet.  Paris  (Panckoucke)  1831.  I.  Bd.  S.  HI:  „II  y  a 
quelque  chose  de  sympathique  pour  les  spectateurs  dans  les  personnages 
de  Piaute;  c'est  un  de  ses  grands  avantages  sur  Terence.  Celui-ci  fut 
le  copiste  elegant  et  poli  de  la  comedie  grecque,  l'autre  latiuisa  ses 
imitations  par  les  ressorts  dramatiques,  par  l'esprit  du  dialogue,  par 
une  foule  de  dessins  originaux.  II  presentait  aus  Romains  le  miroir  de 
la  societe  romaine. 

6)  Teuf  fei  a.  a.  0.    S.  152. 

2 


18  Einfluss  des  Plautus. 

Plebejer  bewegte,  hatte  er  doeli  mehr  gebildete  Männer  im  Auge, 
„während  Plautus  ans  dem  volkstümlichen  Idiom  ein  reines 
und  durchsichtiges  Latein  zog-  und  seine  komischen  Mittel  ein 
dem  gemeinen  Manne  geniessbares  Lustspiel  bezweckten. "  *)  So 
wurde  es  des  Plautus  besonderes  Verdienst,  „in  der  fabula 
palliata2)  den  Römern  ein  ziemlich  reiches  Repertoire  geliefert 
zu  haben."  Bei  allen  diesen  Stücken  erwies  sich  Plautus  stets 
als  einen  originalen  Genius,  selbständig  trotz  der  fremden  Quellen, 
als  einen  Meister  in  Kunst  und  Form,  „erfindsam  und  frisch",3) 
mit  eigenem  Witze,  der  „häufig  derb,  nicht  leicht  aber  fad"4)  ist, 
ausgestattet.  In  hohem  Grade  anziehend  ist  „seine  leichte,  feine 
Umgangssprache,   selbst  auf  Kosten  der  Metrik".5) 

Als  ein  Dichter  von  so  gewaltigen  Vorzügen  hat  Plautus 
(mit  Terenz)  den  späteren  Bühnendichteiai  aller  Jahrhunderte  als 
Vorbild  gedient.  „Seit  dem  Wiederauf  blühen  der  klassischen 
Studien,"  sagt  Stiefel,6)  „bis  in  die  neueste  Zeit  empfingen 
grosse  und  kleine  Dichter  aus  den  Werken  jener  beiden  Alten 
nicht  bloss  die  Form,  sondern  auch  überaus  häufig  den 
Inhalt  ihrer  komischen  Erzeugnisse."  In  der  Geschichte 
des  Dramas  nimmt  Plautus  eine  hervorragende  Stel- 
lung ein.7) 

Leider  sind  zahlreiche  Komödien  des  Plautus  nicht  mehr 
erhalten.  Unter  Kaiser  Hadrian  (117 — 138)  kannte  man  noch 
einhundert  dreissig  Stücke  des  Dichters.8)  Die  Vidularia 
ging  erst  im  Mittelalter  verloren.9)    Acht  seiner  Stücke  —  Amphi- 


»)  Bernhardy  a.  a.  0.    S.  219. 

2)  Komödie  nach  griechischem  Stoffe  und  griechischem  Originale, 
insbesondere  der  neuen  attischen  Komödie.  Sie  beherrscht  das  ganze 
sechste  Jahrhundert  der  Stadt;  zu  ihr  gehören  Andronikus,  Nävius. 
Plautus,  Ennius,  Terentius.     (Teuf fei  a.  a.  0.    S.  21.) 

a)  Bernhardy  a.  a.  0.    S.  454. 

4)  Teuf  fei  a.  a.  0.    S.  152. 

5)  Vgl.  J.  Brix,  de  Plauti  et  Terentii  prosodia.  (Bresl.  1841.)  — 
E.  Kärcher.  Prosodisches  zu  Plautus  und  Terenz.  (Karlsruhe  1841.)  — 
K.  Enger,  Zur  Prosodik  des  Plautus.  (Ostrowo  1852.)  —  C.  F.  W.  Mül- 
ler, Plautinische  Prosodie.  (Berlin  1869 — 71.)  —  Über  einzelne  Vers- 
arten des  Plautus,  sowie  die  cantica  s.  die  Litteratur  bei  Teuffei 
a.  a.  0.    S.  156.    (9.  u.  10.) 

6)  „Die  Meuächmen  des  Plautus"  in  den  Blättern  für  das 
bairische  Gymnasial-  und  Bealschulwesen.    XV.  Band  1879.    (S.  309 — 318.) 

7)  Klein,  J.  L.,  Geschichte  des  Dramas.  (Lpz.  1855.)  II.  Bd. 
S.  492 — 566.  —  Das  Fortleben  des  Plautus  auf  der  Bühne  vou  R.  Stein- 
hoff. Jahresbericht  über  das  herz.  Gymnasium  zu  Blankenburg.  1880  81. 
(23  S.) 

■*)  Gell.  III,  3.  11.  Feruntur  sub  Plauti  nomine  comoediae  cir- 
citer  centum  atque  triginta;  secl...  L.  Aelius  quinque  et  uiginti 
eius  esse  solas  existimauit. 

,J)  W.  Studemund,  De  Vidularia  Plautina.  (Gryphiswald.  1870.)  — 
Beste  der  Vidularia  enthält  der  Mailänder  Palimpsest. 


Plautus  auf  der  Bühne.  19 

truo,  Asinaria,  Aulularia,  Captivi,  Cureulio,  Casina,  Cistellaria, 
Epidicus  —  waren  stets  bekannt;  die  übrigen  fand  Nikolaus 
von  Trier  um  das  Jahr  1428  und  1429. *)  Im  Jahre  1472 
erschien  die  editio  princeps  (cura  Georg.  Alex.  Merulae)  zu 
Venedig.  2)     (1482.    1490.) 

Die  plautinischen  Stücke  erhielten  sich  bis  ins  siebente 
Jahrhundert  der  Stadt  auf  der  Bühne. 3)  Dass  sie  aber  im 
vierten  und  fünften  Jahrhunderte  der  christlichen  Zeit- 
rechnung' noch  aufgeführt  worden  seien  oder  wenigstens  Amphi- 
truo  noch  gespielt  wurde,  wie  hin  und  wieder  angenommen 
wurde,4)  ist  nicht  erweislich.  Diese  Annahme  gründet  sich  auf 
zwei  Stellen  des  Arnobius,  auf  eine  des  Prüden tius  und  eine 
des  Augustinus. 

Bei  Arnobius  (ums  Jahr  295)  heisst  es  IV,  35 :5)  „Quin 
et  ille  in  fabulis  maximus  ipse  regnator  poli  sine  ulla  nominis  ma- 
iestatisque  formidine  adulterorum  agere  introducitur  partes,  atque 
ut  fallere  castitatem  alienarum  possit  familias  matrum, 
ora  immutare  pellacia  et  in  species  coniugum  subditivi 
corporis  simulatione  succedere,"  was  freilich  an  den  Amphi- 
■truo  subditiuos  (F.   497)  erinnern  mag;   ferner  VII,  33:    „Ponit 


')  Vgl.  Dr.  Georg  Voigt,  Die  Wiederbelebung  des  klassischen 
Altertums  oder  das  erste  Jahrhundert  des  Humanismus.  Berlin,  Keimer 
(1859).    S.  140. 

2)  Vgl.  hierüber  bei  Teuffei  (a.  a.  0.)  S.  157.  158.  7—12.  —  Bern- 
hardy  a.  a.  0.  S.  458.  —  Manuel  du  libraire  et  de  l'amateur  de  livres. 
Paris  1842.  1843.  Band  m.  S.  766—769.  —  Handbuch  der  klassischen 
Bibliographie  von  Dr.  F.  L.  A.  Schweiger.  Lpz.  1834.  H,  2.  758  ff.  — 
Bitschi,  Opuscul.    H,  1. 

3)  Kitschl,  Parerg.    S.  89.  —  Bernhardy  a.  a.  0.    S.  220. 

4)  Discours  sur  la  comedie  ou  traite  historique  et  dogmatique  des 
jeux  de  theätre  .  .  .  par  le  B.  P.  Pierre  le  Brun,  (Paris  1731),  pag.  90: 
II  est  vrai  que  dans  la  suite  on  a  aime  les  Comedies  de  Piaute,  &  qu'on 
les  representait  encore  sous  Diocletien,  comme  le  dit  Arnobe  .  .  . 

Beiträge  zur  Historie  und  Aufnahme  des  Theaters.  Stuttgart 
(J.  Ben.  Metzler)  1750  [von  G.  E.  Lessing]  S.  47.  „Aus  einer  Stelle  des 
Arnobius  erhellet,  dass  dieses  Lustspiel  noch  zu  Zeiten  des  Diokle- 
tians, das  ist  dreihundert  Jahre  nach  Christi  Geburt,  zu  Born  sei 
aufgeführt  worden." 

Auger,  ceuvres  de  Moliere  VI,  358:  „La  piece  de  Piaute  amusa 
longtemps  l'ancienne  Borne  et  s'il  en  faut  croire  Arnobe,  plusieurs 
siecles  apres  la  mort  de  l'auteur,  on  la  jouait  dans  le  temps  de  la  ca- 
lamite  publique,  afin  d'apaiser  la  colere  de  Jupiter." 

Auch  bei  Teuf  fei  (a.  a.  0.  S.  147):  „Aufführungen  vielleicht 
noch  im  vierten  und  fünften  christlichen  Jahrhundert." 

,  Ebenso  Ch.  Magnin  im  ersten  Bande  der  15i  1>  1  iothßque  de 
l'Ecole  des  Chartes,  (Paris  1839.  1840),  pag.  518:  Des  textes  formeis 
prouvent  que  jusqu'au  quatrieme  siecle  on  jouait,  rarement  sans 
doute,  mais  entin  que  l'on  jouait  en  certaines  occasions,  des  pieces 
d'Euripide  et  de  Flaute. 

6)  Arnobii  adversus  aati ss  libri  VII.  ed.  Dr.  G.  F.  Hildebrand 

(Halis  Saxonum  1844).    S.  401  u.  573. 

2* 


20  Terenz  bekämpft. 

animos  Juppiter,  si  Amphitryon  fuerit  actus  pronuntiatus- 
que  Plautinus." 

In  dem  Gedichte  Peristephanon  X  (Romani  martyris 
supplicium)  des    Prudentius  Clemens1)  (348  —  cc.  410)  steht 

(7.  226): 

Cur  tu,  sacrate,  per  cachinos  solueris, 
Cum  se  mar i tum  fingit  Alcmenae  deus! 

und  Augustinus  (354 — 430)  sagt:2)  „Tot  locis  pingitur,  funditur, 
tunditur,  sculpitur,  scrihitur,  legitur,  agitur,  cantatur,  saltatur 
Juppiter  adulteria  tanta  committens." 

Diese  letztere  Stelle  des  Augustinus  ist  ganz  allgemeiner 
Art,  die  für  eine  gleichzeitige  Aufführung  des  plautinischen 
Amphitruo  gar  nicht  beweisen  kann.  Die  Verse  des  Pru- 
dentius sind  aber  gleichfalls  nicht  strenge  auf  eine  Aufführung 
des  Amphitruo   des  Plautus  zu  beziehen. 3) 

Ein  äusserst  interessantes  Denkmal  hat  Charles  Magnin4) 
im  Jahre  1839  veröffentlicht.  Es  ist  ein  Dialog  zwischen  einem 
Theaterunternehmer  (Hieronymus),  einem  Zuschauer  (delusor)  und 
Terentius,  geschrieben,  wie  Magnin  vermutet,  entweder,  um 
die  Aufführung  einer  terentianischen  Komödie  einzu- 
leiten oder  als  Vorspiel  zu  irgend  einer  neuen  Farce  zu 
dienen.  Der  delusor  ist  gegen  die  alte  Komödie.  Da  der 
Theaterdirektor  von  Terenz  beginnt,   unterbricht  ihn  der  delusor: 

Vade,  poeta  vetus! 
Vade,  poeta  vetus,  quia  non  tua  carmina  curo. 

Terenz   tritt  selbst   zu  seiner  Verteidigung  auf: 

Tene,  süperbe,  meas  decuit  corrumpere  musas? 

Dadurch  lässt  sich  aber  der  delusor,  „der  Romantiker  des  sie- 
benten Jahrhunderts",  wie  Magnin  sagt,  nicht  zum  Schweigen 
bringen.      Er  erwidert  ihm  selbstbewusst: 

te  ruelior  sum: 
Tu  vetus  atque  senex:  ego  tiro  Valens,  adulescens. 
Tu  sterilis  truncus;  ego  fertilis  arbor,  opimus. 
Si  taceas,  vetule,  lucrum  tibi  quaeris  enorme. 

Darauf  entgegnet  Terenz  bescheiden  aber  geschickt: 


')  Aurelii   Prudentii  Clementis   Carmina    recensuit   et   expli- 
cavit  Theod.  Orbarius.     Tubingae  (Laupp)  1845.    S.  255. 

2)  Epist.  202. 

3)  Ehe  ich  die  Gründe  bei  Steinhoff  (das  Fortleben  des  Plautus 
S.  7,  Anm.  48)  las,  war  ich  bereits  zu  dieser  Annahme  gekommen. , 

4)  Auf  S.  517 — 535  des  ersten  Bandes  der  Bibliotheque  de  l'Ecole 
des  ('hartes.     (Paris  1839.  1840.) 


Plautus  im  Mittelalter.  21 

Quid  tibi  sensus  inest?  numquid  melior  nie  es?  .  .  . 
Nunc  vetus  atque  senex?  quae  fecero,  t'ac  adulescens. 
Si  bonus  arbor  ades,  qua  fertilitate  redundas? 
Cum  sim  truncus  iners,  fructu  meliore  redundo. 

Der  delusor  muss  Terenz  im  Stillen  recht  geben,    ob   er  es  auch 
nicht  gestehen  will.      Der  alte  Dichter  fahrt  fort: 

Hactenus  antiquis  sapiens  venerandus  ab  annis 
Inter  et  egregios  ostentor  et  inter  honestos. 

Der  Wortwechsel  wird  heftiger;   der  delusor  weiss  Terenz  nichts 
vorzuhalten  als  sein  Alter: 

Verba  latrando,  senex,  cum  sis  vetus,  irrita  profers, 

worauf  ihm  Terenz  versetzt: 

0  iuvenis,  tumidae  nimium  ne  crede  iuventae! 
Saepe  superba  cadunt  et  bumillima  saepe  resurgunt. 

Hier  bricht  das  Manuskript,  das  nur  einige  sechzig  Verse 
enthält,  ab.  Magnin  setzt  es  in  das  Ende  des  siebenten  Jahr- 
hunderts. 

Dem  Mittelalter  stand  Plautus  sehr  ferne,1)  ob  sein 
Name  auch  nicht  völlig  vergessen  war.  Dante  gedenkt  seiner 
mit  Terenz  u.  a.  :2) 

Dimmi  dov'  e  Terenzio  nostro  antico, 
Cecilio,  Plauto  e  Varro,  se  lo  sai. 

Eine  Plautushandschrift  des  Britischen  Museums  soll  nach 
Du  Meril  ins  zehnte  Jahrhundert  gehören,3)  während  freilich 
Manuskripte  des  Terenz  bis  in  die  Karolingerzeit  und  noch 
weiter  zurückreichen. 4) 

Nach  der  Wiederauffindung  der  Stücke  des  Plautus  ging 
man  ernstlich  wieder  an  das  Studium  des  Dichters.  Man  fing 
sogar  an,  ihn  zu  spielen;  es  waren  „die  in  und  ausserhalb  Rom 
häufigen  Aufführungen  der  Komödien  des  Plautus  und  Terenz, 
welche  für  die  Mitspielenden  eine  unvergleichliche  Übung  des 
Lateinischen  als  Umgangssprache  abgaben.  Schon  unter  Paul  IL 
wird  der  gelehrte  Kardinal  von  Theanum  (wahrscheinlich 
Niccolö  Fortiguerra   von  Pistoja)    gerühmt,   weil   er   sich   an 


')  R.  Peiper,   Archiv   für  Literaturgeschichte  V,  495.   —  Rhei- 
nisches Museum  XXXII,  516. 

2)  Purgatorio  XXII,  98. 
,  3)  Origines  latines   du   theätre   moderne   publiees   et  annotees  par 
M.  Edele stand  du  Meril.    Paris  (Franck  1849).    S.  32.     [Auch  Theatri 
liturgici  quae  latina  superstant  mouumenta  edita  recensuit,  inedita  vul- 
gavit  adnotationibus  illustravit  E.  d.  M.] 

4)  Ebenda. 


22  Plautus'  Bühnentechnik. 

die  schlechterhaltenen,  der  Personenverzeichnisse  beraubten  plau- 
tinischeu  Stücke  wage  und  dem  ganzen  Autor  um  der  Sprache 
willen  die  grösste  Aufmerksamkeit  widme,  und  von  ihm  könnte 
wohl  auch  die  Anregung  zum  Aufführen  jener  Stücke  ausge- 
gangen sein.  Dann  nahm  sich  Pomponius  Latus  der  Sache 
an,  und  wo  in  den  Säulenhöfen  grosser  Prälaten  Plautus  über 
die  Szene  ging,   war  er  Regisseur."1) 

Indessen  nicht  bloss  sprachlicher  Übung  halber,  gewiss 
auch  ihrem  Inhalte  und  ihrer  Form  zu  liebe,  spielte  man  die  Lust- 
spiele des  Plautus.  Was  schon  zu  seiner  Zeit  reichen  Beifall 
errang,  war  der  grosse  Reichtum  an  Sentenzen.  Darum  sagt 
Gripus  im  Rudens  (F.    1249): 

Spectaui  ego  pridein  comicos  ad  istum  modum 
Sapienter  dicta  dicere  atque  is  plaudier. 
Quoni  illos  sapientis  mores  monstrabant  poplo. 

Nicht  minder  bietet  Plautus  eine  ganze  Fundgrube  von 
Sprichwörtern  und  sprichwörtlichen  Redensarten.-)  Darum  wurde 
er  bald  auch  in  Übertragungen  aufgeführt.  „In  Ferrara  spielte 
man  Plautus  wohl  meist  in  italienischen  Bearbeitungen  von 
Colenuccio,  dem  Jüngern  Guarino  u.  a.  um  des  Inhaltes 
willen,  und  Isabella  Gonzaga  erlaubte  sich,  diesen  langweilig 
zu  finden. "  3) 

Die  ganze  Art  und  Weise  der  plautinischen  Stücke,  die  mit 
so  bescheidenen  Mitteln  so  grosse  Wirkung  erzielen,4)  ist  ange- 
tban,  die  Teilnahme  des  Publikums  in  Anspruch  zu  nehmen. 
Schon  mit  den  Titeln  erregt  Plautus  meist  die  Neugierde  des 
Zuschauers, 5)  nicht  minder  mit  den  Namen  seiner  Persönlich- 
keiten.6)  Dadurch  ist  er  mit  Terenz  von  jeher  von  ganz  be- 
deutendem Einflüsse  auf  die  Weiterentwicklung  des  Lustspiels 
gewesen,  und  seine  Beziehungen  zur  neueren  und  neuesten  Ko- 
mödie sind  mannigfache  geworden.  Es  ist  vollauf  berechtigt, 
wenn  Bernhardy7)  sagt:  „Plautus  [hat]  eine  Fülle  glänzender 
Kunstmittel  genial  vereinigt,  die  man  um  so  höher  anschlägt,  als 
er  dem  Ideal  und  den  Ansprüchen  des  feinen  Geschmackes  fremd 
war,  und  nicht  nur  die  Poesie  seiner  Zeit  mit  einer  anmutigen 
Schöpfung  bereichert,   sondern  auch  an  die  moderne  Komik  wirk- 


')  Die  Kultur  der  Renaissance  in  Italien.  Ein  Versuch  von  Jacob 
Burckhardt.     (Basel  1860.)     S.  250.  251.  —  Prölss  I,  2;  91. 

2)J.  Schneider,  De  proverbiis  Plautinis  Terentianisque.  (Be- 
rol.  1875.) 

3)  Burckhardt.  a.  a.  0.    S.  251,  Anm.  1. 

')  Mor.  Schmidt,  Die  Zahl  der  Schauspieler  bei  Plautus  u.  Terenz. 

5)  Lessing,  Hamburgische  Dramaturgie  (9  Stück). 

6)  Lessing  a.  a.  0.  (90  Stück). 

7)  A.  a.  0.   S.  456. 


Terenz  mehr  gelesen  als  Plaut us.  23 

same  Themen  und  Motive  vererbt,  welche  niemals  völlig  altern." 
Fast  alle  Völker  schulden  ihm  etwas.  „Moliere,  Reg- 
nard u.  a.,"  sagt  Binder,1)  „bildeten  ihm  nach:  in  Stoff  und 
Form  schwebte  er  dem  Ariosto  vor;  Goldoni  lebte  in  ihm, 
und  selbst  die  Originalität  eines  Shakespeare  verschmähte  es 
nicht,   Goldkörner  aus  Plautus  zu  entlehnen." 

Mirabeau  las  während  seiner  Gefangenschaft  in  Vincennes 
den  Plautus  gerne  und  zitiert  ihn.2) 

Allerdings  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  Terenz  sich  einer 
grösseren  Beliebtheit  und  Verbreitung  zu  erfreuen  hatte, 
als  Plautus.  Otto  Francke3)  erörtert  diese  Frage  dahin: 
,,Terenz  war  ihre  Losung.  Und  Plautus?  War  dieser  denn 
ihnen  ganz  unbekannt'?4)  In  der  That,  es  scheint  so,  wenn  wir 
ihm  auch  da  und  dort  in  den  Schulen  begegnen,  so  z.  B.  bei 
Melanthon.  Es  hatte  diese  Zurücksetzung  wohl  einen  drei- 
fachen Grund.  Erstens  scheint  Plaiitus  das  ganze 
Mittelalter  hindurch  fast  unberücksichtigt  geblieben 
zu  sein,  und  man  weiss,  wie  abhängig  noch  die  neue  Zeit  vom 
Mittelalter  war.  Zweitens  mochte  er  wegen  seiner  alter- 
tümlichen Formen5)  in  den  Schulen  mehr  oder  weniger 
unverstanden  bleiben,  und  drittens  musste  der  Inhalt 
seiner  Komödien  zum  Teil  doch  recht  sehr  anstossen, 
während  ein  grosser  Teil  die  ,castitas  Terentii'  nicht  genug- 
sam preisen  konnte." 

Inhaltlich  und  für  die  Schule  mochten  sich  hinsichtlich  ihrer 
grösseren  Dezenz  allerdings  die  Stücke  des  Terenz  besser  eignen. 
Dass  die  grössere  Freiheit  des  Plautus  eine  Hauptursache  seines 
geringeren  Vorkommens  war,  wird  auch  durch  den  Umstand  be- 
wiesen, dass  man  jenen  Lustspielen  des  Plautus,  welche  in  diesem 
Punkte  reiner  sind,  z.  B.  den  Captivi,  überall  mit  denen  des 
Terenz  begegnet. 

Die  Reinheit  des  Terenz  wird  von  einzelnen  besonders  hervor- 
gehoben. Melanthon  lässt  sich  bei  Gelegenheit  einer  neuen  Aus- 
gabe des  Terenz  (1525)  an  die  Pädagogi,  wie  folgt,  verneh- 
men:6) Chrysostomum  ferunt  tantopere  delectatum  esse  Aristophanis 


•)  T.  M.  Plautus  Lustspiele,  deutsch  von  Dr.  Wilh.  Binder.  Stutt- 
gart (Krais  u.  Hoffmann  1862—1869).    20  Bdchen.    I,  11. 

2)  Sainte-Beuve,  Causeries  du  hxndi.    IV,  30. 

3)  Terenz  und  die  lateinische  Schulkomödie  in  Deutschland.  Wei- 
mar 1877.    S.  12. 

4)  Vgl.  auch  bei  Francke  a.  a.  0.    S.  31. 

5)  Schon  Cicero  (de  orat.  III,  44)  findet  „Plauti  oratio  antiqui- 
tatem  re dolens". 

8)  Vgl.  Dr.  Lud.  Koch.  Philipp  Melanthous  schola  privata.  Ein 
historischer  Beitrag  zum  Ehrengedächtnis  des  praeceptor  Germaniae. 
Gotha  (Perthes)  1859.    S.  65. 


24  Terenz  mehr  gelesen 

leetione,  ut  sempcr  in  manibus  haberet,  dormiens  etiam  pro  pul- 
vinö  uteretur.  Nee  dubium  est,  quin  alendae  loeupletandaeque 
faeundiae  causa  tarn  sedulo  legerit.  Quanto  plurius  Te- 
rentius  fieri  meretur,  cums  fabulae,  cum  obscenitate  va- 
cant,  tum  sunt  aliquanto  quam  Aristophanicae,  nisi  valde  fallor, 
QY]TioQixtoT€Qca.  Proinde  paedagogos  omnes  adhortor,  ut  hunc 
auctoreni  summa  fide  studiis  iuventutis  commendent.  Nam  et  ad 
iudicium  formandum  de  communibus  moribus  mihi  quidem  plus 
conferre,  quam  plerique  pbilosopborum  commentarii  videtur.  Et 
non  alius  auetor  loqui  elegantius  docebit  aut  utiliore  genere  orationis 
puerilem  linguam  imbuet. ') 

„Alle  sechs  Stücke  des  Terenz,  von  Plautus  jedoch  nur 
vier  oder  fünf  der  anständigeren  Schauspiele,"  hatten  seit  dem 
Anfange  des  (sechszehnten)  Jahrhunderts  in  den  Strassburger  Lehr- 
anstalten Aufnahme  gefunden  und  waren,  mit  Anmerkungen2)  ver- 
sehen,  erschienen. "  3) 

Der  Vorsteher  der  Strassburger  Schule,  Otto  Brunfels, 
hatte  (schon  1529)  die  terentianischen  Komödien  als  anständiger 
denn  die  plautinischen  bezeichnet;4)  „auch  Sturm  hielt  die 
terentianischen  Komödien  für  moralisch  unschädlich  und  wollte 
sie  ohne  Ausnahme  von  seinen  Schülern  aufgeführt  wissen; 
von  Plautus  hingegen  veranstaltete  er  selbst  eine  Auswahl  von 
sechs  Stücken,5)  die  ihm  minder  anstössig  vorkamen,  und  auf 
die  sich  der  Anteil  dieses  Dichters  an  den  Vorstellungen  in  seiner 
Schule  beschränken   sollte. "  6) 

In  ähnlicher  Weise  lässt  sich  der  Regensburger  Rektor  Hie- 
ronymus    Osius    (1567)7)    vernehmen:     „Varro    scribit    consenta- 


')  Er  schrieb  selber  zu  vier  Lustspielen  des  Terenz  (Andria,  Eu- 
nuchus,  Adelphi,  Pliormio,  zu  diesem  sogar  zwei)  Prologe;  ebenso  zum 
Miles  des  Plautus,  zur  Hecuba  des  Euripides  und  zum  Thyestes  des 
Seneka. 

2)  Grüninger  1496.  1511.  —  Plautus  vollständig.  1508.  —  Aulu- 
laria  von  Job.  Prüss.  Plauti  comd.  quinque.  Scbürer  1513.  —  Vgl. 
Schmidt,  Histoire  litteraire  de  l'Alsace  ä  la  fin  du  XVC  et  au  com- 
mencement  du  XVP  siecle.    Paris  1879.    II,  401.407.409.     150.  151.  152. 

3)  Die  dramatischen  Aufführungen  im  Gymnasium  zu  Strassburg  von 
Dr.  August  Jundt.    Strassburg  1881.    (Progr.  des  protest.  Gymn.)    S.  18. 

«)  Jundt.    S.  15. 

5)  Siehe  bei  Jundt  S.  19.  „In  der  Vorrede  zu  seinem  Plautus  (M. 
Accij  Plauti  comoediae  sex:  Aulularia,  Menaechmi,  Triuummus,  Captivei, 
Miles  gloriosus,  Amphitruo  pro  schola  Argentinensi  mit  Holzschnitt. 
Argent.  1566.  Josias  Kihel)  nennt  er  Plautus  und  Terenz  ,poetas  duos 
latinos,  sermone  puro,  Deus  annos  nobis  prope  bis  mille  reliquit'  .  .  . 
Terenz  hat  sich  aufs  sorgfältigste  aller  unsaubern  Spässe  enthalten;  führt 
er  doch  ,bonas  meretriculas'  vor.  Bei  Plautus  sind  hie  und  da  recht 
schmutzige  Zoten  anzutreffen,  doch  auch  anständigere  Stücke  aufzuweisen." 

6)  Jundt.    S.  18. 

7)  Scriptvm  |  Continens  |  Ceu  Oeconomiam  quandam  Lectionvm, 
et  exercitiorvm,   qvae   |   publice  ac  privatim  adole  |  scentiae  literariae 


als  Plautus.  25 

neum  esse  Musas,  si  Latine  loqui,  voluissent,  Plautino  sermone 
locuturas  fuisse.  Ea  quidem  magna  Plaxitinae  orationis  laus  est. 
Quanquam  autem  nihil  detraho  iudieio  Varronis  scriptoris  sapien- 
tissimi:  tarnen  hoc  magnificum  iy/M/tiiov  multo  rectius  Terentio, 
quam  Plauto  tribui  posse  vel  Erasmi  Roterodami  doctorum.  nostro 
seculo  facile  principis  suffragio  conuincam,  qui  alicubi  non  veretur 
adfirruare  plus  exacti  iudicij  in  vna  eoruoedia  Terentiana  esse, 
quam  in  onmibus  Plautinis.  Idem  &  de  dictione  seu  oratione 
eius  vere  dici  posse,  qui  neget  eruditorum,  reperiri.  neminem 
existimo.  Quae  enim  puritas,  quae  elegantia  &  suauitas  sermo- 
nis  Terentiani,  quae  in  sententijs  sapientia  &  grauitas  sit,  nemo 
qui  intelligit,  quid  vere  nominet  Latinam  orationem,  ignorat. 
Quanquam  enim  &  Plautiuae  fabulae  magnam  ingenii  sagacitatem 
&  industriam  indieant,  nequaquam  Terentianis ,  &  quod  ad 
inuentionem  argumentorum,  &  ad  filum  orationis  attinet,  compa- 
rari  ac   conferri  possunt. 

Cum  igitur  nullus  Latinae  linguae  seriptor  sit,  quem  tauto- 
pere  cognosci,  ediscique  ad  vnguem  referat,  atque  Terentium, 
quo  meliorem  formandi  Latini  sermonis  artificem  nulluni  liabemus, 
quem  Quintilianus  Comicorum  argutissimum  &  elegantissimum 
vocat:  eius  Comoedias  ita  scbolae  nostrae  proponemus,  vt,  cum 
duae  fabulae  eius  euarratae  &  publice  actae  fuerint,  antequam 
redeamus  ad  eiusdem  interpretationem,  elegantior  aliqua  Fabu- 
larum  Plautinarum  enarretur,  &  vt  Terentianae  publice  exhibeatur. " 

Noch  öfter  (E4,  H4,  13)  figuriert  Terenz  im  Lehrplan  des 
Regensburger  Gymnasiums. 

Neben     anderen1)     beschäftigt     sich    Gottsched2)     mit    der 


in  Gy  mnasio  Ratisponensi  proponvntvr.  j  Avtore  |  Hieronymo  Osio 
Scbolae  j  Eiusdem  Rectore  et  |  Professore.  \  Ratisponae  excvdebat  | 
Henricus  Geisler.  |  Anno,  M.  D.  LXV1I.    (E.) 

')  Vgl.  z.  B.  Le  Brun,  Discours  S.  92:  On  a  toüjours  fait  plus  de 
cas  des  comedies  de  Terence  et  nous  pouvons  dire,  qu'elles  etaient 
j)lus  tolerables  durant  les  premiers  siecles  que  ne  le  sont  ä  present 
celles  de  Moliere.  Eine  ganze  Reihe  von  Gegnern  des  Plautus  findet 
sich  S.  X— XII  bei  Leonel  da  Costa,  As  primeiras  quatro  comedias 
de  P.  Terencio,  traduzidas  em  verso  Portuguez.    Lisb.  1788.   1789. 

2)  Nöthiger  Vorrath  zur  Geschichte  der  deutschen  dramatischen 
Dichtkunst  oder  Verzeichniss  aller  deutschen  Trauer-,  Lust-  uud  Sing- 
spiele, die  im  Druck  erschienen  von  1450  bis  zur  Hälfte  des  jetzigen 
Jahrhunderts  gesammelt  und  an's  Licht  gestellet  von  Johann  Chri- 
stoph Gottscheden.  (Leipzig  1757.)  —  Des  nöthigen  Vorraths  zur 
Geschichte  der  deutschen  dramatischen  Dichtkunst,  zweiter  Theil,  oder 
Nachlese  aller  deutschen  Trauer-,  Lust-  und  Singspiele,  die  vom  1450. 
bis  zum  1760.  Jahre  im  Druck  erschienen.  (Lpz.  1765.)  —  Dazu:  Ibrni 
Gottfried  Christian  Ereieslebens  kleine  Nachlese  zu  des  berühm- 
ten Herrn  Professor  Gottscheds  nöthigem  Vorrathe  zur  Geschichte  der 
deutschen  dramatischen  Dichtkunst.    (Lpz.  1760.) 


26  Gründe  hierfür. 

Frage,  warum  PI  au  tu  s  weniger  geachtet  war,  als  Terenz,  und  sich 
wenigerer  Nachahmungen  erfreute.  „Es  ist  merkwürdig,"  sagt  er,1) 
„dass  unsere  alten  Komödien  sowohl  als  vorhin  die  geschriebe- 
nen in  lateinischer  und  deutscher  Sprache,  mit  den  Nachahmungen 
und  Übersetzungen  des  Terenz  anfangen,  nicht  aber  mit  dem 
Plautus,  der  doch  ungleich  lustiger  und  komischer  ist. 
Auch  hierin  zeigt  sich  souder  Zweifel  der  gute  Geschmack  unserer 
Vorfahren,  die  sich  eher  in  die  wahren  Schönheiten  der  feinsten 
Schaubühne  als  in  das  possierliche  Wesen  der  plautinischen 
Stücke  haben  verlieben  können.  Wir  werden  hierinnen  noch 
mehr  bestärkt  werden,  wenn  wir  im  Folgenden  eine  Menge 
terentianischer  Übersetzungen,  allein  nur  wenige  Stücke  aus  dem 
Plautus  antreffen  werden,  die  man  im  Deutschen  bekannt  ge- 
macht hat." 

Ahnlich  erklärt  Mahrenholtz,2)  warum  Moliere  Plautus 
gegen  Terenz  zurücksetzte.  „Nicht  zufällig  war  es  nun,  dass 
Moliere  von  der  Nachahmung  italienischer  Komödien  zu  Te- 
renz, nicht  zu  Plautus  überging.  Zu  dem  Tone,  den  seine 
ersten  Komödien  anschlagen,  stimmte  die  bei  aller  leicht  ver- 
hüllten Frivolität  feine  Darstellungsweise  des  Terenz  besser  als 
die  derbere  Form  der  Plautin'schen  Komödien." 

War  nun  aber  den  Anschauungen  dieser  Zeit  Terenz 
„geradezu  einem  Lehrbuch  der  Moral  gleichgeachtet,  an  das  man 
sich  nur  zu  wenden  brauchte,  um  zu  erfahren,  was  gut  oder  böse 
sei,"3)  so  war  er  doch,  und  gewiss  berechtigt,4)  streng  sittlich 
denkenden  Schulmännern  nicht  ganz  unbedenklich,  und  der  gyni- 
nasiarcha  Harlemensis  C.  Schonaeus  sah  sich  veranlasst,  einen 
Terentius  Christianus5)  herauszugeben,    dessen  Erscheinen   er 


')  Nöth.  Vorr.    I.  37. 

2)  Moliere.    S.  119. 

3)  Melantlions  Brief  an  Peter  Kitter.  29.  Januar  1526.  Frag- 
mentum  epistolae  ad  amicum  quendam.  (Corpus  Reformatorum  IV,  956. 
X.  101.)  —  Interessant  ist  es  zu  höreu,  wie  der  Ingolstädter  Professor  (1522) 
Job.  Alex.  Kphlberger,  genannt  Brassicanus,  den  Auftrag  erhielt, 
er  solle,  um  Ärgernisse  zu  vermeiden,  den  Terentius  keusch  lesen. 
(C.  v.  Prantl,  Geschichte  der  Ludwigs-Maximiliansuniversität.  Mch.1872. 
I.  Bd.    S.  209.) 

4)  Vgl.  z.  B.  The  comedies  of  Terence,  translated  into  familiär 
blank  verse  by  George  Colin  an.  London  1765.  Preface  p.  XXXI. 
„Notwithstanding  the  acknowledged  chastity  of  Terence,  there  are  many 
things  iu  these  plays  irreconcilable  to  modern  notions  of  delicacy." 

5)  Terentius  Christianus  seu  comoediae  sacrae  tribus  partibus 
distinctae,  Terentiano  stylo  a  Cornelio  Schonaeo  Goudano  conscriptae. 
1620.  —  Fraucofurti  ad  Moenum  sumpt.  .Toh.  Adamii  Jungii,  anno  1712.  — 
Schon  aus  schrieb:  I.  Bd.  Naaman;  Tobaeus;  Nehemias;  Saulus;  Jo- 
sephus;  Juditha.  IL  Bd.  Susanna;  Daniel;  Triumpbus  Christi;  Typhlus; 
Pentecoste;  Ananias.  III.  Bd.  Baptistes;  Dyscoli;  Pseudostratiotae;  Cunae; 
Vitulus. 


Gründe  hierfür.  27 

in  seiner  Praefatio   motiviert,1)    sowie  auch  Louis  Isaac  Saci 


')  In  der  Praefatio  candido  Lectori  (Bd.  I)  heisst  es:  „Non  pauci 
cum  politiorum  litterarum  insigni  peritia  celebres,  tum  spectatae  sancti- 
moniae,  eximiaeque  pietatis  opinione  suspiciendi  hac  tempestate  repe- 
riuntur,  qui  Plauti  veteris  scriptoris  comici  lectione  studiosos  avocant, 
eiusque  fabulas  parum  commodas  esse  censent,  idque  propter  obscaeniores 
sales,  turpes  facetias  iocosque  inverecundos,  quibus  ille  populärem  gra- 
tiam  sibi  demereri  studens,  delicatas  lascivorum  hominum  aures  identi- 
dem  demulcet,  et  vanum  ineptorum  spectatorum  risum  captat.  Atque 
liorum  opinioni  quivis  prudens  numquam  quidem  magnopere  refragatus 
est.  Verum  plerique  non  ita  facile  se  in  illorum  sententiam  adduci 
patiuntur,  qui  Terentium  quoque  uti  spurcum  quendam  poetam  e 
puerorum  manibus  excutiendum  arbitrantur.  Nam  hoc  ut  nihil  lima- 
tius,  nihil  te^sius,  ac  latinius  est:  ita  ab  indecora  turpique  veteris 
comoediae  licentia  quam  longissime  eius  abesse  orationem  dicunt.  Fa- 
tentur  et  facile  concedent  omnes,  in  Plautinis  actionibus  frequenter  legi, 
quod  scurrile  potius  quam  facetum  videri  queat:  quodque  castae  merito 
aversentur  aures.  At  nihil  istiusmodi  in  Terentio  agnoscunt:  qui  ut 
ahmt,  cum  iocatur  niaxirne;  verecundiae  tarnen  limites  numquam  trans- 
greditur.  Adeo  ut  urbanus  lepidusque  optimo  iure,  obscaenus  vero  aut 
turpiloquus  nullo  modo  appellari  mereatur."  Dies  widerlegt  nun  Scho- 
naeus  und  will  den  heidnischen  Terenz  durch  seinen  Terentius  Christianus 
ersetzen.  „Quapropter  hoc  unum  persuasum  velim  studiosis  adules- 
centulis,  ut  bis  Terentii  Christiani  comoediis  evolvendis  bonam  temporis 
partem  impendant,  has  numquam  e  manibus  deponant,  sed  quocunque 
eunt,  secum  in  sinu  circumferant  nee  quiescant,  donec  ad  unguem  omnes 
edidicerint."  (!) 

Ganz  anderer  Meinung  war  man  in  pädagogischen  Kreisen  Würt- 
tembergs; dort  sollten  selbst  zweifelhafte  Stellen  des  Terenz  be- 
lehrend wirken.  (Vgl.  Dr.  Karl  Pfaff,  Versuch  einer  Geschichte  des 
gelehrten  Unterrichtswesehs  in  Württemberg  in  älteren  Zeiten.  Ulm  1842. 
Beilage  XLJI.)  Hora  duodeeima  et  prima  in  tertia  Classe:  Zu  disen 
Stunden  soll  nach  der  Musica  den  Knaben  der  Terentius  gelesen  werden. 
wölehen  sie  auch  auswendig  lernen,  und  des  andern  Tags,  in  der  repe- 
tition  auswendig  recitieren  sollen.  Und  weil  der  Terentius  gar  proprie 
und  pure  geschrieben,  Sollen  dieselbigen  phrases  mit  den  Knaben  vil 
und  fleissig  geübt,  auch  in  gut  teutsch  gebracht,  darmit  das  Lateinreden 
und  schreiben  dardurch  gefürdert  werde. 

Es  sollen  auch  die  Praeceptores,  in  enarratione  Terentij,  dise  pru- 
dentiam  haben,  das  sie  consilium  authoris  wol  anzeigen,  wie  er  nit  alle 
Ding  ex  sua  persona  rede,  sonder  diuersa  vitia  et  ingenia  in  diversis 
personis  abmale,  ut  in  Demea,  nimiam  seueritatem  in  corrigendis  delectis, 
in  Mitione  vero  nimiam  ad  condonandum  facilitatem. 

Item  da  Mitio  sagt:  Non  est  flagitium  (crede  mihi)  adolescentem 
scordari,  neq;  potare  neq;  fores  effringere  etc.  ist  der  Jugent  anzuzeigen, 
das  Mitio  dise  Wort  nit  aus  ernst  rede,  wie  ers  dann  gleich  in  eadem 
Scena  widerrufft,  und  den  Spectatoribus  huius  dissimulationis  ursach 
anzeigt,  da  er  also  sagt:  Nee  nihil,  neq:  omnia  haec  sunt,  quae  dicit, 
tarnen  nonnihil  molesta  haec  sunt  mihi:  sed  ostendere  me  aegre  pati 
illi  nolui,  nam  ita  est  homo:  quum  placo  aduersor  sedulo  et  deteres  etc. 

Item  es  sollen  auch  an  diesen  und  dergleichen  locis  die  Praecep- 
tores anzeigen,  wie  die  blinden  Ethnici  von  Gott  und  seinem  Wort  nichts 
gewisst,  wie  dann  die  Rochlosen  Christen  auch  nichts  darumb  wissen. 
Darumben  ein  exemplum  und  testimonium  sacrae  Scripturae  anzeigen, 
wie  Gott  der  HERR  dise  Laster  grewlich  straff,  und  sich  in  allweg  be- 
fleissen,  das  die  unverstandene  zarte  Jugendt,  nit  geeivrl   werde. 


28  Vorzüge  des  Tereuz 

le  Maitre1)  (1613  — 1684)  drei  Komödien  des  Terenz  „tres- 
honnetes"  machte  (1647),  allerdings  „en  y  changeant  fort  peu 
de  chose". 

Den  Gelehrten  galt  Terenz  als  Evangelium.  Der  franzö- 
sische Terenz  von  1567 2)  fasst  die  grossen  Vorzüge  des  Terenz. 
in  nachstehenden  charakteristischen  Versen  zusammen: 

Qvi  voudra  fair  plusieurs  vices  damnables, 
Moyennement  au  monde  se  tenir, 
Et  veoir  ä  loeil  les  choses  conuenables 
Lise  Terence  pour  soy  bien  coutenir. 
C'est  vn  autbeur,  pour  clarement  veuir 
Au  lieu  ou  fait  vertu  sa  residence, 
Sans  point  auoir  du  pervers  l'acointance, 
Qvi  ne  peut  point  ä  ce  bien  paruenir. 
C'est  le  guidon  droit,  facile  &  plaisant, 
De  bonnes  mceurs  &  miroir  euident 
Qve  Fabius,  l'orateur  Ciceron, 
Erasme  aussi,  trois  flambeaux  immortelz 
Ont  imite  &  tenu  pour  patron, 
En  leurs  escripts  docts  &  eternelz. 

Für  die  Achtung  der  gelehrten  Welt  war  die  vollendete  Form 
imd  regelrechte  Sj)  räche  des  Terenz  massgebend,  obwohl  man 
die  Eintönigkeit  seiner  Lustspielvorwürfe  Plautus  gegenüber  nicht 
leugnen  kann.3)  Montaigne  führt  wohl  den  richtigen  Grund 
der  Bevorzugung  des  Terenz  vor  Plautus  an,  wenn  er  sagt:4) 
„Pour  l'estimation  et  preference  de  Terence,  faict  beaucoup  que 
le  pere  de  l'eloquence  romaine  l'a  si  souvent  en  la  houche,  seul 
de  son  reng;  et  la  sentence  que  le  premier  iuge  des  poetes  romains 
donne  de  son  compaignon. " 

Thatsache  ist,  dass  sich  die  gelehrte  Welt  an  Terenz 
hielt.5)      „Sie  fuhren  fort,   die  lateinischen  Muster  und  die  Nach- 


')  Vergleiche  über  ihn  Voltaire,  Ecrivains  du  siecle  de  Louis  XV.  — • 
Die  Lustspiele  sind:  l'Andrienne,  les  Adelphes,  Phormion.  S.  Sainte- 
Beuve,  Port-Koyal.    III,  505. 

2)  Les  |  six  Oomedies  |  de  Terence,  tres  excel  ent  poete  comiqve  j 
mises  en  fraucoys,  avec  le  j  latin  en  favevr  des  ieunes  |  enfans  desireux 
de  la  j  pvrete  et  intelli'gence  de  la  lan  gve  latine.  i  A  Paris  (par  Estieune 
Doartj.   1567. 

3)  Vossius,  Inst.  Poet.  Lib.  II,  cap.  25.  sect.  5:  „Hac  sane  parte 
(sc. :  vi  comica)  videtur  superior  Plautus ;  uti  et  varietate  tum  argumen- 
torum,  tum  dictionis.  Nam  Plautus  semper  studet  esse  novus,  suique 
dissimilis;  seu  rem  spectes,  seu  verba.  In  Terentio  vero  magnoi:>ere  con- 
veniunt  argumenta  fabularum:  et  quando  de  eadem  re,  aut  simili,  est 
sermo,  plurimum  nee  absimilis  est  dictio." 

4)  Essais,  livr.  II,  cap.  10. 

'')  Vgl.  Francke  a.  a.  0.  S.  13.  15.  —  Es  fehlte  indessen  nicht  an 
Verehrern  des  Plautus.  Man  vergleiche  z.  B.  die  Widmung,  welche 
Jean-Adelphus  Müling  seiner  Plautusausgabe  (1508)  vorausschickt. 
(Ob.  Schmidt,  Histoire   litteraire   de   l'Alsace.    II,  141.  142.)     Jeröme 


Plautus  gegenüber.  29 

ahmung  des  Terenz  mehr  im  Auge  zu  haben  als  den  Beifall 
des  Volkes."  *■)  Allerdings  war,  wie  Francke  (a.  a.  0.)  zeigt,  auch 
das  Volk  den  terentianisehen  Stücken  sehr  zugeneigt.  „Die 
Aufführungen  terentianischer  Komödien  .  .  .  müssen  wohl  im 
ganzen  beim  Publikum  ausserordentlich  beliebt  gewesen  sein,  be- 
sonders in  Sachsen,  wo  eine  schon  1540  erlassene  und  1580 
wiederholte  Verordnung  es  den  Lehrern  zur  Pflicht  machte,  die 
Komödien  des  Terenz  und  einige  des  Plautus  von  den  Knaben 
spielen  zu  lassen. "  2) 

Es  war  aber  nicht  nur  die  feinere  Form  des  Terenz,  was 
die  Gelehrten  besonders  anzog,3)  die  Latinität  des  Dichters 
liess  sie  denselben  immer  und  immer  wieder  der  Jugend  als  Vor- 
bild und  Lektüre  empfehlen,  und  man  möchte  mit  Herder4)  aus- 
rufen: „Auch  euch,  ihr  Mönche,  sei  Dank,  dass  ihr,  um  Latein 
zu  lernen,  uns  den  Terenz aufbewahrtet."  —  Der  Kur- 
fürst Friedrich  III.,  der  Weise  von  Sachsen  (1463  — 1525), 
berief  einen  eigenen  Professor  für  Terenz  an  die  neu  (1502)  ge- 
gründete Akademie  Wittenberg.5)  Es  folgten  fortgesetzt  Über- 
tragungen des  Dichters,  die  ihm  allerdings  nicht  immer  zum  Vor- 
teile   gereichten;    denn    „je    paraphrastischer    .    .   .    die    deutscben 


Oebwiler  (geb.  cc.  1473,  gest.  1545)  hielt  Plautus  hoch.  „II  trouvait 
Piaute  superieur  ä  Terence  autant  que  le  soleil  est  superieur  aux  etoiles." 
Ebenda.    II,  162. 

')  Gervinus,  G.  G.  Geschichte  der  deutschen  Dichtung.  5.  Aufl. 
(Lpz.  1871—74.)    DI.  Bd.    S.  94. 

2)  Vgl.  Kaunier,  Pädag.  II,  284.  —  Dr.  Straumer,  Beiträge  zur 
Schulkomödie  in  Deutschland.  Progr.  des  Gymnasiums  Freiberg  1865 
(vornehmlich  über  Zwickau).  —  Känimel,  Ein  Beitrag  zur  Geschichte 
des  Zittauer  Gymnasiums.    (Progr.  1856.) 

3)  Stephanus  Doletus  formuliert  seine  Ausstellungen  an  Plau- 
tus gegenüber  Terenz  in  nachstehenden  Versen: 

Graecos  poetas  comicos  mitto  libens; 
De  latinis  quid  sentiam,  iam  iam  eloquar. 
Plautum  Terentio  qui  obstinate  praeferunt, 
Graviter  videntur  mihi  errare.     Siquidem 
Nemo  negat  Plauto  sermonis  Latii 
Proprietatem  supremam.     Sed  nee  ea  deest 
Terentio  vel  maior.     Atque  praeterea 
Servile  Plauti  ingenium  et  plebeium  nimis; 
Terentius  liberali  stilo,  et  extra  sales 
Vulgares  posito  non  vulgariter  superat. 
In  hoc,  latinae  Musae,  parcite  Sedigito, 
Qui  prineipi  latinae  comoediae  abstulit 
Meritam  hercle  laudem,  si  comico  cuiquam  alii. 
(Bei  Leonel  da  Costa,  As  primeiras  quatro  comedias  de  P.  Terencio.) 

4)  Ideen  zur  Geschichte  der  Menschheit.    XIV,  5. 

5)  S.  De  linguae  latinae  in  Germania  per  XVII  saecula  amplius 
l'atis  ab  ipso  tempore,  quo  Romanorum  arma  et  commercia  nonnullum 
eius  usum  intulerunt,  ad  nostram  usque  aetatem  commentarii  auetore 
Jacobo  Burckhardt,  Sulzbacho-Palatino.     Hannoverae  (Förster)  1713. 


30  Terenzbearbeitungen. 

Terenze  wurden,  desto  schaler  wurden  sie  auch  und  verloren 
den  alten  Kern.  Man  konnte  gleichwohl  nicht  satt  werden ,  ihn 
zu  übersetzen. "  ' )  Freilich  befürchtet  ein  Diakon  von  Tübingen 
(1567):  „Ein  anderer  Vorwurf  könnte  sein,  dass  er  es2)  überhaupt 
deutsch  übersetzte,  das  Latein  werde  dadurch  verachtet."3)  In 
solchen  Ehren  stand  die  lateinische  Sprache;  so  allgemein  war 
ihr   Gebrauch.4) 

Eine  reiche  Anzahl  von  Terenzausgaben  und  Übersetzungen 
zeugt  von  dieser  besonderen  Vorliebe  für  diesen  Dichter.  So  er- 
schienen in  raschen  Zwischenräumen  im  Jahre  1613  eine  neue  Auf- 
lage von  Harns  Andria,  1614  dieselbe  Komödie  neu  übersetzt  von 
einem  Lyniberger;  1620  gab  die  im  Jahre  1617  vom  Fürsten 
Ludwig  von  Köthen  gestiftete  Fruchtbare  Gesellschaft 
in  Köthen  den  ganzen  Terenz  deutsch  und  lateinisch  heraus. 
Im  selben  Jahre  erschien  der  Terenz  von  Michael  Meister  in 
Halle;  1624  von  David  Höschel  und  Martin  Schenk;  1626 
von  einem  Ungenannten  (Weimar  bei  I.  Mieschner);  1627  von 
Job.  Rhenius  (noch  zweimal  im  siebzehnten  Jahrhundert  aut- 
gelegt) u.  s.  w. 

Mit  diesen  fortgesetzten  Übertragungen  des  Terenz  gingen 
Aufführungen  desselben  Hand  in  Hand.  Terenz  wurde  „das 
ganze  siebenzehnte"  und  „auch  im  achtzehnten  Jahrhundert  in 
Sachsen  und  nächstdem  in  Schlesien"  gespielt.  Ja  noch  in 
unserm  Jahrhundert  in  den  vierziger  Jahren  zu  Hamburg 
wurden  von  Schülern  des  Johanneunis  Stücke  des  Terenz  aufge- 
führt.5)   Jene  drastischen  Figuren,  wie  z.B.  der  Selbstpeiniger, 


Zweiter  Teil:  Wolfenbuttelii  (Freytag)  1721.  —  Dort  heisst  es  (IL  217): 
Terentii  vero  elegantia  inde  ab  adulescentia  ita  captus  fuerat,  ut  in 
recens  condita  sua  Academia  singularem  Professorem  constituerit ,  qui 
studiosae  iuventuti  eum  explicaret  illustraretque.  (Jo.  Jac.  Mülleri 
Staatskabm.  II,  S.  432.  —  Vgl.  auch  Francke  a.  a.  0.  S.  8 — 13;  Räu- 
mer, Gesch.  der  Päd.    I,  96.) 

')  Gervinus.    HI,  100.     Vgl.  auch  ebenda  II,  614. 

2)  Ein  Lustspiel  des  Terenz. 

3)  Gottsched,  Not.  Vorr.    H,  81. 

4)  Otto  Brunfels  in  Strassburg  hatte  das  Lateinsprechen  bei  Ver- 
meidung der  Stockprügelstrafe  eingeführt.  S.  Catechesis  puerorum  in 
fide,  in  litteris  et  in  moribus.  1529.  (Fol.  76 ;i):  Vernacula  lingua  loqui 
in  ludo  nostro  piaculum  est  atque  non  nisi  plagis  expiatur.  Vgl. 
auch  die  Notiz  bei  R.  Prölss.  Geschichte  des  Hoftheaters  zu  Dresden. 
(Dresden  1878.)  S.  8.  „In  einem  Lobgedichte  auf  den  Goldberger  Schul- 
rektor Trotzendorf  wird  es  rühmend  hervorgehoben,  er  habe  die  rö- 
mische Sprache  allen  so  eingegossen,  dass  es  für  Schande  gelte,  deutsch 
zu  sprechen  und  selber  Knechte  und  Mägde  Latein  sprächen."  —  Man  er- 
wäge auch,  welche  Schwierigkeiten  u.  a.  Martinus  Balticus  in  Ulm  (1585) 
fand,  als  er  neben  lateinischen  Komödien  auch  deutsche  spielen  Hess,  bis 
ihm  der  Rat  der  Stadt  dies  gewährte.  Doch  wurde  es  ihm  (freilich  mit 
anderen  Ursachen)  Quelle  ewiger  Anfeindungen.  S.  K.  Pf  äff  a.*a.  O.  S.  52. 

D)  Francke  a.  a.  0.     S.  32. 


Verhalten  des  Klerus.  31 

erzielten  noch  den  gleichen  Erfolg'  wie  im  Altertume. ')  Dem  fort- 
gesetzten Studium  der  Komiker  verdankt  die  Entwick- 
lung des   Theaters  Unendliches.2) 

Zwar  verhielt  sich  der  Klerus  häutig  feindselig  gegen 
Terenz;3)  doch  obsiegten  diese  Studien.  Die  ganze  Polemik 
jedoch  wirft  manches  Streiflicht  auf  den  etwas  problematischen 
Charakter  des  oft  überschwänglich  gepriesenen  klerikalen  Huma- 
nismus.4) Wachsmuth5)  äussert  sich  hierüber:  „Die  Glaubens- 
verschiedenheit hatte  wesentlichen  Einfluss  auf  die  Art  des  Studien- 
betriebs. Seitdem  die  Jesuiten  im  Gebiete  des  Katholizismus 
dominierten,  bekam  er  eine  von  dem  italienischen  Humanismus 
abweichende  Richtung;  von  ihnen  wurde  mehr  gehindert 
als  gefördert."6) 

Vorzüglich  gegen  Plautus  und  Terenz  eiferten  die  Je- 
suiten7) und  stellten  sich  dadurch  würdig  den  älteren  Zeloten  und 
Ignoranten  an  die  Seite.8)  Ein  klares  Bild  der  Hindernisse,  die 
teils  „ungelehrte  und  verwöhnte  Theologen"  teils  Beschränktheit 
anderer  Art  den  humanistischen  Bestrebungen  in  den  Weg  legten, 
giebt  eine  Stelle  in  der  Widmungsepistel  „an  den  edlen  und 
vesten  Fritz    Jacob    von  An  weil"    vor    der    Terenzübersetzung: 


')  Cicero,  Disput.  Tuscul.  m,  27.  65. 

2)  Vgl.  Prölss,  Eob.  Geschichte  des  neueren  Dramas.  (Lpz.  1881.) 
I.  Bd.,  zweite  Hälfte.     S.  100. 

3)  Francke  a.  a.  0..  S.  7.  —  Vgl.  auch  Charles  Schmidt,  His- 
toire  litteraire  de  l'Alsace.  Paris  1879.  I.  S.  220.  „Wimpheling  qui 
dans  son  indignation  contre  la  poesie  pai'enne,  le  (Terence)  rangeait 
parmi  ceux  qu'il  fallait  exclure  et  que  Dieu  lui-meme  avait  chäties 
en  les  faisant  perir  d'une  niort  miserable.  (Contra  turpem  libellum 
Philomusi  defensio  theologiae.     1510.)     Vgl.  auch  ebenda  S.  64.    A.  166. 

4)  Vgl.  zur  Bildung  des  Klerus  und  seiner  lateinischen  Kenntnisse 
ßurckhardt,  de  linguae  latinae  fatis  etc.     I,  (55.  68.)  79.  83.  443.444. 

3)  Allgemeine  Kulturgeschichte.     (Lpz.  1851.)    DIL  Bd.     S.  413. 

e)  In  der  Anweisung  zum  Unterricht  Maximilians  von  Baiern  (1598 
bis  1651)  war  verboten,  die  alten  Autoren,  die  heidnischen  Schwätzer 
und  Fabelhanse  zu  traktieren.  Raumer,  Geschickte  Europas.  III,  339. 
Vgl.  ferner  zur  Sache:  rMZMOAOriKON  EAAHNIKOAATINON:  Mi- 
chaelis Neandri.  (Basileae  1564.)  Epistol.  S.  11.  (Vnä  etiam  planum 
facere  facile  esset,  quod  multorum  optimorum  librorum  amissionem 
monachis  ignavis  debeamus.)  —  H.  Schreiber,  Matthaeus  Hummel  im 
Bach  (geb.  1425,  gest.  1477).  Freiburg  1833.  S.  16.  17.  18.  —  Wenzel 
Wladiwoj  Tomek,  Geschichte  der  Prager  Universität.  (Prag  1849.) 
S.  290  ff.  —  S.  292:  „Die  Studien  der  alten  Klassiker,  welche  den  Stolz 
des  sechszelmten  Jahrhunderts  ausgemacht  hatten,  waren  [unter  der 
Herrschaft  der  Jesuiten]  von  der  philosophischen  Fakultät  ausge- 
schlossen." —  S.  auch  das  Urteil  des  Herman  Busch  (1468 — 1534)  in 
seinem  Valium  lmmanitatis.  — ■  .1.  F.  Schröder,  Das  Wiederaufblühen 
der  klassischen  Studien  in  Deutschland.    (Halle  1864.)    S.  214. 

7)  Francke  a.  a.  O.    S.  55—60. 

8)  Vgl.  Jundt  a.  a.  Ü.  8.  A.  2.  Allerdings  lese  man  auch  Räumer, 
Gesch.  der Pädag.  1,245.  —  Vgl.  auch  Joh.  Sturmij  de  exercitatjionibus 
rhetoricis  über  academicus.    Argent.    Nie.  Wyriot  1572.    Fol.  g  2a. 


32  Boltz  von  Ruflachs  Terenz. 

des  Valentin  Boltz  von  Ruffach  (1539).  *)  Dort  heisst  es: 
„Darab  werden  sich  onzweiffel  auch  etliche  vngelerte, 
verwänte  Theologi  streüssen,  das  ich  als  ein  kireken- 
diener,  mich  solcher  weltfreydiger,  schhnpffiger,  fleisch- 
licher matery  vnd  er  nimm.  Denen  gib  ich  dise  antwort:  das 
ich  auss  Virgilio,  Terentio,  Plauto  vnd  andern  beiden,  hab  das 
lateinisch  Enangelium  lernen  verstau,  sacra  ex  prophanis,  vnd 
drumb  nit  jren  glauben  vnd  leichtfertigkeit  angenommen.  Nun 
hat  vns  ye  gott  die  freien  künst  durch  die  beiden  geben,  vnd 
welcher  die  künst  verachtet,  der  verachtet  vnd  verschmächt  Gott 
selbs,  dann  durch  dise  werden  Gottes  wunderwerck  erkent.  Was 
sind  sie  nun  anders  die  gelerten  heiden,  dann  vnsere  knecht  vnd 
diener,  die  uns  vorgearbeitet  haben,  &  praemansum  in  os  in- 
seruerunt;  sie  haben  vns  fürgekewet  wie  den  jungen  kindern. 
Aber  das  ist  das  alt  gifft  vnd  pestilentzisch  übel,  das  wir  Teutschen 
nie  vil  acht  auff  vnser  mutterspraacli  gehabt  haben,  wie  sie  ge- 
pflantzt  vnd  auff  bracht  werd.  Die  ja  gleich  jr  facundiam  vnd 
zier  so  wol  hat,  als  andere  spraachen.  Wer  das  erfaren  wöll, 
der  besehe  vnd  lese  den  verteutschten  Josephum,  Senecam,  Officia 
Ambr.  vnd  vil  treffelicher  authores:  die  der  hochbereedt  man 
teutscher  nation  Doctor  Caspar  Hedio  zu  Strassburg  verteutscht 
vnd  in  wunderbarlichen  wolstandt  teutscher  zungen  bracht  hat. 
Darab  werden  auch  vil  stoltz  gelerten  murren,  vnd 
sagen,  es  sey  nit  loblich,  das  man  alle  ding  also  in  teutsche 
spraach  bring,  das  Latein  werd  dadurch  verachtet.  Ich  sag 
nein  darzu.  Es  ist  der  Lateinischen  spraach  ein  treffelicher  rum 
vnd  hoher  preiss,  das  sie  so  hohe  wund erparli che  ding  hinder  jr 
verborgen  hat  gehan,  vnd  macht  vns  teutschen,  das  wir  erst 
anfahen,   vnsere  eygen  spraach  regulieren  vnd  wolstellen." 

Auf  das  nachdrücklichste  empfiehlt  M.  Luther,  welcher 
den  Terenz  in  acht  Wochen  zweimal  ganz  in  seinen  Erholungs- 
stunden gelesen  hatte,  "2)  das  Schauspiel  in  der  Vorrede  zum 
Buch  Judith  und  Tobias.  In  den  Tischreden3)  äussert  er  sich 
auf  die  Anfrage  des  D.  Johannes  Cellarius,  ob  man  die  heid- 
nischen Poeten  spielen  dürfe:  „Comödien  zu  spielen,  sol  man 
vmb  der  Knaben  willen  in  der  Schuel  nicht  wehren,  sondern  ge- 
statten vnd  zulassen:  Erstlich,  dass  sie  sich  vben  in  der  latei- 
nischen Sprache:  Zum  andern,   dass  in  den  Komödien  fein  künst- 


J)  Publij  Terentij  Aphri  ]  sechs  verteutschte  Comeclien,  auss  j  eygen 
angeborner  Lateinischein  spraach  |  auffs  trewlichst  transferiert  |  durch 
Valentin  um  Boltz  von  Ruffach.  |  Anno  M.  D.  XXXIX.  |  —  Am  Schlüsse 
steht:  Getruckt  zu  Tübingen  von  Ulrich  Morhart.    Anno  MDXL. 

2)  Koch,  Schob    S.  65. 

3)  Luthers  Tischreden  und  Vorreden  auf  die  Bücher  Judith  und 
Tobias.  Asg.  von  J.  K.  Irmischer.  Erlangen  und  Frankfurt.  1854. 
LXII.  336.    LXXHT.  92.  98. 


Urteil  Luthers,  Keuchlius  u.  a.  33 

lieh  erdichtet,  abgemalet  vnd  fürgestellet  werden,  solche  Personen, 
dadurch  die  Leute  vnterrichtet  vnd  ein  jeglicher  seines  Ampts 
und  Standes  erinnert  vnd  vermahnet  werden,  was  einem  Knechte, 
Herren,  Jungen  Gesellen,  vnd  Alten,  gebühre,  wohl  anstehe,  vnd 
was  er  thun  solle:  Ja  es  wird  darinnen  fürgehalten,  vnd  für  die 
Augen  gestellet,  aller  Digniteten  Grad,  Ampter  vnd  Gebühr,  wie 
sich  ein  jeglicher  in  seinem  Stande  halten  sol,  im  äusserlichen 
Wandel,   wie  in  einem  Spiegel. 

Zudem  werden  darin  beschrieben  vnd  angezeiget,  die  listigen 
Anschläge  vnnd  Betrug  der  bösen  Bälge.  Desgleichen  was  der 
Eltern  vnnd  jungen  Knaben  Ampt  sey,  wie  sie  jhre  Kinder  vnnd 
junge  Leute  zum  Ehestande  ziehen  vnd  halten,  wenn  es  zeit  mit 
jhnen  ist,  vnd  Avie  die  Kinder  den  Eltern  gehorsam  seyn  vnd 
fragen  sollen  etc.  Solches  wird  in  Comödien  fürgehalten,  welches 
denn  sehr  nütz  vnd  wol  zu  wissen  ist;  denn  zum  Regiment  kann 
man  nicht  kommen;  mag  auch  dasselbige  nicht  erhalten  denn 
durch  den  Ehestand.  Vnnd  Christen  sollen  die  Comödien  nicht 
ganz  vnd  gar  fliehen,  darumb  dass  bissweilen  grobe  Zoten  und 
Bulereien  darinnen  seyn,  da  man  doch  umb  dieser  willen  auch 
die  Bibel  nicht  dürfte  lesen.  Darumb  ist's  nicht,  dass  sie  solches 
fürwenden  vnd  vmb  der  Vrsache  willen  vorbieten  wollen,  dass  ein 
Christen  nicht  solte  Comödien  mögen  lesen  vnnd  spielen. "  *) 

Reuchlin  (1455—1522)  und  Frischlin  (1547—1590)  weisen 
auf  die  alten  Komödiendichter  hin,  und  ihre  Stücke  zeugen  von 
dem  Studium  des  Plautus  und  Terenz  selbst  in  echtdeutschen 
Stoffen.2)  —  Erasmus  von  Rotterdam  (1467 — 1536)  versteigt 
sich  in  seiner  Begeisterung  zu  einem  wenig  gelungenen  Wortspiel. 
Terenz  heisst  er  „quod  manibus  esset  terendus".  George 
Rollenhagen  (1542  — 1609)  wollte,  „dass  er  wie  Theer  den 
Schülern  an  den  Händen  kleben  solle."  Er  liess  i.  J.  1592  an 
seiner  Schule  zu  Magdeburg  alle  sechs  Stücke  des  Terenz 
aufführen.  3) 

Alles  gefiel  sich  in  begeistertem  Lobe  des  Terenz.4)  Me- 
lanthon,   der  gegen    „krittliche  und  mürrische  Censoren"    eiferte, 


^Luthers  Tischreden,  ed.  Förstemann  u.  Bind  seil.  Berlin  1848. 
IV.  S.  592.  —  Vgl.  auch  Dr.  E.  A.  Hagen,  Geschichte  des  Theaters  in 
Preussen,  vornämlich  der  Bühnen  in  Königsberg  u.  Danzig.  Königsb.  1854. 
S.  22.  —  In  ziemlich  ähnlicher  Weise  empfiehlt  Baco  von  Verulam 
(gest.  1626)  in  seinem  Buche  „de  augmentis  scieutiarum"  (VI,  4)  die 
theatralischen  Übungen  wegen  ihres  günstigen  Einflusses  auf  das  Ge- 
dächtnis, die  Sprache  und  den  Ausdruck.  (Schwarz,  Geschichte  der 
Ki-ziehung.    II,  317  ff.) 

..2)  Gervinus  a.  a.  0.    HI,  97. 

3)  Gervinus  III,  115. 

4)  Vgl.  z.  B.  ein  Gedicht  des  Johannes  du  Eins  Attrebates 
(bei  L.  da  Costa,  as  quatro  primeiräs  comedias  u.  s.  w.): 

3 


34  Aufführungen  der  Alten 

veranlasste  die  fleissige1)  Aufführung  der  Komödien  des  Terenz 
mit  Ausnahme  der  Hecyra  und  des  Heauton  timorumenos. 
Von  Plautus  nahm  er  nur  den  Miles  Grloriosus  in  sein  Re- 
pertoire auf,  obwohl  er  im  Schulplan  seines  Visitationshüchleins 
auch  aululariam,2)  trinummum,  pseudolum  für  rein  erklärte.3) 

Hatte  C.  Schonaeus  sich  schon  an  Terenz  gestossen,  so 
konnte  er  natürlich  mit  Plautus  noch  weniger  sich  befreunden; 
besonders  zog  er  gegen  den  Amphitruo  und  den  Miles  Glo- 
riosus  in  seinem  Prologe   zum  Tobaeus1)  los. 

Indessen  hat  sieh  kaum  eine  deutsche  Stadt  trotz  aller 
Kämpfe  für  und  wider  die  alten  Komödien  der  Aufführung  der- 
selben gänzlich5)  entschlagen  wollen  oder  können.  Nur  einige 
wenige   zufällig  gewählte  Beispiele  mögen  dafür  zeugen. 

„In  Wien  gingen  hierin  die  Universitäts-Gymnasium-  und 
Schottenschulen,  sowie  zu  St.  Stephan  und  St.  Michel,  dem 
Jesuitenorden  vor,   da  dieser  erst  im  Jahre   1551   hierher  berufen 


Quem  sermone  iuvat  loqui  erudito 
Et  docto  simul  et  simul  faceto, 
Volvat  perpetua  manu  Terenti 
Versus,  quo  melior  poeta  nullus. 
Nullus  tarn  vario  lepore  plenus. 
Nullus  quo  melius  putet  iuventus 
Linguam  reddere  posse  se  disertam 
u.  s.  w.  —  Kromayer  führt  uoch  ein  ius Deutsche  übersetztes  Lobverslein 
des  Johanuis  Murmellii  (1470 — 1517)  an  (S.  6),   in  dem  alle  Vorzüge 
des  Terenz  gepriesen  sind: 

Wilstu  zugleich  Dein  Zung  wol  ausspoliren, 
Dein  Hertz  vnd  Sinn  mit  schöueu  Sitten  zieren, 
Wiltu  auseheu,  wie  im  Spiegel,  die  Welt, 
So  thu  mit  Fleiss  in  diesem  Buch  studiren, 
All  Menschlich  Thuu  es  Dir  für  Augen  stelt. 
')  Besonders   des  Phormio.     (Koch,   Schob    S.  65.)  —  Vgl.   auch 
Burckhardt,  de  linguae  latinae  fatis.    I.    S.  353. 

2)  Corpus  Beformatorum,  ed.  Bretschneider  u.  Bindseil.   X.  Bd. 
(1834.)    S.  101.    Si  norunt  Terentium,  potest  proponi  aulularia  Plauti. 

3)  Francke  a.  a.  0.    S.  22. 

4)  (S.  59):  Nee  fabulosus  quispiam  Deus,  viri 

Mentitus  formam,  amantem  fallet  coniugem, 
Nee  miles  adversa  ostentabit  vulnera, 
Nee  servus  argento  emunget  senem. 
Ahnlich  auch  in  den  Prologen  zu  Saul,  Judith,  Nehemia.     (Vgl.  Francke 
a.  a.  0.    S.  133.)  —  Doch   aber  sagt  er  in  einem  Epigramme  an  Jaco- 
bum  Brassicanum  (III,  244)  von  sich: 

Comica  dum  levibus  percurro  pulpita  soccis, 
Plautinum  seetatus  opus,  numerosque  Terentii. 
"')  Verhältnismässig  wenig  geschah  z.  B.  in  Frankfurt  a.  M.  für 
Plautus  und  Terenz.  (Vgl.  Geschichte  der  Schauspielkunst  in  Frank- 
furt a.  M.  etc.  von  E.  Mentzel,  Frkf.  1882,  S.  G.  u.  7,  wornach  bereits 
1591  Plautus  und  Terenz  verdrängt  waren  und  auch  lat.  Schulkomödien 
nicht  (?)  stattfanden.) 


in  Wien,  Augsburg,  Olmütz  u.  s.  w.  35 

wurde.  Die  frühesten  bisher  bekannten  von  diesen  Wienerschul- 
komödien sind  Eunuchus  von  Terenz  und  Aulularia  von 
Plautus,  dann  der  rasende  Herkules  und  das  Abendmahl 
des  Thyestes  von  Seneka  in  der  aula  universitatis  reprä- 
sentiert, welche  Conrad  Celtis  i.  J.  1486  in  Druck  legen  liess."1) 

Ebenso  war  es  in  Augsburg.  „Kaum  hatte  der  Uliner 
Bürger  Hans  Nydhart  1486  oder  1488  eine  Übersetzung  des 
Eunuchen  von  Terenz  erscheinen  lassen,  als  ein  Augsbiirger 
1497  auch  hier  ein  Paar  Komödien  drucken  liess.  I.  G.  Boivarii 
Comedie  utilissime  omnem  latini  sermonis  elegantiam  continentes 
(I.  G.  Bayers  äusserst  nützliche  Komödien,  welche  die  ganze 
Zierlichkeit  der  lateinischen  Rede  entfalten),  die  von  der  „hiesigen 
ehrbaren  Jugend"  —  vornehmen  Knaben  aus  hiesigen  patrizischen 
Familien  —  wirklich  aufgeführt  worden  sind,  und  die  wenigsten 
von  einer  guten  Portion  Einbildungskraft  des  Verfassers  zeugen. 
Professor  Hans  in  seinem  Aufsatze  über  das  Schulwesen  (Histor. 
Vereinsschrift   1875)  nennt  den  Verfasser  Grüpeck."2) 

„Die  feierliche  Stiftung  des  Olmütz  er  Seminars  (durch  die 
Jesuiten)  verherrlichte  die  mit  grossem  Beifall  gegebene  Komödie 
Aulularia  von  Plautus."3) 

Zu  Fasching  1518  wurde  in  Zwickau  bei  einem  Turniere, 
das  Herzog  Johann  von  Sachsen  veranstaltete,  unter  anderm 
der  Eunuchus  des  Terenz    „ordentlich  und  wohl"  gespielt.4) 

Überhaupt  spielte  man  in  Zwickau  zu  dieser  Zeit  die 
Stücke  des  Terenz  häufig  mit  deutschen  Einleitungen  und 
Einschaltungen  zu  besserem  Verständnisse.5)  Gottsched6)  giebt 
Proben  dieser  Zurichtung.  Da  wird  z.  B.  Thais  eingeführt  mit 
den  Worten: 

Itzt  trit  daher  dasselbig  weyb, 

Gar  wohl  geschmückt  vnd  gradt  vom  Leyb, 
Von  aussen  scheint  schon  vnd  gladt 

Ein  schlamsack  sonst  vnd  rechter  vnflat. 
Sie  schwantzt  herein  in  eyteler  pracht 

In  sammet  vnd  seyden  das  einer  dacht 
Es  war  gantz  lauter  gülden  als 

Was  sie  an  armen  vnd  am  halss 
Vom  golde  tregt,  ich  dorft  wohl  wetten 

Der  mehrer  teyll  sind  kupfern  ketten 
u.    s.   w. 

Auch  wird  Einzelnes,    und  nicht   immer  das  Passendste,   ein- 


J)  Schlager,  Wienerskizzen  aus  dem  Mittelalter.  Neue  Folge.  1839. 

2)  Witz,  Versuch  einer  Geschichte  der  theatralischen  Vorstellungen 
in  Augsburg.    1876.    S.  9. 

3)  Geschichte  des  Theaters  in  Mähren  und  Ustcrr.-Schlesien.     Vom 
K.  K.  Fiuanzrate  Christian  d'Elvert.    Brunn  1852.    S.  21. 

4)  Vgl.  Germania.    Band  XXII.    (1877.)    S.  19.  20. 

5)  Gottsched,  Nöth.  Vorr.    I,  28. 
°)  Ebenda.    I,  32. 

3* 


36  Aufführungen  der  Alten 

geflochten,     so    im    Heanton    timorumenos    die    anus    nntrix    inter 
cundnni   venatur  pulices. 

Ich  halt,  die  flöhe  haben  winter  vnd  sommer 
Gemiett  bey  mir  ein  gast  kamer 

u.  s.  w.      Et  paulo  post:  Ey  peyss,   das  dich  alle  plag  u.  s.  f. 

Schon  i.  J.  1523  bestimmt  die  Zwick  au  er  Schulordnung, 
„dass  Mittwochs  nach  geschehener  Repetition  und  Sonntags  nach 
der  Kirche  eine  Komödie  aus  dem  Terentius  zur  Stärkung  des 
Gedächtnisses  und  zur  Übung  in  der  Aussprache  und  in  der  Ge- 
schicklichkeit des  Leibes  gespielt  werden  soll. "  ]) 

Im  Jahre  1530  führten  die  Alumnen  der  Universität  Löwen 
die  Adelphi  in  lateinischer  Sprache  mit  einem  Prolog  von  Adriano 
Barlando   auf.2) 

„Wie  Job.  Reuchlin  seine  Scenica  progymnasmata  im 
Hause  des  Kämmerers  Johann  von  Dalberg  (1445 — 1503)  zu 
Heidelberg  hatte  aufführen  lassen,  so  wurden  zu  Augsburg 
durch  die  Schüler  Komödien  aus  dem  Terenz  und  Plautus  ge- 
geben; so  zu  Zürich  (schon  1531)  auf  dem  Saale  des  Kirchen- 
und  Schulrats  der  Plutus  des  Aristophanes  in  der  grie- 
chischen Ursprache  vorgestellt,  mit  Musik  in  den  Zwischenakten, 
Avelche  vom  Reformator  Zwingli  komponiert  war."3) 

Über  eine  Aufführung  des  Miles  Gloriosus  in  Prag  be- 
richtet Leo  Blass:4)  „Im  Fasching  des  genannten  Jahres  (1535) 
wollten  die  Studenten  (der  Prager  Universität)  ein  Lustspiel  von 
Plautus  (Miles)  aufführen  und  bemühten  sich  um  Auffindung 
eines  passenden  Lokales.  Der  damalige  Bürgermeister  der  Neu- 
stadt Prag,  Jakob  Strnadt,  erlaubte  die  Aufführung  in  dem 
Neustädter  Rathause,  wo  sich  ein  vollkommen  tauglicher  Raum 
hierzu  vorfand.  Doch  der  Altstädter  Magistrat  verklagte  deshalb 
die  Universität,  dass  sie  eine  von  ihm  nicht  bewilligte  Versamm- 
lung veranstaltet  habe,  der  Bakalar  Modry,  der  den  „Soldaten" 
spielte  und  wahrscheinlich  das  Hauptverdienst  um  diese  Vor- 
stellung hatte,  wurde  vorgerufen,  eingesperrt  und  erst  infolge 
eines  scharfen  Rekurses  des  Universitätsrektors  nach  drei  Tagen 
strenger  Haft  entlassen." 


')  Gödeke,  Einleitung  zum  zweiten  Bande  der  deutschen  Dichter 
des  XVI.  Jahrhunderts,    pag.  XVm. 

2)  Leonel  da  Costa.     As  primeiras  quatro  comedias  .  .  .  pag.  XV. 

3)  Beiträge  zur  Geschichte  Basels,  herausgegeben  von  der  histo- 
rischen Gesellschaft  zu  Basel.  I.  1839.  IL  1843:  Darin  Bd.  I.  S.  169— 212. 
Geschichte  der  dramatischen  Kunst  in  Basel  von  C.  Aug.  Burckhardt. 
U.  J.  D.    S.  197. 

4)  Das  Theater  und  Drama  in  Böhmen  bis  zum  Anfange  des  XIX. 
Jahrhunderts.    1877.    S.  9. 


in  Zwickau,  Prag,  München  u.  s.  w.  37 

Im  Jahre  1537  führt  der  „latheinisehe  schullmayster  Hanns 
Binder"  in  Nor  düngen  „mit  den  Knaben  ain  comödj  auss 
dem  T  h  e  r  e  n  c i  u  m  "    auf.  *) 

Bekannt  ist  die  Teilnahme,  welche  die  Güstrowsche 
Schulordnung-,  die  ungefähr  in  das  Jahr  1552  (oder  1553) 
fällt,  der  alten  Komödie  widmet.  Von  ihr  wird  in  Reichards 
Theaterkalender  von  1787  nach  einem  alten  Manuskripte  Fol- 
g-endes  mitgeteilt:  „Cap.  X.  De  ludis  scenicis.  Es  soll  auch 
alle  halbe  Jahre  eine  lateinische  Comoedia  aus  dem 
Plauto  oder  Terentio  für  die  Knaben,  dass  sie  gut  La- 
tein lernen  mögen,  von  den  Schülern  in  der  Schule, 
jedoch   extra  habitum,   agiret  werden,   denn  es  heisst: 

Continet  kumanae  speculum  Comoedia  vitae 
Turpiaque  urbano  facta  lepore  notet. 

Es  wehre  auch  unter  den  grossen  Schülern,  die  der  griechischen 
Sprache  erfahren  sind,  ein  fein  Exerzitium,  dass  sie  bisweilen 
einen  Dialogum  Luciani  mit  agirten,  der  allezeit  ein  lateinisch 
Argument  bette,  umb  der  gemeinen  Schüler  willen.  -  Teutsche 
Gomedien  oder  Tragedien  sollen  für  denn  gemeinen  Mann  noch 
sonsten  von  den  Schülern  nicht  agieret  werden,  es  sei  denn,  dass 
ös  mit  Unserm  Vorwissen  und    auf  unser  Gutachten  geschehe. "  2) 

Über  Aufführungen  in  München  (in  den  Jahren  1557, 
1562,  1566)  verdanke  ich  den  gefälligen  Mitteilungen  des  Herrn 
Dr.  Karl  Traut  mann  aus  den  Münchener  Stadtkammerrech- 
nungen  die  nachstehenden  Daten: 

1557:  zahlt  dem  Poetn  Martino  Baltico:  An  12  talern 
erung  von  wegen  zweyer  Comedj  ex  plauto  so  er  ainem  erbaren 
Batk  zugefallen  vnd  den  Discipuln  zu  guet  auffm  Rathhaus  ge- 
halten,  nemlich  Sme  dem  poetn   10  vnd  seinen  Discipuln   2. 

Ad  27.  februarij  (1562)  ditto  zalt  dem  poeten  gabriele 
Khasstner  Eerung  von  wegen  der  Coinedi  zwayer  zwidling- 
Ex  Plauto  so  Err  auff  dem  Rathhaus  gehallten  10  Taler.  V  und 
den  Discipeln  2   Taler  thuet  ...    13  fl  5  ß 

Ad  19.  aprilis  [1566]  (ditto)  zalt  dem  poeten  Gabriele 
Casstner  von  wegen  der  Comedj  so  er  durch  seine  Khnaben 
halten  lassen  Ex  Plauto  Trinummum  genannt  Teutsch  vnnd 
Lateinisch   14  Taler  zu  einer  Vererung. 

Die  im  Jahre   155!)  von  Herzog  Christoph   in   Württem- 


*)  Dr.  K.  Traut  manu,  Arckivaliscke  Nachrichten  über  die  Theater- 
zustände  der  schwäbischen  Reichsstädte  im  XVI.  Jahrhundert,  in 
Schnorrs  Archiv.    Bd.  XIII.    S.  öl. 

2)  Versuch  einer  Geschichte  des  Theaters  in  Mecklenburg-Schwerin 
Von  H.  W.  Bärensprun»-.  Von  den  ersten  Spuren  theatralischer  Vor- 
stellungen bis  zum  Jahre  1835.  Schwerin  1837.  S.  7.  —  Vgl.  Gervinus  III,  118. 


38  Aufführungen  der  Alten 

berg  erlassene  „Ordnung-  der  latein.  oder  Particularschulen  und 
des  Pädagogiums  zu  Stuttgart"  erwartet  von  Terenz  viel  für 
den   Unterricht. ') 

In  Königsberg  treffen  wir  die  Aulularia  des  Plautus 
in  den  Jahren  1560  und  1599  aufgeführt;2)  Darstellungen  des 
Terenz  in  Breslau  im  Jahre  1562. 3) 

Der  Strassburger  Rektor  Job.  Sturm4)  (1538—1581)  er- 
innert sich,  im  Jahre  1565,  einer  Aufführung  des  Phormio  in 
der  Klosterschule  der  Hieronymianer  oder  Brüder  vom  gemein- 
samen Leben  zu  Lüttich,  wo  er  als  vierzehnjähriger  Jüngling 
im  Jahre  1521  den  Geta  spielte.  Seine  Anschauung  war,  dass 
schon  Tertianer  die  Komödien  des  Plautus  und  Terentius  auf- 
führen sollten.  5) 

Von  Aufführungen  aus  dem  Jahre  1567  am  Gymnasium  zu 
Regensburg  berichtet  Chr.  H.  Kleinstäuber:6)  „Schon  unter 
Osius  (von  1565  —  1568  Rektor)  wurden  1567  von  den  Schülern 
der  obersten  zwei  Klassen  zwei  Komödien  des  Terenz  und  dann 
eine  von  Plautus,  nachdem  sie  in  der  Schule  gelesen  und  er- 
klärt worden  waren ,  öffentlich  aufgeführt.  (Hieronymi  Osii 
Scriptum  continens  ceu  Oeconomiam  quandam  lectionum  et  exer- 
citationum.)  Dazu  taugliche  Jünglinge  mussten  die  Rollen  aus- 
wendig lernen  und  in  unterrichtsfreien  Stunden  einüben.  (Ibid.  L. 
3  b.)  Bisweilen  wurde  auch,  wenn  die  Scholarchen  die  Erlaubnis 
dazu  gaben,  eine  Tragödie  des  Seneka  oder  eines  andern  nicht 
klassischen  Dramatikers  vorgetragen.      (Ibid.  L.  4  a.)" 

Die  Anleitung  des  Osius  „De  comoediis  pvblicis  agendis" 
lautet:  „De  Comoedijs  dictum  est  supra,  requiri  ä  scholae  guber- 
natoribus,  vt  quotannis  duae  publice  exhibeantur,  sintque  eae  aut 
Terentianae  aut  Plautinae  fabulae.  Hac  etiam  in  re,  quantum 
fieri  potest,  propter  multiplicem  vtilitatem,  quam  haec  res  affert 
studiosis  linguae  latinae ,  scholae  praefectis  morem  geremus. 
Instituetur    autem    res    hoc    modo:    Comoediam    publice    agendam 


')  Vgl.  Johannes  Kepler.  Von  Dr.  Edm.  Eeitlinger.  Stuttg. 
1868.    Bd.  I.    S.  52. 

2)  Gödeke  a.  a.  0.    Einl.  p.  XXXII.  —  Hagen.    S.  32. 

3)  „Die  erste  Erwähnung  einer  biblischen  Komödie  [in  Breslau] 
findet  sich  bei  Nicol.  Pol,  der  zum  Jahre  1562  erzählt,  dass  das  neu 
erbaute  Elisabetan  mit  einem  deutschen  Stücke,  Abel  und  Kain,  und 
einem  lateinischen  aus  dem  Tereuz  eingeweiht  worden  sei."  Palm,  Dr.  H. 
Beiträge  zur  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  des  sechszehnten  und 
siebenzehnten  Jahrhunderts.    (Breslau  1877.)    S.  119. 

4)  La  vie  et  les  travaux  de  Jean  Sturm.    (Strasb.  1855.) 

•')  Koch,  Schul,  priv.    S.  91  und  Eeitlinger,  Kepler.    I,  92. 

6)  Ausführliche  Geschichte  der  Studienanstalt  in  Regensburg 
(1538—1880)  auf  Seite  1—152  des  XXXV.  und  S.  1—142  des  XXXVI. 
Bandes  der  „Verhandlungen  des  Historischen  Vereines  von  Oberpfalz 
und  Regensburg".    (Stadtamhof  1880.)    S.  141. 


in  Breslau,  Regensburg,  Basel  u.  s.  w.  39 

etiam  ante,  quam  integra  enarrata  &  exposita  fuerit,  personis 
idoneis  exacte  ediscendam  proponemus,  vt  ita  eö  firmius  earum 
memoria  haereat,  cum  prius  edidieerint  &  publice  interpretationein 
ipsarum  audiuerint  adolescentes.  Illud  enim  ita  se  habere,  sclio- 
lasticis  experientia  ostendet.  Non  autem  nisi  diebus,  quibus 
alias  cessant  publica  studia,  ad  actionem  publicam  priuatim  agendo 
fabulas  personati  adolescentes  praeparabuntur,  ne  occasionem  buic 
summant  alia  studia  temere  negligi." 

Die  kursächsiscbe  Schulordnung  verordnet  1580  die  alljähr- 
liche Aufführung  der  Komödien  des  Terenz  und  Plautus,1)  und 
noch  später  verordnete  Kurfürst  Christian  IL  (1601 — 1611) 
eine  zweimalige  Aufführung  im  Jahre,  doch  privatim  und  ohne 
Verkleidung.  (Schulordnung  Cap.  IX,  §  5.)  „Sie  sollten  die 
Komödien  aus  dem  Plautus  und  Terenz  wählen,  auch 
griechische,  damit  sie  ihnen  zur  Wiederholung  dessen  dienten, 
was  sie  in  den  Stunden  gehört  hatten. " 2)  —  Der  codex  latinus 
No.  578  der  Münchener  Staatsbibliothek  enthält  Plauti  Pseu- 
dolus,    exhibita  Ingolstadii   a.    1589. 

In  Basel  begegnen  wir  im  Jahre  1589  Aufführungen  des 
Terenz  nach  dem  Schulplan  unter  dem  Rektor  Beat  Heel.  Am 
7.  August  1592  hatte  eine  solche  statt;  es  wurde  auf  einer  über 
dem  Garten  des  Gymnasiums  errichteten  Bühne  gespielt. 3)  —  Anno 
1569  nach  Vollendung  zweier  Doktorpromotionen  spielte  man  die 
Aulularia  des  Plautus.4) 

In  Coburg  treffen  wir  im  Jahre  1599  den  Pseudolus.  „Da 
es  den  11.  Mai  (1599)  am  Gregoriusfeste  sehr  geregnet,  habe  der 
Rektor  auf  dem  Rathaus  pseudolum  Plauti  (der  Betrüger)  ein 
Lustspiel  des  Plautus  achieret  u.  s.  w.,  und  seien  ihm  5  fl.  ver- 
ehret worden. "  5) 

Am  Mittwoch  den  9.  Oktober  1583  wurde  das  neue  Theater 
in  Strassburg  mit  einer  (nicht  genannten)  Komödie  des  Plau- 
tus eingeweiht;6)  i.  J.  1608  wurde  dort  der  Amphitruo  gespielt,7) 

Im     Ottoneum     zu     Kassel     wurden     Nachahmungen     des 


')  Hase,  Pas  geistliche  Schauspiel.  S.  114.  —  K.  Schmidt,  Gesch. 
der  Pädagogik.    2.  Aufl.  (1870.)    HI,  136. 

-)  Versuch  einer  vollständigen  Geschichte  der  Chursächsischen 
Fürsten-  und  Landschule  zu  Meissen  von  Joh.  Aug\  Müller.  Leinzio- 
1787.    I.  Bd.    S.  53.  l    ° 

3)  Lib.  director.  Acad.  Basil.  Msk.  in  Beiträge  zur  Gesch.  von  Basel. 
I,  199. 

')  Wurstisisches  Diarium.    Msk.    Ebenda.    I,  201. 

5)  Das  herzogliche  S.  Hoftheater  zu  Coburg-Gotha.  Am  1.  Juni  1877, 
dem  Tage  des  fünfzigjährigen  Bestehens.    (S.  9.) 

li)  .Tun  dt  a.  a.  O.    S.  32. 

7)  Jundt  a.  a.  0.    S.  44. 


40  Aufführungen  der  Alten 

Terenz,    ja    sogar  die  Antigone  des  Sophokles  griechisch, 
gespielt. '  i 

Die  Geschichte  der  Stadt  Blinzlau  (zweiter  Band,  1787)  be- 
richtet von  verschiedenen  theatralischen  Aufführungen,  darunter  am 
21.  September  1612,  dass  „eine  lateinische  Komödie  aus  dem  Te- 
renz, ingleichen  eine  deutsche  von  einem  Grosssprecher  handelnde 
agiert  worden  vom  rector  seholae   et  factore  Val.  Senftleben. "2) 

Im  Jahre  1624  spielte  man  in  Nürnberg  die  Aulularia 
des  Plautus  und  die  Adelphi  des  Terenz;3)  aus  1618  führt 
Will*)  Menächmen  an. 

Weniger  freundlich  nahm  man  eine  am  10.  September  1629 
von  den  Schülern  des  Berlinischen  Gymnasiums  gespielte 
Komödie  auf.  Ein  kurfürstlicher  Erlass  sprach  seinen  Tadel  aus, 
welcher  sogar  den  Magistrat,  der  den  Saal  dazu  lieh,  traf.  Welches 
Stück  dies  war,   ist  allerdings  nicht   bekannt.5) 

Alsbald  nach  den  ernsten,  schweren  Zeiten  des  dreissig- 
jährigen  Krieges,  in  den  Jahren  1652  und  1660,  Hess  man  die 
Schüler  des  Frankfurter  Gymnasiums,  „um  die  ingenia  bei  der 
Schuljugend  zu  excolHren",  im  Schulhofe  lateinische  und  deutsche 
Komödien  aufführen.  6) 

Das  Münchener  Seminar  spielte  im  Jahre  1679  Chremes 
nach  Terenz.  Von  diesem  Stücke  sagt  das  Tagebuch,  „es 
habe  so  grosses  Aufsehen  erregt,  dass  es  fünfmal  wiedergegeben 
und  auch  bei  Hof  aufgeführt  werden  musste,  worauf  der  Kurfürst 
den  Seminaristen  fünf  und  vierzig  Gulden  geschenkt  habe."7) 


')  Geschichte  des  Theaters  und  der  Musik  iu  Kassel  von  Lynker. 
1865.    S.  248. 

2)  Palm  a.  a.  0.    S.  1'24. 

3)  Nach  Mitteilung  des  Herrn  Dr.  K.  Traut  mann,  aus  dem  Nürn- 
berger Katsmanual,  Jahrgang  1624,  No.  7,  Fol.  2SA  (Sitzung  vom  22.  Sep- 
tember 1624):  „M.  Sophoniae  Hasenmuller  Ist  Zwor  erlaubt  mit  seinen 
diseipuln,  Aululariam  Plauti  vnd  Adelphos  Terentij  Zu  agiren,  doch  Jn 
einem  Priuathaus,  dabey  auch  befohlen  hiufuro  Niemand  Comoedias 
agirn  Zu  gestatten,  Er  kab  dann  Zuuor  dessen  erlaubnus  von  den  Herrn 
Scholarchen  erlaubt."  —  Über  die  Nürnberger  Schulkomödie,  deren  An- 
fänge sich  schon  in  den  ersten  Jahren  des  XVI.  Jahrhunderts  finden, 
vgl.  Genee,  Lehr-  und  Wander  jähre  des  deutschen  Schauspiels,  S.  124.  125. 

4)  Georg  Audr.  Will,  Bibliotheca  Norica  oder  Kritisches 
Verzeichnis  aller  Schriften,  welche  die  Stadt  Nürnberg  angehen  .  .  . 
Fünfter  Band  (Altdorf  1775).  S.  255:  „Menoechmi  M.  A.  Plauti  in 
publ.  theatrum  produeti  in  incl.  Nor.  Acad.  Alt.  Panegyri  XLII. 
Alt.  1618  (unter  21.  Scenica  S.  Dramatica). 

5)  A.  E.  Brachvogel,  Geschichte  des  königl.  Theaters  zu  Berlin. 
Berlin  1877.    S.  27. 

6)  Deutsches  Bürgertum  im  Mittelalter  von  Dr.  G.  L.  Kriegk. 
•Frankf.  1868.  (S.  436.)  —  (Vgl.  auch  Fichards  Abhandlungen  im  Frankf. 
Archiv,    LTL  131.) 

7)  Stubenvoll,  Geschichte  des  k.  Erziehungsinstitutes  für  Stu- 
dierende  in  München.    (München,  Lindauer  1874.)    S.  211. 


in  Bunzlau,  Nürnberg  u.  s.  w.  41 

Die  Chronik  des  Hoftheatei-s  zu  Hannover1)  berichtet:  ,.Die 
Lustspiele  des  Terentius  gelangten  natürlich  in  der  Original- 
sprache zur  Aufführung;  so  im  Jahre  1690  der  Phormio 
und  der  Eunuchus.  Letzteres  Stück  wurde  im  Saale  des 
städtischen  Kathauses  aufgeführt,  und  seit  der  Zeit  ist  dieser  Saal 
(der  nachher  unter  dem  Namen  Lotteriesaal  bekannte  Raum)  auch 
zu  andern  theatralischen  und  nichttheatralischen  Schaustellungen 
benützt  worden.  Der  Konrektor  der  Schule  war  auch  hier  noch 
immer  der  sachverständige  Leiter  des  Ganzen,  und  die  Schüler 
luden  den  Rat  der  Stadt,  die  Lehrer  und  sonstige  Respektsper- 
sonen in  eleganten  lateinischen  Versen  zu  ihren   Spielen  ein." 

Am  11.  März  1693  fand  in  Rudolstadt  eine  Aufführung 
der  Andria  statt.  Siehe  bei  Gottsched  (II,  261):  „Einladung  zu 
dem  terentianischen  Freudenspiel,  Andria  genannt,  welches 
nebst  andern  Instigen  Aufzügen,  auf  des  hochgb.  Grafen  zu  Ru- 
dolstadt Geburtstag  den  11.  Mart.  auf  dem  dazu  bereiteten  Sehul- 
theater  nachmittags  um  2  Uhr  wird  vorgestellet  werden  von  M. 
Job.   Ernst  Müllern,   Conr."      (Rudolstadt  bei  Löwen  in  4°.) 

Samuel  Chappuzeau  (1625  — 1701)  wohnte  manchen  la- 
teinischen Aufführungen  bei,  von  denen  er  erzählt:2)  Aussi  voyons 
nous  qu'ils  ne  sont  pas  tous  bannis  de  nos  Colleges,  oü  i'ay  veu 
representer  des  ouurages  de  Piaute  &  de  Ter e nee  aussi  bien 
que  de  Seneque  .  .  .  Dans  les  premiers  on  ne  parle  que  Latin  .  .  . 
mais  le  Latin  est  entendu  &  des  Acteurs  &  des  Spectateurs. 

Diese  wenigen  Beispiele  mögen  zeigen,  wie  in  allen  Städten, 
wo  eine  Universität,  ein  Lyzeum  oder  Gymnasium,  eine  Aka- 
demie u.  dgl.  war,  die  Stücke  der  lateinischen  Komiker  gespielt 
wurden.  3) 

In  seltsamer  Weise  hat  zunächst  die  Andria  des  Terenz 
eine  Behandlung  erfahren  in  dem  Buche:  „Terenz  zum  Lehr- 
buch für  Schauspieldichter  und  Schauspieler  mit  Donats  Commen- 
tar  übersetzt  und  mit  eigenen  Anmerkungen  begleitet."  (St. 
Petersburg  bei  Logan.  1782.  Erster  Band.)  Der  ziemlich  stark 
selbstbewusste  Verfasser  stellt  in  der  Vorrede  auch  einen  ähnlich  ver- 
ballhornten Plautus  in  Aussicht.  Der  an  sich  schon  eigenartigen 
Behandlung  der  Andria  ('210  S.)  sind  Auszüge  für  den  Dichter, 
den   Schauspieler  u.  dgl.  beigegeben. 

Wo  wir  später,  ja  selbst  noch  in  unserm  Jahrhundert, 
antiken    Komödien     begegnen,      werden    sie     zwar     in    deutscher 


')  Müller,  Chronik  des  Hoftheaters  zu  Hannover.  (Hann.  1876.)  S.  2. 

2)  Le  theätre  Erancais  par  Samuel  Chappuzeau,  aecompagne 
d'une  preface  et  de  notes  par  Georges  Monval.   (Paris  1875.)   S.  27.  28. 

3)  Wie  die  Jesuiten  seihst  in  protestantischen  Städten  noch  spät 
diese  Schulstücke  pflegten,  s.  bei  J.  F.  Hautz.  Geschichte  der  Universität 
Heidelberg.    Mannheim  1863.    II,  237  ff. 


42  Goethes  Teilnahme  an 

Sprache  gespielt,  zielen  aber  auf  ein  gelehrtes,  zum  mindesten 
sehr  gewähltes  Publikum  ab.  Franz  Romanus  (1731  — 1787) 
verbreitete  die  „Brüder"  des  Terenz  über  die  deutsche  Bühne. x) 
Über  acht  bis  neun  Aufführungen  des  terentianischen  Stückes 
berichtet  auch  J.  D.  Falk.-')  Grüner  in  Darmstadt  hat  „das 
nicht  sehr  gelehrige  Parterre  bis  zu  Terenz  und  Holberg  ge- 
führt." 3)  Vor  allem  aber  zeigte  sich  Goethes  nicht  ermüdende 
Teilnahme  für  die  Alten,  zunächt  für  Plautus  und  Terenz,  in 
wiederholten  Vorstellungen  des  Weimarischen  Theaters.4)  A.  W. 
von  Schlegel  berichtet  hiervon:5)  „Ich  habe  einer  Vorstellung 
der  Brüder  des  Terenz  ganz  im  antiken  Kostüme  in  Weimar 
beigewohnt,  die  unter  Goethes  Leitung  einen  wahrhaft  attischen 
Abend  gewährte. "  6) 

Am  24.  Oktober  1801  wurden  in  Weimar  „Die  Brüder" 
des  Terenz  in  der  Bearbeitung  des  Kammerherrn  von  Ein- 
sie del  und    zwar   in  Masken    aufgeführt:7)    derselbe  Kammerherr 


')  Vgl.  Lessing,  Hamburg.  Dramaturgie.    (96 — 101  Stück.) 
'2)  Kleine  Abhandlungen,  die  Poesie  u.  Kunst  betreffend.    (Weimar, 
Hoffmann  1803.)    S.  114. 

3)  Gervinus.    V,  619. 

4)  Dr.  E.  AV.  Weber,  Zur  Geschichte  des  Weimarischen  Theaters. 
Weimar  .(H.  Bchlau)  1865. 

5)  Über  dramatische  Kunst  und  Litteratur.     Siebente  Vorlesung. 

6)  Vgl.  Gervinus.    V,  620. 

7)  Weber  a.  a.  0.  (S.  56.)  Die  grosse  Liebe  Goethes  für  das  Alter- 
tum, dessen  einfachen  und  geläuterten  Geschmack  er  damals  hinzustellen 
und  weiter  zu  verbreiten  suchte,  sowie  sein  Bestreben,  die  Schai^ieler 
in  ihrer  Kunst  zu  fordern,  sollten  den  Zuschauern,  besonders  dem  ge- 
bildeten Teile  derselben,  einen  Begriff  von  dem  Maskenspiel  der  Alten 
geben  und  den  Schauspieler  dahin  führen,  dass  er  den  darzustellenden 
Charakter,  der  sich  in  der  Maske  aussprach,  in  seinem  Spiele  völlig  aus- 
füllte. Es  war  dies  eine  Folge  von  der  idealen  Lichtung,  welche  die 
Bühne  genommen  hatte;  denn  die  Masken,  das  platte  Kopieren  der  Na- 
türlichkeit hindernd,  beförderten  die  Darstellung  der  idealen  Wahrheit. 
Auf  diese  Weise  sollte  das  Spiel  einen  Stil  gewinnen. 

Dieses  Stück,  wie  Goethe  sagt,  verlangte  eine  derbe,  charakte- 
ristische, sinnlich-künstliche  Darstellung.  Diese  wurde  auch  zum  Teil 
erreicht,  wenn  auch  nicht  das  erste  Mal,  doch  nach  und  nach,  da  es  in 
Weimar  neunmal  aufgeführt  wurde,  und  auswärts,  wie  in  Lauchstcdt. 
den  Hallensern  grosse  Freude  bereitete.  Voss  als  Micio,  ein  wohlhaben- 
der atheniensischer  Bürger,  stellte  in  seiner  Maske  einen  würdigen,  schon 
durch  äussere  Züge  imponierenden  Alten  dar  und  sprach  die  leicht- 
fliessenden  fünffüssigen  Jamben  in  Ruhe  und  edler  Haltung  vortrefflich. 
Demea,  dessen  Bruder,  ein  vermögender  Landmann,  von  seinem  Besitz 
in  die  Stadt  gekommen,  wurde  von  Malkolmi  in  einem  polternden  Tone, 
in  einem  eckigen  und  heftigen  Wesen,  welches  der  Stil  des  Ganzen  for- 
dert, gespielt.  Seinen  ältesten  Sohn  Aeschinus,  in  Pflege  bei  Micio,  gab 
Cordemann,  den  zweiten,  Ctesiphon,  spielte  Haide,  an  dem  zu  sehr  das 
Klagende  bemerkbar  war,  während  Aeschinus  etwas  Keckes  und  Muntres 
hatte.  Sostrata,  die  Mutter  der  Geliebten  von  Aeschinus,  war  Madame 
Teller,  ihre  Vertraute,  Canthara,  Demoiselle  Malkolmi.  Eine  Sklavin, 
Ctesiphons  Geliebte,   gab  Demoiselle  Götz,   kurz  und  leicht,   wie   eine 


Aufführungen  des  Plautus  und  Terenz.  43 

von  Einsiedel  bearbeitete  den  Eunuchen  unter  dem  Titel 
„Die  Mohrin",  als  welche  er  am  19.  Februar  1803  die  Bühne 
betrat.1)  Niemeyers  Andria2)  und  der  Heauton  timorume- 
nos3)  folgten  in  kurzer  Zeit. 

Am  23.  April  1806  wurden  „die  Gefangenen"  des  Plautus, 
von  Einsiedel  übersetzt,    gegeben  und  fanden  reichen  Beifall.4) 


Bakchantin  gekleidet,  mit  einem  Schleier  nach  griechischer  Sitte  um  das 
Haupt ;  die  weiblichen  Figuren  waren  ohne  Masken.  Die  beiden  Brüder 
erschienen  angezogen  wie  die  griechischen  Jünglinge  auf  den  alten  Mo- 
numenten. Der  Verwandte  und  Freund  von  Sostrata,  Hegio,  von  Graff 
dargestellt,  bildete  einen  schönen  Greisenkopf;  er  sprach  mit  Ruhe  und 
Anstand.  Heftiger  Natur  war  Geta,  der  Diener  Sostratas,  Schall;  den 
Sklavenhändler  Sannio  gab  Genast;  die  drei  Sklaven  Strato,  Dromo, 
Parmeno  wurden  von  Benda,  Ehlers  und  Eilenstein  gegeben.  Am  meisten 
trat  hervor  Becker  (vgl.  ebenda  S.  207)  als  Syrus,  der  Diener  des  Aschi- 
nus,  ein  lustiger  Bruder,  pfiffig  und  gefrässig,  mit  Hängebacken.  Das 
Stück  Hess  alle  die  kalt,  die  den  Terenz  nicht  kannten.  Masken  und 
Costüms  sind  in  der  Ausgabe  von  Einsiedel  angegeben. 

')  Weber  a.  a.  0.  (S.  80.)  Es  konnte  nur  umgeändert  auf  die 
Bühne  kommen;  Karl  August  verlangte  es,  (S.  Briefwechsel  zwischen 
Goethe  und  Schiller  No.  884.  Düntzers  Erläuterungen  S.  "259  unten.) 
„da  es  mit  unsern  Gewohnheiten  und  Begriffen  zu  sehr  iu  Widerspruch 
stehe,"  und  Einsiedel,  darauf  eingehend,  änderte  mit  Mühe,  wie  er  sich 
ausdrückt,  bis  „die  Mohrensklavin  ganz  weiss  gewaschen  war".  Aber 
trotz  der  Veränderungen  wollte  es  nicht  recht  gefallen,  und  doch  thaten 
die  Schauspieler  ihr  Möglichstes.  Malkolmi  gab  den  Laches,  einen  Alten, 
Cordemann  den  ältesten  Sohn  desselben,  Phädria,  den  Liebhaber  der 
Thais,  welche  Mad.  Miller  (Amalie  Malkolmi)  darstellte,  Unzelmann  den 
Chärea,  den  jüngsten  Sohn;  Haide  als  Thraso,  ein  reicher  Kriegsmann, 
Nebenbuhler  des  Phädria,  und  Becker  als  Gnatho,  des  Kriegsniannes 
Schmarotzer,  erhielten  ausgezeichneten  Beifall.  Parmeno,  der  Vertraute 
beider  Söhne,  wurde  von  Ehlers  mit  grosser  Gewandtheit  gegeben.  Auf 
seinen  Anschlag  kommt  Chärea  als  Mohrensklavin  verkleidet  in  das  Haus 
der  Thais  und  spinnt  dort  mit  der  Pamphila,  welche  Demoiselle  Götz 
darstellte,  einer  Mohrensklavin,  ein  Liebesverhältnis  an,  erhält  sie  dann 
zum  Weib,  da  sie  die  Schwester  des  Chremes,  eines  jungen  Mannes  von 
edler  Abkunft  ist  und  als  eine  Bürgerstochter  angesehen  wird.  In  Lauch- 
stedt  wurde  die  Mohrin  den  25.  Juli  gegeben. 

2)  Weber  a.  a.  0.  Zu  diesem  terenzischen  Stücke  kam  den  6.  Juni 
1803  Niemeyers  (Ed.  Genast,  1.  Teil,  142,  teilt  diese  Bearbeitung  dem 
Kammerherrn  von  Einsiedel  zu;  nach  dem  Briefwechsel  hatte  Niemeyer 
in  Halle  die  Fremde  aus  Andros  für  die  Weimarische  Bühne  bearbeitet. 
Briefwechsel  No.  903.  Düntzers  Erläuterungen  S.  245  unten,  253  u.  2G1) 
Schauspiel  in  fünf  Aufzügen  „Die  Fremde  aus  Andros"  als  Bearbeitung 
der  Andria  des  Terenz,  welche  auch  bald  darauf,  den  23.  Juni  in  Lauch- 
stedt  und  den  7.  September  in  Rudolstadt,  gegeben  ward,  ohne  Beifall 
zu  erlangen;  in  Weimar  kam  sie  noch  zweimal  vor.  (VgL.Gervinus  V,619.) 

3)  Weber  a.  a.  0.  Auch  der  Heauton  timorumenos  oder  der  Selbst- 
peiniger,  ein  Lustspiel  in  fünf  Aufzügen,  wurde  in  Weimar  später  ge- 
geben. Becker  spielte  in  der  Freunden  aus  Andros  den  Davus  und  in 
dem  Selbstpeiniger  den  Syrus  meisterhaft.  Dieser  kam  auch  iu  Lauch- 
stedt  auf  die  Bühne  und  in  Weimar  noch  zweimal.  Aber  keines  von 
diesen  Stücken  erhielt  die  Geltung  als  das,  was  zuerst  von  den  teren- 
zischen auf  die  Bühne  kam,  die  Brüder. 

4)  Ebenda.    S.  168. 


44  Neueste  Plautusaufführung 

Am  "20.  April  1807  erschien,  gleichfalls  in  Einsiedeis  Bearbei- 
tung, „Das  Gespenst1'  des  Plautus;  es  „gefiel  aber  wenig  und 
verschwand  wieder."1)  Am  (3.  Juni  1807  gab  die  Weimarer  Truppe 
in  Leipzig  „Die  Brüder"  in  Masken;  sie  „gefielen  aber  nicht  so 
wie  trüber  in  Lauchstedt,  den  Hallensern,  den  Studenten  und 
Professoren. "  - 1 

Am  9.  April  1866  erprobten  die  Adelphi  (in  Einsiedeis 
Bearbeitung)  als  Festvorstellung  für  die  Philologenversammlung 
ihre  dramatische  Kraft  an  der  Münchner  Hofbühne,  und  noch  in 
unsern  Tagen  finden  in  Meppen  regelmässige  Aufführungen  der 
Komödien  des  Terenz  und  einiger  des  Plautus  statt,3)  was 
Kobert   E.  Prutz  missbilligte.4) 

Von  einer  lateinischen  Aufführung  des  plautinischen  Tri- 
nummus  durch  Universitätsstudenten  zu  Berlin  am  17.  Februar 
1859  im  Konzertsaale  des  kgl.  Schauspielhauses  unter  Leitung  des 
um  Plautus  hochverdienten  Professors  Geppert  berichtet  Koch:') 
„Das  sehr  zahlreiche,  aus  der  Elite  der  gebildeten  männlichen  Be- 
völkerung zusammengesetzte  Publikum  folgte  der  in  fast  allen 
Teilen  höchst  gelungenen  Darstellung  mit  gespanntester  Auf- 
merksamkeit und  äusserte  vielfach  seine  Zufriedenheit:  nament- 
lich erweckten  die  Figuren  des  Sklaven  und  Sykophanten  viel 
Interesse. " 

Dem  Vorbilde  der  Berliner  Studenten  folgten  sogar  ameri- 
kanische Damen.  Die  Ladies'  Literary  Society  of  Wa- 
shington University  in  St.  Louis  führte  am  23.  Mai  1884 
den  Rudens  des  Plautus  in  lateinischer  Sprache  in  Memo- 
rial Hall   auf,6)   wobei  auch  englische  Übersetzungen  ausgegeben 

>)  Weber  a.  a.  0.    S.  179. 

-)  Ebenda.    S.  193. 

3)  Francke  a.  a.  0.  S.  32.  —  Jährest) er icbt  über  das  Gymnasium 
31  eppen  1870. 

')  Vorlesungen  über  die  Gesctffbhte  des  deutschen  Theaters  (Ber- 
lin 1847),  S.  121:  „Ja.  und  was  spreche  ich  von  der  Vergangenheit?!  da 
ja  in  diesen  allerjüngsten  Tagen,  in  dem  Augenblick  beinahe,  da  ich 
dies  ausspreche,  iu  der  berühmten  Metropole  deutscher  Bildung,  zu  an- 
dern! Schutt  und  (Irans,  den  man  hier  ausgräbt,  auch  die  akademischen 
Aufführungen  des  Terenz,  des  Plautus  u.  s.  w.  in  der  That  ausgegraben 
w  orden  sind." 

5)  Schob  priv.    S.  86. 

'■)  Die  Notiz  verdanke  ich  der  freundlichen  Mitteilung  des  Profes- 
sors der  romanischen  Sprachen  der  Johns  Hopkins  University  zu  Balti- 
more, Herrn  A.  M.  Elliot.  Den  mir  zur  Verfügung  gestellten  Zeitungs- 
ausschnitten zufolge  galt  die  Aufführung  als  Ereignis.  Alle  Bollen 
wurden  von  Damen  gespielt:  (Daemones  —  M.  Jennie  Henderson; 
Plesidippus  —  M.  Lizzie  Carr;  Labrax  —  M.  Ella  Smith;  Charmides  — 
M.  Mary  Ittner;  Palaestra  —  M.  Anna  Chandler  (auch  als  Arctu- 
rus):  Ampelisca  —  M.  Callie  Curtis:  Grripus  —  M.  Delpha  Dowler; 
Trachalio  —  M.  Katie  Arner.)  Der  Post-Dispatch  betitelt  seinen 
eilenden  Artikel:   A  strong  success  —  the  large  audience  delighted 


von  amerikanischen  Damen.  45 

wurden.1)  —  Auf  diese  Weise  beschäftigten  sich  Jahrhunderte  damit, 
die  alten  Komiker  auf  die  Bühne  zu  bringen.  Bei  dem  lebhaften 
Interesse,  das  man  dem  römischen  Lustspiele  entgegen- 
brachte, ist  es  selbstverständlich,  dass  man  nicht  bei 
der  blossen  Aufführung  und  Übersetzung  stehen  blieb; 
man  ahmte  es  vielmehr  überall  nach,  teils  zu  blossen 
Schulzwecken,  teils  auch,  um  wirklich  neue  Dich- 
tungen zu  schaffen;  und  wenn  nun  auch  zugestanden  werden 
muss,  dass  an  Stelle  dieser  Verskünsteleien  Dichtungen  in  der 
Muttersprache  von  ungleich  höherem  Werte  gewesen  wären,  so  ist 
doch  unbestreitbar,  dass  diese  Imitationen  wenigstens  auf  die 
Form  von  sehr  günstigem  Einflüsse  waren,-)  oft  auch  den 
ganzen    Charakter    des    Stückes     bestimmten. 3)        ..Erst     seit     der 


—  English  accentuation  —  Costums  and  details  almost  perfect  —  The 
actors  in  love  with  their  work  —  A  pleasing  surprising;  und  beginnt: 
„The  great  success  which  attended  the  presentation  of  Plautus'  comedy, 
.Rudens',  last  night  at  the  Memorial  Hall  indicates  beyond  doubt  that 
there  is  to  be  a  renaissance  of  the  Latin  drama,  and  that  St.  Louis  is 
to  be  its  chief  theater.  The  talent  is  here,  the  culture  is  here,  and  the 
interest  is  here,  and  nothing  more  is  necessary  to  an  assurance  that 
here  after  the  Latin  drama  will  be  a  principal  among  the  inany  forrns 
of  intellectual  recreation  which  the  more  scholarly.  of  St.  Louisians  in- 
dulge  in."  Auch  der  Eepublican  spricht  von  einem  „success  hardly 
anticipated  by  the  projectors  of  the  idea"  und  glaubt  „The  play  will 
undoubtedly  give  the  classics  a  boom  when  they  are  presented  in  all 
their  beauty  by  such  an  array  of  beauty  as  graced  the  stage  at  Memo- 
rial Hall".  Gerne  aber  glauben  wir  dem  Globe-Democrate:  „Only  a 
small  number  of  the  audience  could  understand  the  lines."  Doch  aber 
findet  er:  „Some  of  the  Latin  phrases  were  very  pretty  and  had  a  deci- 
dedly  musical  ring  to  even  those  unfarniliar  with  the  beauties  of  that 
tongue."  — ■  Die  Szene  war  für  das  ganze  Stück  die  Seeküste  mit  dem 
Altar  der  Venus.  Prof.  Jackson  war  derjenige,  welcher  mit  den  Damen 
das  Stück  einstudierte. 

J)  Rudens :  A  Comedy.  As  represented  in  the  original  Latin,  by  the 
Ladies'  Literary  Society  of  Washington  University,  May,  23,  1884.  Trans- 
lated  by  Members  of  the  Society.  St.  Louis:  Nixon -Jones  Printing  Co. 
1884.  (44  Seiten.)  Der  Prolog  ist  in  ungereimten  Versen,  das  Stück 
in  Prosa. 

2)  Jundt  a.  a.  0.  S.  5.  „Akte,  Prolog,  Epilog  waren  von  den  Rö- 
mern" (u.  S.  57).  —  E.  Riedel,  Schuldrama  u.  Theater.  (Hamb.  Voss  1885.) 

3)  Jundt,  a.  a.  0.,  giebt  Beispiele  dieses  Einflusses.  (S.  54.)  Der 
Messias  in  der  Krippe  des  Georg  Calaminus  hat  die  Diener  Dromo, 
Congrio,  Philergus,  Syrus,  Soscia,  Parmeno  .  .  .  nach  Plautus 
und  Terenz.  (S.  5(5.)  Einen  echt  römischen  Charakter  tragen  an  sicli  dir 
drei  Komödien  Anabion  sive  Lazarus  redivivus  (1541)  des  Joh.  Sapidus 
(Witz)  (1520— 1526  Rektor  in  Schlettstatt,  gest.  1561);  Nabal  des  Ru.l. 
Walther  (1562)  und  Plagrum,  der  Prinzenraub  von  Dan.  Cramer  (1605). 

—  Eine  jede  beginnt  mit  einem  Prolog  nach  plautinisch-terenzischer 
Art.  Im  Lazarus  ist  der  Prolog  eine  Verteidigungsrede  des  Dichters 
wider  seine  mürrischen  Gegner,  wie  dies  durchgängig  auch  der  Fall  ist: 
in  den  beiden  andern  Stücken  hat  er  einen  mein'  plautinischen  Zuschnitt 
und  besteht  aus  einer  spasshai'ten  Ansprache  an  das  Publikum  .  .  .  Der 
Prolog  zum  Nabal  steht  mit  dem  der  Captivi  in  Beziehung  u.  s.  w.  — 


46  Lateinische  Schulkoniödien. 

Übersetzung  des  Terenz,-'  sagt  Gervinus,1)  „treffen  wir  in 
Deutschland  ordentlich  in  Akte  und  Szenen  abgeteilte  Stücke. "  2) 
Lebhaft  war  die  Beteiligung  der  Gelehrten  an  diesen 
Schulkomödien.  Konrad  Celtis  (geb.  1.  Febr.  1459,  gest. 
1508) 3)  dichtete  solche  lateinische  Stücke;4)  berühmt  geworden 
sind  Reuchlins  progymnasmata  scenica  (z.  B.  Sergius,  Henno), 
von  denen  Gottsched5)  ausführlich  handelt.  In  wie  hohen 
Ehren  Reue  hl  in  ob  seiner  Dichtungen  stand,  bezeugt  die  Pane- 
gyris  des  Jacobi  Dracontii  Praemonstratensis,    in  welcher  es  heisst: 

Primus  adest  Reuchlin  nostris  &  solus  in  orbe, 

Qui  parat  ad  theatruni  iam  nova  plectra  novum. 

Demissum  superis  nobis  hunc  censeo  Vatem 

Quo  comicam  stupida  coepimus  aure  lyrani, 

Dictam  Caecilii  dignam  Plautive  Cothurno. 

Schon  vor  und  mit  Reuchlin  hatten  Schulen  und  Universi- 
täten lateinische  Stücke  aufgeführt;6)  später  folgten  Jakob 
Locher,  genannt  Philomusus7)  (De  sene  amatore,  filio  corrupto 
et  dotata  muliere8);  de  Turcis  et  Suldano;  de  iudicio  Paridis), 
H.  Bebel,  Hegendorf,  Melanthon,  Nikol.  Frischlin  u.  v.  a., 
die  einen  grossen  Einfluss    auf  die  deutschen  Dramen  ausübten.9) 

Einzelne  Stücke,  z.  B.  des  bereits  genannten  Schon aeus 
Tobaeus,  wurden  auch  wieder  ins  Deutsche  übersetzt:  Tobaeus, 
das  ist  eine  schöne  nützliche  vnd  biblische  Comödia  von  dem 
heiligen  und  Gottfürchtigen  Mann  Tobaeo:  Erstlich  Terentiano 
Stylo  lateinisch    beschrieben,    durch   Cornelum   Schon aeum  Gou- 


Man  vergleiche  auch  des  Joan.  Burmeister  Plauti  renati  s.  sacri  Mater 
virgo  (1621)  als  Beweis  dieses  Einflusses. 
!)  Gesch.  d.  d.  L.    II,  604. 

2)  Wie  sehr  die  römische  Komödie  in  der  Form  die  Schulkomödie 
beinflusste,  zeigt  unter  anderm  auch  das  von  Seuffert  (Schnorrs  Archiv, 
Tm.  Bd.  (1878  79),  S.  361—393)  veröffentlichte  Jesuiteudrama  Genovefa 
(1673).  Seuffert  vergleicht  u.  a.  mit  Becht  z.  B.  V.  420:  Et  ecce  Prin- 
ceps  ipse  prodit,  alloqmar,  mit  Amphitruo  V.  881,  nunc  hanc  allo- 
quar,  das  auf  die  nächste  Szene  überleitende  Schlusswort  alloquar. 
(S.  362.) 

3)  C.  Zell,  De  vita  et  scriptis  Conradi  Celtis.  Friburgi  1827.  — 
Aschbach,   Geschichte   der  Wiener  Universität.     (Wien  1877.)    II,  189. 

4)  R.  v.  Raum  er,  Geschichte  der  germanischen  Philologie,  vor- 
zugsweise in  Deutschland.    (München  1870.)    S.  14. 

5)  Nöth.  Vorr.  14,  142—166,  wo  auch  Reuchlins  Henno  (1498), 
den  Hans  Sachs  deutsch  gab,  abgedruckt  sich  findet.  — ■  Vgl.  Johann 
Reuchlin.  sein  Leben  und  seine  Werke  von  Dr.  Ludwig  Geiger. 
Lpz.  1871.    S.  78-92. 

6)  Vgl.  oben  S.  35:  Boioarii  comoediae  u.  s.  w. 

')  Zapf,  Jakob  Locher,  genannt  Philomusus.  Nürnberg  1803.  — 
Allgemeine  deutsche  Biographie  1884.    (S.  59—63,  Heft  91.) 

8)  Siehe  unter  Asinaria.  —  Gottsched,  Nöth.  Vorr.    II,  170. 
3)  Siehe  Palm  a.  a.  0.    S.  51.  52. 


Lateinische  Schulkornödien.  47 

daimm,  Gymnasiarcham  scholae  Harlemensis,  jetzo  aber  in  Teutsche 
Rhytlimos  vertiert  und  mit  wenigen  vermehrt  durch  den  Edlen 
vnd  Ehrenuesten  Bartliold  von  Gadensted.  (Gedr.  durch  Joh. 
In  verl.  Ambr.  Kirchners    1605   in   80.)1) 

Einige  dieser  lateinischen  Dichter  gelangten  zu  hoher  Aner- 
kennung. Wimpfelings  (geb.  27.  Juli  1450,  gest.  17.  Nov. 
1528)  „Stilpho"  ist  allbekannt;2)  es  ist  eine  Nachahmung  des 
Terenz. 3) 

Ein  gefeierter  Imitator  der  Alten  war  Christoph  Hegen- 
dorf, dessen  1520  erschienene  Comoedia  nova  Christophori 
Hegend orffini  salibus  non  omnino  insulsis  refertissima  Lipsiae 
non  raro  in  doctissimorum  virorum  corona  acta,  obwohl  sie  in 
Prosa  geschrieben  ist,  nach  Gottsched4)  „eine  starke  Nachah- 
mung des  Terenz"  ist;  „ja  sogar  die  Fabel  ist  der  Hecyra 
dieses  Dichters  gewissermassen  ähnlich." 

Von  nicht  minderem  Einflüsse  war  Paul  Rebhun.  Er  ver- 
fasste  u.  a.  im  Jahre  1545  „Latine  dicendi  formulae  ad  infor- 
mandam  puerilem  linguam  ex  Terentio  collectae  per  Paulum 
Perdicem,  die  aber  erst  1580  in  Görlitz  gedruckt  wurden.5) 
Sein  Hauptverdienst  bestand  zunächst  darin,  dass  er  auf  Wechsel 
des  Metrums  drang,  „wobei  ihn  nicht  bloss  sein  richtiges  Gefühl, 
sondern  auch  das  Vorbild  der  wechselnden  Metra  des  Plautus 
und  Terenz  leiteten."6) 

In  Strassburg  erreichte  die  lateinische  Schulkomödie  ihren 
Höhepunkt.  Hier  war  Terenz,  Plautus  und  die  Griechen 
ständig.7)  „Die  ältesten  theatralischen  Darstellungen  (zu  Strass- 
burg) im  sechszehnten  Jahrhundert  waren  nichts  anderes  als 
akademische  Spiele,  historische,  geistliche  oder  Gelegenheitsstücke 
und  griechische  oder  lateinische  Komödien  aus  den  Klassikern. 
Die  Vorstellungen  fanden  viele  Jahre  lang  unter  freiem  Himmel 
auf  dem  sogenannten  Grasboden  vor  dem  Gymnasium  oder  dem 
Wilhelmitanerkloster  statt  unter  den  Benennungen  dramata  thea- 
tralia,  actiones  comicae  oder  tragicae,  comoediae  academicae.  Es 
befindet  sich  auf  der  Stadtbibliothek  eine  Sammlung:  von  mehreren 


1)  Gottsched,  Nöth.  Vorr.    I,  157. 

2)  Stilpho  Jacobi  Vymphelingii  Sletstadini.  1495.  —  Ch.  Schmidt. 
Histoire  litteraire  de  l'Alsace  ä  la  fin  du  XVe  et  au  commencement  du 
XVIe  siecle.    2  voll.    (Paris  1879.)    I,  168. 

3)  P.  v.  Wiskowatoff,  Jakob  Wimpfeling.  Berlin  1867.  — Schuorrs 
Archiv.  VII.  (1878.)  S.  157—163.  Jakob  Wimpfelings  Stylpho  von 
Gödeke,  ebenda  S.  164  — 176.  —  Jakob  Wimpfeling  als  deutscher 
Schriftsteller.  (Vgl.  auch  II.  321—389.)  -  Schröder,  Das  Wiederauf- 
blüheu  der  klass.  Studien.    Halle  1864.    S.  88—97. 

'•)  Nöth.  Vorr.    II,  174. 

5)  Palm  a.  a.  0.    S.  88. 

6)  Ebenda.    S.  95. 

7)  Jundt  a.  a.  O.    S.  17. 


48  Die  alten  Komiker  in  Italien. 

Bänden  solcher  Theaterstücke,  die  zu  Strassburg  herauskamen 
und   gespielt    wurden.-'1) 

Auch  der  lateinische  Lyriker  Jacobus  Bälde  (1603  — 1668) 
hat  Lustspiele  im  Stile  des  Plautus  und  Terenz  verfasst, 
die  zwar  nicht  auf  uns  gekommen  sind,  vom  Dichter  jedoch  er- 
wähnt  werden. 2) 

Der  Lehrer  Franz  L,  Quinziano  Stoa,  Arerfasste  vierzehn 
Tragödien  weltlichen  Inhalts  in  klassischer  Form  und  lateinischer 
Sprache. 3)  Obwohl  diese  lateinischen  Spiele  von  den  deutschen 
Hochschulen  ihren  Ausgang  genommen  zu  haben  scheinen, 4)  lin- 
den Avir  sie  doch  bei  allen  Völkern  mit  humanistischen  Stu- 
dien. Wie  in  Italien  und  Frankreich,  so  spielte  man  auch  in 
England  an  den  Akademien  lateinische  Stücke.  War  ton5)  be- 
merkt: At  length  our  universities  adopted  the  representation  of 
plays,  in  which  the  scholars  by  frequent  exercice  had  undoubtely 
attained  a  considerable  degree  of  skill  and  address.  So  waren 
besonders  die  Schüler  des  St.  John  College  in  Oxford  wegen 
ihrer  lateinischen  Kenntnisse  berühmt.6) 


Überblicken  wir  den  Gang,  Avelchen  die  Nachahmungen  und 
die  Bearbeitungen  der  plautinischen  und  terentianischen  Komö- 
dien bei  den  verschiedenen  Kulturvölkern  genommen  haben,  so 
ist  es  billig,  bei  Italien  zu  beginnen.  Hingen  doch  die  Italiener 
der    klassischen    Sprache7)    und  Litteratur    mit    gänzlich    anderen, 

')  J.  F.  Lob  stein,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Musik  im  Elsass 
und  besonders  in  Strassburg.     (Strassb.  1840.) 

2)  G.  Westermayer,  Jakobus  Bälde,  sein  Leben  und  seine  Werke. 
München  (Lindauer)  1868.     S.  239. 

3)  Prölss.    II,  1.    S.  15. 

4)  Ernest  Boysse  (le  theätre  des  jesuites,  Paris  1880)  sagt  S.  11: 
La  tragedie  latine  n'apparait  qu'au  commencement  du  XVIe  siecle.  Si 
l'on  juge  par  la  date  de  Pimpression  des  recueils,  c'est  dans  les  uni- 
versites  d'Allemagne  qu'elle  se  montre  d'abord.  —  Vgl.  Mon- 
taigne, Essais  I,  25. 

5)  Hist.  of  Engl.  litt.  III,  305. 
c)  Ebenda.    IV,  249. 

7)  Storia  della  litteratura  italiana  di  Adolfo  Bartoli  (Firenze, 
Sansoni  1880).  III.  vol.  pag.  7:  II  latino  si  considerava  in  Italia  come 
in  casa  sua  propria ;  .  .  .  il  latino  era  per  gl'  Italiani  lingua  nazionale,  e 
per  conseguenza  erasi  come  legato  non  all'  uso  soltanto,  ma  al  senti- 
mento  degl'  Italiani;  c'  era  questo  gran  fatto  che  scrivendo  latiuo,  i  nostri 
padri  si  ricordavano  di  essere  stati  i  padroni  del  mondo,  e  quindi  ama- 
vano  quella  lingua  perche  la  sentivano  come  cosa  che  faceva  parte  della 
loro  vita  nazionale  e  non  sapevano  distaccarsene;  ed  avendo  pure  oramai 
smarrita  tutta  o  gran  parte  della  civiltä  che  era  da  quella  lingua  rap- 
presentata,  si  afferravano  alle  parole,  si  tenevano  strettamente  abbrac- 
ciati  ail  im  poATero  segno,  senza  accorgersi  ch'  esso  era  vuoto,,  e  che  1'  idea 
che  giä  rap]n'esentaA-a  era  irrevocabilmeute  fuggita  dalla  terra  italiana. 


Die  alten  Komiker  in  Italien.  49 

ungleich  wärmeren  Gefühlen  an,  als  alle  übrigen  Nationen.  Denn 
sie  sahen  in  ihrer  Litteratur  nichts  anderes,  als  die  Weiterent- 
wicklung der  altklassischen.  Sie  hatten  zu  einer  gewissen 
Zeit  wenig  Auswahl,   und  so  griff  man  zum  Klassischen.1) 

In  richtiger  Weise  deutet  auch  Räumer-)  darauf  hin.:« 
„Schon  oft  hat  man  auf  eine  wesentliche  Verschiedenheit 
zwischen  der  Wiederbelebung  des  klassischen  Altertums  in  Italien 
und  in  Deutschland  hingewiesen.  Man  fand  diese  Verschieden- 
heit mit  Recht  darin,  dass  sich  in  Deutschland  mit  der  Wieder- 
belebung des  klassischen  Altertums  die  Richtung  auf  das  vollere 
Verständnis  und  die  unmittelbare  Aneignung  der  Bibel  und  auf 
die  Erneuerung  der  Kirche  verband,  während  in  Italien  das 
biblisch-christliche  Element  den  meisten  Vertretern  des  Humanis- 
mus sehr  fern  liegt  und  nur  in  ganz  vereinzeinten  Erscheinungen 
zu  Tage  tritt.  Neben  diesem  schon  oft  besprochenen  Unterschied 
aber  giebt  es  einen  zweiten,"  der  bisher  noch  nicht  genug  hervor- 
gehoben worden  ist.  Als  die  antiken  Klassiker  im  vier- 
zehnten und  fünfzehnten  Jahrhundert  in  Italien  ihre 
Auferstehung  feierten,  betrachteten  sich  die  Italiener 
als  die  geraden  Nachkommen  der  alten  Römer.  Sie 
sahen  die  Werke  der  grossen  Alten  als  einen  Teil  ihrer 
eigenen  Litteratur  an,  der  nur  durch  die  Ungunst  der 
Zeiten  in  Vergessenheit  geraten  war,  und  behandelten 
die  Thaten  der  antiken  Römer  als  die  ruhmreichste 
Seite  ihrer  eigenen  Geschichte." 

Ihre  Nachahmung  der  Alten  schloss  sich  darum  unmittel- 
bar an  diese  an.  Sie  „gingen  in  dieser  Gattung",  wie 
Schlegel3)  sagt,  „anfangs  von  einer  nicht  genugsam  auf  den 
Unterschied  der  Zeiten  und  Sitten  Rücksicht  nehmenden  Nach- 
ahmung der  Alten  aus." 

Leicht  erklärt  sich  aus  dem  allgemeinen  Zustande  Europas, 
zur  Zeit  der  Renaissance,  die  ungeheuere  Begeisterung  für  die 
alte  Welt.  Guizot4)  äussert  sich  treffend  hierüber:  „L'antiquite 
etait,  il  en  faut  convenir,  sous  le  rapport  politique,  philosophique, 
litteraire  tres-superieure  ä  l'Europe  des  XIVe  et  XVe  siecles.  II 
n'est  pas  donc  etonnant  qu'elle  ait  exerce  un  si  grand  empire. " 
Italien  schritt  in  seiner  Begeisterung  für  das  Altertum 
dem  übrigen  Europa  voran.  Hier  „begann  man  schon  frühe 
die    alten    Tragödien,    besondei'S    die    des    Seneka,    daneben    die 


')  F.  Gregorovius,  Lucrezia  Borgia.     Nach  Urkunden  und  Korre- 
spondenzen ihrer  eigenen  Zeit.     (Stuttgart  1874.)    2.  Bd.    I,  232. 

2)  Gesch.  der  germ.  Philol.    S.  5. 

3)  Über  dram.  Kunst  u.  Litt,     (Achte  Vorlesung.) 

'■)  Histoire   generale   de   la  civilisation  eu  Europe  par  M.  Guizot, 
Bruxelles.     Onzieme  lecon.    p.  277. 

4 


50  Ercole  I.  von  Ferrara. 

Lustspiele  des  Plautus  und  Terenz  in  der  Ursprache  aufzu- 
führen, bald  auch  zu  übersetzen  und  nachzubilden.  Nur  langsam 
drang'  diese  Sitte  nach  Frankreich  vor.  Populär  konnte  diese 
Dramendichtung  nicht  werden;  dem  grossen  Publikum  war  sie 
•unverständlich,  und  die  Aufführung  dieser  mehr  oder  weniger 
ängstlich  den  antiken  Vorbildern  sich  anschliessenden  Werke  blieb 
auf  Hoffeste    oder    auf  Schulen    und  Universitäten   beschränkt. "  l) 

Von  Italien  her  kam  der  Impuls  zu  Aufführungen 
des  Terenz.2)  In  Rom  wurden  die  lateinischen  Komiker  zuerst 
gespielt.3)  Am  thätigsten  für  sie  war  Pomponius  Latus,4)  und 
die  Päpste  sahen  gerne  diesen  Vorstellungen  zu. 5) 

Hervorragende  Verdienste  um  Plautus  hat  sich  besonders 
Ercole  I.  von  Ferrara  erworben.6)  Ihm  lag  unendlich  viel 
daran,  diese  Aufführungen  in  seiner  Residenz  mit  gleichem  Glänze 
zu  sehen,  wie  sie  in  Rom  stattfanden.  Er  reiste  mit  seinem 
ganzen  Gefolge  nach  Mailand,7)  um  den  Aufführungen  des 
dortigen  Hofes  beizuwohnen  und  sich  ein  Bild  derselben  machen 
zu  können. 

Er  führte  am  25.  Januar   1486   in  seinem  neuen  Theater  die 


x)  Geschichte   der  französischen  Litteratur  im  XVII.  Jahrhundert 
von  Ferdinand  Lotheisse n.    (Wien  1877.)    I,  263. 
*)  Francke  a.  a.  0.    S.  19.  —  Ruth.    II,  498  ff. 

3)  „Primorum  antistitum  atriis  pro  theatris  usus,  in  quibus  Plauti, 
Terentii,  recentiorum  etiam  quaedam  agerentur  fabulae."  Marcantonio 
Sabellico  im  Leben  des  Pomponio  Leto.  —  Vgl.  Storia  della  lette- 
ratura  italiana  del  Cav.  Abate  Girolamo  Tiraboschi.  Nuova  edi- 
zione.   Firenze  (Molini,  Landi  e  Co.)  1809.    Tomo  VI.    Parte  III.    pag.  872. 

4)  Vgl.  The  Life  and  Pontificate  of  Leo  the  Tenth  in  four  volumes 
by  William  Roscoe  (Liverpool  1805).    I,  47.  48. 

5)  Muratori,  Scriptor.  Rerum  Italicar.    Bd.  III.    p.  2.    fol.  1143. 

6)  Roscoe  a.  a.  0.  I,  79.  By  Ercole  ...  a  süperb  theatre  was 
erected  for  the  representation  of  dramatic  Performances,  in  which  the 
first  piece  acted  was  the  Menaechmus  of  Plautus,  which  is  said  to  have 
been  translated  into  Italian  for  that  purpose  by  the  duke  himself.  — 
Über  Ercole  belichtet  Gregorovius  (Lucrezia  Borgia  I,  229):  „Er  war 
einer  der  leidenschaftlichsten  Begründer  des  Renaissancetheaters.  Er 
hatte  schon  viele  Jahre  zuvor  von  Dichtern  an  seinem  Hofe  Stücke 
des  Plautus  und  Terenz  in  terza  rima  übersetzen  und  dann  auf- 
führen lassen.  Guarino,  Berrardo,  Collenuccio,  selbst  Bojardo, 
haben  für  ihn  zu  diesem  Zwecke  gearbeitet.  Schon  im  Jahre  1486  waren 
die  Menächmi,  das  beliebteste  Stück  des  Plautus,  in  einer  italieni- 
schen Umarbeitung  zu  Ferrara  aufgeführt  worden.  Im  Februar  1491 
(vom  13.  an),  wo  Ercole  die  glänzenden  Feste  der  Vermählung  seines 
Sohnes  Alfonso  mit  Anna  Sforza  gefeiert  hatte,  waren  dieselben 
Menächmen  dargestellt,  dann  an  den  folgenden  Tagen  eine  Komödie 
des  Terenz  und  der  Amphitruo  gegeben,  welche  Collenuccio  für 
die  Bühne  eingerichtet  hatte."     (Vgl.  Klein,  Gesch.  des  Dr.  IV,  250.) 

7)  Ludwig  der  Mohr  liess  in  Mailand  viele  übersetzte  alte  Stücke 
aufführen. 


Collenuccio  u.  a.  51 

Menaeclimi,  die  er  selbst  übersetzt  baben  soll,  auf,1)  wofür  er 
tausend  Dukaten  aufwendete.2)  Am  22.  Mai  1493  wurden  sie  in 
Gegenwart  des  Schwiegersohnes  Ercole  I.,  des  Lodovico  il 
Moro,  zum  drittenmale  aufgeführt.  Dem  Amj)bitruo  begegnen 
wir  gleichfalls  öfter;  so  am  26.  Januar  1487  und  am  12.  Februar- 
1491  in  der  Bearbeitung  des  Pandolfo  Collenuccio.3)  Ebenso 
arbeiteten  Niccolö  da  Correggio  und  Battista  Guarino  an 
Übersetzungen  plautinischer  Stücke. 

Ein  Epigramm  des  Battista  Guarino  (aus  dem  Jahre  1496), 
auf  die  ludi  scenici  Ducis  Herculis,  in  quibus  Plauti  fabula  Me- 
nechmi  acta  fuit,   rühmt  von  Ercole  I. : 

Plautini  manes,  numeri  gaudete,  salesque, 
Cum  simili  exulta  fratre  Menechme  tuo. 

Quae  fuerit  Latus  olim  celebrata  in  theatris, 
Herculea  vobis  scena  revixit  ope. 

Die  Vorliebe  des  Vaters  für  die  antiken  Komödien  vererbte 
sich  auf  seinen  Sohn  Alfonso  I.,  auf  dessen  Befehl  Celio  Cal- 
cagnio  den  Miles  gloriosus  übersetzte.4)  Auf  diese  Weise  ist 
Ferraras  Bedeutung  für  die  Pflege  des  altklassischen  Lustspieles 
von  hoher  Bedeutung  geworden,5)  und  Muratori6)  berichtet  an 
verschiedenen  Stellen7)    über    solche  Aufführungen  in  Ferrara. 8) 

„Als  1543  der  Papst  Paul  III.  Ferrara  besuchte,  mussten 
die  jungen  Familienglieder  des  Herzogs  (Alfonso  von  Este),   unter 


')  II  Duca  Ercole  da  Este  fece  fare  una  festa  in  suo  cortile ;  fu  una 
facecia  diPlauto,  che  si  chiamava  il  Menechio.  (Muratori,  Script,  rer. 
Ital.  Toino  XXIV,  pag.  278.)  —  PrÖlss.    I,  2.  92. 

2)  Nap.  Signorelli,  Storia  critica.  HI,  71.  —  Tiraboschi.  VI,  895. 
—  Apostolo  Zeno  lett.  V.  (2.  ed.)  p.  362. —  Ruth.  II,  116.  — Über  wei- 
tere fünf  Stücke  desPlautus,  welche  Ercole  aufführen  Hess,  s.  Gre- 
gorovius  a.  a.  0.    I,  259  u.  Ruth  a.  a.  0. 

3)  Siehe  über  den  im  Juli  1504  erfolgten  Tod  des  Collenuccio 
bei  Giulio  Perticari.  Op.  Bol.  1839.  Bd.  H.  (Intorno  la  morte  di  Pan- 
dolfo Collenuccio)  uud  über  den  Hergang  bei  Gregorovius  (a.  a.  0.   I,  269). 

4)  Argelati,  Bibl.  dei  volgarizzatori.  IV,  360.  Auch  Ariosto  über- 
setzte auf  Befehl  des  Herzogs  plautinische  und  terentianische  Stücke,  die 
alle  bis  auf  den  Namen  verloren  sind.  Giraldi  nennt  die  Andria  und 
den  Eunuchen,  Prospero  den  Phorrnio.     (Prölss.    I,  2.  107.) 

5)  Leop.  v.  Ranke,  Die  römischen  Päpste,  ihre  Kirche,  ihr  Staat 
im  16.  und  17.  Jahrhundert.    5.  Aufl.    Lpz.  1867.    H,  258. 

6)  Script,  rerum  Italicarum.     Mediolani  1738. 

7)  Bd.  8.  15.  18.  24. 

8)  Z.  B.  XXIV,  283.  (1493.)  Marti.  Si  fece  im'  altra  Festa  di  Me- 
nechmio  &  li  furono  tutti  li  predicti  Signori.  —  XXIV,  278  (1487)  addi 
XXI  di  Zenaro.  II  Duca  Hercole  fece  fare  una  Festa  in  lo  Cortile  con 
uno  Tribunale  che  parea  uno  Castello,  che  tenea  da  uno  muro  all'  altro, 
&  fu  una  facezia  di  Plauto  chiamata  Cefalo,  la  quäle  fu  bella  &  di 
grande  spesa.  —  Vergl.  jedoch  über  diese  Cefalo  des  Niccolö  da  Cor- 
reggio, die  kein  Stück  des  Plautus,  sondern  ein  Pastoral  ist,  Tira- 
boschi.   VI,  848. 


52  Poliziauo.    P.  Leto. 

ihnen  seine  drei  Töchter,  in  Verbindung  mit  der  sechszehnjährigen 
Olympia  Morato,  der  klassisch  gebildeten  Tochter  des  Fulvio 
Peregrino  Morato,  eine  lateinische  Komödie,  die  Adelphi  des 
Terenz,1)  zum  besten  geben.  —  Auf  Befehl  des  Kardinals 
Hippolyt  des  Jüngern,  welcher  die  prächtige  Villa  d'Este  in 
Tivoli  erbauen  Hess,  wurde  der  Phormio  des  Terenz,  zur  Er- 
heiterung jenes  kunstsinnigen  Herren,  von  vornehmen  Jünglingen 
aufgeführt.  Julius  Pogianu's  dirigierte  diese  Aufführung  und 
schrieb   einen  Prolog  dazu. "  2) 

Allmählich  versank  Ferraras  Glanz.  Ein  alter  Diener,  dessen 
handschriftliche  Chronik  vorliegt,  jammert  in  wehmütigen  Worten: 
Sic  transit  gloria  mundi!3)  Allein  die  Teilnahme  an  den  rö- 
mischen Komikern  nahm  darum  nicht  ab.  Die  zeitgenössischen 
Schriftsteller  widmeten  den  Alten  eine  besondere  Aufmerksamkeit. 
Angelo  Poliziano  begleitete  eine  im  Mai  1488  erfolgte  Me- 
li ä  c  h  m  e  n  aufführung  mit  einem  Prologe.4)  Der  Hof  zu  Man  tu  a 
förderte  das  antike  Drama  mit  aller  Hingabe,  und  in  Rom,  wo 
„die  Geistlichkeit  seit  Sixtus  IV.  die  Studien  des  Altertums  fast 
ganz  an  sich  gerissen  hatte,"5)  fand  es  eine  Stätte.  Pomponio 
Leto  und  seine  Schüler  —  die  Pompomancii  — pflegten  dasselbe 
dort  vor  allem. 6)  Mit  besonderer  Pracht  wurde  der  erste  Tag- 
des  neuen  Jahres  1502  in  Rom  gefeiert.  Am  2.  Januar  war  ein 
Stiergefecht  auf  dem  St.  Petersplatze;  am  Abend  spielte  man  die 
Menächmen  des  Plautus.  Über  diese  Aufführung  schreiben 
Pozzi  und  Saraceni  an  den  Herzog  Herkules  von  Rom  aus: 
„Questa  nocte  in  la  Camera  de  Nostro  Signore7)  e  stata  recitata 
la  comedia  del  Menechino  et  con  bona  di  quellui  ch'havea  la 
persona  del  servo,  et  del  parasito,  et  similmente  del  scorto,  et  de 
la  dona  de  Menechino,  ma  li  menechini  non  dixero  con  multa 
gratia,  erano  senza  maschare,  et  non  gli  era  scena  alcuna:  perche 
la  Camera  non  era  capace:  et  in  quello  loco  dove  Menechino  fu 
preso  per  ordine  del  socero  credendo  chel  fosse  impacito  cridando 
che  li  fosse  facto  violentia,  dixe  essere  maraviglia  che  se  usasseno 
tale  violentie,   sospite  Cesare,   Jove  propitio,   et  votivo  Hercule."8) 

Es  Avar  also  keine  Szene  da,   wohl  aber  wenige  Einlagen,  und 


')  Francke  a.  a.  0.  S.  19.  —  Dr.  Karl  Schmidt,  Geschichte  der 
Pädagogik.    2.  Aufl.  von  Dr.  Wichard  Lange.     (Cöthen  1869.)    II,  175. 

2)  Koch,  Schob  priv.    S.  59.     Dieser  Prolog  steht  ebenda  S.  83. 

3)  Ranke  a.  a.  0.    II,  277. 

4)  Prölss.  I,  2.  S.  68.  —  Vgl.  Dr.  H.  Alt,  Theater  und  Kirche 
in  ihrem  gegenseitigen  Verhältnis  historisch  dargestellt.  (Berlin  1846.) 
S.  522  eine.  Menächmen aufführuug  in  Este. 

Prölss.    I,  2.    S.  91. 

Burckhardt,  Die  Kultur  der  Renaissance.    S.  277. 
'•)  Also  im  Gemache  des  Papstes  selbst. 
s)  Gregorovius  a.  a.  0.    I,  199.  200.  201.     II,  97  (Beilagen). 


Leo  X.     Cherea.  53 

man  sieht,  dass  es  den  Gästen,  die  an  Ferraras  Prunk  gewöhnt 
waren,  nicht  eben  gefiel. 

Papst  Leo  X.,  dessen  ausgesprochener  Wunsch  seinem 
Biographen  Jovins  gemäss  war,  „ut  lingua  latina  nostro  pontifi- 
catn  dicatur  facta  auctior, "  ')  that  viel  für  die  alten  Komödien 
und  pflegte  sie  mit  besonderer  Vorliebe,  da  er  ja  selber  ein 
grosser  Kenner  der  klassischen  Litteratur  war2)  und  am  Theater 
viel  Vergnügen  fand.3)  „Leo  X.,"  berichtet  War  ton,4)  „de- 
scended  so  far  from  bis  apostolical  dignity  as  to  be  a  spectator 
of  the  Poenulus  of  Plautus,  which  was  performed  in  a  tempo- 
rary  theatre  in  the  court  of  the  Capitol  by  the  flower  of  the 
Roman  yonth,   with  the   addition  of  the  most  costly  decorations. "  5) 

Dass  man  seit  etwa  1520  aufgehört  hatte,  in  Rom  Plautus 
und  Terenz  —  denn  auch  dieser  wurde  dort  eifrig  gespielt6)  — 
aufzuführen,  zählt  Jovius  mit  unter  die  Ursachen  des  Verfalles 
der  Eloquenz.  Wehmütig  klagt  er:  „Die  Aufführungen  des  Plau- 
tus und  Terenz,  einst  eine  Übungsschule  des  lateinischen  Aus- 
drucks für  die  vornehmen  Römer,  sind  durch  die  italienischen 
Komödien  verdrängt!"  7) 

Wie  beliebt  diese  Darstellungen  der  antiken  Stücke  waren, 
zeigt  der  Umstand,  dass  der  von  einigen8)  als  Erfinder  der 
commedia  deH'arte  genannte  Francesco  Cherea,  ein  von  Leo  X. 
besonders  geschätzter  Komiker,  den  Namen  Terenziano  Cherea 
trug,  weil  er  den  gleichnamigen  Charakter  des  jungen  Chaerea 
(im  Eunuchus)  so  trefflich  darstellte.9)  Derselbe  spielte  auch  im 
Jahre  1508  den  Menächmus. l0)  Es  waren  also  schon  ziemlich 
frühe  nicht  mehr  bloss  Hofkavaliere,  sondern  Berufsschauspieler, 
welche  sich  mit  der  Aufführung  antiker  Dramen  beschäftigten, 
die  in  italienischen  Übersetzungen  gespielt  wurden.  So  bedauert 
Herzog  Herkules  in  einem  Briefe  an  Franz  von  Gonzaga  (vom 
5.  Februar   1496),    ihm  die  Kopien  der  plaxitinischen  und  terenti- 


')  Burckhardt,  Die  Kultur  der  Renaissance.    S.  250. 

2)  Vgl.  Ranke  a.  a.  0.  I,  64  u.  71.  —  Dr.  Heinr.  Leo,  Geschichte 
der  italienischen  Staaten.    (Hamb.  1832.)    V.  Band.    S.  307. 

3)  W.  E.  Hart  pole  Lecky,  Geschichte  des  Ursprungs  und  Ein- 
flusses der  Aufklärung  in  Europa.  Deutsch  von  Dr.  H.  Jolowicz  1868. 
IL  Bd.    S.  251. 

^)  History  of  Engl,  litt,    DJ,  326. 

5)  It  was  in  1513  on  occasion  of  Juliano  de  Medicis,  Leo's  brother, 
being  made  free  of  Ronie.     P.  Jovius,  Vita  Leonis  X.     Lib.  LTI,  p.  145. 

°)  Dr.  W.  Wachsmuth,  Allgemeine  Kulturgeschichte.  Lpz.  1851  52. 
H.  Bd.    S.  393. 

■)  Burckhardt  a.  a.  O.    S.  236.  251. 

8)  Franc.  Sansovino,  Venetia.  Ven.  1581,  p.  168.  —  Quadrio  DU, 
part.  LT,  p.  235. 

9)  Klein  a.  a.  0.    IV,  903.  —  Ruth.    II,  491. 

10)  Prölss  a.  a.  ü.    I,  2.  209. 


54  Keaktion  gegen  die  Alten. 

anischen  Stücke  nicht  schicken  zu  können,  weil  die  Schauspieler 
sie   zerstreut  hätten. ') 

Es  fehlte  darum  nicht  an  solchen,  welche  sich  den  klassischen 
Komödien  gegenüber  feindlich  verhielten.  Antonio  Francesco 
Grazzini,  genannt  Lasca,  der  Plotzfisch  (1503  — 1583),  pole- 
misiert gegen  dieselben.  Er  findet,  dass  die  Darstellungen  der 
Antike  unsern  Sitten  und  Anschauungen  zuwiderlaufen;2)  so  be- 
sonders im  Prolog  zu  seinem  Lustspiele  la  Strega. 3)  Dort 
äussert  sich  der  Argomen to  dem  Prologo  gegenüber:  „Aristo- 
tile,  e  Oratio  uiddero  i  tempi  loro,  ma  i  nostri  sono  d'  un'  altra 
maniera,  habbiamo  altri  costumi,  altra  religione,  e  altro  modo 
di  uiuere;  e  perö  bisogna  fare  le  Comedie  in  altro  modo:  In 
Firenze  non  si  uiue,  come  si  uiueua  gia  in  Atene,  e  in  Roma; 
non  ci  sono  schiavi,  non  ci  usano  figliuoli  adottiui,  non  ci  uengono 
i  Ruffiani  a  uender  le  fanciulle,  ne  i  Soldati  dal  di  d'  hoggi,  ne  i 
sacchi  delle  Cittä,  ö  de  i  Castelli  pigliano  piu  le  bambine  in  fascia, 
e  alleuandole  per  lor  figliole  fanno  loro  la  dote,  ma  attendono  a 
rubare  quanto  piu  possono,  e  se  per  sorte  capitasse  loro  nelle 
mani  6  Fanciulle  grandicelle,  ö  donne  maritate  (se  gia  non  pen- 
sassero   cauarne  buona  taglia)  torrebbero  loro  la  Virginitä,    e  1'  ho- 

nore Questi    tuoi  Dottori,    e  Artefici    fanno    un   guazza- 

buglio  d'  antico,  e  di  moderno,  di  vecchio,  e  di  nuovo,  a  tal  che 
le  loro  compositioni  riescono  sempre  grette,  secche,  stittiche,  e  so- 
üstiche,  di  sorte,  che  eile  non  piacciono  quasi  a  persona,  come  s'  e 
veduto   mille  volte  per  esperienza." 

In  ganz  ähnlicher  Weise  polemisiert  Grazzini  in  seinem 
Prologo     (agli     huomini)     zu     dem    Lustspiele     „La    gelosia"4) 

')  Prölss  a.  a.  0.    I,  2.  98. 

2)  Klein  a.  a.  0.    IV,  738.  —  Prölss.    I,  2.  133. 

3)  Commedie  di  Anton  Francesco  Grazzini  detto  il  Lasca,  ris- 
contrate  sui  migliori  codici  e  postillate  da  Pietro  Fontani.  (Firenze  1859.) 
—  La  |  Strega  |  Comedia  |  d'  Anton  Francesco  |  Grazini,  Academico 
Fio-|rentino  detto  il  |  Lasca.  |  Nuouamente  data  |  in  luce,  e  non  recitata 
mai  |  Con  Priuilegi.  |  In  Venetia.  (  Appresso  Bernardo  Giunti,  e  Fra- 
telli.  |  1582.    (59  foL).    f.  12  sqq. 

A)  La  Gelosia  |  Comedia  |  D'  Anton.  Francesco  Grazini  |  Fiorentino.  | 
Detto  il  Lasca  |  Becitatasi  |  In  Firenze  publicamente  il  Carnouale  |  Del- 
l'Anno  1550.  |  In  Firenze  1551.  |  (52  fol.)  -  Ein  weiterer  Abdruck  ist  Ve- 
netia (B.  Giunti  e  Fratelli)  1582.  (66  fol.)  In  dieser  Ausgabe  ist  der 
Prolog  wesentlich  gekürzt;  dort  (a  gli  huomini)  heisst  es  nur,  er  habe 
sich  zweimal  gegen  den  heiligen  Geist  verfehlt:  l'una  per  non  hauere 
egli  tolto  ä  gli  Antichi,  ö  rubato  ä  i  Moderni,  e  niassimamente  il  sog- 
getto,  e  l'Inuenzione  .  .  .  l'altra  perche  in  essa  non  sono  ritrouamenti,  ne 
ricognizioni :  la  quäl  cosa  e  tanto  venuta  ä  noia,  e  in  fastidio  ä  i  Popoli: 
che  come  ei  senton  nell'  Argomento  dire;  che  nella  presa  d'  alcuna  Citta, 
ö  nel  sacco  di  qualche  castello  si  siano  perdute,  ö  smarrite,  Bambine, 
ö  Fanciulli,  fanno  conto  d'  hauerle  vdite,  e  volentieri  se  potessero  con 
loro  honore  si  partirebbero.  —  Dies  die  einzige  Polemik.  —  Beachtens- 
wert ist,  wie  Sulz  er  (Theorie  etc.  I,  227 a)  die  Art  der  Alten  bespricht, 


Grazzini.  55 

gegen  die  Nachahmer  der  alten  Komödie:  E  peggio  anchora  che 
essi  accozzano  il  uecchio  col  nnouo,  e  1'  antico  col  moderno:  e 
fanno  un  guazzabnglio,  e  una  mescolanza  che  non  ha  ne  uia  ne 
uerso:  ne  capo  ne  coda  e  facciendo  la  Scena  Citta  moderne,  e 
rappresentando  i  tempi  d'  hoggi  ui  introducono  nsanze  passate, 
e  uecchie:  e  costumi  antichi,  e  tralasciati:  e  si  scnsano  poi  col 
dire  cosi  fece  Plauto,  e  cosi  nsarono  Terenzio,  e  Menandro:  non 
si  accorgendo  che  in  Firenze,  in  Pisa,  in  Lucca,  non  si  uiue, 
come  si  facena  anticamente  in  Eoma,  e  in  Atene:  Tradnchino  in 
mal'  hora,  se  non  hanno  hraenzione,  e  non  rattopino,  e  guastino 
1'  altrui  e  il  loro  insieme:  il  senno,   e  la  prndenza  de  gli  huomini 

e  sapersi  accomodare  a  i  tempi Nella  Comedia   sna  dunqne 

non  sono  ritr ouamenti :  poi  che  ne  i  giorni  nostri  non  si  sono 
ueduti  accadere  giamai:  e  particolarmente  nella  Toscana:  come  di 
que'  Ruffiani  anchora,  ö  Mercatanti  che  fanno  incetta  di  Fanciulla: 
e  uanno   uendendo   feminine  u.  s.  w. 

Ferner  berührt  er  dies  sein  Lieblingsthema  wieder,  wenn 
auch  kurz,  im  Prologo  zu  seinem  Lustspiele  „La  Spiritata", a) 
wo  er  erklärt,  che  in  questa  sua  Fabula  non  saranno  di  quei  ragiona- 
menti  hmghi,  e  rincresceuoli;  ne  di  quei  ritrouamenti,  ne  i 
tempi  nostri,  impossibili  &  sciocchi;  di  che  1' altre  Commedie 
sogliono   essere  quasi  tutte  piene. 

Es  enthält  diese  Klage  Grazzinis  manches  Wahre;  allein  es 
ist  nicht  zu  leugnen,  dass  selbst  bei  jenen  Dichtern,  welche  sich 
strenge  an  die  klassischen  Vorbilder  hielten,  ein  Losringen  von 
denselben  nicht  zu  verkennen  ist,  dass  die  Übersetzung  sich 
zu  einer  Lokalisierung,  allmählich  zu  einer  Nachdich- 
tung und  endlich  zu  einer  ganz  freien  Arbeit  empor- 
schwang, in  welcher  nur  mehr  die  klassische  Form  einen  bis- 
weilen recht  heilsamen  ZAvang  auferlegte.2) 


ihre  Lösungen  herbeizuführen.  „Plautus  und  Terenz  finden  oft  ihre  Auf- 
lösung dadurch,  dass  ein  längst  vergessener  oder  für  todt  gehaltener 
Mensch  plötzlich  wieder  erscheint;  dass  ein  Vater  sein  Kind  erkennet, 
das  er  längst  vergessen  hatte.  Dergleichen  Auflösungen  sind  zwar  noch 
it/t  möglich;  sie  müssen  aber,  um  wahrscheinlich  zu  seyn,  mit  mehr 
Vorsicht  behandelt  werden,  als  jene  Alten  nöthig  hatten,  bey  denen  der- 
gleichen Zufälle  durch  die  damals  gewöhnliche  Aussetzung  der  Kinder, 
durch  die  Sclaverey,  in  welche  man  durch  den  Krieg  oder  Menschenraub 
fallen  konnte,  durch  die  wenigere  Verbindung  der  Völker  unter  einan- 
der, durch  Mangel  der  Mittel,  die  man  gegenwärtig  hat,  einer  verlohrnen 
Person  nachzufragen,  viel  natürlicher  waren,  als  sie  itzo  sind."  —  Vgl. 
indes  über  die  Zulässigkeit  mancher  hier  getadelter  Dinge,  (z.  P>.  der 
Piraten)  bei  Prölss.    I,  2.  134. 

1)  La  Spiritata,  |  Commedia  |  di  Antun  Francesco  |  Grazini,  |  detto 
il  Lasca.  |  Recitatasi  in  Bologna,  e  in  Firenze  al  pasto  del  Ma  gnifico 
Signore,  il  S.  Bernardetto  de  |  Medici,  il  Carnouale  dell'  anno  |  MDLX.  | 
In  Fioreuza  appresso  i  Giunti  1561.  |  (62  Seiten.) 

2)  Vgl.  Riccoboni,  Re'flexions  historiques  et  critiques  sur  les  diffe- 


5(5  Übersetzer  der  Alten. 

Schon  die  ersten  Bearbeiter  plautinischer  und  terentianischer 
Lustspiele  suchten,  sich  etwas  freier  zu  halten.  Collen uccio 
erreicht  eine  fliessende  Metrik;  Girolamo  Berrardo,  der  für 
Ercole  I.  die  Menächmen  (1486),  den  Amphitruo  (1487), 
die  Casina  und  Mostellaria  bearbeitete,1)  versucht  eine  ganz 
geschickte  Lokalisierung  seiner  Stoffe.  Andere  Dichter  begnügen 
sich  mit  der  Benützung  einzelner  Episoden  oder  der  Kontami- 
nation mehrerer  Stücke.  So  ist  Niccolö  Machiavellis  (geb. 
3.  Mai  1469;  gest.  22.  Juni  1527)  Clizia  nach  der  Casina,  des 
Kardinals  Bibbiena,  Bernardo  Divizios  (geb.  4.  Aug.  1470; 
gest.  9.  Nov.  1520),  Calandra  (Calandria)  nach  den  Menächmi 
gearbeitet.  Lodovico  Ariosto  (geb.  8.  Sept.  1474;  gest.  6.  Juni 
1533)  wohnte  frühe  schon  den  Aufführungen  plautinischer  Stücke 
bei  Herzog  Herkules  bei, 2)  übersetzte  später  selbst  für  diesen 
klassische  Stücke3)  und  steht  mit  seinen  Suppositi  sowohl,  als 
mit  der  Cassaria,  deren  erstere  an  die  Menächmen,  letztere 
an  (die  Mostellaria  oder)  Pseu dolus  sich  anlehnt,  völlig  auf 
dem  Boden  der  Alten.4)  Während  Gio.  Giorgio  Trissino 
(1478 — 1550)  in  seinen  Simillimi  sich  von  Plautus'  Menäch- 
men fast  nicht  entfernt,  verflicht  Lorenzino  de'  Medici  Szenen 
der  Adelphi,  der  Aulularia,  Mostellaria  und  des  Querolus 
zu  einer  freien  Komödie  ,,L'  Aridosia".  Wenig  über  sein  Ori- 
ginal wagt  sich  Agnolo  Firenzuola  (1493  — 1543)  hinaus  in 
seinen  I  Lucidi,  lokalisierten  Menächmi.  Giovanni  Battista 
Gelli  (1498 — 1563)  steht  ganz  auf  den  Alten.5)  Seine  Sporta 
ist  auf  der  Aulularia  aufgebaut,  sein  „Lo  Errore"  hat  weniger 
von  der  Casina,  als  Klein6)  annimmt.  Deshalb  brauchte  er 
es  nicht  in  die  „Vorhölle  des  Unbesprechlichen"  zu  verweisen. 
Die  Form  der  Alten,  ohne  sie  sklavisch  dem  Inhalte  nach  zu  plün- 
dern, weistauch  Pietro  Aretino  (geb.  20.  April  1492;  gest.  1557) 
in  seinen  Lustspielen  auf;   ebenso  Jac.   Nardi. 

Angelo  Beolco,  genannt  Ruzzante  (geb.  1502;  gest.  17. 
März  1542),   war  nach  Bernardino   Scardeoni7)  in  Padua  das, 


rens  tkeätres  de  l'Europe.  Paris  1738.  S.  145.  „Les  Italiens  dans  lcurs 
premiers  ouvrages  de  theätre  ont  ete  des  imitateurs  peut-etre  un  peu 
trop  serviles  de  Piaute  et  de  Terence.  Ils  furent  cependant  obliges 
d'ecarter  de  leurs  ouvrages  les  mceurs  des  anciens  Romains,  qui  ne  con- 
venoient  poiiit  ä  lern'  siecle." 

»)  Prölss.    I,  2.    S.  92. 

s)  Klein.    IV,  278. 

3)  Ebenda.    S.  294. 

4)  Vgl.  Ebenda.    S.  307.  —  Ruth.    II,  499. 

•'■)  Prölss.  1,2.113.114.  —  Crescimbeni,Ist.  della  volg.  poes.  IV, 41. 

6)  IV,  842. 

7)  De  antiquitate  urbis  Patavii  1560.   II,  256.  —  Vgl.  Sand,  Masques 
et  bouftbns.    II,  77. 


Dolce.    Cecclii.  57 

was  Plautus  in  Rom.  Er  hat  die  Asinaria  zur  Vaccaria 
gestaltet.  Ercole  Bentivoglio  (geb.  1506:  gest.  1573)')  hat 
in  seinen  I  fantasmi  die  Mostellaria  lokalisiert. 

Ein  besonderes  Verständnis  für  die  alte  Komödie 
und  ihre  Modernisierung  legten  Dolce  und  Cecchi  an 
den   Tag. 

Lodovico  Dolce  (um  1508  zu  Venedig  geboren)2)  starb 
ebenda  im  Jahre  1568  in  grösster  Armut.  Er  hat  Verschiedenes 
aus  römischen  Klassikern  (Ovid,  Cicero,  Seneka,  Katull,  Horaz, 
Vergil)  übersetzt.  Von  seinen  zahlreichen  Arbeiten  berichtet 
vielfach  Argelatis  Bibliothek.3)  Sein  II  Marito  ist  dem 
Amphitruo,  II  Capitano  dem  Miles  gloriosus,  II  Ruffiano 
dem  Rudens  des  Plautus  nachgedichtet,  vielmehr  lokalisiert 
und  modernisiert.  Aber  auch  da,  wo  er  nicht  direkt  ein  antikes 
Stück  überträgt,  ist  Form  und  Idee  den  Alten  nachgebildet.  So 
in  II  Ragazzo,  einer  Art  Casina,  und  in  der  Fabritia,*)  deren 
Naivetät  jener  der  Römer  nicht  nachsteht.5) 

Ist  an  Dolce  eine  gewisse  Frivolität  mit  Recht  beklagt 
worden,  so  hat  es  Cecchi  verstanden,  selbst  schlüpfrige  Stoffe  in 
anständige  Form  zu  kleiden. 

Giovammaria  Cecchi  (geb.  14.  April  1518  zu  Florenz; 
gestorben  an  Katarrh  in  seiner  Villa  Gangalandi  am  28.  Oktober 
1587)  hatte  bei  allen  seinen  Lustspielen 6)  die  Alten  im  Auge,7) 
und  weitaus  seine  meisten  Stücke  fliessen  aus  römischen  Quellen.8) 


')  Xacli  Crescimbeni,  Ist.  della  volg.  poesia  (IV,  36),  starb  Benti- 
voglio  im  Jahre  1570  bereits  sieben  und  siebenzig  Jahre  alt. 

2)  Prölss.    I,  2.  126. 

3)  Z.  B.  HC,  55.  92.  124.  125.  126.  159.  195.  IV,  122  und  öfter.  —  Vgl. 
auch  Denina,  Vicende  della  lett.    II,  14. 

4)  Vinegia  1560.  (65  fol.) 

5)  Vgl.  z.  B.  die  Szene,  wo  der  Kuppler  (Luppo)  und  Lisettas  Schick- 
sal (f.  12):  „io  giacqui  due  sole  fiate  con  quel  giouane  (den  sie  gar  nicht 
kennt)  &  per  la  mala  uentura  ingrauidai",  zur  SjDrache  kommen. 

°)  Commedie  di  Giovammaria  Cecchi,  notaio  fiorentino  del  se- 
colo  XVI.  pubblicate  per  cura  di  Gaetano  Milanesi.  Vol.  I.  IT.  (Firenze, 
F.  le  Monnier  1856.)  Bd.  I:  II  figliuolo  prodigo.  II  Diamante.  I  Rivali. 
GH  Sciamiti.  Le  Pellegrine.  Morte  del  Re  Acab.  LT.  Bd.  II  Martello. 
L'  Ammalata.  Le  Cedole.  La  Maiana.  Lo  Sviato.  La  Conversione  della 
Scozia.  —  Crescimbeni,  Ist.  della  volg.  poes.    V,  125. 

7)  Co  mm.  (HI.):  Lesse  con  grandissima  intensione  e  pigliandone  ma- 
raviglioso  piacere,  Plaut o  e  Terenzio.  (IV.)  II  nostro  Cecchi,  segui- 
tando  le  orme  de'  comici  latini,  e  massimamente  di  Plauto,  compose  un 
gran  numero  di  commedie,  di  farse  ecc.  ...  So  beruft  er  sich  auf  den 
Pönulus  im  Prolog  zu  „I  Rivali"  (p.  184);  im  Prologe  zu  Gli  Scia- 
miti (p.  290)  sagt  er: 

Una  commedia  nuova,  alla  quäl  Plauto 
Ha  dato  non  so  che  .  .  . 
mit  Beziehung  auf  die  Mostellaria.   II,  1.  —  Vgl.  Prölss.   I,  2.  131. 

8)  Biccoboni.  U,  251.  —  C.  F.  Flögel,  Geschichte  der  komischen 
Litteratur.     (Liegnitz  u.  Leipzig  1787.)    IV,  139. 


58  Cecchi.     Groto  Cieco  cli  Hadria. 

Er  verstand  es,  „die  Formen  der  eommedia  erudita  auf  die  bürger- 
lichen Verhältnisse  des  Florentinevlebens  umzusetzen. "  Sein  Lust- 
spiel ,,  I  dissimili"  ist  nach  den  Adelphi  des  Terenz,  la 
Majana  nach  dem  Heauton  timorumenos  gearbeitet.  „Doch 
auch  in  vielen  seiner  freier  empfundenen  Komödien  spielen  Mo- 
tive der  römischen  Dichter  hinein;  so  in  il  Martello  (die  Liebes- 
pein) Motive  der  Asinaria."1)  Direkt  benutzt  hat  Cecchi  die 
Cistellaria  (Gl'  Incantesimi),  Mostellaria,  den  Mercator  (la 
Stiava),  Trinummus  (la  Dote)  und  die  Menächmi  (la  Moglie) 
des  Plautus.  Riccoboni2)  urteilt  über  diesen  „grand  amateur 
des  Latins" :  „Les  com^dies  de  Cecchi  ont  un  grand  merite; 
l'auteur  les  a  enrichies  de  toutes  les  beautes  de  Piaute  et 
de  Terence  qüil  a  scü  accommoder  si  parfaitement  ä  nos  moeurs 
qu'elles  ont  perdu  entre  ses  malus  tout  ce  qui  pourroit  nous 
deplaire  dans  l'Antiquite.  C'est  ce  que  doit  se  proposer  tout 
imitateur  des  Anciens;  si  l'on  veiit  donner  sur  notre  theatre  leurs 
ouvrages  traduites  exactement  il  ne  faut  pas  esperer  de  reussite; 
nous  en  avons  un  bei  exemple  dans  l'Andrienne  de  Terence,  c'est 
une  des  plus  parfaites  Pieces  de  l'Antiquite;  on  en  voit  sur  le 
theatre  frainjois  un  traduction  hdelle;  mais  eile  ne  fait  plus  d'effet; 
le  Spectateur  souffre  impatiemment  les  Esclaves  et  les  Loix  Ro- 
maines. Des  moeurs  si  eloignees  des  nötres  nous  rebutent.  II  est 
donc  plus  prudent  de  ne  prendre  que  des  beautes  detachees  des 
Auteurs  qui  nous  ont  precedes.  C'est  ä  quoi  nos  Modernes  n'ont 
point  manque. " 

Auch  Luigi  Groto  Cieco  di  Hadria  (1541 — 13.  Dezbr. 
1585)  steht  auf  den  Alten.  Eine  Amphitruonachahmung  birgt 
sein  Pastoraldrama  La  Calisto.  Seinen  Epidicus  (l'Emilia)  hat 
Riccoboni  nach  Paris  verpflanzt.3) 

Domenichi  gab  eine  gute  Lokalisierung  der  Bacchides  in 
seinen  Le  due  cortigiane;  Benedetto  Varchi  (1502 — 1565) 
versetzte  die  Hecyra  des  Terenz  als  La  Suocera  auf  die  ita- 
lienische Bühne;  er  wehrt  sich  entschieden  gegen  den  etwaigen 
Vorwurf  einer  blossen  Übersetzung. 4) 


')  Prölss.    I,  2.  13L 

2)  Hist.    I,  135. 

3)  Ebenda.  I,  72.  J'ai  fait  usage  moi-meme  du  Canevas  de  cette 
comedie  que  Luigi  Groto  avait  imitee  de  l'Epidicus  de  Piaute  et 
je  l'ai  representee  ä  Paris  avec  succes  sous  le  nom  des  Fourberies  de 
Scapin.  —  Crescimbeni.    IV,  113. 

4)  Im  Prologe  (S.  8  der  Ausgabe  Firenze,  Bartol.  Sermartelli  15(39. 
130  Seiten)  heisst  es:  Una  comedia,  la  quäle  non  e  ne  del  tutto  antica, 
ne  moderna  affatto,  ma  parte  moderna  e  parte  antica,  e  benche  ella  sia 
in  lingua  fiorentina  e  perö  cavata  in  buona  parte  dalla  latina:  cavata 
dico  e  non  tradotta,  se  non  se  in  quel  modo  che  traducevano  i  La- 
tini  da'  Greci. 


Die  alten  Komiker  in  Spanien  59 

Die  Übersetzungen  und  Nachahmungen  der  klas- 
sischen Komödien  sind  im  fünfzehnten  und  sechszehnten 
Jahrhundert  zahllos,1)  und  auch  später  hörten  sie  nicht  völlig 
auf.2)  Immer  wieder  griffen  einzelne  (z.  B.  Pariati  in  seinem 
Anfitrione)  zu  den  lateinischen  Komikern,  und  auch  Goldoni  ist 
nicht  spurlos   an  ihnen  vorübergegangen. 

Noch  jetzt  finden  sich  in  Italien  vereinzeinte  Vorstellungen 
antiker  Stücke. 

G.  P.  Clerici,  der  die  Gefangenen  neuestens3)  für  Auf- 
führungen bearbeitete,  erzählt,  wie  er  als  Student  solchen  latei- 
nischen Stücken  beigewohnt4)  und  jüngst  erst  die  Aulularia  in 
lateinischer  Sprache  gespielt  gesehen  habe. 5)  Ein  weiterer  Be- 
weis dieser  nicht  erloschenen  Teilnahme  an  der  Antike  ist  z.  B. 
auch  die  am  4.  Oktober  1882  im  Teatro  Manzoni  zu  Mailand 
erfolgte  Aufführung  des  Plutits  des  Aristophanes  in  der  freien 
Bearbeitung  von   Goffredo  Franceschi. 

Von  neueren  italienischen  Übersetzungen  des  Plautus  sind 
jene  von  Perluigi  Donini  (1844)  und  Gius.  Rigutini  e  Te- 
mistocle  Gradi  (1878)  anzuführen.  —  Dem  vorigen  Jahrhundert 
gehört  die  Übersetzung  von  Eug.   Argelio   (Nap.  1783)   an. 


Auch  in  Spanien  fehlte  es  nicht  an  Nachahmungen,  Über- 
setzungen und  Aufführungen  der  Alten.  Der  bekannte  Marquis 
de  Santillana  erzählt,  dass  ein  angesehener  Ritter  aus  der  Zeit 
des  D.  Pedro  des  Grausamen  (1357  — 1367),  namens  Don 
Pedro  Gonzalez  de  Mendoza,   spanische  Gedichte  in  der  Weise 


1)  Ginguene.  VI,  312.  Les  anciens  etaient  alors  l'objet  d'une  etude 
assidue  et  d'une  imitation  constante  .  .  .    On  copiaPlaute  et  Terence. 

2)  Tiraboschi.  VII,  1329.  Di  Terenzio  e  di  Plauto  ancora  non 
vennero  in  luce  tai  traduzioni  che  si  possano  ramnientare  con  lode ;  ma 
niolte  particolari  commedie  ne  furono  tradotte  da  diversi  poeti.  —  Vgl. 
Dr.  E.  Kuth,  Geschichte  der  italienischen  Poesie.  (Lpz.  1847.)  DI,  496. 
Die  Gründe  hierfür  s.  ebenda  S.  505.  —  Vgl.  Denina,  Vic.  della  lett. 
II,  188.  Tuttavia  a'  tempi  di  demente  XDT.  si  fecero  commedie  con 
cmalche  regola  e  conformi  al  gusto  di  Plauto  e  di  Terenzio. 

3)  Parma  1881. 

4)  Pag.  VDII.  IX.  Mi  sovenne  allora  che  quand'  ero  studentello  del 
ginnasio  avevo  sentito  a  recitarla  (=  die  Captivi)  nella  sua  integritä 
e  nella  sua  lingua,  dai  convittori  di  un  collegio. 

5)  Pag.  Vit.  Assistetti,  non  e  molto,  a  una  rappresentazione  della 
Commedia  di  Plauto  che  s' intitola  l'Aulularia,  ridotta  per  la  Com- 
pagnia  drammatica  Zerri  e  Lavaggi  dal  Prof.  Trambusti.  II  suc- 
cesso  ch'  ella  ottenne,  non  clamoroso,  ma  pur  sempre  lusinghiero,  e  la 
soddisfazione  prodotta  in  me  e  in  parecchi  altri  studiosi  delle  cose  plau- 
tine  per  cpiesto  fatto,  mi  fecero  pensare  che  altre  commedie  dcllo  stesso 
Autore  avrebbero  potuto  ottenere  una  migliore  accoglienza  perche  piü 
conformi  al  gusto  moderno. 


60  und  Portugal. 

des  Plautus  und  Terenz  schrieb.1)  Nicht  minder  wurden  hier 
in  Klöstern  und  höheren  Schulen  bei  feierlichen  Gelegenheiten 
lateinische  Stücke  gespielt,  so  z.  B.  Nineusis,  comoedia  de  divite 
epulone,  die  dem  Juan  de  Valencia  aus  Loja  zugeschrieben 
wird.  „Dem  Terenz  nachgeahmt,  enthält  es  die  Parabel  von  La- 
zarus und  dem  reichen  Manne. "  2)  Diese  Art  blühte  vornehmlich 
unter  Karl  V. 

Ovid  war  hier  einer  der  beliebtesten  Klassiker.  Von  seinen 
Metamorphosen  erschienen  schon  vor  Calderon'  sechs  Übertra- 
gungen.3) Mosen  Antonio  Vilaragut  (geb.  am  Ende  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts)  übersetzte  Stücke  des  Seneka  (Medea  und 
Herkules),   die  er  dem  Könige  von  Aragon,   Juan  L,   widmete.4) 

Im  Jahre  1554  wurde  von  einem  Ungenannten  in  Toledo 
eine  prosaische  Übersetzung  des  plautinischen  Amphitruo  ge- 
druckt. In  der  kurzen  Vorrede  sagt  der  Verfasser,  er  habe  sich 
bei  seiner  Arbeit  auf  Villa  lobos  und  Meister  Fern  an  Oliva 
gestützt.5)  Die  Amphitruoübersetzung  des  Villalobos  stammt 
aus  dem  Jahre  1515. 6)  Ungefähr  um  1530  entstand  die  Über- 
setzung des  Amphitruo  des  Fernan  Perez  de  Oliva.  Ihr 
Einfluss,  sowie  der  vieler  meist  ungedruckt  gebliebener  Versuche 
dieser  Art  auf  die  dramatische  Litteratur  ist  nichtig.  Dem 
nationalen  Drama  blieb  aus  allerlei  zum  Teil  sehr  naheliegenden 
Gründen  die  Antike  völlig  ferne. 7) 

Im  Jahre  1555  erschien  anonym  in  Antwerpen  eine  Über- 
setzung des  Miles  gloriosus,8)  der  auch  die  Menecmos  beige- 
druckt sind. 

Pedro  Simon  de  Abril  von  Alcaraz  (geb.  um  1530; 
gest.  nach  1589)  übertrug  im  Jahre  1577  die  sechs  Komö- 
dien   des    Terenz9)    ins    Spanische;     ebenso    den    Plutus    des 


')  Ad.  Fried,  von  Scliack,  Geschichte  der  dramatischen  Litteratur 
und  Kunst  in  Spanien.  Berlin  1845.  I.  Bd.  S.  125.  — ■  Sanchez,  Poesias 
anteriores.  I,  LIX.  —  Geschichte  der  schönen  Litteratur  in  Spanien.  Von 
Georg  Ticknor.  Deutsch  mit  Zusätzen  von  Nikolaus  Heinrich 
Julius.    Neue  Ausgabe.    Lpz.  1867.    Bd.  I.    S.  211. 

2)  Ebenda.  Bd.  II.  S.  790. 

3)  Ebenda.  II,  47.  A.  1. 

4)  Catälogo  bibliogräfico  y  biogräfico  del  Teatro  antiguo  espanol 
desde  sus  örigenes  hasta  mediados  del  siglo  XVIIL  por  D.  Cayetano 
Alberto  de  la  Barrera  y  Leirado.   Madrid (Rivadeneyra)  1860.  S.477. 

5)  Ticknor.    IL  772. 

«)  Ebenda.    I,  240.  —  Klein.    IX,  123. 

')  Klein.  IX,  124.  —  Ticknor.  1,207:  Ein  spanischer  Bischof  von 
Barcelona  wurde  im  siebenten  Jahrhundert  abgesetzt,  weil  er  in  seinem 
Sprengel  gestattete,  dass  Schauspiele  mit  Anspielung  auf  heidnische 
Götterlehre  gegeben  wurden.     (Mariana,  Hist.  VI,  Cap.  3.) 

8)  Ebenda.    II,  772. 

9)  Las  seis  comedias  de  Terencio  escritas  en  Latin  i  tradueidas  en 
vulgär  Castellano  por  Pedro   Simon  Abril,  professor   de   letras   hu- 


Die  alten  Komiker  Q\ 

Aristophanes.  Der  Übersetzung  steht  der  lateinische  Text  zur 
Seite.  „Dem  , Prologo'  nach  scheint  es,  dass  sie  in  der  Hoffnung' 
verfasst  wurden,  dass  sie  unmittelbar  zur  Reform  des  spanischen 
Theaters  beitragen  —  vielleicht  sogar  öffentlich  aufgeführt  werden 
würden. "  *) 

Noch  ist  der  Buchhändler  von  Valencia  Juan  de  Timo- 
neda2)  (gest.  bald  nach  1597)  zu  nennen,  der  1559  seine  pro- 
saische Übersetzung  der  Menächmen  herausgab.  Er  hat  sich 
mancherlei  Änderungen  des  Originals  erlaubt  und  die  Szene  nach 
Sevilla  verlegt.  „Das  Stück  besteht  nach  dem  Vorbild  des 
Lop e  de  Rueda  aus  vierzehn  Auftritten,  und  die  Sitten  sind 
ganz  spanisch.  Indem  von  einem  jungen  gewissenlosen  Diener 
die  Rede  ist,  Avird  sogar  der  Lazarillo  de  Törmes  genannt. 
Es  herrscht  aber  in  diesem  Stücke  oft  das  nämliche  freie  und 
natürliche  Gespräch  des  gemeinen  Lebens,  wie  in  den  Stücken 
Lop  es,  des  Vorbildes  des  Timoneda,  und  man  kann  es  mit 
Vergnügen  von  einem  Ende  zum  andern,  als  eine  neue  Ausgabe 
des  P 1  a  u  t  u  s ,   lesen. "  3) 

So  ziemlich  in  der  Art  des  Terenz4)  sind  die  acht  Stücke 
des  Bartolome  de  Torres  Naharro,  die  er  in  den  ersten  zwei 
Dezennien  des  sechszehnten  Jahrhunderts  in  Italien  schrieb.5) 

D.  Jose  [Jusepe]  Antonio  Gonzalez  de  Salas  (geb.  um 
1588)  übersetzte  im  Jahre  1633  Las  Troyanas  des  Seneka. 
Nicht  lange  vor  dem  Jahre  1788  spielte  man  an  der  Universität 
Salamanca  die  Andriä  des  Terenz  lateinisch. H) 

Jorge  de  Montemayor  und  Lope  de  Rueda  streifen  die 
Menächmi,  letzterer  auch  den  Miles  gloriosus  in  seiner  Me- 
dora.  Bearbeitungen  des  Amphitruo  finden  sich  später  bei  D. 
Santos  Diez  Gonzalez  und  D.   Jose  de   Canizares. 

In  Portugal  pflegten,  besonders  in  Evora,  die  Jesuiten 
das  lateinische  Schauspiel,  das  vornehmlich  gegen  das  Theater 
des  Gil   Vicente   (1460 — 1536)    gerichtet   war.7)     In   der   Re- 


manas  i  Filosofia,  natural  de  Alcaräz.  Zaragoza  1577.  Alcalä  1583. 
Barcelona  1599.  (4.Aufl.  1762  in  2Bde.)  —Vgl.  Barrera,  Catälog.  S.  3.  — 
Ticknor.  1,462.  —  Pellicer,  Bibl.  de  traductores  espanoles  IT,  145. — 
Bibl.  esp.  (Rivadeneyra  Bd.  II,  207),  wo  auch  Proben  der  Hecyra  sich 
finden.  —  Klein.    IX,  126. 

")  Supplementband  zu  Ticknor  von  Adolf  Wolf.  (Lpz.  1866.)  S.  76. 

2)  Ticknor.    1,454.455.    II,  190.  240.  —  Schack.  1,236.  —  Klein. 
IX,  186. 

3)  Ticknor.    I,  455.  456. 

4)  Siehe  dagegen  Ticknor.    I,  241. 

5)  Bapp,  Span.  Theater.    I,  10. 

6)  „Como  affirma  o  grande  D.  Gregorio  May  ans  e  Siscär."    Leonel 
da  Costa,  „As  prirneiras  quatro  comedias  de  P.  Terencio."    pag.  XV. 

7)  Braga,   theoria  da  historia  da  litteratura  portugucza,  3  edicäo. 
Porto  1881.    (p.  165.) 


62  i'1  Spanien  und  Portugal. 

naissance  wurde  Terenz  das  allgemeine  Vorbild.1)  Der 
berühmte  und  von  Montaigne2)  so  hoch  gepriesene  Humanist 
Andre  de  Gouvea  —  Andreas  Goveanus3)  —  (der  Engoulve 
Moutarde  des  Rabelais)  brachte  die  klassischen  Studien  in 
Schwung,  und  mit  ihnen  hängt  die  Erhebung  des  klassischen 
Theaters,  zunächst  unter  Dr.  Antonio  Ferreira  (1528  — 1569), 
dessen  Vorbild  die  Adelphi  waren,4)  zusammen. 

Es  geschah  nicht  ohne  Kampf;5)  doch  gelang  es  Ferreira, 
ein  Lustspiel  nach  klassischem  Muster  auf  die  Bühne  zu  bringen6) 
und  sich  ganz   auf  den  Boden  der  Alten   zu  stellen.7) 

Die  praktischen  Bestrebungen  der  Jesuiten,  die  auf  Erlernung 
des  Lateinischen  abzielten,  und  von  denen  deshalb  vornehmlich 
lateinische  Aufführungen  gepflegt  wurden, 8)  unterstützte  haupt- 
sächlich der  Schotte  Georgius  Buchananus  (1506 — 1582),  so 
lange   er  akademischer  Lehrer  in  Coimbra  war.9) 

Mit  grösserer  Vorliebe  hing  man  auch  in  Portugal  an  Te- 
renz, als  an  Plautus;10)  doch  aber  entwuchs  der  Schule  von 
Coimbra  des  Camöes  „Auto  dos  Emphatrid es",11)  der  plauti- 
nische  Amphitruo. 


')  Braga  (p.  168):  „As  comedias  de  Terencio  .  .  .  serviram 
de  typo  para  o  renasciniento  do  theatro  classico;  os  typos  que  Sä  de 
Miranda  trac,ou  näo  existiarn  ein  Portugal,  e  querendo  parodiar  as 
hetairas  e  o  miles  gloriosus,  teve  de  localisar  a  aegäo  na  Italia  e 
retratar  as  cortegianas  e  condottieri." 

2)  Essais.  I,  25:  J'ay  soustenu  les  premiers  personages  ez  tragedies 
latines  de  Buclianan  de  Guerente,  et  de  Muret,  qui  se  presenterent  en 
nostre  College  de  Guienne  avecques  dignite:  en  cela  Andreas  Goveanus, 
nostre  prineipal,  comnie  en  toutes  aultres  parties  de  sa  charge,  feut  sans 
comparaison  le  plus  grand  prineipal  de  France. 

3)  S.  Berriat  Saint-Prix,  Nouvelle  biograph.  generale. 

4)  Braga  a.  a.  0.  (S.  170):  „Que  obedeceu  a  essa  influencia  sob  a 
direc^äo  de  Diogo  de  Teive;  os'Adelphos  de  Terencio  lhe  servi- 
ram de  molde." 

5)  Braga,  Theoria  S.  170.  Pelos  prologos  das  suas  comedias  se 
conhece  a  grande  lucta  que  houve  para  compor  este  theatro  sem  con- 
di^öes  de  vida. 

6)  Vgl.  Braga,  Manuel  da  Historia  da  Litteratura.  Porto  1875. 
p.  275:  „A  comedia  Bristo  j>ertence  ä  (mesma)  iruitacjio  classica  teren- 
ciana,  em  que  os  personagens  säo  o  Miles  gloriosus  ou  o  fanfarräo 
italiano,  a  heteira  grega  ou  a  cortigiana  italiana,  e  os  filhos- 
familias  pervertidos  entre  estas  duas  forcas  dissolventes." 

7)  Parnasso  lusitano  (5  voll.  Paris  1826).  I,  p.  XX:  copiou-os 
(d.  h.  die  Alten),  näo  os  imitou. 

8)  Visconde  de  Juromenha,  Obras  de  Luiz  de  Camöes.  Lisboa 
1860 — 69.  6  Bde.  I,  24:  „Em  latim  para  exercitar  e  desembaragar  os 
estudantes  naquella  lingua." 

9)  Braga,  Historia  do  Theatro  Portuguez.  Porto  1870.  II,  13  und 
Introduccäo,  p.  327  ff. 

10)  Ebenda.    I,  192.    H,  342. 
"j  Braga,  Theoria  p.  166. 


Die  alten  Komiker  in  Frankreich.  63 

Später  griff  das  unglückliche  Opfer  des  gemeinsten  Fanatis- 
mus, Antonio  Jose  da  Silva  (1705  — 1739),  nochmal  zum 
Amphitruo. ')  Weiter  hat  unter  den  Portugiesen  der  durch 
Pomhal  vernichtete  Pedro  Antonio  Correa  Garcäo  (1724 
bis  1772)  Komödien  im  Geschmacke  des  Terenz  geschrieben, 
die  „längere  Zeit  als  Muster  klassischer  Gefeiltheit  und  Korrektheit 
galten. "  2) 

An  Übersetzungen  hat  Portugal  wenig  hervorgebracht.  In 
der  Vorrede  des  Herausgebers  zu:  As  primeiras  quatro  comedias 
de  Publio  Terencio  Aphricano,  traduzidas  do  Latim  em  verso  solto 
portuguez  por  Leonel  da  Costa.  Lisboa  (Simäo  Thaddeo 
Ferreira)  1788,  heisst  es  (p.  VI):  „Lembrava-nos  depois  disto, 
que  tendo  todas  as  Gentes  cultas  familiarizado  a  Terencio  nos 
seus  Idiomas  so  Portugal  o  näo  tinha."  Leonel  da  Costas 
Übersetzung,  deren  Verfasser  im  Jahre  1570  in  Santarem  ge- 
boren wurde  und  ebenda  am  28.  Januar  1647  starb,3)  blieb 
bis  1788  Manuskript,  wo  der  Buchhändler  Jorge  Bert r and  sie 
herausgab. 


Als  einen  Grund,  weshalb  in  Frankreich  Plaut us  und 
Terenz  gerne  gespielt  wurden,  bezeichnet  Emile  Chasles4) 
ihren  grossen  Reichtum  an  Sentenzen.  „II  se  mele, "  sagt  er, 
„aux  recherches  de  l'erudition  un  goüt  qui  appartient  a  l'adules- 
cence  des  litteratures,  le  goüt  de  sentences.  Les  premieres  tra- 
ductions  de  Terence  sont  offertes  aux  lecteurs  comme  des  recueils 
de  belles  pensees  plutöt  que  comme  des  modeles  de  bonne  comedie, 
temoin  celle  de  maitre  Gilles  Cybile: 

II  s'est  montre  tres-fort  habile, 
Car  il  a  tout  traduit  Terence, 
Oü  il  a  mainte  sentence. 

Le    grant    Therence    d'Antoine   Verard    se   recommande   par   le 

meme  merite:  • 

Ne  craignez  point  ä  acheter  ce  livre, 
Car  maints  propos  d^cents  y  trouverez, 
Les  mots  dores  pes^s  en  juste  livre 
Sentencieux  que  chacun  peut  ensuivre, 
La  sont  caches  comme  bien  prouverez. 


»)  Wolf,  Wienersitzungsberichte  1860.    S.  277. 

2)  S.  Bouterwek,  Geschichte  der  Künste  und  Wissenschaften. 
(Gott.  1805.)  IV,  380,  und  Simonde  de  Sismondi,  De  la  litterature 
du  midi  de  l'Europe.  IV,  539:  Pedro  Antonio  Correa  Gar§äo  s'est 
aussi  efforce  de  reformer  le  thöätre  et  de  donner  ä  sa  patrie  quelques 
pieces  dans  la  maniere  de  Terence. 

3)  Leonel  da  Costa,  pag.  XVI. 

4)  La  comedie  en  France  au  seizieme  siecle.    Paris  1862.    S.  10. 


64  Die  alten  Komiker  in  Frankreich. 

Dans  la  seconde  edition  du  meine  ouvrage  on  forme  un 
recueil  special  des  fleurs,  phrases,  sentences  et  maximes  de  parier 
de  Terence." 

Italienische  Schauspieler  waren  es,  welche  die  Fran- 
zosen noch  weiter  mit  den  Alten  bekannt  machten.  Die 
Calandra  wurde  in  Lyon  am  27.  September  1548  von  Italienern 
gespielt;1)  ebenso  der  Capitano  Spavento;2)  ferner  i  duo  Leli 
simili,3)  welche  dem  Herzog  von  Nemours  gewidmet  sind.4)  Als 
„die  beiden  Lelio"  führten  sie  die  Menächmen  ein.5)  Eine 
solche  Vorstellung  fällt  (nach  Malherbes'  Mitteilung)  auf  den 
15.    September   1613. 

Wie  in  Italien  fehlte  es  auch  in  Frankreich  nicht  an 
Gegnern  der  Antike.  Heftig  eifert  Tralage6)  gegen  die  „ma- 
nieres  grossieres"  der  Alten.  So  (S.  11):  Les  anciens  sont  fort 
grossiers  dans  leurs  amours;  il  n'y  a  point  de  delicatesse  ni  de 
sentimens  tendres  et  passionnez;  il  debutent  par  uiie  fille  grosse. 
II  n'y  a  qu'a  lire  les  comedies  de  Piaute  et  de  Terence. 
Leur  Jupiter  n'estoit  amoureux  d'une  belle  qu'autant  de  tems 
qu'il  en  falloit  pour  lui  faire  un  enfant;  il  ne  se  piquoit  point  de 
constance.  A  peine  1' enfant  estoit-il  venu,  qu'il  avoit  une  nou- 
velle  maistresse.  II  n'y  a  qu'a  lire  les  Metamorphoses  d'Ovide. 
Dans  rAmphitryon  de  Moliere,  l'amour  d'un  amant  et  celui  d'un 
mari  y  sont  traitez  d'une  maniere  bien  differente,  mais  en  mesme 
tems  ingenieuse,  spirituelle  et  vraisemblable.  Les  anciens  ne 
connoissoient  point  ces  finesses.  Comparez  l'Amphiti-yon  de 
Piaute  et  celui  de  Moliere  et  par  lä  vous  jugerez  du  goust 
different  de  ces  deux  auteurs,  et  combien  les  manieres  des  siecles 
oü  ils  ont  vecu  estoient  differentes;  ferner  nochmal  (S.  49):  Grande 
dispute  contre  les  anciens  et  les  modernes.  Piaute  soutient  que 
son  Amphitryon  et  son  Avare  valent  beaucoup  mieux  que  Moliere 
a  fait  lä-dessus.  Ce  dernier,  saus  se  deffendre,  soutiendra  que  la 
copie  vaut  mieux  que  l'original,  remarquera  la  maniere  grossiere 
dont  Piaute  a  traite  ces  deux  sujets,  fera  voir  la  maniere  fine  et 
delicate,   dont  il  a  fait  parier  Jupiter  ä  Alcmene;  il  soutiendra  que 


')  Les  comediens  Italiens  ä  la  cour  de  France  sous  Charles  XL, 
Henri  III.,  Henri  IV.  et  Louis  XIII.  par  Armand  Baschet.  Paris 
(Plön  &  C.  1882).    S.  7. 

2)  Ebenda.    S.  129.  173. 

3)  Ebenda.  S.  319. 
«)  Ebenda.  S.  320. 
5)  Ebenda.    S.  244. 

ß)  Notes  et  documents  sur  l'histoire  des  theätres  au  XVne  siecle 
par  Jean  Nicolas  du  Tralage,  extraits,  mis  en  ordre  et  publies  par  le 
Bibliophile  Jacob.  Paris  1880.  —  Vgl.  auch  Lotheissen,  LV,  278, 
und  Hippolyte  Rigault,  Histoire  de  la  quereile  des  anciens  et  des 
modernes.    Paris  1856. 


Übersetzer  des  Terenz.     Bai'f.  65 

les  anciens  ne  savent  pas  traiter  tinement  ce  qui  doit  etre  Farne 
des  pieces,  l'amour  et  l'ambition. 

Dieser  sein  Widerspruch  kömmt  ziemlicli  spät;  denn  bereits 
hatten  sich  die  Formen  der  antiken  Komödie  und  diese  selbst  in 
Frankreich  eingebürgert.  Auf  Bonaventure  Desperiers  (gest. 
1514)  und  Octavien  Saint-Gelais  folgte  Charles  Estienne 
mit  seiner  Übersetzung  der  Andria  des  Terenz  im  Jahre  1540. a) 

Jean  Bourlier  übersetzte  1560,  Jacques  Bourle  1584 
den  ganzen  Terenz.2) 

Weitere  vollständige  Übersetzungen  des  Terenz  stammen 
neben  anderen  von  1567.  Les  |  six  Comedies  |  de  Terence,  tres- 
excel  |  ent  poete  comique  |  mises  en  Fraucoys  avec  le  |  latin  en 
favevr  des  ievnes  |  enfans  desireux  de  la  pvrete  et  intelli|gence 
de  la  lan'gve  latine.  |  A  Paris  (Par  Estienne  Doart);  aus  1681 
und  1686  jene  von  Paul  Rogier  Sibour  (Strasbourg),  der  1699 
eine  weitere  in  Strassburg  folgte. 

Einzeln  erschien  im  Jahre  1555  die  Andria.  Premiere  |  Co- 
medie  de  |  Terence,  appel|lee  l'Audrie.  Nouvellement  traduite 
&  mise  en  ryme  Francoyse.  \  A  Lyon  (Par  Thibavld  Payan). 

In  der  Art  der  klassischen  Lustspieldichter  arbeitete  auch 
Antoine  de  Bai'f  (1532 — 1589).  Gewandt  in  Form  imd  Aus- 
druck3) übertrug  er  frei4)  den  Eunuchus  und  Heauton  timo- 
rumenos  des  Terenz  und  den  Miles  gloriosus  des  Plautus,5) 
die  uns   erhalten  sind. 6)     Einiges  andere  ist  noch  nicht  veröffent- 


')  Chasles  a.  a.  0.  S.  47.  Eniin  Estienne  lui-meme  avait  dejä 
traduit  en  1540  l'Andrienne  de  Terence,  malgre  la  ce.lebrite  acquise  ä 
cette  piece  parmi  nous  depuis  que  Bonaventure  Desperiers  et  Octavien 
Saint-Gelais  l'avaient  fait  passer  dans  notre  langue.  —  Beauchamps, 
Kecherches.    I,  153. 

2)  Ebenda.    II,  36.  55. 

3)  Poesies  choisies  de  J.  A.  de  Bai'f  suivies  de  iitodsies  inedites  ed. 
Becq  de  Foucquieres.  Paris  1874.  Einleitung  p.  XXXI.  „Dans  la  co- 
medie de  Terence  on  remarquera,  avec  quelle  aisance  il  (=  Bai'f)  con- 
duit  le  dialogue,  avec  quelle  francliise  il  aborde  sans  effort  le  ton  de  la 
bonne  coniedie  et  avec  quelle  legerete  il  nianie  le  nietre  raj)ide  qu'il  a 
choisi." 

4)  A.  a.  0.  S.  219 — 224.  Cette  comedie  est  imitee  du  Miles  glo- 
riosus tres-librement.  (Periplecomenus  =  Bontams;  Pleusides  = 
Finet;  Palestrion  =  Constant.) 

5)  A.  a.  0.  p.  XVI.  II  traduisit  l'Eunuque  de  Terence  en  1565 
et  le  28  janvier  1567  faisait  representer  le  Brave,  imite  de  Piaute  en 
l'hötel  de  Guise  et  devant  le  roi  s'elevant  avec  plus  de  succes  que  Re- 
myBelleau  au  style  tempere  de  la  comedie.  —  Beauchamps,  B,e- 
cherches  sur  les  theätres  de  France  (1735).    II,  38. 

6)  Le  manuscrit  867  (anc.  7229 3  Colbert  1291)  entierement  de  la 
main  de  Bai'f  contient  „L'Eunuque  de  Terence  par  Bayf".  II  a 
52  ff.  et  se  termine  par  la  mention:  Acheve  lendemain  de  Noel  devant 
jour.    1565. 

5 


66  Greviu.     Larivey. 

licht,')  oder  nicht  melir  vorhanden.2)  —  Bai'f  war  ein  begeisterter 
Verehrer  der  Alten;  ob  auch  nicht  der  erste  und  einzige.3)  Von 
Terenz  sagt  er: 

Terence,  auteur  romain,  que  j'imite  aujourd'hui, 
Et  comme  il  suit  Menandre  en  nia  langue  j'ensuis. 

Auch  Jacques  Grevins  (geb.  1538;  gest.  1570)4)  Ideal 
war  die  Komödie  „en  teile  purete  qu'anciennement  Aristophane  la 
baillait  aux  Grecs,  Piaute  et  Terence  aux  Romains".  Vor 
allem  Plautus  war  sein  Vorbild.5) 

Einer  der  feinsten  Nachahmer  der  Alten  ist  der  Domherr 
Pierre  de  Lar(r)ivey  (1550 — 1612)  (Giunti).  Er  bezeichnet 
seine  Stücke  als  „comedies  facetieuses  ä  l'imitation  des  anciens 
Grecs,  Latins  et  modernes  Italiens".  Den  Alten  sind  sie  nach- 
gebildet, wie  er  von  seinem  Lustspiel  „les  jaloux"  (Fol.  226) 
sagt:  Comme  eile  est  d'argument  double,  aussi  la  plus  grande 
partie  de  son  subject  a  este  prinse  des  deux  premieres 
de  Terence:  ä  scavoir  l'Andrie  et  l'Eunuque.  Die  „Esprits 
gelten  als  sein  bestes  Stück;"6)  doch  ist  das  Lustspiel  fast  wört- 


')  A.  a.  0.  XXXIX.  Les  seules  ceuvres  qui  soient  iuedites  et  dont 
les  manuscrits  soient  ä  retrouver  sont  la  Medee,  les  Trachiniennes, 
le  Plutus  et  l'Heauton  timorumenos. 

2)  Chasles  a.  a.  0.  S.  75.  De  toutes  ses  productions  la  majeure 
partie  est  aujourd'hui  perdue;  il  nous  reste  pourtaut  deux  comedies 
completes:  le  Brave  et  l'Eunuque. 

3)  Chasles  a.  a.  0.  S.  84.  Nous  ne  pretendons  pas  que  l'intro- 
duction  de  Terence  aupres  du  public  francais  date  de  si  tard.  Baif  ne 
fut  pas  le  seul  au  XVIe  siecle  qui  travailla  ä  nous  faire  goüter  le  charme 
du  vieil  auteur;  mais  il  n'est  que  juste  de  lui  marquer  une  place  hono- 
rable  parmi  ceux  qui  familiarisaient  nos  peres  avec  l'esprit  de  la  litte- 
rature  antique.  Ce  fut  son  ambition  et  l'objet  de  son  long  travail. 
Quaud  il  rappelait  ses  titres  ä  la  faveur  royale  et  priait  Charles  LX.  de 
ne  pas  les  oublier,  il  se  faisait  gloire  d'avoir  uaturalise  la  comedie 
romaine. 

4)  Nach  Beauchamps  Recherches.  I,  27.  Vgl.  Bd.  IV  des  Ancien 
theätre  francais.    S.  225,  gegen  1540. 

5)  Chasles  a.  a.  0.  S.  129.  Piaute  surtout  le  charmait;  il 
admirait  en  lui  l'homme  autaut  que  le  poete.  Piaute,  poete  comique 
d'un  commun  sentiment  estime  en  son  temps  surtout  plus  excellent,  ayant 
dependu  tout  son  bien  en  habillements  sceniques  devint,  comme  recite 
Crinitus,  en  teile  extre"niite  qu'il  fut  coutraint  se  louer  ä  un  meunieur 
pour  tourner  les  meules  d'un  moulin  ä  bras.  Et  lä  etant  en  perpetuel 
travail  continua  son  oeuvre  jusques  ä  cent  cinquante  comedies  comme 
racconte  Aulus-Gelle. 

6)  Lotheissen.  I,  277.  —  Vgl.  auch  Chasles  a.  a.  0.  S.  120.  La 
plus  cölebre  (comedie  de  Larivey)  sous  tous  les  rapports  est  l'Aridosia 
de  Lorenzino  de  Medicis.  Elle  est  en  quelque  sorte  d'une  vieille 
famille  de  comedies;  eile  se  rattache  par  ses  origines  ä  des  comedies 
grecques  qui  sont  perdues  et  ä  deux  celebres  comedies  latines:  la 
Mostellaria   de   Piaute   et   les   Adelphes   de   Terence.     Elle   est 


Rotrou.     Scarron  u.  a.     Moliere.  67 

lieh  aus  Lorenzinos  Aridosia  übersetzt  und  zunächst  nur  der 
„vielfachen  Anregung-"  ')  halber,  die  es  später,  selbst  Moliere 
und  Regnard,   gab,   bedeutsam. 

Besondere  Begeisterung  schöpfte  aus  Plautus  Jean  Rotrou 
(1609  — 1650),  der  den  Arnphitruo,  die  Captivi  undMenächmi 
nachahmte.  —  Paul  Scarron  (1610 — 1660)  lehnt  sich  an  den 
Miles  gloriosus  in  einigen  Szenen  seines  Jodelet  und  seines 
Capitan  an;  dieselbe  Komödie  wirkte  auf  Savinien  de  Cyrano 
Bergeracs2)  (1620 — 1655)  „Le  pedant  joue";  Mareschal 
schrieb  nach  dem  Miles  seinen  Capitan  Fanfaron;  Samuel 
Chappuzeau3)  (1625  — 1701)  ist  ein  Vorläufer  Molieres  in  Be- 
nützung der  Aulularia;  der  grosse  Moliere  (geb.  15.  Januar 
1622;  gest.  17.  Februar  1673)  endlich  selbst  steht  in  mannig- 
fachen Beziehungen  zur  alten  Komödie.4)  Treffend  nennt  Sainte- 
Beuve  Plautus  „un  des  plus  legitimes  ancetres"5)  des  Moliere 
und  sagt  von  Terenz:    „il  y  a  tout  un  Terence  dans  Moliere."6) 

Was  er  direkt  aus  Plautus  zog,  sein  Amphitryon  und 
l'Avare  (Arnphitruo  und  Aulularia),  wird  gelegentlich  be- 
leuchtet werden.  „Die  salon-  und  hoffähige  Richtung,  welche  die 
Komödie  Molieres  ursprünglich  nahm,  musste  ihn  mehr  auf 
Terenz  weisen."7)  So  ahmte  er  die  Adelphi  nach  in  seiner 
Ecole  des  Maris.8)  Er  hat  den  Phormio  vor  sich  in  seinen 
„Fourberies  de  Scapin".9)  „Die  hochkomische  Szene,  in  der 
Pourceaugnac  (1670  Ribou)  von  den  Ärzten  und  dem  Apo- 
theker drangsaliert  wird,  zeigt  die  Benutzung  .  .  .  einer  Stelle 
aus  Plautus'  Menächmi.  Das  offenherzige  Selbstbekenntnis  der 
N  er  ine  und  des  Sbrigani  ist  ein  Passus  der  plautinischen  Asi- 


parente  chez  nous  de  plusieurs  pieces  tres-connues :  le  Retour  im- 
prevu  de  Regnard,  le  Comedien  poete  de  Montfleury  et  l'A- 
vare de  Moliere.     Larivey  au  XVP-siecle  en  a  fait  les  Esprits. 

')  Lotheisse n.    I,  279.    Anm. 

2j  Ebenda.  LT,  451.  Siehe  dort  auch  die  Beziehungen  des  Stückes 
zu  Molieres  „Fourberies  de  Scapin".     (Ebenda.    IV,  55.) 

3)  Ebenda.    IV,  109. 

4)  S.  Moliere  und  die  römische  Komödie  von  R.  Mahrenholtz. 
S.  241 — 265  im  56.  Band  (1876)  von  Herrigs  Archiv. 

5)  Portraits  litteraires.    II,  2. 
G)  Ibid.    n,  38. 

7)  Molieres  Leben  und  Werke  vom  Standpunkte  der  heutigen  For- 
schung von  R.  Mahrenholtz.    Heilbronn  1881.    S.  225—237. 

8)  Parfaict,  Histoire  du  the"atre  franeois,  XIV,  346:  M.  Moliere  a 
pris  daus  les  Adelphes  le  fond  du  sujet  de  sa  piece  intitulee  „L'Ecole 
des  Maris".  A  l'article  de  cette  comedie  (tom.  LX  de  cette  Histoire 
page  42  et  suivantes),  en  rendant  ä  Terence  la  justice  qui  lui  est  due, 
nous  avons  remarque  l'art  du  poete  francais  et  ce  qu'il  a  ajoute  pour 
embellir  son  original. 

J)  Mahrenholtz  a.  a.  O.  S.  247.  255.  —  Humbert,  le  Phormion 
de  Terence  et  les  Fourberies  de  Scapin.  (Elberfeld  1859.)  —  Dziatzko 
zum  Phormio.    S.  14,  Anm.  3. 

5* 


68  Moliere  und  die  alten  Komiker. 

naria.  (Sie  ist  vielleicht  schon  in  Ecoles  des  Fe  mm  es  III,  2 
nachgebildet  worden.1)"  Desj^ois  findet  im  Depit  nmoureux 
neben  vielem  auch  Parallelstellen  ans  Plautus'  Amphitruo:2) 
Rapp  erinnert  die  Asinaria,  „besonders  in  der  Katastrophe, 
ziemlich  deutlich  an  Molieres  Bourgeois  gentilhomme".  3)  In 
den  Femmes  savantes  sind  ..noch  viele  klassische  und  un- 
klassische Stücke  für  einzelne  Stellen  und  Züge  benützt  worden. 
Es  sind  Plautus'  Asinaria  und  Cistellaria  .  .  .  ausgebeutet 
worden. "  4 ) 

Das  Verhältnis  Molieres  zu  Terenz  hat  schon  Tralage 
in  seinem  Dialoge  zwischen  Moliere,  Terence  und  Corneille  be- 
rührt.5) Der  Schauplatz  des  Dialogue  critique  ist  in  die  ely- 
säischen  Gefilde  verlegt.      Dort  sagt  Terence: 

Vous  etes  un  ingrat,  Moliere,  de  vouloir  critiquer  mes  Adelphes : 
vous  devriez  vous  souvenir  que  c'est  une  de  mes  plus  helles 
pieces;  eile  vous  a  servi  ä  votre  „Escolle  des  Maris"  qui  est 
"une  piece  que  je  scais  que  l'on  voit  encore  avec  plaisir  sur  le 
theätre  fräncois. 

Moliere  erwidert : 

II  est  vrai  que  j'ai  pris  quelques  choses  de  vos  Adelphes. 
Si  vous  en  voulez  ä  ceux  qui  comparent  l'un  ä  l'autre,  ils  vous 
diront  que  je  vous  fais  honneur  et  que  ma  copie  vaut  mieux 
que  votre  original. 

Gerne  wird  man  Lotheissens  Worte6)  anerkennen:  „Mo- 
liere mit  Plautus  und  Terenz  in  Hinsicht  ihrer  komischen  Kraft 
und  ihrer  dramatischen  Begabung  vergleichen  zu  wollen,  ist  ein 
ziemlich  massiger  Versuch.  Man  vergleicht  nicht,  was  so  von 
Grund  aus  verschieden  ist." 

Richtig  lässt  eine  sonst  unbedeutende  Komödie  von  Guil- 
laume  Marcoureau  de  Brecourt  (gest.  1685),  „L'Ombre  de 
Moliere"    (1674)  Pluton  über  Molieres  Rang  entscheiden: 

Entre  Terence  et  Plante  oecupe  le  milieu, 

und  poetisch  fein  bringt  La  Fontaines  Grabschrift  auf  Moliere 
diesen  Gedanken  zum  Ausspruch: 

Sous  ce  tombeau  gisent  Plante  et  Terence 
Et  cependant  le  seul  Moliere  y  git: 

Leurs  trois  talents  ne  formaient  qu'w«  esprit 

Dont  le  bei  art  rejouissait  la  France. 


')  Mahrenholtz  a.  a.  0.    S.  242. 

2)  Ebenda  a.  a.  0.    S.  54. 

3)  Die  plautiniscben  Lustspiele.    S.  921. 

4)  Mahrenboltz  a.  a.  0.    S.  272. 

5)  Notes   et   documents   sur  l'histoire  des  theätres,   ed.  le  Biblio- 
phile Jacob.    Paris  1880.    S.  50. 

6)  Lotheissen.    IV,  69. 


P.  Corneille  u.  a.     Regnard.  69 

Pierre  Corneille  (1606  —  1684)  bringt  die  Gestalt  des 
prahlerischen  Soldaten  in  seiner  „Illusion  comique"  auf  die 
französische  Bühne:  der  Fabeldichter  Jean  de  la  Fontaine 
(geb.  8.  Juli  1621;  gest.  13.  März  1695)  gab  1654  eine  freie 
Bearbeitung1)  des  Eunuchen  heraus,  „die  aber  nicht  viel  be- 
merkt wurde  und  auch  die  Begabung  la  Fontaines  nicht  er- 
kennen liess. "  2) 

Wiederum  ein  grosssprecherischer  Soldat  spielt  in  Denian- 
villes  Komödie  „Le  Capitan  ou  le  Miles  gloriosus"  (1639); 
ebenso  weist  das  Lustspiel  „Le  Parasite"3)  (Fripesauces,  der 
ewig  Hungrige)  des  Francois  Tristan  l'Hermite  (1601  — 
1655)  mit  seinem  Capitan  und  Parasiten  auf  die  Alten  hin.4) 
An  seiner  Hand  wandte  sich  Philippe  Quinault  (1635  — 1688) 
zur  Dichtimg,  der  in  seinem  l'amant  indiscret  (nach  Niccolö 
Barbieris  „l'Inavvertito"  1629)  auf  den  Bacchides  steht,  wäh- 
rend Edme  Boursault  (1636 — 1701)  in  seinen  „Menteurs  qui 
ne  luentent  point"  die  Menächmi  im  Sinne  hatte.  Mont- 
fleury  (1640 — 1685)  kompilierte  im  ersten  Akte  seines  Come- 
dien  poete  die  Mostellaria,  Baron  (1653  — 1729)  bearbeitete 
die  Andria5)  und  die  Adelphi6)  des  Terenz  für  die  franzö- 
sische Bühne. 

Vollständig  auf  dem  Boden  des  Plautus  steht  Mo- 
lieres  bedeutendster  Nachfolger,  Jean  Francois  Regnard 
(1656  bis  5.   Sept.   1710). 

E.  Fournier  bemerkt  hierüber:7)  „Mais  nous  le  repetons, 
Piaute  est,  avec  Catulle,  celui  dont  Regnard  s'inspire  le 
plus  volontiers.  Si  Catulle  est  son  poete,  Piaute  est  son 
comique.  Moliere  s'etait  frotte  ä  lui  avec  grand  profit,  en  lneme 
temps  qu'avec  plus  de  profit  encore  il  s'impregnait  de  Terence. 
Regnard  ne  s'en  prit  qu'ä  Piaute,  et  Terence  n'a  laisse  que 
je  sache  aucune  trace  sur  son  theätre.  On  ne  le  retrouve  un 
peu,  par  rettet,  que  dans  les  elegances  de  son  style,  oü  les  rudesses 
de   Piaute,   au  contraire,   n'ont  rien  ä  voir. 

„C'est  assez   qu'il  fournisse  le  fond,   et  il  le  fournit    souvent. 


')  Chefs- d'ceuvre  des  auteurs  comiques.  I,  144:  „.  .  .  avait  iinite 
l'Eunuque  de  Terence  en  1654.'' 

2)  Lotheissen.    III,  180. 

a)  Herausgegeben  (1G54)  von  Aug.  Courbe  und  auf  S.  1 — 67  des 
dritten  Baudes  von  Les  Contemporains  de  Moliere,  ed.  Fouruel. 
(Paris  1875.) 

4j  Ebenda  S.  7.  Le  type  du  Parasite  est  uu  emprunt  fait  ü  la  co- 
medie  latine  et  c'est  lä  surtout   qu'il  laut  chercher  sou  origine  tbeätrale. 

5)  Siehe  Ausführliches  bei  Parfaict,  Hist.  du  theätre.  Baud  XIV. 
S.  312.  —  Aufgeführt  am  16.  November  1703. 

'')  Ebenda.    Bd.  XIV.    S.  346. 

7)  Oeuvres  completes  de  Regnard,  nouvelle  edition  par  31.  Edouard 
Fournier.     Paris  (Laplace,  Sanchez  et  Comp.)     S.  X. 


70  Regnard  und  Plautus. 

„Les  M^nechmes  viennent  de  lui  en  droite  ligne. 
Regnard,  qui  tient,  ce  qui  est  d'une  belle  et  louable  franchise,  a 
ne  dissimilier  rien  de  son  emprunt,  ne  deguise  meme  pas  le  nom 
des  deux  jumeaux.  II  leur  laisse  celui  que  Piaute  leur  avait 
donne  ä  Rome,  et  dont  la  forme  grecque  prouverait  qu'il  aurait 
dejä  ete  porte  dans  quelque  comedie  atbenienne,  ancetre  probable 
de  la  piece  latine,  comme  celle-ci  l'a  ete  de  la  piece  fi-ancaise. 
Disons  pourtant  que,  si  le  nom  est  reste,  le  sens  en  a  cbange, 
et  cela  gräce  a  Regnard.  Dans  la  comedie  antique,  Menechme 
(menaicbmos)  voulait  dire  un  brave,  un  vaillant,  ,qui  attend  sans 
palir  la  pointe  des  lances';  depuis  que  la  comedie  de  notre  poete 
l'a  popularise,  il  ne  signifie  cbez  nous  qu'une  personne  de  res- 
semblance  parfaite  avec  une  autre.  Comme  bien  des  gens,  qui 
ne  savent  pas  aller  au  fond  des  etymologies,  s'imaginent  qu'il 
n'avait  pas  d'autre  signification  cbez  les  anciens,  on  ne  nous  en 
voudra  pas  d'avoir  indique  le  premier  sens  sous  le  second. 

„Deux  autres  pieces  de  plus  mince  importance,  la  Serenade 
et  le  Retour  imprevu,  doivent  aussi  beaucoup  ä  Piaute,  qu'on 
y  attendait  moins,  et  que  rien,  a  premiere  vue,  n'y  laisse  pressentir. 
Regnard  en  etait  si  bien  rempli,  ä  ce  qu'il  semble,  depuis  les  classes 
qu'il  le  laissait  deborder  partout. 

„La  Serenade,  oü  il  s'essayait  —  on  verra  que  c'est  une 
de  ses  premieres  pieces  ä,  la  Comedie  Francaise  —  et  pour  la- 
quelle,  l'experience  propre  lui  manquant  encore,  il  lui  fallait 
d'autant  plus  de  celle  d'autrui,  s'est  echappee  avec  ses  vingt  ou 
vingt-cinq  scenes,  d'une  scene  unique  de  Piaute.  La  broderie 
du  moins  ajoutait  singulierement  au  canevas,  et  les  fioritures  au 
tbeme!  Elles  le  couvrirent  meme  si  bien  qu'on  ne  l'apercut 
pas  d'abord. 

„Quarante  ans  seulement  apres  la  mort  de  Regnard,  Roy, 
poete  trop  siffle  et  trop  bätonne  pour  n'etre  pas  jaloux,  füt-ce  a 
longue  distance,  des  poetes  jadis  applaudis,  depista  l'innocent  em- 
prunt et  le  denonca  dans  une  lettre  ä  Freron:  ,L'intrigue  de  la 
Serenade,  ecrivit-il,  est  presque  entiere  dans  le  Pseu dolus 
(scene  II,  acte  4).  Le  billet  escamote  par  la  meme  adresse 
opere  le  meme  jeu.  On  a  substitue  le  vol  d'un  collier  au  vol 
d'un  esclave.'  Tout  cela  est  vrai,  mais  sans  que  Regnard  y 
perde.  Le  comique  et  l'esprit  qui  sont  la  vie  de  sa  jolie  piece, 
et  qui  en  firent  le  succes,   ne  restent-ils  pas  ä  son  compte? 

„Roy,  pendant  qu'il  tient  le  tbeätre  de  Piaute,  et  qu'il  le 
depece  pour  en  jeter  les  morceaux  ä  la  tete  de  Regnard,  ne 
manque  pas  de  lui  reprocber  l'autre  dette  que  nous  avons 
annoncee,  ce  qu'il  doit  ä  Piaute  pour  le  Retour  imprevu:  ,Le 
vieillard  ci-edule,  dans  le  Retour  imprevu,  dit-il,  est  le  meme 
ä  qui  l'on    persuade,    dans   la    Mostellaria,    que    sa   maison    est 


Regnard  und  Plautus.     Destouches.  71 

oecupee  par  des  esprits.  La  peur  qu'on  lui  fait  est  le  stratageme 
pour  l'empecher  d'y  entrer,  de  la  voir  demeublee  et  d'etre  temoin 
de  la  debauche  qtii  y  regne.  ,Rien  de  plus  vrai  encore,  mais 
qu'inrporte!'  Lors  meme  que  Roy  ajouterait  qne  le  premier  acte 
de  Piaute  est  l'esquisse  des  premieres  scenes  de  Regnard  et  que 
le  röle  de  Calfimadates  est  une  ebauche  de  son  marquis,  Regnard 
n'en  serait  pas  plus  eoupable.  En  fourrageant  dans  cette  piece 
il  n'avait  fait  qu'aller  sur  des  pistes,  qui  lui  indiquaient  une 
cbasse  permise:  il  suivait  Pierre  Larivey,  qui  au  seizieme  siecle 
avait  dejä  braconne  par  la  pour  sa  comedie  des  Esprits,  et 
Montfleury  qui,  plus  tard,  n'y  avait  pas  menage  ce  qui  lui 
seniblait  de  bonne  prise  pour  le  premier  acte  de  son  Come- 
dien  poete. 

„Je  m'etonne  que  Roy,  si  bien  en  train  de  crier  au  plagiat 
sur  les  trousses  de  Regnard,  ne  lui  ait  pas  fait  un  gros  crime 
de  ce  que  le  Crispin  du  Legataire,  pour  finir  la  piece,  invite  le 
public  ä  applaudir,  comme  un  des  acteurs  du  Pcenulus  de  Pla^^te, 
en  y  terminant  le  Prologue;   cette  chicane-lä  aurait  valu  les  autres. 

„Ces  reminiscences  de  Regnard,  qui  toutes  lui  vinrent  des 
lectures  faites  dans  les  classes,  semblent  assez  surprenantes, 
lorsqu'on  songe  aux  longues  annees  qui  s'ecoulerent  pour  lui 
entre  le  temps  de  ces  classes  et  l'epoque,  ou,  beaucoup  moins 
prompt  que  Moliere,  il  se  mit  enfin  au  tbeätre;  lorsqu'on  se 
rappelle  aussi  tout  ce  qu'il  y  eut,  pour  les  lui  faire  oublier,  de 
distractions  et  de  dissipations  dans  la  jeunesse.  Ce  qu'on  a  su, 
par  une  decouverte  assez  recente,  sur  sa  facon  de  fixer  les 
Souvenirs  et  de  preparer,  pour  ainsi  dire,  les  ressources,  les 
materiaux  de  son  esprit,   a  fait  qu'on  s'est  moins  etonne." 

Wie  Regnard  die  Menäcbmi,  Mostellaria  und  Pseudo- 
lus,  so  benützte  Destoucbes  (1680 — 1754)  den  Trinummus 
zu  seinem  Lustspiele    „le   tresor  cache"    in   gescbickter   Weise. 

Nocbmal  nach  Moliere  griö'  der  Pater  Lejay  (1697)  ziir 
Aulularia.1)  Der  Inhalt  des  Philochrysus  seu  Avarus  be- 
titelten Dramas  ist  nach  E.   Boysse:2) 

Philochrysus,  riebe  et  avare,  avait  enfoui  un  tresor  dans  un 
bois  voisin  de  sa  maison.  II  avait  mis  dans  la  confidence  de 
cette  cachette  son  ami  Panurgus.  Celui-ci  deterra  le  tresor  et 
s'en  empara.  Desespoir  de  Philochrysus  en  voyant  la  cassette 
enlevee.  Son  esclave  lui  suggere  alors  une  ruse  pour  la  recouvrer. 
L'avare    va    chez    son    voisin,    il   lui  annonce  'qu'il  vient   d'heritcr 


')  Vgl.  E.  Boysse,  lc  theatre  des  Je'suites.  Paris  1880.  S.  212. 
Le  15  de"ceinbrc  (1G97)  ä  une  heure  apres-midi:  Philochrysus  seu  Avarus 
(drame). 

2)  A.  a.  0. 


72  Sedaiue.     Riccoboni.     Cailhava  u.  a. 

une  somme  considerable  et  qu'il  se  propose  de  la  joindre  ä  celle  qui 
est  dejä  dans  la  cassette.  Panurgus  approuve  ce  projet  et  se  häte 
d'aller  reporter  la  cassette  se  reservant  de  la  reprendre,  quand  eile 
aura  öu'  enrichie  d'un  nouveau  depot.  Philochrysus  rentre  ainsi 
en  possession  de  son  tresor,  et  revenu  a  de  ineilleurs  sentiments, 
il  donne  la  liberte   ä  son  esclave  et  de  l'argent  ä  "ses   enfants. 

Lejay,  dessen  Komödie  im  Karneval  1708  nochmal  aufge- 
führt wurde,1)  bezieht  sich  selbst  auf  Moli  er  e  (und  damit  Plau- 
tus),  sodass  seine  Erwähnung  an  dieser  Stelle  gerechtfertigt 
erseheint.  2) 

Unter  den  Operntexten  des  Sedaine  (1719  —  1767)  findet 
sich  auch  ein  Amphitryon;  Helena  Balleti  Riccoboni  hat 
den  Rudens  als  „le  Naufrage"  (1726)  auf  die  Bühne  ge- 
bracht; Cailhava  die  Menächmi  und  den  Miles  gloriosus. 
Nepomucene  Lemercier  (1771  — 1840)  legte  seiner  Komödie 
Piaute  den  Epidicus  desselben  Dichters  zu  gründe. 

Eine  Art  neuen  Schonaeus  sah  Frankreich  noch  i.  J.  1751. 
Dort  erschien  zu  Paris  (apud  fratres  Guerin  &  Lud.  Fr.  Delatour) 
in  den  Selecta  Latini  Sermonis  Exemplaria  e  scriptoribus  pro- 
batissimis  (colligebat  P.  Chompre  in  utroque  iure  L.)  die  Prima 
poeticae  orationis  excerptio  seu  Plauti  et  Terentii  fabulae  ad 
Christianae  iuventutis  usum  contraetae.  Editio  altera  — 
also  die  antiken  Komiker  christianisiert.  Plaut us  und  Terenz, 
sagt  der  Herausgeber,  müssen  zugeschnitten  werden  aus 
Rücksichten  auf  die  Sittlichkeit.3)  Selbst  „le  fond  des  co- 
medies " 4)  ist  schlimm  genug.  So  ist  eine  durchgreifende  Ent- 
stellung,5)  ja  sogar  eine  Zerstörung  des  Metrums6)  in  dieser 
Sammlung7)  nötig  geworden. 


')  E.  Boysse  a.  a.  0.    S.  239. 

2)  A.  a.  0.  S.  212:  „Cette  piece  est  du  Pere  Lejay,  qui,  dans  sa 
preface  s'excuse  de  traiter  ce  sujet  apres  Piaute  et  apres  Moliere,  le 
prince  de  la  come'die  francaise."  II  croit  cependant  que  la  matiere  est 
assez  abondante  pour  fournir  ä  un  poete  des  traits  nouveaux. 

3)  S.  a.  a.  0.  Avertissement  (V):  Piaute  est  souvent  insupportable 
par  ses  mauvaises  plaisanteries.  Tous  les  deux  connoissent  assez  peu  le 
respect  qui  est  du  aux  bonnes  moeurs. 

■i  Kbenda,  p.  VII. 

■5)  Ainsi  ce  n'est  ni  Piaute  ni  Terence  que  nous  donnons,  et  c'est 
cependant  l'un  et  l'autre  tout  pur  pour  le  langage.     (A.  a.  0.,  p.  IX.) 

6)  On  a  rompu  saus  sc ru pule  la  mesure  d'un  petit  nombre  de 
vers,  par  l'interposition  de  quelques  mots  et  meme  de  quelques  phrases. 
L'oreille.  qui  sent  fort  peu  (!!)  le  mechanisme  des  vers  de  Piaute  et  de 
Terence,  pardonnera  aisement  ces  licences. 

7)  Sie  enthält  von  Plautus:  Amphitruo  (1 — 25),  Aulularia  (25 
—49),  Capteivei  (49—81),  Mostellaria  (81—119),  Menächmei  (119 
—149),  Pseudolus  (149—171),  Persa  (171—187),  Rudens  (187-203), 
Triuummus  (203—223);  von  Terenz:  Auclria  (223—245),  Heauton 
timorumeuos  (245—257),  Adelphi  (257—277),  Phormio  (277—293). 


Prevost.    Pelisson  u.  a. ;  Übersetzungen.  73 

Zu  dieser  Textausgabe  gehört  die  französische  Übersetzung, l) 
von  welcher  es  der  Übersetzer  nicht  für  unmöglich  hält,  dass 
sie  in  Kinderkreisen  aufgeführt  würde. a) 

Als  Charakteristikum,  statt  jeder  weiteren  Analyse,  mag 
erwähnt  werden,  dass  sich  im  Amphitruo  keine  Alcumena 
findet,  sein  Inhalt  demnach  stark  gekürzt  und  geändert  wer- 
den musste.  3) 

Die  französische  Lustspieldichtung  basierte  lange 
Zeit  vollständig  auf  -der  antiken.  Mannigfach  sind  auch 
die  Beziehungen  späterer  Autoren  zu  den  Komikern.  Der 
Abbe  Prevost  (1697  — 1763)  bietet  mancherlei  Berührungs- 
punkte mit  Terenz;4)  der  Sekretär  Ludwig  des  XIV.,  Pelisson 
(1624 — 1693),  war  ein  grosser  Verehrer  des  Terenz;5)  ein 
neueres  Lustspiel,  „le  jeunes  gens",  von  Leon  Laya  (1855) 
ist  eine  Nachahmung  der  Adelphi  des  Terenz.6)  Auch  an 
Aufführungen  altklassischer  Stücke  fehlte  es  im  modernen 
Frankreich  nicht.  So  gingen  am  30.  Nov.  1844  im  Odeon  die 
Wolken  des  Aristophanes  in  der  Bearbeitung  von  Hippolyte 
Lucas  über  die  Bühne.7) 

Das  Verhältnis  der  alten  Komiker,  Plautus  und  Terenz, 
zu  den  neueren  behandelt  eingehend  das  Werk  des  Abbe  d' Alibi - 
gnac   „la  pratique  du  theatre"    (Amsterdam   1715). 

Durch  Übersetzungen  ist  Plautus  in  Frankreich  durch 
Mad.  Dacier  (1651  —  1720)  (1683.    1691),   Michel  de  Marolles 


')  Traduction  des  modeles  de  latinite  tires  des  meilleurs  ecrivains. 
Premier  recueil  de  poe"sie  ou  petites  comedies  extraites  de  Plante  et  de 
Terence  ä  l'usage  de  la  jeunesse  chrötienne.  (Paris,  Louis  Francois  de 
La  Tour  1751.) 

2)  Ebenda,  Avertissement  p.  VIII:  Dans  les  maisons  particulieres 
oü  l'on  enseigne  aujourd'hui  communement  le  Latin  aux  jeunes  Demoi- 
selles  on  peut  aisement  assembler  cinq  ou  six  petits  Acteurs,  freres  et 
soeurs,  taut  enfans  de  la  Familie  que  de  Parens  et  d'Amis  et  leur  faire 
apprendre  quelques-uns  de  ces  petits  Drames,  pour  en  amuser  innocem- 
ment  des  Peres  et  Meres,  et  pour  les  delasser  apres  des  occupations 
serieuses. 

3)  A.  a.  0.  (S.  1  u.  2.)  Jupiter  sous  la  figure  d'Ampbitrion  fait 
semblant  d'etre  de  retour,  apres  avoir  vaincu  les  ennemis  et  paroit 
horame  parmi  les  hommes.  II  joue  le  personnage  de  Citoyen,  et  se 
pr<5pare  de  ipioi  rire,  pendant  qu'Amphitrion  fait  la  guerre  contre  les 
Telebeeus.  Mercure  prend  la  forme  de  Sosie,  qui  est  aussi  absent. 
Lorsque  les  veritables  Amphitrion  et  Sosie  paroissent,  od  so  moque  d'eux 
d'une  facon  siuguliere.  II  arrive  de  lä  que  tonte  la  niaison  est  dans  la 
confusion.  Ce  qui  dure  jusqu'ä  ce  (pie  Jupiter,  diaparoissant,  fait  con- 
noitre  avec  im  coup  de  tonnerre  dans  l'air,  qu'il  est  l'auteur  de  ce  ba- 
dinage.     So  ist  alles  Übrige. 

4)  Sainte-Beuve,  Causeries  du  lundi.    IX.   131. 

5)  Ebenda.    XIV,  196. 

6)  Sainte-Beuve,  Ebenda.    XII,  512. 
')  H.  Lucas,  Histoire.    EU,  365. 


74  Die  alten  Komiker  und 

(geb.  22.  Juli  1600;  gest.  1681)  (1658),  Phil,  de  Limiers 
(1719),  Gneudeville  (1719),  I.  B.  Levee  et  le  Monnier 
(1820),  Naudet  (1831),  Sommer  (1876)  u.a.  bekannt  geworden. 
Zahlreicher  und  meist  auch  von  grösserer  litterarischer 
Bedeutung  sind  die  T er enz Übersetzungen,  worüber  nachzusehen 
ist  bei  Brunet,  Manuel  de  l'amateur  ...  IV.  Bd.  412—423, 
und  Schweiger,   Handbuch  der  klass.   Bibliographie  II,   2. 


Nicht  anders  erging  es  im  allgemeinen  in  England.  Schon 
im  Jahre  1178  und  1180  begegnen  wir  den  Übersetzungen  des 
Ter  enz,  welche  der  Benediktinermönch  Henry  und  der  Abt 
von  Peterborough  veranstalteten.1)  Terenz  wurde  in  England 
überhaupt  oft  übersetzt,  und  wenn  Price  von  einer  fast  vollstän- 
digen Unbekanntheit  des  Terenz  im  Mittelalter  spricht,  so  ist  er 
leicht  zu  widerlegen.2) 

„Gegen  1490  beginnt  man  die  Klassiker  wieder  zu  lesen. 
Zwischen  1550  und  1616  werden  die  Werke  aller  römischen  und 
griechischen  Geschichtschreiber  und  Dichter  von  Belang  ins 
Englische  übersetzt."3)  So  übertrugen  z.  B.  Alexander  Ne- 
vyle,  Jon  Studley,  Thomas  Nuce,  Jasper  Heywood 
(1559  —  1581)  den  Seneka.*)  (Herkules  1561.  Troas  1559. 
Thyestes  1560.)  Die  Übersetzungen  des  Terenz  sind 
zahlreich.5) 


')  War  ton.  I,  213:  Henry  a  Benedictin  monk  of  Hyde  abbey 
near  Winchester  transcribed  in  the  year  1178  Terence  .  .  .  Bene- 
dict abbot  of  Peterborough,  author  of  the  latin  chronicle  of  King 
Henry  II .  .  .  transcribed  Terence  .  .  .  about  the  year  1180. 

2)  Ebenda.  IT,  217.  M.  Price 's  assertion  as  to  the  almost  total 
obliviscence  of  Terence  in  the  middle  ages  is  not  founded  on  fact.  No 
classic  author  is  offener  quoted  by  monkish  writers,  and  in  the  Bri- 
tish Museum  alone  there  are  above  thirty  Mss.  copies  written 
between  the  tenth  and  fifteenth  centuries. 

3)  H.  Taine,  Geschichte  der  englischen  Litter atur.  (Leipzig  1877 
bis  1880.)  Deutsch  bearbeitet  von  L.  Katscher  (Bd.  1)  und  GL  Gerth 
(Bd.  2.  3).    I,  241. 

4)  A  history  of  English  dramatic  litterature  to  the  death  of  Queen 
Anne  by  Adolphus  William  Ward.  London  1875  (Macmillan  &  Co.). 
S.  106.  -  Collier.    HI,  13.  14. 

5)  Ebenda.  S.  141:  An  English  version  of  the  Andria  of  Terence 
was  printed  in  1530,  and  seems  to  have  intended  for  representation. 
(Collier.  I,  88.)  Another  translation  of  the  Andria  was  printed  in  1588. 
„Old  Chremes  in  the  play"  is  mentioned  in  the  Death  of  Robert  Earl 
of  Huntington.  —  Das  Dictionary  of  Old  English  Plays  existing 
either  in  print  or  in  inanuscript  from  the  earliest  times  to  the  close  of 
the  seventeenth  Century,  including  also  notices  of  latin  plays  written 
by  English  authors  during  the  sanie  period  by  James  0.  Halliwell 
Esq.  F.  R.  S.  London  (John  Russell  Smith  1860)  führt  an:  S.  17.  Andria. 
Terens  in  Englysh.  or  the  translacyon  out  of  Latin  into  Englysh  of  the 


Tragiker  in  England.  75 

Collier1)  nennt  auch  ein  interlude  „Jack  Juggler",  das 
zehn  his  fünfzehn  Jahre  nach  der  Andria  des  Terenz  erschien 
und  auf  dem  Amphitruo   des  Plautus  heruhte. 

Jocasta,    nach    den    Phönissen    des  Euripides,    wurde   1566 


first  comedy  of  Tyrens,  callyd  Andria.  [Black  letter,  but  tlie  text,  by 
the  side  of  the  translation,  is  printed  in  Roman  cliaracters.  No  dated. 
Supposed  to  be  printed  by  Kastell.]  —  Andria.  Comedy  by  Maurice 
Kyffin.  4to.  1588.  [Tbis  appears  to  be  tbe  second  translation  in  our 
language  of  any  of  Terence's  works.  It  is  printed  in  tbe  old  black  let- 
ter and  bas  tbe  following  füll  title:  „Andria,  tbe  first  Comoedie  of  Te- 
rence,  in  Englisb.  A  Furtherance  for  tbe  Attainement  unto  the  right 
Knowledge  and  true  Proprietie  of  tbe  Latin  Tong."]  Dieses  Buch  bat 
zwei  Widmungen.  In  der  zweiten  beisst  es,  dass  Kyffin  vor  sieben 
Jahren  das  Meiste  dieser  Komödie  in  Versen  übersetzte,  jetzt  aber  Prosa 
vorzog.  ■ — •  Andria,  comedy  translated  from  Terence  by  Richard 
Bernard.  4to.  1598.  1607.  1614.  1629.  —  Andria,  Comedy  translated 
from  Terence,  by  Thomas  Newman.  8vo.  1627.  [This  translation  was 
made  for  scholar's  private  representation  in  their  schools.]  —  The  first 
comedy  of  Pub.  Terentius,  called  Andria;  or  the  Woman  of  Andros. 
English  and  Latin;  claused  for  such  as  would  write  or  speake  the  pure 
language  of  this  author  after  any  method  whosoever,  by  specially  after 
the  method  of  Dr.  Webbe.  4to.  1629.  —  Ferner  findet  sich  die  Andria 
bei  Charles  Hoole,  six  comedies  of  Terence  1663  und  in  Comedies 
made  English  by  L.  Echard  (1694).  —  (S.  88.)  Eunuchus.  A  trans- 
lation of  one  of  Terence's  comedies  by  Richard  Bernard.  4to.  1598.  1629. 
—  The  Eunuch,  a  comedy  translated  by  Thomas  Newman  1627.  (Ferner 
bei  Hoole  1663  und  Echard  1694.)  —  Die  Tragödie  The  Eunuch  von 
William  Heminges  (4to.  1687)  hat  nichts  mit  Terenz  gemeinsam.  — 
(S.  114.)  Heauton  timorumenos.  A  comedy  by  Terence,  translated 
by  R.  Bernard.  4to.  1598.  1629.—  (S.  194.)..  Phormio.  A  comedy  by 
Richard  Bernard.  4to.  1598.  Weitere  Übersetzungen  von  Hoole, 
Patrick,  Echard  u.  a.  —  (S.  115.)  Hecyra,  a  comedy  translated  from 
Terence  by  Richard  Bernard.  4to.  1598.  1629.  —  Bernard  (1598. 
1607.  1614.  1629.  1641),  Hoole  (1663.  1670.  1676),  Echard  (1694)  u.  a. 
lieferten  auch  Übersetzungen  der  Adelphi.  —  Collier.  I,  89.  DI,  363. 
DU,  13.  —  Über  Echard  s.  Voisenon,  Oeuvres.  IV,  144.  —  Ganz  mecha- 
nisch sind  die  Bearbeitungen  nach  Dr.  Webbes  System,  z.  H.  The  | 
second  comedie  |  of  |  Pvb.  Terentivs  |  called  |  Eunvchvs,  |  or,  |  The  Eu- 
nuche  |  English  and  Latine:  |  Claused  for  such  as  would  write  or  speake  ] 
the  pure  Language  of  this  Author,  after  any  Method  |  whatsoeuer  but 
especially  after  the  Method  |  of  Dr.  Webbe.  London  1629.  (237  S.)  Dort 
ist  z.  B.  die  Einleitung  des  ersten  Aktes,  wie  folgt: 


"TVThat  shal          —     — 

' »    I  doe  —  1       there- 

—    —                fore  ? 

2.    1.   1.   1. 

r\uid                    igitur 
W>  faciam 

should  I  not  goe? 

2.   1.  1.  2. 

Non  eam 

what,  not  now, 

2.   1.  1.  3. 

ne  nunc  quidem 

when  I  am  sent  for 

2.   1.  1.  4. 

Cum  accersor 

u.  s.  w.     Man   hat  es   also   hier   mit   keiner   Kunstübersetzung,    sondern 
nur  mit  einem  Schulversuch  zu  thun. 

')  A.  a.  0.    DJ,  16.     „Founded  upon  a  play  by  Plautus." 


76  Aufführungen  alter  Komiker 

gespielt  in  der  Bearbeitung  von  Gascoigne,  Francis  Kinwelmarsh 
und  Christopher  Yelverton. ') 

In  den  Klöstern  spielte  man  häufig  Plautus  und  Terenz. *) 
Studierende  spielten  wahrscheinlich  in  lateinischer  Sprache  vor 
König  Heinrich  VIII.  in  Greenwich  Plautus  (1528),  3)  die 
Andria  des  Terenz  in  Oxford  (1559), 4)  die  Aulularia  (1564) 
iu  Gegenwart  der  Königin  Elisaheth,5)  unter  deren  Regierung 
die  lateinische  Schulkomödie  besonders  blühte. 6)  Indessen,  das 
Volk  sich  seines  Theaters  freute,  spielten  die  Studierenden  ihre 
Komiker7)  und  waren  so  „almost  the  only,  certainly  the  most 
rational  companies  of  players  that  existed1'.8)  Ihre  Lehrer  ver- 
sahen  sie  dabei  mit  den  nötigen   Stücken. 9) 

Selbst  griechische  Lustspiele  gelangten  zur  Aufführung, 


')  A.  a.  0.  ITC,  6.  16.  —  Warton  (IV,  323)  bezeichnet  dieses  ano- 
nyme interlude,  „licensed  and  prob ably  printed  in  1563",  als  „the  ear- 
liest  adaptation  from  Plautus  in  the  English  language". 

2)  Ebenda  (IV,  3):  Robert  Barnes,  prior  of  the  Augustins  at 
Cambridge,  at  Louvain,  with  the  assistance  of  bis  scholar  Thomas 
P  am  eil,  explained  within  the  walls  of  his  own  monastery  Plautus, 
Terence  .  .  .  (um  1530). 

3)  Ebenda  (III,  289):  ...  in  1528  a  goodly  comedy  of  Plautus  pro- 
bably  in  Latin  was  played  before  Henry  VUI.  at  Greenwich.  (Holin- 
shed.  LH,  850.)  —  Flögel,  Gesch.  d.  kom.  Litt.  IV,  211.  —  Nach  Klein. 
XIII,  116  im  Jahre  1§20. 

4)  Ebenda  (III,  304):  In  an  audit-book  of  Trinity  Colledge  Ox- 
ford (I  think  for  the  year  1559),  I  find  the  following  disbursements 
relating  to  this  subject  „pro  apparatu  in  comoedia  Andriae  VII  1. 
IX  s.  IV  d.  pro  refectione  praefectorum  et  doctorum  magis  illustrium 
cum  Bursariis  prandentium  tempore  comoediae  IV  1.  VII  d."  that  is  for 
dresses  and  scenes  in  acting  Terence's  Andria. 

5)  Ebenda  (IU,  306):  In  the  year  1564  Queen  Elizabeth  had  ho- 
noured  the  University  of  Cambridge  with  a  royal  visit.  Here  she  was 
present  at  the  exhibition  of  the  Aulularia  of  Plautus  and  the  tra- 
gedies  of  Dido  .  .  .  and  Hezekiel.  —  Klein.    XUI,  178. 

c)  A  History  of  English  literature  by  Thomas  B.  Schaw.  London 
1878.  (S.  111):  The  times  of  Elizabeth  and  James  were  particularly  fer- 
tile  in  Latin  dramas  composed  at  the  universities  and  these  sovereigns  .  .  . 
were  entertained  by  the  students  of  Oxford  and  Cambridge  with  Latin 
plays.  —  Collier.  III,  13  A  classical  taste  began  to  be  generally  ap- 
parent  very  soon  after  Elizabeth  came  to  the  crown,  and  it  produced 
its  effects  upon  our  national  drama. 

T)  AVarton  (HI,  310).  The  scholars  of  the  times 'were  coinposing 
and  acting  plays  on  historical  subjects  and  in  imitation  of  Plautus 
and  Terence. 

*)  Ebenda. 

9)  The  learned  school-master  Udall  (-{•  1556)  did  not  deem  it  un- 
worthy  to  provide  amusement  for  his  boys  by  writing  comedies  after 
Plautus  and  Terence,  for  theni  to  perform.  (Gorboduc,  ed.  L. 
Toulmin  Smith.  Heilbronn  1883,  S.  VI.)  —  Vgl.  auch  zur  Sache: 
S.  Payne  Collier,  The  History  of  English  Dramatic  Poetry  to  the 
time  of  Shakespeare;  and  annals  of  the  sta^e  to  the  restoration.  Lon- 
don 1831.    H.  Bd. 


in  England.     Boister  Doister.  77 

so  der  Plutus  des  Aristophanes  in  Cambridge.1)  Im  Prologe  zu 
Udalls  Roister  Doister  werden  Plautus  und  Terenz  aus- 
drücklich genannt-,2)  Shakespeare  erwähnt  im  Hamlet3)  Plau- 
tus  und  Seneka:  „Seneca  cannot  be  too  heavy,  nor  Plautus 
too  light;"4)  Skelton  lässt  in  seiner  allegorischen  Dichtung 
Garland  of  Laurel  alle  ,,poets  laureate"  vor  Pallas  erscheinen, 
darunter  auch  Mai  st  er  Terence,  „the  famous  comicur  with 
Plautus."5)  In  William  Cartwrights  (geb.  zwischen  1611 
und  1615;  gest.  1643)  ..The  lady  errant"  (1651)  ist  eine  Szene 
dem  Aristophanes  entnommen.6) 

Freilich  fehlte  es  auch  in  England  nicht  an  Agitationen 
gegen  die  klassische  Litteratur.  Um  frühere  zu  übergehen,  müsste 
man  auf  den  berüchtigten  Histriomastix  des  William  Prynne7) 
hinweisen,  dessen  allgemein  theater feindliche  Stellung  sich  auch 
gegen  die  Alten  kehrt.  Alle  Christen,  meint  er,  hätten  dahin 
zu  wirken,  die  Verbreitung  der  heidnischen  Autoren  zu  verhin- 
dern, vornehmlich  „Ovids  wanton  Epistles  and  Bookes  of  love, 
Catullus,  Tibullus,  Propertius,  Martiall,  the  Comedies  of  Plau- 
tus, Terence  and  other  such  amorous  bookes  savouring  either 
of  Pagan  Gods,  of  ethnicke  rites  and  ceremonies  or  of  scurrility 
amorousnesse  and  prophanesse. "  8) 

Allerdings  war  der  Einfluss  der  lateinischen  Komödiendichter 
auf  die  Theaterentwicklung  auch  in  England  von  ganz  besonderer 
Macht,9)  und  nicht  mit  Unrecht  griff  darum  Prynne  auch  diese 
an.      Zu  welch   herrlichen   Figuren    die    antiken    Gestalten   gerade. 


')  Ward  a.  a.  0.  S.  141.  It  may  be  worth  remembering  that  a 
comedy  of  Aristophanes,  the  Plutus  had  been  performed  at  Cambridge 
in  the  original  Greek  about  the  same  time  (um  1588).  (Morley,  first 
sketch.  p.  301.) 

2)  Ebenda. 

3)  Akt  2.    Szene  7. 

4)  Dazu  bemerkt  Warton  (III,  309):  I  believe,  the  frequency  of 
these  school-plays  suggested  the  name  of  Seneca  and  Plautus  as  dramatic 
authors,  where  Hamlet  speaking  of  a  variety  of  theatrical  Performances 
says:  Seneca  u.  s.  w.  —  Man  bemerke  jedoch  die  ganz  richtige  Charak- 
terisierung beider  als  heavy  und  light. 

5)  War  ton.    HI,  281. 
fi)  Halliwell.    S.  140. 

7)  Histriomastix,  the  Player's  Scourge  or  Actor's  Tragedy.  Lond. 
1633,  doch  schon  1632  erschienen.     (Collier.    H,  39.) 

8)  Warton.    IV.  232. 

!1)  Ward  a.  a.  0.  S.  146.  „Comedy  sprang  more  easily  from  the 
lnoralities  through  the  transitional  phase  of  the  interludes  and  with  the 
aid  of  the  examples  of  Plautus  aud  Terence  and  secondarily  of  the 
Italian  comic  dramatists."  —  Man  vgl.  unter  anderm  auch  z.  B.  George 
Gascoignes  (gest.  7.  Okt.  1577)  „tragicall  comedie"  —  The  Glasse 
of  Gouernement  —  wo  sich  ganz  in  römischer  Art  Kuppler,  prah- 
lerische Krieger,  Parasite,  Sklaven  u.  dgl.  finden.  (S.  Collier,  Hist. 
Dram.  Poet.    HI,  7.)  —  Child,  Four  Old  Plays.     Introduction  XXIX. 


78  Shakespeare.     Th.  Heywood. 

in  England  sich  ausgebildet  haben,  wird  die  weitere  Darstellung 
zu  zeigen  haben. 

Die  direkten  Nachahmer  des  Plautus  sind  in  Eng- 
land weniger,  als  anderswo;  unberechenbar  jedoch  ist 
der  Einfluss,  welchen  gerade  hier  die  römischen  Ko- 
miker geübt  haben,  zahllos  die  Szenen,  unzählbar  die  Stellen, 
welche  die  an  ihnen  herangebildeten  Dichter  denselben  ent- 
nommen haben. 

Shakespeare  hat  in  seinem  Lustspiele  „the  Comedy  of 
Errors"  —  gleichviel,  woher  er  den  Stoff  schöpfte1)  —  die 
Menächmi  des  Plautus  verewigt.  Während  die  einen  hart- 
näckig dem  grossen  Dichter  die  Fähigkeit  absprechen,  die  antiken 
Komiker  zu  lesen,  suchen  und  finden  andere  bei  ihm  zahlreiche 
Stellen,  welche  eine  Kenntnis  des  Plautus2)  und  Terenz3)  be- 
weisen sollen. 

Thomas  Heywood  (1582  — 1640)  dichtete  nach  Plautus 
die  Sage  vom  Amphitruo  in  seinem  „The  silver  age";  er  be- 
nützte    einen    guten    Teil     der    Mostellaria     in     seinem     „The 


J)  Siehe  hierüber  unter  Menächmi.  — Vgl.  Paul  Stapfer,  Shake- 
speare et  l'antiquite.  (Paris  1879.)  Bd.  I,  S.  125.  „De  quelque  maniere 
que  Shakespeare  ait  connu  l'oeuvre  de  Piaute,  les  Mänechmes  sont 
la  source  classique  de  la  comädie  des  Mäprises." 

2)  G.  Colmau,  der  Übersetzer  des  Terenz  (1765)  äussert  sich 
hierüber  (XXI):  Besides  the  ressemblance  of  particular  passages,  scat- 
tered  up  and  down  in  different  plays,  it  is  well  known,  that  the  whole 
Comedy  of  Errors  is  in  great  measure  founded  on  the  Menaechmi 
of  Plautus;  but  I  do  not  recollect  ever  to  have  seen  it  observed,  that 
the  disguise  of  the  Pedant  in  the  Taming  of  the  Shrew,  his  assuming 
the  name  and  character  of  Vincentio  together  with  his  encountering  the 
real  Vincentio,  seem  to  be  evidently  taken  from  the  disguise  of  the 
Sycophanta  in  the  Trinummus  of  the  same  author:  and  there  is  a 
quotation  from  the  Eunuch  of  Terence  also,  so  familiarly  introduced 
into  the  dialogue  of  the  Taming  of  a  Shrew,  that  I  think,  it  puts  the 
question  of  Shakespeare's  having  read  the  Roman  comick 
Poets  in  the  original  language  out  of  all  doubt. 

Tranio:  Master,  it  is  no  time  to  chide  you  now.  Affection  is  not 
rated  from  the  heart.     If  love  hath  touch'd  you,  nought  remains  but  so. 

Bedime  te  captum  quam  queas  minimo. 

Lorenz  (Ausg.  des  Miles)  S.  262:  „Dass  W.  Shakespeare  den  Plau- 
tus kannte  und  schätzte,  ist  aus  verschiedenen  Thatsachen  ersichtlich; 
namentlich  aus  seiner  Comedy  of  Errors;  es  ist  auch  möglich,  dass 
ihn  bei  den  verschiedenen  Katastrophen  in  Merry  wives  of  Windsor 
zuerst  die  Erinnerung  an  die  Schlussszene  im  Miles  gloriosus  leitete; 
er  verdankt  jedoch  weder  ihr  noch  überhaupt  den  plautinischen  Schil- 
derungen irgend  etwas  für  jene  unvergleichlichen  prahlerischen  und 
feigen  Wüstlinge  und  Spitzbuben." 

3)  Anklänge  Shakespeares  an  Terenz  bemerkte  Colman:  Preface 
p.  XX;  XXIL  S.  115.  150.  156.  274.  375.  380.  484.  —  Vgl.  die  Abhand- 
lung (2)  „Einflüsse  des  Altertums"  bei  Max  Koch,  Shakespeare 
(Stuttg.  1885),  S.  145 — 159,  und  die  Einleitung  zum  ersten  Bande 
bei  P.  Stapfer. 


Dryden.     Shadwell.     Fielding  u.  a.  79 

English  traveller".  —  Jolin  Dryden  (1631  —  1700)  ahmte  den 
Amphitruo  nach,  welchen  später  Hawkesworth  überarbeitete. 
Shadwells  „Miser",  sowie  Henry  Fieldings  (geb.  22.  April 
1707;  gest.  8.  Oktober  1754)  „The  Miser"  verdanken  ihre 
Entstehung'  weniger  der  Aulularia  als  Molieres  „Avare";  sowie 
auch  des  letzteren  Vaudeville  „The  intriguing  chambermaid" 
zwar  der  Stoff  der  Mostellaria  ist,  jedoch  zunächst  auf  Reg- 
nard beruht. 

Die  Ausgaben  der  hervorragendsten  englischen  Bühnendichter 
weisen  zahlreiche  Reminiszenzen  an  die  alten  Komiker  auf.  Nicht 
bloss  der  gelehrte  Ben  Jonson  (geb.  11.  Juni  1574;  gest.  16. 
August  1637)  steht  in  seinem  Stücke  The  case  is  altered  auf 
dem  Boden  der  Aulularia  und  Captivi  und  streift  die 
Mostellaria  in  seinem  Alchemist,  die  Casina  in  seiner 
Epicoene,  den  Miles  mit  seinem  Kapitän  Bobadill,  auch 
andere  zeigen  allenthalben  die  Spuren  der  Alten. 

Der  Verfasser  des  Stückes  Timon1)  ist  sehr  vertraut  mit 
den  Lateinern  und  insbesondere  mit  Plautus.  Die  Namen 
seiner  Personen  —  Gelasimus,  Philargurus,  Grunnio  — 
weisen  auf  diesen  Dichter  hin;  einzelne  Stellen  sind  ihm  wörtlich 
entnommen.  So  weist  z.  B.  (S.  9)  „her  gowne  is  rent"  auf  den 
Truculentus  (V.  53):  „Aut  aurum  periit,  aut  conscissa  est 
pallula",    hin. 

Die  Stelle  (S.  52): 

Grunnio:     He  teils 

How  many  spyders  are  about  his  house, 

Leaste  any  one  of  vs  steale  one  of  them; 

And  in  a  vessell  cliarily  does  keepe 

The  vrine  of  his  hungry  faniily, 

And  sells  it  to  the  diares;  when  he  sleepes, 

Ties  a  pair  of  bellowes  to  his  winde  pipe. 

Obba:  Why  soe? 

Grunnio:     Leaste  in  his  sleepe  he  lose  parte  of  his  breathe 

ist  natürlich  der  Aulularia  (V.  295)  entnommen: 

Strobilus:   Quin,  quom  it  dormitum,  follem  [sibi]  obstringit  ob  gulani. 

Congrio:     Cur? 

Strobilus:   Ne  quid  animae  forte  amittat  dormiens. 

Die  ganze  an  Erinnerungen  an  lateinische,  ja  sogar  griechische 
Autoren  reiche  Komödie  beweist,  dass  ihr  Verfasser  „in  Athen 
wohl  zu  Hause  [ist];  seine  Hauptquelle  ist  Plautus;  aber 
auch  Lucian  und  Aristophanes  kennt  er".2) 


')  Timon,  a  play.     Now  first  printed.     Edited  by  the  Rev.  Alex- 
ander Dyce.     London  (Shakespeare  Society)  1842. 
2)  Rapp,  Studien.    S.  127.  128. 


80  Massinger.     Middleton.     Lilly  u.  a. 

Philip  Massinger  (geb.  1584;  gest.  17.  März  1640)  ist 
überreich  an  Stellen,  die  Juvenal,  Horaz,  Sophokles  entnommen 
sind;  sein  „A  very  woman"  hat  eine  Szene  ans  dem  Curcnlio. 
—  Thomas  Middleton  (gest.  1628)  hat  zu  seinem  „No  wit 
(help)  like  a  woman's"  beim  Epidicus  des  Plautus  geborgt. 
Eine  ganze  Reihe  plautinischer  Erinnerungen  bietet  das  nach  dem 
Italiener  de  IIa  Porta  gearbeitete  Stück  Tomkins'  Albuinazar. 
John  Lillys  „A  pleasant  conceited  comedie" :  Mother  Bombie 
(gedr.  1594  und  1598)  ist  nach  Rapp1)  „im  Sinne  des  Terenz" 
geschrieben.  Ebenso  beruht  der  Gedanke  von  John  Marstons 
„The  Parasitaster  or  the  Fawn"  (1606)2),  auf  Terenz' 
Adelphi  „und  ist  nachher  von  Moliere  in  der  Ecole  des  Maris 
methodischer  entwickelt  worden".3)  Wieder  nach  den  Adelphi 
des  Terenz  ist  „the  scornful  lady/J)  (1616)  des  Dichterpaares 
Beaumont  (1585—1615)  und  Fletcher  (1576— 1625)5)  gear- 
beitet. Das  Lustspiel  des  Thomas  Sh  ad  well  „The  squire  of 
Alsatia"  (1688)  beruht  gleichfalls  auf  den  Adelphi  des  Te- 
renz.6) Ein  grosser  Verehrer  des  Terenz  ist  William  Con- 
greve  (1672  [?]  — 1729),  der  sich  diesen  Dichter,  den  er  „the 
most  correct  writer  in  the  world"  nennt,  zum  Vorbild 
nimmt.7)  Auch  George  Colman  (1733  — 1794)  benützt  die 
Alten.  8) 

Ob  in  Anthony  Mundays  „John  a  Kent  and  John  a  Cum- 
ber"  (1595)  wirklich  ein  Einfluss  des  Amphitruo  thätig  war, 
wie  Rapp9)  annimmt,  ob  auf  Addisons  Gespenst  mit  der 
Trommel  die  Mostellaria,    auf  Drydens  Sir  Martin  Mar-all 


')  Studien.    S.  37. 

2)  Haliwell.    S.  188. 

3)  Rapp,  Studien.    S.  41. 

A)  Im  zweiten  Bande  von  „The  works  of  Beaumont  and  Flet- 
cher".    Ausg.  von  Weber  in  vierzehn  Bänden.     Edinburg  1812. 

5)  Rapp,  Studien.    S.  65. 

6)  Haliwell  a.  a.  0.  S.  236.  „This  play  is  founded  on  the  Adel- 
phi of  Terence,  the  characters  of  the  two  eider  Beifonds  being 
exactly  those  of  the  Mincio  and  Demea  and  the  two  younger  Bel- 
fonds,  the  Aeschinus  and  the  Ctesipho  of  that  celebrated  comedy." 

7)  In  der  Widmung  seines  Lustspieles,  „The  way  of  the  world" 
an  Ralph,  Earl  of  Montague,  sagt  er:  Some  of  the  coarsest  strokes  of 
Plautus  so  severely  censured  by  Horace,  were  more  likely  to  affect  the 
multitude;  such  who  come  with  exspectation  to  laugh  at  the  last  act 
of  a  play  and  are  better  entertamed  with  two  or  three  unseasonable 
jests  than  with  the  artful  Solution  of  the  fable.  Alsdann  folgt  ein 
grosses  Lob  des  Terenz. 

8)  So  bemerkt  z.  B.  der  Herausgeber  von  „The  jealous  wife",  a 
comedy  of  George  Colman  (London  1792),  S.  3.  „The  short  scene  of 
Charles's  intoxication  at  the  end  of  the  third  act  is  partly  an  imitation 
of  the  behaviour  of  Syrus  muck  in  the  same  circumstances,  in  the 
Adelphi  of  Terence." 

9j  Studien.    S.  55. 


Die  alten  Komiker  in  den  Niederlanden.  Q\ 

die  Bacchides,1)  auf  Murphys  „The  Citizen"  der  Mercator 
eingewirkt  hat, 2)  mag  dahingestellt  hleiben.  Mit  besonderer  Vor- 
liebe aber  bearbeiteten  englische  Lustspieldichter  die  Gestalt  des 
prahlerischen  Thraso  und  Pyrgopolinices.  Voran  schreitet 
Udall  mit  seinem  Royster-Doyster,  dem  Miles  gloriosus, 
der  in  zahlreichen  englischen  Stücken,  in  Lillys  Endimion, 
Chapmans  May-day,  Beaumonts  und  Fletchers:  A  king 
and  no  king  und  the  custom  of  country,  in  W.  Congreves 
„Old  batchelor"  und  vielen  andern  eine  hervorragende  Rolle 
spielt,  der  Verbreitung,  die  er  als  Bobadill  des  Ben  Jonson, 
und  der  Verklärung,  die  er  als  John  Falstaff  bei  Shakespeare 
samt  seinem  Gefolge  erreicht,  nicht  zu  gedenken.  (S.  S.  106.) 
Eine  Übersetzung  des  Plautus  lieferte  1767  Bonnel 
Thornton.3) 

In  den  Niederlanden  treffen  wir  im  Jahre  1615  eine 
Nachahmung  des  Eunuchen  des  Terenz  in  dem  Lustspiele 
„Moortje"  (das  Mohrenmädchen)  des  Gerbrand  Adriaanse 
Brederoo  (1585 — 1618). 4)  Ein  Jahr  später  schrieb  Pieter 
Cornelisz.  Hooft  (1581  — 1647),  durch  Brederoos  Moortje  ver- 
anlasst, sein  Lustspiel  Warenar,  eine  Nachahmung  und  Lokali- 
sierung der  Aulularia  des  Plautus,  die  sich  hohe  Anerkennung 
errang.5)  Das  Moortje  wurde  später  von  Dr.  Coster  nachge- 
ahmt.6) Jonckbloet  zeigt  übrigens,  aus  welchen  Gründen 
diese  lateinischen  Komödien  den  Niederländern  nicht  besonders 
anstunden.7)  —  Eine  holländische  Terenz  Übersetzung  stammt 
(aus  1596)  von  Cornelis  van  Ghistele,  eine  weitere  (aus  1633) 
von  Jacob  Westerbaen  (1599—1670). 

In  Dänemark  entwickelte  sich  im  sechszehnten  Jahr- 
hundert eine  besondere  Vorliebe  für  die  antike  Litteratur  und 
speziell  die  Komiker.  Es  erschienen  Übersetzungen  des  Ovid, 
Terenz  u.  a.  Klassiker.8)     König  Friedrich  IL  (1559  — 1588) 


*)  T.  Maccii  Plauti  comoediae,  recensuit  et  enarravit  Joannes 
Ludovicus  Ussing.  (Havniae,  sumptibus  librariae  Gyldendalianae  1875.) 
Bd.  IL    S.  370. 

2)  Rapp,  Studien.    S.  170. 

3)  The  Comedies  of  Plautus  translated  into  familiär  blank  verse. 
2  voll.    London  17(37.    (2.  Ausg.  1769.) 

4)  W.  J.  A.  Jonckbloet,  Geschichte  der  niederländischen  Litteratur. 
Deutsche  Ausg.  von  W.Berg.   2  Bde.   (Lpz.,  Vogel  1870. 1872.)  IL  Bd.  S.  129. 

s)  Ebenda.    LI,  132. 

6)  Ebenda.    II,  131. 

*)  Ebenda.    IL,  133  ff. 

8)  Alberti  Thura  .  .  .  |  Conspectus  |  Danorum,  |  qui  |  partim  com- 
mentariis  j  suis  eruditis,  |  partim  quoque  versio  uibus  Danicis,  |  de  |  lin- 
guäe  Romanae  |  et  Graecae  |  scriptoribus  |  meruerunt  .  .  .  Hafniae  1740. 
Eine  Reihe  von  dänischen  Humanisten  siehe  bei  Graesse,  Allgemeine 

6 


g2  Holberg  und  die  alten  Komiker. 

liess  den  Terenz  übersetzen  und  in  prachtvoller  Ausstattung  vor 
dem  versammelten  Hofe  spielen. ') 

Der  bedeutendste  Interpret  der  alten  Komödiendichter  ist  in 
Dänemark  Ludvig  Holberg  (geh.  1684  in  Bergen;  gest. 
28.  Januar  1754)  geworden.  Mit  Bewunderung  hing  er  an  den 
Komikern  Terenz  und  Plautus,  besonders  an  letzterem,  dessen 
„Amphitruo,  Aulularia  und  Menächmi  noch  immer  die 
schönsten  Stücke  sind,   die  wir  haben."'2) 

Bei  dieser  Anschauung  von  den  Alten  ahmte  ihnen  Holberg 
eifrigst  nach.  Sein  glücklicher  Schiffbruch  ist  nach  den 
Wolken  des  Aristophanes. 3)  Sein  Abracadabra  oder  das 
Hausgespenst  basiert  auf  der  Mostellaria  des  Plautus.4) 
Der  Dietrich  Menschenschreck,  oder  wie  Holberg  das  Stück 
in  der  Lebensbeschreibung  (H.  S.  177)  nennt,  „Der  listige 
Heinrichs,"  ist  dem  Pseu dolus  und  stellenweise  dem  Curculio 
nachgeahmt.  Im  Jacob  von  Thyboe  hat  er  hauptsächlich  den 
Miles  gloriosus  des  Plautus  und  den  Thraso  des  Terenz 
vor  Augen  gehabt.5)  Auch  in  anderen  Dingen  verleugnet  Hol- 
berg  seine  Vorbilder  nicht,  deren  Gestalten  er  insgesamt  auf  die 
Bühne   bringt,   und  deren  er  sich  unwillkürlich  oft   erinnert. 6) 


Litteraturgeschichte.  II,  2.  S.  934;  bei  Marinier,  Histoire  de  la  litte- 
rature  en  Danemark  et  en  Suede.  Paris  1839.  S.  27 — 39.  —  Vgl.  Lud- 
vig  Holbero-.  Sein  Leben  und  seine  Schriften.  Von  Robert  Prutz. 
Stuttgart  1857.    S.  32. 

')  Marinier  a.  a.  0.  S.  95.  Souvent  ä  Copenhague,  il  (Frederic  LT) 
faisait  venir  les  etudiants  au  chäteau  pour  representer  des  pieces  dra- 
matiques,  et  le  jour  de  la  naissance  de  son  fils  Chretien  IV.,  il  les  appela 
pour  jouer  une  tragedie  (!)  de  Terence.  —  Prutz.    S.  33. 

-)  Verm.  Briefe.    Bd.  HI,  Brief  7.    S.  37.  —  Prutz.    S.  151. 

3)  Ebenda.    S.  191. 

<)  Verm.  Briefe.    Bd.  V.    Brief  9.    S.  72.  -  Prutz.    S.  169.  190.  205. 

5)  Ebenda.    S.  131.  190. 

6)  So  gedenkt  er  in  „Henrich  og  Pernille"  des  Amphitruo. 
(Ludvig  Holbergs  Comedier  udgivne  for  det  Holbergske  Samfund  af 
F.  L.  Liebenberg.  [Kjöbenhavn  1849.]  Fj erde  Bind,  p.  34.)  Har  jeg 
mine  dage  hört  magen  til  saadant?  Her  spilles  jo  samme  historie 
med  mig  som  med  Amphitrion.  Mine  huusfolk  tar  mig  for  een  der 
löber  med  limstangen.  Jeg  befaler.  de  svare  at  jeg  har  intet  at  befale. 
Jeg  spör  om  min  Tiener,  de  sige  han  gik  ud  med  Herren  for  en  halv 
tiime  siden.  Jeg  siiger  dem,  at  jeg  er  herre  i  huuset,  de  svare:  ikke  i 
dette,  men  maaskee  i  et  andet.  Jeg  giör  mig  vreed,  de  viiser  mig  dör- 
ren, og  truer  mig  med  deres  herre.  0m  jeg  stod  paa  mit  hoved,  saa 
kan  jag  ikke  begrübe  det  ringeste  deraf.  Men  der  ser  jeg  Arv.  Hör 
Arv.  (Die  dänische  Schaubühne,  geschrieben  von  dem  Freyherrn  Lud- 
wig von  Holberg  und  nun  in  die  deutsche  Sprache  übersetzet.  Dritter 
Band.  (Copenhagen  u.  Leipzig,  verlegts  Gabriel  Christian  Rothe  1750.) 
Seite  217:  Hab  ich  mein  Lebtag  dergleichen  gesehen  oder  gehört?  Hier 
spielt  man  ja  eben  dieselbige  Historie  mit  mir,  wie  mit  Am- 
phitrion. Mein  Gesind  will  mich  nicht  erkennen.  Ich  befehle,  und 
meine  Leute  antworten,  ich  hätte  nichts  zu  befehlen.  Ich  frage  nach 
meinen  Laqvaien;  so  heissts:  Er  seye  von  einer  halben  Stunde  mit  sei- 


Die  alten  Klassiker  in  Ungarn.  83 

So  verdient  er  wohl,  von  Gottsched  als  der  „dänische 
Terenz",1)  von  Prtitz2)  als  der  „dänische  Plautus"  bezeichnet 
zu  werden,  und  in  der  Vorrede  zur  deutschen  Schaubühne  (1740) 3) 
heisst  es  mit  Recht:  „dieser  berühmte  und  sinnreiche  Mann  hat 
in  Dänemark  dasjenige  geleistet,  was  Plautus  in  Rom  oder 
Moliere  in  Frankreich  gethan  haben." 

Weniger  gepflegt  waren  die  lateinischen  Komiker  in  Schwe- 
den, da  noch  im  Jahre  1865  Henning  Wendell  in  seiner 
Übersetzung  der  Andria4)  seine  Arbeit  als  die  erste  derartige 
in   Schweden  bezeichnen  kann.5) 

In  Ungarn  enthielt  die  reiche  Corvina6)  Handschriften  aller 
plautinischen  und  terentianischen  Stücke. 7)  Johannes  Sambucus 
(Zzämboki)  gab  im  sechszehnten  Jahrhundert  den  Plautus,8) 
Esaias  Budai  (1685)  den  Terenz  heraus.9)  Schon  früher  finden 
sich  vereinzeinte  Übersetzungen  der  Klassiker,  wie  die  von  Bartho- 
lomaeus  Frankfurter  gefertigte  Übertragung  der  Batracho- 
myomaehie,  sowie  die  in  plautinischer  Form  und  Stil 
abgefasste    Komödie     „Gryllus". 10)       Später     (1782)     übersetzte 


nem  gnädigen  Herrn  ausgegangen.  Ich  sage  ihnen,  ich  sey  der  Herr  im 
Haus,  so  ist  ihre  Einwendung:  nicht  in  diesem,  vielleicht  in  einem  an- 
dern. Ich  zürne,  und  sie  weisen  mir  die  Thür  und  drohen  mir,  es  ihrem 
Herrn  zu  klagen.  Ohnmöglich  kann  ich  diese  Begebenheit  begreifen. 
Aber  hier  sehe  ich  Hansen."  — .Der  plautinische  Amphitruo  war  im 
Jahre  1723  in  dänischer  Übersetzung  in  Kopenhagen  aufge- 
führt worden.  Hierüber  berichtet  Alb.  Thura  (I.e.  S.  5):  „Cornoedia 
vero  Plautina.  Amphitruo  dieta.  Danice  translata  est,  &  in  Theatro 
Hafniensium  Danico  publice  an.  1723  exhibita,  moxque  Hafn.  aliquoties 
edita  in  8."  —  Der  erste  Band  einer  dänischen  Übersetzung  des 
Plautus  von  Guldberg  erschien  1812  in  Kopenhagen. 

•)  Die  dänische  Schaubühne.    S.  V.  —  Prutz.    S.  201. 

2)  A.  a.  0.    S.  222. 

3)  Vom  Jahre  1740.    (IL  Teil  Lpz.  1746.) 

4)  Flickan  frän  Andros.  Lustspei  af  Publius  Terentius  Afer,  af 
H.  Wendell.     (Lund  1865.) 

5)  „Den  öfersättning  af  Terentii  Andria  är,  sävidt  jag  har  mig  be- 
haut, den  första  i  sitt  slag  pä  svenska  spräket."  Dagegen 
spräche  allerdings  eine  Notiz  in  Schweigers  Handbuch  (LI,  2;  S.  1083), 
wo  angeführt  wird:  Terence  Comedier,  pä  svensk  öfversatt.  3  tom.  12. 
Stockholm  1699—1708. 

u)  Vgl.  Litterarische  Berichte  aus  Ungarn,  herausgegeben  von  Paul 
Hunfalvy.  Zweiter  Band  (Budapest,  Knoll  1878).  S.  556—581.  Die 
Bibliothek  des  Königs  Matthias  Corvinus  von  Dr.  Eugen  Abel,  wo 
S.  581  berichtet  wird,  die  Corvina  sei  den  grösseren  gleichzeitigen  ita- 
lienischen Bibliotheken  (Laurentiana,  Vaticaua,  Marciana  u.  a.)  gleich- 
gestanden. 

7)  Ebenda.    S.  569. 

8)  Ebenda.  S.  238 — 262.  Die  klassische  Philologie  in  Ungarn  von 
Dr.  Eugen  Abel.     S.  247. 

9)  Ebenda.    S.  249. 

10)  Ebenda.     S.  247.     „Andrerseits   können    auch   die   von  Bartho- 

6* 


84  Die  alten  Komiker  in  Deutschland. 

Alexander  Kovasznay  in  ungenügender  Weise  Stücke  von 
Plantus  und  Terenz  in  Prosa  (Mostellaria,  Andria);')  im 
Jahre  1828  übersetzte  Johan  Kis  die  Andria  und  1831  den 
Eunuchus.  -)  Ob  Georg  Fejers,  „der  alte  Geizhals",  der  nach 
einer  lateinischen  Handschrift  ins  Ungarische  übersetzt  wurde, 3) 
auf  der  Aulularia  beruht,   vermag  ich  nicht  zu  bestimmen. 


Hinsichtlich  seiner  Vorliebe  für  die  klassische  Litte- 
ratur  und  des  Verständnisses  derselben  darf  sich  Deutsch- 
land mit  Italien  messen. 

Frühe  begegnen  wir  hier  der  Gandersheimer  Nonne  Hrots- 
witha  (=Clamor  validus),  gegen  980(967),  welche  in  ihren  sechs 
Stücken,  dramatisierten  Legenden, 4)  der  Freiheit  der  terentianischen 
Komödien  einen  Damm  entgegensetzen  wollte.  Das  überschweng- 
liche Lob,  das  ihr  Gottsched,5)  bei  welchem  sich  Gallicanus 
übersetzt  findet,  gespendet  hat,  kann  man  nicht  teilen.  Ihre 
Stücke  sind  vielmehr  nichts  weiteres  als  verunglückte  Nach- 
ahmungen des  terentianischen  Stiles;6)  Plautus  kannte  sie 
nicht.7)  Übrigens  lässt  selbst  die  äussere  Form  dieser  Spiele 
keinen  Vergleich  mit  Terenz  zu".8)  Ihre  Stücke  waren  trotz 
der  Annahme   einiger  Gelehrter9)   für    die   Aufführung   nicht    be- 


lomaeus  Frankfurter  verfässten  Übersetzungen  der  homerischen  Ba- 
trachomyomachie  und  die  in  plautinischem  Stile  gehaltene  Komödie 
,Gryllus'  als  Zeichen  dienen,  dass  die  klassische  Philologie  auch  bei 
uns  eine  ernstere  Richtung  genommen  hätte,  wenn  nicht  die  unglück- 
liche Schlacht  bei  Mohäcs  (15^6)  mit  Einem  Schlage  auf  lange  Zeit  alles 
wissenschaftliche  Leben  in  Ungarn  vernichtet  hätte." 

')  Geschichte  der  ungrischen  Dichtung  von  den  ältesten  Zeiten  bis 
auf  Alex.  Kisfaludy  von  Toldi.  Übersetzt  von  Gustav  Stein- 
acker.    Pest  (Heckenast)  1863.    S.  373. 

2)  Litterarische  Berichte  u.  s.  w.    LT,  252. 

3)  Toldi.    S.  449. 

4)  Abraham;  Callimachus;  Dulcitius;  Fides  et  Spes,  die  Töchter  der 
Sapientia;  Gallicanus;  Paphnutius.  (Ft.  Koepke.  Ottonische  Studien. 
II.  Hrotsuit  von  Gandersheim.)     (Berlin  1869.) 

5)  Nöth.  Vorrath.    IL  6-39. 

6)  K.  Gödeke,  Grundriss  zur  Geschichte  der  deutschen  Dichtung 
aus  den  Quellen.  2.  Aufl.  (Dresden  1884.)  I,  32.  486.  —  Ward.  S.  3. 
Hroswitha  borrowed  nothing  but  the  outward  form  of  Terence.  —  Ed. 
du  Meril,  Origines  lat.    S.  16. 

7)  „Plauti  comoedias  Hrosuitham  legisse  Rudolphus  Koepkius 
in  docto,  quem  de  ea  scripsit  libro  p.  142.  143.  145  existimat;  sed  ut 
dubitanter  loquatur."  S.  die  Widerlegung  inMauricii  Hauptii  opus- 
cula.  (Lipsiae  1876.)  Vol.  HI.  S.  587.  —  Hase,  Das  geistliche  Schau- 
spiel.   S.  9. 

8)  H.  Kurtz,  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  mit  ausgewählten 
Stücken.    (Lpz.  1873.)    I.  715. 

9)  Z.  B.   Charles   Magnin   (1845)   und   W.  E.   Hartpole  Lecky, 


Hrotswitha.     Notker  Labeo.    Nythart.  85 

stimmt  und  kamen  auch  nie  auf  die  Bühne. a)  Sie  waren  nur  auf 
die  Lektüre  berechnet.2) 

Schon  am  Beginne  des  elften  Jahrhunderts  übersetzte  ein 
Mönch  von  St.  Gallen,  Notker  Labeo  (gest.  am  22.  Juni 
1022),  die  Andria  des  Terenz. 3)  Die  Arbeit,  über  welche  er 
an  den  Bischof  von  Sitten  berichtete,   ist  verloren  gegangen. 

Bekannt  ist  auch,  welchen  Sinn  der  deutsche  Kaiser  Otto 
der  Grosse  (936 — 973)  für  die  Schönheit  der  Dichtungen  des 
Terenz  besass.4) 

Mit  der  Veröffentlichung  der  Komödien  der  Hrotswitha  durch 
den  allenthalben5)  thätigen  Konrad  Pickel  (M  eis  sei),  genannt 
Celtis,  aus  Wipfeld  (1459  — 1508),  wurde  auf  Terenz  nachhaltig 
hingewiesen  und  dessen  Nachahmung  gefördert. 

Das  Ende  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  brachte  in  Deutsch- 
land verschiedene  Terenzübersetzungen.  Aus  dem  Jahre  1486 
stammt  der  Eunuchus  des  Nythart  aus  Ulm:  Hernach  volget 
ain  Maisterliche  vnd  wolgesetzte  Comedia,  zelesen  vnd  zehören 
lüstig  vnd  kurtzwylig,  die  der  Hochgelert  vnd  gross  Maister  vnd 
Poet  Tberencius  gar  subtill,  mit  grosser  kunst  vnd  hohem  flyss 
gesetzt  hat,    darin    man   lernet  die  gemuet  aigenschaft  vnd  sitten 


Geschickte  des  Ursprungs  und  Einflusses  der  Aufklärung  iu  Europa. 
Deutsch  von  Jolowicz.  Lpz.  1868.  II,  243.  —  Genee,  Lehr-  u.  Wander- 
jahre des  deutschen  Schauspiels.  Berl.  1882.  S.  7.  —  Glaser,  Gesch. 
des  Theaters  in  Braunschweig.    1861.    S.  3. 

')  Gottsched,  Nöth.  Vorr.  I,  4  ff.  —  E.  M.  Plümike,  Entwurf 
einer  Theatergeschichte  von  Berlin.  (Berlin  u.  Stettin  1781.)  S.  5  u.  6.  — 
Gervinus.  II,  564.  —  Grimm,  Latein.  Gedichte  des  X.  und  XI.  Jahr- 
hunderts. —  A.  Koberstein,  Grundriss  der  Geschichte  der  deutschen 
Nationallitteratur.    6.  Aufl.    Lpz.  1884.    I,  399.  —  Klein.    III,  648—754. 

—  G.  Frey  tag,  De  Hrosuitha  poetria.    Vratislav.  1839. 

2)  Im  Jahre  1501  hat  Konrad  Celtis  diese  Stücke  herausgegeben 
(vgl.  Ch.  Schmidt,  Histoire  litteraire  de  l'Alsace.  I.  S.  207.  Anm.  47); 
fernerhin  Barack,  Nürnb.  1858.  —  Vgl.  Roswitha  u.  Conrad  Celtes 
von  Jos.  Aschbach.  (Wien  1868.)  —  Hroswitha  von  Gandersheim. 
Comödien,  übersetzt  und  erläutert  von  J.  Bendixen.  Altona  1850,  Lü- 
beck 1858.  —  Flöge  1.    IV,  281  ff. 

3)  Grimm,  Göttinger  Gelehrte  Anzeigen  1835.    Nr.  92.    S.  911— 913. 

—  K.  Gödeke,  Deutsche  Dichtung  im  Mittelalter.  2.  Aufl.  Dresden  1871. 
S.  40.  —  Ward  a.  a.  0.    S.  4.  —  Kehrein.  Die  dramatische  Poesie  der 

•Deutschen.  (Lpz.  1840.)  I,  47.  —  Schnorrs  Archiv.  VII,  158.  —  Gö- 
deke, Grundriss.    (2.  Aufl.)    I,  26.  485.  —  Koberstein.    (6.  Aufl.)    1,87. 

'')  v.  Giesebrecht,  Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit.  I.  Bd. 
S.  322.  „Als  er  (Otto)  dann  später  die  Lust  spiele  des  Terenz  las,  sah 
man  ihn  bei  den  ausgelassenen  Stellen  keine  Miene  verziehen;  kein 
Lächeln  kam  über  seine  Lippen;  er  empfand  die  Schönheit  der  Form; 
sie  nahm  seine  Aufmerksamkeil  ganz  gefangen." 

5)  Über  Celtis'  humanistische  Thätigkeit  in  Ungarn  s.  Dr.  Eug. 
Abel,  „Die  gelehrte  Donaugesellschaft  des  Konrad  Celtes  in  Ungarn." 
S.  321—349  des  vierten  Bandes  der  Litterarischen  Berichte  aus  Ungarn. 
Herausgegeben  von  Paul  Hunfalvy.    1880. 


86  Nythart. 

der  Menschen  des  gemainen  Volks  erkennen.  Darumb  ain  yeden 
so  durch  lesen  oder  hören  dess  wissen  empfachet  sich  dester  bass 
vor  aller  Betrügnuss  der  bösen  Menschen  mag  hütten  vnd  wissen 
zebewaren. 

Am  Ende  (fol.  93)  steht:  Dise  Comedia  hat  Hanns  Nythart 
zu  Vlm  lassen  trucken  den  Cunrad  Dinekmut,  in  fol.  Nach 
Crists  gebürt  m.   cccc.   Ixxxvj  Jar. 

Das  Werk  liegt  auf  der  Zwickauischen  Bibliothek  und  ist 
ein  Foliant  von  vier  und  neunzig  Blättern.  Das  Ganze  enthält 
überall  Erklärungen  zur  Sache,  so  z.  B.  zum  Titel  „Eunuchus, 
das  ist  in  teutsch  Hamling".1) 

Im  Jahre  1499  erschienen  in  Strassburg  alle  Komödien 
des  Terenz  in  Prosa  von  einem  unbekannten  Verfasser.  „Te- 
rentius  der  hochgelert  vnd  allerbruchelist  Poet  von  Latin  zu 
Tütsch  transferirt,  nach  dem  Text  vnd  nach  der  gloss.  In  sinen 
VI  büchern  vss  dem  ein  yeglicher  mensch  erkennen  mag  die  sitten 
vnd  gemüt  der  andern  menschen. "  2) 

Die  Vorrede  beweist,  wie  beliebt  einzelne  Stücke  des  Te- 
renz damals  waren.  Die  Teilnahme,  welche  einige  derselben 
fanden,  veranlasste  die  Übersetzung  weiterer.  Das  Titelblatt  hat 
einen  Holzschnitt.      Auf  der  zweiten  Seite  steht: 

Zu  Carthago  in  der  Stat  so  hoch 

Ward  geboren  ich  Therencius,  doch 
Zu  dem  Römschen  rieh  kam  ich  gerobt 

Von  miner  Vernunft  vast  hoch  begobt 
Aller  menschen  sytten  beschriben  hab 

Gar  von  iugent  an  biss  in  das  grab. 
Wie  auch  die  knecht  die  herren  betriegen 

Wie  ein  schnöd  fraw  und  frihard  lugen 
Ein  yeglicher  der  das  lesen  ist, 

Der  macht  sich  sicher  zu  aller  frist. 

Alsdann  folgt  die  Vorrede:  „allen  vnd  y ecklichen  Erbern 
frumen  vnd  redlichen  Tütschen  ist  daz  Buch  getütscht  vnd  gedruckt 
durch  rat  vnd  angeben  hochgelerter  Kit,  doktor  vnd  meister,  die 
das  nützlich  sie  allen  tütschen  erkannt  haben"   u.  s.  w. 

Jede  Komödie  hat  ihre  Holzschnitte.  Das  Bild  zur  Andria 
findet  sich  in  Gottscheds  „Nöthigem  Vorrath".  Die  Akte 
heissen  Übungen;  die  Auftritte  Szenen;  die  Sprache  ist  sehr 
ungewandt.  Der  ganze  Band  hat  einhundert  acht  und  sechzig 
gezählte  Blätter.      Am    Ende    (Fol.    168)    heisst    es:    Getruckt    in 


')  Gottsched,  Nöth.  Vorr.  I,  37.  —  Panzer,  Annalen  1,  No.  235. 
—  Koberstein.  I,  399.  —  Gervinus.  II,  60G.  —  Gödeke,  Grundriss. 
2.  Aufl.  I,  444.  —  R.  Gene"e,  Lehr-  und  Wanderjahre  des  deutschen 
Schauspiels.    Berlin  1882.    S.  29  ff. 

2)  Gottsched,  Nöth.  Vorr.    I,  3. 


Albrecht  von  Eybe.  87 

der  keiserlichen  vnd  fryen  statt  Strassburg  von  Hanss  grünynger. 
Vnd  seliclicli  geendet  vff  zynstag  vor  sant  Gregorientag.  Nach 
Christi  geburt    1499. 

Proben  finden  sich  am  angeführten  Orte  bei  Gottsched;1) 
ebenso  bei  Gödeke2)  zu  den  Übersetzungen  von  1486  und 
1499.      Die  ersten  Worte  mögen  als  Muster  der  Arbeit  hierstehen: 

I.  Auftritt.     Symo.    Sosia. 

Jr  die  Ding  hynnyn,  nementz  kynweg,  gond  darvon.  Oder  also 
secundum  donatum»  Jr  neinent  binb  die  Ding  hynnync  ganzen  hinwegk. 
Sosia  näher  dich  mird,  mit  wenigem  ich  dich  will. 

»Mit  versag  mangelt,  das  er  nit  anfacht  mit  dem  eygen  namen. 
Desglichen  das  Virgilius  anfacht  mit  dem  eigen  namen. 

bEr  meldet  ein  Vrsach  den  andern  hinwegk  zu  zon,  so  er  spricht. 
Nemet  hin  die  Ding  synyn,  das  er  mit  argkwon  ynstosse  den  Sosiam 
blyben  sin,  vss  vrsach  im  teilhafftig  machen  seiner  heymligkeit  u.  s.  w. 

Im  Jahre  1511  erschienen  Albrechts  von  Eybe  (geb.  24. 
August  1420;  gest.  24.  Juli  1475)  Menächmen  und  Bacchides 
in  Augsburg,3)  von  seinem  Neffen,  dem  Bischof  von  Eichstädt, 
Gabriel  von  Eybe,  herausgegeben.  „Spiegel  der  sitten  im  latein 
genant  Speculum  morü.  Von  guten  vnd  bösen  sitten.  Von  sünden 
vnd  tilgenden  dargegen.  Von  ständen  vnd  ämptern  mancherlay  per- 
sonell (bis  hierher  in  rotem  Drucke).  Dabey  auch  nachvolgklich  Co- 
medien  Plauti  in  Menechino  et  Bachide  vnd  Philegenia  Vgolini. 
kurtzweilig  vn  schimpflich  zu  lesen.  Darauss  man  nemen  mag  leere 
vnd  vnderschied  guter  sitten  und  pöser  dargegen.  Die  guten  zu 
begreiffen  vnd  die  bösen  zu  vermeiden:  Nach  vermuttuiig  des 
Edeln  hochgeleertn  vnd  wirdigen  herrn  Albrechts  von  Eybe.  in 
baiden  rechten  doctor  der  diss  buch  auss  vil  gütlicher  leerer  vnd 
haidnischer  natürlicher  maister  büchern  arbaitsamlich  getzogen  vn 
vom  latein  in  teutsch  gewendt  hat."  Auf  sechs  nicht  numerierte 
Blätter  folgen  einhundert  ein  und  neunzig  numerierte  in  klein 
Folio.  Auf  Folio  190a  heisst  es:  „Mit  lob  des  allmechtigen  ist 
angefangen,   volfürt  vnd  glücksäligklich  geEiidet  diss  löblich   buch 


')  Auch  Kehrein  a.  a.  0.  I,  74  führt  (aus  Ristgräf f,  Hist.  Antiq. 
Wien  1815)  Sprachproben  als  von  Eybe  stammend  an.  Wie  er  den  Text 
zitiert,  geht  daraus  hervor,  dass  er  die  Anmerkungen  abc  zum  Texte 
schlägt  und  z.  B.  a  und  d  ganz  auslässt,  statt  hynb  hynb,  statt  hync 
hync  u.  s.  w.  schreibt.  Allerdings  spricht  Kehrein  (S.  71)  auch  von 
Nachahmungen  der  (!)  Phädria  des  Terenz. 

2)  Gödeke.    (1.  Aufl.)    I.  139. 

3)  Den  vollen  Titel  der  Ausgabe  von  1511,  welche  in  der  Augs- 
burger Bibliothek  sich  findet,  verdanke  ich  der  freundlichen  Mitteilung 
des  Herrn  Bibliothekars  Dr.  Dobel  dortselbst.  Die  Ausgaben  von  1537 
und  1550  besitzt  die  Münchener  Bibliothek.  —  Proben  finden  sicli  in 
der  deutschen  Litteraturgeschichte  von  G.  und  F.  Scholl.  I,  50i>  sqq.  — 
Biographisches  bei  Gödeke,  Grundriss  zur  Geschichte  der  deutschen 
Dichtung  aus  den  Quellen.  Zweite  Aufl.  1884.  S.  370.  Die  Ausg.  von 
1537  führt  Gödeke  nicht  an. 


88  Albrecht  von  Eybe. 

(der  Sittenspiegel  genannt)  in  der  Kaiserlichen  Statt  Augspurg. 
durch  angehen  vnd  Verlegung  des  fürsichtigen  herren  Johaii 
Rynman  von  öringen,  in  der  teutschen  Nation  fürtreffenden  buch- 
fürers.  In  dem  jar  do  man  zalt  tausent  fünfhundert  vnd  aylff  jar. 
Am  ahent  Mathei  des  hayligen  Apostels  vnd  Ewangelisten. " ') 
Die  Ausgabe  von  1518, 2)  welche  sich  in  Augsburg  nicht  be- 
findet, besitzt  nach  Claus3)  die  Meusebachsche  Sammlung  der 
kgl.  Bibliothek  zu  Berlin.4)  Die  dritte  Ausgabe  ist  vom  Jahre 
1537;5)  die  vierte  endlich  vom  Jahre  1550  ist  einem  andern 
Werke6)    beigedruckt. 

Albrecht  von  Eybe  freute    sich,    mit   etwas  Neuem    auftreten 
zu  können.      In  seiner  Vorrede7)  zur  Bacchis  heisst  es:    „Plau- 

tus  der   poeta hat   gemacht   VIII   bücher    in    latein,    die 

man  gemaincklich  hat,  aber  dieses  (die  Bacchides)  hernach  ge- 
schriben  püchlin  mit  sampt  andren  aylffen,  die  sein  lange  zeyt 
wol  bey  fünff  hundert  jaren  oder  mer  verlorn  vnd  verporgen 
gewesen,  vnd  neylich  im  Concilio  zu  Basel  wider  gefun- 
den, also  dz  die  materi  wider  neyw  ist  bey  gelerten  vnd  vnge- 
lerten,   vnd  darumb   desteer  lustiger  vnd  girlicher  zu  lesen." 


')  S.  Gottsched  a.  a.  0.  —  Ge.  Willi.  Zapf,  Augsburgs  Buch- 
druckergeschichte  nebst  eleu  Jahrbüchern  derselben.  Augsb.  1791.  II,  49. 
—  (Panzers  Annalen,  S.  327.  Bibl.  Solgeri,  tom.  I.  pag.  36.)  —  Ger- 
vinus.    H,  607.  —  Koberstein.    1,418.  —  Gödeke.   Gdr.  I,  140. 

2)  S.  Zapf  a.  a.  0.  II,  108.  —  (Pauzers  Annalen,  S.  421.)  —  Diese 
Ausg.  von  1518  hat  Pareus  zur  Hand,  da  er  „Eyben"  zitiert,  qui  anno 
Christi  MDXIIX  sie  vernaculo  sermone  scripsit.    (II.  Ausg.  p.  P22.) 

3)  Über  die  Menächuien  des  Piautas  und  ihre  Nachbildungen 
besonders  durch  Shakespeare.  Stettin  (Progr.  der  Realschule  I.  0.)  1861. 
S.  20. 

4)  Nach  Gottsched  (Ncth.  Vorr.  DZ,  191)  ist  der  Titel  dieser 
zweiten  Auflage:  Two  Comedien  des  syunreichen  poeten  Plauti,  näm- 
lich in  Menechmo  vnd  Bachide.  Nachvolgeut  ain  Comedia  Vgolini, 
Philegenia  genannt.  Getewtscht  durch  den  wirdigen  vnd  hochgelerteu 
herrn  Albrecht  von  Eybe,   Doktor  u.  s.  w.     Augsjmrg  1518,  in  Quart. 

5)  Ihr  Titel  ist:  Comedien  Plauti  |  Teutsch.  |  Zwo  Comedin  des  synj 
reychfi.  poeten  Plauti,  nämlich  in  Menechmo  |  vnnd  Bachide.  Nach- 
uolgent  ain  Comedien  |  Vgolini  Philegenia  genannt.  Geteütscht  |  durch 
den  wirdigen  vfi  hochgelertn  herru  |  Alb  recht  von  Eybe,  Doktor  etc. 
(Vignette.)     M.  D.  XXXVII. 

Der.  Schluss  berichtet:  Getruokt  vnd  vollendet  in  der  Kaiserlichen  | 
Statt  Augspurg,  durch  Haiurich  |  Steyner  am  V.  tag  Julij  |  MDXXXVII. 

6)  Schimpff  vund  |  Ernst,  durch  alle  Welthänndel.  |  Hiebei  sein  auch 
die  Comedien  Plauti,  imn  Menechino,  Bachi'de  vnnd  Philogenia  Vgolini. 
Kurtzweylig  vnnd  schimpfflich  zu  |  lesen.  Durch  den  Edlen,  Hochge- 
lerten  vund  wirdigen  Hern  |  Albrechten  von  Eybe.  Beyder  Rechten 
Doctor  |  auss  dem  Latein  ins  Teutsch  gebrach.  |  Gedruckt  zu  Franckfurt 
zum  Bock  |  Bey  Cyriaco  Jacobo.  |  1550.  Folio  XCV— CVI  enthält  die 
Menächmen;  dann  folgt  die  Philogenia  und  dann  erst  Fol.  CXV — CXXVI 
Comedie  in  Bachide:  alle  ohne  Bilder. 

7)  Ausgabe  von  1537.    F.  IIJb. 


Joachim  Greif.  89 

Die  ersten  beiden  Jahrzehnte  des  sechszehnten  Jahrhunderts 
brachten  einen  kleinen  Stillstand  in  den  Übersetzungen  der  Ko- 
miker. *)  Doch  aber  war  es  die  grösste  Empfehlung,  in  ihrer 
Manier  gedichtet  zu  haben.  Christoph  Wirsung  (1500  — 1571) 
preist  seine  Celestina  „ain  hipsche  Tragedia  von  zwaien  lieb 
habenden  Menschen,  ainem  Ritter  Calixtus  und  ainer  edlen 
Junkfrawen,  Melibia  genannt"  (Augsb.  1520.  1534),  ausdrücklich 
als    „plautinisch"    an. 

Johannes  Agricola  richtete  (um  1520)  den  Terenz  zu 
leichterem  Schulgebrauche  ein.2)  Der  Thätigkeit  der  Reforma- 
toren ist  bereits  gedacht  worden. 

Besondere  Verdienste  um  die  Verbreitung  des  Plautus  und 
Terenz  erwarb  sich  Joachim  Greff  von  Zwickau.  Selbst  als 
Dichter  thätig  — -  er  schrieb  Judith  (1536),  Abraham,  Isak, 
Moses  (1540),  Lazarus  (1545)  —  dachte  er  daran,  den  ganzen 
Terenz  zu  übersetzen.  Als  aber  Harns  Übersetzung  der  Andria 
erschienen  war,  behielt  er  seinen  Plan  nur  mehr  für  die  übrigen 
fünf  Komödien  des  Terenz  bei. 3) 

Joachim  Greffs  Übersetzung  der  Aulularia  des  Plautus, 
Avelche  als  sein  Erstlingswerk  gilt,4)  erschien  im  Jahre  1535. 
Sie  führt  den  Titel:5)  „Eine  schöne  Lü|stige  Comedia  des  Poejten 
Plauti  Aulularia  ge|nannt,  durch  Joachinum  Greff  von  Zwickaw 
deudsch  |  gemacht  vnd  jnn  reim  |  verfasset,  fast  lüstig  |  vnd  kurtz- 
weilig  I  zu  lesen.  |  Quisquis  es,  ö  faueas,  nostrisque  labojribus 
adsis  |  His  quoque  des  ueniam  |  Magdeb.  Sechs  und  siebenzig 
Blätter  in  8°.  Am  Schlüsse:  Gedruckt  zu  Magdeburg,  [  Anno 
1.  5.   35. 

Über  diese  Aulularia  Greffs  berichtet  W.  Seh  er  er:6)  „Greff 
hat  die  Aulularia  mit  der  Ergänzung  des  Codrus  Urceus  im 
ganzen  ohne  Zusätze  oder  auffallende  Veränderungen  übertragen. 
Aber  Sittenschilderung  reizt  seine  Produktionslust.  In  der  Szene 
III,  10  (III,  5),  wo  Megadorus  seine  Sparsamkeitsrede  hält, 
welche  Euklio  bewundert,  ist  das  Bild  römischen  Frauenlebens 
durch  ein  deutsches  ersetzt.      Der  Wagen  fällt  weg,   an  die  Stelle 


')  Gottsched  (N.  V.  I,  45):  „Da  nun  im  vorigen  fünfzehnten  Jahr- 
hundert die  beiden  letzten  Zehnden  sich  durch  terenzische  Übersetzungen 
hervorgethan,  so  ist  es  allerdings  ein  Wunder,  dass  das  erste  Zehend 
dieses  neuen  Jahrhunderts  so  ganz  unfruchtbar  erscheint,  dass  ich  auch 
nicht  ein  einziges  Stück  davon  aufzuweisen  habe  oder  anzuführen  weiss." 

-)  Gervinus.    II,  606. 

3)  Deutsche  Studien  von  Wilh.  Scherer.  III.  Dramen  und  Drama- 
tiker. (Wien,  Gerold  1878.)  S.  16.  (XC.  Bd.  S.  185  der  Abh.  der  phil. 
hist.  Klasse  der  kais.  Akad.    Wien.)   —  Koberstein.    I,  412.    (6.  Aufl.) 

*}  Ebenda.    S.  15.  40. 

5)  Gottsched.    I,  G5.  —  Scherer.    S.  16. 

6)  A.  a.  O.    S.  41. 


90  Joachim  Greff. 

von  belagernden  Handwerkern  ist  das  beliebte  unerschöpfliche 
Thema  des  Putzes  und  der  Moden  getreten.  Die  reiche  Frau 
braucht   ..gülden  stück,   seiden  gewandt": 

Seht,  schmückt  sich  doch  Jens  Schneiders  weib 

Sie  kaufft  so  wol  auff  jren  leib, 

Als  eben  ich,  vnd  offt  vielleicht 

Vil  besser  kleider,  viel  schöner  gemeiht, 

Von  perln  gestickt,  von  sammet  vnd  seidt 

Von  kettn  vnd  anderen  silber  geschmeidt. 

Die  reiche  Frau  macht  Anspruch  auf  das  beste  von  Silber 
und  Gold,   Ketten,   Gürtel,   Borten,   Ringe: 

Ob  sie  wol  hat  zehn  rock  im  Haus 
Vom  besten  gewandt,  das  machts  nicht  aus, 
Erst  will  sie  haben  von  Damasck  ein  rock 
Dazu  ein  gebrehm  von  gülden  stück, 
Noch  ist  es  nichts,  dann  will  sie  han 
Noch  zweymal  mehr  von  jrem  man 
Von  Adlas  gut  vnd  auch  Karteg 
Bringt  sie  noch  viel  mehr  rock  zu  weg. 

Aber  sie  will  noch  mehr:  Schleier,  Stirntuch,  eine  goldene 
Haube,  eine  Pfaffenschaube,  „eine  newe  kürsch".  Damit  nicht  ge- 
nug; sie  braucht  reichlich  Dienerschaft,  wie  bei  Plautus:  zwei 
Mägde,  Knechte,  „die  sie  zuweilen  fürn  aufm  schütten".  Mega- 
dorus  fasst  seine  Ansichten  dahin  zusammen: 

Wo  aber  das  geld  der  freyher  ist 
Da  ist  nichts  guts  zu  aller  frist, 
Und  wo  auch  Doktor  Sieman  regiert 
Kein  gut  Regiment  da  nimmer  wird. 

Auch  sonst  hat  Greff  seine  Vorlage  nationalisiert  und  loka- 
lisiert. Bei  Plautus  will  Megadorus  guten  alten  Wein  schicken. 
Euklio  aber  trinkt  nur  Wasser  (III,  6).  Bei  Greff  bietet  Me- 
gadorus „ein  gute  lagel  Maluasier"  an,  itnd  Euclio  zieht  „Hellisch 
Bier"  vor.  Lyconides  verlangt  die  von  ihm  verführte  Tochter 
Euclio s  zum  Weibe,  „nachdems  all  Kaiserliche  recht  beschreibn". 
Die  Fides,  die  für  Euclio  Schatzhüterin  sein  soll,  wird  durch  St. 
Nikolaus  ersetzt,   der  sich  aber  ebenso  wenig  bewährt: 

Ich  meint  S.  Niclaus  wer  ein  frommer  man 
Fürwar  es  ist  kein  wert  nicht  dran 
Und  hat  er  noch  so  ein  grawen  bardt 
So  ist  er  doch  ein  schalk  von  art. 

„Die  Beteuerung  des  Lyconides  ,ita  me  eiiciat  Diespiter!'  etc. 
ist  ersetzt  durch  ,So  schlag  mich  todt  S.  Mertens  pferd'.  Die 
Heiligen  werden  natürlich  nicht  ohne  protestantische  Tendenz  so 
verwendet. " 


Muschler.    Harn.  91 

Ungefähr  um  das  Jahr  1530 *)  erschien  Muschler s  Über- 
setzung der  Hecyra  des  Terenz.  „Die  sechste  und  letzte  Co- 
media  Terentii  Ecyra  genannt,  aus  dem  Latein  in  teutsche  reymen 
gebracht,  auch  durch  doct.  Jo.  Muschler  zu  Leipzig  auf  dem  Rath- 
hauss  öffentlich  gespielt,  gedruckt  zu  Nürnberg  durch  Kunegund 
Hergotin."  Ohne  Jahreszahl.  Nach  Gottsched2)  wäre  dies  das 
erste  Stück,  das  Leipzig  hervorgebracht,  und  das  öffentlich  von 
einem  Rektor  der  Niklasschule  aufgeführt  wurde. 3) 

Gleichzeitig  mit  Joachim  Greffs  Aulularia  (1535),  d.  h. 
hinter  derselben,  erschien  die  Andria  des  Terenz  in  der  deutschen 
Bearbeitung  von  Heinrich  Harn.  Ob  sie  vordem  selbständig  ge- 
druckt wurde,   ist  nicht  bekannt. 4) 

Der  Titel  (Bl.  F.  4)  lautet:  Andria  des  |  Terentii  Comedia  | 
Deudsch  gemacht  vnd  inn  reim  verfasset,  Durch  |  Magistrum 
Heinricum  |  Ham,  |  Fast  lüstig  vnd  kurtzjweilig  zu  lesen.  Zu 
dieser  Übersetzung  Harns  hat  Greff  Zusätze  gemacht,  welche 
sämtlich  J.  G.  gezeichnet  sind. 5)  Er  führt  selber  die  Übersetzung 
seines  Freundes  Ham  (Bl.  F.  4)1)  mit  einer  Empfehlung  bei  den 
Lesern  ein  und  sagt:  „dass  er  diese  Andria  seines  Freundes  Ham 
schier  on  seinen  willen"  mit  seiner  Aulularia  habe  drucken  lassen, 
um  zu  zeigen,  dass  er  nicht  bloss  seine  eigenen  Arbeiten  „wert 
halte",  und  dass  andere  Leute  auch  etwas  verstehen.6) 

Ham,  der  im  Jahre  1553  als  Prediger  abgesetzt  worden 
war,  weil  er  gelehrt  hatte,  dass  Maria  Christum  mit  Schmerzen 
gebar,7)  beschäftigte  sich  noch  weiter  mit  Terenz.  Im  Jahre 
1602  erschien  die  Andria  des  Ham  zu  Wittenberg  unter  dem 
gleichen  Titel,  wie  die  erste  Ausgabe;8)  schon  im  folgenden  Jahre 
(1603)  gab  sie  Stephan  Riceius  wieder  heraus;9)   ebenso  wurde 


')  Gödeke.    Gdr.    I,  288. 

2)  Nöth.  Vorr.    I,  65. 

3)  Diese  Aufführung-  fand  im  Jahre  1535  im  Rathaussaale  zu  Leip- 
zig durch  Nikolaischüler  statt.  (Dr.  Emil  Kneschke,  Zur  Geschichte 
des  Theaters  und  der  Musik  in  Leipzig.)    Lpz.  1864.    S.  1. 

'■)  Scherer  a.  a.  0.    S.  16. 

5)  Ebenda.    S.  17. 

6)  Ebenda...  S.  16.  —  Gödeke.  Gdr.  I,  288.  —  Proben  dieser  Andria 
giebt  Degen,  Übers,  der  Bömer.  II,  181.  —  (Vgl.  Gervinus.  IL  607; 
HI,  100.) 

7)  Kordes,  Agricolas  Schriften.    Altona  1817.    S.  304-308. 

8)  Gottsched,  Nöth.  Vorr.    I,  150. 

9)  P.  Terentii  Comoedia  Andria  in  vsum  studiosae  iuventutis  ger- 
manice  reddita  Ä^suis  argumentis,  phrasibus  latini  sermonis  &c,  edita 
a  Stephano  RieTÄo.  Accessit  eadem  Comoedia  rhythmis  germanicis 
composita  a  M.  Heinrico  Ham.  —  Addita  etiam  sunt  scholia  in  eandeni 
Comoediam  M.  Z.  Agricolac  Islebii  olim,  edita  1600.  Lipsiae  impensis 
Jac.  Apelii  in  8°.  —  (Gottsched.  Nöth.  Vorr.  1,64.  11,243.  —  Gödeke. 
Gdr.    I,  288.) 


92  Hans  Sachs. 

sie  im  Jahre  1613  neu  aufgelegt.  Das  Jahr  1614  brachte  eine 
neue  Übersetzung  von  einem  Lymberger. 

Des  Einflusses,  den  diese  Beschäftigung  mit  den  lateinischen 
Lustspieldichtern  mit  sich  bringen  musste,  ist  bereits  gedacht 
worden.  Selbst  der  urdeutsche  Hans  Sachs  konnte  sich  desselben 
nicht  erwehren.  Er  schrieb  die  Menächmen  im  Jahre  1548 ') 
und  15632)  den  Eunuchen,  Von  der  Buhlerin  Thais  und  ihren 
zwei  Buhlen,  dem  Ritter  Thraso  und  Phädria,  die  freilich  völlig 
lokalisiert  und  seinem  Publikum  angepasst  wurden.3)  Hans 
Sachs  bearbeitete  übrigens  mehrere  Stücke  nach  antiken  Vor- 
bildern, so  die  Elektra  des  Euripides,  den  Plutus  des  Aristo- 
phanes, 4)  eine  Jokaste,  eine  Klytämnestra. 5)  „Doch  kannte 
er  die  Originale  natürlich  nicht,  sondern  arbeitete  nach  früheren 
Übersetzungen,  oder  wohl  auch  zum  Teil  nach  Andeutungen,  die 
er  in  andern  Schriften  gefunden  haben  mochte. "  6) 

Trotz  der  Unkenntnis  der  Originale  warf  sich  „Hans  Sachs 
mit  augenscheinlicher  Freude  auf  alles,  was  er  von  den  Schriften 
der  Alten  erreichen  konnte,  und  teilte  in  einer  Reihe  von  Jahren 
eine  Unzahl  von  verschiedenen  Erzählungen  und  Gedichten  mit, 
deren  Stoff  er  aus  Diodor  (übersetzt  von  Herold  1554),  aus 
Herodot,  Herodian,  Plutarch,  Justin,  Xenophon  (alle  ganz  oder 
teilweise  von  Boner  zwischen  1532  und  1540  übertragen),  aus 
Livius  (von  Schäferlein  1505),  aus  Plinius  (1565  übersetzt), 
aus  Ovid,  Vergil,  Lucian,  Homer,  Apulejus,  Musäus,  Valerius 
Maximus,   Seneka,   Cicero  u.  a.   entnahm. " 7) 

Man  erblickt  in  Hans  Sachs  genau  den  Fortschritt.  „Er 
versuchte  es  schon  in  seinen  frühesten  Jahren,  namentlich  die 
Gesprächsform  Lucians  und  ähnliches  noch  in  der  Art  des  Rosen- 
blüt  und  Hans  Folzens  zu  bearbeiten;  bald  griff  er  die  klassischen 
Formen  auf  nach  dem  Muster  des  Terenz."8) 

„Hans  Sachs  und  nach  ihm  jeder  Dramendichter  nahm  von 
Terenz    den    Akt     und    die    Szene    und    benannte     sie    höchstens 


^  Gottsched  a.  a.  0.  I,  91.  92,  hält  dies  für  die  erste  plaut  mische 
Komödie,  die  man  ins  Deutsche  gebracht  hat.  Dies  ist  aber  nicht  ge- 
nau; vgl.  z.  B.  Greffs  Aulularia. 

2)  So  Koberstein.  1,403.  —  J.  L.  Hoff  mann,  Hans  Sachs.  Nürn- 
berg 1847.  S.  134,  Anm.  „Sein  letztes  Drama  ist  von  1564,  die  populäre 
Bearbeitung  des  Eunuchen  von  Terenz." 

3)  Vgl.  Hoffman.    S.  105,  Anm.  —  Gottsched  a.  a.  0.    I,  112. 

4)  Gottsched,  Nöth.  Vorr.    I,  61. 

5)  Wahrscheinlich  diese  Klytämnestra  des  Hans  Sachs  hat  der  an 
deutschen  Universitäten  gebildete  Humanist  Peter  Bornemisza  nach 
Ungarn  gebracht.     Toldi  (übersetzt  von  Steinacker).    S.  205. 

c)  Kurtz  a.  a.  0.    II,  109. 
')  Gervinus  a.  a.  0.    II,  708. 
8)  Ebenda.    II,  714. 


Jonas  Bitner.  93 

verdeutschend1)  Handlungen,  Ausfahrten,  Fürtragen,  Gespräche 
u.    s.    w. "  2) 

Bei  seiner  Popularisierung  musste  Hans  Sachs  natürlich  die 
Gestalten  der  Originale  umtaufen.  So  nannte  er  den  Ehemann 
im  Menächmus  Lutz,  den  Knecht  Heintz  u.  s.  w.,  3)  wovon  später 
zu  handeln  ist. 

Ehen  diese  Umgestaltung  und  Popularisierung  aber  erregte 
ihm  heftigen  Widerspruch  und  scharfe  Gegner.  Ein  solcher  war 
Jonas  Bitner,  der  im  Jahre  1570  seine  gegen  Hans  Sachs 
gerichteten  Menaechmi  „erst  newlich  verdollmetschet"  erscheinen 
Hess,4)  damit  man  spüren  möge,  „dass  Plauti  Komödien  viel  ein 
ander  Werk  seien,   als  die  Komödien  von  Hans  Sachsen. " 5) 

In  der  Vorrede  heisst  es:  Jonas  Bitner,  dem  bilichen  Leser: 
„Lieber  Leser,  als  ich  mich  nechstmal  in  vergangenem  Jar  durch 
den  achtbaren  Herrn  Josiam  Eichel,  Buchtrucker  hab  bewegen 
und  überreden  lassen,  dass  des  hochgelehrten  Buchanan  latei- 
nischer Jephthes  öffentlich  in  truck  ausgienge,  obgleich  solcher 
allein  einer  löblichen  Bürgerschaft  zu  Ehren  vnd  Gefallen,  dass 
sie  desto  bass  verstund  und  sich  erinnert,  was  die  lateinisch 
tragödi  wer,  war  in  der  teutschen  Sprach  verdolmetschet  gespielet 
worden,  so  teyl  ich  dir  yetz  von  mir  selbs  mit,  ein  Comödi  des 
alten  hochverständigen  römischen  Poeten  Accii  Plauti,  die  genannt 
wärt:  Menächmi,  von  zwey  Zwillings  Brüdern,  auf  dass  du  den 
Vnterscheid  lernest  verstahn,  der  zwischen  einer  Comödi  vnd  Tra- 
gödi ist.  Vnd  wiewol  ich  dir  gegen  einander  halt,  ein  christliche 
Tragödi  vnd  heydnische  Comödi:  so  würstu  sie  doch  bey  der 
Eigenschafft  vnd  ein  jedes  in  seiner  Arth  woll  wissen  zu  erkennen 
vnd  verteylen  —    —   — ■ 

Ich  hab  aber  die  Comödi  Plauti  desto  lieber  lassen 
teutsch  werden,  vnd  im  truck  ausgehen,  damit  mennig- 
lich spüren  vnd  sehen  könnte,  dass  des  sinnreichen  vnd 
hochverständigen  Plauti  Comödien  viel  ein  ander  Werk 
seyen,    den    die    Comödi    von  Hans  Sachsen   zu  Nürnberg' 


*)  So  heisst  der  Diakonus  von  Tübingen  seine  Akte  Übungen,  die 
Szenen  Hüttin;  Thomas  Kirchmayer  (1541)  den  Akt  Aussfahrt, 
die  Szene  Gespräch. 

2)  Gervinus.    EU,  98.  —  Vergl.  das  S.  45  Gesagte. 

3)  Gottsched  a.  a.  0.    I,  91.  92. 

4)  Menächmi.  Ein  schöne  lustige  vnd  schimpfliche  Comödi  des 
alten  vnd  hochverstcndigen  Poeten  vnd  römischen  Comödischreibers 
Marci  Accii  Plauti.  Erst  newlich  aus  lateinischer  Sprach  in  die  tewtsche 
verdolmetschet.  Getruckt  zu  Strassburg  bei  Theobald  Berger  am 
Weinmarckt.  Anno  1570.  8°.  —  Gottsched  a.  a.  0.  11,225.  —  F.  Lob- 
stein, Beiträge  zur  Geschichte  der  Musik  im  Elsass,  besonders  in  Strass- 
burg.   (Strassb.  1840.)    S.  126. 

5)  Gervinus.  III,  101.  —  S.  Weiteres  von  ihm  bei  Weller,  An- 
nalen.    II,  250. 


94  J-  Ayrer.    Boltz  u.  a. 

ist  an  Tag-  gebracht,  da  er  gleichwol  dieser  Comödi  ihren 
Namen  lasset,  aber  aus  beyden  Zwillingsbrüdern  Menaechrais 
zween  Lutzen  machet.  Die  fürnehmsten  Schimpf  reden,  läster- 
lichen vnd  wunderlichen  Irrthumb  vnd  schönsten  Spruch  vnd  Lehre 
vergizt  vnd  ausslasst,  welche  doch  der  Comödi  eine  rechte  Ge- 
stillt,   Scheyn  vnd  Glantz  bringen." 

Auch  unter  Jakob  Ayrers  (gest.  26.  Mtärz  1605)  Dramen 
findet  sich   eine  Bearbeitung  der  Menächmen. ') 

Im  Jahre  1539  erschien  Publij  Terentij  Aphri  |  sechs  ver- 
teutschte  Comedien  auss  |  eygen  angeborner  Lateinischen  spraach  | 
auffs  trevlichst  transferiert  |  durch  Valentinum  Boltz  von 
Ruffach:  Anno  MDXXXIX,  in  Tübingen  gedruckt.  Der  Über- 
setzer nennt  sich  Diakonus  zu  Tübingen  und  sagt,  er  habe 
es  „den  armen  Schülerlin  zu  gute  gethan,  so  nit  allerwegen 
mögen  Interpretes  haben. " 2)  Der  Verteidigung  gegen  die  Vor- 
würfe ungelehrter  Theologen  ist  oben  (S.  32)  Erwähnung  ge- 
schehen. Die  Übersetzung  erschien  noch  öfter,  so  1546  und 
1559  in  Tübingen. 

Aus  dem  Jahre  1582  stammt  des  Martin  Hayneccius 
(1544 — 1611)  aus  Borna  Übersetzung  der  Captivi3)  „in  meist 
guten  Quaternarien",4)  die  zugleich  mit  dem  Allmansor  und  Hanso- 
framea   erschien. 5) 

Der  Pfarrer  von  Mohren  ,Bapst  von  Rochlitz'6)  hatte  im 
Jahre  1584  die  Iphigenia  in  Aulis  übersetzt;  im  Jahre  1590 
folgte  die  Andria  des  Terenz  in  Versen  und  die  Rithmologia.7) 

Clemens  Stephan  von  Buchaw  übertrug  im  Jahre  1554, 
dem  Pfalzgrafen  Otto  zu  Ehren,  den  Eunuehus  und  die  Andria 
in  Versen.  8) 


')  Gervinus.  III,  150.  „J.  Ayrer  hat  fünf  Stücke  aus  der  rö- 
mischen Urgeschichte  nach  Livius,  Bearbeitungen  nach  Frischlin  und 
PI  auf  us."  —  Vgl.  Bibliothek  des  litter.  Vereins  in  Stuttgart.  80.  Band. 
(18(55.)    S.  3421. 

2)  Gottsched,  Nöth.  Vorr.  I,  81.  —  Siehe  Weiteres  von  ihm  bei 
"Well er,  Annalen.    II,  290. 

3)  Captivi,  Der  gefangenen  Leute  Treu,  aus  dem  Marco  Actio 
Plauto  übersetzt  durch  M.  Mart.  Hayneccium. 

4)  Palm.    S.  100. 

5)  Gottsched.    II,  235.  —  Gödeke.    I,  288. 

6)  Gervinus.    IT,  607. 

7)  Rithmologia  in  die  sechs  Comedien  Terentii,  darin  eines  jeden 
Actus  und  Scenae  summarischer  Inhalt,  neben  vielen  nothwendigen 
Lehren  der  Jugend  zum  Unterricht,  dessgleichen  ein  kurtzweiliges  Spiel, 
der  Bawren  Fassnacht  genannt,  durch  Michel  Bapst  von  Rochlitz. 
MDXC  in  8°.  —  Im  Jahre  1596  wieder  gedruckt.  —  Gottsched.   I,  126. 

8)  Vgl.  L.  Rockinger,  Die  Pflege  der  Geschichte  durch  die  Wit- 
telsbacher.  Akademische  Festschrift  zur  Feier  des  Witteisbacher  Jubi- 
läums. München  (Verlag  der  Akademie).  Beil.  S.  12.  S.  Weiteres  über 
ihn  E.  Well  er,  Annalen.    II,  248. 


Poner.     Agricola.     Zenckfrey.  95 

Im  Jalire  1566  erschien:  Sechs  Cornedien  dess  Pnblii  Terentii 
Aphri  dess  hochuerstendigen  wolberedten  vnd  libliclien  Poeten, 
bührtig  aus  der  statt  Carthago  (welcher  vor  vnsres  Herrn  Christi 
geburt  132  Jar  gelebt),  jetzund  new  auss  lateinischer  spraach  in 
artig  vnd  künstlich  rbeymen  durch  M.  Johannem  Episcopiuni 
von  Würzburgk  verfasst,  darin  der  Welt  Stand,  arth  und  We- 
sen jetziger  Zeit  als  in  einem  klaren  Spiegel  für  die  Augen  gestellet 
wirt,  jederman  sehr  lustig  vnd  lieblich  zu  lesen.  Frankfurt  am 
Mayn   80.1) 

Josua  Poner  übersetzte  (1586)  den  Eunuchen.2)  Auf  die 
Vorrede  folgt  Dr.  Luthers  Zeugnis  für  dieses  Lustspiel,  welches 
der  Auslegung  des  hundertsten  Psalmes   entnommen  ist. 3) 

Agricolas  (1492  — 1566)  bereits  genannte  Ausgabe  der 
Andria,4)  1602  gedruckt,  ist  lediglich  ein  Schulbuch,  das  Schul- 
zwecken dient.5)  Am  Ende  heisst  es,  das  Stück  sei  von 
Agricola  1544  gemacht  und  1585  in  vielen  Stellen  verbessert 
worden. 6) 

In  deutsche  Reime  brachte  Heinrich  Zenckfrey  (1607) 
die  Aulularia  als  „Euclio",  das  ist  Ein  sehr  Lustig  figment, 
Von  einem  alten  Geitzhals,  wie  derselbige  einen  Topff  voll  Goldt 
findet,  welchen  er  niemandt,  Ja  seinen  selbst  eignen  Henden  nicht 
trawen  will,  vnnd  doch  endlich  vnversehener  weyse  darumb 
kompt  .  .  .  newlich  in  deutsche  Reym  gebracht  durch  M.  Henri- 
cum  Zenckfrey.  Lygio-Sihr.  Poetam  Caes.  (Theol.  Cand.  et 
illustris  apud  Berolinensis  Gymnasii  Collega.)  Gedruckt  zu  Frank- 
furt a./d.  Oder.  Durch  Nicolaum  Voltzen.  Anno  1607.    (60  Fol.)7) 

„Moritz  (Landgraf  von  Hessen  in  den  ersten  Jahren  des 
siebenzehnten  Jahrhunderts)  liebte  den  Genuss  des  Theaters,  wie 
sich  dasselbe  sparsamer  an   andern  Höfen  fand.     Er  vervornehmte 


>)  Gottsched.    I,  120. 

2)  EVNUXVS.  Des  Poeten  P.  Terentij  andere  Comödia,  deutsch 
gemacht  und  in  Keim  verfasset  durch  M.  JosuamPonerum,  dieser  Zeit 
zu  Arnstadt,  Pfarrherrn  und  Superattendenten.  Mit  einer  Vorrede  M. 
Stephani  Riccii  des  Eidern.  Hinter  der  Vorrede  steht  die  Jahreszahl  1586. 
(44  fol.)     Weimar. 

3)  Gottsched,  Nöth.  Vorr.    I,  121.  —  Gödeke.    Gedr.    I,  288. 

4)  P.  Terentii  Cornoedia  Andria  gernianice  reddita  et  scholiis  illu- 
strata  Joanne  Agricola  Islebiensi  Autore.  MDXLHI.  denuo  recognita  et 
a   pluribus  mendis  purgata  Wittebergae  ex  typogr.    Sim.    Gronenbergii. 

5)  Z.  B.  Poeta,  dieser  Fabeln  Meister,  cum  primum  appulit  animum, 
im  Anfang,  da  er  ihm  hat  fürgenommen,  ad  scribendum,  Comödien  zu 
schreiben  u.  s.  w.  —  Ebenso  ist  Steph.  ßiccius'  oben  angeführte  Aus- 
gabe der  Andria  Hams:  Cum  poeta  primum  adpulit  animum  ad  scri- 
bendum.  da  der  Port  Terelit  ins  sich  zum  erstenmale  unterstanden  hat, 
oder  ja  fürgenommen  hat,  Comödien  zu  schreiben  .  .  . 

6)  Gottsched,  Nöth.  Vorr.    II,  242.  —  Gödeke.    I,  288. 

7)  Breslau,  poet.  lat.  rec.  II.  ad.  478.  —  Gödeke.  I,  288.  — 
Schweiger  (Handbuch)  zitiert  Zenckert. 


96  Die  fruchtbringende  Gesellschaft. 

das  Mysterienspiel,  die  Fastnachtsschwänke  und  die  herkömm- 
lichen Komödien  der  gelehrten   Schulen,   indem  er meist 

lateinische  Komödien  im  Geschmacke  des  Terenz  dichtete  und 
durch  die  Hof-  und  Ritterschüler  aufführen  Hess. " ]) 

Auch  die  Mitglieder  der  fruchtbringenden  Gesell- 
schaft veranstalteten  im  jähre  1620  eine  neue  Übersetzung 
des  Terenz,2)  die,  obwohl  in  Prosa,  ihre  Vorgänger  doch  weit 
übertrifft.  3) 

Von  dieser  erschien  im  Jahre  1670  eine  neue  Auflage  in 
Hamburg. 

Vor  dem  ersten  Lustspiel  steht  von  Terenzens  Leben 
und  Schriften: 

Carthago  gross  hat  mir  mein  Vrsprung  erst  gegeben, 

Der  Römer  Raub  bin  ich  worden,  nach  Krieges-Recht, 

Der  Menschen  jung  vnd  alt  Sitten,  Gebrauch,  vnd  Leben 

Zeig  ich,  sampt  wie  berückt  seinen  Herrn  mancher  Knecht, 
Und  mit  was  Tück  ein  Hur  vnd  Kopier  sey  umbgeben, 

Wers  list  vnd  hüt  sich  nicht,  bleibt  vom  Verstand  wol  schlecht.4) 

Im  Jahre  1623  folgte  Michael  Meisters  Übersetzung;5)  im 
nächsten  Jahre  der  Terenz  des  Höscheln  und  Schenck;6)  im 
Jahre  1626  eine  Terenzausgabe  des  durch  seine  Weimarsche 
Schulmethode  bekannten  Hofpredigers  Job.  Kromayer,7)  mit 
einer  Vorrede,  in  welcher  die  Frage,  ob  man  in  den  Schulen 
Terenz  lesen  dürfe,  erörtert  und  mit  Beziehung  auf  Luthers 
Tischreden  bejaht  wird. 

„Es  ist  zwar  offt  vnd  viel  darvon  geredet  vnnd  gerathschlaget 
worden,  ob  man  in  vnsern  Christlichen  Schulen  diesen  Autorem, 
den  Terentium,    mit    gutem    Gewissen    brauchen    vnnd    behalten 


J)  Barthold,  Geschichte  der  fruchtbringenden  Gesellschaft.  Ber- 
lin 1848.    S.  48. 

2)  Publii  |  Terentii.  |  Sechs  Frewden  |  Spiel  |  zur  Lehrart.  |  In  deut- 
sche Sprach  |  versetzet.  |  Cöthen  |  Im  Fürstenthumb  Anhalt.    MDCXX. 

3)  Gottsched.    I,  180.  —  Gödeke.    I,  288. 

4)  Gottsched,  Nöth.  Vorr.  I,  225.  Dieselben  sechs  Verse  stehen 
S.  6  bei  Kromayer. 

5)  Sechs  Frewdenspiel,  in  gute  reim,  vbliche  deutsche  Sprache  ver- 
setzet, Vnd  der  studirenden  Jugend  zum  besten,  die  lateinische  Sprache 
desto  besser  und  füglicher  zu  erlangen  in  offenen  Druck  gegeben  durch 
Michaelcm  Meisterum  Zittaviensein  Lusatium,  Scholae  Hallensis 
Collegam  &  Cantorem  ad  D.  Ulrici.    Magdeb.  in  8°.     (Gottsched.  I,  182.) 

ü)  Terentii  Sechs  Comedien  lateinisch  und  deutsch  durch  David 
Höscheln  und  Matth.  Schenckium.    Augsp.    (Gottsched.    I,  184.) 

7)  Publii  Terentii  |  Sechs  Frew  den  Spiel,  |  In  die  teutsche  Sprache 
versetzet.  |  Sind  darzu  gethan  die  Summa  rien,  Item,  kurtze  Moralische 
Erinnerungen  |  von  den  Lastern,  dafür  sich  j  die  Jugendt  hüten,  vnd 
von  den  Tulgenden,  derer  sie  sich  befleissi  gen  sol.  |  Mit  sonderbahrem 
Privilegio.  |  ZuWeymar  |  bey  Johann  Wirschnern  |  Im  Jahr  |  M.DC.XXVL 
(495  S.) 


Kromayer  u.  a.  Übersetzer.  97 

könne,  weil  er  nicht  allein  ein  Heyde  ist,  vnnd  auch  Exempel 
darinnen  fürkommen  Heydnischer  Abgöttischer  Anraffungen,  Sondern 
auch  von  vnzüchtiger  Lieb  vnd  Bulscbafft,  vnd  andern  Lastern, 
als  der  Kinder  wider  jhre  Eltern,  vnd  der  Knecbte  vnd  Gesindes 
wider  jhre  Herren,  vnd  dergleichen  darinnen  fürlauffen,  dadurch 
zu  besorgen,  dass  die  Jugend  geärgert  vnnd  vielmehr  zum  Bösen 
entzündet  vnnd  gereitzet,  als  zum  Guten  vnterrichtet  vnnd  ange- 
trieben werden  möchte." 

Dagegen  wendet  Kromayer  ein,  dass  man  dann  auch  die 
Bibel  nicht  lesen  dürfte,  ferner,  dass  „der  Terentius  in  seinen  Co- 
moedien  mehr  von  den  Tugenden  vnd  Ehrbarkeit  handelt,  als  von 
den  Lastern". 

Den  einzelnen  Szenen  sind  sorgfältige  Nutzanwendungen 
beigedruckt.  So  z.  B.  vor  der  Andria  zehn  Punkte:  Spiegel  der 
Laster  in  diesen  Comödien,  welche  zu  fliehen  sind;  dann  achtzehn 
Punkte:  Spiegel  der  Tugenden  in  dieser  Comödi,  denen  man 
nachstreben  sol.  Dann  drei  Punkte,  auf  welche  diese  Comödi 
darauff  geht. 

Und  so  bei  jeder  Szene  und  bei  jedem  Akte. 

Von  einer  weiteren  zu  Weimar  erschienenen  Terenzübersetzung 
in  Prosa1)  vermutet  Freyesleben,2)  dass  sie  etwa  gar  von  Kro- 
mayer stamme. 

So  ging  die  Übersetzung  terentianischer  und,  wenn  auch  ver- 
einzelnter,  plautinischer  Stücke  fort.  Es  kam  im  Jahre  1627  der 
Terenz   von   Job.    Eenio,3)    1674    von    Wilh.    Lymbergern, 4) 

1691  ein   neuer    Abdruck   der   Ausgaben    von   1620  und   1670, 5) 

1692  Terentius  italienisch  und  deutsch  durch  Anton  Guagli- 
ardi,6)  1743  des  M.  Accius  Plautus  Schauspiel  Aulularia, 
übersetzt  und  mit  nötigen  Anmerkungen  versehen  (Zelle);7)  im 
Jahre  1753  ein  neuer  Terenz  auf  der  Ausgabe  der  Mad.  Dacier 
beruhend8)  von  Patzke  u.  s.  w. 


*)  Publii  Terentii  sechs  Frewden  Spiel,  in  die  teutsche  Sprache  ver- 
setzet. Sind  darzu  angethan,  die  Summarien,  Item,  kurtze,  Moralische 
Erinnerungen,  von  den  Lastern,  darfür  sich  die  Jugendt  hüten,  vnd  von 
den  Tugenden,  derer  sie  sich  befleissigen  sol.  Mit  sonderbahrem  Privi- 
legio.     Zu  Weymar  bey  Johann  Wirschnern.    8°. 

2}  S.  25. 

3)  Publii  Terentii  Afri  comoediae  VI,  superstites  Latino  germanice 
editae  a  Joh.  Renio.  Diese  Übersetzung  erschien  dann  zu  Leipzig  1(346 
u.  1673  u.  öfter.     (Freyesleben  25.     Gottsched.    I,  199.) 

4)  Rinteln  1674.     (Gottsched.    I,  235.) 

5)  Publii  Terentii  Sechs  Freuden-Spiel  zur  Lehr-Art.  In  die  Hoch- 
Deutsche  Sprach  versetzet.     Hamburg.     (Gottsched.    I,  253.) 

6)  Gottsched.    I,  254. 
A  Ebenda.    I,  316. 

8)  Des  Publius  Terentius  Lustspiele  aus  dem  Lat.  übersetzt  und 
theils  mit  wichtigen  Anmerkungen   der  Frau  Dacier,   theils   auch  mit 

7 


98  Gruter.     Pareus.     Weise. 

Gegen  die  Mitte  des  siebenzelmten  Jahrhunderts  fällt  der 
Streit  Grnters  mit  Pareus.  Opitz  hatte  hei  Gruter  plauti- 
nische  Kollegien  in  Heidelberg  gehört.  Dieser  Gruter  kam  in 
Streit  mit  dem  Philologen  Pareus,  der  1648  starb.  Pareus 
gab  Electa  plautina  heraus,  wogegen  Gruter  „Asini  cumani 
fraterculus  e  Plauti  electis  electus"  schrieb.  Erst  Ritschi  hat 
sich  des  verkannten  Pareus  wieder  angenommen1)  und  die  „ge- 
hässige Leidenschaftlichkeit  und  bodenlose  Gemeinheit  der  Invek- 
tiven  gegen  Pareus''  aufgedeckt,  besonders  die  Vorrede  als 
„Schandstück"  bezeichnet.  Auch  Opitz  (1597  — 1639)  hatte  Par- 
tei gegen  Pareus  ergriffen.2) 

Man  kann  nach  alledem,  was  sich  natürlich  vielfach  ergänzen 
und  erweitern  Hesse,  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  die  lateinischen 
Komiker  überall  bekannt  und  studiert  waren  und  darum  nicht 
ohne  Einfluss  auf  die  deutsche  Litteratur  sein  konnten.  Sie 
waren  z.  B.  Christian  Weises  (1642  — 1708)  Muster  für  das 
Lustspiel;3)  ja  Ussing4)  geht  sogar  noch  weiter  und  leitet  von 
den  Captivi  des  Plautus  die  sogenannte  „comedie  lar- 
moyante"  ab.  „Nee  iniuria,"  sagt  er,  „ab  hoc  fönte  duetum 
putatur  genus  illud,  quod  Galli  ,1a  comedie  larmoyante'  ap- 
pellarunt  et  in  Germaniam  translatum  Ifflandii  et  Kotzebuii 
ingenia  exeoluerunt. " 

Ganz  aus  den  Studien  der  Alten  erwuchs  G.  E.  Lessing 
(1729  — 1781).  Theophrast,  Plautus  und  Terenz  waren  „seine 
Welt".5)  „Lessings  ernstes  Studium  des  Plautus  und  Terenz 
hatte  nicht  allein  einen  nachhaltigen  Nutzen  für  seine  allgemeine 
Bildung-,  dasselbe  erweckte  in  ihm  auch  eine  leidenschaftliche 
Liebe  für  die  Komödie."6)  Vor  allem  beschäftigte  er  sich  mit 
Plautus,7)  und  diese  seine  Hingabe  an  die  alte  Komödie  bricht 


eigenen  Anmerkungen  begleitet  von  Job.  Sam.  Patzken.  Mit  säubern 
Kupfern.     Halle  im  Magdeburgischen.    8°. 

')  Hallesche  Allgem.  Litteraturzeitung  1834.    S.  539. 

2)  Palm  a.  a.  0.    S.  179. 

3)  Dr.  C.  Le nicke,  Geschichte  der  deutschen  Dichtung  neuerer  Zeit. 
Lpz.  1871.    I.  Bd.    S.  349. 

4)  A.  a.  0.    H,  459. 

5)  „Theophrastus,  Plautus  und  Terenz  waren  meine  Welt,  die  ich 
in  dem  engen  Bezirke  einer  klostermässigen  Schule  mit  aller  Bequem- 
lichkeit studierte."  (Werke,  Ausg.  Lachmann.  IV,  2.  —  Koberstein. 
DI,  974.  —  Danzel-Guhrauer,  Lessings  Leben  und  Werke.   Berlin  1881. 

5.  128 — 162.  —  G.  E.  Lessing,  Ein  Lebensbild.  Nach  Jame  Simes 
Lessing,  his  life  and  writings,  frei  bearbeitet  von  Ad.  Strodtmann. 
Berlin  1878.  S.  21.  —  Lessings  Verhältnis  zur  altroni.  Komödie  von 
Dr.  K.  Seidner.    Mannheim  1881.   S.  5.  —  Adolph  Stahr,  G.  E.  Lessing. 

6.  Aufl.  18G9.    I.    S.  23  u.  41. 

6)  Ad.  Strodtmann  a.  a.  0.    S.  22. 

7)  Danzel-Guhrauer.  I,  S.  142.  Die  ersten,  von  denen  ein  we- 
sentlicher Einfluss    auf  Lessings  Lustspieldichtungen    erwartet    werden 


Lessing  und  sein  Verhältnis  99 

überall  durch.1)  —  Zeugen  der  Beschäftigung  Lessings  mit 
Plautus  sind  vorerst  seine  „Beiträge  zur  Historie  und  Auf- 
nahme des  Theaters",2)  in  welchen  sich  eine  Abhandlung  von 
dem  Leben  und  den  Werken  des  Marcus  Accius  Plautus  (S.  14 
— 53),  dann  die  Übersetzung  der  Captivi  (S.  143 — 211),  die 
Kritik  über  die  Gefangenen  des  Plautus  (S.  369  —  435)  und 
der  Beschluss  der  Kritik  über  die  Gefangenen  (S.  573 — 592)  be- 
finden.   Ritschi  hält  diese  Schrift  zwar  für  Lessings  nicht  würdig.3) 

Als  Dichter  schuf  Lessing,  gestützt  auf  Plautus,  das 
Lustspiel  „Der  Schatz",  eine  reine  Frucht  seiner  Plautus- 
studien. 4)  Seine  Grundsätze  bei  dieser  Bearbeitung  des  Tri- 
nummus  waren:  Mehr  Handlung  durch  Verkürzung  der  Originale, 
psychologische  Motivierung  durch  Individualisierung  der  Cha- 
raktere. 5) 

Sein  Lustspiel  „Justin"  sollte  auf  dem  Pseudolus  be- 
ruhen,6) der  Stichus  sollte  das  Stück  „Weiber  sind  Weiber" 
geben.  „Es  sollte  ein  fünf  aktiges  Stück  werden,  wie  das  plauti- 
tinische,  aber  das  Motiv  wird  dort  viel  weiter  ausgeführt.  Die 
Sprache  ist  frisch  und  ganz  plautinisch. " 7) 


kann,  sind  die  römischen  Komödiendichter,  welche  bei  der  Erneuerung 
des  deutschen  Lustspiels  noch  nicht  berücksichtigt  waren,  von  denen 
aber  Lessings  Interesse  für  das  Drama  zuerst  erweckt  worden  war.  Und 
zwar  scheint  hier  Plautus  besonders  in  Betracht  zu  kommen.  (Vgl.  da- 
gegen Koberstein.  ILT,  3042.)  —  Adolph  Stahr.  I,  68.  Lessing  be- 
gann mit  den  Alten  und  zwar  mit  den  römischen  Dichtern  Plautus 
und  Seneka,  über  welche  er  die  meisten  Studien  gemacht  hatte.  — ■ 
Ebenda.  I,  129.  Diese  Jugendversuche  waren  erweckt  worden  durch 
sein  Studium  der  römischen  Lustspieldichter,  zumal  des  Plautus,  und 
der  kernige  Witz,  der  lebendige  Dialog  dieses  Dichters  waren  nicht 
ohne  Einfluss  auf  Lessings  dramatischen  Stil  geblieben. 

')  Vgl.  z.  B.  das  Lustspiel  „Der  junge  Gelehrte",  UI,  4,  wo  Damis 
ausruft:  „Ah.  verberabilissime,  non  für  sed  trifur.  Himmel!  dass  ich  vor 
Zorn  sogar  des  Plautus  Schimpfwörter  brauchen  muss.  —  (Vgl.  Erich 
Schmidt,  Vorgeschichte  der  Jugendlustspiele  Lessings  in  der  Allgeni. 
Zeitung  vom  30.  März  1883.)  —  Eugen  Sierke,  E.  G.  Lessing  als 
angehender  Dramatiker,  geschildert  nach  einer  Vergleichung  seines 
„Schatzes"  mit  dem  Trinummus  des  Plautus.  Königsberg  1869.  (Ge- 
druckt bei  H.  Härtung.) 

2)  Stuttgard  (J.  Ben.  Metzler)  1750. 

3)  Seidner  a.  a.  0.    S.  13.     Seidner  verteidigt  dieselbe. 

'')  Am  Schlüsse  der  plautinischen  Abhandlungen  in  den  Beiträgen 
zur  Historie  und  Aufnahme  des  Theaters  verspricht  Lessing,  den 
„Schatz"  hier  zu  veröffentlichen,  aber  es  kam  nicht  dazu.  Das  hier 
versprochene  Stück  ist  der  Schatz,  nicht  Minna  von  Barnhelm,  wie 
man  aunahm.  —  S.  Boxberger  in  Schnorrs  Archiv.    X.  Bd.    Heft  1. 

5)  Seidner  a.  a.  0.    S.  9  u.  28. 

<;)  Ebenda.    S.  11. 

7)  Ebenda.  S.  11.  —  Vgl.  Strodtmann  a.  a.  0.  S.  57.  „Das  viel- 
versprechende Fragment  ,Weiber  sind  Weiber'  ist  eine  freie  Nach- 
ahmung des  Stichus  von  Plautus.  Er  zeichnet  einen  alten  Murrkopf 
von  Vater,  der  sich  über  seine  beiden  Töchter  beschwert,    weil  sie  ihre 

7* 


100  zu  Plautus.     Linz. 

Die  Alten  haben  Lessing  von  Anfang-  an  auf  eine  neue 
Bahn  geführt.1)  Die  Neuhersche  Gesellschaft,  welche  damals  in 
Leipzig  spielte,  wurde  für  Lessing  „das  praktische  Konyersatorium 
für  seine   früheren  plautinischen  und   terentianischen  Studien".2) 

Lessing  zunächst,  und  zwar  sein  „Schatz",3)  führte  Jo- 
hann Michael  Reinhold  Lenz  (geb.  1750;  gest.  24.  Mai 
1792)4)  auf  Plaiitus.  Im  Jahre  1774  erschienen  in  Leipzig  und 
Frankfurt  seine  „fünf  Lustspiele  nach  dem  Plautus  fürs 
deutsche  Theater",  nämlich  das  Väterchen  (Asinaria),  die 
Aussteuer  (Aulularia),  die  Entführungen  (Miles  gloriosus),  die 
Buhlschwester  (Truculentus) ,  die  Türkensklavin  (Curculio).5) 
Eine  Bearbeitung  der  Captivi  ist  verloren  gegangen;6)  vielleicht 
dachte  Lenz  auch  an  die  Menächmi. 7)  Ob  diese  von  Goethe 
durchgesehenen8)   Stücke   aufgeführt  wurden,   ist  zweifelhaft.9) 

Männer,  von  denen  sie  verlassen  worden  sind,  nicht  aufgeben  und  die 
ihnen  von  ihm  zugedachten  Bewerber  nicht  heiraten  wollen.  Der  frühere 
Abscheu  der  Töchter  gegen  ihre  Eheherren  bildet  einen  humoristischen 
Kontrast  zu  ihrer  jetzigen  Treue,  und  es  macht  einen  drolligen  Effekt, 
dass  der  Vater  sein  zorniges  Schelten  für  sanfte  Vorstellungen  hält." 

')  Gervinus  (IV,  112):  „Das  Vorbild  des  .Schatzes'  (Trinummus) 
zeigt  schon,  dass  der  junge  Mann  ganz  andere  Wege  gehen  wollte,  als 
Gottsched." 

2)  .T.  Hillebrand,  Die  deutsche  Natiouallitteratur  etc.    I,  208. 

3)  Dramatischer  Nachlass  von  K.  Weinhold.    1884.    S.  7  u.  17. 

")  Nicht  wie  Tieck  (I.  Bd.  CXX)  vermutet  1780.  —  S.  Aug.  Stöber, 
Der  Dichter  Lenz.    Basel  1842.    S.  41. 

5)  S.  Gesammelte  Schriften  von  J.  M.  R.  Lenz,  herausgegeben  von 
Tieck.  Berlin  (Reimer  1825).  —  Vgl.  Kritik  Lenzscher  Plautusstücke 
von  Wieland.  Teutscher  Merkur,  Septemberheft  1774.  —  Schirach- 
sches  Magazin  der  deutschen  Kritik.  LT.  Teil  des  3.  Bds.  1774.  — 
Eschenburg,  Allgemeine  deutsche  Bibliothek.  1775.  XXVI.  Bd.  2,470 
bis  474.  —  Lenz  schrieb  selbst  gegen  seine  Rezensenten  .Verteidigung 
der  Verteidigung  des  Übersetzers  der  Lustspiele".  S.  bei  Weinhold 
S.  14—21. 

6)  Siehe  bei  Weinhold  und  hier  unter  Captivi. 

7)  Weinhold  a.  a.  O.  S.  28.  „Wir  haben  endlich  noch  Spuren  der 
Beschäftigung  von  Lenz  mit  den  Menächmi  des  Plautus.  Auf  ein  Quart- 
blatt, Notanda  überschrieben,  das  allerlei  Notizen  und  Aphorismen  ent- 
hält, hat  er,  an  Menächmi  Akt  2,  Szene  3  anknüpfend,  Betrachtungen 
über  das  Verhältnis  der  Römer  zu  den  Hetären  niedergeschrieben  und 
über  den  Unterschied  der  römischen  von  der  christlichen  Ehe.  Nur  die 
christliche  Religion  hat  den  Begriff  eingeführt,  dass  die  Ehe  das  Band 
der  höchsten  Liebe  sei,  das  heisst,  dass  man  so  lange  wählen  müsse,  bis 
man  in  der  Wahl  keine  Grenzen  mehr  kennt,  und  alsdann  erst  sich  auf 
ewig  verbinden.  Diese  Idee  ist  aber  den  Christen  selber  noch  nicht 
deutlich  und  bekannt  genug,  weil  sie  kein  Exempel  hat." 

»)  Gödeke.  Gdr.  DZ,  1048.  —  Vgl.  Hillebrand  a.  a.  0.  I,  413. 
—  Kurz.  LU,  124.  „Lustspiele  nach  Plautus,  die  Lenz  auf  Goethes 
Antrieb  bearbeitete.  Es  sind  im  Ganzen  die  Stoffe  und  Situationen  des 
römischen  Dichters  beibehalten,  die  nur  auf  moderne  Verhältnisse  ange- 
wendet sind.  Doch  hat  der  Dichter  manche  neue  Einfälle  hinzugefügt, 
die  sich  an  die  Anlage  des  Plautus  glücklich  anschliessen." 

9)  „Ob  je   eines   davon   in  Deutschland   aufgeführt  wurde,   ist  mir 


Falk.     Übersetzungen.  101 

Daniel  Falk  (1770 — 1826)  griff  über  Moliere  hinweg-  zum 
Amphitruo  des  Plautns  in  einer  Schöpfung  von'  weniger  Be- 
deutung, die  auch  der  Miles  beeinflnsste;  ebenso  Heinrich  von 
Kleist  (1786—1811). 

Auch  in  diesem  Jahrhundert  fehlt  es  nicht  an  Übersetzern 
und  Bearbeitern  des  Plautus  und  Terenz.1) 

Von  Übersetzungen  des  Plautus  sind  jene  von  Chr.  Kuff- 
ner  (Wien  1806),  J.  T.  L.  Danz  (Leipzig  1806  —  1809), 
M.  Rapp  (Stuttgart  1838),  W.  Binder  (Stuttgart  1862),  Donner 
(Leipzig  1864)  anzumerken,  sowie  einzelne  Stücke  in  „Komi- 
sches Theater  der  Römer"  1 — 2  (Quedlinburg  1826).  — 
Einige  lateinische  Texte  mit  deutschen  Bühnenweisungen 
gaben  Schulz  und  Heusinger  (Braunschweig  1790).  Die  Qued- 
linburger Übersetzung  enthält  den  Pönulus,  das  Hausgespenst,  den 
prahlerischen  Krieger,  den  Geizhals. 

Ein  Lustspiel,  „Der  Winkelschreiber"  von  Adolphi, 
nach  einer  Idee  des  Terenz,  gelangte  am  München  er  Hoftheater 
am   8.  Juli   1862  zur  Aufführung. 


Dieser  belebende,  in  allen  Kulturländern  sich  äussernde  Ein- 
ihiss  auf  die  litterarische  Produktion  ist  indessen  nicht  der  einzige, 
welchen  die  klassische  Litteratur  hervorgebracht  hat.  Eine 
Reihe  ständiger  Figuren  der  früheren  Komödie,  ja  ein- 
zelne, welche  noch  der  unsrigen  angehören,  leiten  vom 
Altertume  ihre  Herkunft  ab. 

Vorerst  begegnen  wir  dem  Sklaven.  In  wie  vielen  For- 
men und  Gestalten  tritt  er  uns  entgegen!  In  der  commedia  del- 
1'  arte  sind  sie  zu  Hauptfiguren  geworden.  „Man  bezeichnete  sie 
unter  dem  allgemeinen  Namen  der  Zanni  (der  Spassmacher  oder 
Clowns).  Zu  ihnen  gehörte  Pulcinella,  der  aus  Venedig, 
Arlecchino,  der  aus  Bergamo  stammte,  sowie  die  andern,  Bri- 
ghella,2)  Scapin,  Franca-Trippa.  Es  sind  die  Sklaven  der 
antiken   Komödie,    die   sich  nur  wenig  verändert   haben;3)   auch  in 


nicht  bekannt."   Koberstein.  I,  1648. —Vol.  Morgenblatt  1838,  No  3G. 
Den  Brief  an  Salzmann  vom  6.  März  1773.  —  Koberstein.    II.  1516. 
>)  Vgl.   Fuhrmann   a.   a.  O.    III,   80—86;   130—137.   —   Gödeke. 
III.  217.  1297. 

2)  Masques  et  bouffons,  texte  et  dessins  par  Maurice  Saud.  Gra- 
vures  par  A.  Manceau.  2  voll.  Paris  (Mich.  Levy  Freies  1860).  II,  206. 
(Brighella)  ne  songe  qu'a  voler  comme  l'Epidique  de  Piaute  dont  il 
descend  en  ligne  directe. 

3)  So  bemerkt  Fournel  (Les  contemporains  de  Moliere)  II,  5  zu 
(i.  (iilberts  lntrigues  arnoureuses:  Les  intrigues  amoureuses  appartiennent 
au  genre  de  la  comedie  latiue,  ou  les  valets  sont  la  cheville  ouvriere  de 


102  Der  Sklave.     Der  Paedagog. 

dem  französischen  Lustspiel  werden  wir  ihnen  begegnen.  Sie  lehen 
hei  Moliere  als  Scapin  oder  Scaramouche,  zivilisieren  und 
modernisieren  sich  immer  mehr,  his  sie  ihren  letzten  Triumph  als 
Figaro  feiern."1)  „Wie  auf  die  Sklaven  in  der  alten  Komödie 
regnete  es  auf  die  Zanni  Ohrfeigen  und  Prügel."2) 

Christian  Weise  meint,  „der  Pickelhäring  sei  in  der 
Komödie  nicht  nötig,  aher  jede  Nation  habe  solche  Figuren,  wie 
ja  schon  im  Plautus  und  Terenz  die  leichtfertigen  Knechte 
nichts  anderes   als  unsere  Pickelhäringe  seien."3) 

Aus  gleichen  Vorgängerinnen  hat  sich  die  Colomhina  ent- 
wickelt. Maurice  Sand  sieht  in  der  Philematium  der  plau- 
tinischen  Mostella ria  ihr  Vorbild.4)  Aus  der  schmeichlerischen 
Sklavin  ist  die  vertraute,  vorlaute  Dienerin,  die  Soubrette  der 
Franzosen  geworden. 5) 

Der  Paedagog,  Ludus,  der  plautinischen  Bacchides  ist  das 
Vorbild  der  Dottori  und  Pedanten,  wie  des  Archiprotaco 
in  der  Atalanta,  und  vieler  anderer,  die  hier  vorgeführt  werden 
und  der  italienischen  Komödie  unentbehrlich  sind,  geworden. 
Besonders  in  den  Lustspielen  des  Giovanni  Francesco  Lore- 
dano  spielt  der  Pedant  eine  hervorragende  Rolle,  eingreifender 
als  bei  den  meisten  übrigen  Komödiendichtern.  So  als  Alfesi- 
beo  in  „Li  vani  amori"  (Nuovamente  posta  in  luce,  Venitia  1588, 
all'  Insegna  della  Speranza,  136  S.),  als  Agrimonio  in  „La 
Turca"  (Ebenda  1597,  64  fol.)  u.  s.  w.  —  Der  Pedant  spricht 
zum  Teil  lateinisch,  zum  Teil  in  italianisiertem  Latein,  und  ist  reich 
an  Zitaten  aus  lateinischen  Klassikern.  Häufig  hat  er  die  Schluss- 
worte zu  sprechen,  z.  B.  in  „la  Turca":  „Spectatores,  la  Fauola 
e  finita,  &  per  non  hauere  in  ea  trouato  la  licenza,  putabä 
l'Autore  essersi  scordato  di  poruela,  qxio  circa,  egli  fuit  a  me 
interrogatus  de  causa.  Respondit,  non  essere  necessaria. 
Interrogatus     perche?      Dixit     quotiescumque;     tu     tacerai, 


la  piece  et  menent  toute  l'action.     Marot  descend  des  Dave  et  des  Syrus, 
comme  le  Mascarille  et  le  Scapin  de  Moliere.     So  Corbineli  in  le  pe"dant 
joue  des  Cyrano  de  Bergerac  u.  a. 
')  Lotheissen.    I,  271. 

2)  Ebenda,  Anm. 

3)  Palm  a.  a.  0.  S.  56.  —  Wie  der  spanische  gracioso  so  manche 
Berührungspunkte  mit  dem  italienischen  Arlecchino  hat,  siehe  bei 
L.  Riccoboni,  Re'flexinns  historiques  et  critiques  sur  les  differens  the- 
ätres  de  l'Europe.    Paris  1738.    S.  80  ff. 

4)  A.  a.  0.  I,  205  u.  208.  „De  l'esclave  flatteuse  cynique  et  cor- 
rompue  est  nee  sur  le  theätre  italien  la  Servetta  ou  Fantesca,  servante 
confidante,  plus  tard  en  France  la  Soubrette,  emploi  qui  se  confond 
avec  celui  des  villageoises  eveillees  et  malicieuses.  (212.)  Ce  type  de 
la  Soubrette  est  toujours  le  meme;  depuis  Piaute  jusqu'ä  Gherardi  et 
depuis  Gherardi  jusqu'ä  nos  jours  il  a  peu  varie." 

5)  Prölss.    I,  2.  221.  228. 


Der  Parasit.     Der  Miles  gloriosus.  103 

eglino  si  piglieranno  il  congiedo  sua  sponte.  Hoc  tantum 
superest.  Se  la  Comedia  vi  e  piaciuta,  datele  il  plauso  amba- 
bus  manibus." 

Der  Pedant  Fauonio  in  Giaconio  Cencis  Lustspiel  „Gli 
Errori"  (Venet,  olme  Jabreszahl  und  Paginierung')  spricht  Sizi- 
lianiscb  mit  Lateinisch  untermischt;  der  Pedant  Archibio  in  An- 
drea Calmos  „II  Travaglia"   Bergamaskisch  und  Lateinisch. 

Ebenso  erging  es  mit  dem  Parasiten.1)  Er  führt  meist 
bezeichnende  Namen,  z.  B.  Panfago,  Edace,2)  wie  bei 
den  Alten.  Gaster,  in  der  Komödie  Les  Napolitains  des 
Franeois  d'Amboise  (des  Freundes  Lariveys),  ist  der  Gnatho 
des  Terenz  und  sein  Monolog  dem  Gnathos  im  Eunuchen 
nachgeahmt.3)  Mathew  Merrygreek  des  Roister-Doister 
ist  der  plautinische  Artotrogus.  4)  Viele  Dichter  lebten  als 
Parasite;  man  kannte  Montmaur,  und  an  ihn  dachte  Tristan 
l'Hermite,  als  er  seinen  Parasiten  Fripesauces,  eine  in  Re- 
den und  Handlungen  plautinische  Parasitengestalt,   schuf. 

Am  verbreitetsten  aber  ist  die  Figur  des  prahle- 
rischen Soldaten,  die  Spielarten  des  Miles  gloriosus  bei 
allen  Völkern5)  geworden  —  „Eisenfresser,  die  sämtlich  in 
Plautus'  Miles  gloriosus  ihren  Urahn  verehren".  Der  Grundton 
dieses  prahlerischen  Kriegers  ist  derselbe,  gleichviel,  was  sein 
Name  ist,  ob  er  Capitan  Cuerno  de  Cornazon,  Sangre  y 
Fuego,    Matamoros,6)    Rodomonte,7)    Esgangarato,    Coco- 


')  Theater  und  Kirche  in  ihrem  gegenseitigen  Verhältnis  historisch 
dargestellt  von  Dr.  Heinrich  Alt.  (Berlin  1846.)  S.  526.  —  Vgl.  Les- 
sing, Hamb.  Dramaturgie.  Achtzehntes  Stück.  „War  ihr  (der  Römer) 
Parasit  etwas  anders  als  der  Harlekin.  Hatte  er  nicht  auch  seine  eigene, 
besondere  Tracht,  in  der  er  in  einem  Stücke  über  dem  andern  vorkam?" 

2)  So  in  Raffaelle  Borghinis  „La  donna  constante"  (1582). 
—  Ruth.    II,  594. 

3)  Chasles  a.  a.  0.    S.  179.  180. 

4)  Ward  a.  a.  0.  S.  157.  Mathew  Merry-greek  is  the  Artotrogus 
of  Plautus. 

5)  Sand  a.  a.  0.  I,  191.  Aucun  type  n'eut  autant  de  succes  en 
Europe  au  XVP  et  surtout  au  commencement  du  XVlLe  siecle  que  celui 
du  capitan,  tant  dans  la  comedie  improvisee  que  dans  l'autre  genre.  En 
Italie,  en  Espagne,  en  France,  en  Angleterre,  le  nombre  des  pieces  oü 
le  capitan  sous  des  noms  tres-differents  joue  le  premier  röle,  est  con- 
siderable.  —  Alt  a.  a.  0.    S.  526. 

6)  Dieser  spielt  noch  in  Charles  Lecocques  Operette  Girofle"- 
Giroflä  (Text  von  Alb.  Vanloo  und  Eug.  Leterrier)  als  der  „weltbe- 
rühmte Admiral." 

„Ja,  Matamoros,  Held  der  Meere, 
Wiid  retten  dieses  Hauses  Ehre, 
Er  hat  gesiegt  noch  jedes  Mal, 
Dieser  tapfre  Admiral." 
(No.  13  und  Finale  20.) 

7)  Pro  1  ss.  I,  2.  227.  Vgl.  diesen  z.  B.  in  der  Komödie  les  Con- 
tents (cc  1580)  des  Odet  de  Turnebe. 


104  Der  Miles  gloriosus 

drillo,  Grillo,  Spavento,  Spezzafer,  Fracassa,  Spavento 
da  Vall'  Inferna,  Spezza  Monti  (frz.  Tranclxe  Montaigne), 
Giangurgolo,  Taglia-Cantoni,  Rogantino,  il  Vappo, 
Escobombardon  della  Papirotonda,  Zerbino,  Ceriruonia, 
Mala  Gamba,  Bella  Vita,  Cardoni,  Babeo,  Rinoceronte, 
Taille-Bras,  Engoulevent  u.  s.  w.  beisst,  oder  sieb  mit  bisto- 
riseben  Namen,  wie  Cacciadiavolo  in  Ceccbis  Martello,1) 
einfuhrt. 

Alle  gleichen  sich2)  in  der  Tapferkeit,  die  sie  an  sich  rüh- 
men , 3)  in  dem  geringen  Mute ,  den  sie  an  den  Tag  legen, 4)  in 
ihrem  überwältigenden  Eindrucke,  den  sie  auf  die  Damenwelt 
machen,   in  ihrem  bombastischen  Auftreten. 5) 

Lotheis"sen6)  entwickelt  die  Gestalt  des  Renommisten,  wie 
folgt: 

„Das  Original  findet  sich  schon  völlig  ausgebildet  in  dem 
Miles  gloriosus  des  Plautus.  Die  Spanier  verwandelten  ihn 
zuerst  auf  ihrer  Bühne  in  einen  Landsmann,  einen  Vetter  Don 
Quijotes,  um  die  Prahlereien  ihrer  stolzen  Hidalgos  zu  verhöhnen. 
Die  noch  nicht  lange  beendigten  Kämpfe  gegen  die  Mauren 
lieferten  dem  Renommisten  den  hauptsächlichsten  Stoff  zu  seinen 
Prahlereien,  wie  schon  sein  Name  Capitan  Mat amoros  (Mauren- 
töter)  anzeigt.  Nach  Italien  verpflanzt,  behielt  er  seine  spanische 
Tracht,  die  ihn  schon  von  weitem  als  Kriegsmann  kenntlich 
machte.  Es  versteckte  sich  wohl  auch  ein  Stückchen  nationaler 
Rache  in  dieser  Betonung  des  spanischen  Charakters.  Der  Witz 
des    Unterdrückten    verfolgte    den    stolzen    Sieger.      Italien    stand 


*)  Ein  Korsar  aus  den  Jahren  1540 — 1550. 

2)  Fournel,  les  contemporains.  IH,  22.  Anm.  „Tous  les  mata- 
mores  de  notre  vieille  comedie  ne  peuvent  tourner  leur  regard  sur  un 
simple  mortel  sans  le  faire  pour  le  moins  fremir  jusqu'ä  la  moelle  des 
os,  quand  ils  ne  le  reduisent  pas  en  poudre  immediatenient.  Du  reste 
ils  sont  tous  jetäs  dans  un  moule  tellement  uniforme  qu'il 
est  inutile  de  relever  ces  continuelles  analogies." 

3)  Sand  a.  a.  0.    I,  175. 

Ce  capitan  plein  de  boutades, 
Estalant,  en  rodomontades 
Sa  grand'  valeur  aux  assistants. 
«)  Ebenda.    I,  183. 

Ce  capitan  fait  grand  e"clat: 
Et  sa  valeur  est  si  parfaite 
Qu'il  est  des  derniers  au  combat 
Et  des  premiers  ä  la  retraite. 

5)  So  im  Parasite  des  Tristan  l'Hermite  (I,  5). 

Voicy  ce  Capitan  qui  fait  trembler  la  Terre 
Et  qui  parle  si  haut  qu'il  semble  d'un  tonnere. 
Weitere  Beispiele  s.  unter  Miles. 

6)  A.  a.  0.    I,  S.  270.  271. 


in  späteren  Lustspielen.  105 

damals  zum  grossen  Teile  unter  spanischer  Herrschaft  und  hatte 
viel  von  den  Soldatenhaufen  zu  leiden.  Der  spanische  Soldat 
galt  im  sechszehnten  Jahrhundert  als  der  heste  der  Welt,  um  so 
mehr  Veranlassung  fand  die  commedia  dell'  arte,  eine  Karrikatur 
desselben  zu  gehen.  Da  kamen  die  Helden,  der  Capitan  Spa- 
vento  della  Valle  Infernale  (zu  deutsch  etwa  , Ritter  Schreck 
von  Höllenthal'),  die  Capitani  Cocodrillo,  Fracassa,  Rodo- 
monte,  Rinoceronte,  und  wie  sie  alle  heissen.  Schon  der 
Name  sollte  Schrecken  einflössen.  Aber  die  Träger  dieser  furcht- 
baren Namen  entpuppten  sich  sehr  bald  als  armselige  Helden; 
schwachmütig,  erwiesen  sie  sich  nur  da  herzhaft,  wo  sie  glaubten, 
ungestraft  zu  bleiben;  nur  mit  Schwachen  fingen  sie  Händel  an, 
und  sobald  sie  Widerstand  fanden,  wussten  sie  tausend  Ausflüchte, 
um  die  Heldenkraft  ihres  Armes  für  diesmal  nicht  zu  zeigen.  Ihre 
Hauptstärke  bestand  in  den  Aufschneidereien  und  prahlerischen 
Reden.  Der  eine  rühmt  sich,  den  Gegner  mit  dem  blossen  Blick 
seiner  Augen  durchbohrt  zu  haben;  der  andere  hat  alle  Fürsten 
des  Orients  bezwungen;  wieder  ein  anderer  erglüht  bei  der  Ver- 
folgimg einer  Seeräuberflotte  in  solchem  Zorn,  dass  der  Hauch, 
der  sich  seiner  Brust  entringt,  einem  Sturmwind  gleich,  über  die 
Flut  hinbraust,  die  Segel  der  feindlichen  Schiffe  schwellt  und  diese 
somit  rettet. 

Der  Capitan  ging  auch  in  das  französische  Theater  über; 
noch  Corneille  braucht  ihn  in  seinem  Lustspiele  ,1'Illusion 
comique'. !)  Aber  Moliere  kennt  ihn  nicht  mehr.  Zu  seiner 
Zeit  hatte  sich  die  Gesellschaft  soweit  verfeinert,  dass  sich  für 
bramarbasierende  Lanzknechte  kein  Platz  mehr  fand,  und  an 
Stelle  des  plumpen  Kriegsmannes  erscheint  bei  Moliere  der  gecken- 
hafte,  hohlköpfige  Marquis." 

Dieser  trefflichen  Schilderung  des  Capitan,  für  welche  wir 
seinerzeit  die  hervorragendsten  Beispiele  liefern  werden,  ist  nur 
noch  die  alte  Erbschaft  des  Pyrgopolinices  anzufügen  —  seine 
herzgewinnende  Grossmut  und  seine  überwältigende  Schönheit,  die 
ihm  alle  Weiber  gewinnt.  Er  wird  belästigt  von  dem  schönen 
Geschlechte,  das  vor  ihm  zu  Füssen  liegt.  Prinzessinnen  und 
Königinnen  senden  aus  den  fernsten  Ländern  nach  ihm,  und  wie 
ihn  überseeische  Fürsten  zum  Schutze  ihrer  Throne  rufen,  so 
mächtige  Fürstinnen,  um  von  ihm  Heldensöhne  zu  bekommen.  Und 
doch  ist  er  in  der  Wahl  der  Geliebten  meist  sehr  bescheiden  und 
erntet  selbst  mit  diesen  geringen  Ansprüchen  nur  Hohn,  wenn  nicht 
gar  Schlimmeres. 


')  Ja  dieser  Taillebras  rettete  das  schwache  Stück.  Vgl.  Sand 
a.  a.  0.  I,  189.  La  tradition  du  theätre  nous  apprend  que  ce  röle 
de  Matamore  fit  la  f'ortune  de  l'Illusion  comique.  (Vgl.  Lotkeissen. 
n,  174.  175.) 


206  Horribilicribrifax. 

Die  Figur  des  Capitan  hat  sich  noch  lange  in  Italien  bei 
Volksbelustigungen  erhalten. a) 

Wie  im  alten  Rom  und  in  Italien2)  die  Zeitverhältnisse  den 
Capitan  schufen  und  ausschmücken  halfen,  so  war  dies  allent- 
halben, z.B.  auch  in  Deutschland,  der  Fall.  „Im  Horribilicri- 
brifax3) ist  der  Miles  gloriosus  des  Plautus  nach  den  Erschei- 
nungen des  dreissigjährigen  Krieges  verarbeitet."4)  Gryphius 
schildert  in  demselben  das  „bramarbasierende  Wesen  der 
Söldner  und  überhaupt  die  Sitten  der  verschiedenen  Stände  nach 
dem  dreissigjährigen  Kriege  in  ihrer  ganzen  Ehrlosigkeit  und 
Verdorbenheit " . 5) 

Der  Hauptmann  Horribilicribrifax  von  Donnerkeil  auf 
Wursthausen  und  der  Kapitän  Daradiridatumtarides  Windbrecher 
von  Tausendmord,  der  von  allen  Weibern  geliebt  zu  werden 
glaubt,  findet  sich  auch  in  Jos.  Aug.  Adams  „der  Aben- 
teuer er."6) 

Ehe  in  der  englischen  Komödie  der  Miles  seinen  unerreichten 
Höhepunkt  in  Shakespeares  Falstaff  fand,    hatte  er   verschie- 


*)  S.  Lorenz  zum  Miles  S.  255.  „Fast  bis  auf  die  letzten  Dezen- 
nien erhielt  sich  bei  den  Redouten  und  Karnevalslustbarkeiten  der  Ita- 
liener (vgl.  Goethe,  Rom.  Karn.  XIX,  474  der  Ausg.  in  30  Bd.)  eine 
solche  ruhmredige  Figur,  die  schon  früh  im  Volksmunde  mit  dem  Namen 
Rodomonte  belegt  worden  zu  sein  scheint." 

Aristophanes  hat  diese  Art  des  Bramarbas  noch  nicht,  ob  auch 
der  sonst  zwar  verdienstvolle  Feldherr  Lamachos  in  den  Acharnern 
etwas  prahlend  und  lächerlich  auftritt. 

Vgl.   V.  572.    IIöB-ev  ßoijg  ijxovoa  TiotefiiGzrjQlag; 

TIol  xq?)  ßotj&siv,  nol  xvdoifidv  £(ißaXetv\ 
Tig  PoQyöv'  elsqysiQSV  ex  xov  oüyfiaxog; 

V.  620.     kP.A'  ovv  tyoj  (ihv  tcüoi  IIe/.o7iovv>]6ioig 
Asl  TtolsßTjGoj  xccl  zaoä<~a)  itavruxfl 
Kai  vaval  xccl  nttpioi  xaxä  xb  xccqxsqöv. 

Komische  Wirkung  erzielt  schon  sein  Auftreten.  Müller  (Aristophanis 
Acharnenses.  Edidit  Albertus  Müller.  Hannoverae,  Rümpler  1863),  S.  105, 
schildert  ihn  „Lamachus,  bene  armatus,  maxiniam  cristam  in  casside, 
Gorgonis  imaginem  in  clypeo  gerens,  e  domo  sua  prodit.  Totam  eius 
armaturam  ridiculam  fuisse  cogitandum  est".  Dem  Auftreten 
entspricht  die  Rede.  „Wer  hat  den  Schlaf  der  Gorgone  im  Futterale 
gestört?"  möchte  es  Müller  übersetzen. 

2)  Riccoboni  a.  a.  0.  I,  56.  La  domination  des  Espagnols  en  Italie 
attira  quelques  com£diens  de  leur  nation  dans  le  pays  et  cela  donna 
au  theätre  des  capitains  qui  parlaient  purement  la  langue  espagnole  ou 
un  nielange  des  deux  langues.  De  ces  capitans  nous  en  avons  d'excel- 
lents.  La  memoire  subsiste  encore  des  capitans  Spavento,  Matamore  e 
Sangre  e  Fuego.     Dort  ist  (No.  X)  einer  abgebildet. 

3)  Ein  Spavento.     Ed.  Tittmann,  p.  20. 

4)  Lemcke  a.  a.  0.    I,  316. 

5)  Kurz  a.  a.  0.  DZ,  390.  —  Bouterwek,  Geschichte  der  Künste 
und  Wissenschaften.    X,  165. 

G)  Deutsches  Theater  für  1819.  —  Kehr  ein  a.  a.  0.    n,  337. 


Falstaff.     Pistol  u.  a.  107 

dene  Vorstufen  durchgemacht.  Roister-Doister  beruht  ganz 
auf  Plautus,1)  nicht  minder  Sir  Tophas  in  Lillys  „Endi- 
mion".2)  Neben  Shakespeares  Falstaff  stehen  noch  würdig 
Parolles,3)  Don  Armado  und  „der  Superlativ  des  Miles 
gloriosus",   der  Fähnrich  Pistol.4) 

Nach  dem  Shakespeareschen  Falstaff5)  brachten  Beau- 
mont  und  Fletcher  in  a  king  and  no  a  king  und  the  Custom 
of  the  country,  sowie  Ben  Jonson6)  (Every  man  in  bis  hu- 
1110111')  die  Figur  des  Braggart,  sogar  mit  Berufung  auf 
den  Stammvater  Plautus,  allerdings  mehr  oder  weniger  mit 
Beibehaltung  der  typischen  Färbung  des  plautinischen  Charakters 
auf  die  Bühne.7) 

Eine  neue  Gestalt  des  Miles  (nach  dem  Thraso)  schuf 
L.  Holberg  in  seinem  Jacob  von  Tyboe;  in  Deutschland  kam 
noch  ein  Enkel  desselben  in  der  Preziosa  (1811)  des  Pius 
Alexander  Wolff  (1784—1828)  im  Schlossvogt  Pedro: 

Ich  beschützte  die  Bagage, 
Stets  den  Feind  dicht  hinter  mir. 
Mit  dem  einen  Beine  lief  ich, 
Mit  dem  andern  wehrt'  ich  mich. 

(III,    2)  und  seinen  Heldenthaten    „auf  der  grossen  Retirade". 

Übrigens  auch  in  anderen  Formen  trat  die  Gestalt  des  gross- 
sprecherischen  Soldaten  auf.      Fäneste  ist  nichts  anderes.      „Der 


')  Ward.  I,  140.  Ralph  Royster  Doyster,  the  work  of  an  English 
scholar  and  schoolmaster,  is  descended  directly  from  the  Miles  gloriosus 
of  Plautus. 

2J  Ebenda.  I,  154.  Sir  Tophas  in  „Endimion"  has  far  more  assu- 
redly  a  prototype  in  the  Miles  gloriosus  of  Plautus,  than  Falstaff  has 
one  in  Sir  Tophas. 

3)  Vgl.  Klein.  IV,  571.  Der  Ruffo  in  Bernardo  Accoltis  Virginia 
ist  ein  Parolles. 

4)  Ward.  I,  553.  Ancient  Pistol  is  a  mere  modification  of  the 
regulär  italian  (and  new  comedy)  type  of  the  Thraso;  in  Falstaff  the 
military  element  is  only  incidental;  the  conception  of  Bobadill  has  been 
well  defined  as  „the  coward  assuming  the  dignity  of  calm  courage". 
(Vgl.  T.  Davies,  Dramatic  Miscellanies,  II,  54,  where  it  is  remarked, 
that  from  Bobadill  Congreve  formed  his  Captain  Bluffe  in  the  old 
Batchelor.)  —  Klein,  IV,  741,  bemerkt:  Taddeo  Scaliscenti  in  der 
Strega  des  Ant.  Francesco  Grazzini  sei  ein  Pistol.  „Er  könnte  gar 
wohl  zu  einigen  Pinselstrichen  des  Fähnrich  Pistol  gesessen  haben." 

5)  S.  Jahrbuch  der  deutschen  Shakespearegesellschaft,  herausge- 
geben durch  Karl  Elze.  (Weimar  1878.)  „Der  Miles  gloriosus  bei 
Shakespeare"  von  J.  Thümmel.  —  Vorträge  über  Shakespeare-Charak- 
tere von  Jul.  Thümmel.  (Halle,  Niemeyer  1881.)  S.  257—276.  „Der 
Miles  gloriosus  bei  Shakespeare." 

6j  Ward.  I,  553.  The  immortal  Bobadill  a  military  braggart  of 
quite  peculiar  species,  wholly  distinet  e.  g.  from  Falstaff  or  from  an- 
cient Pistol. 

7)  Thümmel  a.  a.  0.    S.  262. 


103  Notwendige  Umgestaltungen 

Baron  von  Fäneste  (cpaivsG&ai)  [des  Th.  A.  d'Aubigne]  i)  ist  einer 
jener  widrigen,  geldbedürftigen  schmarotzenden  Junker,  -svie  sie 
nach  den  Religionskriegen  so  häufig  zu  sehen  waren.  Feig  und 
doch  prahlerisch  erinnern  sie  an  den  ,Capitan'  der  italienischen 
Stegreifkomödie.  Ihr  Hauptgedanke  ist  zu  renommieren;  sie 
wollen  gross  thun,  vornehm  erscheinen,  für  tapfer  gelten.  Der 
Schein  ist  ihnen  alles ;   daher  der  Name  des  Barons. " 2) 

Einige  Stücke,  vor  allem  die  Andria  des  Terenz  und  die 
Menächmi  des  Plautus,3)  sind  wahre  Fundgruben  für  die  späteren 
Dichter  geworden.  Shakespeare  freilich  hat  die  Menächmi 
wieder  zur  höchsten  Vollendung  gebracht. 

Vielfach  freilich  waren  die  Umgestaltungen,  die  je  nach 
den  Zeitanschauungen  mit  diesen  antiken  Komödien  vorge- 
nommen werden  mussten.  Hegendorf  ahmte  (1520)  in  seiner 
comedia  nova  die  Hecvra  nach;4)  der  Landgraf  Moritz  von 
Hessen,  der  1592  zur  Regierung  kam  und  in  Kassel  so  viel 
für  die  Kunst  wirkte,  schrieb  eine  „Anglia"  „als  Nachahmung 
der  Andria  des  Terenz,  worin  er  seiner  Vorliebe  für  England 
Ausdruck  geben  wollte";5)  B.  Varchi  (1502 — 1565)  hatte  in 
seiner  Suocera  die  Hecyra,6)  als  Vorbild  zugleich  auch  mit 
dem  Versuche,  „dem  Lustspiele  einen  anständigeren  Inhalt  zu 
geben;"  Beolco  Ruzzante  machte  aus  der  Asinaria  seine 
Vaccaria;7)  „aus  der  Kurtisanne  hat  er  die  reizende  Fiori- 
nitta  gemacht."8) 

Einschneidendere  Änderungen  machten  besonders  einzelne 
Stücke  nötig.  So  hat  der  Eunuch  des  Terenz  viel  zu  denken 
gemacht,  das  Stück  war  wohl  vorzüglich,  allein  die  Persön- 
lichkeit passte  nicht.      Schon    einfache    Übersetzer   glaubten  An- 


')  Les  aventures  du  Baron  de  Faeneste  par  Theodore  Agrippa 
d'Aubigne.  Nouvelle  Edition  revue  et  annotee  par  M.  Prosper  Merimee. 
Paris  (P.  Jannet  1855).     Bibliotkeque  ElzeVirienne. 

2)  Lotheissen.    I,  130. 

3)  Riccoboni.  11,252.  Les  Me"nechmes  de  Piaute  en  tout  teins 
ont  suffi  aux  poetes  comiques  modernes  pour  leur  donner  matiere  süffi- 
sante pour  en  faire  une  comedie  parfaite  et  remplie.  L'Andrienne  de 
Terence  de  meme  n'a  pas  eu  besoin  qu'on  lui  ajoutät  des  scenes  etant 
assez  complete  dans  son  original  pour  une  action  de  tke'ätre. 

*)  Francke  a.  a.  0.    S.  123. 

5)  Deutsche  Dichter  des  sechszehnten  Jahrhunderts.  Herausgegeben 
von  K.  Gödeke  u.  Julius  Tittmann.  Vierzehnter  Band.  (Lpz.  1868.) 
S.  XIV.  —  Geschichte  des  Theaters  und  der  Musik  in  Kassel.  Bearbeitet 
vom  verstorbenen  Hof-Theater- Sekretär  W.  Lynker.  Herausgegeben 
von  Dr.  Th.  Köhler.     Kassel  (Th.  Kay)  1865.    S.  248. 

6)  La  suocera.  Comedia  di  Benedetto  Varchi,  in  Fiorenza  ap- 
presso  Bartolomeo  Sermartelli  1569. 

7j  Prölss.    I,  2.    S.  113. 
s)  Ebenda.    S.  221. 


antiker  Bühnenfiguren.  109 

deruugen  treffen  zu  müssen;1)  um  so  mehr  freie  Bearbeiter.  Im 
Ottoneum  zu  Kassel  wurde  er  z.  B.  als  Cassandra  gespielt.2) 

Der  Holländer  Brederoo  konnte  nicht  Lateinisch;  man 
empfahl  ihm  Terenz,  und  aus  sehr  mittelmässigen  französischen 
Übersetzungen  des  alten  Dichters  gewann  er  die  nötige  Kenntnis 
desselben,  um  den  Eunuchus  umzuarbeiten.3)  Die  Person  bei- 
zubehalten ging  nicht  an;  so  wählte  er  eine  „mooris",  eine 
Negerin.  So  gefiel  das  Stück  recht  wohl  und  wurde  noch  nach 
achtzig  Jahren  aufgeführt.4) 

In  gleicher  Weise  machte  Catarino  Dolce  aus  dem  Eu- 
nuchen ein  Lustspiel  „La  Mora",  das  im  Jahre  1643  in  Köln 
erschien. 5) 

Ähnlich  manipulierten  Brueys  (1640 — 1723)  und  Palaprat 
(1650 — 1721).  Sie  machten  aus  dem  Eunuchen  einen  Stum- 
men in  ihrem  Lustspiel  „Le  Muet"  (comedie  en  prose  en 
cinq  actes). 6) 

Im  Jahre  1703  versuchte  Baron  die  Andria  der  franzö- 
sischen Bühne  entsprechend  umzudichten  in  seiner  „l'Andrienne", 
comedie  en  vers  en  cinq  actes. 7) 

Hinter  dem  Titel  der  im  Jahre  1777  erschienenen  Ko- 
mödie8) „Die  Engländer  in  Berlin"  würde  kaum  jemand  „eine 
moderne   Übersetzung  der  Andria  des  Terenz"    vermuten.9) 

Selbst  die  Eigentümlichkeit  des  Poenulus,  in  welchem 
Plautus  in  punischer    Sprache    reden   lässt,     soll    andere  Schrift- 


*)  Z.  B.  La  Fontaine.  S.  bei  Colman  a.  a.  0.  S.  105.  „There  is 
extant  in  the  works  of  the  celebrated  Fontaine  a  comedy  entitled  l'Eu- 
nuque  being  like  Baron's  Andria,  founded  on  Terence  witli  such 
alterations  as  tlie  modern  Poet  thought  adviseable  in  his 
age  and  country." 

a)  Lynker  a.  a.  O.    S.  248. 

3S  Jonckbloet.    n,  129. 

4)  S.  Co  mm  elin,  Beschrijving  der  stad  van  Amsterdam.  H.Teil.  S.863. 

5)  Nach  Allacci.    S.  220  in  Colonia  per  Pietro  Heningio,  in  8°. 

6)  Vgl.  die  lange  Abhandlung  bei  Parfaict.  XIH.  Bd.  S.  247. 
Die  erste  Aufführung  war  am  12.  Juni  1691. 

7J  Parfaict.  XIV,  S.  312.  „II  falloit  assujetir  Terence  ä  nos  mceurs, 
&  aux  bienseances  de  notre  theätre,  &  en  meme  temps  conserver  son 
genie,  son  caractere,  &  ses  beautes  inimitables.  C'est  ce  que  l'auteur  a 
ose  faire  avec  autant  de  bonheur  que  d'habilete :  &  l'on  peut  dire  que 
cet  ouvrage  seroit  parfait  dans  son  genre,  si  M.  Baron  avait  pu  aussi 
bien  imiter  l'elegance  du  stile  de  son  original." 

8)  Berlin,  bei  Arnold  Wewer  (in  8°). 

9)  S.  das  Theater- Journal  für  Deutschland  vom  Jahre  1777.  (Gotha, 
bey  Carl  Wilhelm  Ettinger).  Zweytes  Stück.  (S.  160,  VIII.)  „Moderne 
Übersetzung  heisst  hier  das,  was  die  Herausgeber  des  Hamburgischen 
Theaters  verdeutscht  nennen.  Noch  nie  ist  uns  ein  Stück  vorgekommen, 
wo  diese  Modernisierung,  diese  Umschaffung  ausländischer  Sitten  und 
fremden  Sprachgenius  in  vaterländische,  so  glücklich  und  doch  dem  Ori- 
ginal so  treu  bewerkstelligt  worden  wäre  u.  s.  w." 


HO  Plautus  selbst 

steiler  veranlasst  haben,  in  fremden  Idiomen  sprechende  Personen 
auftreten  zu  lassen.  Von  Angelo  Beolco  Ruzzante  vermutet 
dies  Riccoboni;1)  Giovammaria  Cecchi  aber  beruft  sich  in 
seinem  Prologe  zu  seinem  Lustspiele  „I  Rivali"-)  wegen  seines 
Spanisch  sprechenden  Soldaten  Ignico  ausdrücklich  auf 
Plautus.3) 

Auch  gegen  diese  Sitte  führt  Grazzini  im  Prolog  zu  seiner 
Komödie  „La  Spiritata"  (S.  55)  Klage,  indem  er  von  ihr  rüh- 
mend hervorhebt:  „Ne  ci  si  udiranno  ne  Tedeschi,  ne  Spa- 
gniuoli,  ne  Franciosi  cinguettare  in  lingua  Pappagallesca, 
odiosa,    e  da  uoi  non  intesa. " 

Plautus  und  seine  Lebensverhältnisse  sind  selber 
Gegenstand  dramatischer  Behandlung  geworden.  Nepomucene 
Louis  Lemercier  hat  in  seinem  Lustspiel  „Piaute  ou  la  co- 
medie  latine",4)  auf  dem  Epidicus  aufbauend,  ein  Stück  aus 
dem  Leben  des  Plautus  zu  geben  versucht  (1808);  Pietro 
Chiari  (1700 — 1788),  bekannt  als  Egerindo  Criptonide,  Pastor 
Arcade  della  Colonia  Parmense,  schrieb  (1755)  einen  Marco  Accio 
Plauto,  (1754)  II  Terenzio.5)  In  neuerer  Zeit  (1876)  hat  in 
ungleich  genialerer  Weise6)  Pietro  Cossa  (geb.  29.  Januar  1834; 


')  I,  51.  Je  crois  que  Ruzante  (cc.  1530)  a  pris  de  Piaute  l'ide'e  de 
mettre  ses  differents  dialectes  dans  la  comedie  .  .  .  Piaute  dans  sa  co- 
medie du  Poeuulus  iutroduit  uu  Carthaginois  qui  parle  sa  langue  et  qui 
fait  des  jeux  de  mots  avec  la  langue  latine:  ce  qui  devait  produire  un 
plaisant  admirable.  Ruzante  en  a  fait  autant,  en  mettant  dans  la  bouche 
d'un  de  ses  personnages  la  langue  grecque  vivante  qui  donue  lieu  ä  des 
jeux  de  mots  avec  l'italienne."  —  Auch  Fl ö gel  a.  a.  0.  IV,  142.  „Es 
ist  sehr  wahrscheinlich,  wie  Riccoboni  glaubt,  dass  Ruzante  die  Idee  zu 
dieser  Erfindung  („die  verschiedenen  italienischen  Dialekte  aufs  Theater 
zu  bringen")  aus  dem  Plautus  genommen."    S.  dagegen  Pro lss.   1,2.217. 

2)  S.  148  des  ersten  Bandes  der  Commedie  di  Giov.  Cecchi, 
pubblicate  da  Gaetano  Milanesi.     (Firenze  1856.) 

3)  Eccetto  uno  Spagnuolo,  il  quäl,  per  essere 
Un  bravazzon,  non  ha  trovato,  credomi 
Chi  gli  dia  lingua;  ond'  e  la  sua  restatagli: 
Forse  per  farvi  ancor  con  essa  ridere. 

Ne  e  questo  peccato;  poiclie   Plaulo 
Fece  questo  medesimo  ttel  Penolo. 

4)  Siehe  unter  Epidicus. 

5)  In  den  Commedie  rappresentate  ne'  Teatri  Grimani  di  Venezia, 
coniinciando  dall'  anno  1749.  D'  Egerindo  Criptonide  Pastor  Arcade 
della  Colonia  Parmense.  (Venezia  1752,  Angiolo  Pasinelli.)  Bd.  1.  2.  3 
sind  diese  beiden  Stücke  nicht  enthalten. 

u)  Levin  Schücking  schreibt  hierüber  (Allgemeine  Zeitung  1877, 
No.  149  vom  29.  Mai,  S.  2256)  in  seinen  Römischen  Briefen  X.:  „Cossa 
hat  sich  in  die  Kultur-  und  Sittenzustände  der  Römerwelt  in  einer  Weise 
hineingelebt,  dass  er  in  diesem  „Plautus"  ein  höchst  frappantes  dra- 
matisches Gemälde  derselben  zu  geben  im  stände  war;  dazu  bedarf  es 
nicht  grosser  psychologischer  und  gemütlicher  Vertiefung,  sondern  nur 
der  rasch  und  leicht  arbeitenden  Phantasie  und  der  gi-üncllichen  Kennt- 


dramatisch  bearbeitet.  111 

gest.  31.  August   1881)  in  seinem  Lustspiele    „Plauto   ed  il  suo 
secolo"   die  gleiche  Idee  verfolgt. 

Ja  selbst  als  komische  Figur  hat  Plautus  herhalten 
müssen.  Weste rmayer  erzählt  im  Leben  J.  Bälde s1)  ge- 
legentlich einer  Aufführung  des  regnum  veterum  poetaruin  von 
einer  Szene:  „Plautus  und  Martial  balgen  sich,  als  die  lustigen 
Personen  des  Stückes,   in  grobkörnigem  Gassenlatein  herum." 


nis  der  Zeit.  Mit  grossem  Geschick  ist  der  arme  Plautus,  der,  ein  Lust- 
spielmanuskript in  der  Tasche  und  eine  Schauspielertruppe  um  sich, 
aus  seinem  Umbrien  in  die  ewige  Stadt  einzieht,  um  dort  sein  Glück 
zu  machen  —  mit  grossem  Geschick  ist  er  in  Situationen  gebracht, 
welche  ihn  mit  den  unvergänglichen  Typen  seiner  Werke,  dem  Miles 
gloriosus,  Grumio,  dem  Wucherer  Balio,  dem  Davus,  dem  Ritter  Cäcilius, 
dem  Urbild  des  Aniphitruo  in  Berührung  bringen  und  uns  diese  in  ihrer 
Urgestalt  in  Fleisch  und  Blut  zeigen.  Ein  Philologe  müsste  seine  Freude 
daran  haben,  und  ein  Lateinschüler  könnte  dadurch  in  drei  Theater- 
stunden mehr  als  in  zwanzig  Schulstunden  lernen." 

*)  Georg  Westermayer,   Jacobus  Bälde,   sein  Leben  und  seine 
Werke.     München  (Lindauer  1868).    S.  34. 


ZWEITER  TEIL. 


(Die  plautinischen  Lustspiele  und  ihre  hervorragendsten 
Bearbeitungen.) 


I.   Amphitruo. 

Unter  den  plautinischen  Lustspielen  ist  der  „Amphitruo" 
nach  mehr  als  einer  Seite  hin  hemerkenswert.  Die  Komödie, 
welche  sich  stets  unter  den  acht1)  bekannten  fand,  ist  die  einzige 
dieses  Dichters  „mit  mythologischem  (komisch- wunderhaftem) 
Stoffe,  der  etwas  ethisch  Bedenkliches  hat,  aber  mit  formeller 
Meisterschaft  und  heiterster  Laune  behandelt  ist".2)  „Bedenklich 
ist  das  frevle  Spiel,  welches  mit  der  Tugend  der  treuen  und  edlen 
Alkmene  getrieben  wird."3) 

Der  (übrigens  unechte)  Prolog  4)  deutet  die  Eigenart  des  Stückes 
am  besten  an.  Er  bezeichnet  es  (V.  50 — 63)  als  „Tragikomödie" 
wegen  der  Mischung  göttlicher  und  menschlicher  Charaktere: 

50.     Nunc  quam  rem  oratum  huc  ueni,  primum  proloquar: 

Post  argumentum  huius  eloquar  tragoediae. 

Quid  contraxistis  frontem?  quia  tragoecliam 

Dixi  futuram  hanc? si  uoltis,  faciam  ego  ex  tragoedia 

55.     Comoedia  ut  sit  omnibus  isdem  uersibus. 

Vtrum  sit  an  non  uoltis?  set  ego  stultior, 

Quasi  nesciam  uos  uelle,  qui  diuos  siem: 

Teneo  quid  animi  uostri  super  hac  re  siet. 

Faciam  ut  conmixta  sit  haec  tragicomoedia  : 
60.    JSam  me  perpetuo  facere  ut  sit  comoedia, 

Reges  quo  ueniant  et  di,  non  par  arbitror.'0) 

Quid  igitur?  quoniam  hie  seruos  quoque  partis  habet, 

Faciam  sit,  proinde  ut  dixi,  tragicomoedia.6) 


')  Amphitruo,  Asinaria,  Aulularia,  Captivi,  Curculio,  Casina, 
Oistellaria,  Epidicus.     (Vgl.  S.  18.) 

2)  W.  S.  Teuffels  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  Vierte 
Auflage  bearbeitet  von  Ludwig  Schwabe.   Lpz.,  Teubner  1882.   p.  147. 

3)  Teuf  fei,  1.  c.  p.  147.  —  S.  dagegen  Grundriss  der  römischen 
Litteratur  von  G.  Bernhardy.  Fünfte  Bearbeitung.  (Braunschweig, 
Schwetschke  u.  Sohn)  1872.    S.  455  „die  stark  gezerrte  Posse  Amphitruo". 

')  Vgl.  F  Martius,  Quaestiones  Plautinae.  De  captivorum,  Am- 
phitruonis,  Poenuli,  Rudentis  prologis.    Berol.  1879. 

b)  Dasselbe  berührt  Lope  deVega,  s.  LessingsHamb.Dram.  G9.Stück. 

6)  Nach  T.  Macci  Plauti  Amphitruo.  Ex  recognitione  Alfredi 
F leckeisen i.  Lipsiae  (Teubner)  1879.  —  Spezialausgaben  F.  Ast  (Lands- 
hut 1818);  Th.  Verwaijen  (Utrecht  1827):  F.  Lindemann  (Lips.  1834); 
F.  W.  Holtze  (Lips.  1846). 


116  I.   Amphitruo. 

Auch  Lessing  (Hamb.  Drara.  55.  Stück)  handelt  davon,  indem 
er  Voltaires   Erklärung'  der  Tragikomödie   abweist. 

Der  Stoff  ist  gewiss  der  neuen  Komödie  entnommen. 1)  Es 
ist  ein  dem  Altertume  geläufiger  Vorwurf,  dessen  Bearbeitung 
mehreren  alten  Dichtern  (Archippos,  Epicharmos)  zugeschrieben 
wurde;  auch  plastische  Darstellungen  aus  der  Amphitruosage 
fehlen  nicht;2)  indessen  ist  es  kein  Stück  der  alten  attischen  Ko- 
mödie, ebensowenig  des  Archippos  oder  des  Rhinthon,  wie  Binder 
(Übers.  S.  5)  sagt.3) 

Der  Text  des  plautinischen  Amphitruo  ist  verstümmelt  auf 
uns  gekommen.4)  Nach  der  zweiten  Szene  des  vierten  Aktes 
(V.  1043)  findet  sich  eine  ziemlich  bedeutende,  durch  das  Fehlen 
einer  Blätterlage  verursachte  Lücke,  die  etwa  vier  Szenen  von  un- 
gefähr dreihundert  Versen  vermissen  lässt.  Als  das  Stück  im 
fünfzehnten  Jahrhundert  zu  Rom  und  Florenz  gespielt  wurde,5) 
versuchte  Hermolaus  Barbarus,  der  Kardinal  von  Aquileja, 
(1464 — 1493)  ein  Freund  des  Angelo  Poliziano,  der  aus  einem 
altedlen  venetianischen  Geschlecht  stammte,  die  fehlenden  Szenen 
zu  ergänzen.  Diese  Nachdichtung  ist  nach  Form  und  Inhalt 
nichts  weniger  als  gelungen  zu  nennen;  Barbarus  thut,  als  ob  er 
den  Versuch  selbst6)  für  nicht  vorzüglich  halte. 


')  S.  Frd.  Schultz,  Plautus  in  seinem  Verhältnisse  zur  mittleren 
und  neueren  griechischen  Komödie.  Neustadt  in  Pr.  1866.  —  Ritschi, 
Parerga,  p.  271. 

'-)  Winckelmann,  Gesch.  d.  K.  S.  187.  W.  A.  —  Vgl.  auch  An- 
nali dell'  Istituto  1872.  —  5 — 18.  (Engelmann)  in  abweichender 
Auffassung.  —  D'Hancarville,  Antiq.  Etrusc.  IV.  pl.  CV.  —  Winckel- 
mann, Monum.  ined.  n.  190.  —  C.  0.  Müller,  Denkmäler  der  alten 
Kunst.  II,  19.  —  Wieseler,  Theatergebäude  u.  Denkmäler  des  Bühnen- 
wesens. IX,  11.  —  Heydemann  in  Arch.  Zeit.  n.  F.  I,  34.  —  A.  Bau- 
meister, Denkmäler  des  klassischen  Altertums.  München  u.  Leipzig 
(Oldenhourg)  1884.  S.  48,  und  Ausführliches  Lexikon  der  griech.  und 
röm.  Mythologie  von  W.  H.  Röscher.    Lpz.  (Teubner)  1884. 

3)  Vgl.  J.  Vahlen,  Rhein.  Museum.  XVI.  S.  472,  wo  vermutet 
wird,  dass  vielmehr  Atellanen  mit  mythologischem  Stoffe  Rhinthonicae 
seien,  possenhafte  Travestierungen  mythisch-tragischer  Gegenstände.  — 
Die  Rhinthonicae  sind  so  genannt  von  dem  Phlyakograpken  Rhinthon 
aus  Tarent,  der  tragische  Stoffe  lächerlich  machte  (tu  TQayixa  fxeva^QvS- 
[a!l,ü)v  elg  ytlolov),  auch  V/MQOTQuyiuöiu  oder  Ixahxfj,  wogegen  Amphitruo 
xü)(ji(i)6oTQayo)äla.  (Teuffei,  1.  c.  pag.  30.)  —  Ladewig,  Über  den  Ka- 
non des  Volcacius  Sedigitus',  Neustrelitz  1842.  S.  23  ff.  —  S.  W.  Teuf  fei, 
Studien  und  Charakteristiken  zur  griech.  und  röm.,  sowie  zur  deutschen 
Litteraturgeschichte.  Lpz.  (Teubner)  1871.  S.  255.  —  Bernhardy,  1.  c. 
pag.  462. 

4)  Em.  Hoff  mann,  De  Plauti  Amphitruonis  exemplari  et  frag- 
mentis.    Vrat,  1848. 

5)  Oeuvres  completes  de  Moliere.  Nouvelle  edition  etc.  par  M. 
Louis  Moland.  (Garnier  Freres  1864.)  Der  fünfte  Band  der  chefs- 
d'ceuvre  de  la  litterature  francaise.     Notice  preliminaiiv.  pag.  7. 

6)  Vgl.  Politian,  Epistol.    XII,  25. 


Charakteristik  desselben.  117 

Diese  bei  Plautus  fehlenden  Szenen  haben  der  Phantasie 
nachfolgender  Bearbeiter  freien  Spielraum  gelassen. 

Der  Inhalt  des  plautinischen  Amphitruo,  der  zu  so  manchem 
Anstoss  Veranlassung  wurde,  A)  fällt  in  einigen  Stücken  mit  jenem 
der  Menaechmi  zusammen,  nur  ist  in  letzterer  Komödie  der 
freie  Zufall  das  herrschende  Element,  während  der  Amphitruo 
eine  Wunderkomödie,  eine  göttliche  Intrigue  ist.  Wohl  liegt  im* 
Amphitruo  eine  beabsichtigte  Geisse  lung  des  Juppiterglau- 
bens. 2)  Es  ist  nicht  mehr  die  Naivetät  des  Dichters  und  seines 
Zeitalters,  noch  ist  es  ein  erhabenes  Bild,  das  Mercurius  von  dem 
Vater  der  Götter  und  Menschen  (in  den  angefochtenen  V.  26 — 
31)   entwirft: 

„Etenim  ille,  quoius  huc  iussu  uenio,  Iuppiter 
JSon  minus  quam  uostrum  quiuis  formidal  malvm  : 
Humana  matre  natus,  humano  patre, 
Mirari  non  est  aequom,  sibi  si  praetimet. 
Atque  ego  quoque  etiam,  qui  Iouis  sum  filius, 
üontagione  mei  palris  metuo  malum." 

oder,    wenn  er  ihn   (  V.  138)   als   Ausfluss  seiner  Allmacht  stehlen 

lässt: 

Ea  dona,  quae  illic  Amphitruoni  sunt  data, 
Apstulimus:  facile  mens  pater  quod  uolt  facit. 

Die  Fabel  an  sich  ist  nicht  gerade  sehr  viel  wert,  vor  allem 
ist  sie  gewiss  alles  eher,  als  poetisch:  dennoch  aber  zeichnet  sich 
die  Gesamtarbeit  durch  Feinheit  des  Dialogs  und  eine  wohlgefeilte 
Diktion  aus.  Ganz  besonders  sind  die  Situationen  einzelner  Szenen 
von  hochkomischer   Wirkung.3) 

Wir  haben  nun  den  Gang  der  Handlung  und  die  Gestalten  des 
plautinischen  Lustspiels  näher  zu  verfolgen,  um  zu  ersehen,  was 
die  zahlreichen   späteren  Bearbeiter  ihrer  Quelle  verdanken. 


')  So  findet  Eapp  (Span.  Theat.  I,  17)  „El  diablo  predicador"  des 
Belmonte  lasse  sich  „in  der  Frivolität  etwa  dem  Amphitruo  an  die 
Seite  stellen". 

2)  J.  Naudet  (Theätre  de  Piaute,  traduction  nouvelle.  Paris 
[Panckoucke]  1845)  urteilt  hierüber  (I,  24):  L'Amphitryon  de  Piaute  est 
uu  des  plus  insignes  exemple  des  inconsequences  de  l'esprit  humain. 
CVsf  peiit-etre  au  sortir  du  Capitole,  oü  ils  venaient  d'adresser  au  tres 
Bon  et  tres  Grand  des  actions  de  gräce  ou  des  supplications  que  les 
Romains  allaient  applaudir  les  histrions  qui  bafouaient  Jupiter  avec  son 
fils  sur  le  proscenium;  contradiction  d'autant  plus  etrange,  que  les  jeux 
sceniques  ne  se  donnaient  qu'aux  fetes  solennelles,  et  que  toutes  ces 
fetes  etaient  religieuses. 

3)  F.  Osann,  Über  den  Amphitruo  des  Plautus  (Rhein.  Museum 
von  Welcker  und  Näke.  II,  S.  305—335).  —  Welcker,  Griech.  Trag. 
S.  1478—1481.  —  R.  Steinhoff,  Prologomena  zu  Plautus'  Amphitruo. 
Jahresbericht,  über  das  herzogl.  Gymnasium  zu  Blankenburg.  Halber- 
•~la.lt  1879.  —  H.  Köstlin,  Phil.  36,  358. 


1  ]  g  I.   Amphitruo. 

Mercurius  tritt  auf  und  giebt  im  Prolog  (V.  1  — 153)  den 
Inhalt  der  Komödie.  Amphitruo,  der  Gatte  der  Alcumena 
und  Feldherr  der  Thebäer,  ist  abwesend  im  Kriege  mit  den 
Teleboern.  Juppiter,  der  von  Liebe  zur  schönen  Alcumena  ent- 
brannt ist,  benutzt  diesen  Umstand  zur  Befriedigung  seiner  Lei- 
denschaft. Er  nimmt  die  Gestalt  des  fernen  Amphitruo  an,  sowie 
"Mercurius  in  jener  des  Sklaven  Sosia  auftritt,  und  täuscht  auf 
diese  Weise  Alcumena. 

Mit  dem  ersten  Akte  erscheint  Sosia.  Amphitruo  hat 
ihn  vorausgesandt,  um  seiner  Gattin  Alcumena  seine  siegreiche 
Rückkehr  anzukündigen.  Mercurius,  in  der  Gestalt  des  Sosia, 
bewacht  bereits  das  Haus,  in  welchem  sich  Juppiter  in  einer 
eigens  verlängerten  Nacht  Alcumenas  freut.  Mercurius  tritt 
dem  Sklaven  entgegen,  verwehrt  ihm  den  Eintritt  in  Amphitruos 
Haus,  jagt  ihn  mit  Schimpfen  und  Schlägen  von  dannen  und 
macht  ihn  vollständig  verwirrt,  da  Sosia  in  dem  Fremdling  un- 
leugbar sein  Ebenbild  erblickt.  —  Juppiter  tritt  mit  Alcumena 
auf;  er  nimmt  mit  dem  Grauen  des  Tages  zärtlichen  Abschied 
von  ihr;  er  habe  sich,  sagt  er,  nur  vom  Lager  zu  ihr  herge- 
stohlen; niemand  dürfe  seine  Abwesenheit  wahrnehmen.  Schei- 
dend schenkt  er  ihr  die  Trinkschale  des  Königs  Pterelas,  die 
er  nach  dessen  Besiegung  als  Lohn  seiner  Tapferkeit  erhalten 
hatte.  Es  wird  Tag,  und  zwar  ein  viel  kürzerer,  auf  dass  die 
lange  Nacht  ausgeglichen  werde.      (V.   550.) 

Am  Beginne  des  zweiten  Aktes  erzählt  Sosia  seinem 
Herrn  Amphitruo,  was  ihm  begegnet  sei.  Ein  anderer  Sosia, 
sein  treuestes  Ebenbild,  habe  ihn  geprügelt  und  nicht  in  das  Haus 
eingelassen.  (V.  632.)  Indessen  Amphitruo  den  Bericht  nicht 
verstehen  kann,  naht  Alcumena,  in  einem  sehr  hübschen  Mo- 
nologe die  wiederholte  Trennung  von  ihrem  teuern  Gatten  be- 
klagend, doch  aber  des  Ruhmes  seines  Heldensinnes  sich  freuend. 
Plötzlich  erblickt  sie  Amphitruo  vor  sich.  Da  sie  seine  Fragen 
nicht  verstehen,  vielmehr  ihm  nur  versichern  kann,  dass  er  diese 
Nacht  bei  ihr  gewesen  und  soeben  erst  geschieden  sei,  kömmt  es 
zu  einer  aufgeregten  Szene,  in  welcher  Amphitruo  seiner  Ge- 
mahlin schwere  Vorwürfe  macht.  Diese  zeigt  ihm  den  Becher 
des  Pterelas,  den  nun  Amphitruo  vergeblich  in  seinem  Etuis 
sucht,  da  ihn  Mercurius  gestohlen  hat.  In  höchstem  Unmute 
verlässt  Amphitruo  Alcumena,  um  ihr  durch  das  Zeugnis 
ihres  Verwandten  Naucrates  zu  beweisen,  dass  er  diese  Nacht 
bei  ihm  verbrachte.    (V.  860.) 

Der  dritte  Akt  führt  Juppiter  ein,  bedacht,  Alcumena 
keinen   Schaden   zuzufügen:    denn   (V.  871): 

Nam  mea  sit  culpa,  quod  egomet  contraxerim, 
Si  id  innocenti  (inmerito  damnosum)  expetat. 


Charakteristik  desselben.  119 

eine  Gerechtigkeitspflicht,   der  schon  früher  (F   492)  Mercurius 
mit  den  Worten  Ausdruck  verlieh: 

nemo  id  probro 
Profecto  ducet  Alcumenae:  nam  deum 
IXon  par  uidetur  facere,  delictum  snum 
Suamque  ut  culpam  expetere  in  mortalem  sinat. 

Juppiter  besänftigt,  als  Amphitruo  die  schmollende  Alcu- 
mena,  indem  er  ihr  förmlich  Abbitte  für  seine  früheren  Reden 
leistet,  worauf  sie  sich  versöhnen.  Sosia,  der  dazu  kömmt,  sieht 
mit  Freude  und  Staunen  diesen  Friedensschluss  (V.  957): 

Iam  pax  est  (facta)  uos  inter  duos? 

Nam  quia  uos  tranquillos  uideo,  gaudeo  et  volup  est  mihi. 

Er  geht  mit  ihnen  ins  Haus.  Mercurius  aber,  als  Sosia,  bleibt 
wieder  als  Wache  vor  demselben.  Vergeblich  hat  mittlerweile  Am- 
phitruo überall  nach  Naucrates  gesucht;  er  will  in  seine  Wohnung, 
um  Weiteres  von  Alcumena  zu  erfahren,  Mercurius  aber  zieht 
ihn,  auf  dem  Dache  stehend,  auf.    (F.   1034.)    Hier  ist  die  Lücke. 

In  dem  Fragmente  des  vierten  Aktes  hören  wir  von 
Blepharo,  dass  Alcumena  eben  entbunden  werde.  Erregt,  mit 
allen  Drohungen,  will  Amphitruo  ins  Haus  dringen;  ein  Donner- 
schlag erfolgt;   er  stürzt  zusammen.    (F.  1052.) 

Beim  Beginne  des  fünften  Aktes  findet  die  Amme  Bromia 
ihren  Herrn,  Amphitruo,  am  Boden  liegend;  „sepultust  quasi  sit 
mortuos."  (F.  1074.)  Sie  berichtet  ihm,  der  langsam  zum  Leben 
erwacht,  von  Alcumenas  schmerzloser  Entbindung,  und  dass 
sie  zwei  Knaben  zur  Welt  gebracht  habe,  deren  einer  ein  ihn 
bedrohendes  Schlaugenpaar  getötet  habe.  Juppiter  sei  der  Vater 
des  einen  Knaben,  worauf  sich  Amphitruo  mit  den  Worten 
tröstet  (F.  1124): 

Pol  me  hau  paenitet, 
Si  licet  boni  dimidium  mihi  diuidere  cum  Ioue. 

Zur  Bestätigung  des  Gesagten  erscheint  noch  Juppiter 
selbst.      Alcumena  ist  schuldlos  und  rein;   denn   (F.  1142): 

Mea  ui  subactast  facere. 

Auch  Amphitruo  ist  befriedigt;  denn  begrüsste  er  schon 
bei  der  ersten  Kunde  die  Geburt  der  Zwillinge  als  günstiges 
Zeichen  (F.  1089),  so  ist  er  mit  Juppiters  Versicherung,  dass 
der  eine  der  beiden  wirklich  sein  Sohn  sei  (F.  1135  — 1140), 
und  dass  der  andere  ihm  Ruhm  und  Ehre  bringen  werde,  völlig 
beruhigt:  und  das  Stück  schliesst  mit  einer  Aufforderung  an  die 
Zuschauer,   Juppiter  zuliebe  zu  klatschen  (F.   1145): 

Spectatores,  nunc   louis  summt  causa  clare  j)laudite ! 


120  I.   Amphitruo. 

Die  Handlung  des  Stückes  ist  gewiss  keine  ganz  befrie- 
digende,1) indem  der  „denx  ex  machina"  dieselbe  gewaltsam 
löst.  Andrerseits  lässt  sieb  nicht  leugnen,  dass  selbst  ein  mytho- 
logisch so  bedeutsamer  Vorgang,  wie  die  Zeugung  des  Herkules, 
nicht  wichtig  genug  erscheint,  um  ihm  die  glückliche  Ehe  zweier 
liebender  Gatten  so  gewaltsam  aufzuopfern.  Mehrfach  hat  man 
daraus  auf  die  niedrige  Anschauung  jener  Zeit  vom  Weibe 
geschlossen. 2) 

Die  Feinheit  jedoch,  welche  im  Dialoge  herrscht,  und  die 
herrliche  Komik,  vor  allem  die  überraschende  Ähnlichkeit  der 
beiden  Amphitruo  und  Sosia,  auf  welche  in  der  Komödie  wieder- 
holt hingewiesen  wird,3)  und  welche  dem  Zuschauer  nur  durch 
die  Flügelchen  (pinulae)  des  Mercurius  und  das  goldene  Hutband 
(torulus  aureus)  des  Juppiter  etwas  aufgeklärt   wird,4)    muss   des 


')  Vgl.  indessen,  wie  Mercurius  der  abgedroschenen  Motive  spot- 
tet, wie  sie  im  Trinummus  und  in  der  Mostellaria  gebraucht  sind 
{V.  986): 

Nam  mihi  quidem  hercle  qui  minus  liceat  deo  minitarier 
Populo,  ni  decedat  mihi,  quam  seruolo  in  comoediis? 
Ille  nauem  saluam  nuntiat  aut  irati  aduentum  senis. 

2)  Vgl.  Benoist,De  personis  muliebribus  apudPlautum.  Mars.  1862, 
und  auch  den  Vorwurf,  dass  das  Weib  den  Schwur  nicht  achte  (/'.  836): 

Mulier  es,  audacter  iuras, 
den  in  ähnlicher  Weise  im  „Miles  gloriosus"  Sceledrus  der  Philocomasium 
macht  (V.  456): 

„Muliebri  fecit  fide." 

3)  V.  120.     Nam  meus  pater  nunc  intus  eceum  Iuppiter 

In  Amphitruonis  uortit  sese  imaginem, 
Omnesque  eum  esse  censent  serui  qui  uident. 
V.  441.     Certe  edepol,  quom  illuni  contemplo  et  formam  cognosco 

meam, 
Quem  ad  modum  ego  sum  (saepe  in  speculum  inspexi): 

nimis  similist  mei. 
Itidem  habet  petasum  ac  uestitum:   tarn   consimilist  at- 

que  ego. 
Sura,  pes,  statura,  tonsus,  oculi,  nasum,  uel  labra, 
Malae,  mentum,  barba,  collus:  totus.  quid  uerbis  opust? 
Si  tergum  cicatricosum,  nihil  hoc  similist  similius. 
V.  457.     Nam  hie  quidem  omnem  imaginem  meam,  quae  antehac 

fuerat,  possidet. 
V.  600.  Tum  formam  una  apstulit  cum  nomine. 

Neque  lac  lacli  magis  est  simile  quam  ille  ego  similis 

est  mei. 

4)  V.  142.     Nunc  internosse  ut  nos  possitis  facilius, 

Ego  has  haOeo  usque  hie  in  petaso  pinulas: 
Tum  meo  patri  autem  torulus  inerit  aureus 
Sub  petaso:  id  Amphitruoni  signum  non  erit. 
Ea  signa  nemo  horunce  familiarium 
Videre  poterit,  ueruni  uos  uidebitis. 
Siehe  hierüber  R.  Steinhoff.    II,  7,  Note  22. 


Charakteristik  desselben.  121 

Erfolges  auf  der  Bühne  sicher  sein.  Sie  führt  zu  so  trefflich 
ausgebeuteten  Situationen,  dass  man  gerne  auf  einige  Zeit  ver- 
gisst,  wie  arg  bedenklich  vom  moralischen  Standpunkte  aus  dieses 
Quiproquo   ist. 

Der  Vergleich  der  Arbeiten  der  Nachfolger  nötigt  uns,  die 
Hauptzüge  der  Charaktere  des  plautinischen  Stückes  in  Kürze  zu 
betrachten.      Sie  sind  insgesamt  scharf  ausgeprägt. 

Juppiter,  der  „Amphitruo"  subditiuos"  (F  497),  ist  nach 
den  Darstellungen  seines  eigenen  Sohnes  ohne  sittlichen  Halt  in 
seinen  Anschauungen  (F   104): 

Nam  ego  uos  nouisse  credo  iam  ut  sit  meus  pater, 
Quam  Über  harum  rerum  et  multarum  siet 
Quantusque  amator,  si  ei  quid  conplacitumst  semel. 

Seine  Gottheit  giebt  ihm  zu  allem,  auch  zum  Diebstahl,  wie  wir 
sahen,    volle    Macht.      Er   ist    ein  abscheulicher  Lügner  (F  506): 

Nimis  hie  scitust  sueophanta,  qui  quidem  sit  meus  pater. 
In  seiner  Lüsternheit  teilt  er  des  Sklaven  Sosia  Ansicht  (F  287): 

Vbi  sunt  isti  scortatores,  qui  soli  inuiti  cubant? 
Haec  nox  scitast  exercendo  scorto  condueto  male, 

worauf  Mercurius  sagt: 

Meus  pater  nunc  pro  huius  uerbis  recte  et  sapienter  facit, 
Qui  conplexus  cum  Alcumena  cubat  amans,  animo  opsequens. 

Noch  klingt  uns,  wenn  er  sich  in  der  letzten  Szene  pathe- 
tisch als  den  Gott  Juppiter  zeigt  (Iuppiter  supremus,  F.  1127; 
quom  sum  Iuppiter,  V.  1134;  ego  in  caelum  migro,  F  1142), 
sein  Monolog  vom  dritten  Akte,  „qui  interdum  fio  Iuppiter,  quando 
libet"  (F  864),  nicht  ohne  arge  Beeinträchtigung  seiner  Göttlich- 
keit im  Ohre. 

Auf  derselben  Stufe  steht  Mercurius,  der  sich  schon  im 
Prologe  als  den  Gott  nicht  gerade  des  schönsten  Handels  und 
ehrlichsten  Gewinnes  und  als  Helfer  „in  omnibus  rebus"  einführt. 
Er  hat  mit  der  Sklavengestalt  den  niedrigen  Sklavensinn  ange- 
nommen (F  266): 

Et  enimuero  quoniam  formam  huius  cepi  in  me  et  statum, 
Decet  et  facta  moresque  Indus  habere  me  similis  item. 
Itaque  me  malum  esse  oportet,  callidum,  astutum  ad  modam 
Atque  hunc  telo  suo  sibi,  malitia,  bis  a  foribus  pellere. 

Gegen  diese  beiden  Göttergestalten  heben  sich  Amphitruo 
und  Alcumena  durch  besondere  Reinheit  des  Charakters  ab. 
Amphitruo  („der  unermüdliche  Kriegsmann")  ist  kühn  und  tapfer 
als  Feldherr  (F.   191): 


122  I-   Amphitruo. 

Id  ui  et  uirtute  niilitum  uictuin  atque  expugnatum  oppidumst, 
Imperio  atque  auspicio  niei  eri  Amphitruonis  maxume, 
Qui  praeda  agroque  adoreaque  adfecit  popularis  suos 
Regique  Thebano  Creoni  regnum  stabiliuit  suum. 

Milde  gegen  seinen  Sklaven,  will  er  ihn  nicht  mit  Arbeit 
überlasten  (7  674): 

Alium  ego  isti  rei  adlegabo:  ne  time! 

Wahrheitsliebe  ist  ein  Grundzug  seines  Charakters  (7.  687): 
„Quia  uera  didici  dicere", 

und  so  bringt  er  seiner  Gattin,  von  der  er  überzeugt  ist,  dass 
Theben  kein  besseres  Weib  hat,  aufrichtige  Liebe  und  Verehrung 
entgegen.     (7.  676): 

Amphitruo  uxorem  salutat  laetus  speratam  suam, 

Quam  omnium  Thebis  uir  unam  esse  optumam  diiudicat, 

Quamque  adeo  ciues  Thebani  uero  rumificant  j^robam. 

Gewiss  ein  Gegenstück  zu  Juppiter! 

Die  verführte  Alcumena  („die  Starke")  ist  nicht  minder  mit 
allen  guten  Zügen  ausgestattet.  Diese  „uxor  usuraria"  Juppiters 
(7.  498)  ist  eine  vortreffliche  Hausfrau,  die  sich  der  „res  com- 
munis" ernstlich  annimmt  (7.  499)  und  voll  Liebe  zu  ihrem 
Gatten  ist.    (7   640): 

Sola  hie  mi  nunc  uideor,  quia  ille  hinc  abest,  quem  ego  amo  praeter  omnis. 
Plus  aegri  ex  abitu  (mei)  uiri  quam  ex  aduentu  uoluptatis  cepi. 

Sie  ist  auch  voll  Teilnahme  an  seinem  Ruhme,  und  dies  ist 
ihr  einziger  Trost  gegenüber  der  Trennung  von  ihrem  Gemahle; 
ein  Trost,  den  sie  in  jenem  herrlichen  Monologe  des  zweiten 
Aktes,  den  alle  Nachahmer  von  Geschmack  sich  angeeignet  haben, 
in  so   zarter  Form  zum  Ausdruck  bringt   (7  642): 

Set  hoc  me  beat  saltem,  quoniani  (ille)  uicit 
Perduellis  et  domum  laudis  conpos  reuenit 

und  so  weiter. 

Sie  ist  sittsam  (proba  7  678),  keusch  und  treu,  wie  ihr 
Schwur   (7  831)  bezeugt: 

Per  supremi  regis  regnum  iuro  et  matrem  familias 
Iunonem,  quam  te  uereri  et  metuerest  par  maxume, 
Vt  mi  extra  unum  te  mortalis  nemo  corpus  corpore 
Contigit,  quo  me  inpudicam  faceret. 

und  darin  sucht  sie  ihre   einzige  Ehre.     (7    839)  :*) 


')  Vgl.  Sulzer,  Theorie  etc.    III,  702-'. 


Charakteristik  desselben.  123 

Non  ego  illam  mihi  dotem  esse  duco,  quae  dos  dicitur, 
Set  pudicitiam  et  pudorem  et  sedatum  cupidinem, 
Deum  metum  et  parentum  amorem  et  cognatuni  concordiam, 
Tibi  morigera   atque  ut  munifica  sim  bonis,  prosim  jjrobis. 

Beleidigt  in  ihrer  weiblichen  Ehre,  keiner  Schuld  sich  be- 
wusst  (V.  885:  „Quae  neque  sunt  facta  neque  ego  in  nie— admisi, 
arguit"),  will  sie  Amphitruos  Haus  verlassen.  Als  ein  Muster 
weiblicher  Denkart  tritt  sie  mit  dem  ganzen  Selbstbewusstsein  der 
Unschuld  auf,   da  Juppiter  sie   versöhnen  will  (V.   925). 

ALC.     Ego  istaec  l'eci  uerba  uirtute  inrita. 

Nunc  quando  factis  sum  inpudicis  apstinens. 

Ab  inpudicis  dictis  auorti  uolo. 

Valeas,  tibi  habeas  res  tuas,  reddas  meas. 

Iuben  mihi  comites? 
IV.  Sanan'  es? 

ALC.  Si  non  iubes, 

Siuito:  Pudicitiam  egomet  comitem  ihixero. 

u.  s.  w.  in  einer  meisterhaften  Szene. 

Noch  bleibt  uns  die  Figur  des  Sosia  —  für  die  Nachfolger 
eine  der  verwertbarsten. 

Sosia  ist  das  Muster  eines  Sklaven,  wie  ihn  V.  266 —  269 
schildert.  Köstlich  ist  sein  Auftreten.  Er  räsonniert  über  das 
Sklavendasein  und  die  Befehle  des  Herrn,  der  nicht  ahnt,  was  ihr 
Vollzug  alles  erheischt.      (Vgl.    F.  172): 

Non  reputat  quid  laborist. 

Als  echte  Bedientenseele  formt  er  sein  Gesicht  nach  dem  seines 
Herrn  (F.    959): 

Atque  ita  seruoni  par  uidetur  frugi  esse  instituere : 
Proinde  eri  ut  sint,  ipse  item  sit:  uoltum  e  uoltu  conparet: 
Tristis  sit,  si  eri  sint  tristes,  hilarus  sit,  si  gaudeant. 

Feige,  wie  kein  zweiter,  schneidet  er  dennoch  gewaltig  auf 
(F.    199): 

Nam  quom  pugnabant  maxume.  ego  tum  fugiebam  maxume. 
Verum  quasi  adfuerim  tarnen  simulabo  atque  audita  eloquar. 

Mercurius  meint  (F.   293): 

Nullust  hoc  meticulosus  aeque. 

Beim  Anblicke  des  Gegners  weiss  er  nur  den  Schreckensruf 
auszustossen:  ,.Perii,  dentes  pruriunt!"  So  wird  Sosia  zu  einer 
höchst  wirksamen  komischen  Figur,  und  die  Szene,  wo  er  zum  ersten- 
male  mit  Mercurius  zusammentrifft,  sowie  die  zweite  Szene  des 
zweiten  Aktes   sind  wahre   Kabinetsstücke. 

Das   also  ist  das  Vorbild  der  kommenden    Bearbeitungen  des 


12-4  I-   Amphitruo. 

Ämphitruo, *)  einer  ziemlich  weitverbreiteten  Sage  des  Altertums,2) 
die  nach  der  Anschauung  einzelner  Forscher3)  in  verschiedenen 
Erzählungen  des  Mittelalters  wieder  spielt. 

Ed.  Dumeril  glaubt4)  zwar,  gestützt  auf  eine  Stelle  im 
.,C armen  p aschale"  des  (Caelius?)  Sedulius,5)  eines  christ- 
lichen Dichters  aus  der  zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhun- 
derts, der  sich  stark  über  die  profane,  heidnische  Bühne  be- 
schwert und  dabei  von  „Ridiculove  Greta"  spricht,  dass  es  schon 
seit  dem  fünften  Jahrhundert  lateinische  Bearbeitungen  des  plau- 
tinischen  Amphitruo  gab,  wie  uns  eine  solche  in  dem  Amphi- 
tryon  (oder  besser  dem  Geta  und  Byrrhia)  des  Vitalis  Bie- 
sen sis6)  (Vital  de  Blois)  aus  dem  zwölften  Jahrhundert  vorliegt. 
Richtig  indessen  hat  A.  Chassang7)  die  Unnahbarkeit  dieser 
Ansicht  aus  dem  Umstände  nachgewiesen,  dass  Geta  einer  der 
gewöhnlichsten  Sklavennamen  war.  Der  genannte  Vital  de  Blois 
nun  ist  einer  der  hervorragendsten  Klassizisten  jener  Zeit,  in 
welcher  man  viel  nach  klassischen  Mustern,  und  besonders 
nach  Plautus ,   arbeitete.  8) 

Der  lateinische  Text  „Geta",9)  dessen  auch  Jeremias  von 
Padua  am  Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts  in  seinem  „Epitoma 


')  Über  Neubearbeitungen  des  Amphitruo  handelt:  Nyere 
Digteres  Bearbeidelser  af  Plautus  „Amphitruo"  af  Emil  Gigas  auf 
S.  113—140  von  Det  philologisk-kistoriske  Samfunds  Mindeskrift  i  an- 
leduing  af  dets  femogtyveaarige  virksomhed  1854 — 1879.  Udgivet  med 
Understöttelse  fra  Carlsberg-Fondet.  Kjöbenhavn.  Forlagt  af  Rudolph 
Klein  1879.  —  Gigas  kennt:  Collenuccio,  Villalobos,  Perez  de  Oliva, 
Dolce  (il  marito),  Camöes,  Rotrou,  Moliere,  Dryden,  Jose  da  Silva,  Kleist, 
Falk.  —  Von  einem  im  Winter  1878  79  im  Breslauer  wissenschaft- 
lichen Vereine  gehaltenen  Vortrag  über  die  modernen  Bearbeitungen 
des  Amphitruo  von  Dr.  A.  AVinter  berichtet  R.  Steinhoff  (Das  Fort- 
leben des  Plautus  auf  der  Bühne  1881).    S.  1.    Anm.  3. 

2)  Moland,  1.  c.    pag.  3. 

3)  Ebenda,    pag.  8.  9. 

4)  Ed.  Dumeril.    Orio\  lat.  du  theätre  moderne,  pag.  15. 

5)  Ausgaben  von  Chr.  Cellarius  (Halle  1704.  1739),  Grüner  (1747), 
H.  J.  Arntzen  (Leovard.  1761).  F.  Arevalus  (Rom.  1794j.  —  Vgl. 
Teuffei,  pag.  1122  ff.  —  Bernhardy,  pag.  1000  ff. 

6)  Vital  de  Blois,  auch  Gallus  oder  Galliens  beioenannt,  blühte 
gegen  das  Ende  des  zwölften  Jahrhunderts  und  ist  in  Blois  geboren. 
Er  war  ein  Zeitgenosse  des  Matthieu  de  Vendome.  Von  seinem 
Leben  weiss  man  nichts  Näheres.  Vgl.  Histoire  litteraire.  XV.  Bd. 
S.  428.  429.  —  Biographie  universelle.  Paris  1816.  —  Fabric,  Bibl.  Lat. 
cura  Em.   1.  29. 

7)  A.  Chassang,  Des  essais  dramatiques  imites  de  l'antiquite  au 
XTVe  et  au  XVf  siecle,  Paris  (Durand  1852),  pag.  7. 

8)  M.  Magnin,  Cours  inedit.  Conf.  Journal  de  l'instruction  publique 
vom  8.  fevrier  1835. 

9)  Vgl.  Histoire  litteraire  de  la  France  (1852).  Band  XXH.  Seite 
41—48.  -  Teuffei,  S.  147.1037.  —  Osann.  1.  c.  pag.  V— XV1TI;  auch 
J.  L.  Klein,  Geschichte  des  Dramas.     (Lpz.  1866.    in.    pag.  638.) 


Der  Geta  des  Vitalis  Blesensis.  125 

sapientiae"  Erwähnung  thut,  ohne  jedoch  den  Dichter  zu  nennen 
(„auctor  libelli,  qui  incipit:  Grecorum  stiidia"),  und  den  auch 
War  ton  an  der  Bodleianischen  Bibliothek  zu  Oxford  gesehen 
hatte,  wurde  im  Jahre  1833  zum  erstenmale  von  Angel o  Mai 
(Classicorum  auctorum  e  Vaticanis  codicibus  editorum  etc.  curante 
Angelo  Maio.  Romae  1828—1833,  10  voll,  in  8°),  in  tomus  V, 
p.  XLVH,  S.  463 — 478,  herausgegeben  und  zwar  ohne  Namen 
des  Verfassers. 

Im  Jahre  1836  teilte  St.  Endlicher  (in  seinem  Catalogus 
codicum  philologorum  latinorum  bibliothecae  palatinae  Vindobonensis, 
Vindobonae  1836  in  8°,  S.  162)  das  in  der  Wiener  Bibliothek  befind- 
liche Manuskript  277,  n.  21,  das  er  „Carmen  de  Amphitryone 
et  Alcmena"  betitelt,  obwohl  es  in  demselben  „Incipit  Geta, 
Explicit  Geta"  heisst,  dem  Matthieu  de  Vendome  zu  (Aucto- 
rem  esse  Matthaeum  Vindocinensem  persuasum  habeo).  — 
Im  gleichen  Jahre  gab  Frd.  Osann  den  Text  nach  einer  Hand- 
schrift von  Rom  und  zweien  von  Darmstadt  heraus  (Vitalis  Ble- 
sensis Amphitryon  et  Aulularia  Eclogae.  Edidit  Fridericus 
Osann.  Darmstadii  [Heil  1836],  wobei  er  die  Autorschaft  des 
Amphitryon  und  des  Querolus  (Aulularia)  richtig  dem  Vital 
de  Blois  zuteilte.  Auch  in  zwei  Manuskripten  des  vierzehnten 
Jahrhunderts  (aus  Neapel  und  Florenz)  wird  Vital  als  Autor 
genannt,  nicht  minder  in  einer  Getahandschrift  in  Leyden  (Ca- 
talogus librorum  manuscriptorum ,  qui  inde  ab  anno  1741  biblio- 
thecae Lugduno-Batavae  accesserunt.  Descripsit  Jacobus  Geel. 
Lugd.  Batav.  1852,  S.  100),  wo  es  heisst:  Carmina  Vitalis  fer, 
fama,   parentibus ')  alis. 

Den  Text  Osanns  hat  im  Jahre  1838  Thomas  Wright 
in  Early  Mysteries  and  other  latin  poems  of  the  twelfth 
and  thirtheenth  centuries  (London  1838),  S.  79—90,  S.  127 
— 133,  abgedruckt,  —  Im  Jahre  1840  erschien  die  Ausgabe  von 
C.  W.  Müller  im  Lektionskatalog  der  Universität  Bern  (Carol. 
Guil.  Mülleri  Analectorum  bernensium  particula  II:  Vitalis 
Blesensis  Geta  comoedia.  Bernae  1840  in  8°,  48  Seiten).  In 
derselben  sind  drei  Berner  Handschriften  mit  jenen  der  Vaticana, 
von  Paris,   München2)   und  Darmstadt  verglichen. 

Einen  nochmaligen  Abdruck  bieten  S.  486—505  des  IV. 
Bandes,  2  ser.  (1848),  von  Anatole  de  Montaiglon,  Bibliotheque 
de  l'Ecole  des  Chartes,  receuil  pcriodique  paraissant  tous  les  deux 
mois.      Paris  seit   1839.  3) 


')  Wohl  patentibus.    Hist.  litt.    S.  947. 

2)  Cod.  lat.  Mon.  19463.  Geta  poema,  saec.  XII.  —  Cod.  lat.  Mon. 
19473.  saec.  XII.  Fol.  29—37.  Poema  de  Amphitrione.  —  Cod.  lat. 
Mon.  18910.    Fol.  201—214.    über  Geta,  saec.  XV. 

3)  Vgl.  Bd.  V,  S.  425.  —  F.  Bücheier,  lat.  Deklifl.3   20. 


126  I-   Amphitruo. 

Nur  eine  Abschrift  von  Vitals  Geta,  und  zwar  eine  mangel- 
hafte, ist  der  im  „Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche 
Geschichtskunde,  hrsg.  von  Georg  Heinrich  Pertz  (Hann.  1820 
—  1852,  X  voll,  in  8°)",  Bd.  IX,  S.  7,  genannte  Joh.  Mussae 
Amphitruon,   der  auch  schliesst: 

Explicit  hie  Geta,  deeeptus  ab  Archade  summo; 
l'ilalis  Blesis  explicit  Amphitruon. 

„Explicit  liher  Amphitruonis  per  me  Johann em  Martinum 
de  Mussa  in  Bergolio, "  einer  Vorstadt  von  Alessandria  in  Piemont. 

Der  Amphitryon  des  Vital  de  Blois  verdankt  allerdings 
nur  die  Hauptidee  dem  Lustspiele  des  Plautus.  *)  Es  ist 
weniger  der  eheliche  Eingriff  Juppiters, 2)  Alkmene  tritt  ganz 
in  den  Hintergrund;3)  Vitals  Tendenz  ist  gegen  die  um 
sich  greifende   Scholastik  gerichtet.4) 

Den  Hauptinhalt  gieht  uns  der   Dichter  in   seiner  Einleitung: 

Graecorum  studia  nimiumque  diuque  secutus 

Amphitryon  aberat,  et  sibi  Geta  comes. 
Iutrat  ad  Alcmenam  ficto  Saturnius  ore, 

Cui  comes  Areas  erat.     Credidit  esse  virum. 
5.     Geta  redit  t andern  praemissus  ab  Amphitryone. 

Arcadis  ille  dolis  se  putat  esse  nihil. 
Se  dolet  esse  nihil,  et  ab  Arcade  lusus  abibat; 

Visa  refert  domino ;  vir  dolet;  arma  parat. 
Laetus  abit  socio  Pater  Arcade;  quaeritur  illis 
10.  Moechus;  abest;  gaudent;  lis  cadit;  ira  tepet. 


')  Chassang,  1.  c.  pag.  23.  Le  Geta  de  Vital  ne  conserve  de 
1' Amphitryon  que  l'idee  generale.  —  Vgl.  hierüber  auch  die  Prae- 
fatio  bei  A.  Mai. 

2)  Chassang,  1.  c.  pag.  24.  Ce  n'est  comme  dans  Piaute  le 
tableau  des  inquietudes  d'Amphitryon  trompe  puis  averti  et  apaise 
par  Juppiter.  Les  maris  ne  sont  pas  en  cas  dans  cette  ceuvre, 
dirigee  contr e  le  goüt  de  scolastique  qui  commengait  ä  se  repandre. 
Amphitryon  et  Alcmene,  relegues  sur  le  second  plan,  sont  effaces  par 
leurs  esclaves;  et  toute  la  piece  est  dans  le  contraste  entre  le  bon  sens 
im  peu  lourd  de  l'un  et  la  sottise  de  l'autre,  pauvre  esprit  infatue 
de  dialectique." 

3)  Hist.  litt.  XXII,  43.  „Amphitryon,  qui  n'est  plus  ici  un  gene- 
ral  Thebain,  mais  un  philosophe  et  qui  acheve  ses  etudes  aux  ecoles 
d'Athenes,  est  servi  par  Geta,  philosopbe  comme  lui,  et  tres-habile  en 
argumentation  scolastique,  tandisque  Byrrhia  n'est  qu'un  grossier  paysan." 

4)  Diese  Tendenz  beweisen  vornehmlich    V.  453 — 460: 

Byrrhia  subridens:  aeeepit  Graecia  sanos 

Hos,  ait,  insanos  illa  remisit  eos. 
Insanire  facit  stultuni  dialectica  quemvis, 

Ars  ea  sit  nunquam,  Byrrhia,  nota  tibi. 
Arte  carere  bonum  est,  quae  per  phantasmata  quaedam 

Aut  asinos  Jiomines,  mit  nihil  esse  facit. 
Sic  loqicus  quivis,  tu,  Byrrhia,  sis  homo  semper: 

His  Studium  placeat:  uneta  popina  tibi. 


Der  Geta  des  Vitalis  Blesensis.  127 

Schon  der  Prolog-  zeigt  die  Tendenz.  Dem  Geta  soll  nicht 
bewiesen  werden,  dass  der  andere  Geta  sei,  sondern  durch 
Schlüsse  und  Scholastik  dargethan  werden,   dass  er  nichts  ist. 

Das  Gedicht  beginnt  mit  Juppiters  Plan,  seine  Liebe  zu 
Alkmene  zu  kühlen,  indessen  ihr  Gatte  Amphitryon  zu  Athen 
(natürlich  Paris)  Philosophie   treibt. 

31.     Juppiter  Alcmenae  studeat  thalamo,  vir  Athenis 
Pkilosopketur:  amet  Juppiter,  ille  legat. 
Disputet  Amphitryon,  et  fallat  Juppiter;  artes 
Hie  colat,  Alcmenam  Juppiter  ipse  suam. 

Alkmene  hört,  dass  ihr  Gemahl  zurückkehre.  Freudig  schickt 
sie  ihm  ihren  Sklaven  Byrrhia  ans  Ufer  entgegen,  der  murrend 
den  Befehl  vollzieht.  Unterdessen  kömmt  Juppiter  als  Amphi- 
tryon, Mercurius  als  Geta  heim.  Nach  herzlichster  Begrüssung 
Alkmenens  werden  die  Thore  geschlossen,  vor  welchen  Mer- 
eurius (Arkas)  als  Geta  Wache  hält  (F  106).  Indessen  der 
faule  Byrrhia  „lento  pede  claudus"  dahinzieht  und  über  den 
Weg  brummt,  sieht  er  Geta  herankommen,  der  eine  gewaltige 
Last  Bücher  vor  seinem  Herrn  Amphitryon  herschleppt.  Da 
er  voraussichtlich  dieselbe  mit  Geta  teilen  müsste,  versteckt  er 
sich  in  eine  Höhle,  um  diesen  vorüberziehen  zu  lassen.  Geta 
jedoch  hat  ihn  bereits  erblickt.  Er  setzt  sich  vor  die  Höhle  und 
beginnt  so  laut  zu  sprechen,  dass  es  Byrrhia  hören  muss.  Er 
könne  als  Logiker  beweisen ,  dass  ein  Mensch  ein  Esel  ist. 
(F    167): 

Simi  logicus,  faciam  quaevis  auimalia  eunetos: 
Byrrhia,  qui  nimis  est  lentus,   asellus  erit. 

Diese  Logik  des  Geta  entsetzt  den  in  der  Höhle  versteckten 
Byrrhia   (7.    169): 

„  .  .  .  qui  Byrrhia  fiat  asellus? 

Quod  natura  dedit,  auferet  iste  mihi? 
Byrrhia  sie  Getae  quaeeunque  problemata  solvet; 

Bespondebit,  erit  Byrrhia  semper  homo." 

ruft  er,  sodass  es  Geta  hört.  ..Quid  in  hoc  strepit  et  submur- 
murat  autro?"  fragt  er  und  wirft  so  lange  Steine  in  die  Höhle. 
bis  Byrrhia,  sein  lautes  Plaudern  bedauernd,  hervorkriechen 
muss.  Er  hat  nun  alle  Bücher  heimzuschleppen,  indessen  Geta 
davoneilt,   stolz,   der  Schrecken  der  Logiker  zu  werden.    (F.  36): 

Terrebit  eunetos  Hominis  umbra  lm-i. 

Zu  Hause  aber  findet  er  die  Thür  verschlossen.  Geta  und 
Amphitryon,  heisst  es,  sind  längst  eingelassen.  Es  folgt  ein 
langes    logisches   Räsonnement    zwischen    Mereurius   und   Geta, 


128  I-   Amphitruo. 

wobei  der  erstere  diesen  streng  logisch  überzeugt,  dass  er  Geta 
sei.  So  geht  denn  Geta  als  „nichts"  fort 5  denn,  sagte  ihm  der 
Gott  (V.  279): 

Oiune  quod  est,  unum  est;  sed  non  sum  qui  loquor  unus. 
Ergo  nihil  Geta  est,  nee  nihil  esse  potest. 

Laut  klagt  nun  Geta  (V.  413): 

Cum  didicit  Geta  logicam,  tunc  desiit  esse. 

..Wehe  den  Logikern,  wenn  es  allen  so  ergeht!"  ruft  er  aus, 
da  naht  Amphitryon  mit  Byrrhia.  Ist  er  wohl  auch  nichts? 
Er  erzählt  seinem  Herrn  den  ganzen  Vorfall;  dieser  bewaffnet, 
voll  Zorn  über  seinen  Stellvertreter,  sich  und  die  beiden  Sklaven. 
Dadurch  will  Geta  beweisen,  dass  er  doch  vorhanden  sei.  Mittler- 
weile hat  Juppiter  Alkmene  verlassen;  Amphitryon  dringt 
bewaffnet  ein  und  fragt  nach  dem  Ehebrecher.  Da  aber  Alk- 
mene sieht,  dass  ihr  Gatte  ernstlich  böse  wird,  sagt  sie  rasch 
besonnen:    „Es  war  ein  Traum;  ich  glaubte  nur,   dich  zu  sehen." 

(7.  525): 

Vos  equidem  vidi,  vel  vos  vidisse  videbar; 
Luserunt  animos  sompnia  saepe  meos. 

Mit  einer  witzigen  Bemerkung  Byrrhias   endet  das  Gedicht. 

Diese  fünfhundert  zwei  und  dreissig  Verse  umfassende  Dich- 
tung, in  ziemlich  ungelenkem  Latein  geschrieben,  jedoch  ausge- 
zeichnet durch  satirische  Schärfe,  ')  brachte  bis  zum  Ende  des 
vierzehnten  Jahrhunderts  die  plautinische  Komödie  förmlich  in 
Vergessenheit.  Die  Schriftsteller  des  dreizehnten  und  vierzehnten 
Jahrhunderts  sind  reich  an  Anspielungen  und  Zitaten  aus  Vit  als 
Amphitryon,  und  von  seiner  grossen  Beliebtheit  zeugen  zahlreiche 
Handschriften. 2) 

ImBarlaam  und  Josaphat  des  Rudolf  von  Ems  (Sp.  251, 
Z.  24  der  Asg.   von  Pfeifer)   heisst  es: 

und  Geta  was  Archas. 

Diese  Stelle,  von  der  Pfeifer  sagt:  „Diese  Zeile  verstehe 
ich  nicht,"  hat  Reinhold  Köhler  (Germania,  Vierteljahrsschrift 
für  deutsche  Altertumskunde,  Wien,  XXII.  Jahrgang,  1877, 
S.  285)   trefflich  erklärt,    indem  er  darauf  hinwies,    dass  dies  der 


')  Zu  weit  geht  doch  Chassang,  wenn  er  1.  c.  pag.  27  es  „sans 
contredit  plus  ingenieux  que  celui  de  Piaute  et  de  Moliere"  nennt.  — 
Bernbardy  (Grdr.),  S.  374,  bezeichnet  die  Masse  als  „gut  versifiziert". 

2)  Wrigbt  kennt  ihrer  siebenzehn;  davon  vier  in  der  Pariser 
Nationalbibliothek.  (Early  mysteries.  Praef.  p.  XVI  sqq.)  —  Osann, 
1.  c.  p.  XI  sqq. 


Eustache  Deschamps.  129 

falsche  Geta,  nämlich  Archas  (d.  i.  Mercurius),  ist.  —  Schon 
Matthieu  de  Vendome  erwähnt  in  seinen  Aequivoca,  vielleicht 
vor  dem  zwölften  Jahrhundert,  den  Vers  ans  Geta:  Byrrhia,  qui 
nimis  est  lentus,  asellus  erit.  - —  Um  das  Jahr  1215  gedenken  die 
heiden  Verse  des  Everard  de  Bethune: 

„Ludit  Geta  gemens,  qnia  captus  Mercuriali 
Arte  Jovem  lectus  Amphitryonis  habet" 

des  Geta.  —  Der  italienische  Dichter  Garn b in o  ans  Arezzo 
(Versi  di  Gambino  d'  Arezzo,  Bologna  1878,  pag.  22)  erwähnt 
ihn  wieder : 

Non  stette  mai  Gieta  in  tanto  dubbio 

Si  1'  era  dess'  o  diventato  zero. 

Gegen  das  Jahr  1421  übersetzte  Eustache  Deschamps1) 
das  Gedicht  Vit  als  ins  Französische.  Das  Manuskript  befindet 
sich  in  der  Bibliotheque  nationale  zu  Paris.  (Mss.  fr.  n.  7219, 
fol.  455.) ä) 

Verschiedene  Gelehrte  haben  im  vorigen  Jahrhundert  der 
Handschriften  des  Deschamps  Erwähnung  gethan,  Crapelet  hat 
im  Jahre  1832  dieselben  sogar  näher  beschrieben;  jedoch  allen 
entging  dieses  Gedicht,  das  erst  der  Marquis  de  Queux  de 
Saint-Hilaire  im  Jahre  1872  zum  erstenmale  herausgegeben  hat.  3) 
Die  sonstigen  Ausgaben  der  Werke  des  Eustache  Deschamps4) 
enthalten  darum  das  Gedicht  nicht. 

Die  Übersetzung  ist  ziemlich  getreu,  nur  etwas 
breiter  geworden.  Queux  de  St.  Hilaire  sagt  (Introd.  VII): 
„Ce   poeme   n'est   cependant  pas    une    oeuvre    originale  d'Eustache 


')  Nach  P.  Tarbe  zwischen  1345 — 1350  geboren.  Recherches  sur 
la  vie  et  les  oeuvres  d'Eustache  Deschamps.  p.  I — XLI  in  den 
Oeuvres  inedites  d'Eustache  Deschamps.     Paris  (Techener)  1849. 

2)  Les  manuscrits  franyais  de  la  Bibliotheque  du  Roi,  leur  histoire 
etc.  par  Paulin  Paris.  Paris  1836—1848.  I— VHI  in  8°.  Band  VI, 
S.  436.  —  Hist.  litt.    XX,  46—48. 

3)  Le  traicte  de  Getta  et  d'Amphitrion.  Poeme  dialogue  du 
XVe  siecle  traduit  du  Latin  de  Vital  de  Blois  par  Eustache  Des- 
champs. Publie  pour  la  premiere  fois  d' apres  le  manuscrit  de  la 
Bibliotheque  de  Paris  avec  une  Introduction  et  des  Notes  par  le  Mar- 
<[uis  de  Queux  de  Saint-Hilaire.  Paris  (librairie  des  Bibliophiles, 
1872).  XXIV  und  60.  In  330  Exemplaren  gedruckt.  —  Vgl.  Revue  cri- 
tique  1873.    LT,  148. 

4)  Poesies  morales  et  historiqucs  d'Eustache  Deschamps,  ecuyer, 
huissier  d'armes  des  rois  Charles  V.  et  Charles  VI.,  publiees  par  Gr.  A. 
Crapelet.  Paris  1832  in  8°.  —  Oeuvres  completes  d'Eustache  Des- 
champs, publiees  d'apres  le  manuscrit  de  la  Bil)liotheque  nationale  par 
le  Marquis  de  Queux  de  Saint-Hilaire.  Paris  (Firmin  Didot  1878), 
als  zwei  Bände  der  Societe  des  anciens  textes  franc.ais. 

9 


130  ■"■■   Ampbitruo. 

Deschamps.       II    n'est     que    la     traduction     amplifie^e     d'un 
poeme  latin." 

Man  vergleiche  z.  B.   das  Argumentum: 

Ampkitrion  estudioit 

Et  l'estude  des  Grieux  sivoit, 

Et  Geta  lui  tint  compaignie; 

N'i  avoit  plus  de  sa  niaisgnie. 

Jupiter,  qui  Almeue  ama, 

En  son  mari  se  trausforma. 

Archas  aussi  com  Geta  forme. 

Celle  cuida  veoir  lern*  forme. 

Geta  devant  des  nefs  s'en  vient : 

Archas  li  preuve  qu'il  est  nient. 

Dolens  retourne.     S'encontra 

Son  seigneur,  et  tout  li  compta. 

Moult  dolens  fu.     Tantost  s'armerent; 

Et  li  Dieu  aussi  s'en  alerent. 

Kiens  ne  treuvent,  tant  saichent  querre. 

Si  revint  joie,  et  failli  guerre. 

So  der  Eingang: 

Ardet  in  Alcmenam  Saturnius  atque  beatum 
Amphitryona  probans,  se  dolet  esse  Jovem 

bei  Deschamps: 

Jupiter  en  l'amour  ardoit 
D'Almene,  qui  ne  s'en  gardoit, 
Et  prisoit  la  prosperite" 
Assez  plus  que  sa  deite 
D'Amphitrion  qui  femme  estoit; 
Et  d'estre  Dieu  se  repentoit. 

ähnlich   V.   31,   Jnppiter  Alcmenae  (vgl.   S.    127  oben). 

Or  lise  bien  et  estudie 

A  Atbenes  pbilosoj)hie, 

En  sa  cbambre  estudieray, 

A  Almene  me  deduiray. 

Or  pense  Acbas  de  disputer 

Et  je  penseray  d'emputer 

Et  de  prandre  tout  mon  deport. 

ferner   V.   167,  sum  logicus  (vergl.  S.    127  oben). 

Logicien  suy;  si  feray 

D'eux  telz  bestes  que  je  voulray. 

Birrea  qui  est  pareceux 

Feray  amer  un  asne  entr'  eixlx. 

und  dann  weiter  ausgeschmückt  (S.   20.): 

Piez  rons  ara,  teste  cornue, 
Pour  esprouver  ä  ma  venue 
Si  j'ay  riens  aprins  ä  Athenes. 
Mal  n'ay  pas  employ^  mes  penes. 


Eustache  Deschamps.  131 

worauf  Birrea   die  Verse   169   sqq.   ausdrückt  (S.   21.): 

Voy,  pour  le  sang  que  Dieu  raya. 

Sei*as-tu  asnes,  Birrea? 

Me  touldra  cilz,  par  s'escripture, 

Les  mains  que  m'a  donne  uature. 

Les  doiz,  les  piez,  la  teste  ronde? 

Est-il  li  plus  saiges  du  nionde 

Eu  si  pou  d'eure  devenus? 

Je  voy  par  ce  tro  qu'il  est  nus 

Et  qu'il  porte  un  pesaut  fardel; 

Faire  deust  un  cheval  morel 

Qui  le  portast,  s'il  feust  si  saiges. 

Je  ne  croy  pas  touz  ses  langaiges. 

Ja  ne  scara  taut  arguer 

Qu'il  te  puisse  faire  muer; 

Ains  [tu]  lui  respondras  en  somnie: 

Birrea  sera  tousjours  homme. 

Das  einfache  Schlusswort:   Cimet a  placent  wird  zu  vier  Versen: 

A  chaseun  et  ä  tous  ensemble 
Plut  la  sentence,  ce  me  senible. 
Que  Birrea  determina. 
A  tant  la  riote  fina. 

Diese  wenigen  Beispiele  mögen  zeigen,  in  welcher  Weise 
E.  Deschamps,  der  nicht  überall  das  Original  ganz  verstand 
(vgl.  Queux  de  St.  Hilaire,  p.  56 — 60),  die  lateinische  Dich- 
tung paraphrasierte.  Seine  sprechenden  Personen  sind  Almene, 
Birrea,  Amphitrion,  Geta,  Archas,  Jupiter;  den  beschrei- 
benden und  erzählenden  Teil  hat  der  Acteur  zu  sprechen. 

Auch  ein  italienischer  Geta  und  Byrrhia  ist  erschienen. 
Von  wem  jedoch  die  Bearbeitung  in  italienischer  Sprache  stammt, 
ist  streitig.     Von  einzelnen  wird  sie  dem  Boccaccio,1)  von  andern 


')  Eilippo  Argelati  in  seiner  Biblioteca  degli  volgarizzatori,  o  sia 
Notizia  dall'  Opere  volgarizzate  d'autori  che  scrissero  in  lingue  ruorte 
prima  del  secolo  XV.  Tomi  IV.  Milano  (Federico  Agnelli)  behandelt  im 
dritten  Band  (1767)  auf  Seite  229  die  Autorschaft  des  Boccaccio  ein- 
gehend. Man  hielt  die  Übersetzung  für  Boccaccios  Arbeit,  weil  sie 
die  Verse  enthielt: 

Incliti  e  venerandi  cittadini 

Miser  Znano  bochazo  huom  luminoso 

In  fra  gli  altri  poeti  Fiorentini 

Quest'  Opera  compose  il  viro  famoso 

Vulgarizzando  di  versi  latini 

Con  1'  aiuto  dapollo  glorioso 

Et  io  Lorenzo  Amalagiso  Frate 

Stampare  lo  fatta  perche  idacer  n'  abbiate, 
und  weil  auch  Antonio  Maria  Salvini  ein  geschriebenes  Exemplar 
mit  dem  Titel  hatte:  Liber  Gietae  &  Birriae  traduetus  de  Latino  in 
vulgare  per  Dominum  Joannem  Bochatium  poetam  Florentiuuni. 
eine  Angabe,  welche  der  Abschreiber  auch  am  „Schlüsse  (am  9.  Dezem- 
ber 1443)  wiederholt.  Vermutungen  über  den  Übersetzer  siehe  a.  a.  0. 
u.  auch  bei  Queux  de  St.  Hilaire  Getta  et  Amphitrion,  Intr.  IX  u.  XIX. 

9* 


132  I-   Amphitruo. 

teils  dem  Ghigo  (Federigo)  di  Ottaviano  Brunelleschi.  oder 
Pippo  (Filippo)  di  ser  Brunellesco,  teils  dem  Acquettino 
und  ser  Domenico  da  Prato  zugeschrieben.1)  Was  Boccaccio 
betrifft,  so  tbut  er  im  achtzehnten  Gesänge  seiner  „Amorosa 
Visione"  (novamente  ridotta  in  luce  ecc.  In  Vinetia  appresso 
Gabriel  Giolito  di  Ferrari  1549)  des  Geta  und  Birria,  sowie 
der  Geschichte  der  „Algmena  di  gratia  ornata  e  piena 
d'onestate"  u.  s.  w.  allerdings  Erwähnung,2)  doch  gehört  ihm 
diese  Schrift  nicht,3)  die  bei  den  italienischen  Litteratoren4)  wenig 
Lob  gefunden  hat,  und  die  Quadrio5)  ein  „assai  dozzinale  e 
scipito  poema"   nennt. 

An  Ausgaben6)  dieser  selten  zu  findenden  Schrift  verzeich- 
nen Brunet,   Passano  und  Arlia  die  folgenden  sechs: 

1)  El  libro  del  Birria  e  del  Gieta  in  4°.  —  Es  endet: 
Finisce  el  libro  del  Birria  e  del  Gieta  compo  [sto  in  rima  da 
Filippo  Brunelleschi  e  da  Sei-]  Domenico  da  Prato.  Laus 
deo]  Amen.  Bandini  (Catalogo  de'  Codd.  Laurenz. ,  pag.  50) 
bemerkt  hierzu:  prodiit  primum  Florentiae  ante  annum  MD.  Da- 
gegen versetzt  Fossi  (Catalog.  Magliab.  III,  23)  es  ins  Jahr 
1483  und  glaubt,   dass  es  bei  S.  Jacopo  di  Eipoli  gedruckt  ist. 

2)  Incomincia  el  libro  chiamato  Geta  e  Birria.  Aus  dem 
Ende  des  XV.   Jahrhunderts,   in  Folio. 

3)  Geta  e  Birria  in  4°.  Gotischer  Druck.  Aus  dem  Ende 
des  XV.   Jahrhunderts. 

4)  Geta  e  Birria.  Novella  tracta  dall'  Amfitrione  di 
Plauto.  Wohl  aus  Florenz  und  dem  Anfange  des  XVI.  Jahr- 
hunderts. 

5)  Dasselbe.  In  Venezia  per  Gio.  Antonio  e  Fratelli  di 
Sabbio.      1516  in  8°. 

6)  Geta  e  Birria.  Novella  riprodotta  da  un'  antica  stampa 
e  riscontrata  co'  testi  a  penna  da  C.  Arlia.  —  Bologna  presso  1'  edi- 
tore  Gaetano  Romagnoli  1879  (als  169.  Lieferung  der  Scelta 
di  curiositä  inedite  o  rare  dal  secolo  XIII.  al  XVü.  in 
appendice  alla  Collezione  di  opere  inedite  e  rare).  XL  Seiten 
Einleitung;  82  Seiten  Text. 


')  Vgl.  G.  B.  Passano,  I  Novellieri  italiani  in  poesia. 

2)  Von  den  plautinischen  Komödien  zitiert  Boccaccio  auch  den 
Amphitruo  (neben  der  Aulularia  und  Cistellaria);  s.  G.  Körting, 
Boccaccios  Leben  und  Werke.    Lpz.  1880.    S.  390. 

3)  Hist.  litter.  XXII,  48.  Faussement  attribue  ä  Boccacce.  — 
Vgl.  bei  Arlia  X— XXIII. 

'')  Vgl.  Giov.  Mar.  Oreschnbeni,  Istoria  della  volgar  poesia. 
Roma  1698.    III,  252. 

5)  Fr.  Saverio  Quadrio,  Della  storia  e  della  ragione  d'  ogui 
poesia  volumi   quattro.    Bologua  e  Milauo  1739 — 1752.    4  voll.    IV,  363. 

11 )  Über  die  Lesarten  der  Texte  s.  bei  Arlia  XXVII -XXVIII. 


Geta  e  Birria.  13$ 

Das  in  sechs  Abschnitte  zerfallende  Gedicht  zählt  hundert 
sechs  und  achtzig  achtteilige  Stanzen. ') 

I.  Aller  Orten  pries  man  Athen  als  den  Sitz  der  Weisheit, 
weshalb  Anfitrione  sich  mächtig  dorthin  gezogen  fühlt: 

(4)  Anfitrione  alla  sua  donna  Almena 

Un  giorno  aperse  tutta  la  sua  irttenza. 

(5)  „Ad  Atene  vogl'  ir  sanza  soggiorno: 
Et  infin  ch'  i'  non  so  ben  filosofia 
A  rivederti  giä  mai  non  ritorno." 

Die  reizende  Almena,  schöner  „che  pietra  Orientale  o  chiara 
Stella  (6)",  betrübt  sich  darüber  gar  sehr.  Wäre  sie  doch  lieber 
gestorben,  als  einem  Manne  anverheiratet  zu  sein,  der  Weib  und 
Kind  verlassen  kann!      Doch  er  tröstet  sie: 

(9)     Onesto  e  1'   andar  niio,  po'  ch'  io  n'  acquisto 
Senno,  che  sai  ch'  avanza  ogn'  altra  cosa. 

Ungern  nur  fügt  sich  Almena,  und  man  rüstet  sich  zur  Reise. 
Im  Hause  waren  zwei  liebe  Diener,  Geta  und  Birria.  Von  Geta 
wird  ein  seltsames  Bild  entworfen: 

(12)  Geta  era  divisato  di  persona, 

Nero  com'  etiopo  o  indiano, 

Sentie  di  tigna,  e  pure  avie  Corona 

Di  capei  radi,  e  di  colore  strano; 

Le  gote  e  '1  naso,  se  '1  ver  si  ragiona, 

Coprieno  il  mento,  e  con  atto  villano 

Guardava  altrui  con  gli  occhi  rossi  e  molli 

Arrovesciati  e  di  mosto  satolli. 

(13)  AI  volto  rispondea  ciascuna  parte 

XL.  s.  w. :  dazu : 

Pien  di  vizii  era,  e  con  ardente  furia 
Come  porco  era  vinto  da  lussuria. 

Aber  er  war  treu  und  seinem  Herrn  ergeben  und  darum  bei  An- 
fitrione sehr  beliebt  (15). 

Nicht  schöner  Avar  Birria;  dazu  aber: 

(16)     ...  di  pigrizia  fu  carnal  fratello 

Lentissimo  oltramodo  in  ogni  fatto. 

Geta  reist  mit  Anfitrione,   worüber  sich  Birria  innig  freut: 

(19)  0  dolcissima  amica, 

Fortuna,  or  arö  io  pur  men  fatica! 

Der  Abschied  fällt  beiden  Gatten  schwer,  doch  segelt  der 
wissensdurstige    Gemahl    ab,     „lasciando    in    terra    Almena,    e   '1 


!)  Fälschlich   bei  Sulzer,   Theorie   der  schönen  Künste.    III,  407 b 
zweihundert  sechs  und  achtzig. 


134  I-   Amphitruo. 

figlio".      Indessen  Almena  untröstlich  ist,   hat  Anfitrione  Athen 
erreicht  und  mit  Feuereifer   seine  Studien  begonnen: 

(31)     Quivi,  cercaudo  la  Vera  ragione, 
Studiando  vi  sofferse  molta  pena, 
E  si  fervente  allo  studio  s'  attenne, 
Che  presto  buon  filosofo  divenne. 

Mehr  als  sieben  Jahre  waren  verflossen,  da  will  er  wieder 
nach  Hause  zurückkehren  (32).  Er  schreibt  seiner  Gattin,  „per 
un  corriere"  (33),  dass  er  das  Studium  aufgeben  wolle,  und 
bestimmt  genau  den   Tag  seiner  Abfahrt. 

IL  Unterdessen  hat  Almenas  himmlische  Schönheit  Juppiter 
so  sehr  gefesselt,  dass  er  seinem  Vater  Saturnus  sein  Liebesleid 
klagt  (41).  Sein  Leben  schätzt  er  keine  Drachme  hoch,  wenn  Al- 
mena seine  Liebe  nicht  erwidert  (42).    Da  rät  ihm  der  Alte  (44): 

Va',  mena  Arcade  per  Geta  famiglio, 
E  tu  d!  Anfitrion  piglia  la  forma; 
Cosi  sanza  vergogna  di  tal  dama 
Avrai  ciö  che  '1  tuo  cuor  disia  e  braina. 

Diesen  Rat  befolgt  Juppiter  (45).  Almena  und  ihr  Haus 
freut  sich  ai\f  Anfitrions  Heimkehr.  An  den  Hafen  hat  sie 
einen  eigenen  Boten  gestellt,  der  ihr  sofort  die  Ankunft  des  Gatten 
melden  soll  (50).  Sobald  die  Nachricht  von  seinem  Hiersein  ein- 
trifft, weckt  sie  den  schlaftrunkenen  Birria  (52),  der  nicht  glauben 
will,  dass  sein  Herr  im  Hafen  sei  (55).  Erst,  da  ihm  Almena 
droht,  geht  er  ihm  entgegen,  „pien  d'  ira  e  d'  ogni  mal  talento" 
(56).  Juppiter  und  Merkur  klopfen  am  Thore,  Almena 
lässt  sie  freudig  ein;  sie  küssen  sich  hundertmale  und  pflegen 
der  Liebe. 

III.  Juppiter  schickt  den  Sohn  ab  (61)  und  giebt  Befehl, 
niemanden  einzulassen. 

Serrö  la  porta,  e  quindi  non  partia: 
Giove  et  Almena  a  letto  se  ne  gia.     (62) 

Brummend  ist  Birria  nach  dem  Hafen  gegangen. 

„Guai  a  colui  ch'  e  sottoposto  al  giogo, 
Come  son'  io,  d'  una  femmina  vana; 
S'  i'  fussi  porco,  e  mangiassi  nel  truogo, 
Me'  mi  sarebbe  ch'  aver  forma  umana."     (65) 

Gewiss,  sagt  er,  hat  sie  mit  einem  Geliebten  eine  Zusammen- 
kunft, und  nur  deshalb  ward  Birria  zum  Hafen  geschickt  (66). 
Er  will  umkehren,  doch  reut  es  ihn  wieder.  Anfitrion  würde 
ja  doch  der  Gattin  eher  glauben  und  Birria  sich  so  mit  beiden 
verfeinden  (68).  Doch  will  er  einen  Umweg  machen,  um  mit 
Geta    nicht    zusammenzutreffen   und    das  Gepäck  mit   ihm  tragen 


Geta  e  Birria.  135 

zu  müssen.  —  Ant'itvions  Schiff  ist  eingelaufen.  Sofort  wird 
Geta  an  Almena  geschickt  (70);  er  bringt  für  sie  gekaufte  Ju- 
welen und  trägt  einen  Teil  der  Bücher  (71,  72).  Birria  kömmt 
des  Weges;  Geta  thut  jedoch,  als  sähe  er  ihn  nicht  (73).  Da 
eilt  Birria  in  eine  Höhle,  aus  welcher  er  erst  hervorzugehen 
gedenkt,  wenn  Geta  vorüber  wäre  (74).  Geta  hat  dies  wohl 
bemerkt.  Er  ruht  sich  aus  und  beginnt  über  Birria,  der  nun 
zu  Hause  liege,  zu  schimpfen  (75).  Während  sich  Birria  freut, 
nicht  gesehen  zu  werden  (76),  führt  Geta  einen  langen  Mono- 
log. Viel  hat  er  in  Griechenland  ausgestanden,  doch  nicht 
ohne  Erfolg. 

Sommo  loico  son,  onde  si  prova 

Che  1'  asino  sia  uom  mostro  per  prova.     (79) 

Er  spricht  nun  so  weiter,  wie  er  aus  jedem  Geschöpfe  ein 
anderes  machen  könne: 

E  Birria,  perche  e  lento  e  poco  vale, 
Asino  vo'  che  sia,  perche  si  domi 
La  schiena  sua. 

Ungläubig  äussert  Birria  für  sich: 

Ma  non  mi  to'  quel  che  mi  die  natura  (80) 

und  auf  Getas  Aveiteres  Selbstgespräch: 

Dunque  sarö  io  senrpre  il  Birria.     (82) 

Nach  einiger  Zeit  thut  Geta,  als  bemerke  er  Geräusch  in 
der  Höhle.  Er  wirft  Steine  hinein,  sodass  Birrias  Gesicht, 
,,ch'  era  prima  pel  her  rossa"  (87)  bleich  wird  und  dieser  end- 
lich ruft: 

Geta,  non  gittar,  ch'  i'  sono 
II  Birria,  e  viver  voglio  per  tuo  dono. 

Geta  jedoch  erwidert  ihm   (88): 

Anima  stolta, 
Tu  non  se'  il  Birria  .  .  . 

Nach  einigem  Hin-  und  Herreden  schickt  Geta  den  Birria 
an  den  Hafen,  um  das  Gepäck  zu  holen;  er  selbst  geht  nach 
Hause,    indem    er  sich  die  Freuden  des  Empfanges  ausmalt  (94). 

IV.  Niemand  aber  kömmt  ihm  entgegen.  Er  li.t  für  Almena 
reiche  Geschenke  (90): 

Una  nobil  cintura  iu  drappo  d'  oro, 

Di   pietre   prrziose  nna  Corona, 

Con  im  fermaglio,  che.  val  gran  tesoro, 

Ho  qui  con  meco  per  la  tua  persona. 


136  I-  Amphitruo. 

Da  niemand  öfthet,  wirft  er  einen  Stein  an  die  Thüre  (99). 
Are  ade  (Merkur)  ruft  hinaus,  Anfitrione  liege  bei  Almena, 
er  (Geta)  halte  Wache  (101).  Darüber  wird  Geta  stutzig.  „Ich 
bin  ja  Geta!"   ruft  er,   worauf  ihm  Merkur  erwidert: 

„Anfitrion  e  'n  zambra,  e  io  Geta  sono."     (104) 

Nach  einem  Längeren  Monolog  wünscht  Geta  seinen  Doppel- 
gänger zu  sehen  (112)  und  bittet,  er  möge  sich  wenigstens  zeigen. 
Merkur  will  nicht  hei'ausgehen,  worauf  Geta  in  Schimpfen  aus- 
bricht und  vergeblich  nach  Almena  ruft,  um  ihr  die  Ankunft  des 
Gatten  mitzuteilen. 

Nach  langer  Zwischenrede  bittet  Geta  Merkur,  ihm  zu 
sagen,   was  er  in  Griechenland  getrieben  habe: 

Se  tu  questo  saprai,  piü  non  m'  affanno, 
Ma  dirö  che  tu  sie  Geta  et  io  zero  .  .  .     (124) 

Nun  erzählt  Are  ade  seine  Streiche  in  Griechenland;  er  habe 
dort  ein  Mädchen  geliebt,  über  seines  Herren  Geld  verfügt,  ,.come 
se  fussin  miei"  (126),  überhaupt  Anfitrione  so  viel  gestohlen, 
,,ch'  a  scrivere  mancheria  carta  ed  inchiostro"  (127).  In  sehr 
derber  "Weise  erzählt  er  (128),  warum  ihn  alle  Mädchen  suchten, 
und  eine  Reihe  ausgeführter  Schurkereien  (130 — 134).  Entsetzt 
ruft  Geta  aus: 

Non  dir  piü:  tu  se'  Geta,  i'  nulla  sono.     (134) 

und   eilt  traurig  von  dannen.     Die  Reden  sind  äusserst  witzig.  Es 
sind  also   zwei  Geta  da  und  demnach: 

Esser  dovrie  la  parte  men  ch'  el  tutto.     (137) 
Endlich  bricht  Geta  in  den  Fluch  aus: 

Loica!  maledetto  sia  chi  prima 

Mi  disse  che  tu  eri  il  fior  d'  ogni  arte!     (140) 

Durch  die  Logik  ist  er  nichts  geworden  (142).  Er 
sieht  Anfitrione  kommen  und  wartet  nur  noch,  „se  per  Geta  il 
saluta"    (145). 

V.  Kaum  hat  Anfitrione  seinen  Diener  erblickt,  als  er  ihm 
fast  weinend  zuruft:  ..Geta!  Was  fehlt,  dass  Du  noch  hier  bist?" 
Geta  fasst  wieder  Mut.  Tornato  m'  e  speranza  (151)!  sagt  er. 
Ich  bin  doch  noch  Geta;  er  heisst  mich  noch  so  (152).  Anfi- 
trione forscht  besorgt  weiter,  und  nun  beginnt  Geta  das  Uner- 
hörte, zu  erzählen.  Anfitrione  sei  zu  Hause;  Geta  gleichfalls, 
was  Birria  zu  den  Worten  veranlasst: 

Savi  eravate,  ma  or  chiaro  cornprendo 
Che  siate  pazzi.     (156) 


Geta  e  Birria.  137 

Besser  blieb  ich  in  der  Küche  daheim,  ,,armando  il  corpo  con 
forza  divina"  (156),  als  ihr  nach  Athen  ginget.  Anfitrione 
wird  aufgebracht.  Der  bei  meiner  Frau  ist,  sagt  er,  ist  ihr 
Liebhaber,  und  der  sich  für  Geta  ausgiebt,  ist  in  alle  Schlechtig- 
keit eingeweiht  (160).  Sie  eilen  bewaffnet  nach  ihrem  Hause1) 
(161).  Nun  glaubt  auch  Birria,  man  habe  ihn  deshalb  zum 
Hafen  geschickt,   und  selbstgefällig  meint  er: 

Vedi  quant'  e  ignorante 
Ciascun  di  loro!   (162) 

Anfitrione,  Geta  und  Birria  gehen  nun  auf  das  Haus 
los,  letzterer  in  seiner  Weise  teils  spottend,  teils  sich  feige  zu- 
rückziehend. 

Juppiter  hat  seine  Leidenschaft  gekühlt  und  sagt,  er  wolle 
nun  zu  den  Schiffen,  worauf  er  mit  Merkur  abzieht  (160).  Mit 
Entsetzen  erblickt  Almen a  den  bewaffneten  Anfitrione  (173); 
er  legt  das  Schwert  ab;  Geta  sucht  (175): 

Colui  che  Geta  si  facea, 
Dicendo  pur  ch'  era  io. 

Als  Almena  von  Anfitrione  spricht,  der  eben  bei  ihr 
lag,  reisst  sich  dieser  schmerzlich  von  ihr  los  (177);  Almena 
kann  dies  nicht  verstehen;  Birria  aber  freut  sich  (179): 

II  Geta  e  pazzo  e  cid  si  vede  aperto, 

Che  si  tenia  de'  loici  il  piü  felice, 

L'  arte  il  fa  piü  pazzo,  e  questo  e  sperto. 

Indessen  beruhigt  sich  Anfitrione  und   (180): 

Ambo  in  zambra  spogliarsi  i  ricchi  panni 
Per  ristorar  i  perduti  sett'  anni. 

Seines  Originals,  d.  h.  des  Plautus,  vergisst  der  Dichter  nie. 
So  sagt  er  Str.    173: 

Col  nome  seguo,  col  quäl  cominciai, 
Litteralmente  come  Plauto  pone 
Quest'  operetta. 


und  in  Str.    182: 


II  mio  degno  poeta  Plaulo,  il  quäle 
Fu  d'  esta  commedia  primo  'nventore, 
Mostra  colla  sentenzia  sua  morale, 
I  famigliari  ingauni,  e  '1  vano  errore 
A   jircsso  a  quel  che  puö. 


')  Insino  a  qui  (1G1)  misse  in  rima  Pippo  Brunelleschi  e  da  qui 


inanzi  ser  Domenico  da  Prato. 


138  I-   Amphitruo. 

Später  erst  verlor  der  „Geta"  alhnählich  seine  Verbrei- 
tung- und  machte  einer  andern  Geschmacksrichtung  Platz.1)  Es 
folgten  allenthalben  direktere  Nachahmungen  der  antiken 
Komiker.2) 


Der  erste  spanische  Übersetzer  des  Amphitruo  ist  Don 
Francisco  Lopez  de  Villalobos,  der  Leibarzt  Ferdinands  des 
Katholischen,  Karls  des  V.  und  Philipps  IL,  vor  seiner  Thron- 
besteigung (1556),  dessen  Geburtsort  streitig  ist.3)  Sein  Amphi- 
trion  erschien  zuerst  in  Zaragoza  im  Jahre  1515;4)  eine  ver- 
besserte Ausgabe  (Zamora)  stammt  von  1543, 5)  eine  weitere  von 
Zaragoza  1544,  von  Sevilla  und  Zaragoza  1550,  von  Sevilla  1574. 6) 

Die  Übersetzung  findet  sich  im  36.  Bande  der  Biblioteca 
de  autores  espanoles  desde  la  formacion  del  lenguaje  hasta 
nuestros  dias  (Madrid,   Kivadeneyra   1855).      S.   461 — 493. 7) 

Drei    Gründe8)    bewogen   Villalobos    zur   Übersetzung    des 


J)  Chassang,  1.  c.  pag\  33.  Le  Geta  avait  fait  oublier  Piaute: 
bientöt  le  triomphe  de  la  scolastique,  des  mysteres,  des  moralite's  fit 
oublier  en  France  le  Geta. 

2)  Chassang,  1.  c.  pag.  61.  Au  XVe  siecle  Seneque  n'est  pas 
oublie,  mais  les  imitations  de  Piaute  et  de  Terence  sont  les  plus 
nombreuses. 

3)  Vgl.  Catälogo  bibliogräfico  y  biogräfico  del  Teatro  antiguo  espa- 
nol  desde  sus  origenes  hasta  mediados  del  siglo  XVH1.  por  D.  Caye- 
tano  Alberto  de  la  Barrera  yLeirado.  Madrid  (Rivadeneyra)  1860. 
pag.  478.  479. 

4)  Ad.  Fried,  von  Schack,  Geschichte  der  dramatischen  Litte- 
ratur  und  Kunst  in  Spanien.  Berlin  1845.  I.  S.  207.  —  La  eomedia  de 
Plauto  llamada  Amphytrion,  que  traducio  el  doctor  Villalobos. 
La  quäl  glossö  eu  algvnos  pasages  obscuros.     Zaragoza  1515. 

5)  Libro  intitulado:  Los  problemas  de  Villalobos,  que  tracta 
de  cuerpos  naturales  y  morales,  y  dos  diälogos  de  medicina.  y  el  trac- 
tado  de  las  tres  grandes.  y  una  cancion.  y  la  eomedia  de  Amphytrion. 
—  Colofon:  Fue  impresso  el  presete  libro  .  .  .  en  Zamora.  Por  el  honrrado 
varö  Juan  picardo  .  .  .  Acaböse  ä  nueue  dias  del  mes  de  Febrero.  Ano 
del  naeimieto  de  nuestro  saluador  .Jesuchristo  de  M.  D.  XIJJj  Anos 
(Folio  in  gotischen  Lettern). 

6)  La  eomedia  de  Plavto  llamada  Amphytrion  que  traduzio  el 
doctor  Villalobos.  La  quäl  glossö  en  algunos  passos  obscuros;  nueua- 
mente  impressa  y  emendada  por  el  niesmo  Author.  En  Sevilla,  en  casa 
de  Hernando  Diaz,  en  la  calle  de  la  Sierpe.     Ano  de  M.  D.  LXXlili. 

7)  S.  405—460  enthält  los  Problemas. 

8)  Tres  provechos  principales  se  siguen  de  la  traducion  desta  eo- 
media: el  primero  es,  que  por  ella  los  estudiantes  de  la  poesia  enten- 
derän  el  latin  del  Plauto  en  Anfitrion,  sin  doetrina  de  maestro,  y 
no  lo  tengan  en  poco;  porque,  como  este  poeta  es  vetustisimo,  el  estilo 
suyo  es  inusitado,  muy  fragoso  y  muy  äspero  ...  El  segundo  es,  que 
todos  los  que  quisieren  pasar  tiempo  en  leer  la  eomedia,  verän  en  ella 
que  dioses  eran  aquellos  que  adoraba  la  gentilidad,  y  cuän  lejos  de  razon 
y  de   humanidad  se   fundaban   sus  ritos   y  religiones  y  cuäles   eran  las 


Villalobos.  139 

Amphitruo:  einmal  sollten  die  Studenten  Lateinisch  lernen,  ohne 
Anweisung  eines  Lehrers:  zweitens  soll  die  Hinfälligkeit  der  alten 
Götter  gezeigt  werden,  und  drittens  fand  er  seihst  Gelegenheit 
zu  einigen  Noten. 

Über  die  Übersetzung  selbst  bemerkt  Villalobos:  Aqui  se 
vuelve  de  latin  en  romance  la  primera  comedia  del  Plauto,  cuyo 
nombre  es  Anfitrion.  La  trasladaeion  es  fielmente  hecha, 
sin  anadir  ni  quitar,  salvo  el  prölogo  que  el  poeta  hace 
en  nombre  de  Mercurio  y  sus  argumentos  que  esto  era 
bueno  para  representar  la  comedia  en  piiblico  y  hacer 
farsa  della.  porque  los  miradores  entendiesen  bien  los  pasos  todos. 
Aqui  110  se  pone  aquello  porque  seria  cosa  desabrida  y  sin  gusto. 
Bastan  los  argumentos  que  yo  pongo,  porque  dan  mejor  ä  enten- 
der  la  comedia  y  son  mas  sabrosos  para  los  leyentes. 

Die  Übersetzung  ist  in  Prosa  und  sehr  genau  und  wird  von 
den  spanischen  Litteratoren  hochgeschätzt.1)  Nur  sehr  weniges, 
was  zur  Aufführung  geborte,  blieb  weg.  Vor  jeder  Szene  steht 
eine  Inhaltsangabe  von  ein  paar  Zeilen.  Als  Beleg  der  Arbeit 
mögen  einige  Stellen  dienen;  z.   B. 

V.  153.    Qui  me  alter  est  audacior  homo  mit  qui  confidentior, 

luventutis  mores  qui  sciam,  qui  hoc  noctis  solus  ambulem? 

Que  hombre  hay  [en  el  mundo]  mas  osado  que  yo,  6  quien 
es  mas  confiado,  que  conozco  las  eostumbres  de  los  mancebos 
desta  tierra  y  voyme  solo   de  noche   [por  aqui]'? 

V.  1009.   Naucratem  quem  conuenire  uolui  u.  s.  w. 

Naucrates,  en  cuya  busca  yo  iba,  no  estaba  en  el  navio  ni 
en  casa,  ni  he  hallado  en  la  ciudad  quien  le  haya  visto;  porque 
yo  he  andado  arrastrado  todas  las  plazas,  las  escuelas,  las  tiendas 
de  los  aceites  olorosos,  al  mercado  y  ä  la  canieceria,  y  adö  hacen 
las  luchas,  y  adö  libran  los  pleitos,  ä  los  boticarios  y  ä  los  bar- 
beros,   y  por  todos  los  templos  he  andado. 


doctrinas  y  los  ejemplos  que  los  dioses  daban  ä  sus  vasallos  y  servidores; 
y  maravillarse  han,  cömo  podian  creer  tan  vana  bestialidad  unos  varones 
tan  säbios  y  tan  illustres,  que  de  su  profunda  sabiduria  y  claros  hechos 
dejaron  inmortales  memorias;  y  por  eso  juzgarän,  cuänta  es  la  sotileza 
de!  demonio  para  enganar,  y  cuänta  merced  nos  ha  hecho  Dios  en 
desenganar;  que  nos  ha  mostrado  la  verdad  por  tan  ciaras  sentencias, 
qur  cd  Camino  que  agora  sahen  los  hoinbres  rüsticos  para  salvarse,  era 
tenido  en  Ins  tiempos  antiguos  por  sciencia  muy  escondida  y  muy  cer- 
i'adn  secreto.  El  tercero  es,  que  en  esta  comedia  hay  algunos  pasos  y 
dichos  notables,  segun  por  el  discurso  della  se  verän  por  mi  mano  nota- 
<lns  en  la  in  argen. 

')  Bibl.  esp.  II,  183.  La  traduccion  esta  muy  bien  hecha  ä  ex- 
cepcion  de  uno  ü  otro  pasaje  mal  entendido  por  el  traductor.  —  Vgl. 
auch  Catälogo  bibliogräfico,  pag.  478. 


140  !■    Ampliitrun. 

Eine  Einteilung-  in  Akte  und  Szenen  ist  nicht  getroffen. 
Die  Rede  Juppiters,  V.  861 — 882,  fehlt;  dafür  findet  sich  die  Be- 
merkung: ,,Junto  con  esto  se  siguen  ciertas  palabras  que  habla 
Jupiter  con  los  miradores  para  cuando  se  representare  la  comedia 
en  piiblieo;  no  se  ponen  aqui,  porque  no  valen  nada."  Auch 
V.    1145  fehlt. 

Als  „  complimento  de  la  comedia,  sacado  de  otro 
original"  ist  noch  eine  Szene  zwischen  Anfitrion,  Alcumena, 
Sosia,   Bromia  und  Tesala  angefügt. 

Die  Anmerkungen  des  Villalobos  sind  meist  moralisierender 
Natur.  So  bemerkt  er  z.  B.  zu  V.  180,  „Sum  uero  uere  u er- 
ber o,"  dass  auch  dem  schlechten  Menschen,  wenn  er  etwas,  was 
nicht  sein  soll,  sagt  oder  thut,  ein  göttlicher  Wink  zu  teil  wird. 
„Esta  es  una  de  las  maneras  en  que  habla  Dios  con  los  hombres, 
y  llämase  habla  interior." 

Der  angefügte  Prologo  in  zehn  Kapiteln,  datiert  de  Cala- 
tayud,  en  6  de  octubre  de  1515  afios,  handelt  noch  „sobre  ciertas 
sentencias  del  autor". 

Einschneidendere  Änderungen  erlaubte  sich  der  Professor  der 
Theologie  und  Philosophie  zu  Salamanca ,  Maestro  Fernan 
Perez  de  Oliva,  der  um  1494  in  Cordoba  geboren  und  1530 
gestorben1)  ist.  Um  das  Jahr  1530  übersetzte  er  mehrere  antike 
Stücke,2)  darunter  den  Amphitruo  des  Plautus,  der  viel- 
fach von  dem  Werke  des  Villalobos  abweicht.  Zahlreiche 
Kürzungen  des  Originals  werden  durch  mannichfache 
Einschiebungen,  die  meist  sehr  unglücklich  geraten 
sind,  ersetzt.  Sie.  schaden  fast  überall  dem  Fortschritt  der 
Handlung  und  sind  auch  durch  ihren  Stil  bedenklich.  Es  ist  jene 
unnatürliche,  in  allen  Figuren  sich  bewegende  Sprache,  welche, 
durch  die  Celestina  veranlasst,   damals  als  besonders  schön  galt.3) 

Die  kgl.  Hof-  und  Staatsbibliothek  zu  München  besitzt  die 
ziemlich  seltene  erste  Ausgabe  von  Olivas  Amphitruobearbeitung. 
(A.  lat.  a.  509.)  Das  Exemplar  umfasst  vierzig  Seiten  und  ist 
in  gotischen  Lettern,  ohne  Angabe  des  Verfassers,  der  Jahreszahl, 
des  Druckortes  hergestellt.  Der  Titel  ist:  f  Muestra  de  la 
lenjgua  castellana  en  |  el  nascimiento  |  de  Hercules. 
f  O  Comedia  de   |   Amphitrion  .  :  . 

Der  nächste  Abdruck  des  Amphitrion  findet  sich  in  den 
Obras    del    maestro    Fernan    Perez    de    Oliva    natural    de 


')  Über  sein  Leben  s.  Rezabal  yUgarte,  Biblioteca  de  los  Escri- 
tores,  que  han  sido  individuos  de  los  seis  Colegios  Majores.  Madrid  1805. 
p.  239. 

2)  La  venganza  de  Agamemnon  ist  die  Electra  des  So- 
phokles; Hecuba  triste  die  Hekabe  des  Euripides. 

3)  Schack  a.  a.  O.    I,  207. 


Perez  de  Oliva.  141 

Cordova,  aus  dem  Jahre  1586  (En  Cordova  por  Gabriel  Rainos 
Bejarano),  auf  fol.  38 — 74.  In  diesem  mit  lateinischen  Lettern  ge- 
druckten Exemplar,  das  ich  der  Güte  der  k.  Dresdener  Bibliothek 
verdanke,  fehlt  der  Prologo  des  Mercurio,  dagegen  ist  ein 
A r g u m ento   angefügt. 

Ein  dritter  Abdruck  des  Amphitrion  steht  in  der  zwei- 
bändigen Ausgabe  der  Werke  des  Oliva  vom  Jahre  1787,  in  80.1) 

Im  Vorworte,  das  El  maestro  Fernan  perez  de  oliua  an 
seinen  Vetter  August  in  d:  oliva  richtet,  sagt  er,  er  habe  diese 
Geburt  des  Herkules  geschrieben,  um  zu  zeigen,  dass  Spanisch 
nicht  unter  dem  Lateinischen  stehe.  „He  te  pues  escrito  el 
nascimiento  de  Hercules:  que  primero  escriuieron  griegos:  y 
despues  Plauto  en  latin:  y  he  lo  hecho  no  solamente  a 
imitacion  de  aquellos  auctores:  pero  a  conferencia  de  su 
inuencion  y  sus  lenguas:  porque  tengo  yo  en  nuestra  castellana 
confianca:   que  no   se  dexara  uencer.  •' 

Das  ganze  Stück  ist  nicht  in  Akte  und  Szenen  geteilt:  es 
ist  fortlaufende  Prosa.  Mercurio  tritt  als  Prologo  auf.  Vor 
langer  Zeit  habe  sich  Juppiter,  ein  mächtiger  Mensch,  als  Gott 
anbeten  lassen:  „muchos  tiempos  ha,  que  Jupiter,  hombre  muy 
poderoso,  entre  gente  vana  se  hizo  adorar  por  dios:  este  tue  mi 
padre."  Auch  er  war  ein  Gott,  und  ihre  Macht  währte,  solange 
die  Menschen  ohne  religiöse  Unterweisung  waren;  jetzt  aber  seien 
sie  soweit,  „con  la  verdadera  sabiduria  de  Dios,"  gekommen,  dass 
sie  nur  mehr  zur  Bühne,  ,,  por  las  fiestas, "  passen.  Eine  der 
drolligsten  Geschichten  (la  mas  agradable)  sei  die  Geburt  des 
Herkules.      Sodann   erzählt  er  den  Inhalt  der  Komödie. 

Natürlich  ist  es  nur  die  Furcht  vor  der  Inquisition,  die  ihn 
zu  dieser  Erklärung  nötigt,  wie  die  Venus  des  Camöes  in  den 
Lusiaden-)  gleichfalls  von  sich  sagt,    sie   sei    nur    ein  Trugbild. 


')  Dahin  zu  berichtigen  ist  die  Notiz  bei  Georg  Ticknor  (Ge- 
schichte der  schönen  Litteratur  in  Spanien.  Deutsch  mit  Zusätzen  heraus- 
gegeben von  Nikolaus  Heinrich  Julius.  Leipzig,  Brockhaus  1867), 
wo  es  1,417,  Anm.  2  heisst:  „Olivas  Schriften  sind  mindestens  zweimal 
gedruckt  worden,  das  erste  mal  durch  seinen  Neffen  Ambrosio  de  Morales, 
Cordoba  1585,  4°  und  wiederum  Madrid  1787,  12°  in  zwei  Bänden.  Im 
Verzeichnisse  zu  reinigender  Schriften  von  1667,  S.  424  wird  ihre  Lesung 
untersagt,  bis  sie  gereinigt  seien,  wodurch  denn  auch  die  zweihundert- 
jährige Unterbrechung  ihres  Abdrucks  erklärt  zu  sein  scheint.  In  der 
Ausgabe  von  1787  ist  ein  Bogen  unterdrückt  worden,  um  eine  Anmerkung 
des  Murales  wegzubringen.  Man  sehe  den  Index  von  1790."  —  Vgl. 
Catälogo  bibliogräfico,  S.  301 — 303.  —  Bibl.  de  aut.  espaö.,  H, 
S.  158  und  192.  wo  es  gleichfalls  irrtümlich  heisst:  sus  obras  easte- 
llanas  en  prosa  y  verso  permanecieron  manuscritas  hasta  que  su  sobrino 
Ambrosio  de  Morales  las  diö  ;'i  la  prensa  en  el  ano  1585. 

2)  Camöes,  Lusiad.  X,  82,  enthält  denselben  Gedanken.  —  Vgl. 
Reinhardstoettner,  Luiz  de  Camöes,  der  Sänger  der  Lusiaden.  Eine 
biographische  Skizze.    2.  Aufl.    (Lpz.  1879.)    pag.  64. 


142  I-   Amphitruo. 

Alcumena  tritt  auf  und  klagt  um  ihren  fernen  Gatten. 
Sie  begreift  nicht,  wie  andere  Frauen  heiter  sein  können,  da  ihre 
Männer  abwesend  sind.  ,,Zeige  Dich,  Vater,"  ruft  Mercurio, 
worauf  Juppiter  vortritt.  Nach  einer  kurzen  Begrüssung  findet 
sie  ihn  schwarz  und  bartig  (que  fiero,  quan  negro  y  quan  bar- 
bado!).  Sie  erblickt  auch  Mercurio  als  Sosia  (aqui  estas,  Sosia? 
Seas  bien  ,uenido,  no  te  auia  uisto!)  Juppiter  berichtet  ihr  vom 
Tode  des  Königs  Phterela  und  schenkt  ihr  den  Becher  des- 
selben fsu  tac.a  con  que  el  beuia).  Das  Übrige  will  er  ihr 
drinnen  erzählen.      Sie  treten  ein. 

Merkur  philosophiert  nun,  man  könnte  seinen  Vater  für 
..indigno  de  su  magestad"  halten,  weil  er  menschliches  Geschlecht 
annahm,  allein  das  Menschengeschlecht  sei  ja  der  Schmuck  der 
Welt.  „Ciertamente  el  genero  humano  es  el  mejor  ornamento  del 
mundo. " 

Um  sich  die  Langeweile  zu  vertreiben,  sucht  er  ein  Ver- 
gnügen, da  naht  Sosia  mit  der  Laterne.  Das  Dunkel,  meint  er, 
ist  schlimm,  und  wohl  hat  die  Natur  daran  gethan,  uns  nachts 
den  Schlaf  zu  geben.  Er  betrachtet  die  Sterne  und  macht  sich 
den  Bericht  zurecht,  den  er  Alcumena  erstatten  will.  Dies  zu- 
nächst nach  Plautus.  Nach  dieser  langen  Rede  stellt  sich  ihm 
Mercurio  in  den  Weg,  so  ziemlich  nach  dem  Vorbilde  des 
römischen  Dichters.  Sosia  geht,  um  das  Erlebte  seinem  Herrn 
zu  erzählen.  Trotz  seines  Zitterns  glaubt  er  noch  immer:  en  mi 
nunca  vuo  tanto  esfuerco! 

Juppiter  scheidet  von  Alcumena  und  spricht  dabei  über- 
mässig viel  von  einem  wohl  organisierten  Staat,  dem  nationalen 
und  Diplomaten  Kriege,1)  dem  Entstehen  des  Adels  u.  s.  w.  Die 
Stelle  ist  bezeichnend  genug,  um  hier  Platz  zu  finden.  IV. : 
plazeme:  porque  te  amo  releuarte:  lo  que  para  mi  solo  juyzio 
tenia  reseruado.  Has  primero  de  entender,  que  la  republica  bien 
instituyda  ha  de  ser  como  el  cuerpo  sano,  do  todos  los  miembros 
siruen  cada  vno  en  su  officio.  Enla  primera  hetad  que  los 
hombres  se  ayuntaron  en  vna  comun  morada  seguian  este  exemplo, 
imitando  las  hormigas  y  las  auejas,  que  primero  que  ellos  tuuieron 
republica.  Los  inuidiosos  de  aquellos  comenearon  despues  a  loar 
el  ocio  y  llamarlo  libertad,  y  la  solicitud  de  aprouechar  enla  re- 
publica vileza  y  seruidumbre.  Quando  esta  pestilencia  primero 
comen<;o   a   corromper  los  animos,   los  principes  que  entonces  eran 


')  Assi  que  si  los  hombres  no  pudiessen  ser  enganados:  no  auria 
quien  fuesse  ala  guerra.  Digo  a  aquella:  que  los  principes  fazen  por 
su  arnbicion:  porque  do  el  descuydo  y  el  reposo  es  mayor  peligro:  ver- 
dadera  fortaleza  es  entonces  ponerse  el  hombre  ala  muerte:  como  quando 
su  terra  peligra:  o  teme  injuria:  o  rescibe  detrimento  su  hazienda:  o  la 
religion. 


Perez  de  Oliva.  143 

distrayan  estos  hombres  dela  republica:  o  por  fuerca  los  oeupauan 
en  grandes  edificios,  que  de  aquellos  tiempos  quedaron.  Pero 
despues  aqueste  vicio  entro  en  los  mayores:  los  quales  no  queri- 
endo  guardar  la  ley  comun  de  todos  pusieron  nombre  de  nobleza 
ala  esencion.  Esta  nobleza  como  vees  por  la  mayor  parte  es 
acompanada  de  soberuia:  de  tirania:  de  cacas:  des  juegos:  de 
persecucion  de  virgines:  de  disfamias:  de  injurias  qne  se  bazen 
alos  buenos.  No  los  vees  estos  nnestros  nobles  passar  la  vida 
como  suefio:  contando  qnanto  passos  ay  enla  cibdad:  vertiendo 
siempre  por  la  boca  las  vanidades  qne  enla  cabeca  tienen:  bur- 
lando  delos  qne  en  bnen  exercicio  veen:  loando  el  arreo  y  locuras 
de  ningeres  perdidas:  y  palauras  de  trubanes:  comemorando 
aquellos  becbos  de  sus  antecessores:  demuestran  quan  malos 
sucessores  ellos  son.  Estos  tales:  con  todos  los  perdidos  que  en 
su  defensa  biuen  los  sacamos  de  entrela  gente  que  merescen  paz: 
y  los  lleuamos  do  hagan  guerra.  Esto  entenderas  no  de  todos 
los  nobles:  porque  los  buenos  son  padres  y  defensores  de  todos: 
dignos  del  gouierno  y  del  amor  de  la  republica.  Digo  aquellos  en 
quien  ay  amor  para  los  buenos:  afabilidad  para  los  prudentes: 
sufriiniento  para  los  ignorantes:  ayuda  para  los  pobres:  castigo 
para  los  malos.  Pero  esotros  criados  en  suenos  de  amor:  y  solo 
cuidados  de  ceuar  sus  bestias  y  componer  sus  vestidos:  y  mollir 
sus  carnes:  mugercillas  los  aprueuen:  que  en  mi  juyzio  no  bau 
parte.  Pues  delo  que  he  dicho  veras,  quanto  ama  su  tierra:  y 
quan  bien  faga  quien  por  limpiarla  de  gente  perdida:  se  pone  en 
gran  trabajo  y  peligro.  Muchas  cosas  te  he  dicho:  por Ventura 
mas  que  quisiera ,  pero  tu  amor  nie  engana  y  nie  haze  ser 
prolixo. 

"Wie  ferne  steht  dieses  eitle  Gerede  dem  Originale;  dennoch 
ist  die  freilich  sehr  bedächtige  Kritik  des  Perez  de  Oliua,  der 
den  Krieg  eingerichtet  hält,  „para  limpiar  la  republica  de  los  hom- 
bres  danosos",  und  für  eine  „justicia  universal  que  dellos  se  faze" 
ansieht,   sehr  interessant. 

Amphitrion  und  Sosia  treten  auf.  Der  Herr  schenkt  dem 
Diener  keinen  Glauben;  denn  wenn  jemand  die  Macht  besässe, 
sich  in  andere  Gestalten  zu  verwandeln,  so  würde  er  sicherlich 
eine  andere,  als  die  des  Sosia  wählen.  Alcumena  erscheint  in 
einem  auf  Plautus  fussendem  Monolog.  (Todos  los  plazeres  desta 
vida  no  son  sino  aparejo  u.  s.  w.)  Sie  erblickt  ihren  Gatten. 
Die  Verwirrung  beginnt.  Höchst  eigentümlicherweise  erzählt 
Sosia  als  Intermezzo  eine  „gar  wunderbare  Geschichte  (hystoria 
muy  marauillosa)  von  fast  zwei  Seiten  von  einem  Manne,  der  sieb 
für  tot  hielt,  keine  Speise  mehr  nahm  und  begraben  sein  wollte, 
bis  Alcumena  den  Becher  als  Beweis  für  die  Wahrheit  ihrer 
Aiissage  bringt.     Der   weitere  Verlauf   der  Szene    stützt  sich   auf 


144  I«  Amphitruo. 

Plautus.  .,Io  ynocente  soy"  wiederholt  sie  nachdrücklichst. 
Amphitrion  geht,   um  Naukrates  zu  holen. 

Juppiter  versucht  es  nun,  Alcumena  zu  versöhnen,  (a 
deshacer  las  injurias  que  le  dixo  amphitrion.)  Anfänglich  weist 
sie  ihn  ah,  „no  has  menester  de  perdon  de  quien  no  quieres 
amistad". 

Juppiter  aber  wird  (fast  wie  hei  Moliere)  sentimental. 
Er  will  sterben,  und  wenn  einst  sein  Sohn  (que  en  ti  encerrado 
queda)  nach  seinem  Vater  fragt,  so  soll  er  erfahren,  dass  ihn 
die  Grausamkeit  seiner  Mutter  in  den  Tod  getrieben  hat.  Dem 
kann  Alcumena  nicht  widerstehen.  Sie  treten  ein.  Mercurio 
bewacht  das  Haus. 

Vergeblich  hat  Amphitrion  seinen  Verwandten  Naukrates 
gesucht;  er  will  ins  Haus,  Mercurio  hält  ihn  ab.  „Du  bist 
nicht  Amphitrion/'  ruft  er  ihm  zu,  „sondern  irgend  ein  Zauberer. 
Klopfe  weiter  nicht,  sonst  mache  ich  es  mit  Deinem  Kopfe,  wie 
Du  mit  der  Thüre!"  „Que  essa  puerta  nola  toques:  sino  quieres 
que  yo  haga   de  tu  cabeca  como  tu  hizieres   della. " 

Sosia  und  Blefaron  besprechen  den  Vorfall.  Blefaron 
wendet  sich  an  Amphitrion,  der  ihn  zu  Tische  lud;  dieser 
klagt,  dass  sein  Haus  ihm  und  seinen  Freunden  verschlossen  sei; 
Sosia  wehre  ihm  den  Eintritt.  Blefaron  erwidert,  Sosia  könne 
es  nicht  gewesen  sein,  da  er  ja  bei  ihm  war.  Juppiter  zeigt 
sich.  „Valame  Dios  del  cielo:  o  duermo  o  estoy  velando:  dos 
amphitriones!"  ruft  Blefaron,  worauf  sich  Sosia  sofort  für 
Juppiter  entscheidet:  „Blefaron,  aquel  que  sale  de  casa,  es  el 
verdadero:  estotro  es  algun  encantador. "  Juppiter  ruft  Sosia 
und  Blefaron  zu  sich,  Amphitrion  wird  hitzig,  Blefaron  warnt 
wiederholt  vor  Beleidigungen,  da  sie  sich  so  ähnlich  sehen,  dass 
„de  quien  las  oye:  a  quien  las  dize:  reduciran  las  injurias".  Sie 
begeben  sich  ins  Haus.  Amphitrion,  aufs  höchste  erbittert, 
will  alle  Freunde  zusammenrufen.  Das  Feuer,  das  in  ihm  glüht, 
kann  nur  Blut  löschen;  er  will  sein  Haus  anzünden,  um  alle  zu 
vernichten.  Da  kömmt  Naukrates.  Er  hält  von  ferne  Amphi- 
trion für  wahnwitzig  („ciertamente  en  sus  meneos  muestra  que 
esta  loco").  Amphitrion  erzählt  seine  Erlebnisse.  Naukrates 
verlangt  Eintritt  und  wird  zugelassen.  Indessen  Amphitrion 
seine  traurige  Lage  beklagt,  kehrt  Naukrates  entsetzt  zurück. 
Er  hat  Alcumena  zwei  Knaben  gebären  sehen;  „der  Vater  des 
ersteren  ist  Juppiter,  der  des  zweiten  Amphitrion,"  rief  eine 
unbekannte  Stimme.  „Y  nascido  el  primero  oymos  una  boz 
clara  de  no  se  quien:  que  nos  dezia:  Jupiter  es  el  padre  del  que 
es  nascido,  nascera  otro  luego:  que  sera  de  Amphitrion.  El  vno 
manifestara  su  padre  en  el  gesto:  y  el  otro  en  la  virtud."  Es 
wird    nun    in    wenig  Worten    die  Erwürgung    der    zwei   Schlangen 


Oliva.     Anonymus.  145 

durch  den  kleinen  Herkules  berichtet.  Amphitrion  ist  nicht 
befriedigt.  Er  fällt,  wieder  der  Inquisition  zuliebe,  aus 
der  Rolle  und  sagt,  albern  genug,  „Naukrates,  ich  glaube,  diese 
Leute  beteten  Juppiter  an,  weil  sie  an  ihren  Göttern  Vorbilder 
des  Lasters  haben  wollten,  um  sich  zu  entschuldigen;  denn  unter 
den  Guten  wird  er  mit  solchen  Thaten  für  einen  Tyrannen  ge- 
halten werden,  da  er  seine  Macht  benützt,  um  seinen  schnöden 
Listen  zu  dienen.  Gehen  wir  zu  Alcumena,  die  ich  nicht  für 
verdorben,  sondern  für  betrogen  halte."  —  „Und  nun  wird  es 
gut  sein,  dass  wir  davon  nicht  weiter  sprechen,"  meint  Naukrates, 
und  das  Stück  schliesst:    „Hispania  plaude!" 

Vom  Dialoge  des  Plautus  hat  Oliva  wenig  benützt,  ob 
auch  die  Szenerie  im  allgemeinen  auf  dem  römischen  Dichter  be- 
ruht. Sein  Stück  steht  stilistisch  unter  dem  des  Villalobos;1) 
wo  er  sich  von  Plautus  weiter  entfernt,  wird  es  albern.2) 
Aus  der  heiteren,  lebensfrischen  römischen  Komödie  hat  Oliva, 
trotz  der  Lobsprüche,  welche  sich  in  der  Einleitung  zur  Ausgabe 
von  1586  finden,  einen  matten  Abklatsch  geschaffen,  der  poetisch 
wertlos,  doch  eine  Tendenz  —  die  Verhöhnung  der  antiken  Gott- 
heiten —  in  sich  schliesst,  eine  Idee,  die  mehrere  Dichter  jener 
Jahrhunderte  —  man  denke  an  Francesco  Bracciolinis 
„Scherno  degli  Dei"  —  zu  schauderhaften  Leistungen  verleitete. 
In  der  ganzen  Arbeit  Olivas  ist  nicht  ein  Fünkchen  jenes 
reichen  Witzes,   den  die  plautinische   Komödie  so  üppig  sprüht. 

Man  darf  wohl  bestimmt  annehmen,  dass  weder  des  Villa- 
lobos, noch  des  Oliva  Stücke  auf  die  Bühne  gekommen  sind.3) 
Trotzdem  waren  beider  Männer  Bestrebungen  „als  blosser  littera- 
rischer Vermittler  der  Bekanntschaft  mit  dem  alten  Drama"4)  nicht 
gänzlich  bedeutungslos. 

Gestützt  auf  Villalobos  und  Oliva,  schrieb  ein  Anonymus 
in  Spanien  nochmal  einen  Amphitryon:5)  Comedia  de  Plauto 
llamada  Amphitrion,  traducida  de  latin  en  lengua  castellana. 
Agora  nueuamente  impresa  en  muy  dulce,  apacible  y  sentencioso 
cstilo  1554.  —  Nach  dem  Catälogo  bibliogräfico  S.  528.  Colofon 
final:  Fue  impresa  la  presente  obra  en  la  imperial  ciudad  de 
Toledo,  en  casa  de  Juan  de  Ayla,  en  el  ano  de  MDLIIII  in  4° 
tmd   gotischen  Lettern. 


')  Bibl.  de  auf.  csjian.    II,   158.     La    Version   que   hizö   de  Plauto 
rs  inferior  ä  la  de  Villalobos. 

-)  Bibl.  de  aut.  espaü.    II,  192.     Oliva  cada  vez  que  se  separa  de 
lo  que  Plauto  escribiö,  desatina;  und  Catäl.  bibliogr.  p.  302. 

3)  Ibid.    II,   158.     Estas  piczas  nunca  se  representaron. 

*)  Schack  a.  a.  0.    I.  208. 

5)  Catälogo  bibl.  S.  528.     ..El  autor  anönimo  dice  en  un  breve  pro- 
logo  haberse  aervido  il<-  las  traducciones  de  Villalobos  y  Oliva." 

10 


146  I-    Amphitrun. 

Einen  späteren  spanischen  Anfitrion  von  D.  Santös  Diez 
Gonzalez  (neben  dessen  El  casamiento  por  fuerza)  nennt 
Leandro  Fernandez  de  Moratin.1)  Ich  habe  ihn  nicht  be- 
kommen können.  —  Barrera  führt'2)  eine  Komödie,  Amor  es 
todo  invencion:  Jupiter  y  Anfitrion  des  Don  Jose  de 
Canizares  (1676 — 1750),  auf.3)  —  Aus  dem  Jahre  1859  stammt 
..El  Anfitrion  y  la  Andriana  de  Terencio,"  traducidos  del 
latin  al  castellano  por  D.  Salvador  Constanzo.   Madrid  (Cuesta). 


Auch  der  grosse  portugiesische  Epiker  Luiz  de  Caraöes, 
der  unsterbliche  Dichter  der  Lusiaden  (geb.  1524;  gest.  10.  Juni 
1580),  schrieb  unter  dem  Titel:  „Os  Enfatriöes"  (die  Amphi- 
truonen)  ein  Lustspiel,  das  eine  Nachdichtung  des  plautini- 
schen  ist  und  erst  später,  im  Jahre  1587,  mit  den  Autos  des 
Antonio  Prestes  aufgefunden  wurde.  Es  ist  in  der  Art  des 
Gil  Vicente  (gest.  1536)  abgefasst.  Eine  alte  Sitte  verband 
mit  den  akademischen  Festlichkeiten  zu  Coimbra  die  Aufführung 
irgend  eines  Autos,  oft  nur  einer  Tragödie  des  Seneka  oder 
irgend  einer  anderen  lateinischen  Szene.  Zu  einer  solchen  soll  es 
nach  einigen  Annahmen  gedichtet  sein.4)  Gewiss  ist  es  ein  unbe- 
streitbares Verdienst  des  jungen  Dichters,  dass  er  in  dieser  Komödie 
zu  seiner  Muttersprache  und  zu  einem  volkstümlichen  Metrum 
griff,  selbst  wenn  es  die  Verherrlichung  eines  gelehrten  Festes 
gegolten  haben  soll. 

Gegenüber  dem  plautinischen  Originale  hat  sich  der  Dichter 
bemüht,  einiges  zu  mildern,  was  seinem  Zeitalter  denn  doch  zu 
derb  sein  musste.  Diese  Rücksicht  hat  ihn  zu  mancher  Änderung 
veranlasst,  die  jedoch  dem  Stücke  nicht  immer  zum  Vorteile  ge- 
reichte. 


')  Obras  dramäticas  y  liricas.  Paris  (Bobee  1825).  Band  I.  S.  62 
des  (S.  45 — 47  stehenden)  Catälogo  de  piezas  dramäticas  publicadas  en 
Espana  desde  el  principio  del  siglo  XVIII.  hasta  la  epoca  presente.  — 
Bibl.  esp.    n,  332. 

2)  p.  69. 

3)  Unter  den  Comedias  escogidas  de  D.  Jose  de  Canizares.  (Ma- 
drid imprenta  de  Ortega  y  Comp.)  Bd.  I,  1829.  Bd.  II,  1833,  findet  sieh 
dieses  Stück  nicht.  —  Siehe  über  ihn  Ticknor.  II,  77  und  396.  — 
Bouterwek,  Geschichte  der  Künste  und  Wissenschaften.    III,  55f). 

4)  Theophilo  Braga,  Canv es.  —  Th.  Braga,  Manual  pag.  245.  — 
Reinhardstoettner,  Luiz  de  Camöes.  pag.  11.  —  Die  Annahme,  dass 
Camöes  das  Lustspiel  im  Jahre  1542  während  seiner  Studienzeit  (Vis- 
conde  de  Juromenha,  Obras  de  Luiz  de  Camöes.  Lisboa  1860 — 1869. 
6  Bde.  I,  24)  oder  in  den  Ferien  (Braga,  Historia  do  theatro  Portuguez. 
Porto  1870.  I,  37)  geschrieben  habe,  widerlegt  Storck  (Amphitryo  S.  324. 
325)  mit  gewichtigen  Gründen  und  versetzt  die  Dichtung  nach  seine 
Uuiversitätszeit. 


Luiz  de  CamÖes.  147 

Hören  wir  den  Inhalt.1) 

I.  Akt.  Alkmene  klagt  der  Bromia  über  die  lange  Ab- 
wesenheit ihres  Gatten,  ein  Motiv,  das  Camöes  vielleicht  aus 
Oliva  entnahm,  und  befiehlt  ihr,  Feliseo  zu  schicken,  um  von 
ihm  zu  erfahren,  ob  im  Hafen  keine  Neuigkeiten  einliefen.  Feliseo 
macht  sich  nach  einigen  neckischen  Gesprächen  mit  Bromia  auf 
den  Weg  nach  dem  Hafen  (1 — 5).  Juppiter  tritt  mit  Merkur  auf 
und  erzählt  ihm  von  seiner  hoffnungslosen  Liebe  zu  der  keuschen 
Alkmene.  Da  erteilt  ihm  Merkur  den  Rat,  sich  in  Amphitruos 
Gestalt  zu  verwandeln  und  sie  auf  diese  Weise  zu  überlisten. 
Er  folgt  diesem  Vorschlage.  Unterdessen  meldet  Kallisto  von 
der  noch  diese  Nacht  zu  erfolgenden  Rückkunft  des  siegreichen 
Feldherrn  Amphitruo   (5 — 6). 

IL  Akt.  Juppiter  als  Amphitruo,  Merkur  als  Sosia  treten 
auf.  Die  Nacht  soll  verlängert  werden.  Nach  herzlicher  Be- 
grüssung  Alkmenens  treten  beide  ins  Haus,  und  Merkur  hält 
vor  demselben  Wache.  Sosia,  Amphitruos  Diener,  kömmt  singend 
auf  die  Bühne.  Merkur  tritt  ihm  entgegen,  gebärdet  sich  als 
Sosia  und  jagt  den  wirklichen  Sosia,  der  bereits  über  seine  eigene 
Identität  verwirrt  ist,   von  dannen  (1 — 7). 

III.  Akt.  Juppiter  nimmt  von  Alkmene  Abschied.  Amphi- 
truo und  Sosia  treten  auf.  Letzterer  erzählt  seinem  Herrn,  was 
ihm  widerfahren  sei  (1 — 3).  Klagend  über  ihres  Gemahls  frühes 
Scheiden  erscheint  Alkmene;  sie  gewahrt  Amphitruo  und  Sosia, 
und  da  sie  sich  über  ihr  Hiersein  wundert,  beginnt  die  Ver- 
wirrung. Sie  schildert  die  Begegnung  dieser  Nacht  und  lässt  zur 
Bestätigung  der  Wahrheit  ihrer  Worte  den  ihr  eben  geschenkten 
Becher  des  Pterelas  durch  Bromia  holen.  Amphitruo  geht,  um 
Belferrao  als  Zeugen  zu  holen,  dass  er  nicht  bei  seiner  Gattin 
gewesen  sein  könne,  indes  Alkmene  nach  ihrem  Vetter  Aurelio 
schickt  (3  —  6). 

IV.  Akt.  Juppiter  versöhnt  Alkmene  und  geht  mit  ihr  ins 
Haus.     Merkur  hält  vor  demselben  Wache.     Er  fertigt   den  heran- 


')  An  selteneren  Ausgaben  sind  zu  verzeichnen  nach  Theophilo 
Braga:  „Bibliographia  Camoniana."  Lisboa  1880:  Primeira  parte  dos 
autoa  e  comedias  portuguezas  por  Antonio  Prestes  e  por  Luis  de 
Camöes  u.  s.  w.  (Andre  Lobato  1587  in  4°.)  In  dieser  äusserst  selte- 
nen Sammlung  finden  sich  die  „Enfatriöcs"  auf  Seite  86.  —  Comedia 
dos  Enfatriöcs  composta  por  Luis  de  Camöes.  Lisboa  (Vicente  Al- 
van.'s)  1615  in  4°  zu  zwei  Kolonnen.  —  Hier  zu  Grunde  uelegt  ist:  (»Inas 
completas  de  Luiz  de  Camöes,  correctas  e  emendadas  pelo  cuidado  e 
dili^encia  de  J.  V.  Barreto  Peio  e  J.  G.  Monteiro.  Hamburg  (Lang- 
hofij  1834.  —  Os  Amphitriöes  finden  sich  im  dritten  Bande  S.  299 
— 382.  —  Vor  kurzem  erschien #die  erste  deutsehe  Übertragung  des 
Amphitriio,  die  vorzügliche  Übersetzung  von  Wilhelm  Storck  auf 
S.  1 — 105  des  sechsten  Bandes  von  „Luis'  de  Caiuüens  sämtliche  Ge- 
dielite."     Paderborn  (Schöningh)  1885. 

10* 


148  I-   Amphitruo. 

kommenden  Amphitrno  in  sehr  grober  Weise  ab,  indem  er  ihm 
den  Eintritt  in  seine  Wohnung  verweigert.  Belferrao  und  Sosia 
kommen  herbei,  was  eine  komische  Situation  verursacht,  da  sich 
Sosia  eines  unehrerbietigen  Benehmens  gegen  seinen  Herrn  nicht 
bewusst  ist  (1 — 4). 

V.  Akt.  Die  beiden  Amphitruo  stehen  einander  gegenüber. 
Beide  berichten  von  ihren  Siegen ,  beide  zeigen  die  gleichen 
Wunden,  sodass  sich  Sosia  für  die  Echtheit  Juppiters  entscheidet 
und  dieser  wieder  ins  Haus  zurückkehrt,  das  für  Amphitruo  ver- 
schlossen bleibt  (1 — 3).  Aurelio  ist  auf  Alkmenes  Wunsch  her- 
beigeeilt und  trifft  den  jammernden  Amphitruo  vor  seiner  Schwelle. 
Um  sich  endlich  klar  zu  werden,  dringt  er  ins  Haus  ein  (4 — 7) 
und  kömmt  alsbald  wieder  heraus,  um  von  einer  überirdischen 
Erscheinung  zu  berichten.  Die  Stimme  Juppiters  lässt  sich  von 
innen  vernehmen.  Er  sei  der  in  seinen  Werken  grosse  Gott;  er 
habe  Amphitruos  Gestalt  angenommen,  um  das  Geschlecht  des- 
selben zu  ehren.  Alkmene  werde  den  Herkules  gebären,  von 
dessen  zwölf  Arbeiten  die  Geschichte  ruhmreich  berichten  werde. 
Mehr  sagt  er  nicht. 

Emfim  a  razäo  me  obriga, 
Que  täo  pouco  delle  diga, 
Porque  o  tempo  dirä  muito. 

Ohne  ein  Wort  der  Erwiderung  von  Seiten  Amphitruos  endet  die 
Komödie. 

Camöes  hat  sich,  wie  bemerkt,  bemüht,  das  Anstössige  des 
Originals  nach  Kräften  zu  mindern.  Allein  Plautus  stand  auf 
dem  Boden  der  Sage.  Ist  auch  Juppiter,  den  Tendenzen  des 
Lustspieldichters  entsprechend,  bei  Plautus  mehrfach  nicht  gerade 
von  der  Würde  des  höchsten  Gottes  umstrahlt,  so  war  sein  ganzes 
Abenteuer  doch  gewissermassen  ein  grosses  Werk,  das  er  be- 
absichtigt und  überlegt  ausführte  (vgl.  V.  873 — 879  Nunc 
memet  u.  s.  w.)  —  nämlich  die  gewollte  Zeugung  des  grössten 
Heroen  der  alten  Welt,  zu  der  sich  Juppiter  nach  der  Mythologie 
eine  dreimal  längere  Nacht  wählte,  wodurch  schon  symbolisch  die 
Bedeutung  dieses  Werkes  und  des  Herkules  selbst  angezeigt 
wurde.1)  Da  die  Geburt  des  Herkules  überdies  an  sich  zur 
Lösung  des  plautinischen  Stückes  führt,  so  könnte  dies  geradezu 
„die    Geburt    des    Herkules"     heissen.      Jenes   gewaltige    mytholo- 


')  L.  Preller,  Griechische  Mythologie.  3.  Aufl.  von  E.  Plew. 
Berlin  1875.  II.  Bd.  pag.  177.  —  J.  S.  Er  seh  und  J.  G,  Gruber,  All- 
gemeine Enzyklopädie  der  Wissenschaften  und  Künste.  Lpz.  1819.  HI,  403. 
—  Storck  (a.  a.  0.  S.  322)  findet  allerdings,  es  werde  bei  dieser  meiner 
Auffassung  Plautus  „in  eine  ideale  Sphäre  gehoben,  w'elche  ihm 
nicht  eignet  ". 


Luiz  de  Camöes.  149 

gisehe  Ereignis  wird  bei  Camöes  nur  die  Folge  von  Juppiters 
Liebesdrang,  obne  dass  bierbei  des  Heroen  gedacht  würde. 
Juppiter,  ernstlicb  in  Alkmene  verliebt,  klagt,  dass  der  Pfeil  des 
kleinen  Liebesgottes  mächtiger  als  er  selbst  sei  und  ibn,  den 
höchsten  der  Götter,  zwinge,  jener  zu  dienen,  welche  ihn  als 
Gott  anbetet  (I,   5): 

Oh  grande  e  alto  destino! 
Oh  potencia  täo  profunda! 
Que  a  setta  d'  um  menino 
Fa^a  que  meu  ser  divino 
Se  perca  por  cousa  humana! 
Que  m'  aproveitam  os  ceos, 
Onde  minha  essencia  mora 
Com  tanto  poder,  se  agora 
A  quem  me  adora  por  deos, 
Sirvo  eu  como  a  senhora? 

u.    s.   w. 

Vergeblich  hofft  er,  die  ,, tugendhafte  Frau"  für  sich  zu  ge- 
winnen. Den  Ausweg  bietet  erst  Merkurs  List,  die  Gestalt  des 
fernen  Amphitruo  anzunehmen. 

Es  ist  also  das  Ganze  nicht  Juppiters  Werk  und 
Erfindung. 

Bei  seiner  Liebesqual  sagt  ihm  Merkur  (a.   a.   0.): 

Senhor,  tudo  pode  ser; 

Que  para  quem  muito  quer, 

Sempre  a  affeicäo  e  manhosa. 

Seu  marido  estä  ausente 

Na  guerra  longa  daqui. 

Tu  qu'  es  Jupiter  potente 

Tomaräs  sua  figura  em  ti; 

Que  o  faräs  mui  facilmente. 

E  eu  me  transformarei 

Na  de  Sosea,  criado  seu. 
u.   s.   w. 

Freudig  ergreift  Juppiter  den  ihm  gebotenen  Vorschlag  und 
gesteht  später,  dass  einzig  Amor  wirke,  indem  er  auf  Merkurs 
Worte  (II,    1) 

Muito  mais  faräs,  senhor, 
erwidert: 

Näo  o  faz  senäo  o  Amor 
Que  n'  isto  pode  mais  que  eu. 

Merkur  ist  es  auch,  der  ihn  (a.  a,  0.)  über  die  Vorgänge  im 
Lager  unterrichtet,  der  somit  alles  ins  Werk  setzt,  und  dem 
Juppiter  dies  auch  mit  den  Worten: 

Pois  tudo  tens  ordenado 

Por  täo  nova  e  subtil  arte  ... 


250  I-  Ampliitruo. 

gerne   zugesteht.     Nur   der  Befehl   an  Phöbns,    die  Nacht  auszu- 
dehnen (II   1): 

Que  faca  mais  devagar 

Seu  curso  neste  Hemispherio, 

geht   direkt  von  Juppiter  aus. 

Merkur  übernimmt  nun  die  Rolle  des  plautinischen  Merkur, 
nachdem  beide  in  ihrer  Umgestaltung  den  Originalen  aufs  ge- 
naueste gleichen.1)  Mit  Sosias  Gestalt  hat  er  auch  dessen 
spanische  Sprache  angenommen2)  und  hält  auf  Juppiters  Geheiss 
Wache  vor  dem  Hause.  Wie  dieser,  prahlt  er  bei  dessen  Heim- 
kehr (II,   2): 

Pues  tambien  yo  no  crei 

Que  en  rni  vida  te  viese 

Segun  las  muertes  que  vi. 

Amphitruo  ist,  wie  bei  Plautus,  der  tapfere  heldenhafte  Sieger 
(II,  2).  Wehmütig  stimmt  ihn,  wie  den  Mohren  von  Venedig, 
der  ganze  Vorgang  hauptsächlich  darum,  weil  er  seine  Ehre  für 
verloren  hält.      Er  klagt  (V,   2): 

Porque  e  roubada 
Minha  honra  sem  temor, 
E  minha  cara  tomada, 
E  vossa  prima  enganada 
Por  um  grande  encantador. 

Sein  Schicksal  rührt  ihn  zu  Thränen.  Weinend  gedenkt  er 
(V,   6)  seines  einstigen  ehelichen  Glückes: 

E  quando  vejo  a  verdade 
Do  nosso  amor  e  amizade 
Desfeita  com  tanta  mägoa 
Encbem-se-me  os  olhos  d'  ägoa 
E  a  alma  de  saudade. 

Das  ist  der  letzte  Monolog,  den  er  spricht,  und  (die  Zwischen- 
fragen  „que  vai  lä?  que  cousas  väo?"  ausgenommen)  seine  letzten 
Worte.  So  sehen  wir  ihn  erschüttert  und  innerlich  vernichtet, 
bis   Juppiter  spricht  und  sich  als  Gott  zeigt. 

Auch    der  Amphitruo    des  Plautus    ist   tief   erschüttert   durch 


')      Mercurio:  Quem  täo  proprio  se  transforma 
Tenho  por  opiniäo, 
Que  na  tal  transformacäo 
Lhe  prestou  natura  a  forma, 
Com  que  fez  Amphitriäo. 
Jupiter;  Pois  tu  no  gesto  e  na  cor 
Estäs  Sösea,  escravo  seu. 
2)  So  sprachen  in   den  portugiesischen  Komödien  jener  Zeit  Leute 
aus  dem  niedern  Volke.  Diener  u.  dgl. 


Luiz  de  Camöes.  15 1 

die  Störung    seines    häuslichen  Glückes;    er    ist    bemitleidenswert, 
wenn   er  (V.    1082)   Bromea  fragt: 

Sein  nie  tuum  esse  erum  Amphitruonem? 

Aber  wir  sehen  ihn  wieder  langsam  aufleben  und  zufrieden, 
ja  nicht  ohne  Stolz,  des  Vorgangs  gedenken.  Ob  wohl  der 
Amphitruo  des  Camöes  ähnlich  wie  der  des  Plautus  mit  Juppiters 
Schlussworten  zufrieden  ist?  Er  selbst  spricht  es  mit  keinem  Worte 
aus,  und  der  Leser  hat  nach  seiner  Stimmung  in  der  vorletzten 
Szene  kaum  einen  Grund,  dies  anzunehmen.  Der  Schluss  bringt 
eine  Versöhnung  nicht  zum  Ausdrucke. 

Wie  im  Originale  ist  auch  hier  Alkmene  das  edle  Weib, 
dem  sein  Gatte  alles  ist. 

Ah,  Senlior  Amphitriäo, 
Onde  estä  todo  meu  bem 

seufzt   sie  (I,    1);  er  wohnt   in  ihrem  Herzen;  sie  spricht: 

Co'  0  cora^äo 
Que  dentro  n'  alnia  vos  tem. 

Sie  fragt,  ob  er  im  Felde  oder  sie  zu  Hause  mehr  geduldet 
habe.      Sie  hat  ihn  stets  geliebt  und   als  treue  Gattin  gepflegt: 

Sempre  de  mi  foi  amado, 

Tanto  quauto  em  mi  se  sente, 

Co'  o  corayäo  liado, 

Que  se  de  mi  era  ausente, 

Nelle  0  via  figurado. 

E  pois  mulker,  que  cumprisse 

Melhor  qu'  eu  fidelidade, 

Näo  a  vi,  nem  quem  me  visse 

Que  dos  limites  sahisse 

Um  poueo  da  honestade. 

Als  ausnehmend  tugendhaft   rühmt  sie  auch  Juppiter  (I,   5): 

Mas  que  remedio  hei  de  ter 
Contra  mullier  täo  terribil, 
Que  se  näo  pode  vencer? 

Tu  hjo  ves  qu'  esta  mullier 
Se  preza  de  virtuosa? 

Ihre  innige  Liebe  zu  ihrem  Gatten  leuchtet  besonders  beim 
Wiedersehen  (II,   2)  hervor: 

Oh  presenga  mais  querida 
Que  quantas  formou  Amor! 
Isto  r   verdade.   SenliorV 
Acabe-se  aqui  a  vida, 
Por  näo  ver  prazer  maior. 


152  !•   Amphitruo. 

Der  Sklave  Sösea,  der  spanisch  spricht,  steht  tief  unter  dem 
des  Plautus.  Nur  die  Feigheit  und  das  Prahlen  hat  er  mit 
diesem  gemein  (II,   5): 

Yo  como  muerto  le  vi 
Juro  ä  mi  fe,  que  le  di 
Mas  de  dos  mit  cuchülazos. 

Gerade  in  dieser  Szene  ist  er  ganz  und  gar  eine  Gestalt   der 
damaligen  Bühne  geworden. 

Die  übrigen  Personen  des  Stückes,  der  dichtende1)  Feliseo, 
Belferräo,  Alkmenes  Vetter,  Aurelio,  endlich  Kallisto  sind 
zum  grössten  Teile  Zuthaten  des  Dichters.  Bromia  hat  im  all- 
gemeinen dieselbe  Aufgahe,  wie  bei  Plautus,  nur  berichtet  bei 
Camöes  Aurelio  von  der  göttlichen  Erscheinung. 

Hat  somit  der  portugiesische  Dichter  im  grossen  Ganzen 
manches  ändern  zu  müssen  geglaubt,  manches  andere,  wie  die 
gewiss  glückliche  Gegenüberstellung  der  beiden  Amphitruo  in  der 
ersten  Szene  des  fünften  Aktes,  nach  den  Supposita  zu  Plautus 
glücklich  verwertet,  wobei  stets  eine  verschiedene  Grund- 
idee vorlag  . —  bei  Plautus  die  beabsichtigte  Zeugung  des 
Herkules,  die  immer  (vgl.  z.B.  auch  V.  479  sqq.)  hervorgehoben 
wird,  bei  Camöes  das  Quiproquo  der  beiden  Amphitruo, 
was  schon  der  Titel  (Os  Amphitriöes)  sagt  —  so  hat  er  sich  doch 
in  vielen  Stücken  wieder  engstens  an  das  Original  angeschlossen. 

Wir  sehen  die  Szene,  wo  Juppiter  Alkmenen  den  Becher 
des  Königs  Ptereläs  übergiebt.  Amphitruo  bekam  ihn  als  Ehren- 
geschenk (II,    1): 

Como  em  sinal  da  victoria, 
Esta  copa  lhe  foi  dada, 
Por  ella  bebia  el  Rei  .  .  . 

Bei  Plautus  (7.  534): 

Nunc  tibi  hanc  pateram,  quae  dono  mi  illi  ob  uirtutem  datast, 
Pterela  rex,  qui  potitauit condono. 

Der  Abschied  Pseudoamphitruos  von  Alkmene  (III,    1): 

Vos  me  vereis  cä,  Senhora, 
Primeiro  do  que  cuidais, 

erinnert   an  Juppiters  Wort  (V.   545): 

Prius  [enim]  tua  opinione  hie  adero. 

')  Derartige  Dichter,  welche  ihre  Liebespoesien  jedem,  der  des 
Weges  kommt,  zum  besten  geben,  mit  der  Versicherung,  dass  sie  selbst 
ohne  fremde  Beihilfe  dieselben  verfertigten,  wie  Feliseo  auf  Kallisto s 
Frage:  „Senhor,  vös  so  o  fizestes?"  emphatisch  erwidert:  „Si  que  ninguem 
me  ajoudou!"  (I,  6)  waren  ständige  komische  Figuren  der  damaligen 
Bühne.  -  Vgl.  die  höchst  gelungene  Farce  „De  quem  tem  Farelos" 
des  Gil  Vicente. 


Luiz  de  Camoes. 


153 


Die  treffliche  Szene,  in  welcher  der  plautinische  Mercurius 
den  Sklaven  Sosia  in  Angst  versetzen  will,  hat  sich  Canaöes  ge- 
wandt angeeignet;  „aher  er  hat  sie  selbständig  benutzt  und  vor- 
trefflich lungestaltet."1)     Dem   (7.   309): 

Quisquis  homo  huc  profecto  uenerit,  pugnos  edet 

entspricht  bei  Camoes  (II,   6): 


No  veo  pasar  ninguno, 

En  quien  yo  nie  pueda  hartar. 


Dem  (F.   321): 


das: 


Ölet  homo  quidam  malo  suo 

La  carne  de  algun  humano 
Me  seria  mui  sabrosa. 


Dem  (7.  325): 


genau: 


Vox  mi  ad  auris  aduolauit 

Ina  roz  de  hombre  ahora 
A  la  oreja  me  rolö. 


So  auch  die  Weigerung,   seinen  Namen  zu  nennen: 


343.  M. 

S. 

M. 
362.  M. 

S. 


364.  M. 

S. 
366.  M. 


370. 

390.  S. 
M. 
S. 
M. 

S. 


)/. 


Seruosne  es  an  liber? 
Vtquomque  animo  conlubi- 

tumst  meo. 
Ain  tu  uero? 
Quis  erus  est  igitur  tibi? 
Amphitruo,  qui  nunc  The- 

banis  praefectust  legio- 

nibus. 
Quid   ais?   quid  nomen  ti- 

bist? 
Sosiam  uocant  Thebani. 
Ne  tu  istic  bodie  malo  tuo 

conpositis  mendaciis 
Aduenisti  .  .  . 
Nunc  profecto    vapula   ob 

mendacium. 
Non  loquar  nisi  pace  facta. 
Non  nocebo. 
Tuae  fide  credo? 
Meae. 
Animum  aduorte  .  .  .    Am- 

phitruonia   ego  sum  ser- 

uos  Sosia. 
Etiam  denuo? 


3J.  i Quien?  ,;Quieres  hablar? 

S.    Soi  quienmi  voluntad  quiere. 

M.  ,;Piensas  que  puedas  hablar? 
M.  ;Di!  ,; Quien  eres? 
iS'.  Un  criado 

Del  Senor  Amphitrion. 

M.  ,;Como  te  Hamas,  mal  hombre? 

iS'.    Sosea  soi,  se  non  me  oiste. 
M.  Con  tan  nueva  falsedad 

Andais  por  esta  ciudad. 

jPues,  si  sois  Sosea,  tomad! 


S.    Tregoas  me  has  de  prometer, 

Dirtelohe  siu  profia. 
M.  Prometo. 

S.    Pues,.  hermauo,  tu  sabräs 

Que  mi  amo  Amphitrion. 
M.  ;  Tu  amo?  ;Pues  Uevaräs? 


ferner  die  Erzählung  von  seinen  kriegerischen  Erlebnissen  und 


seiner  Weinprobe : 


')  Storck  a.  a.  0.    S.  338. 


154  ■"■•   Amphitruo. 


427.  iS.    Legiones  quoin  pugnabant 
ruaxurne, 
Quid      in     tabernaclo     fe- 
cisti  ? 
M.  Cadus  erat   uirii;   inde   in- 
pleui  hirneam. 


S.    <;Empero,  tu  que  hacias,  cuando 
la  batalla  vias? 

.)/.  Cuando  mi  Senor  andaba 
Peleando  y  derramaba 
La  sangre  de  algun   mezquino; 
Con  una  bota  de  vino 
Yo  la  niia  acrescentaba. 


u .   s.   w. 

Der  Monolog  Alkmenes  (III,  3)  ist  nach  dem  des  Plautus 
(V.  633  sqq.)  gearbeitet,  doch  stark  zusammengezogen; 
ebenso  die  Szene  mit  dem  Becher,  die  Schilderung,  wie  der 
Pseudoamphitruo  sich  zu  Hause  benahm,  diese  letztere  nur  etwas 
verhüllter  u.   dgl.   mehr. 

Camöes  hat  in  dieser  Komödie  schon  hu  Ausseren  die 
Schule  des  Gil  Vicente  vertreten,  was,  wie  Th.  Braga  treffend 
bemerkt,1)  an  einem  Manne  Wunder  nehmen  muss,  welcher  die 
klassische  Renaissance  kannte  und  sich  an  der  italienischen 
Litteratur  begeisterte.  Die  Arbeit  des  Camöes  ist  von 
hohem  poetischen  Werte;2)  die  Redondilhenform  ist 
prächtig  gelungen.  Es  ist  ein  klassisches  Produkt,  aber 
echt  national,  antik,  aber  völlig  dem  Geiste  und  Geschmacke 
der  Zeit  angepasst. 

Von  allen  Amphitruobearbeitungen  ist  die  des  Camöes  durch 
Formvollendung  die  berechtigtste,  sich  der  Molieres  hinsichtlich 
der  metrischen  Eleganz  an  die  Seite  zu  stellen.  Es  ist.  reine 
Musik,   was  des  Camöes  Verse  aussprechen. 

Auch  F.  Bouterwek3)  fällt  über  die  Dichtung  des  Camöes 
ein  sehr  günstiges  Urteil.  „Eine  wahre  Bereicherung  des  portu- 
giesischen Theaters  war  der  Aniphitryo  .  .  .  .  Das  Verdienst 
der  Erfindung  dieses  echt  komischen  Stückes  gehört  zwar  dem 
PI a\i tu s,  dessen  Aniphitryo  von  Camöes  nur  frei  bearbeitet 
ist.  Aber  eben  diese  Bearbeitung  hätte  in  der  Geschichte  des 
portugiesischen  Theaters  Epoche  machen  müssen,  wenn  die  Nation 
geneigt  gewesen  wäre,  sich  eine  so  glückliche  Verschmelzung  der 
nationalen  Formen  des  Schauspiels  mit  den  antiken  gefallen  zu 
lassen.  Wer  den  Aniphitryo  des  Plautus  nicht  kennt,  muss 
das  Lustspiel  gleiches  Namens  von  Camöes  für  ein  Originalwerk 
halten.      Die    ganze  Fabel  des  Stückes  ist  modernisiert,    ohne  die 


1)  Manual  da  Historia  da  litteratura  portugueza.  (Porto  1875.) 
pag.  245:  „Admira  por  certo  ver  Camöes,  que  conhecia  intimamente  a 
Renascenca  classica,  e  que  se  inspirava  da  poesia  italiana,  seguir  no 
theatro  a  eschola  de  Gil  Vicente." 

2)  Ibid.  „Bastaram  estes  tres  Autos  de  Camöes  (sc.  Os  Amphitriöes, 
El  Bei  Seleuco,  Filodemo)  para  revelarem  um  grande  poeta  em 
nada  inferior  a  Gil  Vicente." 

3j  Geschichte  der  portugiesischen  Poesie  und  Beredtsamkeit.  (Göt- 
tingen 1805.)    S.  207. 


Jos§  da  Silva.  155 

komische  Kraft  der  Situationen  zu  schwächen.  Juppiter  musste 
zwar  bleiben,  wer  er  war,  aber  Merkur,  der  den  verkleideten 
Juppiter  begleitet,  macht  den  Bedienten  ganz  in  portugiesischem 
Stil.  Amphitryo  stellt  einen  Schiffskapitän  nach  portugiesischen 
Begriffen  vor.  Aus  dem  Sosia,  dem  Bedienten  des  Amphitryo,  ist 
ein  netter  Gracioso  geworden,  der  Spanisch  spricht,  ob  er  gleich 
den  Namen  Sosia  beibehalten  hat.  Die  burlesken  Szenen,  in 
denen  dieser  Sosia  figuriert,  sind  noch  dadurch  erhöhet,  dass 
Merkur,  der  gewöhnlich  Portugiesisch  spricht,  sogleich  Spanisch 
zu  sprechen  anfangt,  wenn  er  als  Pseudososia  seine  Rolle  spielt." 
Fast  zwei  Jahrhunderte  nach  Camöes  griff  nochmal  ein 
genialer  portugiesischer  Dichter ,  das  Opfer  schändlichster  In- 
toleranz,') zum  Amphitruo  —  der  „Jude"  Don  Antonio 
Jose  da  Silva  (S.  63),  dessen  geschickte  Behandlung  des 
Stoffes  ziemlich  viele  neue  Seiten  bietet.'2)  Das  Stück3)  ist  in 
zwei  Teile  zu  je  sieben  Szenen  gefasst  und  in  Prosa  ge- 
schrieben; nur  die  Arien  und  Chöre  sind  in  Versen  gedichtet. 
Es  führt  den  Titel:  Amfitriäo,  ou  Jupiter,  e  Alcmena, 
Opera  que  se  representou  no  Theatro  de  Bairro  Alto  de  Lisboa, 
no  mez  de  Maio  de  1736.  Aus  der  „Advertencia  do  Collector" 
(S.  9)  erfahren  wir,  dass  die  hier  gesammelten  Stücke  zwischen 
1733  — 1738  sehr  gefielen;  doch  wird  der  Name  des  Verfassers 
als    eines    der    Inquisition    verfallenen    Juden    nirgend    genannt,4) 

')  Vgl.  über  dieses  traurige  Opfer  der  Inquisition  F.  Ho  ff  mann, 
Geschichte  der  Inquisition.  Bonn  1878.  II.  Bd.  S.  88  ff.  —  Simonde 
de  Sismondi,  De  la  litterature  du  midi  de  l'Europe.    IV,  538. 

2)  Le  Bresil  litteraire  par  Ferd.  Wolf.  (Berlin,  A.  Asher&Co.  1863.) 
S.  39.  „Pour  se  faire  une  idee  du  talent  d'invention  et  de  la  verve  co- 
mique  dAntonio  Jose,  on  n'a  qu'ä  comparer  par  exemple  son  Arnphi- 
tryito  avec  ceux  de  Piaute  et  de  Camöes,  et  l'on  sera  surpris  du  parti 
conipletement  nouveau  que  le  poete  bresilien  a  su  tirer  de  ce  sujet, 
surtout  des  scenes  entre  Alcmene  et  son  epoux." 

3)  Es  findet  sich  im  ersten  Bande  des  Theatro  comico  Portuguez 
ou  Colleccäo  das  Operas  portuguezas  que  se  repentäräo  na  Casa  do 
Theatro  publico  do  Bairro  Alto  de  Lisboa.  Lisb.  1744—1746.  4  voll,  in  8°. 
—  Ein  zweiter  Abdruck  der  zwei  ersten  Bände  (in  der  k.  Bibliothek 
zu  Wien)  ist  von  1747,  Lisb.  na  regia  officina  Sylviana,  e  da  Academia 
Real.  —  Ein  dritter  in  4  Bd.  von  1759 — 1761.  —  Vor  mir  liegt  der 
vierte  Abdruck  (quarta  impressäo)  von  1787  (na  officina  de  Simäo  Thad- 
deo  Ferreira),  dessen  erster  Band,  S.  298 — 427,  unser  Stück  enthält.  — 
Vgl.  Wolf,   Bres...litt.  S.  36   und  Varnhagen,   Florilegio.    I,  206—208. 

4)  Von  der  Ängstlichkeit  des  Herausgebers  zeugt  seine  bornierte 
am  Schlüsse  angebrachte  Protestacäo  do  Collector:  „As  palavras  Deoses, 
Nurnen,  Fado,  Divindade,  Omnipotencia  e  Soberania  se  devem 
somente  entender  no  sentido  Poetico,  e  näo  de  nenhuma  outra  maneira ; 
porque  somente  se  usa  dellas  nestas  Obras  como  necessarias  para  adorno 
da  composicäo  Dramatica,  e  expressäo  dos  Episodios  Comicos  e  näo  com 
intencäo  de  offender  em  cousa  alguma  aos  dogmas  da  Santa  Madre 
Igreja,  a  quem  como  obediente  filho,  nie  sujeito  em  tudo  o  que  ella 
determina."  — Wem  kömmt  nicht  des  Camöes  Entschuldigung  (IX,  90  ff.) 
in  den  Sinn,  der  seine  Lusiaden  freilich  1572  nicht  1787  hinausgab! 


156  !•   Amphitruo. 

weshalb    z.    B.    bei    Barrera    (Catäl.    bibl.    S.    528)    da    Silvas 
Amphitruo   als    „manuscrita"    angeführt  wird. 

Erster  Teil.  —  1.  Juppiter,   von  den  himmlischen  Chören 
umgeben,   klagt,   dass  er  zu  Alcmena  heisse  Liebe  fühle: 

De  amor  todo  abrazado 

Mi  sento  quasi  louco.     (S.  303.) 

Mercurio  schlägt  ihm  vor,  Amphitruos  Gestalt,  der  eben 
im  Kriege  mit  den  Thelebanern  (!)  und  ihrem  Könige  Terela 
liegt,  anzunehmen;  er  selbst  wolle  sich  in  die  „mais  vil  creatura", 
den  Sklaven  Amfitriäos,  der  hier  Saramago  heisst,  verwandeln. 
Juppiter  nimmt  diesen  Vorschlag  gerne  an.  2.  Alcmena  jammert 
mit  ihrer  Sklavin  Cornucopia,  der  Frau  Saramagos,  über  die 
lange  Abwesenheit  ihres  Gemahls;  nach  einem  Menuett  Alcmenas 
kömmt  Cornucopia  mit  der  frohen  Botschaft,  dass  ihr  Sara- 
mago, und  also  auch  Amfitriäo,  zurückgekehrt  sei.  Alle  Zweifel 
lösen  sich,  da  wirklich  Juppiter  und  Merkur  in  den  Gestalten 
beider  eintreten.  Nach  einer  herzlichen  Begrüssung  findet  Alc- 
mena, dass  ihr  Gatte,  entgegen  seinem  gewöhnlichen  Wesen, 
zärtlicher  vom  Kriege  zurückgekehrt  sei,  als  er  ging,  und  auch 
Merkur  sah  Juppiter  nie  so  zerflossen  („täo  derretido"  S.  310). 
Juppiter  erzählt  die  Geschichte  seines  Sieges  und  schenkt  Alc- 
mena ein  Schmuckstück  vom  Helme  des  Königs  Terela.  Als- 
dann begeben  sie  sich  zur  Euhe.  Merkur  hat  alle  Mühe,  seine 
Cornucopia  los  zu  werden.  Auch  sie  hat  während  seiner  Ab- 
wesenheit Anfechtungen  ihrer  Treue  erfahren,  selbst  Geld  ist  ihr 
angeboten  worden.  Mercurio  findet  es  ungeschickt,  dass  sie  es 
nicht  angenommen  habe.  3.  Saramago  tritt  auf;  er  kömmt  vom 
Kriege.  Erst  tritt  ihm  ein  Hund  entgegen,  alsdann  Merkur,  der 
sich  als  den  richtigen  Saramago  gebärdet.  Nun  fragt  ihn 
Saramago:  Conheceo  vossa  merce  em  casa  de  Amfitriäo  hum 
criado  esgalgado,  cara  de  piolho  ladro,  corpo  de  parafuso,  pernas 
de  disciplina,  com  hum  pe  de  cantiga,  e  outro  pe  de  vento? 
(S.  319.)  Nach  einigem  Streiten  entfernt  sich  Saramago,  da  ihm 
Mercurio  eine  Tracht  Prügel  (hum  diluvio  de  pancadas  S.  321) 
in  Aussicht  stellt.  Mit  den  Worten:  Pois  a  Deos,  Senhor  Sara- 
mago, eilt  er  ab,  die  Mercurio  (fast  wie  Geta):  „A  Deos,  Senhor 
cousa  nenhuma!"  erwidert.  4.  Waldgegend.  Amfitriäo  mit 
Polidaz  klagt,  wie  lange  ihm  die  dreimonatliche  Abwesenheit 
von  Hause  vorkam.  Tiresias  begrüsst  namens  der  Republik 
den  siegreichen  Oberfeldherrn  und  teilt  ihm  mit,  dass  man  ihm 
einen  grossen  Triumph  (hum  notavel  triunfo  S.  322)  vorbereite. 
Saramago  naht.  Sein  Gespräch  ist  unklar.  Er  ist  nicht  er; 
von  Alcmena  weiss  er  nichts,  da  er  von  sich  selbst  nichts  weiss 
(S.   323).      Nun   erzählt  er,   zuerst  sei  ihm  ein  Hund  entgegenge- 


Jose  da  Silva.  157 

kommen,  der  mit  dem  Schweife  seine  Freude  bekundete,  „donde 
inferi  que  ha  creaturas  que  tem  a  lingua  no  rabo, "  dann  sein 
Ebenbild.  Man  geht  nach  Hause,  um  zu  sehen,  in  wie  weit 
Saramago   die  Wahrheit   sprach. 

Juno  mit  Iris  tritt  auf.  Sie  weiss  bereits  von  Juppiters 
Metamorphose  und  den  Plänen  ihres  treulosen  Gatten,  dem  sie 
Rache  schwört.      Er  soll  erfahren,   wie  wehe  es  ihr  thut : 

Que  de  zelos  a  impiedade 

Ate  os  ceos  ha  de  chegar.     (S.  327.) 

5.  Juppiter  trennt  sich  von  Alcmena.  „Ai,  Alcmena,  se 
tu  mi  disseras  essas  finezas  näo  como  a  Amfitriäo  senäo  como  a 
Jupiter"  (S.  328)  sagt  er  ihr  bedeutungsvoll.  Ebenso  scheidet 
Mercurio  von  Cornucopia  mit  den  Worten:  Vale,  vel,  valete,1) 
wie  einer  „quem  se  despede  em  latim"  (S.  330).  —  Juno  tritt 
mit  Iris  ins  Haus  und  bittet  Alcmena  knieend  um  Entschuldi- 
gung für  ihre  Freiheit.  Unter  dem  Namen  Felisarda  will  sie 
ihr  eben  ihre  traurige  Geschichte  erzählen,  da  klopft  Amfitriäo 
draussen  und  wird  eingelassen  und  von  Alcmena  begrüsst.  Er 
findet  aber  den  Empfang  etwas  frostig,  bis  ihm  Alcmena  sagt, 
dass  er  ja  diese  Nacht  schon  bei  ihr  gewesen  sei.  Juno  ahnt 
sofort,  dass  der  Pseudoamphitruo  ihr  Gatte  Juppiter  war.  Am- 
fitriäo jedoch  stutzt  und  Saramago  fällt  ein:  Näo  te  disse  eu 
que  havia  cä  outro  Saramago?  Pois  por  forca  havia  de  haver 
outro  Amfitriäo  (S.  334).  Alcmena  erzählt  umständlich,  was  er 
bei  seiner  Ankunft  that,  und  wie  er  ihr  das  Kleinod  überreichte, 
woraus  Juno  zur  Gewissheit  entnimmt  „que  este  he  o  verdadeiro 
Amfitriäo"  (S.  336).  Dieselbe  Szene  wiederholt  sich  zwischen 
Saramago  und  Cornucopia.  Auch  er  sagt  zornig:  „näo  fui 
eu  com  quem  te  emsamaragaste."  Eben  als  sie  Frieden 
schliessen  wollen,  kömmt  Mercurio  dazu,  und,  um  Saramago 
ganz  toll  zu  machen,  verändert  er  mehrmals  Cornucopias  Ge- 
siebt. Nach  verschiedenen  Missverständnissen  naht  Iris  unter 
dem  Namen  Corriola,  der  Saramago  ohne  Erfolg  den  Hof 
macht. 

IL  Juppiter  dankt  Merkur,  da  ja  alles  von  ihm  aixsging 
(sendo  a  idea  tua  S.  347).  Er  will  sich  bei  Alcmena  noch 
länger  freuen,  obwohl  ihn  Mercurio  an  Juno  erinnert.  Polida/, 
meldet,  dass  der  Triumphzug  bereit  sei,  worauf  Juppiter  geht,  und 
(7)  als  Amphitruo  von  den  Matronen  bekränzt  und  unter  dein 
Vivatrufen   des   Volkes  denselben  mitmacht. 


')  Lateinische  Stellen  finden  sich  öfter,  /..  B.  S.  319  inter  am- 
bobus  (!)  errasti,  325  heu  mihi!  340  chibarritum  nie  feeit,  34.".  quoad 
ine.  345  propter  unumquodque  fcale  ei  illud  magis  u.  ö. 


158  I-  Amphitruo. 

Zweiter  Teil.  —  1.  Juno  und  Iris  beraten  sich;  letztere 
will  sich  mit  Sararnago  einlassen,  um  den  rechten  Amphitruo  zu 
entdecken.  Tiresias,  der  um  Amfitriäo  zu  sprechen  kam, 
wird  hingerissen  von  Junos  Schönheit,  „que  mais  parece  divina  do 
que  htunana"  (S.  353),  und  Juno  beschliesst  ihrerseits,  auch  ihn 
zu  benützen.  Sie  erzählt  ihm,  sie  sei  die  unglückliche  Prinzessin 
von  Teleba,  Flerida,  die  hier  unter  dem  Namen  Feiisa r da 
lebe.  Sie  sei  gekommen,  um  sich  an  Amfitriäo,  dem  Mörder 
ihres  Vaters,  zu  rächen  und  auch  Alcmena  zu  strafen.  Tiresias 
möge  ihr  behilflich  sein,   was  er  auch  verspricht. 

2.  Noch  immer  träumt  Sararnago  von  Corriola;  da  naht 
Iris.  Cornucopia  belauscht  sie.  Iris  gesteht  ihm  ihre  Liebe, 
doch  seiner  Frau  halber  wolle  sie  ihm  entsagen.  Cornucopia 
stürzt  vor,  um  ihren  Mann  zu  retten.  —  Während  Alcmena  mit 
Cornucopia  über  ihres  Gatten  Benehmen  klagt,  zeigen  sich 
Juppiter  und  Mercurio.  Letzterer  geht  sofort,  um  Amfi- 
triäo s  Ankunft  zu  verhindern.  Juppiter  will  die  beleidigte 
Alcmena  versöhnen.  Nur  Sararnago  kann  nicht  begreifen, 
,.quem  era  aquelloutro  eu  que  cä  esteve  primeiro  do  que  eu 
viesse"  (S.  361).  Zweifelnd  geht  er  ab,  da  er  nach  Polidaz 
gesandt  wird.  Während  Juppiter  Alcmena  wieder  besänftigt, 
tritt  Juno  ein.  Sie  ist  'in  Zweifel,  ob  Juppiter  oder  Amphi- 
truo vor  ihr  stehe,  aber:  se  eile,  como  Deidade  sabe  enganar  os 
meus  olhos,  eu  que  tambem  logro  a  mesma  prerogativa,  usarei 
do  mesmo  engano  (S.  362).  Juno-Felisarda  ist  der  Ansicht, 
Amfitriäo  habe  keine  Verzeihung  verdient,  obwohl  Juppiter- 
Amfitriäo  sie  bittet,  bei  Alcmena  seine  Partei  zu  vertreten. 
Dennoch  gelingt  es  ihm,  Alcmena  wieder  zu  gewinnen,  und  er 
geht  mit  ihr. 

3.  Vorsaal.  —  Merkur  wird  des  Wartens  überdrüssig  und 
in  der  ganzen  Sache  ungeduldig.  Wann  soll  dies  enden?  Mit 
Europa,  Danae,  Leda  u.  a.  hat  Juppiter  nicht  so  viel  gemacht. 
Amfitriäo  tritt  ein.  „Sararnago,  kennst  Du  mich?"  „„Soll 
ich  die  ganze  Welt  kennen?""  „Mich,  Deinen  Herrn?"  „„Mein 
Herr  ist  nur  Amfitriäo.""  Er  kehrt  ihm  den  Rücken  und 
sperrt  die  Thüre  ab.  Unmittelbar  darauf  kömmt  Sararnago 
mit  Polidaz.  Amfitriäo  prügelt  ihn  wegen  seines  ungebühr- 
lichen Betragens,  was  Polidaz  nicht  begreifen  kann.  Es  sei  un- 
möglich, erklärt  er,  dass  Sararnago  eben  seinem  Herrn  die 
Thüre  versperrt  habe,  da  er  nicht  von  ihm  weggekommen  sei, 
vielmehr  in  seinem  Auftrage  ihn  geholt  habe.  „Schickte  ich 
etwa  um  Polidaz?"  fragt  Amfitriäo.  „„Gewiss!  Vor  einer 
Viertelstunde.""  Amfitriäo  wird  ruhiger;  er  ahnt  einen 
schlimmen  Streich.  Sie  schicken  sich  an,  die  Thüre  einzurennen, 
da  tritt  Juppiter  heraus,   und  die  beiden  Amphitruo   erblicken 


Jose  da  Silva.  159 

einander  staunend.  Auch  Alcmena  kömmt  dazu.  Sie  kann  nur 
fragen:  „vos  rogo  me  digais,  quäl  de  vos  he  o  meu  esposo?" 
(S.  370),  worauf  heide  rufen:  „sou  eu!"  „Dann  ist  es  keiner!" 
stammelt  Alcmena.  Auch  Juno,  die  dazutritt,  kann  beide  nicht 
unterscheiden,  so  ähnlich  sind  sie  (S.  371);  nicht  minder  Cornu- 
copia.  Jeder  der  beiden  Avill  Alcmena  gewinnen,  jeder  be- 
schwört: „o  fingido  he  este!"  (S.  373.)  Es  entspinnt  sich  ein 
Kampf;  Alcmena  sinkt  in  Junos  Arme,  die  gerne  wollte, 
dass  sie  nicht  mehr  erwachte.  Die  Amphitruo  sind  gegangen, 
dafür  ist  Mercurio  aufgetreten,  und  so  stehen  sich  nun  zwei 
Saramago  gegenüber.  Saramago  holt  einen  Spiegel  und  be- 
schaut sich  in  demselben: 

He  verdade!  Eu  sou  aquelle; 
E  tambem  aquelle  e  eu! 
Esta  boca  he  couio  a  delle, 
0  nariz  he  como  o  seu.     (S.  384.) 

Die  Szene  der  beiden  Amphitruo  wiederholt  sich.  Jeder 
will  Cornucopia  haben,  die  nun  glaubt,  es  könne  wie  mit 
Alcmena  durch  eine  Ohnmacht  gelöst  werden.  Sie  sinkt  zu- 
sammen, doch  ohne  Erfolg,  und  wird  in  einen  Zwerg  (anao)  ver- 
wandelt. 

4.  Noch  immer  ist  Juno  trostlos  über  ihres  Gatten  Untreue. 
Dieser  kömmt  und  fragt  nach  Alcmena.  Juno  hetzt  ihn  nun 
gegen  Alcmena  und  Amfitriäo:  denn  seine  Ehre  sei  beleidigt. 
Mit  dem  gleichen  Gefühle  verletzter  Mannesehre  kömmt  Sara- 
mago. Er  belauscht  Tiresias,  der  Juno  als  Flerida  (statt 
Felisarda)  begrüsst  und  von  ihr  aufgefordert  wird,  Alcmena  im 
Garten  zu  töten.  Saramago  will  eiligst  Alcmena  von  dem 
Mordanschlag  in  Kenntnis  setzen,  wird  aber  von  Juno  in  einen 
Baumstamm  verwandelt,  als  welcher  er  übrigens  an  allem  Folgen- 
den Anteil  nimmt.  Mercurio  und  Cornucopia  schlagen  an 
den  Baum,  der  schreit.  Sie  gehen  ab,  um  zu  sehen,  wer  schrie. 
Juppiter  schneidet  mit  einem  Dolche  in  den  Baum  Alcmenas 
Namen,  worauf  dieser  blutet.  Der  Gott  merkt,  dass  dies  Sara- 
mago sei,  und  verwandelt  ihn  in  seine  alte  Gestalt;  so  wird 
Saramago  „desarvorado"  (S.  396).  —  Iris  will  ihr  Verhältnis 
zu  Saramago  benützen,  um  zu  erfahren,  wer  der  wahre  Amphi- 
truo ist,  bald  aber  steht  wieder  Mercurio  vor  ihr  und  ver- 
spricht ihr,   sie  aufzuklären. 

5.  Alcmena  setzt  sich,  ihr  Los  betrauernd,  an  der  Quelle 
nieder.  Juppiter  naht  mit  gezogenem  Degen.  Kein  Baum,  in 
den  er  nicht  ihren  Namen  geschnitten !  Er  sieht  sie  an  der 
Quelle  eingeschlafen.  Da  kömmt  von  einer  Seite  Amfitriäo 
mit  dem  Schwerte,    von  der  andern  Tiresias  mit   einem  Dolche 


160  I-   Amphitruo. 

Jeder  will  Alcmena  töten;  der  eine  ans  Eifersucht,  der  andere, 
um  sein  Wort  einzulösen.  Juppiter  schützt  sie,  indem  er  mit 
Amfitriäo  hart  aneinander  gerät.  Auf  Alcmenas  Hilferuf  eilen 
Mercurio,  Polidaz,  Juno,  Cornucopia,  Iris  und  ein  Soldat 
herbei.  Wer  ist  nun  der  wirkliche  Amfitriäo,  wer  Saramago? 
Amfitriäo  wird  als  der  falsche  erklärt  und  auf  des  Tiresias 
Befehl  in  den  Kerker  geführt;  Juno  ahnt  indes,  dass  die  Strafe 
den  Unschuldigen  ereile.  Um  Juno  gefällig  zu  sein,  möchte 
Tiresias  auch  Alcmena  im  Kerker  wissen:  „pois  näo  negas, 
que  admittiste  os  dous  Amfitriöes,  sempre  violaste  a  pureza  do 
thalamo"  (S.  400).  Juppiter  jedoch  erklärt,  solches  stehe  nur 
ihm,  dem  Gatten,  zu.  Da  nun  Tiresias  verkündet,  auch  die 
Republik  sei  beleidigt,  rät  Juppiter  Alcmena,  sie  möge  ge- 
trost gehen  und  sich  Juppiter  anheimstellen.  Auch  Saramago 
wird   abgeführt. 

6.  Kerker.  —  Zu  drei  Gefangenen  kömmt  Saramago, 
alsdann  Amfitriäo,   in  dessen  Arie  (S.   415): 

Sorte  tyranna,  estrella  rigorosa 

Ferd.  Wolf)  wohl  nicht  mit  Unrecht  da  Silvas  eigenes  Un- 
glück besungen  sieht.  Saramago  und  sein  Herr  suchen  sich 
wieder  über  das  Vorgefallene  zu  verständigen,  da  treten  Juno 
und  Iris  verschleiert  ein,  um  den  unschuldig  Eingekerkerten  die 
Freiheit  zu  geben. 

7.  Juppiters  Tempel.  —  Tiresias,  von  Juno  fortge- 
setzt getrieben,  will  Alcmena  opfern;  nun  glaubt  Juppiter,  es 
sei  an  der  Zeit  einzugreifen,  umsomehr  als  Amfitriäo  mit 
Saramago  hereinstürzt,  um,  wenn  niemand  sie  opfern  wolle, 
dies  selbst  zu  thun.  „Halt  ein!"  donnert  Juppiter  gegen 
Tiresias.  „Ich  bin  unvei'letzlich ! "  (quanto  a  mim,  ninguem  me 
pöde  castigar  S.  423).  „Wer  bist  Du  denn?"  lautet  die  Frage. 
Verwandlung.  Das  Empyreum,  wie  in  der  ersten  Szene,  und 
die  Worte  (S.  424): 

Sabei  que  Jove  sou  omnipotente 
Que  abrazado  de  amor  da  bella  Alcmena 
Vendo  ser  impossivel  o  alcancalla 
Tomei  de  Amfitriäo  a  forma  humana 

erklären  alles.      Amfitriäo   darf  nicht  ungehalten  sein: 

Pois  desse  passatempo  que  aqui  tive 
Hercules  nascerä  u.  s.  w. 


')  Le  Bresil  litter.  S.  33.  „On  riait  ä  la  representation  de  ses 
pieces,  mais  il  ne  manquait  pas  de  personnes  qui  rapportaient  p.  e.  ili's 
passages  de  l'Ampbitriäo  aux  souffrances  qu'il  avait  endurees  dans  les 
cachots  de  l'inquisition." 


Jose  da  Silva.  161 

Er  ist  vielmehr  beglückt  und  ruft  aus:  „Oh  mil  vezes  feliz  eu 
que  tive  a  fortuna  de  que  o  mesmo  Jupiter  quizesse  divinizar  o 
meu  venturoso  thalamo-'  (S.  424),  und  auch  Alcmena  will  be- 
glückwünscht sein:  „Esposo  Amfitriäo ,  de-me  os  parahens  de 
tanta  felicidade. "  Selbst  Juno  erklärt  sich  zufrieden,  und 
Mercurio  und  Iris  geben  sich  zu  erkennen.  Juppiter  ge- 
währt Amfitriäo  einen  neuen  Trhimph  als  Sieger  über  die 
Telebaner,  da  er  an  seiner  Statt  den  ersten  durchgemacht  habe. 
Der  Chor  (S.   426): 

Que  pasmo!  che  assombro! 
Que  voe  täo  alta 
A  setta  do  amor? 

schliesst   das   Stück. 

Da  Silvas  Oper  —  eine  Art  von  Märchenspiel  oder  Zauber- 
posse —  zeigt ,  wie  wenig  es  vom  ästhetischen  Stand- 
punkte geraten  war,  vom  Original  abzugehen.  Die 
Arien  und  Rezitative  sind  mit  grossem  Geschick  den  Italienern, 
zunächst  Apostolo  Zeno  und  Metastasio,  nachgeahmt,  die 
prosaischen  Szenen  oft  an  witzigen  Wortspielen  reich ,  oft  in 
liebenswürdig  einfacher  und  volkstümlicher  Sprache  geschrieben. 
Im  Ganzen  genommen  aber,  scheint  doch  Ferd.  Wolfs  begeistertes 
Lob  (S.  155)  etwas  zu  weit  zu  gehen,  wenn  auch  keineswegs 
geleugnet  werden  soll,  dass  da  Silva  eine  ganze  Reihe  neuer 
Intriguen  und  Verwechslungen  zu  schaffen  gewusst  hat.  Da- 
durch freilich,  dass  der  mythologische  Hintergrund  zu- 
rückgeschoben und  selbst  die  einstige  Geburt  des  Her- 
kules nur  ganz  kurz  angedeutet  wurde,  ist  das  Ganze 
zu  einem  blossen  Abenteuer  Juppiters,  des  „mancebo 
muito  galhardo,  e  juvenil  morador  do  monte  Olympo",  wie  ihn 
Juno  (S.   424)  nennt,   herabgesunken. 

Plautus  gegenüber  ist  das  Stück  nicht  nur  um  Cornucopia 
(wie  bei  Moliere  um  Cleanthis)  erweitert,  sondern  auch  die 
Verwechslungsszenen  durch  Junos  und  Iris'  Verkleidungen  noch 
wesentlich  vermehrt  worden. 

Genau  zu  Plautus  stimmt  szenisch  äusserst  wenig,  dem 
Texte  nach  fast  nichts. 


Unter  den  romanischen  Völkern  haben  sich  be- 
sonders die  Italiener  für  Plautus  interessiert.  Der  Herzog 
von  Ferrara,  Herkules  L,  Hess  am  26.  Januar  1487  den 
Amphitruo1)  aufführen (S.  51),  der  auch  am  12.  Februar  1491   bei 

')  Addi  XXVI  di  Zenaro  1487  il  Duca  Hercole  fece  i'are  in  dicto 
Cortile   a  tempo  di  notte  la  Festa  di  Amphitrione  &  di  Sosia  cou 

11 


162  I-    Amphitruo. 

der  Hochzeit  seines  Solines  Alfonso  I.  mit  Anna  Sforza  wieder 
auf  die  Bühne  kam. ')  Diese  Übersetzung  des  Amphitruo  stammt 
von  Pandolfo  Collenuccio2)  (S.  51).  Sie  ist  betitelt:  „Comedia 
di  Plavto  |  intitolata  l'Amphitriona,  tradotta  dal  la  tino  al 
uolgare ,  per  Pandolfo  Colon1  nutio,  &  con  ogni  diligentia 
corretta  &  nuouamente  stampata"  1530,  mit  einer  hübschen  Vignette, 
Plautus  darstellend  (in  Vinegia  per  Nicolo  d'Aristotile  detto 
Zoppino.  64  Fol.).  Sie  ist  in  der  von  Collenuccio  mit  besonderer 
Leichtigkeit3)  gehandhabten  terza  rima  und  im  engsten  An- 
schluss  an  Plautus  gearbeitet,   z.   B.   Alcmenas   Monolog: 

Tutti  i  piacer  che  'n  questa  uita  s'  anno, 
Son  poca  cosa  in  compavatione 
De  fatiche  infinite  e  molto  affanno, 
Nel  quäl  esser  si  trouan  le  persone. 
u.   s.   w. 

Das    ganze  Szenarium    stimmt    mit  Plautus    überein; 


uno  Paradiso  con  stelle  &  altre  rode,  che  fu  una  bella  cosa;  ma  non  si 
pote  finire,  perche  cominciö  a  piovere  &  bisognö  lasciare  stare  a  höre  V 
di  notte,  «Sc  dovea  durare  fino  a  le  IX.  (Script,  rer.  ital.  Tom.  XXIV. 
pag.  279.) 

')  In  meggio  de  la  sala  ghe  era  uno  Paradiso,  e  dopoi  dicta  Festa 
feceno  la  Comedia  di  Amphitrione.  (Script,  rer.  ital.  Tom.  XXIV. 
pag.  282.)  —  „Wie  man  sich  vollends  die  Aufführung  des  plaut inischeu 
Amphitruo  daselbst  (1491,  bei  Alfonsos  erster  Vermählung  mit  Anna 
Sforza)  zu  denken  habe,  ob  vielleicht  schon  mehr  als  Pantomime  mit 
Musik,  denn  als  Drama,  bleibt  zweifelhaft.  (Strozii  poetae  pag.  232  im 
IV.  Buche  der  Äolosticha  des  Tito  Strozza.)  Das  Eingelegte  überwog 
jedenfalls  das  Stück  selber;  da  sah  man,  von  einem  rauschenden  Or- 
chester begleitet,  einen  Chortanz  von  Jünglingen  in  Epheu  gehüllt,  iu 
künstlich  verschlungenen  Figuren;  dann  erschien  Apoll,  schlug  die  Lyra 
mit  dem  Piektrum  und  sang  dazu  ein  Preislied  auf  das  Haus  Este;  zu- 
nächst folgte  gleichsam  als  Intermezzo  im  Intermezzo  eine  bäurische 
Genreszene  oder  Posse,  worauf  wieder  die  Mythologie  mit  Venus,  Bacchus 
und  ihrem  Gefolge  die  Szene  in  Beschlag  nahm  und  eine  Pantomime  — 
Paris  auf  dem  Ida  —  vorging.  Nun  erst  kam  die  zweite  Hälfte  der  Fabel 
des  Amphitruo  mit  deutlicher  Anspielung  auf  die  künftige  Geburt  eines 
Herkules  aus  dem  Hause  Este."     (Burckhard-t,  S.  316.  317.) 

2)  L'  Anfitrione  fu  opera  di  Pandolfo  Collenuccio  da  Pe- 
saro  che  fu  per  qualche  anno  iu  Ferrara,  e  si  ha  in  fatti  alle  stampe 
questa  commedia  da  lui  tradotta  iu  terza  rima  e  stampata  poi  in  Ve- 
nezia.nel  1530.  (Drammaturgia  di  Leone  Allacci,  diuisa  iu  sette  iu- 
dici.  In  Roma  (Per  il  Mascardi  1666),  pag.  28.  —  Argelati,  Bibl.  degli 
volgarizzatori,  Tom.  m,  pag.  228.  IV,  357.  358.  —  Fontanini,  Biblio- 
teca  dell'  eloquenza  ital.  colle  note  del  Zeno.  Tomo  I,  pag.  202.  —  Vgl. 
Tiraboschi.  VI,  p.  878.  —  Dr.  E.  Ruth,  Geschichte  der  italienischen 
Poesie.    (Lpz.  1847.)    II,  116. 

3)  So  auch  seine:  Comedia  Dilettosa  raccolta  uel  vecchio  testamento 
miovamente  ristampata,  nella  quäle  si  ragiona  de  Jacob  et  de  Joseph, 
composta  dal  MEagnifico  Caualiero  &  Dottore,  Messere  Pandolpho  Col- 
lenutio  da  Pesaro  ad  instantia  dello  Illustriss.  &  Eccellentiss.  Signor 
Duca  Hercole  de  Ferrara.  Iu  terza  rima  liistoriata.  Stampata  in  Vi- 
negia 1547  (ohne  Paginierung). 


Colleuuccio.     Dolce.  163 

nur  in  den  Supposita  waltet  er  freier.  Mit  dem  Beginne  des 
fünften  Aktes  liegt  Amphitruo  nicht  vor  seinem  Hause,  viel- 
mehr klopft  er  an  die  Thüre: 

Aprite,  aprite,  aprite,  o  uui  di  drento, 

Se  non  ch'  io  stello  1'  uscio  in  un  mornento. 

Bromia  erzählt  die  Geburt  der  Kinder  und  das  Weitere 
nach  dem  Originale.  Die  Rede  Juppiters  (bono  aninio  es 
V.  1131)  ist,  um  die  Thaten  des  Herkules  zu  erzählen,  von  den 
dreizehn  Versen  des  Originales  auf  einhundert  drei  und 
zwanzig  ausgedehnt  worden.  Eigentümlich  ist  der  Schluss. 
Amphitruo  erwidert  Juppiter,  wie  bei  Plautus  {V.  1143, 
1144);  dann  aber,  man  hat  wohl  anzunehmen,  als  Juppiter 
verschwunden  ist,  spricht  er  etwas  anders.  Der  Gott  hätte  ihm 
seine  Gnade  in  andrer  Weise  als  durch  den  Umgang  mit  seiner 
Frau  erzeigen  können,   wohl  ein  Apart  an  das  Publikum  (Fol.  64): 

Di  tanta  humanita,  che  1'  immortale 

Giove  m'  ha  usata,  contento  seria, 

Se  pur  fatto  m'  hauesse  altro  signale 
D'  amor,  che  usar  con  la  mogliera  mia: 

Che  tal  domestichezza  manifesta 

Non  mi  ua  molto  per  la  fantasia, 
E  a  dire  il  uero,  non  me  piacque  in  testa 

Portar  1'  insegna  de  le  corna  mai. 

Ma  pur  lä  sorte  mia  dogliosa  e  mesta 
Portaro  in  pace,  e  gli  miei  affanni  e  guai 

Ch'  io  non  son  solo  eletto  a  tali  honori 

Et  ho  per  tutto  de  i  compagni  assai. 
Ma  uui,  presenti  e  chari  spettatori, 

Ridendo  e  giubilaudo  fate  segno, 

Se  la  comedia  piace  a  uostri  cuori. 
Dio  ue  conserui  ne  lo  eterno  regno. 

Ohne  Zweifel  zählt  die  Bearbeitung  des  Collenuccio  zu 
den  formell  vollendetsten  dieser  Komödie. 

Vollständig  auf  dem  Amphitruo  beruht,1)  obwohl  äusser- 
ten von  ihm  unabhängig  scheinend,  die  Komödie  „II  marito" 
(der  Gatte)  des  Lodovico  Dolce  (S.  57).  Venedig  1545.  Der 
mir  vorliegende  Abdruck  ist  betitelt:  „II  marito.  Comedia  di 
M.  Lodovico  Dolce.  Di  nuouo  corretta  e  ristampata.  In 
Vinegia  appresso  Gabriel  Giolito  de'  Ferrari.  1560.  24  Fol.  — 
Im  Prolog  setzt  Dolce  die  Gründe  auseinander,  die  ihn  zur  Be- 
arbeitung dieses  Stückes  veranlassten: 


x)  Zeno  in  den  Annotaz.  zu  Fontanini.  Tom.  I,  pag.  371.  — 
Argelati  (IV,  <3G1):  Questa  commedia,  diceilZeno,  esser  tolta  intiera- 
mente  dall'  Anfitrione  di  Plauto.  —  Ruth.    II,  499  u.  585. 

11* 


\Q4:  I-   Amphitruo. 

Poi,  che  '1  mondo  ha  cangiato  aspetto,  et  uedesi 

Ogni  di  uariar  costumi  &  huomini, 

E  leggi,  e  Signorie,  e  linguaggi,  &  habiti; 

Marauiglia  non  e,  se  le  Comedie 

Si  fan  diuersamente  al  nostro  secolo, 

Qual  con  uoci  legate,  e  quäl  con  libere. 

E  se  1'  autor,  che  gia  ui  diede  il  Milite 

Di  Plauto ; ')  hora  ui  da  quest'  altra  fauola 

Fatta  con  altri  uersi  &  altri  numeri 

Da  1'  uso  de'  moderni  assai  dissimili. 


Hör,  se  grato  u'  e  ognihor  ueder  si  uarie 
Mutationi;  e  renouar  effigie 
Saria  a  ciascun  di  uoi,  penso,  gratissimo, 
S'  ei  si  potesse :  spettatori.  piacciui 
Feder  /'  Anfitrio  trasformato  in  Mutin. 

Sehen  wir  nun,  wie  Dolce,  dem  als  Übersetzer2)  und 
Dramatiker3)  Bühnengewandtheit  nicht  fehlte,  die  Umgestaltung' 
zu  Stande  brachte. 

I.  Akt.  Die  erste  Szene  des  ersten  Aktes  führt  uns  in 
die  Situation  ein.  Mutio,  der  Gatte  Virginias,  ist  nach  zehn- 
oder  zwölfmonatlicher  Abwesenheit  im  Kriege  mit  den  Türken 
mit  seinem  Diener  Nespilo  zurückgekehrt.  Unterdessen  hat  be- 
reits einige  Monate  lang  Fabritio  bei  Virginia  die  Stelle  ihres 
Gatten  vertreten.  Er  sieht  dem  abwesenden  Mutio  völlig  ähn- 
lich, und  sein  Diener  Roscio  gleicht  aufs  genaueste  Nespilo, 
sodass  niemand  sie  unterscheiden  kann  (I,    1): 

.  .  .  come  e  simile 
II  mio  padrone  a  questo  Messer  Mutio: 
Et  io  del  tutto  m'  assemiglio  a  Nespilo. 
Non  uider  mai  tutte  le  etä  de  gli  huoruini 
Aspetti  piü  conformi;  ne  miracolo 
Uguale  a  questo.4) 


')  In  seinem  „II  Capitano". 

2)  Vgl.  S.  57. 

3)  Tiraboschi.  VII,  p.  1326  u.  S.  57.  -*-  Allacci  (p.  448)  führt 
von  ihm  fünf  Lustspiele  und  achtzehn  Tragödien  auf;  Riccoboni 
(DI,  45)  sechszehn  Tragödien. 

'*)  Dolce  findet  diese  Voraussetzung  selbst  so  unwahrscheinlich, 
dass  er  (DU,  2)  nochmal  darauf  zurückkommt: 

e  tanto  simile 
II  mio  Fabritio  a  Mutio  che  fu  ageuole 
A  lui  condursi  del  marito  in  cambio 
(II  che  pare  ad  udir  cosa  impossibile) 
E  goderla  piu  mesi  in  pace  e  in  ocio: 
S'  aggiunge  che  '1  famiglio  di  Fabritio 
E  simile  al  famiglio  di  quel  Mutio 
Per  modo  tal.  che  non  fe  Michel  Angelo, 
Titian,  e  Rafael,  ch'  e  tanto  celebre, 
Ritratto  mai,  ch'  al  uiuo  piu  assomiglisi, 
Di  quel,  che  fan  tra  lor. 


Dolces  „H  Marito".  165 

Der  Diener  Roscio  hat  Mutio  landen  sehen.  '  Nespilo 
tritt  auf,  um  seiner  Herrin  die  Ankunft  ihres  Gatten  zu  melden; 
vor  dem  Hause  jedoch  jagt  ihn  Roscio  mit  Schlägen  weiter  und 
behauptet,  er  sei  selber  Nespilo,  was  diesen  bei  der  grossen 
Ähnlichkeit  völlig  verwirrt  macht.  Fabritio  nimmt  von  Virginia 
Abschied,   da  er  auf  des  Kaisers  Geheiss  zu  Feld  ziehen  muss. 

IL  Akt.  Nespilo  berichtet  seinem  Herrn  Mutio,  dass  ein 
Doppelgänger  ihn  abhielt,  seinem  Befehle  gemäss  seiner  Gattin 
die  Botschaft  zu  überbringen.  Dieser  schenkt  seinen  Worten 
keinen  Glauben;  da  tritt  Virginia,  über  die  so  plötzliche  Ab- 
reise ihres  Gatten  klagend,  auf.  Sie  erblickt  Mutio,  der  auf  sie 
zueilt  und  sie  voll  Liebe  umarmt;  sie  versichert  ihm  aber,  dass 
er  soeben  erst  von  ihr  weggegangen  sei  und  auch  sonst  bei  ihr 
gelebt  habe,  und  dass  sie  gesegneten  Leibes  sei,  was  eine  allge- 
meine Verwirrung  veranlasst. 

III.  Akt.  Fabritio  ist  zurückgekehrt ,  um  die  entsetzte 
Virginia  zu  beschwichtigen.  Er  erzählt  ihr,  er  sei  deshalb  so 
sehr  aufgeregt  gewesen,  weil  sich  hier  in  Padua  ein  Nekromant ') 
aufhalte,  dem  es  möglich  sei,  sich  in  alle  Gestalten,  besonders  in 
jene  von  Ehemännern,  zu  verwandeln  und  die  Weiber  zu  be- 
rücken. Er  geht  alsdann  mit  Virginia  ins  Haus,  Roscio  er- 
hält Auftrag,  zu  schliessen  und  niemand  einzulassen..  —  Emilio, 
Fabritios  Freund,  und  Celio  treffen  sich  und  unterhalten  sich 
über  Fabritio,  der  nun  doch,  da  Mutio  zurückgekehrt  sei,  von 
Virginia  werde  lassen  müssen. 

IV.  Akt.  Mutio  kömmt  zu  seinem  Hause  zurück  und 
findet  es  verschlossen.  Roscio  verwehrt  ihm  den  Eintritt,  da 
Mutio  eben  gespeist  habe  und  mit  Virginia  der  Ruhe  pflege. 
Indessen  Mutio  hierüber  laut  klagt,  kömmt  Nespilo,  mit  Giulio 
über  die  Vorgänge  im  Hause  seines  Herrn  sprechend.  Mutio 
zieht  seinen  Diener  wegen  seiner  soeben  gegen  ihn  bewiesenen 
Unart  zur  Rechenschaft;  doch  Giulio  beweist  für  den  staunenden 
Diener,  dass  dieser  schon  seit  einer  Stunde  bei  ihm  sei,  also  hier 
nicht  gewesen  sein  könne.  Auf  Mutios  stürmischeres  Pochen 
treten  Fabritio  und  Roscio  aus  dem  Hause.  Giulio  eilt  ab; 
denn   es  ist  ihm  unmöglich,   die  rechten  beiden  zu  bestimmen. 

V.  Akt.  Fabritio  klagt,  Emilio  gegenüber,  dass  nun  leider 
die  Stunde  gekommen  sei,  um  für  immer  von  Virginia  zu 
scheiden.  Wie  aber  soll  es  sich  lösen?  Emilio  erzählt  ihm 
nun,    dass  Fra    Girolamo    da   Pesaro,    ein    schlauer  Mönch,    es 


')  Über  den  Nekromanten  dieser  Zeit  siehe  J.  Burckhardt, 
Die  Kultur  der  Renaissance.  Basel  1860.  S.  544.  —  In  Cecchis  „I 
Sciämiti"  (DI,5)  wird  ein  Nekromant  Malagigi  genannt.  —  Ariost 
schreibt  eine  eigene  Komödie,  die  (1573)  Jean  de  la  Taille  ins  Fran- 
zösische übersetzte. 


166  I.   Amphitruo. 

auf  sich  genommen  habe,  Mutio  zu  beschwichtigen.  Bald  tritt 
der  Möncb  mit  Mutio  auf.  Er  setzt  dem  staunenden  Mutio 
auseinander,  dass  ein  Poltergeist  —  spirito  folletico  — ,  deren 
es  in  der  Luft  eine  Million  gebe,  seine  Stelle  vertreten  habe; 
das  sei  aber  kein  Teufel;  denn  diese  könnten  kein  Weib  be- 
fruchten : 

Che  i  Demoni  non  possono  concipere; 
0  per  dir  meglio  ingrauidar  le  femine: 
Perche  non  hanno  senie:  ne  1'  altissimo 
Permetteria,  che  Donna  con  battesimo 
Ingrauidata  fosse  dal  Dimonio. 

Das  wollte  er  ihm,  wenn  er  gelehrte  Studien  hinter  sich  hätte 
(se  hauessi  lettere),  aus  Skotus  und  Laktantius  beweisen. 
Auf  Mutios  kritische  Frage,  ob  seine  Frau  von  einem  solchen 
Geiste  gesegneten  Leibes  sei: 

Dunque;  mia  moglie  e  d'  un  Folleto  grauida? 

erfährt  er  die  Antwort,  sie  sei  es  von  ihm,  was  er  zwar  gerne 
annehmen  möchte,   dennoch  aber  nicht  glauben  kann. 

F.  Gir.    E  di  te  stesso.    , 
Mut.  E  di  me  stesso? 

F.  Gir.  Mutio, 

M'  intenderai,  se  m'  odi  con  patientia. 
Mut.         Caro  1'  haurö:  ma  mi  par  impossibile. 

Bruder  Girolamo  erwidert  ihm,  das  komme  davon,  dass  er 
von  Theologie  nichts  verstehe.  Ein  solcher  spirito  folletico 
habe  ihn  eines  Nachts  vom  Lager  nach  Padua  im  Schlafe  ge- 
tragen : 

Cosi  avien  che  tua  moglie  e  di  te  grauida. 

Mutio  glaubt  dies  zwar  nicht  geradezu: 

Padre,  lasciamo  andar  si  fatti  termini : 

Ch'  io  non  so  quel  che  me  ne  dica  o  credami. 

Es  lässt  sich  nicht  mehr  ändern;  so  will  er  Avenigstens  in  sein 
Haus  zurück. 

Bruder  Girolamo  nimmt  ihm  den  Eid  ab,  dass  er  das  Kind 
seiner  Frau  als  das  seinige  anerkennen  werde,  und  so  tritt  er 
schliesslich  anscheinend   versöhnt  mit   seiner  Gattin  ins  Haus  ein. 

Ohne  Zweifel  ist  dieses  Stück  eine  schamlose  Karrikatur 
der  plautinischen  Komödie,  die  erbärmlichste  Ent- 
stellung derselben.  Je  weiter  wir  uns  eben  von  dem  mytho- 
logischen Hintergrunde  entfernen,  desto  sittlich  bedenklicher  wird 
der  Stoff.  Dazu  kömmt  noch  Dole  es  brutale,  derbe  Durch- 
führung,   so    gewandt   auch   die   Sprache   sein   mag.      Ein   infolge 


Dolces  „II  Marito".  167 

eines  schwer  anzunehmenden  Zufalles  dem  Gatten  aufs  Haar 
gleichender  Wüstling,  dessen  Diener  jenem  des  Gatten  nicht 
minder  ähnlich  ist,  herückt  die  ehrsame  Ehefrau  des  im  Kriege 
weilenden  Kämpfers.  Das  schnödeste  Motiv  des  ganzen  Stückes 
ist  der  Umstand,  dass  der  gewissenlose  Verführer  triumphiert. 
Den  gerechtfertigten  Schmerz  und  die  innere  Folter  des  unglück- 
lichen Mutio   findet  Fahritio   komisch  (DU,   3): 

Hai  uisto  e  inteso  tutto;  a  pena  possomi 
ßitener  da  le  risa.     0,  come  arrabia 
II  pouerin;  per  certo  non  fu  fauola 
Giamai  si  bella  d'  ascoltarsi,  o  legger 
Quanto  parrä  a  ciascun  si  fatta  historia. 

Der  Beschwichtigung  des  bethörten  Gatten  durch  den 
namens  der  Religion  handelnden  Mönch  hört  Fabritio 
mit  seinem  Freunde  Emilio  zu,  und  dieser  sagt,  als  sie  vorüber 
ist,   in  zynischer  Weise   (V,   4): 

Hör  uedi,  come  il  Bue  lasciato  ha  uolgersi 
Dal  santo  Padre. 

Und  nicht  minder  frech  sind  die  Worte,  mit  welchen  sich 
Fabritio  an  die  Zuschauer  wendet  und  sie  fragt,  ob  sich  unter 
ihnen  nicht  auch  einige  finden,  die  ein  ähnliches  Schicksal  ruhig 
erdulden : 

Ne  ui  marauigliate:  che  ben  trouansi 
Molti  tra  üoi,  che  tal  costume  seguono 
Senza  noia  o  disturbo. 

Gerade  der  Umstand,  dass  die  Religion  Mutio  beruhigen 
soll,   dass  ein  Mönch,   so  heilig  wie  Girolamo   (V,    1): 

in  tutta  Padoua 
Non  c'  e  frate  piu  santo  ne  piu  pratico 
Ne  la  scrittura  .  .  . 

freilich  zugleich  nicht  minder  schlau  (ibid.): 

e  fra  Girolamo 
E  ghiotto,  &  ha  a  le  man  tutte  le  astutie, 
Che  puote  hauere  im  frate  dotto  e  pratico 
De  le  cose  del  mondo  .... 

die  Religion  benützt,  um  einen  so  unsaubern  Knoten  zu 
lösen,  dem  getäuschten  Ehemann  die  Hölle  androht,  falls  er 
anders  als  versöhnlich  handle  (V,   2): 

Che  in  ueritä  tu  ti  uedresti  misero 
E  in  uita  e  dopo  im  nie, 

dass  er  ihn  schwören  lässt  und,  wie  ein  echter  Jesuit,  sogar  den 
Fall  der  reservatio  mentalis  vorsieht: 


168  I-   Amphitruo. 

cio  dico;  perche  gli  huomini 
Spesse  fiate  con  la  bocca  giurano, 
Ma  il  cuor  parla  altramente, 

dass  er  ihm  Geld  fürs  St.  Antoniuskloster  abnimmt  und  ihn  für 
den  andern  Tag  zur  Beichte  zitiert,  ist  das  Schändlichste  an  der 
ganzen  Komödie.1)  Allein  Dolce  gesteht  ja  in  seinem  Prologe 
zum  „Ragazzo"  zur  Charakteristik  seines  Auditoriums,  dass,  um 
zu  gefallen,  „jedes  Wort  und  jede  Handlung  unanständig  sein 
muss."  Er  schrieb  also  mit  Berechnung  für  den  Kitzel  des 
Publikums!  2) 

Man  vergegenwärtige  sich  Mutios  verhängnisvolle  Lage, 
seinen  wahren  Schmerz,  die  Schilderung,  welche  (III,  3)  Celio 
von  ihm  entwirft: 

io  P  ho  veduto,  e  uditolo 
Per  istrada  doler,  gridar,  distruggersi 
D'  hauer  trouata  la  mogliera  grauida: 
E  uuol  saper  chi  e  quel,  che  con  1'  imagine 
Sua,  come  mostra  hauere  inteso,  gli  liabbia 
Tolto  1'  honor.     Tu  sai  come  per  picciolo 
Sospetto  i  Padouani  amazzar  sogliono 
Gli  huomini  e  le  mogliere. 

wie  er   selbst  daran  denkt,   sich  den  Tod  zu  geben  (IV,   3): 
Che  tardi  piu?  che  non  t'  amazzi? 

und  stelle  dagegen  den  Triumph  des  sittlich  verkommenen 
Fabritio,  so  haben  wir  das  Bild  jener  schändlichen  Komödie, 
die    späterhin    in    verschiedenen  Ländern    Sitte    wurde,    und    deren 


!)  Freilich  erinnert  man  sich  hierbei  des  Paters  Timoteo  in  Ma- 
chiavellis  „Mandragola"  und  seines  Einflusses  auf  Lucrezia,  so  wie 
manches  andern  Mönches  der  italienischen  Komödie. 

2)  Bekannt  und  öfter  zitiert  (Ginguene  VI,  293.  Kuth  II,  509) 
ist  Dolce s  Prolog  zum  „Ragazzo",  wo  er  (Ausg.  von  1550,  S.  4)  schliesst: 
„Ma  se  forse  parrä  ad  alcuno,  che  in  lei  (sc.  commedia)  si  esca  alcuna 
uolta  fuore  de'  termini  della  honesta,  douerete  pensare,  che  a  uoler 
bene  esprimere  i  costumi  d'  hoggidi,  bisognerebbe,  che  le 
parole  &  gli  atti  interi  fossero  lasciuia."  —  Ähnlich  sagt  Gio. 
Batt.  della  Porta  von  seiner  Komödie  Olimpia:  Se  fusse  un  poco  vana, 
o  lasciuetta,  iscusatela,  che  il  hello  e  '1  buono  non  pottero  mai 
imparentarsi  insieme  (!)  — •  Nur  ganz  vereinzelt  finden  wir  eine 
Reaktion  gegen  diese  Unsittlichkeit  der  Bühnendichter.  So  wird  im 
Prologe  der  Komödie  La  Balia  [La  |  Balia  |  Comedia  |  di  M.  |  Girolamo 
Razzi.  |  Nuouamente  stampata.  \  In  Fiorenza  |  Appresso  i  Givnti,  |  1560. 
(55  Fol.)]  dieser  Punkt  berührt.  Man  macht  der  antiken  Komödie  den 
Vorwurf,  dass  sie  weniger  sittliche  Figuren  vorführe.  0  direte  uoi,  fährt 
Razzi  weiter,  si  ueggiono  pure  nelle  Comedie  antiche,  cosi  fatti  per- 
sonaggi,  &  somiglianti  azzioni.  Si  ueggiono;  ma  altrimenti,  che  nella 
maggior  parte  delle  moderne;  nelle  quali  sono  introdotti  solamente 
per  dire,  &  fare  mille  sceleratezze ,  &  non  per  ammaestrar  gl'  huomini, 
e  incaminargli  ä  uirtuosamente  operare. 


Dolces  „II  Marito".  169 

Witz  einzig  darin  lag,  dass  jeder  ehrliche  Mann  dem  Gelächter 
der  Zuschauer  preisgegehen  wurde,  jeder  Schurke  als  Sieger  von 
dannen  ging.1) 

Die  Charaktere  des  Lustspieles  sind  nicht  scharf  ausgeprägt. 
Dem  leichtgläubigen,  dummen2)  Mutio,  der  seine  Gattin  über 
alles  lieht,3)  dem  es  aber  an  persönlichem  Mut  zur  rechten  Zeit 
gehricht,4)  steht  die  keusche,5)  überaus  schöne6)  Virginia  zur 
Seite,   das  unschuldige  Spielzeug7)  Fahritios. 

Ein  Anlauf  zu  etwas  Charakterdarstellung  ist  im  ersten 
Akte  an  der  Figur  des  feigen8)  Nespilo  gemacht  worden,  wo 
dieser  über  die  Fürsten  als  die  Anstifter  der  Kriege  schmäht  und 
seiner  Philosophie  vom  ewigen  Frieden  Worte  verleiht;9)  aher  es 
ist  nur  ein  Anlauf,  eine  Reminiszenz  des  vom  Kriege  heim- 
kehrenden plautinischen  Sosia,  der  über  Herren  und  Knechte 
philosophiert. 

Hat  nun  Dolce  so  das  Stück  wesentlich  geändert  und  aus 
dem   mythologischen    Faktum    der   plautinischen    Komödie    ein    ah- 


*)  Über  die  grenzenlose  Unsittlichkeit  der  damaligen   italienischen 
Bühne  siehe  bei  Kuth  II,  505—515. 

2)  ,  Questo  Mutio 
E  sciocco,  &  ama  la  consorte.     Facile 
Cosa  sarä,  ch'  ogni  nouella  e  frottola 
Del  frate  creda  come  il  Credo:  massima 
Mente  c'  ha  in  lui  deuotion  plenaria, 
Come  dimostra  hauerla. 

3)  Er  nennt  seine  Frau  (IV,  1): 

Mutio,  la  moglie  tua,  la  tua  Virginia; 

Ch'  era  il  tuo  bene,  il  tuo  cuor,  la  tua  anima. 

4)  HI,  4.  Mutio, 

Ancor  ch'  ei  sia  soldato  e  nato  in  Padoua, 

E  .  .  .  piu  sciocco  e  timido 

Che  non  fu  '1  Calandrin  di  Gian  Boccaccio. 

5)  I,  4.  s'  io  credessimi, 

Signor  mio  caro,  ch'  in  uoi  qualche  dubbio 
Fosse  de  la  mia  fe,  ch'  e  chiara  e  lucida, 
Hora  io  farei  quel  che  gia  fe  Lucretia. 

6)  III.  4.  Virginia  e  bella  .  .  . 

7)  L'  innocentia 
Difenda  Dio  di  questa  bella  giouane: 
Che,  s'  ha  meco  peccato  in  adulterio 

Col  corpo  suo,  non  peccö  gia  con  1'  animo. 
Giacer  credendo  col  marito  proprio. 

8)  I,  2.     Non  e  huom  piu  timido 

Di  questo  sciocco. 
,J)  I,  2.     Maledetti  sian  1'  armi,  i  Duchi,  e  i  Prencipi. 
Che  '1  mondo  spesso  sottosopra  uolgono. 
0  che  uiuer  saria  dolce  e  pacirico, 
Se  ognun  si  stesse  nel  suo  stato  a  godersi 
Cio  che  possede;  e  non  cei*casse  togliere 
Quel  che  e  d1  altrui,  spingendo  a  morte  gli  huoniini. 


170  I-   Amphitruo. 

scheuliches  Gemälde  sittlichen  Verfalls  gemacht,1)  so  sind  doch 
der  direkten  Anklänge  an  Plautus  zu  viele,  um  einen  kurzen 
Vergleich  mit  dem  Originale  gänzlich  ahzuweisen.  Inshesondere 
die  ersten  Akte  sind,  wie  schon  die  Inhaltsangabe  zeigte,  auf 
Plautus  aufgebaut,  oft  mit  wörtlicher  Benutzung  des  Originales. 
So  z.   B.   Merkurs  Bramarbasieren. 

V.  302.    Agite  pugni:  iam  diust  quom  uentri  uictum  non  datis. 

Iam  pridem  uidetur  factum,  heri  quod  homines  quattuor 
In  soporem  conlocastis  nudos. 
I,  2.  0  pugna  mie  durissime 

Piu  che  dianiante;  perche  state  a  cintola? 
Parui  egli  si  gran  tempo  che  a  quattr'  huomini 
La  terza  notte  uoi  faceste  correre 
La  ceruella  in  sugli  ochi? 
V.  306.     Quattuor  uiros  sopori  se  dedisse  hie  autumat: 
Metuo  ne  nunierum  augeam  illum. 
I,  2.  Ei  dice  eh'  a  quattr'  huomini 

Ha  spezzato  la  testa.    Io  resto  in  dubbio 
Che  me  ne  faccia  il  quinto  e  aecresca  il  numero. 
V.  343.     Merc.   Seruosne  es  an  über? 

Sos.  Utquomque  animo  conlubitumst  meo. 

I,  2.     Io  son  quello  che  mi  piace  d'  essere  .  .  . 

Sei  famiglio  o  huomo  libero? 
V.  389.     Merc.   Immo  indutiae  parumper  fiant,  siquid  uis  loqui. 
Sos.      Non  loquar  nisi  pace  facta. 
Merc.  Die,  siquid  uis:  non  nocebo. 
Sos.  Tuae  fide  credo? 

Merc.  Meae. 

I,  2.     Rose.    Tregua  facciasi 
Fin  che  tu  parli. 
Nesp.  Pace  io  chieggio,  domine, 

Altrimenti  io  non  parlo. 
Rose.  Paria  che  licentia 

Ti  do  di  dir,  senza  ch'  io  t'  habbia  a  offendere. 
Nesp.   Io  credo  a  la  tua  fede. 
Rose.  Le  poi  credere. 

V.  394.     Amphitruonis  ego  sunt  seruos  Sosia. 
I,  2.     Nespilo  io  sono,  e  seruitor  di  Mutio. 
V.  402.     Hie  homo  sanus  non  est. 

I,  2.    Infine,  tu  sei  pazzo. 
V.  403.      Sos.      Quod  mihi  praedicas  uitium,  id  tibist. 

Quid,   nialum,  non  suni  ego  seruos  Amphitruonis  Sosia? 
Nonne  hac  noctu  nostra  nauis  huc  ex  portu  Persico 
Venit  .  .  . 
Nonne  ego  nunc  sto  ante  aedis  nostras? 


')  Vgl.  Ginguenes  Urteil  über  die  Komödie  VI,  291.  „L'exacte 
ressemblance  de  Jupiter  avec  l'epoux  d'Alcmene  et  de  Mercure  avec 
Sosie,  etant  l'effet  d'un  pouvoir  surnaturel,  est  mythologique- 
raent  vraisemblable :  celle  de  deux  bourgeois  italiens  et  de  leurs  deux 
valets,  si  entiere  que  toute  une  ville  s'y  meprend,  et  qu'une  femme 
honnete,  mais  sensible,  y  est  trompee  de  jour  et  de  nuit,  est  hors  de 
toute  vraisemblance." 


u.  s.  w. 


Dolces  „II  Marito".  m 

Non  loquor  .  .  . 

Quid  igitur  ego  dubito?  aut  quor  non  intro  eo  in  nostram 
m  n       .  .  domum? 

Merc.   Omma  ementitu  's:  equidem  sum  Amphitruonis  Sosia 


I,  2.    Nesp.    ,  Questo  uitio 

E  tuo.     Hör  non  son'  io  seruo  di  Mutio? 
Non  son  uenuto  io  seco  di  Vinegia?  non  e 
Questa  la  casa  nostra?  .  .  . 

io  pur  parlo  .  .  . 

.  .  .  perche  rimango  adunque  e  dubito 
D'  entrar  in  casa? 

C'   n,,  •  •  •  •Non  Pessar  d'  entraruici, 

Lh    ella  e  mia  casa:  mio  padrone  e  Mutio: 
Io  Nespilo  suo  seruo  .  .  . 

So  der  Beginn  des  zweiten  Aktes: 

V.  551.     Am.      Age  i  tu  secundum. 

S°s-  Sequor,  supsequor  te. 

Am.      Scelestissunmni  te  arbitror. 

^os-  Nam  quaniobrem? 

Am.      Quia  ld  quod  neque  est  neque  fuit  neque  futurumst 

Mini  praedicas  .  .  . 
Am.      .  . .  iam  quidem  hercle  ego  tibi  istam 

Scelestam,  scelus,  linguam,  apscidam. 
Sos-      „     .    J  Tuus  sum 

froinde  ut  commodumst  et  lubet,  quicque  facias. 

Tarnen  quin  loquar  baec  uti  facta  sunt  hie, 

Nunquam  ullo  modo  me  potes  deterrere. 
Am.      Scelestissume,  audes  mihi  praedicare  id, 

Domi  te  esse  nunc,  qui  bic  ades. 
os'  Vera  dico  u.  s.  w. 

II,  1.     Mut.     Camina  pur. 

flesf-  Camino. 

Mut.  Temerario ! 

Nesp.   Percbe  mi  dite  temerario? 

Mut-  .    .  Bestia, 

Ardisci  tu  di  raecontarmi  fauole 

Mai  non  piu  intese  al  mondo  &  impossibili? 

se  tu  non  taci,  Asino,  cauoti 

Quella  linguaccia. 
Nesp.  Uoi  padron  potetemi 

Amazzar,  se  uolete:  ma  il  contrario 

Non  diro  mai  s'  ho  detto  il  uer. 
*■**■  Tristissimo, 

Ancor  uai  repheando;  e  affermi  d'  essere 

Ne  la  mia  casa:  e  tuttauolta  ueggoti 

Su  questa  strada  inanzi  gli  occhi  propra? 
Nesp.   S'  io  dico  uer  .  .  . 

Ganz   ähnlich   ist   auch  Virginias  Monolog  (II,   2)  dem  der 
Alcumena  (V.  633): 

Satin  parua  res  est  uoluptatum  in  uita  atque  in  aetate  a°-unda 

rraequam  quod  molestumst?  .  .  . 

Nam  ego  id  nunc  experior  domo  atque  ipsa  de  me  scio  .  .  . 


]  72  I-  Amphitruo. 

Certo  tutti  i  diletti,  che  si  godono 

Nel  mondo,  a  paragon  le  molestie 

Si  ponno  addimandar  pochi  e  breuissimi. 

In  me  ueggo  1'  esempio,  e  sento  e  prouolo  .  .  . 

Alcumena  glaubt,  als  sie  ihren  Gatten  wieder  sieht,  er 
wolle  ihre  Liebe  prüfen: 

( V.  661.)  An  ille  me  temptat  sciens 

Atque  id  se  uolt  experiri,  suum  abituni  ut  desiderem? 

ebenso  Virginia  (LI,   2): 

Forse  uole  ispiar,  s'  io  mi  ramarico 
De  la  partita  sua. 

Solcher  Reminiszenzen  ergeben  sich  im  Stücke  noch  viele,  z.  B. 

(  V.  1031.)     Merc.  Prodigum  te  fuisse  oportet  olim  in  adulescentia. 

Am.      Quidum? 

Merc.  Quia  senecta  in  aetate  a  me  mendicas  malum. 

Io  uoglio  creder  che  sii  stato  prodigo 
Quand'  eri  giouanetto:  c'  hör  limosina 
Cerchi  da  me  di  pugna  e  calci. 

Sie  beweisen,  wie  sehr  Dolce  stets  sein  Original  vor  Augen 
schwebte:  was  zugleich  den  Unterschied  jener  so  oft  ge- 
rühmten klassischen  Unbefangenheit  gegenüber  dem 
beabsichtigten  Kitzel  späterer  Zeiten  —  Natur  und 
Raffiniertheit  —  in  ihren  Gegensätzen  deutlich  zu  er- 
kennen giebt. 

Wieder  auf  den  Amphitruo,  doch  in  gar  eigentümlicher 
Form,  griff  Luigi  Groto  Cieco  di  Hadria  (1541  — 1585)  zu- 
rück in  seinem  Pastoraldrama  La  Calisto.1)  einem  höchst  lasziven 
Werke,  das  seit  1561  gespielt  und  in  umgearbeiteter  Form  am 
24.  Februar  1582  aufgeführt  wurde.  Die  Grundidee  ist  aus  den 
Metamorphosen  Ovids  (II,  400  sqq.),  die  Inszenierung  aber  nach 
dem  Amphitruo. 

Juppiter,  von  Liebe  zu  Kailist o  brennend,  nimmt  die 
Gestalt  Dianas  an,  Mercurius  jene  der  Isse,  jener  Nymphe, 
welche  Diana  nach  Kallisto  am  meisten  liebt.  Mercurius  hat 
zu  wachen,  damit  die  Dazwischenkunft  Dianas  oder  Junos 
Juppiter  nicht  überrasche.  Mercurius  benutzt  gleichfalls 
seine  Maske,  um  die  Nymphe  Seluaggia  zu  überlisten.  Es 
folgen  dann  dieselben  Verwechslungen,   wie  im  Amphitruo,   und 


')  La  Calisto,  nuoua  fauola  pastorale  di  Luigi  Groto  Cieco  di 
Hadria.  Nuouamente  stampata.  In  Venetia  (appresso  Fabio  e  Agostin 
Zoppini  Fratelli)  1583.  —  Eine  Pastorale  „Jupiter  et  Calisto"  (1770) 
schrieb  auch  der  Abbe  Yoisenon.  (Oeuvres  complettes.  Paris  1781. 
IH.  Band.    S.  97—113.) 


Groto  Cieco.     Pariati.  173 

Missverständnisse  aller  Art,  da  Apollo  als  Schäfer  der  Nymphe 
Isse  seine  Gefühle  ausdrücken  will  und  hald  diese  bald  Mer- 
curius  in  ihrer  Gestalt  vor  sich  hat.  Endlich  entdecken  sich  die 
drei  Götter  vor  einander,  nnd  das  Schäferspiel  endet  zu  allge- 
meiner Zufriedenheit.  Die  Nymphen  können  zwar  nicht  mehr 
als  solche  Dianen  dienen;  sie  erhalten  jede  einen  ihrer  früheren 
Verehrer  (Siluio  und  Gemulo),  die  trotz  dessen,  was  vorging, 
überglücklich  sind,  ähnlich  Amphitruo,  der  sein  Gut  mit  dem 
Gotte  teilte.1) 

An  Seltsamkeiten  ist  hier  vieles  zusammengetragen.  Die 
Szene  ist  in  „Parrasia,  che  si  chiamo  poi  Arcadia''.  Schon 
der  Prolog  weist  auf  Plautus  hin: 

Qui  parleran  gli  Dei,  come  giä  in  Plauto. 

Am  Schlüsse  des  ersten  Aktes  singen  die  drei  Grazien,  am 
Schlüsse  des  zweiten  vier  Schwäne,  am  Schlüsse  des  dritten  alle 
Bäume,  am  Schlüsse  des  vierten  die  Wolken.  Am  Ende  (V,  3) 
löst  Juppiter  gewaltsam  die  Verwirrung,   wie  im  Amphitruo: 

Horsü  Diana  per  trarti  di  dubbio, 

Io  son  Gioue  tuo  -paare,  <$•  e  Mercurio 

Quesli .  .  . 

La  cagion  del  uenir  nostro  in  Parrasia 

Fu  1'  anior  verso  due  de  le  tue  uergiui, 

Ver  Calisto,  e  Seluaggia.     A  queste  pouere 

Ninfe  ingannate  dal  uiso,  e  da  1'  habito, 

Indi  da  noi  con  forte  uiolentia 

Sforzate,  da  perdon.     Verso  lor  placati, 

Poich'  eile  non  ne  ban  colpa,  anzi  ramarico. 

Hin  und  wieder  findet  sich  noch  in  der  italienischen  Litteratur 
ein  Spiel  von  der  Geburt  des  Herkules,  wie  z.  B.  das  von 
Riccoboni  (I,  160)  angeführte  „II  Natale  d'Ercole"  (1605) 
des  Michel  Angelo  Buonarroti,  il  giovine  (geb.  1563), 2)  des 
Neffen  des  grossen  Meisters.  Eine  spätere  Bearbeitung  des  Amphi- 
truo von  Pariati  (geb.  1665  in  Reggio;  gest.  1733  in  Wien 
als  „kaiserlicher  Kammerdichter")  erwähnt  Vapereau.3)  Es  ist. 
dies  wohl  nur  ein  Operntext,  wie  seine  übrigen  „tragicommedie 
per  musica". 


')  Ginguene.    VI.  363.  —  Ruth.    DZ,  615. 

2)  Nach  Allacci  (S.  223):  II  Natal  d'  Ercole  di  Michelagnolo 
Buonaroti.  Fauola  rappresentata  al  Serenissimo  D.  Alfonso  <r  Este 
nella  venuta  sua  ä  Firenze.  In  Firenze  nella  stamperia  de'  Giunti. 
1605.  4°.  —  Vgl.  Pro  1  ss.  I,  2.  190;  Crescimbeni,  Ist.  della  volg-.  poes. 
IV,  154. 

3)  Vapereau,  Diotionnaire  universcl  des  Ktteratures.  Tom.  I, 
pag.  83.  „Amphitryon,  comedie  de  Piaute,  imitee  sous  le  meme 
titre  par  Moliere,  Dryden  et  Pariati."  —  Es  ist  der  bei  G.  Maffei, 


174  I-   Amphitruo. 

An  Übersetzungen  nennt  Argelati1)  jene  von  P.  Don 
Mauro  Sellori,  anagrammatisch  Romolo  dal  Seri,  (Roma, 
Orazio  Campana  1702)  und  zwei  Manuskripte,  deren  eines  von 
Mons.  Niccolö  Fortiguerra.  Eine  andere  Übersetzung  stammt 
von  Pietro  Piareta.2)  Eine  Oper  „ Anfitrione",  Musik  von 
Gasparini  Francesco,  wurde  nach  Clement3)  zu  Rom  im 
Jahre   1707  aufgeführt. 


In  Frankreich  war  der  Amphitruo  des  Plautus  seit 
dem  Jahre  1500  durch  die  Übersetzung  von  Jean  Meschinot 
(f  1509) 4)  in  seinen  poesies  diverses  (Brug.  4)  bekannt. 
Charles  Feau  (geb.  1605  zu  Marseille)  griff  in  seinem  Lust- 
spiele, „Brusquet  I.  Busquet  II,"  zu  einigen  Szenen  des 
Amphitruo5)  (um  1634.)  Im  Jahre  1638  erschien  die  erste 
vollständige  Bearbeitung  des  Amphitruo  für  die  französische 
Bühne  von  Jean  Rotrou  (S.  67)  unter  dem  Titel  „les 
Sosies."  6) 

In  der  Reihe  der  Szenen,  im  Dialoge,  kurz  durchweg 
folgt  Rotrou  fast  wörtlich  dem  Plautus;  nur  einige  Zu- 
thaten    sind   von    ihm,    so  der  etwas    steife  Prolog    der   Juno,    in 


storia  della  letteratura  italiana  (Milano  1825)  III,  163  genannte  „Pietro 
Pariati,  poeta  di  mediocrissimo  merito".  Er  war  einer  der  Gelegen- 
heitsdichter  am  kaiserlichen  Hofe  zu  Wien,  wo  sein  „Creso"  (1723) 
und  München,  wo  seine  „la  pubblica  felicitä"  (1722)  erschien.  Die  1752 
in  Leipzig  und  Frankfurt  erschienenen  „Sechs  Lustspiele  nach  dem 
neuesten  Geschmack"  enthalten  als  No  6  „Archelaus  von  Kappadozien 
aus  dem  Italienischen  des  Pariati".  —  Sein  Amphitruo  war  mir 
nicht  zugänglich.  Auch  Dr.  Marcus  Landau,  der  in  seinem  Buche 
„Die  italienische  Litteratur  am  österreichischen  Hofe"  (Wien,  Gerold  1879) 
auf  S.  44 — 47  von  Pariati  handelt,  nennt  seinen  Amphitruo  nicht. 
')  S.  230.  231. 

2)  Fabritius  (Bibliothec.  lat.  medii  aevi)  I,  6.  —  E.  Sommer,  Les 
Comedies  de  Piaute.    I.  Bd.    S.  4. 

3)  Dictionnaire  lyrique  ou  histoire  des  operas  par  Felix  Clement 
et  Pierre  Larousse.    Paris.    Seite  40. 

4)  Nach  Sulz  er  HI,  192  &  und  LH,  704  b.  Eine  spätere  Übersetzung 
von  1761  ist  von  Girauld. 

5)  Siehe  Beauchamps,  Recherches  n,  137.  Comedie  imitee  du 
Sosie  de  Piaute,  &  tiree  de  l'eloge  de  Strozzi  de  Brantome  vers  1634. 
Das  Stück  hatte  einen  kolossalen  Erfolg  nach  den  Mitteilungen  des 
P.  Bougerel.  —  Über  Brusquet  s.  Oeuvres  completes  de  Pierre  de 
Bourdeilles,  abbe  et  seigneur  de  Branthöme  ed.  Prosper  Merimee 
et  Louis  Lacour.     Paris  1858.    Zweiter  Band.     S.  246 — 292. 

6)  Die  Jahreszahl  1638  trägt  das  „les  Sosies"  titulierte  Exemplar. 
Paris  (chez  Antonie  de  Sommaville,  au  Palais,  dans  la  galerie  des 
Merciers  ä  l'Escu  de  France).  Ebenso  (aber  les  deux  Sosies)  bei  Mo- 
land  V,  9  und  Ussing  I,  231.  — •  Dagegen  1636  iu  der  Ausgabe  von 
Th.  Desoer.     Paris  1820.    III,  352—456. 


Jean  de  Rotrou.  175 

welchem  sie  ihrer  glühenden  Eifersucht  Luft  macht  und  ihrem 
Gatten  in  Herkules  einen  gefährlichen  Nebenbuhler  prophezeit. 

Lui-meme  contre  lui  servira  ma  colere. 

Der  erste  Akt  stimmt  Szene  für  Szene  mit  dem  Originale 
überein.  Merkur  hält  vor  dem  Hause,  als  Sosia,  in  der  dreifach 
langen  Nacht  Wache  und  jagt  den  verwirrten  Sosia  von  dannen. 
Juppiter  trennt  sich  von  Alkmene.  Ebenso  ist  der  zweite 
Akt  mit  Plautus  übereinstimmend;  die  thessala  ancilla  heisst 
hier  Cephalie.  In  den  dritten  Akt  ist  als  sechste  Szene  ein 
Gespräch  Merkurs  mit  Cephalie  eingeflochten.  Der  vierte 
Akt  führt  zum  Streite  Amphitryons  mit  Merkur.  Sosia 
kömmt  mit  den  Hauptleuten,  die  er  auf  Juppiter s  Geheiss  zum 
Mahle  geladen  hat.  Er  behauptet  Amphitruo  gegenüber,  da 
ihn  dieser  zur  Rede  stellt,  dass  er  ja  selbst  so  befohlen  habe, 
worüber  dieser  in  heftigen  Zorn  gerät.  Unterdessen  tritt  Juppiter 
aus  dem  Hause  und  begrüsst  die  Hauptleute.  Beide  Amphitryonen 
stehen  sich  gegenüber  und  berichten  in  sehr  gelungenen  Er- 
zählungen (IV,  4)  von  ihren  Heldenthaten.  Die  Hauptleute  ver- 
mögen nicht,  den  richtigen  zu  unterscheiden,  sie  folgen  aber 
Juppiter,   da  der  erste  meint  (IV,   4): 

L'avis  oü  je  m'arrete 
Est  de  suivre  celui  chez  qui  la  table  est  prete; 

und  der  zweite: 

Point,  point  d'Amphitryon,  oü  Ton  ne  dine  point. 

Amphitryon  wird  aus  seinem  Hause  hinausgesperrt. 

Im  fünften  Akte  prügelt  Merkur  Sosia  aus  dem  Hause, 
weil  er  sich  in  die  Küche  gewagt  hatte.  Diese  schmähliche  Be- 
handlung veranlasst  ihn,  sich  in  einem  längeren  Monologe  für 
seinen  Herrn,  den  wirklichen  Amphitryon,  zu  entscheiden.  Mit 
dem  heroischen  Entschlüsse  (V,    1): 

Cherchous  le  malheureux  et  suivons  sa  fortune, 
Compaguon  de  son  sort  partageons  son  souci; 
S'il  perit,  perissons,  s'il  vit,  vivons  aussi. 

geht  er,  ihn  zu  suchen.  Juppiter  nimmt  von  Alkmene  Ab- 
schied, um  zum  Könige  Kreon  zu  gehen.  Ahnungsvoll  sagt  ei- 
serner Gattin ,  dass  ihr  künftiger  Sohn  einmal  für  ein  Kind 
Juppiters  gelten  könne  (V,   2): 

Adieu,  conserve-toi  pour  ce  fruit  precieux 
Qui  va  aaitre  ä  la  terre  ä  la  honte  des  cieux, 
Et  dont  j'osois  predire  et  non  sans  conuoissance, 
Que  Jupin  sera  cru  l'auteur  de  sa  uaissance. 


176  I-   Amphitruo. 

Indessen  die  drei  zurückgebliebenen  Hauptleute  über  das 
Wunder  der  beiden  Amphitryonen  sprechen,  naht  Amphitryon 
mit  Sosia  und  den  Wachen  des  Königs  Kreon,  um  gewaltsam 
in  das  Haus  zu  dringen.  Ein  mächtiger  Donnerschlag  schleudert 
sie  zu  Boden.  Cephalie  tritt  aus  dem  Innern  des  Hauses  und 
berichtet,  wie  Alkmene  schmerzlos  zwei  Knaben  geboren  habe. 
Unter  wiederholtem  Donner  öffnet  sich  der  Himmel,  Juppiter 
klärt  alles  auf.  Amphitryon,  der  anfangs  noch  sehr  wenig  er- 
baut schien  und  (V,    5)  äusserte: 

Je  plaindrois  mon  homieur  d'un  affront  glorieux, 
D'avoir  eu  pour  rival  le  monarque  des  Dieux! 
Ma  couche  est  partage,  Alcmene  est  infidele, 
Mais  l'affront  en  est  doux,  et  la  honte  en  est  belle. 
L'outrage  est  obligeant ;  le  rang  du  suborneur 
Avecque  mon  injure  accorde  mon  honneur. 

fügt   sich  trotz  des  bedenklichen  Wortes   (V,    6): 

Alcmene  .  .  . 

Peut  entre  ses  honneurs  conter  un  adult'ere ; 

Son  crime  la  releve,  il  accroit  son  renom  .  .  . 

wobei    „adultere"    und    „crime"'    spitzig   genug    klingen;    auch    der 
erste  Hauptmann  sagt  ihm: 

Vous  partagez  des  biens  avecque  Jupiter. 

Nur  Sosia  meint,   wohl  im  Einklang  mit  dem  Zuschauer, : 

Cet  honneur,  ce  me  semble,  est  un  triste  avantage : 
On  appelle  cela  lui  sucrer  le  breuvage. 

Wie  schon  die  Inhaltsangabe  zeigt,  hat  Rotrou  Plautus 
vollständig  kopiert.  Man  könnte  den  lateinischen  und  franzö- 
sischen Text  neben  einander  stellen;  der  letztere  ist  nur  eine 
poetische  Übertragung  des  Originals.  Selten,  dass  er  eine 
etwas  zu  derbe  Stelle  des  Urtextes  (z.  B.  V.  666  ff.)  unterdrückt 
oder  einige  Worte  des  Dialogs  halber  einflickt.  Stets  schliesst  er 
sich  aufs  engste  an  Plautus  an,  selbst  in  minder  verständlichen 
Ausdrücken,   wie  z.   B.   (I,    3): 

Toi  qui  portes    Vulcain  en  cette  corne  esclave  .  .  . 

nach    7.    341: 

Tu,  qui    Volcanum  in  cornu  conclusum  geris. 

mit  Hinweis  auf  die  Hornlampe,   welche  Sosia  trägt.1) 


')  Diese  Hornlampe,    die  wohl  auch  Aulularia  III,  6  unter  la- 
terna  Punica  gemeint  ist  (vgl.  Rapp,  Die  plaut.  Lustsp.,  S.  875),  gehörte 


Jean  de  Rotrou.  177 

Freier  waltet  Rotrou  da,  wo  die  Lücke  des  Originals  ihm 
das  Recht  zu  völlig  selbständiger  Arbeit  einräumte,  in  den  ein- 
leitenden Worten  Junos  und,  wo  er  einige  Zwischenreden  Mer- 
kurs, wie  die  Einführung  in  die  erste  Szene,  die  vierte 
Szene  des  ersten  Aktes  u.  a.  m.,  wesentlich  zusammenzog  und 
ans  dem  erläuternden  Prologe  des  plautinischen  Merkur  zum 
grossen  Teile  bühnengerechte  Monologe  machte.  So  ist  es 
Rotrou  gelungen,  ein  ganz  vortreffliches  Bühnenstück  moderner 
Gestaltung  zu  schaffen,  das  mit  grossem  Beifälle  aufgenommen 
wurde.1) 

Amphitryon  hielt  sich  auf  der  Bühne  und  vorzüglich  als 
Ballet.  Im  Jahre  1(350,  kurz  vor  seinem  Tode,-)  setzte  Rotrou 
selbst  ein  grossartiges  Maschinenstück  „laNaissance  d'Hercule" 
für  das  Maraistheater  in  Szene,  dessen  Beschreibung  sich  bei 
Rene  Baudry3)  findet,  und  in  welchem,  dem  Originale  zuwider, 
einige  Erweiterungen  der  Handlung  vorkommen.  Im  vierten 
Akt  macht  Juno  Lärm  unter  den  Unsterblichen,  und  im  fünften 
kömmt,  statt  der  mythologischen  zAvei  Schlangen,  ein  ganzer 
Schwärm  gegen  das  Kind  Herkules,  dem  Juppiter  seinen 
Adler  zu  Hilfe  schickt,  um  die  Schlangen  zu  vernichten.  Man 
sieht  die  Absicht,   zunächst  Maschinen  zu  verwenden. 

Am  23.  Februar  1653  wurde  das  grossartige  „Ballet  de 
la  Nuit"  von  Benserade,4)  in  Szene  gesetzt  von  Torelli, 
vor  dem  Hofe  zur  Feier  des  glücklichen  Feldzuges  von  1652 
aufgeführt.  In  diesem  findet  sich  die  Pantomime  (comedie 
muette)  des  „Amphitryon"  als  sechste  .,  entree"  der  zweiten 
„veille". 

M.  Hesselin  als  Juppiter  leitete  das  Ballet  mit  folgenden 
bezeichnenden  Versen  ein: 


zu  den  unentbehrlichen  Requisiten  der  Amphitryonenauf'führungen.  Iü 
der  Bibliotheque  nationale  zu  Paris  findet  sich  (Man.  Fol.  24,  330)  ein 
Register  mit  dem  Titel:  „Memoire  de.  plusieurs  decorations  qui  servent 
aux  pieces  contenues  en  ce  present  livre,  comence  par  Laurent  Ma- 
helot  et  continue  par  Michel  Laurent  en  l'annee  1673.  Dort  finden 
sich  als  Requisiten  zu  (Molieres)  Amphitryon:  „Le  theätre  est  une 
place  de  ville.  II  laut  im  balcon,  dessous  une  porte;  pour  le  prologue, 
une  machine  pour  Mercure,  un  char  pour  la  Nuit.  Au  troisieme  acte, 
Mercure  s'en  retourne  et  Jupiter  sur  son  char.  II  faut  une  lanterne 
sourde,  une  hatte."  S.  Despois,  le  theätre  francais  sous  Louis  XIY. 
(Paris  1874),  pag.  414. 

')  Lotheissen.    H,  184. 

-)  Guizot  (Corneille  et   son   temps),    pag.  373.     On  a  aussi  le  des- 
sein  du  poeme  de  la  grande  piece   de  machine  de  la  „Naissance  d'Her- 
cule", deruier  mivrii^e  de  M.  Botroii,   represcnte  sur  le   theätre  du  Marais 
et  imprime  eu  1649.     C'est  probablement  un  ballet  d'Amphitryon. 
i  Bioland.    V,  9. 

4)  Moland.  V.  10.11.     Siehe  Fournel,  Les  Contemporains  de  ftfo- 
liere.    Bd.  II.    S.  353—406.     Vgl.  auch  ebenda  S.  219.  281. 

12 


178  I-  Amphitruo. 

Daus  le  ciel  oü  je  suis,  regne  une  paix  profonde; 

La  donnant  ä  nies  sens  ce  qu'ils  veulent  d'abord, 
Sans  trop  m'inquieter  des  affaires  du  monde, 
J'en  laisse  la  conduite  au  sort. 
Assez  commodenient,  de  crainte  qu'il  m'ennuie. 
Je  prends  les  passetenips  les  plus  delicieux 
Et  pour  mes  Danaes  j'ay  toujours  de  la  pluie, 
Ce  que  n'ont  pas  les  autres  dieux. 
Je  gouste  le  nectar  bien  mieux  qu'ils  ne  le  goustent, 
Et,  plaignant  les  mortels  qui  s'attachent  au  bien, 
Quand  ce  n'est  que  de  l'or  que  mes  plaisirs  me  coustent. 
Mes  plaisirs  ne  nie  coustent  rien. 
Je  scais  vivre  ä  ma  mode,  et  rien  ne  m'importune ; 
A  tout  ce  que  je  veux,  on  ne  dit  jamais  non, 
Et  sgavez-vous  quelle  est  ma  meilleure  fortune? 
C'est  que  je  n'ay  point  de  Junon. 
Personne  dans  mon  ciel  ne  me  cliante  ma  gamme, 
De  foudre  et  de  tonnere  il  ne  m'en  faut  point  lä; 
Mais  si  je  m'avisois  d'epouser  une  femme, 
J'aurai  bientost  de  tout  cela. 

Konnte  man  Ludwig1  XIV.   greifbarer  zeichnen? 

Über  die  weiteren  Personen  des  Ballets  führt  Fournel1) 
an:  Outre  Jupiter,  Alcmene  et  Bromia,  dont  les  costumes  n'ont 
rien  de  particulier,  le  dessinateur  a  reproduit  ici  Amphitryon 
avec  la  physiognomie  et  l'habit  d'un  Sganarelle,  ptiis  So  sie  en 
casaque  de  valet,  semee  de  plaques  rondes  de  diverses  couleurs. 
On  voit  aussi  le  docteur,  ealque  sur  le  type  de  la  comedie 
italienne. 

Die  Pantomime  hat  vier  Akte.  Der  erste  behandelt  den 
Abschied  Amphitruos,  der  mit  seinem  Diener  Sosia  abreist. 
Der  zweite  Akt  erinnert  vollständig  an  Camöes.  Hier  klagt 
Juppiter  dem  Merkur  seine  Liebe  zu  Alkmene  und  erhält 
von  ihm  den  Rat,  sich  in  Amphitryqns  Gestalt  zu  verwandeln. 
Alles  Übrige  ist  nach  Plautus  gearbeitet.  Verwickelung  und 
Lösung  ist  in  den  vierten  Akt  gelegt. 

Diese  Amphitryon  ballets  wurden  im  achtzehnten  Jahr- 
hundert ziemlich  häufig.  So  findet  sich  z.  B.  Amphitryon, 
hallet  hero-comique  en  trois  actes  en  vers  libres  par  M.  (Venard) 
de  la  J(onchere);2)  früher  schon  wurde  ein  Ballet  Amphitrion 
im  Jahre  1680  aufgeführt.3)  Oft  auch  sind  es  Vaudevilles 
gewoi-den,  wie  der  Amphitryon,  parodie  de  piece  en  musique 
en  trois  actes  avec  prologue  en  pantomime  et  couplets  de  vaude- 


')  A.  a.  0.    S.  382,  Amn. 

2)  Im  ersten  Bande  S.  179—228  des  Tlieätre  lyrique  de  M.  de 
la  J.  in  8°.     Paris,  veuve  Duchesne,  Jombert  fils. 

3)  Beauchamps,  Kecherches  HE,  82.  „Amphitrion  avec  des 
entrees  de  ballet.  Composees  par  le  sieur  Beauchamp,  &  des  recits 
chantes  par  les  demoiselles  de  S.  Christophe,  Reber  &  les  sieurs 
Morel  et  Lange ais,  represente  ä  l'hötel  de  Condö  .  .  . 


Molieres  Amphitryon.  179 

villes  par  M.  Raguenet:  dargestellt  auf  dem  Theater  von  Lille 
am  11.  Januar  1713 11)  oder  der  ungedruckte  Amphitryon,  ou 
les  deux  arlequins  piece  en  trois  actes.,  tonte  en  vaudeville  par 
l'abbe  Pellegrini,  dargestellt  von  der  „troupe  de  Pellegrini"  ä 
la  foire  Saint-Germain  den  3.   Februar   1714.2) 

Rotrous  „les  Sosies"  waren,  ob  sie  auch  noch  „dem 
Plautus  in  höchst  mechanischer  Weise  nachgedichtet" 3)  waren, 
ein  gerne  gesehenes  Stück,  bis  sie  durch  Molieres  (S.  67) 
Meisterwerk  von  der  Bühne  verdrängt  wurden.  Am  13.  Januar 
16684)  kam  die  Neubearbeitung  Molieres  „Amphitryon"  auf 
die  Bretter  und  wurde  neun  und  zwanzigmal  nach  einander  auf- 
geführt.5) Mit  Molieres  Bearbeitung  war  der  Amphitruo 
ein  Stück  für  die  ganze  Welt  geworden.  Über  das  Ver- 
hältnis Molieres  zu  Plautus  kann  man  sich  kürzer  fassen, 
da  es  vielfach  schon  Gegenstand  eingehender  Erörterung  ge- 
worden ist.6) 

Molieres  Lustspiel  umfasst  drei  Akte.7)  Mercure  und 
die  Nacht  führen  den  Zuschauer  in  die  Situation  ein.  So  sie 
tritt  auf,  um  seiner  Herrin  Alcmene  Kunde  von  ihrem  Gatten 
zu  bringen;  er  wird  jedoch  von  Mercure  mit  Schlägen  fern- 
gehalten. Juppiter  nimmt  von  Alcmene  Abschied.  Den  Schluss 
des  Aktes  bildet  die  Begegnung  Mercures  mit  Cleanthis,  einer 
Gesellschafterin  Alcmenes,  die  an  So  sie  verheiratet  ist.  Sie  hält 
Mercure  für  ihren  Gatten  und  ist  über  seine  Kälte  stark  erzürnt. 

Mit  dem  Beginne  des  zweiten  Aktes  erzählt  So  sie  seinem 
Herrn  Amphitryon,  was  er  erleben  musste.  Dieser  ist  sehr 
zornig  über  den  Bericht,  dem  er  keinen  Glauben  beimisst.  Noch 
während  er  den  Sklaven  schilt,  naht  Alcmene.  Die  beiden 
Gatten  können  sich  nicht  verständigen  und  scheiden  aufgebracht 
von  einander.  Dieselbe  gelungene  Szene  wiederholt  sich  zwischen 
So  sie  und  Cleanthis,  welche  ihrem  Manne  in  der  gleichen 
Weise    sein    voriges    Benehmen     und    die     kalte    Begrüssung    bei 


')  Gedruckt  in  12°  zu  23  Seiten  ohne  Angabe  des  Druckorts. 

2)  S.  für  alles  die  Nachweise  im  Dictionnaire  universel  du 
Theätre  en  France  von  Gaizet  uud  Burtal.     Erster  Teil.    S.  141. 

3)  Mahrenholtz.    S.  65. 

■i  Irrtümlich  ist  der  16.  Januar  genannt  in  C.  Humbert,  Ge- 
schichte des  Tartüffe  in  „Zeitschrift  für  neufz.  Sprache"  1881.   JJJ,  1.  56. 

5)  Moland    V,  16. 

Vgl  /..  B.  Rapp,  Die  plant.  Lustspiele.  VI,  pag.  810—816. 
Mahrenholtz,  in  Herrigs  Archiv,  ">i>.  Bd.,  S.  250  ff.  —  Mahren- 
holtz, S.  225-230  u.  351—355.  -  -  Moliere,  Sein  Leben  und  seine 
Werke  von  F.  Lotheissen.     Pkf.  ;i  M. 

7)  Der  erste  Druck  von  166s  bei  Ribou.  —  Ausgabe  von  Moland 
1864,  s.  S.116,  Anm.5  —  Oeuvres  de  Moliere,  uouvelle  edition  par  Eugene 
Despois  et  Paul  Mesnard.  Paris  (Hachette)  1881.  Sechster  Band. 
S.  309—172. 

12* 


1 80  I.   Amphitruo. 

seiner  Ankunft  vorwirft.  Juppiter  gelingt  es  indessen,  Alc- 
mene  wieder  zu  versöhnen,  während  Cl6"antliis  bei  So  sie 
weniger  Erfolg  hat.  Er  .  will  sich  nicht  beschwichtigen  lassen, 
vielmehr  ruft  er  (II,   7): 

Je  veux  etre  ä  raon  tour  en  colere. 

Im  dritten  Akte  hält  Mercure  den  Amphitryon  in 
grober  Weise  von  seinem  Hause  ferne,  indem  er  ihm  wiederholt 
die  Versicherung  giebt,  Amphitryon  sei  bereits  drinnen  bei 
Alcmene.  Unterdessen  hat  Sosie  auf  Juppiters  Befehl  die 
Offiziere  des  Heeres  eingeladen,  von  denen  zwei  —  Naucrates 
und  Polida s  —  eben  recht  kommen,  um  Sosie  vor  dem  gegen 
ihn  Avütenden  Amphitryon  zu  schützen.  Juppiter  tritt  aus 
dem  Hause  und  steht  so  Amphitryon  gegenüber.  Die  Offiziere 
gehen  mit  Juppiter  zur  Tafel,  Amphitryon  eilt  ab,  um  seine 
Freunde  zu  versammeln.  Eine  Szene  zwischen  Mercure  und 
Sosie  giebt  ihm  hierzu  Gelegenheit.  Alsbald  kömmt  er  mit 
Offizieren  des  Heeres  —  Argatiphantidas  und  P  au  siel  es  — 
zurück.  Cleanthis,  die  aus  dem  Hause  tritt,  sieht  zu  ihrem 
Entsetzen  vor  sich  ihren  Herrn,  den  sie  soeben  erst  innen  sah. 
Endlich  giebt  sich  Mercure  zu  erkennen,  worauf  auch  Juppiter 
aus  seiner  Verwandlung  tritt  und  die  Geburt  eines  „Hercule" 
in  Aussicht  stellt. 

Die  Worte,   die  Juppiter  gebraucht  (IH,    11): 

Un  partage  avec  Jupiter 

N'a  rien  qui  deslionore; 
Et,  sans  doute,  il  ne  peut  etre  que  glorieux 
De  se  voir  le  rival  du  souverain  des  dieux, 

sind  eigentlich  dasselbe,  was  Mercure  dem  Sosie  als  Trost  für 
seine   ausgestandenen  Prügel  sagt  (III,    10): 

Et  les  coups  de  bäton  d'un  dieu 
Font  honneur  a  qui  les  endure. 

Der  ganze  Vorgang  verdient  die  witzige  Bemerkung  des 
Sosie,  die  sprichwörtlich  geworden  ist  und  fast  bei  allen  Zeit- 
genossen Moli  er  es  wiederkehrt: 

Le  seigneur  Jupiter  sail  dorer  la  pilule 

und   sein   Schlusswort : 

Sur  telles  affaires  toujours 

Le  meilleur  est  de  ne  rien  dire. 

Hat  Moliere  auch  das  Sujet  des  Plautus  benützt,  so  hat  er 
dabei  doch  etwas  völlig  Modernes  geschaffen.  Vielfach  hat  man 
(z.   B.   Paul   Lindau)    in  Juppiter   den  König  Ludwig  XIV.,    in 


Molieres   Amphitryon.  181 

Alcmene  die  Madame  de  Montespan  und  im  Amphitryon 
ihren  Gatten  sehen  wollen,1)  wogegen  allerdings  die  letzte  Szene 
zu  sprechen  scheint.2) 

Bei  der  Modernisierung  des  alten  Stoffes  ist  Moliere  mit 
aller  ihm  eigenen  Feinheit  und  Bühnenkenntnis  zu 
Werke  gegangen  und  hat  so  ein  reizendes  Stück  geschaffen.3) 
Sein  Juppiter  ist  der  galante,  feine  Franzose,  der  Mann  seines 
Zeitalters,  so  zwar,  dass  er  sich  den  Tod  gehen  wollte,  gelänge  es 
ihm  nicht,   Alcmene  umzustimmen  (II,   6): 

He  bien!  puisque  vous  le  voulez, 
II  faut  donc  me  charsrer  du  crime. 


S'il  n'est  point  de  pardon  que  je  doive  esperer,  ■ 
Cette  epee  aussitöt,  par  un  coup  favorable, 
Va  percer  ä  vos  yeux  le  coeur  d'un  miserable. 

Einige  Zwischenreden  des  plautinischen  Merkur  mussten  ge- 
kürzt werden,  andere  Szenen  erforderten  eine  Erweiterung;  an 
Stelle  des  Bechers  des  Pterelas   erschienen  hier: 

Cinq  fort  gros  diamants  en  nceud  proprement  mis, 
Dont  leur  chef  se  paroit,  comme  d'un  rare  ouvrage. 

(I,   2;  II,   1.) 

Jedenfalls  eine  der  glücklichsten  Ideen  Molieres 
war  es,  auch  dem  Sosie  eine  Frau  in  Cleanthis  zu 
geben,  ein  Punkt,  um  den  auch  Shakespeare  in  seinem  „Comedy 
of  Errors"  die  plautinischen  Menaechmi  erweiterte.  Zweifel- 
haft mag  es  allerdings  bleiben,  ob  wie,  Rapp4)  und  Auger5) 
vermuten,   hierzu  der  Vers  des  Plautus   (F.   659): 

Quid?  me  non  rere  expectatum  amicae  uenturum  meae? 

dem  Dichter  Veranlassung  gab.  Sollte  einem  so  bühnengewandten 
Lustspieldichter  wie  Moliere  nicht  vor  Augen  geschwebt  haben, 
wie  drastisch  das  Verhältnis  des  Dieners  Sosie  zu  seinem  Weibe 


1)  Roederer,  Memoires  pour  servir  ä  l'histoire  de  la  societe  polie 
en  France.  1835.  (Cap.  XXII.)  —  Moland,  Bd.  I,  pag.  202.  Diese  An- 
nahme hat  sogar  ein  neueres,  hübsches  Lustspiel  veranlasst,  „Moliere 
•  t  .Montespan",  comedie  en  un  acte  et  en  vers  von  Frangois  Fabie, 
am  15.  Januar  1879  aufgeführt.  Der  Marquis  de  Montespan  will 
Moliere  prügeln,  weil  er  seine  Gemahlin  biossgestellt  habe.  (Vgl. 
Molieriste.    DJ,  371.  372.) 

2)  Moland.  V,  123,  Anm.  1.  —  Gerusez,  Histoire  de  la  litt,  frang., 
pag.  338.  —  Mah renholt z.  S.  226.  227.  —  Ausg.  von  Despois.  S.  316 
—326.  —  Lotheissen.    IV,  49. 

3)  Vgl.  ein  Urteil  von  Alex.  Dumas  über  Amphitryon  im  Mo- 
lieriste.   II.    S.  343. 

4)  Rapp.    VI.    S.  812. 

5)  Moland.    V.    S.  57. 


182  I-   Amphitruo. 

sich  von  dein  des  Herrn  Amphitryon  zu  seiner  Gemahlin  ab- 
heben würde?  Besonders  wo  so  hübsche  Gegensätze,  wie  die 
feurige  Cleanthis  und  der  kalte  So  sie,  den  Moli  er  e  selbst 
spielte,  den  liebesglühenden  Gatten  Amphitryon  und  Alcmene 
einander  gegenüber  standen. 

Zur  Klage  der  Cleanthis  über  So  sie  (II,   3): 

Enfm  ma  flamme  eut  beau  s'emanciper, 
Sa  chaste  ardeur  en  toi  ne  trouva  rien  que  glace; 
Et  dans  un  tel  retour,  je  te  vis  la  tromper 
Jusqu'ä  faire  refus  de  prendre  au  lit  la  place 
Que  les  lois  de  Thymen  t'obligent  d'occuper, 

(und  ähnlich  I,  4)  passt  der  feurige  Juppiter,  und  die  Ver- 
söhnung Juppiters  und  A  lernen  es  (II,  6),  die  Folge  leiden- 
schaftlicher Liebe,  hat  ihr  Gegenbild  bereits  in  der  nächsten 
Szene  (II,   7)  an  dem  Trotze  des  So  sie. 

Ebenso  wie  Rotrou  musste  Moli  er  e  nach  den  Erforder- 
nissen seiner  Bühne  einiges  dem  Zuschauer  in  veränderter  Gestalt 
vorführen.  Eine  „Alcumena  satura"  (F.  666)  entsprach  den 
ästhetischen  Anschauungen  jener  Tage  nicht  mehr: 

L'hymen  ne  les  a  joints  que  depuis  quelques  jours, 
erzählt  M  er  eure  der  Nacht  im  Prologe;  und  da  es  galt: 

sans  cesse 
Garder  le  de'corum  de  la  divinite, 

wie  sich  die  Nacht  ausdrückt,  so  durfte  die  Handlung  an  sich 
keinen  Anstoss  geben. 

Moliere  hat  mit  Plautus  und  Rotrou  frei  geschaltet. 
Der  wörtlich  dem  römischen  Dichter  entnommenen  Reden  sind 
nicht  viele ,   wie  z.   B. : 

V.  388.      Sos.      Opsecro  ut  per  pacem  liceat  te  adloqui,  ut  ne  uapulem. 
Merc.   Immo  mdutiae  parumper  flaut. 
I,  2.     Sos.      Mais  promets-moi,  de  gräce, 

Que  les  coups  n'en  seront  point. 
Signons  une  treve. 
Merc.  Va,  je  t'aecorde  ce  point. 

oder  die  bekannte  Szene  mit  dem  Weine,   mit  der  Äusserung: 

V.  431.     Mira  sunt  nisi  latuit  intus  illic  in  illac  hirnea. 
I,  2.     Et  l'on  n'y  peut  dire  rien, 

S'il  n'etoit  dans  la  bouteille. 
oder : 

F.  603.     Prius  mnlto  ante  aedis  stabam  quam  illo  adueneram. 
I,  2.     J'etois  venu,  je  vous  jure, 
Avant  que  je  fusse  arrive. 

und   dergleichen. 


Molieres  Amphitryon.  Ig3 

Dagegen  dankt  Moliere  seinem  Vorgänger  Rotrou  fast  den 
ganzen  Aufbau  und  die  Szenerie,  ja  sogar  den  Dialog  des 
Stückes,  wenn  man  auch  mit  Mahrenholtz  (S.  355)  zugeben 
muss,  dass  dies  „auf  das  gemeinsame  Original  zurückzu- 
führen" ist.  Gemeiniglich  nehmen  sich  in  solchen  Fragen  die 
Literarhistoriker  ihrer  Lieblingsschriftsteller  mit  besonderer  Wärme 
an.  Während  der  Herausgeber  Rotrous  (1820)  sogar  vermutet, 
Moliere  habe  seinen  Amphitryon  in  freiem  Metrum  geschrieben, 
um  sich  des  Vorwurfes  des  Plagiates  zu  erwehren,1)  wie  ihn 
Grimarest  vorbrachte,  glaubten  andere,  Rotrou  herabsetzen  zu 
müssen,  was  Despois  (Ausg.  S.  334)  genügend  zurückgewiesen 
hat.  Moliere  hat  auch  sonst  Rotrou  benützt,2)  vor  allem  aber 
ist  dies  im  Amphitryon  geschehen,3)  wo  besonders  witzige 
Worte  passend  verwertet  wurden.4) 


')  Oeuvres  de  Jean  Rotrou.  111,357:  „Ces  imitations  seroient  en- 
core  plus  remarquables,  si  la  piece  de  Moliere  eüt  ete  ecrite  en  grauds 
vers  comme  celle  de  Rotrou.  Peut-etre  meme  Moliere  n'a-t-il 
ecrit  son  Amphitryon  en  vers  libres  qu'afin  de  pouvoir  s'em- 
parer  plus  facilemeut  des  idees  de  son  predecesseur  sans  se 
faire  accuser  de  plaglat." 

2)  Vgl.  Lotheissen.    II,  361. 

3)  Vgl.  dagegen  Mahrenholtz  S.  351.  „Moliere  hat  Rotrous  Stück 
jedenfalls  gekannt  und  einzelne  ganz  ungefähre  Reminiszenzen  und 
Anklänge  gebe  ich  namentlich  bei  I,  3  u.  V,  1  (Moliere  I,  2;  III,  7)  zu. 
Von  einer  geflissentlichen  und  bewussten  Nachahmung  kann  aber 
nicht  die  Rede  sein."  — ;  Vgl.  auch  Despois  (Ausg.)  S.  332. 

4)  Guizot  (Corneille  et  son  tempsj  pag.  381.  „On  a  beaucoup 
parle  de  ce  que  1' Amphitryon  de  Moliere  avait  du  aux  Sosies  de  Rotrou, 
mais  sans  faire  attention,  que  les  principaux  traits  de  la  ressemblance 
qu'on  apercoit  entre  les  deux  ouvrages  se  trouvent  egaleraent  dans  l'ori- 
ginal  de  Piaute.  Ce  que  Moliere  a  pu  emprunter  ä  Rotrou,  ou,  comme 
lui,  ä  quelque  auteur  plus  moderne,  se  borne  ä  deux  ou  trois  vers*)  et 
ä  l'idee  de  la  scene  oü  Mercure  chasse  de  la  maison  Sosie,  qui  s'est  in- 
troduit  pour  diner.  Dans  le  reste  de  la  piece,  Rotrou  suit  pas  ä  pas 
le  poete  latin  en  elaguant  quelques  details  sans  interet  pour  nous  et  en 
rendant  d'une  maniere  assez  plaisante,  ceux  qui  peuvent  nous  convenir; 
mais  il  ne  se  les  approprie  point,  comme  Moliere,  par  ce  tour  de  plai- 
santerie  vif  et  naturel,  et  par  ces  heureuses  additions  qui  fönt  d' Amphi- 
tryon im  ouvrage  original  qu'on  ne  peut  disputer  ä  la  scene  frangaise; 
Rotrou  s'est  contente  de  traduire,  avec  assez  de  goüt,  ce  que  Moliere  a 
depuis  imite  avec  genie." 

*)  Tels  que  celui-ci: 

Si  l'on  niangeoit  des  yeux,  il  m'auroit  devore  (Sos.  IV,  2) 
Si  des  regards  on  pouvoit  inordre, 
XI  m'auroit  dej'a  devore.     (Ampliit.  III,  2.) 
et  celui-ci  que  Rotrou  met  dans  la  bouche  de  l'un  des  capitaines  invites  par  Jupiter,  au  noni 
d' Amphitryon: 

Point,  point  d'Amphitryon,  oh  l'on  ne  dine  point  (Sos.  IV,  4) 
ce  qui  est  beaucoup  plus  convenablement  dans  la  bouche  de  Sosie: 
Le  vdrituble  Amphitryon 

Est  l'Amphitryon  oü  l'on  dine.    (Ampli.  III,  5.) 
La  re'rlexion  du  Sosie  de  Moliere: 

Le  seigneur  Jupiter  sait  dorer  la  pilule  (III,  11) 
est  encore  imite"e  de  celle-ci  du  Sosie  de  Rotrou,  qni  ne  l'a  point  trouve'e  dans  Piaute: 

On  appelle  cela  lui  sucrer  le  brcuvage.     (Sos.  V,  6.) 
Vgl.  auch  Mo  Und.     V,  2ti.  38.  118.  — 


184  I-   Amphitruo. 

Allous,  mais  que  les  coups,  s'il  se  peut,  n'en  soient  plus 

bittet  So  sie  (II,    1). 

Point,  point  d'Amphitryon  oü  l'ou  ne  dine  point. 

ist  die  Entscheidung  des  Hauptmanns  (IV,   4). 

On  appelle  cela  lui  sucrer  le  breuvage  (V,  6), 

was  wiederkehrt  bei  Moliere: 

Mais  promets-nioi  de  gräce, 

Que  les  coups  n'en  seront  point  (I,  2). 

Le  veritable  Amphitryon 

Est  1' Amphitryon  oü  l'on  dine  (III,  5). 

Le  seigneur  Jupiter  sait  dorer  la  pilule.     (III,  11.) 

Die  ausserordentlichen  Vorzüge  des  Moliere'schen  Amphitryon 
haben  ihn  bis  auf  den  heutigen  Tag  der  Bühne  erhalten.  Am 
15.  Januar  1871  zur  Zeit  der  Pariserokkupation  wurde  er  dort 
zu  Molieres  Gedächtnis  gespielt;  am  2.  April  1878  gab  Sarah 
Bernhardt  die  Alcmene.1) 

Die  Versifikation  Molieres  in  diesem  Stücke  ist 
ein  Meisterwerk  ohne  Gleichen.'2)  Die  Zeitgenossen  sahen 
im  Amphitryon  eine  hervorragende  Bühnenleistung,3)  bald  auch 
folgten  Übersetzungen  desselben  in  die  fremden  Sprachen.4) 


l)  Despois  (Ausg.)  S.  345.  346.  347. 

-)  Vgl.  u.  a.  Voltaire,  Ecrivains  du  siecle  de  Louis  XIV.  (Moliere.) 
L' Amphitryon  est  un  recueil  d'epigrammes  et  de  madrigaux  faits  avec 
un  art  qu'on  n'a  point  imite  depuis.  —  A.  Vinet,  Poetes  du  siecle  de 
Louis  XIV.  (Paris  1861),  nennt  (pag.  387)  den  Amphitryon  Molieres  „une 
merveille  sous  le  rapport  de  la  versification". 

3)  De  Vise,  ein  Freund  des  Thomas  Corneille,  rühmt  von  sei- 
nem „Bacchus  et  Ariadne",  „d'avoir  su  joindre  le  comique  au  serieux: 
ce  qu'il  n'etait  vu  que  dans  Amphitryon".  —  M.  Hippol.  Lucas, 
Histoire  philosophique  et  litteraire  du  theätre  francais.     (Paris  1862.) 

4)  Dr.  Heinr.  Schweitzer,  „Moliere  und  seine  Bühne",  I.  Heft 
(Lpz.  Thomas  1879),  pag. .  XXXV.  „Den  Ruhm,  zuerst  die  einzelnen 
Stücke  übersetzt  zu  haben,  teilen  wir  allerdings  mit  den  Holländern. 
Von  1670  datiert  auch  ihre  Übersetzung  des  Amphitryon  von  Ab  r. 
Peys,  der  auch  Corneille  und  Rotrou  übersetzt  hat."  —  Die  Holländer 
haben  indes  den  Amphitruo  sonst  nicht  nachgeahmt.  — Despois  (Ausg.). 
S.  351,  führt  an  Übertragungen  des  Amphitryon  auf:  deux  hollandaises 
(1670.  1679?),  deux  suedoises  (1745.  1786),  deux  danoises  (1724.  1879?), 
trois  russes  (l'une  fut  representee  ä  la  cour  de  Pierre  le  Grand  ä  la  fin 
du  XVHe  siecle,  les  deux  autres  sont  de  1768  et  de  1874),  deux  polo- 
naises  (1783.  1818),  une  roumaine  (1835),  une  en  grec  moderne  (1836). 
Dazu  wäre  anzufügen  die  imgarische  von  Kernen y  Käroly,  Amphi- 
tryon 1879.  (Schweitzer  a.  a.  0.  IH,  88.)  —  Molieriste.  I,  350: 
„M.  Richard  Kauffmann,  ecrivain  danois  des  plus  spirituels  et  des 
plus  lettres,  vient  de  publier  une  traduction  danoise  de  1' Amphitryon  de 
Moliere.  Cette  traduction  a  ete  representee  pour  la  premiere  fois  sur 
le  theätre  royal  de  Copenhague  par  les  comediens  ordinaires  du  roi  le 
10  septembre  1878.  Voici  le  titre  danois  du  livret  de  M.  Kauffmann: 
Amphitryon,  Komedie  paa  rimede  vers  af  Moliere.  Oversat  af  Richard 
Kauffmann.  Kjöbenhavn.  C.  A.  Reitzels  Forlag  1879.  (Vgl.  auch 
Schweitzer  a.' a.  O.    II,  210.) 


Molieres  Amphitryon.  135 

Die  Frage,  ob  Plautus,  ob  Moli  er  e  Bedeutenderes  ge- 
leistet habe,  bat  viele  beschäftigt.1)  Madame  Dacier  und  nach 
dem  Zeugnisse  des  Monchesnay  Boileau2)  traten  für  Plau- 
tus ein,  Bayle  und  Auger  für  Moliere.  Treffend  bemerkt 
J.  Naudet,  der  Übersetzer  des  Plautus  über  die  beiden  Lustspiele: 
„Ce  sont  deux  spectacles  tout  divers  sur  un  seul  fond  comique. 
Les  deux  auteurs  ont  bien  fait  chacun  pour  le  goüt  de  son  temps 
et  de  son  pays;"3)  und  Lessing  in  den  „Beiträgen":  ..Wenn 
ein  Meister,  wie  Moliere  war,  einen  Plautus  zum  Vorgänger 
hat,  so  ist  es  ja  kein  Wunder,  wenn  er  ihn  übertrifft.  Wo  man 
auf  das  Gute  nicht  sinnen  darf,  da  kann  man  leicht  auf  die  Ver- 
meidung der  Fehler  denken." 

Bei  Plautus  steht  oben  an  die  religiöse  Mythe.  Er  glänzt 
durch  mehr  Witz,  ob  dieser  auch  oft  derber  wird.  Moliere  hat 
ein  treffliches  Intriguenstück  geschaffen,  wenn  auch  der  Schluss 
vielfach  seltsam  berührt.  Ohne  dem  Originale  etwas  zu  ent- 
ziehen ,  ohne  irgend  welche  tiefer  einschneidende  Änderungen 
schrieb  Moliere  eine  feine  Komödie,  die  nur  unter  der  Hand 
eines  solchen  Meisters  so  biegsam  und  geschmeidig  werden  konnte. 

Welcher  Amphitryon  es  war,  dem  im  Jahre  1681  der 
Dauphin  und  seine  Gemahlin  beiwohnten,  lässt  sich  nicht  fest- 
stellen. In  der  Correspondance  de  Roger  de  Eabutin, 
comte  de  Bussy,  avec  sa  famille  et  ses  amis  .  .  .  par  Ludovic 
Lalaune.  V.  Band  (Paris  1859),  S.  245,  heisst  es  in  einem 
Brief  des  Marquis  de  Bussy  vom  6.  März  1681:  ,.De  lä  ils  (der 
Dauphin  und  seine  Gemahlin)  allerent  chez  M.  M.  Malo,  pres  des 
Jesuites  de  la  rue  Saint-Antoine  (in  Paris)  voir  un  petit  opera 
de  la  comedie  d'Amphitryon  avec  des  entr'actes  en 
musique." 

Es  scheint  also,  die  Bühne  den  Amphitryon  bereits  lange 
als  Oper  gesehen  zu  haben,  ehe  der  bekannte  Komponist  des 
Richard  Löwenherz  ihn  in  Musik  setzte.  Am  15.  März  1786 4) 
liess  Andre-Erneste-Modeste  Gretry  (geb.  den  11.  Februar 
1741:  gest.  1813)  zum  ersten  Male  aufführen:  Amphitryon, 
opera  en  trois  actes.  Der  Text  hierzu  ist  von  dem  Dichter  Ch. 
S^daine  (geb.  2.  Juni  1719;  gest.  17.  Mai  1797),  der  u.  a.  auch 
den  Text  zu  Richard  Löwenherz  lieferte.  Sein  Amphitryon 
ist    indessen    den  Ausgaben    seiner  Werke   nicht    beigegeben,    und 


')  Siehe  darüber  auch  M.  Hipp.  Lucas.  1.  c,  pa<>\  190. 

2)  Moland.    V.  11. 

3)  Ebenda.    V.  124. 

4)  Diese  Aufführung  hatte  vor  dem  Hofe  von  Versailles  statt;  eine 
weitere  am  15.  Juli  1788  in  der  Akademie.  (M.  L.  Moland,  Theätre 
de  Sedaine.  Paris  (Garnier  Freres)  1878.  Iutroduetion  pat»-.  XIX.  — 
Despois  (Ausg.)  S.  351.  —  Schweitzer  a.  a.  0.    f.    XXXVII,  2: 


186  I-   Amphitruo. 

auch  der  Recueil  general  des  operas  bouffons  qui  ont  6t6 
representes  ä  Paris  (Lieges  1777)  enthält  ihn  nicht,  obwohl 
sich  in  ihm  viele  Operetten  und  Singspiele  Sedaines  finden.  Die 
schwache  Arbeit  Gretrys1)  errang  wenig  Erfolg2)  und  zählt  zu  den 
vergessenen  Tondichtungen,  was  wohl  Ursache  ist,  dass  auch  die  Par- 
titur der  Oper  schwer  zu  bekommen  und  mir  nicht  zugänglich  war. 
Noch  am  5.  April  1875  wurde  in  Paris  eine  Oper  „Amphi- 
tryon" aufgeführt  (paroles  des.  Mss.  Beaumont  et  Nuitter, 
Musik  von  Lacome),   die  indessen  keinen  Beifall  errang.3) 


Der  englischen  Litteratur  ist  der  Amphitruo  gleichfalls 
nicht  fremd  geblieben.  Spuren  desselben  finden  sich  in  mehreren 
älteren  Stücken.  Das  oben  (S.  75)  erwähnte  Interlude  von 
Jack  Juggler,4)  das  wahrscheinlich  unter  Edward  VI.  (1547 
—  1553)  gespielt  wurde,5)  beruht  auf  Szenen  des  Amphi- 
truo.6) Zwar  hat  sich  der  unbekannte  Dichter  wenig  an  das 
Original  gehalten,7)  doch  aber  gesteht  er  im  Prolog  seine 
Abhängigkeit  von  Plautus: 


')  F.  Crozet,  Revue  de  la  musique  dramatique  en  France  (Gre- 
noble,  Paris  1867),  pag.  44.  C'est  une  des  faibles  produetions  de  Gretry; 
eile  contient  cependant  plusieurs  airs  remarquables,  notamment  l'air: 
„C'est  au  plus  grand  des  immortels"  et  celui-ci  „Jupiter  dans  le  ciel 
meme".     S.  auch  pag.  469.  —  Clement,  dict.  lyrique,  p.  38. 

-)  Crozet,  1.  c,  pag.  413.  Ces  ouvrages  ont  eu  peu  de  succes  et 
n'ont  rien  ajoute  ä  la  reputation  de  leur  auteur. 

3)  Vapereau,  Les  annales  du  theätre  et  de  la  musique.  I.  annee 
(1875).     Paris  1876.     S.  423. 

■i  A  uew  Enterlued  för  |  Chyldren  to  playe,  named  Jacke  Jugeler, 
both  |  wytte,  and  very  playsent.  Newly  |  Imprented.  |  The  Players  names.j 
Mayster  Boungrace.  A  galant  |  Dame  coye.  A  Gentelwoman.  |  Jacke 
Jugler.  The  vyce.  |  Jenkin  careaway.  A  Lackey.  |  Ales  trype  and  go. 
A  mayd.  —  Herausgegeben  von  Joseph  Haslewood.  Kent  1820,  und 
auf  S.  1 — 49  der  Four  old  Plays.  Herausgegeben  von  Francis  James 
Child.     (Cambridge,  George  Nichols  1848.) 

•')  Klein.    XHI,  113.  —  Child,  Introd.    VIII,  IX. 

«)  Collier,  Hist.  Dram.  Poet,    n,  366. 

7)  Child,  Introd.  XI.  Jack  Jugler  can  hardly  be  called  an  imi- 
tation  of  the  comedy  of  Plautus.  It  is  the  play  ofAmphitryon 
without  the  part  of  Amphitryon,  and  resembles  more  than  any 
thing  eise  one  of  those  pieces  made  up  of  the  comic  portions  of  plays, 
which  used  to  be  called  „drolls".  In  fact,  Jack  Jugler  is  a  caricature 
even  of  the  comic  parts.  All  dignity  is  stripped  from  the  characters, 
every  ridiculous  feature  is  much  exaggerated,  and  the  language  and 
ineidents  are  ingeniously  vulgarized  to  reduce  every  thing  to  the  gro- 
tesque,  the  quaintness  of  the  expressions  greatly  heightening  the  enect 
to  a  modern  reader.  The  amiable  Alcmena  becomes  „a  verie  cursed 
shrew".  General  Amphitryon  sinks  into  Master  Boungrace,  a  common- 
place  „gentilman",  somewhat  subjeet,  we  suspect,  to  being  imposed  upon 
by  his  wife  and  servants.  Bromia,  the  insignificant  and  well-conducted 
attendant,  is  changed  into  the  smart  and  malicious  Aulsoon  tripe  and  goo. 


Interlude  von  Jack  Juggler.  187 

And  for  that  purpose  onlye  this  maker  clid  it  write 
Taking  the  (/räumt  therof  of  Plautus  first  commedie 

And  the  first  sentence  of  yc  same  for  higher  things  endite 
In  no  wise  he  wold,  for  yet  the  time  is  so  quesie 
That  he  that  speaketh  best,  is  lest  thanke  worthie 
Therfore  .  .  . 

u.  s.  w.  Die  Rolle  des  plautinischen  Merkur  spielt  Jack  Juggler. 
Er  hat  sich  in  die  Kleider  des  Jenkin  Careaway,  des  Dieners 
des  Mai  st  er  Boungrace,  gesteckt,  um  diesem  einen  Streich  zu 
spielen : 

I  passed  by,  and  then  called  vnto  my  mynd 

Sartayne  old  rekeaninges  that  were  behynd 

Betwin  Jenkine  &  nie,  whom  partlie  to  reconrpence 

I  trust  by  gods  grace,  ere  I  goo  hence 

This  garruents,  cape,  and  all  other  geare 

That  now  you  see,  apon  me  here 

I  have  doon  oon,  all  lyke  vnto  his 

For  the  nons,  and  my  purpose  is 

To  make  Jenkine  byliue  yf  I  can 

That  he  is  not  him  seife,  but  an  other  man 

U.    s.   w. 

Careaway,   der   Soi-genlose: 

„My  name  is  Careawaie,  let  all  sorow  passe,'' 

tritt  auf.  Er  hat  von  seinem  Herrn  Boungrace  einen  Auftrag 
an  seine  Herrin,  Dame  Coye,  zu  überbringen:  er  hat  sich  aber 
unterwegs  verhalten.  Während  er  über  die  Lüge  nachsinnt,  die 
ihm  hinaushelfen  soll  (hie  cogitabundo  similis  sedeat),  und  dann 
an  die  Thüre  seines  Hauses  klopft  (hie  pulset  ostium),  tritt  ihm 
Jack  Juggler  entgegen,  und  es  folgt  eine  dem  Plautus  nach- 
geahmte Szene,  bei  welcher  Jenkin  Careaway  den  Sosia  des 
Amphitruo   spielt.      Wie  Merkur  beginnt  Jake  Jugler: 

Knoke  at  the  gate  handelye  agayne  if  thou  dare 
And  seing  thou  wolt  not  bye  faire  words  beware 
Now  fistes,  me  thinks  yesterdaye.  VII.  yers  past 
That  four  men  a  sleepe  at  my  fete  you  cast 
And  this  same  day  you  did  no  maner  good 
Nor  were  not  washen  in  warme  blöd. 

worauf  Jenkin  Careaway  mit  Sosia   erwidert: 

What  whorson  is  this  that  washith  in  warme  blöd 
Sum  diuell  broken  loose,  out  of  hell  for  wood 
Four  has  he  slayne,  and  now  well   I  see 
That  it  must  be  my  chaunce  the  fift  to  bee. 
u.    s.    w. 

Das    ,,  pugnos    edes"    des   Plautus    ist    wörtlich    überge- 
gangen : 

Now  handes  bestur  you  aboul   Ins  lyppes  and  face 
And  streake  out  all  his  teth  without  any  grace 
Gentleman  are  you  disposed  to  eate  any  fist  mete. 


188  I-   Ampbitruo. 

was  Careaway  mit  den  Worten  abweist: 

I  have  Bupped  I  thanke  you  syr  and  lyste  not  to  eate 
Gene  it  to  them  that  are  haungrie  if  you  be  wyse. 

Jacke  Jugler  erklärt  seinem  Rivalen  den  Zweck  seines 
Hierseins : 

For  I  am  coruniaunded  for  to  watche  &  giue  diligence 
Tbat  in  my  good  maister  Boungraces  absence 
Noo  misfortune  may  happen  to  bis  house  sertayue. 

Careaway   beansprucht   die  Stelle   des  Dieners   des  Hauses: 

Marye  I  defye  tbee,  and  planly  vnto  tbee  teil 

That  I  am  a  seruaunt  of  tbis  bouse,  and  bere  I  dwelb 

Boungrace  ist  sein  Herr: 

My  maisters  iiame  is  maister  Boungrace 
I  bave  dwelled  witb  bim  a  longe  space 
And  I  am  ienkin  Careaway  bis  page, 

so    ganz    Sosia.       Nun    rückt     ihm    Jake    Jugler     schärfer    zu 
Leibe  : 

Darest  tbou  too  my  face  say  tbou  art  I. 
[Tun  te  audes  Sosiam  esse  dicere, 

Qui  ego  sunt.    ( V.  373.)] 

und  mit  Merkur  ..Hie  homo   sanus  non  est"  (F.  402)  ruft  er: 
Tbis  bedlem  kuaue  witbout  dougbt  is  mad. 

Wiederholt  wird  wie  bei  Plan  tu  s  die  Frage  nach  dem  Herrn 
gestellt,  stets  muss  Careaway,  wie  Sosia,  Maister  Boungrace 
als  den  seinigen  bezeichnen: 

/.  J.     Wbo  is  tby  maister  V 

Care.  Mayster  Boungrace. 

J.  J.     I  woll  make  tbe  cbaung  y'  song,  ere  we  pas  tbis  place 

For  be  is  my  maister,  and  a  gaine  to  tbee  I  saye 

Tbat  I  am  bis  ieukiu  Careawaye 

Wbo  art  tbou  now  teil  me  plaine. 
Care.    Noo  bodye,  but  wbom  please  you  sertayue. 

Der  Bitte  Sosias  (F.   388): 
Opsecro,  >n  per  pacem  liceat  te  adloqui,  ut  ne  uapulem  u.  s.  w. 

entspricht  das  Fernere: 

Care.    But  syr  mygbt  I  be  bolde  to  say  on  tbyng 

Witbout  any  bloues,  aud  without  any  beatynge. 

J.  J.     Truce  for  a  wbyle  say  one  wbat  tby  lust. 

Care.    May  a  man  too  your  boneste  by  your  woord  trust 

I  pray  you  swere  by  tbe  masse  you  woll  do  me  no  yll. 

J.  J.     By  my  faitb  I  promise  pardone  tbee  I  woll. 


189 

Cure.     What  and  you  kepe  no  promise. 

J.  J.  Tken  vpon  cai 

I  praie  god  light  as  much  or  more  as  hath  on  ye  to  daye. 
Care.     Now  dare  I  speake  so  mote  I  tkee 

Maister  boungrace  is  my  maister,  and  tke  name  of  mee 

Is  ienken  careaway 

das  ganz  mit  dem  Original  übereinstimmt. 

Wie  Merkur  erzählt  nun  Jack  Juggler,  was  ihm  von 
seinem  Herrn  befohlen  wurde,  und  wie  er  den  Befehl  vollzog. 
Wie   Sosias  muss   Careaway  sagen: 

How  the  diuell  should  they  name  there 
For  I  dyd  them  all  in  my  owne  sleue  bere 
He  lyeth  not  a  worde  in  all  this 
Nor  doth  in  any  one  poynt  myse  .  .  . 

Endlich  zweifelt   Careaway  an  seinem  eigenen  Selbst: 

J.  J.     How  now  art  thou  Careawaye  or  not? 

Care.     By  the  lorde  I  doubt,  by  sayest  thou  nay  to  that. 

und  er  muss  gestehen: 

I  haue  sene  my  seife  a  thousand  tinies  in  a  glasse 

But  soo  lyke  myselfe  as  he  is  neuer  was 

He  hath  in  euerye  poynt  my  clothing  &  mi  geare, 

My  hed,  my  cape,  my  shirt  and  notted  heare 

And  of  the  same  coloure,  my  yes,  nose  and  lyppes 

My  chekes  cbine,  neake,  feete,  leges  and  hippes 

Of  the  same  stature,  and  hyght  and  age 

And  is  in  euery  poynt  maister  Boungrace  page 

u.   s.   w.   und   findet: 

There  was  neuer  Ape  so  lyke  vnto  Ape 
As  he  is  to  me  in  feature  and  shape. 

Dennoch  tröstet  er  sich  mit  der  Hoffnung,  dass  nun  sein 
anderes  Ich  (that  other  I)  auch  für  ihn  die  Prügel  aushalten 
werde,  die  er  durch  seine  Fahrlässigkeit  verdiente;  doch  darin 
täuscht  er  sich.  Dame  Coye  ist  sehr  ungehalten,  dass  sie  um 
ihr  Abendessen  kam.  Careawaye  berichtet  ihr,  wie  Sosia 
seinem  Herrn,   seine  Erlebnisse: 

.  .  .  the  faulte  is  neither  in  mi  maister  nor  in  me  nor  you 
But  in  an  other  knaue  that  was  here  euen  now 
And   his  name  was  ienkin  Careawaie, 

so   dass  sie  zu  dem  Urteil   kömmt: 

Truely  this  wage  pastie  is  either  drunken  or  mad, 

und  auch  der  dazugekommene  Maister  Boungrace  ist  der  Meinung: 

I  durst  a  good  mede,  and  a  wager  laye 

That  thou  laiest  doune  and  sleppest  by  the  waie 

And  dremid  all  this  that  thou  haste  me  tolde. 


190  I-  Amphitruo. 

Careaway    erhält    die  Prügel   und  kann    sich    nur  wundern: 
How  he  1  escapid.   /  me  beat  me  thus. 

In  längerer  Rede  sehliesst  er  das  Interlude,  auf  das  eine 
Art  Epilog  folgt  und  der  Schluss:  Finis.  |  Imprinted  at  London 
in  Lothbury  by  me  |  Wyllyani  Copland. 

Dieses  äusserst  seltene1)  Stück,  von  dem  auch  Hasle- 
wood  1820  nur  fünf  und  dreissig  Exemplare  für  den  Rox- 
burghe  Club  drucken  liess,  ist  eines  der  ältesten  in  der  engli- 
schen   Litteratur,    das    auf    einem    klassischen  Vorbilde    beruht.2) 

Ferner  vermutet  Rapp,3)  dass  auf  den  ,.  John  a  Kent  and 
John  a  Cumber"  des  Anthony  Munday4)  (geb.  1553; 
gest.  1633),  herausgegeben  von  Collier  1851  nach  einer  Hand- 
schrift von  1595,  „auch  Plautus'  Amphitruo  gewirkt  habe,  an 
der  Stelle,  wo  je  ein  Zauberer  des  andern  Gestalt  annimmt  und 
namentlich,  da  beide  in  Einer  Gestalt  einer  oben  auf  der  Mauer, 
der  andere  unten  auftreten,  ganz  wie  die  beiden  Sosia".  Indessen 
zwingt  nichts  in  dem  Stücke,  mit  Rapp  anzunehmen,  dass  es 
Beziehungen  zum  Amphitruo  hat.  Die  beiden  berühmten 
Zauberer  John  a  Kent  (a  man  whom  all  this  Brittishe  Isle 
admires  for  bis  rare  knowledge  in  the  deepest  arts  S.  27)  und 
John  a  Cumber  (the  only  man  renownde  for  magick  skill  S.  28) 
erscheinen  allerdings  ein  paarmal  (S.  35.  45)  in  gleicher  Ge- 
stalt und  veranlassen   eine  vorübergehende   Überraschung. 

Powesse.     My  Lordes,  see  one  appeareth  on  the  walles. 

Tis  John  a  Kent!  How?  John  a  Kent  is  beere. 

Soine  sly  magitian  hath  usurpte  tliy  shai)e, 

An  this  day  made  us  all  infortunate. 
John  (a   Kent).     What  ere  thou  be,  I  charge  thee  teil  thy  nainc 
Cumber.      My  name  is  John:  what  sayst  thou  to  the  same? 
John.  I  would  thou  wert  the  John  that  I  could  wishe! 

Cumber.      If  John  a  Kember,  then,  the  same  it  is. 

Hierzu  bedurfte  es  aber  des  Amphitruo  gewiss 
nicht.  Auch  weist  sonst  im  Stücke  nichts  auf  die  alte 
Komödie.5) 


')  Haslewood  Preface. 

2)  Collier,  Hist.  Dram.  Poet.  II,  366  nach  Chile! ,  Introd.  VIII: 
Jack  Jugler  is  one  of  the  very  oldest  pieces  in  our  language  fouuded 
upon  a  classic  original. 

3)  Studien.    S.  55. 

4)  John  a  Kent  and  John  a  Cumber;  A  Comedy  by  Anthony 
Munday.  Printed  from  the  original  manuscriiit  .  .  .  by  J.  Payne  Collier. 
London  1851.    S.  1—63. 

5)  Wir  geben  den  summarischen  Inhalt  des  Stückes  am  besten  mit 
den  Worten  des  Herausgebers  (Introduction  XVn):  „John  a  Cumber  is 
the  competitor  of  John  a  Kent  in  supernaTural  power  andmagical  de- 
lusion,  and  all  we  know  of  him  is  that  he  is  represented  as  a  native  of 


Tomkins'  Albumazar.  191 

Wiederum  Berührungspunkte  mit  dem  Ampliitruo,  wenn 
auch  entferntere,  hat  der  Albumazar  des  Tomkis1)  (Tomkins), 
dessen  Quelle  wohl  das  italienische  Lustspiel  Lo  Astrologo,  |  Co- 
media  |  Nuoua  ]  di  Gio.  Battista  |  Dalla  Porta  |  Napolitano. 
Con  Privilegio.  |  In  Venetia  1606.  |  Appresso  Pietro  Ciera  (64 
fol.),  ist.  Nur  wenige  Namen  (Guglielmo,  Vignarolo)  sind  in  der 
englischen  Komödie  geändert  worden.  Das  italienische  Stück 
stimmt  fast  wörtlich  zum  englischen,  doch  ist  es  in  Prosa 
geschrieben. 

Das  englische  Stück  ist  nicht  vor  1614  vollendet  und  im 
gleichen  Jahre  Donnerstag  den  9.  März  von  den  Studenten  zu 
Cambridge  in  Trinity  College  Hall  vor  dem  König  Jakob 
gespielt  worden. 2)  Die  allseitig  hervortretenden  Anklänge  an  die 
Alten  und  die  gelehrten  Reminiszenzen,  denen  man  allenthalben 
begegnet,  berechtigen  zu  der  Annahme,  dass  dem  schriften- 
kundigen Verfasser  wirklich  mehrmals  Plautus  vorgeschwebt  ist.3) 

Der  alte  Pandolfo  verzehrt   sich  in  Liebe  zu    Fla  via,    der 


Scotland,  and  a  wigard,  who  is  called  in  by  the  Earl  of  Morton,  a  peer 
of  that  country,  and  by  tlie  Earl  of  Pembroke,  to  assist  theni  in  their 
designs  upon  Sidanen  and  Marian.  These  designs  are  perfectly  honou- 
rable,  and  are  zealously  seconded  by  the  fathers  of  the  ladies;  but  in 
the  end  they  and  their  coadjutor  are  outwitted  and  defeated:  the  wea- 
pons  employed  by  John  a  Cumber  are  turned  against  himself  and  he 
becomes  tkrough  the  instrumentality  of  John  a  Kent,  an  object  of  con- 
tempt  and  ridicule  with  the  very  persons  who  expected  to  profit  by  his 
success."  —  Doch  wohl  kaum  ein  Anklang  an  Amphitruo;  oder  es  giebt 
deren  zahllose.  Wenn  im  Amis  et  Amiles  (ed.  Konrad  Hofmann, 
2.  Aufl.  Erlangen  1882)  die  beiden  Freunde  sich  so  ähnlich  sehen,  dass 
das  Volk  sie  nicht  unterscheiden  kann  (tant  sont  li  conte  yngal  et  d'un 
sanblant    V.  3124),  und  die  Gattin  des  Amiles  selbst  (F.  3139)  sagt: 

je  sai  de  voir  et  croi  a  enc'iant, 

l'uns  de  vos  dous  a  en  moi  part  moult  graut 

et  s'est  Amiles  li  hardis  combatans; 

mais  je  n'en  sai  faire  connoissement, 
so  müsste  man  auch  hierbei  der  beiden  Amphitruo  gedenken,    „eme  les 
dous   contes   ne    desseverroit   hom,    qui   est  Amiles  ne  Amis  lis  barons." 
(F.  3104.) 

')  Albumazar,  a  comedy.  London,  printed  by  Nioholas  Okes 
for  Walter  Burre.  1615.  4*°-  —  Albumazar,  a  comedy.  Newly  revised 
and  corrected  by  a  speciall  hand.  London,  printed  by  Nicholas  Okes. 
1634.  4t0-  —  A  select  collection  of  Old  Plays  in  twelve  volumes.  Lon- 
don (Septimus  Prowett)  1825,  enthält  im  siebenten  Bande,  S.  101 — 215. 
den  Albumazar  ...  —  Vgl.  Collier.    I,  393.    III,  325. 

2)  Old  Plays.    VII,  104. 

3)  Eapp,  Studien  S.  15.  „Feine  Arbeit  eines  Gelehrten.  Das  Haupt- 
motiv, der  durch  einen  l!< -trüber  nachgeäffte  Verlnreugeglaubte  kommt 
selbst  wieder,  ist  aus  drei  p  1  autinischen  Stücken  abstrahiert:  Tri- 
nummus,  Mostellaria  und  Amphitruo;  noch  aus  andern  Reminiszenzen. 
Diese  Nachahmung  ist  aber  fein  versteckt  und  motiviert  durch  eine  der 
italienischen  Komödie  nachgemachte  Mystifikation  durch  einen  Astro- 
logen." —  Das  Stück  ist  ja  eben  italienisch! 


192  I<   Amphitruo. 

Tochter  des  fernen  Antonio,  von  dem  man  glaubt,  er  sei  zur 
See  zu  gründe  gegangen.  Da  er  Flavias  Herz  nicht  gewinnen 
kann,  lässt  er  sich  von  Gaunern  vorspiegeln,  der  Astrolog  Al- 
bum azar  könnte  Pandolfos  Farmer  Trincalo  in  Antonios 
Gestalt  verzaubern.  Als  solcher  würde  er  dann  seiner  Tochter 
befehlen,  Pandolfo  ohne  Widerrede  zu  heiraten.  Unter  vielen 
Zeremonien  nimmt  Albumazar  diese  Metamorphose  vor.  Flavia 
hat  aber  unterdessen  bereits  von  der  Thorheit  des  Alten  ver- 
nommen. Da  alles  richtig  vorbereitet  ist,  kömmt  der  tot  ge- 
glaubte Antonio  von  seiner  mühevollen  Seereise  zurück.  Sein 
Monolog  (IV,    1): 

Thus  by  great  favour  of  propitious  stars 

From  fearful  storms,  shipwreck  and  ragirig  billows, 

Merciless  jaws  of  deatk  am  I  return'd 

To  th'  safe  and  quiet  bosom  of  my  country. 

u.  s.  w.,  erinnert  an  des  Theuropides  Auftreten  in  der  Mo- 
stellaria. ') 

Zuerst  begegnet  ihm  Pandolfos  Diener,  Cricca,  der  ihn 
für  den  umgestalteten  Antonio  hält. 

0  wond'rous  power  of  stars, 
And  skill  of  art  t:  apply  it!  You  that  are  marry'd 
May  justly  fear  lest  tnis  astrologer 

Cloath  your  wives'  servants  in  your  shape,  and  use  you 
As  Jupiter  (lid  Amphitryo. 

meint  Cricca,   und  dem   dazukommenden  Pandolfo  ruft  er  zu: 

Sir,  here  's  your  farmer  Trincalo  transform'd 
So  just,  as  he  were  melted,  and  new  cast 
In  the  true  mould  of  old  Antonio, 

worauf  Pandolfo   freudig  einstimmt: 

Just  so  he  look'd, 
And  thus  he  walk'd;  this  is  his  face,  his  hair. 
His  eyes  and  countenance. 

Dies  führt  natürlich  zu  fortgesetzten  Missverständnissen,  da 
Pandolfo  glaubt,  seinen  Diener  Trincalo  vor  sich  zu  haben, 
was  sich  bald  ernster  gestaltet,  als  auch  die  Tochter  Flavia 
ihren  Vater,  von  dem  sie  glaubt,  das  Meer  habe  ihn  ver- 
schlungen, von  der  Thüre  weist  und  sein  Sohn  Lelio  ihn 
von  der  Schwelle  jagt,  ja  Trincalo  sich  Antonio  gegen- 
über als  Besitzer  des  Hauses  gebärdet.  Endlich  sehen  Lelio  und 
Cricca  mit  Bewundern  Antonio  und  Trincalo  neben  einander. 


')  Vers  431  sqq. 


Tomkins'  Albumazar.  193 

Didst  thou  not  inform  me 
That  Trincalo  was  turn'cl  to  Antonio? 

fragt  Lelio  erstaunt,  und  alsbald  erkennt  er  aucli  in  Antonio 
seinen  Vater.      Pandolfo  ist  noch  entzückt  über  Albumazar: 

there  's  Trincalo 
Antoniated,  or  Antonio  Intrinculate;1) 

bald  aber  wird  er  enttäuscht.  Doch  findet  sich  zur  glücklieben 
Lösung  (wie  im  Trinummus)  ein  vorher  gestohlener  Schatz 
wieder,  welchen  dann  Eugen io,  Pandolfo s  Sohn  und  Bräutigam 
Flavias,   als  Aussteuer  erhält. 

Auch  in  dem  im  Jahre  1675  aufgeführten  Stücke  „the 
country  wit"  des  John  Crowne2)  will  man3)  einige  Szenen 
auf  dem  Amphitruo  nach  Moli  er  es  Bearbeitung  beruhend  finden. 
Gleichwohl  wird  eine  engere  Verwandtschaft  der  beiden 
Stücke  kaum  nachgewiesen  werden  können. 

Indessen  fehlt  es  nicht  an  vollständigen  Durchführungen 
des  Amphitruo  in  England.  Ben  Jonson  hatte  die  Idee, 
einen  Amphitruo  zu  schreiben;  gab  sie  jedoch  auf,  weil 
er  an  der  Möglichkeit,  sie  wahrscheinlich  zu  gestalten,  ver- 
zweifelte, 4) 

Dagegen  griff  Thomas  Heywood  (S.  78.)  zum  Amphitruo. 
Er  schrieb  vier  zusammenhängende  Stücke  auf  Grundlage  der  alten 
mythologischen  Erzählungen:  The  golden  age  1611  in  4°;  the 
silver  age  1613  in  4°:  the  brazen  age  1613  in  4°  und  the 
iron  age  1632  in  4°  die  sich  einer  grossen  Volkstümlichkeit  er- 
freuten.5) The  silver  age  enthält  die  Geschichte  von 
Juppiter  und  Alkmene.  The  |  Silver  Age  |  inclvding  |  The 
loue  of  Jupiter  to  Alcmena:  |  The  birth  of  Hercules,  |  and  |  the 
rape  of  Proserpine  |  conclvding  |  with  the  Arraignment  of  the 
Moone.  |  Written  by  Thomas  Heywood  |  London  |  Printed  by 
Nicholas  Okes  etc.   1613. 6) 


')  Man  erinnert  sich  an  Drydens  „unsosiated"  u.  a.,  wovon  im. 
Weiteren  (S.  228,  A.  1)  die  Kede  ist. 

'-)  Enthalten  auf  S.  1 — 131  des  dritten  Bandes  von  The  dramatic 
works  of  John  Crowne.  With  prefatory  memoir  and  notes.  Edin- 
burgh,  London  1874.  (Dramatists  of  the  Restoration.)  — ■  Die  Einleitung 
(3)  sagt:  A  large  portion  of  the  plot  as  well  as  of  the  language  has  been 
taken  from  Moliere's  Comedy  „Le  Sicilien;  ou  l'amour  peintre". 

3)  Molieriste.  ILT,  59:  Les  scenes  entre  Ramble  et  Merry  sont 
basees  sur  quelques  scenes  d'Amphitryon. 

4)  Ben  Jonson,  Ausg.  von  Gifford.  Bd.  I.  S.  CXTX.  „that  he  had 
au  intention  to  have  made  a  play  like  Plautus's  Amphitruo,  but 
left  it  off,  for  that  he  could  never  find  two  so  like  one  to  the  other 
that  he  could  persuade  the  spectat  or,  that  they  were  one." 

5)  Ausg.  Collier.  S.  V.  The  popularity  of  the  works  is  undoubted 
and  is  testified,  among  other  things,  by  the  author  bimself. 

6)  Im  zweiten  Bande  von:  The  dramatic  works  of  Thomas  Hey- 

13 


194  I-   Araphitruo. 

Homer  leitet  das  Stück  ein.  Nachdem  alle  möglichen  mytho- 
logischen Personen  (Bellerophon,  Acrisius,  Perseus,  Andromeda, 
Danaus)  aufgetreten  sind,  führt  Homer  (II,  1)  die  Personen  des 
Amphitruo   ein. 

Üur  scene  is  Thebes;  here  fair  Alcmena  dwells: 

Her  husband  in  bis  warfare  tbrives  abroad, 

And  by  bis  cbivalry  his  foes  expels. 

He  absent,  now  descends  tb'  Olympic  god, 

Enamour'd  of  Alcmena,  and  transshapes 

Himself  unto  her  busband:  Ganimede 

He  makes  assistant  in  bis  amorous  rapes, 

Wbilst  be  prefers  tbe  eartb'  before  Juno's  bed. 
Lend  us  your  wonted  patience,  witbout  scorn, 
To  find  bow  Hercules  was  got  and  born. 

Amphitrio  tritt  mit  zwei  Hauptleuten  und  Socia  auf.  Er 
erhält  einen  Becher,  den  er  einschliesst  und  seiner  Gattin  schickt. 
Bei  ihm  ist  Blepharo,  the  master  of  the  ship.  Dies  alles  ist 
hloss  Pantomime,   die  Homer  erklärt: 

Creon,  tbat  now  reigns  bere,  tbe  Tbeban  king, 
Alcmena's  busband,  great  Amphitrio,  made 
His  general,  wbo  to  bis  lord  dotb  bring 
His  enemy's  head,  tbat  did  bis  land  invade. 
Tbink  bim  returning  bome,  but  sends  before 
By  letters  to  acquaint  his  beauteous  wife 
Of  bis  success  .... 

Unter  Blitz  und  Donner  erscheint  Juppiter  in  einer  Wolke. 
Mag  Juno  toben,  so  viel  sie  wolle,  Alcmena,  „the  fair  Alcmena, 
like  the  seaman's  star  shooting  her  glistering  heautyupto  heaven," 
ist  jetzt  sein  einziges  Ziel.  Ganimede  ist  in  Socias  Gestalt 
ahgeschickt  worden  und  kehrt  ehen  zurück.  Juppiter  hat  aus 
drei  Nächten  eine  einzige  gemacht: 

to  take  our  fill 
Of  dalliance  with  tbis  beauteous  Tbeban  dame. 

Die  Antipoden  nahen  infolge  davon  drei  Tage  lang  Licht. 
Ganimede  klopft  an  der  Thüre  luid  wird  von  drei  Dienern  ein- 
gelassen, welche  sofort  in  ihm  Socia  erkennen  und  ihre  Herrin 
von  seiner  Ankunft  benachrichtigen.  Alcmena  mit  Thessala 
von  der  einen  Seite,  Juppiter-Amphitruo  und  Ganimede- 
Socia  von  der  anderen  hegegnen  sich.  AI  cm  e  na  s  Freude  ist 
gewaltig.      Juppiter   beginnt  von  seinen  kriegerischen  Thaten: 

I,  as  a  great  General  to  tbe  Tbeban  King 
Marcbed  'gainst  tbe  Teleboans  .... 


wood,  with  a  life  of  tbe  poet  and  remarks  on  bis  writings  by  J.  Payne 
Collier  Esq.    London  (printed  for  the  Shakespeare  Society)  1851. 


Thomas  Heywood.  ;[95 

Er  überreicht  seiner  Gemahlin  den  Becher  des  Pterela,  von 
dem  uns  Ganimede  sagt,  dass  ihn  „Mercnry  stole  out  of  Amphi- 
trio's  casket".  Juppiter  verlangt,  zu  Bette  zu  gehen.  Gani- 
mede sieht  ihn  mit  Alcumena  abtreten,  nicht  ohne  Amphitrio 
zu  bemitleiden. 

Xun  tritt  Socia  mit  einem  Briefe  auf.  Er  findet,  dass  diese 
Nacht  ,.as  long  as  two  nights  already"  sei,  „and  I  think  't  is 
now  entering  in  the  third."  Ganimede  tritt  ihm  in  den  Weg, 
indessen  sich  Socia  noch  über  die  lange  Nacht  wundert.  „He 
that  hired  a  wench  to  lie  with  bim  all  this  night,  has  time 
enough,  I  think,  to  take  bis  pennyworths. "  Da  er  pochen  will, 
wehrt  es  ihm  Ganimede.  „Klopfe  nicht,  oder  du  wirst  geklopft.'- 
Es  folgen  dann  die  von  den  Engländern  so  meisterhaft  behandelten 
Wortspiele,    z.  B. : 

Soc.     If  thou  be  Socia  .  .  .  where  dost  thou  lie? 
Gan.     Where  I  do  lie?  Why,  in  the  porter's  lodge. 
Soc.     You   are   deceived;   you   lie  in  your   throat.     There  's  but  one 
Socia  belongs  to  this  house  and  that  am  I. 

Nach  mannigfachem  Hin-  und  Herreden  meint  Ganimede  „the 
fellow  's  mad".  Vergeblich  erzählt  Socia  von  seinen  Erlebnissen. 
Das  Gespräch  kömmt  auch  auf  den  Becher  Pterelas.  „Where  did 
I  put  it?"  fragt  Socia,  und  ruhig  versetzt  Ganimede:  „That  I 
know  not;  but  I  p\it  it  into  a  casket,  sign'd  by  my  lord's  signet.  ■• 
..Und  als  die  Schlacht  anhub,"   fragt  Socia,   „was  thatst  du  da?" 

Gan.     As  soon  as  they  began  to  fight,  I  begun  to  run. 

Soc.     Whither? 

Gan.    Into  my  lord's  tent,  and  there  hid  me  under  a  bed. 

„Und  mein  Brief  — ?"  zögert  Socia.  „Den  habe  ich 
bereits  übergeben,"  lautet  die  Antwort.  Da  stürzt  Socia  ver- 
zweifelt von  dannen,   und  Ganimede  hält  weiter  Wache. 

Fair  Alcmena, 
Is  great  already  by  Amphitrio, 
And  near  her  time;  and  if  she  prove  by  Jupiter. 
He  by  his  power  and  god-hood,  will  oontract 
Both  birth  in  one,  to  make  her  throws  the   less, 
And  at  one  instant   she  shall  cliild  two  issues. 
Begot  by  Jove  and  by  Amphitrio. 

Juppiter  und  Alcmena   nein  neu  Abschied  von   einander. 

We  generals 
Cannot  be  absent  from  our  charges  long, 

entschuldigt   sich   der  Gott   und    o-eht   mit   Ganimede: 


Come,  Ganimede,  't  is  done 
And  fair  Alcmena  sped  with  a  younu   son. 


13 * 


}96  !•   Amphitruo. 

Amphitrio  mit  Socia  und  Gefolge  tritt  auf.  Niemand 
will  Socias  Berichte  glauben.  Vergeblich  erzählt  er  nochmal  die 
ganze  Begebenheit;  alle  rufen  ihm  „Fie,  Socia,  fie!"  zu.  —  Alc- 
mena  mit  ihren  Dienerinnen  kommt  zu  ihnen  und  wird  von 
Amphitrio   „return'd  a   conqueror"  begrüsst. 

„Glad  to  enfold  in  his  victorious  arms 

The  nine-month  absent  body,  whose  ripe  birth 

Swells  with  such  beauty  in  thy  constant  womb." 

Alcmena  aber  spricht  von  „yesternight".  Umsonst  ver- 
sichert Amphitrio,  er  sei  soeben  erst  in  Theben  gelandet,  und 
halb  befriedigt,  fast  schadenfroh  bemerkt  Socia:  „We  have  found 
one  Socia,  but  we  are  like  to  lose  an  Amphitrio.1'  Amphitrio 
aber  befürchtet,  die  Verrücktheit  seines  Dieners  habe  sich  seiner 
Frau  mitgeteilt.  Einer  der  Hauptleute  meint,  man  könnte  die 
generals  part  als  Zeugen  aufrufen,  Alcmena  aber  führt  ihre 
Dienerinnen  vor,  und  schon  die  erste  erklärt  „you  were  here 
yesternight",  was  die  übrigen  mit  ,,'t  is  most  certain"  bestätigen. 
Alcmena  schildert  den  Abend  weiter,  „you  slept  in  these  my 
arms,"  worauf  Amphitrio  heftig  auffährt.  Alcmena  liefert  den 
Schlüssel  zum  Futterale  des  Bechers  ab,  was  den  ersten  Haupt- 
mann zu  der  Frage  veranlasst,  wie  sie  darum  wissen  könne. 
Amphitrios  Verdacht  kehrt  sich  gegen  Socia.  Thessala 
bringt  den  Becher;  das  Siegel  ist  unversehrt,  doch  das  Kleinod 
ist  weg.  Wütend  und  seine  Leute  prügelnd  eilt  Amphitrio  ab. 
Da  kömmt  Juppiter.  Er  wird  von  Alcmena  mit  Vorwürfen 
empfangen,  und  nur  schwer  gelingt  es  ihm,  sie  zu  beschwich- 
tigen. Socia  kömmt  mit  Blepharo.  Ganimede  geht  an  Socia 
musternd  vorüber.  „I  should  have  seen  your  face,  when  I  looked 
myself  in  a  glass:  your  sweet  phisnomy  should  be  of  my  acquain- 
tance,"   meint  Socia. 

Amphitrio  ist  zurückgekehrt  und  will  sich  den  Eingang  in 
sein  Haus  erzwingen,  wobei  er  von  Ganimede  mit  beleidigenden 
Worten  zurückgetrieben  wird.  Als  nun  Socia  mit  Blepharo 
dazukömmt,  stürzt  er  auf  jenen  los,  sodass  Blepharo,  von  des 
Sklaven  Unschuld  überzeugt,  anfängt,  an  Amphitrios  Verstand 
zu  zweifeln.  Bei  Juppiters  und  Ganimedes  Auftreten  findet 
sieh  Blepharo  gar  nicht  mehr  zurecht.  Two  Socias!  two  Am- 
phitrios! ruft  er  und  der  erste  Hauptmann:  Conjurrng!  Witch- 
craft!  Nach  Juppiters  Rede  entscheiden  sich  alle  für  diesen. 
There  can  be  but  one  Amphitrio  and  this  appears  to  be  he  by  his 
noble  carriage,  sagt  der  zweite  Hauptmann.  Zu  ihm  stellt  sich 
Ganimede  mit  den  Worten:  „The  true  Socia  must  go  with  the  true 
Amphitrio."  Es  ist  eine  köstliche  Scene,  da  Amphitrio  und 
Socia  allein  zurückbleiben: 


Thomas  Heywood.     Dryden.  197 

Amph.     What  art  thou? 
Soc.        Nay,  what  art  thou? 
Amph.     I  am  not  myself. 

Soc.        You  would  not  believe  me,   when  I   said  I  was   not  myself, 
why  should  I  believe  you? 

Amphitrio  schläft,  auf  Socia  gestützt,  ein.  Da  steigt  Juno 
mit  Iris  vom  Himmel  herab;  sie  hegt,  wie  bei  da  Silva,  Rache- 
gedanken gegen  Alcmena.  Unter  Donner  aber  und  in  Regen- 
bogenglanz zeigt  sich  Juppiter  und  zwingt  alle  zu  knien.  Er 
befiehlt  Amphitrio: 

.  .  .  peace 
With  fair  Alcmena,  she  that  never  bosomed 
Mortal  save  thee  .  .  . 

So  wie  Amphitrio  hört,  dass  seine  Frau  Lucinas  Hilfe  be- 
dürfe,  sagt  er: 

Jove  is  our  patron  and  his  power  our  awe, 
His  majesty  our  wonder,  his  will  our  law. 

Im  dritten  Akte  (S.  131)  erfahren  wir  von  der  Hebamme 
Galant  his,  dass  Alcmena  entbunden  wurde,  und  zwar  von  zwei 
Knaben,  „one  like  my  lord  Amphitrio,  but  the  other  the  bravest 
chopping  lad."  Der  junge  Herkules  erdrosselt  die  beiden 
Schlangen  (snakes);  es  tritt  alsdann  König  Eurystheus  auf,  und 
die  Geschichte  entfernt  sich  von  Amphitruo,  um  auf  die  Thaten 
des  Herkules  überzugehen. 

In  dem  Verzeichnisse  der  Vorstellungen,  welche  englische 
Komödianten  im  Jahre  1626  am  Hofe  zu  Dresden  gaben,  heisst 
es:')  Junius  4.  Ist  eine  Comoedia  von  Amphitrione  gespielt 
worden.  Colin2)  sagt  von  dieser  Aufführung:  „The  comedy  of 
Amphitryon  was  probably  one  based  on  Plautus. "  Sollte  es 
die  Episode  von  Hey  wo  od  gewesen  sein?     (Vgl.   S.   214.) 

Im  Jahre  1690  erschien  John  Drydens  (1631—1700) 
Amphitryon:  or  the  two  Socia's,  a  comedy3)  in  4°.  Die 
Widmungsepistel  (The  Epistle  Dedicatory  to  the  honorable  Sir 
William  Levison  Gower,  Baronet)  ist  vom  24.  Oktober  1690  da- 
tiert.     Er  sagt  in    derselben,    die   Namen  des  Plautus  und  Mo- 


')  A.  Cohn,  Shakespeare  in  Germany.     London  1865.     S.  CXV. 

2)  A.  a.  0.   S.  cxvn. 

3)  Die  nächsten  Ausgaben  nach  James  0.  Halliwell  (A  dictionary 
of  Old  Plays,  London  1860),  S.  16.  sind  von  1691  u.  1694.  —  Ferner  ist 
der  Amphitryon  enthalten  im  ersten  Bande  von  „The  English  The- 
atre  in  eight  Volumes,  containing  the  most  valuable  Plays  which  have 
been  acted  on  the  London  Stage".  London  1765,  pag.  157 — 239.  —  In 
der  Ausgabe  von  Dryden,  London  1762.  VI.  Bd.,  S.  161;  im  VIII.  Bd. 
der  Werke  Drydens  1821  (Edinb.),  einem  Abdrucke  der  Londoner  Ausg. 
(1808)  von  Walter  Scott. 


198  I-   Amphitruo. 

liere  seien  mit  seiner  Arbeit  verknüpft:  ,,'t  is  trne,  were  this 
Comedy  wholly  mine,  I  slionld  call  it  a  Trifle,  and  perhaps  not 
tliink  it  wortli  your  Patronage;  but  when  the  Names  of  Plau- 
tus  and  Moli  er  e  are  join'd  in  it,  that  is,  the  two  greatest  Na- 
mes of  ancient  and  modern  Comedy,  I  must  not  presume  so  far 
on  tlieir  Reputation  to  tliink  their  best  and  most  unquestion'd 
Prodnctions  can  be  tei'in'd  little."  Er  sagt  ferner  über  die  von 
ihm  gemachten  Änderungen  und  Znsätze:  „I  will  not  give  you 
the  Tronble  of  acquainting  yon  what  I  have  added,  or  alter'd  in 
either  of  them,  so  much,  it  may  be,  for  the  worse,  but  only 
that  the  Difference  of  our  Stage  from  the  Roman  and 
the  French  dit  require  so.  But  I  am  afraid,  for  my  own 
Interest,  the  World  will  to  easely  discover,  that  more  than 
half  of  it  is  mine;  and  the  Rest  is  rather  a  lame  Imi- 
tation of  their  Excellencies,  than  a  just  Translation.  'T  is 
enough,  that  the  Reader  know  by  you  that  I  never  deserve  nor 
desire  any  Applause  from  it." 

Im  Weiteren  verbreitet  er  sich  über  Plautus  und  Moliere  und 
wünscht,  „at  least  not  to  compare  him  (den  Amphitryon)  too 
strictly  with  Moliere's." 

Zu  dem  Stücke,  in  dem  Dryden  geschickt  Poesie  und 
Prosa1)  wechseln  lässt,  hat  Heinr.  Pur  cell  eine  sehr  gerühmte'2) 
Musik  geschrieben,  mit  welcher  es  in  London  1691  aufge- 
führt   wurde. 

Der  Inhalt  der  Dry denschen  Komödie  ist  folgender: 

I.  Akt.  Mercury  und  Phöbus  treten  auf.  Ersterer  erzählt 
von  einem  Streite  (a  devilish  quarrel),  den  soeben  Juppiter  mit 
Juno  gehabt,  und  von  den  Absichten,  welche  der  Gott  auf  ein 
irdisches  Weib  habe: 

Some  Mortal  we  presume  of  Cadmus'  Blood; 
Some  Theban  Beauty;  some  new  Semele, 
Or  some  Europa, 

wie  Phöbus  vermutet.  Juppiter  erscheint  und  schilt  die  beiden, 
dass  sie  über  seine  Handlungen  Kritik  üben.  Er  liebe,  weil  es 
das  Fatum  so  verlange: 

I  love,  because  't  was  in  the  Fates  I  should. 


')  Halliwell,  1.  c.  „Our  author,  as  Thornton  observes,  has  thought 
proper  to  distinguish  the  serious  from  the  comic  parts,  by  giving  the 
Erst  in  verse  and  the  other  in  prose,  which  it  may  feared  in  the  latter 
part  has  too  offen  lead  him  into  such  low  and  farcial  stuff  as  neither 
his  Latin  nor  his  French  original  betrayed  him  into." 

2)  Halliwell,  1.  c.  The  music  of  the  songs  was  composed  by 
Pu reell.  —  Clement,  Dict.  lyr.,  S.  38.  C'est  un  des  meilleurs  ouvrages 
de  ce  compositeur  distingue. 


John  Dryden.  199 

Nach  einer  breiten  Auseinandersetzung  über  das  Fatum 
gegenüber  dem  moralisierenden  Phöbus  teilt  er  ihnen  mit, 
dass  diese  Nacht  zum  Besten  der  Menschheit  Herkules  erzeugt 
werden  soll: 

yet,  thus  t'ar  know. 
That,  for  the  good  of  human  Kind,  this  Night 
I  shall  heget  a  future  Hercules; 
Who  shall  redress  the  Wrongs  of  injur'd  Mortals, 
Shall  conquer  Monsters,  and  reform  the  World, 

worauf  Mercury  spöttisch  bemerkt:  „Ay,  Brother  Phoebus;  and 
our  Fatlier  made  all  those  Monsters  for  Hercules  to  conquer,  and 
contriv'd  all  those  Vices  on  purpose  for  him  to  reform  too, 
there  's  the  Jest  on  't."  1.  Da  nun  der  tapfere  Thebanerfeld- 
herr  Amphitryon  morgen  früh  ankommen  soll,  erhält  Phöbus 
den  Auftrag,  die  Nacht  zu  verlängern,  und  Mercury  den,  sich 
in  Socias  Gestalt  zu  hüllen.  Die  Nacht  erscheint  auf  ihrem 
Wagen  und  hält  ein  höchst  langweiliges  Zwiegespräch  mit  Mer- 
cury. 2.  Der  über  die  lange  Abwesenheit  ihres  Gatten  klagen- 
den Alcmena  bringt  Phädra  die  Nachricht  von  Amphitryons 
Heimkehr.  3.  Juppiter  als  Amphitryon  empfängt  Alcmena. 
Die  Weiber  bestürmen  ihn  mit  Fragen;  Alcmena  will  Nach- 
richten vom  Kriege,  Bromia  von  ihrem  Manne  Socia,  Phädra 
von  ihrem  Geliebten  Gripus.  Aber  er  hat  nur  Worte  für  Alc- 
mena und  betritt  mit  ihr  das  Haus. 

IL  Akt.  1.  Socia  tritt  mit  der  Laterne  auf.  Sein  Mo- 
nolog stimmt  genau  zu  Plautus.  Er  beklagt  den  Dienst  bei 
einem  grossen  Herrn:  „the  greätest  Plague  of  a  Serving-Man,  is 
to  be  hir'd  to  some  great  Lord"  (vgl.  V.  166,  Opulento  ho- 
mini  dura  hoc  magis  seruitus  est  u.  s.  w.).  Mercury  vor 
dem  Hause  tritt  ihm  entgegen.  Die  ganze  Szene  entwickelt 
sich  nach  Plautus.  —  2.  Juppiter  nimmt  Abschied  von 
Alcmena  in  einer  Moliere  nachgebildeten  Szene.  Mercury 
macht  nun  der  Phädra  eine  Liebeserklärung,  worüber  ihn 
Bromia,  die  ihn  für  ihren  Socia  hält,  ertappt.  Da  sie  ihn 
prügeln  will  —  a  type  of  Juno  —  berührt  er  sie  mit  seinem 
caduceus,  worauf  sie  in  Schlaf  sinkt  und  Mercury  mit  den 
Worten  abgeht: 

For  two  such  Tongues  will  break  the  Poles  asunder; 
And,  hourly  scolding,  make  perpetual  Thunder. 

III.  Akt.  1.  Socia  berichtet  seinem  Hei-rn  Amphitryon, 
was  er  erlebte.  Dieser  glaubt  es  nicht  und  schimpft  ihn  heftig. 
—  Alcmena  tritt  mit  Phädra  auf;  sie  wollen  zum  Tempel 
gehen.  Das  Missverständnis  zwischen  ihr  und  Amphitryon  hat 
zur  Folge,  dass  sie  mit  den  Worten   scheidet: 


200  I-  Amphitruo. 

Oh!  Nothing  now  can  please  me: 
Darkness  and  Solitude,  and  Sighs,  and  Tears, 
And  all  th'  inseparable  Train  of  Grief, 
Attend  niy  Steps  for  ever  .  .  . 

Phädra  fordert  nun  von  Socia  das  ihr  von  Mercury  ver- 
sprochene Geschenk,  den  goldenen  Becher  (Gold  Goblet),  wovon 
er  natürlich  nichts  weiss;  ebenso  kömmt  Brornia,  ihn  zu  schelten, 
dass  er  sie  in  Schlaf  versetzt  habe. 

Juppiter  naht  in  der  Absicht,  Alcmena  zu  versöhnen.  Er 
schickt  Socia  ab,  um  die  Kriegsgefährten  Polidas,  Tranio, 
Gripus  u.  a.  zum  Festmahle  zu  laden.  Alcmena  erscheint  auf 
dem  Balkon.  Juppiter  winkt  der  Musik;  es  folgt  Gesang  und 
Tanz.      Alcmena  aber  zieht  sich  mit  düsteren  Blicken  zurück. 

IV.  Akt.  1.  Juppiter  besänftigt  Alcmena  und  geht  mit 
ihr  ab;  ebenso  begütigt  Mercury  Phädra,  indem  er  ihr  den 
versprochenen  Becher,  den  er  mittlerweile  dem  Gripus  stahl, 
als  Geschenk  überreicht.  Da  Mercury  Amphitryon  herannahen 
sieht,  steigt  er  rasch  auf  den  Balkon  und  schmäht  auf  ihn  von 
oben  herab,  obwohl  er  sich  selber  gestehen  muss:  This  is  no  very 
charitable  Action  of  a  God,  to  use  bim  ill,  who  has  never  offended 
me,  but  my  Planet  disposes  me  to  malice;  oder  wie  sich  Moli  eres 
Mercure  ungleich  feiner  ausdrückt  (III,   2): 

Ce  n'est  pas  d'un  dieu  plein  de  charite; 
Et  je  me  sens,  par  ma  planete, 
A  la  malice  un  peu  porte. 

Amphitryon  gerät  in  heftigen  Zorn.  Polidas,  Tranio 
und  Gripus  nahen  mit  Socia,  der  seinem  Herrn  gegenüber 
aufrecht  erhält,  er  habe  den  Befehl  erhalten,  sie  zu  Gast  zu 
laden.  Zornig  eilt  Amphitryon  um  Soldaten,  welche  ihm  das 
Thor  gewaltsam  öffnen  sollen.  Da  zeigt  sich  Juppiter  auf  dem 
Balkon.  Obwohl  die  unten  Stehenden  nicht  begreifen  können, 
wie  er  hinaufkam,  treten  sie  doch  zum  Mahle  ein.  Socia,  der 
gleichfalls  hineingehen  will  („My  Ticket  is  my  Hunger,"  sagt 
er),  wird  von  Mercury  fortgewiesen.  Während  seines  Streites 
mit  Mercury  tritt  Phädra  auf  und  ist  entsetzt,  zwei  Socia  vor 
sich  zu  sehen.  „What  have  we  here?  a  Couple  of  you,  or  do  I 
see  double?"  —  Mercury  treibt  den  hungrigen  Socia  weiter  und 
giebt  Phädra,  auf  den  Boden  stampfend,  ein  Ballet  mit  Gesang 
und  dem  Hirtenspiel  Thyrsis  und  Iris.  (Pastoral  Dialogue  be- 
twixt  Thyrsis  and  Iris.) 

V.  Akt.  1.  Phädra  zeigt  dem  staunenden  Gripus  den 
Becher,  welchen  sie  von  seinem  Rivalen  bekam;  er  erkennt  ihn 
sofort  als  den  seinigen.  Mercury  ist  herbeigeeilt  und  zwingt 
nun  Gripus,   alle  Ansprüche  auf  Phädra   aufzugeben.      Amphi- 


Jolm  Dryden.  201 

tryon  naht  mit  Waffen  und  befiehlt  Phädra,  sofort  seine  Gattin 
zu  holen,  worauf  ihm  diese  erwidert,  der  echte  Amphi tryon 
sei  bereits  im  Hause.  Zornigen  Mutes  will  Amphitryon  gegen 
dasselbe  losstürmen,  da  tritt  Juppiter  mit  Tranio  und  Polidas 
heraus.  Beide  sind  nicht  zu  unterscheiden.  (Two  Amphitryons 
—  both  shine  out  alike  —  two  Drops  of  Water  cannot  be  more 
like   —   They  are  two  very   sames.) 

Amphitryon  zieht  sein  Schwert  und  will  Juppiter  nieder- 
stechen, Tranio  und  Polidas  halten  ihn  zurück.  Niemand  wagt 
es,  eine  Entscheidung  zu  treffen.  Alcmena  schlägt  sich  auf  die 
Seite  Juppiters. 

Thy  Words,  thy  Thoughts,  thy  soul  is  all  Aniphitryon; 
Th'  Impostor  has  thy  Features,  not  thy  Mind, 

ruft  sie.      Juppiter  lädt  nun   alle   zu  einer  Aufklärung  ins  Haus. 

Come  in,  my  Friends:  and  thou,  who  seemest  Amphitryon; 
That  all  who  are  in  Doubt,  may  know  the  true. 

In  der  Zwischenzeit   giebt    sich   Mercury  der  Bromia  und 

Phädra,    sowie    dem    Gripus   und    dem    dazukommenden    Socia 

als    den    Gott    Merkur     zu     erkennen.        Donnerschläge     folgen. 

Aniphitryon  und   Alcmena    eilen    aus    dem    Hause,    Juppiter 

erscheint    („in    a    Machine")    und    löst    das    Rätsel,     alles    nach 

Moliere. 

Our  Sovereign  Lord  Jupiter  is  a  sly 
Companion;  he  knows  how  to  gild  a  bitter  Pill, 

sagt  Socia.  Alle  beglückwünschen  Amphitryon,  nur  Mercury 
enthält  sich  dessen;  ,,'t  is  a  nice  point!"  meint  er.  Amphi- 
tryon wird  Juppiters  Gunst  gerne  dulden  —  ,.he  's  a  good 
Heathen!" 

Noch  fügte  Dryden  einen  von  Phädra  gesprochenen  Epi- 
log bei,  welcher  die  schöne  alte  Zeit  preist.  Wie  schön  hatten 
es  die  Heidendamen! 

Adult'ry  was  no  Sin ; 
For  Jove  the  good  Example  did  begin. 

Dryden  hat  in  seiner  Vorrede  recht.  Seine  Arbeit  ist 
halb  Plautus,    halb  Moliere.1)      Moliere    ist    aber   immer- 


')  Hawkesworth,  sein  späterer  Bearbeiter  (S.  79.  "204)  sagt  (VIII) 
von  ihm:  Dryden  in  whom  sometbing  great  and  something  little  unhappily 
kept  Company  at  most  times,  in  the  course  of  bis  stage  eontract  f'ound 
it  easier  to  new  model  old  materials  than  to  create  w\\:  1  n  ■  arcordingly 
took  up  this  play  as  Moliere  had  lct't  it,  and  added,  besides  its  English 
dress,  much  that  was  strictly  bis  own. 


202  I.   Amphitruo. 

hin  seine  Haupt  quelle,  die  er  meist  wörtlich  übertrug.  Dem 
Plautus  nähert  er  sich  darum  an  jenen  Stellen  zunächst,  wo 
ihm  Moli  er  e  am  treusten  blieh,  so  z.  B.  II,  1  in  dem  ersten 
Auftreten  des  Socia,  in  seiner  Begegnung  mit  Merkur  und  die 
ganze  Szene  hindurch.  Was  Moliere  kürzte,  nahm  auch  Dryden 
nicht  auf;  dagegen  hat  er  die  Dialoge  übermässig  erweitert 
und  die  ganze  Fabel  entsetzlich  gedehnt,  besonders  einzelne 
Szenen  mit  ganz  schalen,  nichtssagenden  Reden  ausgestattet  und 
eine  Unmasse  seichter  Witze  über  mythologische  Dinge  einge- 
flochten. l)  Darum  hat  er  gerade  von  dem  frischen  Duft  der  Mo- 
liereschen  Komödie  nicht  das  Geringste  in  sich.  Während 
bei  Moliere  vornehmlich  in  diesem  Werke  die  hohe  Kunst  der 
Versifikation  Bewunderung  erzwingt,  hat  Dryden  sein  Lustspiel 
prosaisch  gemacht  und  eine  grosse  Anzahl  sehr  derber,  vom  mo- 
ralischen Gesichtspunkte  aus  höchst  zweifelhafter  Stellen  in  das 
ohnehin  schon  so  freie  Sujet  verlegt. 2)  Sehr  berechtigt  ist  darum 
Hippol.  Taines  Urteil3)  über  ihn.  „Wenn  er  ein  etwas  freies 
Stück  übersetzt,  den  Amphitryon  zum  Beispiel,  so  findet  er  es 
noch  zu  zahm  xmd  züchtig.  Alles  Schonende  und  Zarte  streift 
er  ab,  und  gerade  das  Anstössige  verschärft  er.  So  sagt 
Juppiter: 

For  Kings  and  Priests  are  in  a  manner  bound 
For  Reverence  sake,  to  be  close  hypocrites. 

Darauf  legt  er  offen  und  unumwunden  seinen  Despotismus  dar. 
Im  Grunde  dienen  ihm  seine  Sophismen  und  seine  Schamlosigkeit 
nur  dazu,  um  die  Theologen  und  ihre  unumschränkte  Gottheit  in 
Verruf  zu  bringen. 

Fate  is  what  I, 

By  Virtue  of  Omnipotence,  have  made  it, 

Ana  Power  omnipotent  can  do  no  Wrong, 

Not  to  myself,  because  I  will  it  so; 

Nor  yet  to  Men,  for  what  they  are,  is  mine. 

This  Night  I  will  enjoy  Amphitryon's  Wife; 

For  when  I  made  her,  I  decreed  her  such 

As  I  should  please  to  love. 

')  Bisweilen  auch  mit  satirischer  Färbung,  wie  V,  1  gegen  die 
Priester:  „Our  Jupiter  is  a  great  Comedian,  he  counterfeits  most  ad- 
mirably:  Sure  bis  Priests  have  copy  'd  their  Hypocrisy  froni  their  Master." 

2)  Man  vergleiche  z.B.  Phädras  Bemerkung  1,2:  My  Lady's  Eyes 
are  pinking  to  Bedward  too;  now  is  she  to  look  very  sleeply  counter- 
feiting  yawning  .  .  .;  Juppiters  Wort  (JJ,  2):  Teil  me  and  sooth  my 
Passion,  ere  I  go  .  .  .;  und  dann:  No,  no,  that  very  Name  of  Wife  and 
Marriage  is  Poison  to  the  dearest  Sweets  of  Love  u.  s.  f.  Dies  findet 
sich  allerdings  (I,  3)  auch  bei  Moliere,  aber  in  wie  unendlich  feiner 
Wendung.    Ygl.  hierzu  die  Bemerkung  bei  Mol  and,  V,  53. 

3)  Geschichte  der  englischen  Litteratur  von  H.  Taine.  Autorisierte 
deutsche  Ausgabe.  Zweiter  Band.  Das  klassische  Zeitalter  der  eng- 
lischen Litteratur.  Bearbeitet  von  Gustav  Gerth.  Lpz.  (Günther)  1878, 
S.  35.  36. 


John  Drydeu.  203 

..Diese  offne  Pedanterie  wird  zur  offenen  Begierde,  sobald  er 
Alkmene  erblickt.  Kein  Detail  ist  übergangen.  Juppiter 
spricht  sich  gründlieh  aus,  und  zwar  in  Gegenwart  der  Dienerin; 
und  als  er  am  andern  Morgen  fort  will,  da  umfangt  sie  ihn,  sie 
will  ihn  nicht  fortlassen  und  überbietet  ihn  noch  in  den  vertrau- 
lichsten Andeutungen. J)  All  die  edlen  Formen  feinster  Galanterie 
sind  hier  abgelegt,  wie  ein  lästiges  Gewand;  der  ungenierteste 
Zynismus  ist  an  Stelle  aristokratischer  Dezenz  getreten.  Der 
Dichter  hat  bei  dieser  Szene  sich  nicht  Ludwig  XIV.  und  Frau 
von  Montespan,  sondern  Karl  IL  und  die  Castlemaine  zum  Vor- 
bild genommen." 

Diese  prickelnden  Beisätze  zeigen  genau  den  Geist  jener 
Zeit,  dem  Dryden  so  sehr  nachgab,  Dryden,  der  ja  noch  stark 
von  jenem  sittenlosen  Lustspiele  seiner  Vorgänger  infiziert  ist, 
von  dem  sich  loszureissen  er  sich  allerdings  später  bemühte.2) 
Ganz  nach  dem  Geschmacke  jener  Zeit  sind  auch  die  von  ihm 
neu  geschaffenen  Gestalten,  so  z.  B.  die  beiden  Schwätzerinnen 
Phädra  und  Bromia,  steif,  mit  einer  Art  von  Witz,  die,  da  sie 
nicht  aus  dem  Herzen  kömmt,  nicht  zum  Herzen  spricht,  man 
möchte  sagen,  voll  akademischen  Geredes,  wäre  es  nicht  zum  grössten 
Teile  inhalts-  und  geschmacklos. 3) 


')  Als  Juppiter  gehen  will,  darauf  hinweisend,  dass  der  Morgen 
graut,  sägt  Alkmene  zu  ihm: 

But  you  and  I  will  draw  our  Curtains  close, 

Extiuguish  Daylight,  and  put  out  the  Sun. 

( 'ome  back,  my  Lord  .  .  . 

You  have  not  yet  laid  long  enough  in  Bed 

To  warm  your  widowed  Side.     (II,  2.) 
Mau   vergleiche   die   römische   Matrone   des  Plautus  und  das  tugend- 
hafte Weib  bei  Moliere  mit  dieser  mitteilsamen  Persönlichkeit. 

2)  Vgl  H.  Hettner,  Geschichte  der  englischen  Litteratur.  3.  Aufl. 
1872,  pag.  94. 

3)  Treffend  urteilt  Francis  James  Child  in  seinen  oben  (S.  186  A.  4.) 
angeführten  Four  Old  Plays  (Introd.  IX),  wo  er  Walter  Scotts  Wort 
anführt,-  der  Drydens  Amphitryon  als  „one  of  the  happiest  effusions 
of  Dryden's  comic  muse"  bezeichnet:  „This  is  not  the  place  to  expatiate 
im  the  merits  of  the  Latin  play:  but  the  assertion  may  be  hazarded 
without  much  risk,  that  both  the  original  and  Thorton's  Version  are, 
taken  as  wholes,  considerably  superior  to  any  of  the  imitations.  Indeed, 
tln-  cliaracter  of  Alcmena.  as  drawn  by  Plautus,  so  truly  innocent.  simple 
and  loving,  her  distress  on  being  suspected  by  her  husband,  and  bis 
agony  at  finding  her,  as  he  believes,  dishonest,  immediately  suggest.  as 
the  accomplishfjd  translator  has  observed,  a  not  discreditable  comparison 
witli  our  Othello.  We  may  add,  too,  that  the  conclusiüii  of  the  fourth 
act,  where  Amphitryon,  „perplexed  in  the  extreme,"  and  defying  the 
gods  in  the  intcnsitv  of  Ins  despair,  rushes  to  the  house  to  wreak  liis 
vinneance  on  his  family  and  is  Struck  down  by  lightening  rises  to  gran- 
deur,  ahuost  to  sublimity,  and  niust  produce  immense  dramatic  effect 
in  the  representation.  Very  Little  of  this  »öri  of  thing  appears 
in  the  modern  play.     Wliat  Dryden  has  made  of  Alcmena  will 


204  I-   Ampkitruo. 

Ins  Jahr  1694  fällt  L.  Echards  Übersetzung  des  plau- 
tinischerj  Amphitruo1)  in  8°,  der  1746  jene  von  Th.  Coocke 
in   120  folgte.-) 

Im  Jahre  1764  wurde  im  Drury-Lane  Theater  eine  Oper 
Alcmena  von  Michel  Arne  und  Battishill  gespielt.3) 

In  einer  späteren  Zeit,  als  man  an  die  Bühne  vom  Stand- 
punkte der  Sittlichkeit  höhere  Anforderungen  zu  stellen  begann, 
musste,  wenn  Drydens  Amphitryon  sich  auf  derselben  halten 
sollte,  so  manches  unterdrückt  werden.  Diese  Neubearbeitung 
des  Drydenschen  Amphitryon  übernahm  Dr.  Hawkesworth  im 
Jahre  1792. 4) 

Die  Gründe  dieser  Neubearbeitung  und  einzelner  Änderungen 
werden  in  der  „Preface",  wie  folgt,  auseinandergesetzt:  The 
abilities  of  Dryden,  as  a  writer,  are  so  generally  and  so  justly 
acknowledged  to  be  of  the  first  class,  that  it  would  be  something 
worse  than  impropriety  to  alter  any  of  his  productions  without 
assigning  the  reason.  For  the  alteration  of  his  Amphitryon, 
indeed,  the  reason  is  evident;  for  it  is  so  tainted  with  the  pro- 
faneness  and  immodesty  of  the  time  in  which  he  wrote,  that  the 
present  time,  however  selfish  and  coiTupt,  has  too  much  regard 
to  externa!  decorum,  to  permit  the  representation  of  it  upon  the 
stage,  without  drawing  a  veil,  at  least  over  some  inaccuracies, 
which  were  remarked  on  the  examination,  which  these  alter- 
ations  made  necessary,  also  are  removed,  of  which  the  following 
are  the  chief. 

In  the  scene  between  Sosia  and  Mercury  in  the  second 
act,  Amphitryon  is  supposed  to  have  seilt  a  buckle  of  diamonds 
by  Sosia,  as  a  present  to  Alcmena;  fort  Sosia  first  asks  Mercury, 
if  Amphitryon  did  send  a  certain  servant    with  a  present 


be  unterstood,  when  we  observe  that  he  adapted  her  to  the 
Standard  of  contemporary  taste.  Yet  Scott  has  strangely  said, 
that  „in  the  scenes  of  higher  cast,  Dryden  far  outstrips  both  the  French 
and  Roman  poet" ! 

Im  zweiten  Band  der  Memoirs  of  John  Dryden  (Paris  1826), 
S.  55,  spricht  Walter  Scott  vom  Amphitryon  „in  which  Dryden 
displays  his  comic  powers  to  more  advantage  than  anywhere". 

!)  Halliwell,  pag.  16.  Amphitryon.  Comedy  translated  front 
Plautus,  by  L.  Echard.    8°.    1694. 

2)  Sulz  er.    III,  704b. 

3J  Clement,  Dict.  lyrique,  page  19. 

4)  Amphitryon;  or,  the  two  Socias.  A  comedy,  as  altered 
from  Dryden  by  Dr.  Hawkesworth.  Adapted  for  theatrical  represen- 
tation,  as  performed  at  the  Theatres-Royal,  Drury-Lane  and  Covent 
Garden.  Regulated  from  the  Prompt -Books.  By  permission  of  the 
Managers.  London.  Printed  for  the  proprietors  under  the  direction  of 
John  Bell,  British  library,  Strand  1792. 


Dr.  Hawkesworth.  205 

to  bis  wife;1)  and  soon  af'ter  asks  liim  ,,what  tbat  present  was", 
whieh  by  Mercury's  answer  appears  to  be  tbe  diamond  buckle; 
yet  in  tbe  scene  between  Ampbitryon  and  Alcmena  in  tbe  tbivd 
act,  Avben  Alcmena  asks  bim,  as  a  proof  of  bis  having  been  witb 
her  before,  from  whose  bands  she  bad  tbe  jewel,  be  cries  ont: 
..Tbis  is  amazing;  bave  I  already  given  you  those  diamonds?  tbe 
present  I  reserved".  —  And  instead  of  supposing  tbat  Sosia 
bad  delivered  tbem  as  part  of  his  errand,  whieh  be  pretended, 
be  could  not  execute,  be  appeals  to  him  for  tbeir  being  in  safe 
cnstody  reserved  to  be  presented  by  himself.  Tbis  is  an  incon- 
sistency  pecnliar  to  Dryden;  for  neitber  Plautus  nor  Moliere  any- 
where   mention  tbe  present   to  bave  been  sent  by  Sosia. 

Tbere  is  anotber  inaccnracy  of  tbe  same  kind,  whieh  occurs 
botb  in  Plautus  and  Moliere.  It  appears  in  tbe  second  act,  tbat 
one  part  of  Sosia's  errand  was  to  give  Alcmena  a  particular 
account  of  tbe  battle;  and  Sosia's  account  of  his  being  prevent- 
ed,  is  so  extravagant  and  absurd,  tbat  Ampbitryon  cannot  believe 
it:  yet,  when  Alcmena,  in  tbe  tbird  act,  asks  Ampbitryon,  bow 
she  came  to  know  what  be  bad  sent  Sosia  to  teil  her, 
Ampbitryon  in  astonisbment,  seems  to  admit  tbat  she  could  know 
the  particulars  only  from  himself,  and  does  not  consider  her 
question  as  a  proof  tbat  Sosia  had  indeed  delivered  his  message, 
though  for  some  reasons  he  had  pretended  the  contrary,  and  for- 
ged  an  incredible  story  to  account  for  his  neglect.  As  it  would 
bave  been  much  more  natural  for  Ampbitryon  to  bave  supposed 
tbat  Sosia  had  told  him  a  lie,  than  tbat  Alcmena  bad,  by  a 
miracle,  learned,  what  only  he  and  Sosia  could  teil  her,  witbout 
seeing  either  of  tbem,  tbis  inaccuracy  is  removed,  by  introducing 
such  a  supposition,   and  making  the  dialogue   correspond  witb  it. 

In  the  second  act,  Jupiter,  in  the  character  of  Ampbitryon, 
leaves  Alcmena  witb  much  reluctance,  pretending  haste  to  return 
to  tbe  camp,  and  great  solicitude  to  keep  his  visit  to  her  a 
secret  from  the  Tbebans:  yet  when  he  appears  again  in  tbe  tbird 
act,  wbich  he  knew  would  be  taken  for  tbe  tbird  appearance  of 
Anipbitryon,  just  af'ter  his  departure,  wbich  seems  to  be  absolu- 
tely  necessary  to  maintain  his  boiTOwed  cbaracter  consistontly: 
and  witbout  dropping  the  last  bint  of  liis  being  no  longer  soli- 
citous  to  conceal  his  excursion  from  the  camp,  he  sends  Sosia 
to   invite   several   of  tbe  Citizens  to  dinner. 

Many  other  inaccuracies  less  considerable  and  less  apparent, 
bave    been    removed,     whicb    it     is    not    necessary    to    point    out: 


')  Über  solche  Inkonsequenzen  s.  bei  Sauppe,  Wanderungen  auf 
dem  Gebiete  der  Sprache  und  Litteratur,  S.  222.  (Geppert.  Plautin. 
Studien.    I,  61.) 


206  !■   Amphitruo. 

whoever  shall  rliink  it  worth  while  diligently  to  compare  the  play 
as  it  stood  with  the  altered  copy,  can  scarce  fail  to  see  the  reason 
of  the   alterations,   as  they  occur. 

Auch  sonst  findet  Dr.  Hawkesworth  vieles  zu  tadeln,  vor 
allem  das  etwas  zu  freie  Benehmen,  mit  dem  sich  Amphitryon 
und  Alcmena  vor  ihrer  Dienerschaft  geben.  Nochmal  fasst  er 
seine  Verbesserungen  in  den  Worten  (V.)  zusammen:  If,  after  all, 
it  be  asked,  why  this  play  was  altered  at  all,  I  answer,  because 
it  might  otherwise  have  been  revived,  either  by  other  managers, 
or  at  another  house,  without  being  altered,  otherwise  than  being 
maimed;  some  parts,  indeed,  would  have  been  left  out,  but  as 
nothing  would  have  been  substituted  in  the  stead,  it  would  have 
become  imperf'ect  in  proportion  as  it  became  less  vicious;  and 
would  still  have  been  so  vicious  in  the  very  constituent  parts, 
as  to  sully,  and,  perhaps,  corrupt  almost  every  mind,  betöre 
which  it  had  been  represented.  But  though  I  should  have  been 
sorry,  to  see  the  Joint  work  of  Plautus,  Moliere  and  Dryden  so 
mutilated  as  to  lose  that  proportion  of  parts,  by  which  alone 
those  parts  can  constitute  a  whole;  yet  my  principal  view  was 
effectually  to  prevent  the  exhibition  of  it  in  a  condition,  in  which 
it  could  not  be  safely  seen:  and  this,  I  hope,  will  be  admitted 
as  a  sufficient  apology  for  my  having  thus  employed  some 
hours  of  that  time,  which  shall  return  no  more,  by  those  avIio 
have  little  regard  for  Amphitryon  as  a  piece  of  ancient  humour, 
retouched  and  heightened  by  two  of  the  most  eminent  masters 
that  modern  times  have  produced. 

Dem  Prolog  Drydens  ist  ein  neuer  beigegeben,  der  wieder- 
holt den  Zweck  der  Neubearbeitung  deutlich  ausspricht: 

(X)  The  scenes,  which  Plaulus  drew,  to-night  we  shew 

Touch'd  by  Moliere,  by  Dryden  taught  to  glow. 
Drydeu!  —  in  evil  days  bis  genius  rose, 
When  wit  and  decency  were  constant  foes. 

Freed  froni  bis  faults  we  bring  bim  to  tbe  fair. 
And  urge  once  more  bis  claim  to  beauty's  care. 


(XI)  Yet  not  on  wbat  we  give,  our  fame  must  rise: 

In  what  we  take  away,  our  merit  lies. 

To  make  wit  bonest  was  our  only  claim: 
If  we  succeed,  some  praise  we  boldly  ask  — 
To  make  wit  bouest  is  no  easy  task. 

Unter  den  Personen  ist  Tranio  unter  den  „dramatis  per- 
sonae"  als  Traneo,  im  Stücke  aber  wieder  als  Tranio  bezeich- 
net. Die  Kürzungen  sind  sehr  zahlreich.  Das  lange'  Gespräch 
zwischen  Mercury  und  Phöbus  (I,   1)  beschränkt  sich  auf  drei- 


Hawkesworth  u.  a.  207 

zehn  Zeilen.  Juppiter  erzählt  ganz  kurz  seine  Absicht;  weniger 
zugeschnitten  ist  Mercurys  Gespräch  mit  der  Nacht.  Auch  in 
der  nächsten  Szene  —  Juppiter-Amphitryons  und  Alcmenas 
Begrüssung  —  haben  nur  einige  etwas,  anstössige  Worte  fallen 
müssen.      In  dieser  Art  ist   das  ganze  Stück  gehalten. 

Ausser  den  oben  angeführten  Änderungen  hat  sich  Hawkes- 
worth keine  Zuthaten  erlaubt,  als  hin  und  wieder  einige  durch 
Auslassungen  nötig  gewordene  Verse  und  Stichworte.  Unterdrückt 
sind  auch  die  Gesänge  am  Schlüsse  des  dritten  Aktes  (Celia, 
that  I  once  was  blest),  Mercury's  song,  das  Pastorale  Thyrsis  und 
Iris  (IV.);  dafür  findet  sich  neu  eingelegt  ein  „song  by  a  person 
who  enters  in  the  character  of  Plutus"  (S.  88)  und  dann  ein  Ge- 
sang einer  Nymphe    „in  the  character   of  Wit". 

Sosias  Schlussworte  sind  andere,  als  bei  Dryden.  Statt 
der  Drydenschen : 

For,  let  the  wicked  World  say  what  they  please, 

The  fair  Wife  makes  her  Husband  live  at  Ease; 

The  Lover  keeps  him  too;  and  but  receives, 

Like  Jove,  the  Remnants,  that  Amphitryon  leaves: 

'T  is  true  the  Lady  has  enough  in  störe 

To  satisfy  those  two  and  eke  two  more: 

In  fiue,  the  Man,  who  weighs  the  Matter  fully, 

Wou'd  rather  be  the  Cuckold  than  the  Gully. 

hat  Hawkesworth  die  folgenden: 

But  —  down  ambition!  let  me  not  complain  — 
Enough  that  I  am  Sosia  once  again! 
Though  not  a  cuckold,  yet  content  I  '11  be; 
The  great  nian's  happiness  is  not  for  me. 
But  of  niyself  shall  I  be  robb'd  no  more? 
Your  voice  „ye  learned  Thebans"  I  implore  — 
Give  me  your  suffrage,  I'll  be  Sosia  still; 
Let  bully  Merc'ry  there  do  what  he  will. 

Phädras  Epilog  fehlt. 

Dass  Drydens  Amphitryon  auch  in  dieser  Gestalt  kein 
Glück  machen  werde,  ahnt  der  Bearbeiter  selbst.  „In  the  present 
age  a  mythological  play  will  rarely  find  a  very  splendid  fortune, " 
sagt  er.  Dazu  bedurfte  es  der  Feinheit  und  Vollendung  eines 
Moliere.  Dryden  war  diesem  Probleme  nicht  gewachsen;  ja 
es  scheint  fast,  als  hätten  ihn  Nebenzwecke  zu  diesem  Stoffe 
veranlasst. 

An  die  Hawkesworthsche  Bearbeitung  Drydens  hat 
sich  späterhin  der  Schauspieler  Wo  od  ward  angelehnt  und  noch- 
mal, wohl  durch  Moliere  angeregt,  von  dessen  Amphitryon 
1714    die    Übersetzung    von    Ozell    und     1732     eine    andere    in 


208  I-   Anrphitruo. 

England    erschienen   war,1)    John    Oxenford    (geh.    1812;    gest. 
21.  Febr.   1877). 2) 


Eine  deutsche  Bearbeitung  des  Amphitruo  lieferte  im 
Jahre  1608  Wolfahrt  Spangenberg:3)  Comödia,  inhaltend  die 
Empfengknüss  vnd  Geburt  Herculis,  auss  dem  Lateinischen 
Maccii  Accii  Plautii,  verteutscht  durch  M.  Wolfahrt  Span- 
genberg. 

Es  war  mir  nicht  möglich,  irgendwo  ein  Exemplar  dieses 
Stückes  aufzutreiben. 

Eine  der  seltsamsten  Paraphrasen  des  Amphitruo  ist  des 
Johannes  Burmeister  Stück  Sacri  Mater  Virgo,4)  eines  der 
seltensten  Bücher,  dessen  Kenntnis  ich  der  Freundlichkeit  der 
kgl.  Bibliothek  zu  Berlin  verdanke.  Hier  ist  in  einer  manchmal 
fast  bedenklichen  Weise  die  Geburt  Christi  in  den  Amphi- 
truo verlegt.  Den  Inhalt  des  Stückes  mag  uns  am  besten  des 
Dichters  eigenes  Argumentum  Germanicum  Matris  Virginis 
(S.  99  ff.)  geben. 

Hören  wir  ihn   selber: 


')  Le  Molieriste.    EU,  pag.  61.  62. 

2)  Le  Molieriste.  I,  318.  LAinphitryon  de  M.  John  Oxenford, 
d' apres  Dryden  est  copie  sur  celui  de  Moli  er  e.  —  Despois  (Ausg.), 
S.  351.  Parmi  les  versions  separees  d'Amph,itryon  nous  citons  .  .  .  une 
autre  egalement  d' apres  Dryden  faite  aux  Etas  unis  par  John  Oxen- 
ford. —  Ob  dies  etwa  die  Komödie  des  J.  Oxenford:  I  and  my  Double. 
A  farce  in  two  acts  .  .  .  as  performed  at  the  Theatre  Royal  English 
Opera  (zu  Ende  der  dreissiger  Jahre  gedruckt),  ist,  habe  ich  nicht  eru- 
ieren können.  In  F.  Bornmüllers  Schriftsteller-Lexikon,  Lpz.  1882, 
S.  545,  ist  keine  Komödie  Amphitruo  aufgeführt,  wohl  aber  erwähnt, 
dass  Oxenford  mehrere  seiner  Stücke  dem  Französischen  und 
Deutschen  entnahm. 

3)  Er  war  aus  Mansfeld  (geb.  um  1570,  Sohn  des  Cyriacus  Sp.), 
lebte  aber  später  in  Strassburg  (gest.  wahrscheinlich  1637).  Er 
nannte  sich  auch  Lycosthenes  Psellionoros  Androp  ediacus  und 
gab  unter  diesem  Namen  in  Nürnberg  seine  „Singschul",  eine  Art 
Geschichte  der  Meistersänger,  heraus,  die  Gottsched  (I,  186)  ins  Jahr 
1630  setzt.  Er  übersetzte  griechische  und  lateinische  Dramen  und  schrieb 
eigene  Stücke  (Simson  1604;  Mammons  Sold  1614).  (Koberstein.  I,  427. 
Kurz.  II,  104.  Schnorrs  Archiv.  XI,  S.  319.  Anzeiger  für  deutsches 
Altertum.    I,  S.  159.     Strassburger  Studien.    I,  S.  374— 379.) 

4)  M.  A.  Plauti  |  Renati  |  sive  |  Sacri  |  Mater-Virgo  |  Comoedia  prima 
ex  Am Iphitruone  |  Ad  ]  Admirandvm  Conjceptionis  et  Incarjnationis  Filii 
Dei  |  Misterium  |  inversa.  |  Joan.  |  Burmeistero  Lu  nae-burg.  P.  L.  Caes. 
Recen  sente  |  Ignobilis  Bura  Lucratur  |  Invidia  Bucca  Lacrumatur  |  Lune- 
burgae  |  Excudebat,  Andreas  Michaelis  |  M.  DC.  XXI.  |  108  Seiten.  — 
S.  Gödeke,  Grundriss.  I,  138.  —  Nach  freundlicher  Mitteilung  des 
Herrn  Stadtbibliothekars  W.  Görges  in  Lüneburg  enthält  die  dortige 
Bibliothek  von  Burmeister  nur:  Martialis  Renati  Parodiarum  sacra- 
i'iiin  pars  prima,  media,  ultima.     Goslaviae  (Stern)  1612.    12°. 


J.  Burmeister.  209 

Als  in  Jerusalem  der  Stadt 

Joseph  ein  newn  Tempi  gebawt  hat, 

Auff  König  Herodis  befehl: 

Wird  gesendet  auss  dem  Himmel 

Der  Engel  Gabriel  von  Gott, 

Gen  Nazareth  mit  dem  Gebot: 

Das  Maria  die  Jungfraw  rein, 

Würd  ohn  Manns  zu  thun  schwanger  sein, 

Durch  Krafft  des  heilgn  Geists  gebärn 

Der  Welt  Heyland,  Christum  den  HErrn. 

Welchs  dem  Asmodi  gefeit  nicht, 

Daher  grossen  Betruch  anrieht: 

Herodes  hat  Joseph  verehrt 

Ein  güldn  Pocal,  den  offeriert 

Asmodes  Jungfrawn  Mariae 

Vntr  der  gestalt  des  Sosiae. 

Treibt  von  der  Thür  den  Sosiam, 

Verwirrt  Joseph  vnd  Mariam. 

Als  Joseph  Mariam  schwangr  sieht, 

Vnd  jhrem  bericht  trawet  nicht, 

Vermeint  er  ohn  allen  scheu 

Das  sie  ihm  gewordn  sey  vntreu, 

Gedenckt  derwegn  billicher  massn, 

Nach  dem  Gesetz  sie  zu  verlassn. 

Der  Engel  thut  Joseph  bericht, 

Ihn  im  Geheimbnuss  vnterricht, 

Joseph  trawet  des  Engels  Wort, 

Nimpt  Marian  an  also  fort, 

Vnd  werden  eins  in  ihrem  Sinn, 

Gen  Bethlehem  zu  reisen  hin, 

Des  Keysers  Gebott  nach  zu  lebn, 

Vnd  von  jhrn  Gütern  schätz  zu  gebn. 

Asmodes  aber  Buhet  nicht, 

Zu  Bethlehem  vnruh  anrieht, 

Bringt  auss  durch  ein  falsches  Geschrey 

Das  Maria  geschwengert  sey, 

Wiedr  das  Gesetz,  für  der  Hochzeit, 

Ein  Priester  begert  darvon  bescheidt 

Zu  wissn,  denselben  mit  vngebuer 

Treibt  Asmodes  ab  von  der  Thür. 

Der  Priester  meint,  dz  durch  den  Knecht 

Joseph  diss  alles  angelecht, 

Maria  vnd  Joseph  geben  bericht, 

Der  Priester  aber  wils  glauben  nicht, 

Das  die  sach  so  geschaffen  sey, 

Endtlich  verbleibet  es  darbey: 

Da  sich  in  der  Geburt  rechtr  massn, 

Wurdn  Zeiclm  der  Jungfrawschafft  findn  lassn, 

Vnd  die  Wehmuttr  bröcht  Zeugnus  dar 

Wolt  er  gleubn  das  es  were  wahr. 

Darauff  den  Hirten  auff  dem  Fehlt, 

Der  Engl  Christi  Geburt  vermeldt. 

Die  Wehmuttr,  mit  verwundrung  sehr 

Sagt,  dz  vnverletztr  Jungfrawn  Ehr, 

Maria  geborn  ein  Wundr  Kind, 

Darzu  der  Hirtn  Zeugnus  sich  findt, 

Joseph  Erfrewt  sich  der  Geschieht, 

Vnd  wird  alls  mit  Frewdn  aussgericht: 

14 


210  I-   Amphitruo. 

Argumentum  actus  |  primi: 

Josejdis  Knecht  Sosia  bericht 

Wie  des  Templs  gebäwt  sey  verriebt. 

Und  das  wegn  angewantem  fleiss, 

Joseph  erlanget  Ehr  vnd  Preiss, 

Sey  dem  König  wordn  lieb  vnd  werth. 

Mit  einem  Güldn  Pocal  verehrt, 

Wie  er  abr  solches  in  der  still 

Des  Josephs  Braut  verkündigen  will, 

Steht  Asmodes  dar  für  der  Thür, 

Vnd  treibt  jhn  ab  mit  vngebuer, 

Gibt  für  das  er  sey  Josephs  Knecht, 

Sosia  muss  jhm  geben  recht, 

Wird  geschlagn,  muss  betrübt  weg  gehn, 

Vnd  lassn  jhn  für  der  Thüre  stehn, 

Asmodes  meint  durch  seine  List, 

Zu  verhindern  was  vorhanden  ist, 

Kans  abr  zu  wege  bringen  nicht. 

Gabriel  sein  Werbung  aussricht, 

Das  auss  des  heilign  Geistes  Krafft, 

Ohn  Verletzung  der  Jungfrawschafft 

Maria  schwanger  soll  gebarn 

Der  Welt  Heyland,  Christum  den  HErrn, 

Wordurch  Asmodes  sehr  erschreckt 

Jedoch  seinen  betruch  bedeckt. 

Argumentum  actus  |  seeundi: 

Im  andern  Act  Joseph  kompt  herein 
Mit  Sosia  dem  Knechte  sein, 
Welchr  bericht  das  er  gleichr  Figur, 
Am  Gesicht,  Kleidung  vnd  Statur, 
Ein  andern  Sosiam  gesehen, 
Zu  Nazareth  für  der  Thür  stehn, 
Joseph  vermeint  es  sey  erlogn, 
Odr  Sosia  sey  wordn  betrogn. 
Maria  find  sich  schwangr  zu  handt, 
Als  Joseph  erfahrt  jhrn  zustandt, 
Ist  jhm  die  sach  verdechtig  sehr, 
Will  jhren  Wortn  nicht  glauben  mehr 
Gedenckt  auff  mittl  sie  zuverlassn, 
Maria  ist  betrübt  vbr  die  massn, 
Das  jhr  beweist  wird  solche  schmach. 
Doch  thut  sie  GOtt  befehlen  jhr  sach. 

Argumentum  actus  |  tertii: 

Im  Traum  der  Engel  Gabriel 
Trost  des  trawrigen  Josephs  Seel, 
Entdeckt  ihm  das  Geheimbnuss  gross, 
Vnd  macht  sein  Hertz  des  argwohns  loss, 
Des  Propheten  Zeugnüss  erklert, 
Vnd  drauff  ferner  an  jhn  begehrt, 
Weil  Maria  Ehr:  vnd  Tugent  voll, 
Er  sie  billig  annemen  soll, 
Joseph  bald  auff  des  Engels  Rhat 
Sich  mit  Maria  versühnt  hat, 


J.  Burmeister.  211 

Verreisen  beid  gen  Bethlehem. 
Asm  ödes  erschreckt  in  geheim 
Erdenckt  ein  ander  Bubenstück, 
Sie  zu  bringen  in  Vngelück. 

Argumentum   actus  j  quarti: 

Im  virdten  Actu  werd  jhr  hörn 
Wie  Asmodes  erfüllt  die  Ohrn 
Des  Priesters  mit  einm  falschn  Geschrey, 
Als  wann  Maria  schwanger  sey 
Durch  Hurerey,  will  wissen  grund, 
Vnd  fordern  abtracht  für  die  Sund. 
Asmodes  hat  verschlossn  die  Thür, 
Lest  den  Priestr  verspot  stehn  dafür. 
Der  Priestr  an  Sosia  rächet  sich, 
Weil  Asmodes  jhrn  war  einlich, 
Mariam  vnd  Joseph  zur  red  stelt, 
Das  Geheimbnus  jhm  wird  vermeldt, 
Mit  der  Schrifft  zeugnus  bewehrt  ebn, 
Noch  will  er  jhnn  keinn  glauben  geben : 
Es  sey,  den  das  die  Jungfrawschafft 
In  der  Geburt  sehn  lass  jhr  Krafft. 

Argumentum  actus  |  quinti: 

Der  Engl  verkündigt  auff  dem  Feldt 
Denn  Hirtn,  das  der  Heyland  der  Welt 
Zu  Bethlehem  geboren  sey. 
Die  Wehmutter  bezeuget  frey, 
Das  Maria  das  Kindt  geborn, 
Vnd  jhr  Jungfrawschafft  nit  verlorn, 
Die  Hirten  bringen  Newe  Meer, 
Joseph  frewt  sich  vbr  die  mass  sehr, 
Danckt  Gott,  sie  verfügn  sich  zu  haus, 
Vnd  geht  das  Spiel  mit  Frewden  auss. 

Die  Personen  des  Stückes  sind:  Gabriel,  Prologus;  Sosia, 
Servos;  Joseph;  Maria,  Virgo;  Asmodes;  Flamen  Judaicus;  Obste- 
trix;  Pastores,   tres. 

Der  Text  ist  wörtlich,  soweit  es  der  Inhalt  zulässt,  mit  dem 
plautinisclien  Originale  übereinstimmend. 

Gabriel  als  Prologus  hat  sich  die  Worte  des  Mercurius  angeeignet: 

Vt  vos  in  vostris  voltis  caerimoniis 
t/horo,  foro,  toröque  me  laetum  sacris 
Afficere  atque  adjuvare  in  rebus  Omnibus: 
Et  ut  res  prece'sque  vestrorum  omnium 
Beue,    exaudiri  voltis,   peregreq;  &  domi 
Bonoque  atq;  amplö  auctare  perpetuö  lucrö 

u.  s.  w.   bis    V.    12: 

Mihi  esse  ab  ahnd  Jehova,  ut  praesim  nuncüs. 

(V.  15.)    Ita  lmic  facieti^  Uistoriae  silentium, 

14* 


dann : 


212  I-   Amphitruo. 

bis    die    mythologischen     Berichte    (V.    19)    weitere     Änderungen 
nötig  machen: 

Bei  jussu  venio:  GABR1ELIS  est  mihi 
Nomen.     Me  huc  misit  ad  vos  oratum   Dens 


( V.  24.)     Verum  profectö  hoc  petere  me  precariö 

A  vobis  jussit  CHRISTUS  Qtüv&QomoQ.     Licet 
Etenim  il/e  essentiä  aeterno  aequalis  patri, 
Quia  tarnen  carnem  vostram,  sine  labe,  induit, 
Humana  matre  natus  divinö  patre: 
Mirari  non  est  aequum,  si  sibi  praetimet, 
Ne  capti  ab  ASMUÜE  hoste,  Adami  ut  filii, 
Contagione  Uta  detis  turbas  novas. 
Propterea  face  advenio,  &  pacem  ad  vos  adfero. 
Verum  rem,  at  inauditam  ante,  vobis  nuncio. 
Nam  ver'e  ä  verö  sum  vobis  nuncius  datus. 
Nam  falsa  verum  nnnciare  non  decet 
Falsa  autem  ä  vero  petere  insipientia  'st. 
Quippe  ille  falsum,  är  vanum  ignorat,  neque  tenet. 
Nunc  jäm  hüc  animum  ad  ea,  quae  loquar,  advortite. 
Debetis  velle  quae  velim:  mcruit  enim 
Qui  me  misit  de  vobis,  atque  Ecclesiä. 
Nam  quid  ego  memorem  (ut  alios  in  tragoediis 
Vidi  heroas  Josephum,  Mosen,  Josuam, 
Samsonem,  Jsaidem,  commemorare  quae  bona 
Suis  fecissent)  queis  benefactis  unicus 
Deum  regnator,  architectus  omnibus? 
Set  mos  is  nunquäm  tri-uni  fuit  DEU 
Ut  exprobraret  quod  bonus  faceret  bonis 

und   so  geht  es  fort,   meist   sich  an  das   Original  anschliessend  bis 
zur  Exposition  der  Lage  (V.   97): 

Haec  urbs  est  NAZARETB.    In  hisce  habitat  aedibus 
MARIA  virqo,  nata  ex  JEBOLAK IM  0  patre, 
JOSEPBl  sponsa  fahrt  de  DA  V IBIS  tribu. 
Is  nunc  JOSEPH  profectus  est  Hierosolymam. 
Nam  rex  HERODES  templum  slrui  curat  novum: 
Is  prius  quam  hinc  abiit  ä  rege  conductus  ad  opus 
Hüne  virffinem  MARI  AM  despondit  sibi: 
Sed  non  usuram  cepit  ejus  corporis. 
Jam  ego  vos  novisse  credo,  ut  sit  bonitas  DEL 

Es  folgt  ein  weiterer  theologischer  Abschnitt  über  den 
Sündenfall  und  die  Erlösung;  der  Schluss  nähert  sich  wieder  dem 
plautinischen  Wortlaut. 

Das  Zusammentreffen  des  Sosia  und  Asmodes  schliesst  sich 
enge  ans  Original  an. 

Qui  me  alter  est  audacior  homo?  4'  simul  impru/l entior? 
Qui  militareis  mores  sciam,  qui  hoc  noctis  solus  ambulem? 
Quid  faciam  nunc,  si  latrocinatis  manus  me  apprehender/t? 

beginnt    Sosia    seine   Rede.      Was    der    plautinische    Sklave    vom 
Teleboerkrieg  sich  zurecht  richtet,    gilt  hier  für  den  Tempelbau: 


J.  Burmeister.  213 

Id.  su>/>]>tt<  regio  atque  opificüm  operä  sfructum  est  aedißcium, 

Arte  atq;  industriä  heri  uiei  J0SEPH.1  maxume, 

Qui.  pro  discretione,  operi  praefecit  artifieeis,  suä 

Regiq :  sie  HER0D1  Magno  reguum  stabilivit  suum. 

Me  ab  urbe  praemisit  douium,  haec  ut  sponsae  nunciem  suae. 

Ut  struxerit  /c//t/>/i  arcam  duetu,  imperio,  auspicio  suo. 

Ea  nunc  meditabor,  quo  modo  Uli  dicam,  quum  illo  advenero. 

Si  dixero  mendacium.  solens:  meo  niore  fecero. 

Xam  quom  struebanl  Uli,  ego  laborem  fugiebam  maxume. 

u.  s.  w.   Hinsichtlich  der  langen  Nacht  meint  Sosia  (nach   V.  271): 

Certe  edepol  scio.  si  quiequam  :st  quod  credam  certo  sciam 
Credo  ego  hac  noctu  MESSlAM  promissum  adfore, 
Xam  ecce  Libra  horoscopat  cum  spica  virginis, 
Et  cum  praesepi  Cancer  alte  in  coelo  culminat  ! 

vl.  s.  w.      Asmodes  freut  sich  des  Dunkels  wie  Merkur  (V.   '277  i: 
Perge.  nox  ut  oecoepisti;  gere  fraudi  morem  meae. 

In  dieser  Weise  ist  das  ganze  Stück  durchgeführt.  Weniges 
ist  vom  Dichter  neu  eingesetzt:  so  die  dritte  Szene  des  ersten 
Aktes  zwischen  Gabriel,  Maria  und  Asmodes  nach  Lucas  I,  V.  23, 
31,  35,  36,  sowie  auch  sonst  Stellen  aus  den  heiligen  Büchern 
häufig  sind. 

Die  Hirten  auf  dem  Felde  tragen  die  klassischen  Namen 
Mopsus,  Menalcas,  Tityrus.  Die  Rolle  der  Bromia  hat  hier  die 
obstetrix.      Joseph  schliesst   das   Stück: 

Nunc  ibo  intro  ad  Infantem  &  puerperam. 
Vos,  speetatores,  CHRISTI  nati  caussä,  etare  plaudite. 

Es  folgt  „Ein  Geistlich  Hirten  Gesang  von  der  Geburt  Christi, 
welches  zum  besehluss  der  Comoediae  von  den  Hirten  kau  gesungen 
werden",   das  nicht   ohne  poetischen  Schwung  ist. 

Noch  enthält  das  Stück  drei  Szenen,  welche  beliebig  ein- 
geschaltet werden  können:  „Tres  sequentes  Scenae  parerga  traetant, 
nee  inversö  Plauti  stylo  constant,  poterunt  igitur,  proactoris  ar- 
bitrio,  sine  Comoediae  dispendio,  vel  notatis  locis  inseri,  vel  pror- 
BUS  omitti."  Sie  bandeln  zwischen  Asmodes.  Moj)sus,  .Menalcas, 
Tityrus;   Menalcas,   Tityrus,   Mopsus:   Mopsus,    Martha,   Flamen. 

Zahlreiche  Epigramme,  die  vor  dem  Stücke  stehen,  das  Bur- 
meister in  seiner  Widmung  an  den  Herzog  Adolph  Friedrieh 
von  Mecklenburg  als  ..ex  Plauto  ad  Christum  inversam  comoe- 
diam"  bezeichnet,  zeugen  von  der  Aufmerksamkeit,  die  man  dem- 
selben wi '.niete.  Burmeister  selbst  bezeichnet  in  seiner  Vor- 
rede an  den  Leser  die  Arbeit  als  eine  mühevolle.  ..Tantum  opus 
(d.  h.   den    ganzen    Plaut us    so    zu    bearbeiten)    requirit    multum 


214  I-   Amphitruo. 

temporis,  nee  parum  laboris."  Er  steht  aber  schon  bei  der  sechsten 
Komödie,  der  Casina,  die  er  Susanna1)  betitelt  hat,  und  hofft 
das  ganze  Werk  vollenden  zu  können. 

Wohl  zu  weit  ist  es  gegangen,2)  wenn  man  bei  Johann 
Georg  Schoch,  Comedia  vom  Studentenleben,  Leipzig  1618, 3) 
Beziehungen  zum  plautini sehen  Amphitruo   finden  will. 

Es  ist  dort  keinerlei  Reminiszenz  an  Amphitruo, 
als  dass  Mercurius  das  Stück  einleitet;  er  kümmere  sich  nun 
auch  um  die  Studenten:  „Ihr  wundert  euch,  woher  ich,  ein  Schutz- 
Herr  sonsten  der  Kauffleute  und  Diebe,  anietzo  auff  die  Stu- 
denten komme.  Ich  bin  so  wol  der  freyen  Künste  als  der  Kauff- 
manschaft  ihr  Gott  und  Patron,  beydes  wil  ich  euch  in  diesem 
lustigen  Schau-Spiel  für  Augen  stellen."  Ebenso  tritt  er  wieder  in 
der  fünften  Handlung  auf.  Man  darf  wohl  sagen  ohne  jede  Be- 
ziehung zu  Plautus. 

Ob  das  Spiel  „auss  ainer  alten  Römischen  historj  vom  hercu- 
les",  um  dessen  Aufführungsbewilligung  im  November  1549  ita- 
lienische Wandertruppen  in  Nürnberg  baten,4)  ein  Amphitruo 
(oder  das  Stück  Senekas)  war,    ist  zweifelhaft. 

Ein  Amphitruo  wurde  im  Jahre  1626  und  öfter  in  Dres- 
den gespielt  (vgl.  oben  S.  197).  Hierüber  berichtet  Fürstenau:5) 
.,Vom  Jahre  1626  liegt  uns  das  erste  Verzeichnis  der  von  den 
, Engländern'  während  der  Monate  Januar,  Februar,  Mai,  Juni, 
Juli,  September,  Oktober  und  Dezember  in  Dresden  am  Hofe  ge- 
spielten Stücke  vor.  Dasselbe  enthält  das  ganze  damalige  Re- 
pertoir  der  Engländer,  worunter  viele  Stücke  Shakespeares  .  .  . 
Ausserdem  kommen  vor  die  Tragikomödien  und  Komödien  vom 
Hamman  und  Esther  .  .  .  vom  Amphitrione"  :  und  nochmal6) 
„Im  Komödienhause  (zu  Dresden)  kamen  an  neuen  Stücken  zur 
Darstellung  .  .  .  das  Freudenspiel  von  Juppiter  und  Amphitryonen  .  .  . 
Von  diesen  Schauspielen  wurden  kurze  gedruckte  Inhaltsanzeigen 
verteilt. " 

An  weitem  Bearbeitungen  nennt  Gottsched:7)   „Die  in  Lor- 


»)  „Jam  enim  in  sextä  CASINA  laboro,   quam  SUSANN  AM  voco." 

2)  Grässe  (Handbuch  III,  617)  sagt  nur:  „Merkur  spielt  wahr- 
scheinlich nach  dem  Muster  des  plautinischen  Amphitruo  die 
Holle  eines  Vor-  und  Zwischenredners." 

3)  Mir  zur  Hand  war  Joh.  G.  Schochs  |  Comoedia  |  Vom  ]  Studenten- 
Leben  |  LEIPZIG  |  zu  finden  bey  Johann  Wittigauen.  1658.  —  Grässe 
a.  a.  0.  nennt  (wohl  irrtümlich)  eine  Ausg.  von  1668.  —  C.  W.  Böt- 
tiger, Geschichte  des  Kurstaates  und  Königreiches  Sachsen  (Hamb.  1831) 
H,  217,  führt  1657  als  Entstehungsjahr  der  Komödie  an. 

4)  Dr.  K.  Trautmann  in  Schnorrs  Archiv  XUI,   S.  67,   Anm.  1. 

5)  Zur  Geschichte  der  Musik  und  des  Theaters  am  Hofe  zu  Dresden. 
Dresden  1861.    Bd.  I,  S.  97. 

•)  A.  a.  0.    I,  229. 
')  Nöth.  Vorr.    I,  232. 


Amphitruo  in  Dresden.  215 

beer  verwandelte  Daphne.  Musical.  Schauspiel.  Dresden;  dabei 
sind  aucli  zugleich  aufgeführt  worden:  1.  Nimrod  in  einem 
Quintan  Rennen.  2.  Der  keusche  Joseph,  theatralisch.  3.  Saul 
und  David.  4.  Jupiter  und  Amphitryon.  5.  Die  heilige 
Märterinn  Dorothea. 

Eine  weitere  Oper  „Jupiter  und  Alcmene"  nennt  Gott- 
sched1) (Lpz.)  im  Jahre  1696:  wiederum2)  Jupiter  und  Alc- 
mena  (Lpz.)   aus  dem  Jahre   1704. 

Auch  sonst  fehlt  es  in  Deutschland  nicht  an  Mitteilungen, 
dass  Amphitruobearbeitungen  gespielt  wurden.  Ein  Festbericht 
aus  Dresden  (Februar  1678)  von  Gabriel  Tzschimmer,  3)  1680 
in  Nürnberg  gedruckt,  schildert  als  neunte  Nummer  eine  Am- 
phitruoaiifführung.      Dort  heisst  es  auf  Seite  303: 

„Nach  selbiger  (d.  h.  nach  der  Tafel)  aber,  die  Comoedia 
von  Amphitryone  im  Comoedien-Hause  agieret. 

Inhalt  der  Comoediae    von  Jupiter  |  und  Amphitryo.   | 

„Sobald  als  Jupiter  auf  die  Alcmena  ein  Liebes-Aujge  ge- 
worfFen,  verstellet  er  sich  in  die  Gestalt  ihres  |  Ehemannes,  des 
Amphitryonis,     eben    zu    der  Zeit,   |  da  derselbe  wider  die  Feinde 


')  A.  a.  0.  1,263.  —  Emil  Weiler.  Annalen  der  poetischen  National  - 
litteratur  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert,  (Freiburg  i.  B.,  1862—1864.) 
H,  280. 

2)  Gottsched,  a.  a.  0.    I,  275. 

3)  Der  Titel  des  Prachtwerkes  ist:  Die  |  Durchlauchtigste  |  Zusam- 
menkunft, |  Oder:  |  Historische  Erzehlung,  |  Was  |  Der  Durchlauchtigste 
Fürst  und  Herr,  |  Herr  Johann  Georg  der  Ander,  |  Herzog  zu  Sachsen, 
Jülich,  Cleve,  und  Bergk,  des  |  Heiligeu  Römischen  Reichs  Ertz-Marschall, 
und  Churfürst,  Landgraf  in  Thüringen,  Marggraf  zu  Meissen,  auch  Ober- 
und  Nieder-Lausitz,  |  Burggraf  zu  Magdeburgk,  Graf  zu  der  Marck  und 
Ravens- bergk,  Herr  zum  Ravenstein  |  Bey  |  Anwesenheit  |  Seiner  Ckur- 
fürstlichen  Durchlauchtigkeit  Hochgeehrtesten  Herren  |  Gebrüdere,  dero 
Gemahlinnen,  Prinzen,  und  Princessin'nen,  zu  sonderbahren  Ehren,  und 
Belustigung,  in  Dero  Residenz  und  |  Haubt-Vestung  Dresden  im  Monat 
Februar io,  des  |  MDCLXXV1TI  sten  Jahres  |  An  allerhand  ]  Aufzügen, 
Ritterlichen  Exercitien,  Schau-Spielen,  |  Schiessen,  Jagten,  Operen,  Co- 
moedien,  Balleten,  Mas  queraden,  Königreiche,  Feuerwercke,  und 
andern  Denkwürdiges  aufführen  und  vorstellen  lassen,  |  Alles  |  Auf  gnä- 
digsten Befehl,  und  Anordnung  Höchstermeldter  Sr.  Churfürstl.  |  Durchl. 
genau  bemercket,  und  das  vornehste  nach  dem  Leben  in  unter[schie- 
dene  Kupffer  gebracht,]  Nebenst  etlichen  hierzu  gefügten  |  Erläuterungen, | 
Nachdenklichen  Geschichten,  heilsamen  Sitten-Lehren,  Politischen  Er- 
innerungen, |  und  gef asten  Sprüchen;  wie  nicht  weniger  Religions-Estats- 
Kriegs-Jagt-  |  und  andern  diessfalls  dienlichen  Sachen.  |  Allen  Edlen  Ge- 
müthern zu  fernerer  Aufmunterung  Heroischer  Tugenden,  Anführungen 
kluger  |  Welt-  und  Staats -Händel,  und  dann  zur  Bespieglung  Mensch- 
licher Glückseeligkeit,  Ehre,  I  Hoheit,  Fälle,  Anstösse,  Mängel  und  Ge- 
brechen herfür  gegeben,  |  und  zum  Drucke  befördert  [  Durch  |  Gabriel 
Tzschimmern.  |  Nürnberg.  |  In  Verlegung  Johann  Hoffmauns,  Buch-  und 
Kunsthändlers.  |  Gedruckt  daselbst  bey  Christian  Siegmund  Froberger. 
ANNO  MDCLXXX.  —  (Vgl.  auch  Gottsched  ä.  a.  0.  I,  244.  Freyes- 
leben  51.) 


216  I-   Amphitruo. 

des  Vaterlandes,  auf  |  Befehl  des  Königes  Creontis,  zu  Felde  ge- 
zogen. Alc'mena  empfäliet  ihn  mit  grosser  Liebe  und  Freund- 
lichkeit, und  |  meinet  nichts  anders,  als  oh  es  ihr  Mann  sey. 
Mercurius  nimht  |  des  Amphitryons  seines  Knechts  Sosiä  Gestalt 
an  sich,  und  betreugt  [  (S.  304)  heydes  den  Herrn  und  Knecht, 
nachdem  Sie  wieder  |  nacher  Hause  kommen.  Amphitryo  geräth 
deswegen  mit  |  seinem  Weibe  in  einen  Zanck,  und  beschuldiget 
Eines  das  Andere  des  Ehebruchs.  Als  derowegen  Blepharo,  der 
vornehmste  |  Schiffer  über  dasjenige  Schiff,  worauf  Amphitryo 
zu  Hause  |  gekommen,  desswegen  zum  Schiedesmann  verordnet, 
kau  er  |  nicht,  wer  der  rechte  Amphitryo  sey,  entscheiden,  sondern 
die  |  Verwirrung,  wird  die  länge  je  grösser,  so-gar,  dass  auch 
Amphitryo  wegen  seiner  Ungedult,  von  allen  seinen  Dienern  ver| 
lassen,  und  Jupiter  vor  dem  rechten  Amphitryo  gehalten  wird.  | 
Inmittelst  mercket  die  Eiffersüchtige  Juno  des  Jupiters  heimliche 
Liebe,  kommet  dannenhero  in  Gesellschaft  der  Göttin  Iris  |  herunter, 
und  will  sich,  vermittelst  der  Zauberey,  wodurch  beydes  |  die 
Mutter  und  Frucht  ümbkommen  sollte,  an  der  Alcmena  |  rächnen. 
Jupiter  aber  hintertreibet  solches,  und  nachdem  J  der  Handel 
offenbahr,  gebiehret  die  Alcmena  Zwillinge,  dar  unter  einer  Hercu- 
les genannt,  wormit  die  gantze  Action  ihr  |  Ende,  und  darauf 
ein  Engländischer  Tantz  gehalten." 

Interessant  ist,  wie  in  den  meisten  Bearbeitiingen  Juno  und 
Iris  mitspielen  und  erstere  einen  Racheplan  gegen  die  unschuldige 
Alcmena  hegt. 

Eine  andere  Mitteilung  über  eine  deutsche  Amphitruo- 
aufführung  im  Jahre  1716  zu  Wien  verdanken  wir  der  Lady 
Wortley  Montague  (geb.  um  1690  als  Lady  Mary  Pierre- 
pont;  gest.  1762).  Sie  berichtet  von  einer  solchen  in  einem 
Briefe1)  an  Pope  von  Wien,  datiert  vom  14.  September  1716. 
Es  muss  bei  derselben  sehr  derb  hergegangen  sein.-)  Juppiter 
fällt  aus  einem  Guckloche  in  den  Wolken,  betrügt  Alkmenes 
Schneider  um  ein  besetztes  Kleid  und  einen  Juden  um  einen 
Diamantring;  ja  selbst  der  freilich  damals  sehr  übliche  Witz,  dass 
die  beiden  Sosia  ihre  Hosen  verloren,   erregte  lauten  Beifall. 

Nachdem  sich  Lady  Montague  über  das  Opernhaus  und 
eine  Aufführung  der  Alcina  sehr  günstig  geäussert  hat,  fährt 
sie  fort:  But  if  their  operas  are  thus  delightful,  their  comedies 
are   in    as   high    a   degree    ridiculous.      They   have    but  one    play- 


')  The  letters  and  works  of  Lady  Mary  Wortley  Montague, 
edited  by  her  great  grandson  Lord  Wliamcliffe.  Second  edition, 
revised  in  three  volumes.     London  (Rieh.  Bentley  1837).    I.  Bd.,  S.  286  ff. 

2)  Vgl.  auch  E.  Devrient,  Geschichte  der  deutschen  Schauspiel- 
kunst. Lpz.  1848.  Bd.  I,  S.  336,  und  in  Bonnel  Thornton's  englischer 
Übersetzung  des  Amphitryon. 


Wiener  Aufführung.     Falk.  217 

house,  where  I  liad  a  curiosity  to  go  to  a  German  comedy ,  and 
was  very  glad  it  happened  to  be  the  story  of  Amphitrion. 
As  that  subject  has  been  already  handled  by  a  Latin,  French 
and  English  poet,  I  was  eurious  to  see,  what  an  Austrian  antlior 
would  make  of  it.  I  understand  enongb  of  that  langnage  to 
compreliend  the  greatest  part  of  it;  and  besides,  I  took  with  nie 
a  lady,  who  had  the  goodness  to  explain  to  nie  every  word.  The 
way  is,  to  take  a  box,  which  holds  four,  for  yonrself  and  Com- 
pany. The  fixed  price  is  a  gold  dncat.  I  thought  the  honse 
very  low  and  dark;  but  I  confess,  the  comedy  admirably  re- 
compensed  that  defect.  I  never  langhed  so  much  in  my 
life.  It  began  with  Jnpiter's  falling  in  love  out  of  a  peep-hole 
in  the  clouds,  and  ended  with  the  birth  of  Hercules.  But  what 
was  most  pleasant,  was  the  use  Jupiter  made  of  bis  metamor- 
phosis;  for  you  no  sooner  saw  him  under  the  figure  of  Amphi- 
trion, but  instead  of  flying  to  Alcmena  with  the  raptures  Mr. 
Dryden  puts  into  bis  mouth,  he  sends  for  Amphitrion's  taylor  and 
cheats  him  of  a  laced  coat,  and  bis  banker  of  a  bag  of  money, 
a  Jew  of  a  diamond  ring,  and  bespeakes  a  great  supper  in  bis 
name;  and  the  greatest  part  of  the  comedy  turns  upon  poor 
Amphitrion's  being  tormented  by  these  people  for  their  debts. 
Mercury  uses  Sosia  in  the  same  manner.  But  I  could  not  easily 
pardon  the  liberty  the  poet  has  taken  of  larding  bis  play  with  not 
only  indecent  expressions  but  such  gross  words  as  I  don't  think 
our  mob  would  suffer  from  a  mountebank.  Besides,  the  two  So- 
sias  very  fairly  let  down  their  breeches  in  the  direct  view  of  the 
boxes,  whieh  were  füll  of  people  of  the  first  rank,  that  seemed 
very  well  pleased  with  their  entertainment,  and  assured  nie  this 
was  a   celebrated  piece. 

Der  Umstand,  dass  Johann  Daniel  Falk  (S.  101)  später 
einen  Amphitruon  schrieb,  legt  die  auch  von  H.  Kurz1)  be- 
merkte, sonst  nicht  gerade  zwingende  Annahme  nahe,  dass  ihm 
schon  in  seinem  „Uhu"  eine  Szene  aus  Mo  Her  es  Stück  vor- 
schwebte. Im  „Taschenbuch  für  Freunde  des  Scherzes 
und  der  Satire,  hrsgb.  von  J.  D.  Falk"  (Leipzig  in  der 
Sommerschen  Buchhandlung  1797),  findet  sich  im  ersten  Bändchen, 
S.   215  —  316,    „Die    Uhu".       Eine     dram[a]tisch- satirische    Rha- 


')  Kurz.  III,  284.  Die  dramatische  Szene  „Die  Uhu"...,  in  wel- 
cher er  die  pfäffischen  Umtriebe  eines  Woller  und  Konsorten  persiflieren 
wollte.  Allein  es  tritt  dieser  Hauptzweck  kaum  hervor  ...  Es  fehlte 
ihm  überhaupt  an  Erfindungsgabe,  und  die  beste  Stelle  des  Stückes 
ist  gerade  dem  Amphitryon  des  Moliere  abgeborgt,  dessen 
Stoff  er  später  selbständig  bearbeitete,  wobei  er  freilich  bei  seinem 
gänzlichen  Mangel  an  dramatischem  Talent  unendlich  weit  hinter  seinem 
Vorbild  zurückblieb. 


218  I-   Amphitruo. 

psodie,  mit  Chören  von  Uhu'n,  Raben  und  Nachteulen;  dazu  eine 
Musikbeilage  (zu  S.  243)  von  Dittersdorf  (Rabenchor).1) 

Im  ersten  Auftritt  des  dritten  Aktes  treffen  sich  die  Geister 
Friedrichs  des  Grossen  und  Voltaires.  Letzterer  besitzt  von 
Pluto   selbst    einen  Ring. 

In  Mann  und  Weib,  Low'  oder  Mücke, 
Kurz  in  beliebige  Gestalt 
Umformt  er  uns  im  Augenblicke. 

Und  so  nehmen  Voltaire  und  Friedrich  die  Gestalt  von 
Johann,  dem  Diener  des  Trismegistus,  an.  Die  nun  folgenden 
Szenen  erinnern  allerdings  an  die  Vorgänge  mit  Sosia.  Wenn 
Johann  Voltaire  in  seiner  Maske  sieht  (S.  208): 

Was  seh'  ich?  Alle  guten  Geister!  —  — 
Der  Schurke  gleicht  mir  ganz  und  gar, 
Von  Kopf  zu  Fuss  bei  einem  Haar. 

und  später  (S.  306): 

Und  wie  ein  Ei  dem  andern  Ei, 
Sahn  wir  uns  ähnlich  alle  drei, 

wenn  Voltaire  alsdann  die  häuslichen  Verhältnisse  und  seine 
Personalien  so  genau  schildert,  wie  Merkur  im  Plaut us  jene  des 
Amphitruo,   und  Johann  das  Geständnis  abzwingt  (S.  301): 

Der  Kerl  weiss  alles! 

so  erinnert  dies  wohl  an  die  Parallelszene  beiPlautus  undMoliere. 

Der  dritte  Auftritt  führt  die  Verwirrung  allerdings  noch 
weiter,  wenn  auch  Friedrich  in  Johanns  Gestalt  erscheint  und 
diesem  die  angemasste    „Livrey"    abziehen  will. 

Wieder  an  Plautus  erinnert  der  fünfte  Auftritt,  in  welchem 
Johann  seinem  Herrn,  dem  Doktor  Trismegistus,  den  ganzen 
Voi'gang  erzählt   (S.   305): 

„Mein  Nichts-Ich  trat  sogleich  hervor 
Und  schalt  mich  Lümmel,  Bärenhäuter, 
Halunke,  und  was  weiss  ich  weiter? 
Der  Schimpf  verdross  mein  Ich,  und  drob 
Ward  es  zuletzt  gewaltig  grob. 


')  Kehre  in.  H,  319.  Sein  satirisches  Stück  „Die  Uhu"  bezieht 
sich  auf  den  damaligen  Religionszustand  in  Preussen,  wo  einige  die 
alte  Finsternis  und  den  Gewissenszwang  einführen  wollten.  —  Schlimmer 
urteilt  Hillebrand  (H,  507):  „Die  Uhu  nicht  ohne  aristophanischen 
Anstrich"  .  .  .  „Übrigens  hatte  Falk  fast  von  Anfang  an  selbst  in  sei- 
nem freidenkenden  Skeptizismus  den  Keim  des  Pietismus' geborgen  und 
gehest." 


J.  D.  Falk.  219 

Mein  Nicht-Ich  log-  mir  ins  Gesicht, 

Als  sei  ich  Euer  Diener  nicht. 

Es  sei  das  reine  Ich  allein, 

Und  Ich,  ich  inüsste  Nicht-Ich  sein." 

Die  weitere  Verwandlung  Voltaires  in  einen  Apfelbaum  u.  a. 
verlässt  dann  das  Original. 

Sieben  Jahre  später  erschien:  Amphitruon.  Lustspiel  in 
fünf  Aufzügen  von  J.  D.  Falk.  Halle,  in  der  Ruffschen  Verlags- 
handlung 1804.  Erste  Abteilung  (292  S.);  zweite  Abteilung  (202  S.); 
jede  mit  einem  Bilde  geziert. ') 

„Der  Vorbericht  (Weimar,  den  8.  März  1803)  bezeichnet  den 
Amphitruon  als  aus  dem  Studium  zu  den  Abbandlungen  aus  dem 
Gebiete  der  Poesie  und  Kunst  hervorgegangen.  Seine  Tendenz  ist 
klar  in  folgenden  Worten  (S.  VI)  dargelegt:  „Die  Fragmente  der 
beiden  Hauptkomiker,  Menander  und  Pbilemon,  sollen  mir  dabei 
zum  Leitfaden  dienen.  Vorläufig  nur  so  viel,  dass  gegen  hundert 
Berührungspunkte  der  Deutschen  mit  dem  gemütvollen  Griechen, 
sich  kaum  einer  und  ein  halber  mit  dem  espritreichen,  nach  Witz, 
Schimmer  und  Pointen  haschenden  Franzosen  vorfinden  dürfte. 
Von  der  ganzen  Galerie  von  Charakteren,  dem  Trupp  von  Origi- 
nalen, den  die  neuere  Komödie,  selbst  in  ihrer  Ausartung 
ins  Individuum,  auf  den  Platz  gebietet,  giebt  uns  Tereuz  nur 
einen  äusserst  unvollständigen  und  sehr  schwachen  Begriff.  Selbst 
auf  die  Gefahr,  modern  gescholten  zu  werden,  will  ich  es  daher 
versuchen,  nicht  das  Leben  aus  den  Fragmenten,  sondern  die 
Fragmente  aus  dem  Leben  zu  erläutern:  ein  frischer  Griff  in  die 
Umgebungen  der  Mitwelt  wird  mir  dabei  zum  Kommentar  dienen. 
Der  Geizige,  der  Abergläubische,  der  Weiberhasser,  der  Menschen- 
feind, der  Griesgram,  der  genialische  Lügner  und  Aufschneider, 
der  Prahler,  der  Muhmenhans,  der  Stock  (Niais-Margites),  der 
Strick,  der  Gauner,  der  Superklug  u.  s.  w.  leben  noch  zu  unsern 
Zeiten,  wie  zu  denen  des  Menander.  Auch  die  verschiedenen 
Stände,  der  Stand  des  Landmanns,  des  Fischers,  des  Kochs,  des 
Bäckers,  des  Mundschenken,  des  Schmarotzers,  des  Soldaten,  des 
Bettlers,  des  Priesters,  der  Philosophen,  der  Spinnerinnen,  der 
Korbträgerinnen,  der  Begeherinnen  heiliger  Vorabende  -  -  alles 
Typen,  die  häufig  in  den  übriggebliebenen  Fragmenten  vor- 
kommen —  sind  keineswegs  ausgestorben,  sondern  nur  in  andern 
Verkleidungen  auch  unter  uns  vorbanden." 

Nach  diesen  Grundsätzen  hat  Falk  das  Personal  wesentlich 
erweitert.  Da  finden  sich,  neben  den  Hauptpersonen  der  Komö- 
die, der  Oberkoch  Dorisens,  die  beiden  Parasiten  Licht 
und  Schatten,  der  grosssprecherische  Soldat  Thraso,   eine 


Eine  weitere  Ausgabe  erschien  1826. 


220  I-   Amphitruo. 

Reminiszenz  des  Miles  Gloriosus,  der  Bader  Bybachides,  der 
Oberhirte  Melantlios,  ein  Paar  Fischer,  noch  ein  Paar  Fischer; 
Meister  in  Erz;  Meister  des  Beils;  Schneider,  Färber,  Töpfer,  Hir- 
ten,  Köche  und  Sklaven. 

Erster  Aufzug-.  Juppiter  „in  einer  griechischen  Feldherrn- 
kleidung'" tritt  auf.  Juno  hat  nicht  bemerkt,  wohin  er  ging,  da 
ihn  eine  Geschäftsreise  vom  Olymp  ferne  hält.  Sein  Sehnen  gilt 
Amphitruons   Weibe  (S.   7): 

Indes  im  Lager  er  den  Feind  bekämpft, 
Will  ich  von  ihm  Gestalt  und  Stimm'  erborgend, 
Sein  Weib  bethörend,  mir  den  süssen  Lohn 
Verstohlner  Liebe  zu  gewinnen  suchen. 

Damit  verbindet  er  aber  noch  eine  andere  hier  zum  erstenmal e 
auftretende  Absicht: 

So  straf  ich,  während  ich  in  meiner  Brust 
Geheimen  Wunsch  befriedige,  zugleich 
Auch  seine,  des  Gemahles,   Eifersucht, 
Die  oft  Alkmenen  unerträglich  quält. 

Die  Nacht  hat  Auftrag,  länger  zu  währen.  Merkur,  in 
Sosias  Sklaventracht,  bringt  Juppiter  die  Botschaft,  dass  vor 
Telebois  ein   Sieg  erfochten  wurde  (S.   9): 

Und  eingedenk  der  zärtlichen  Alkmene 
Schickt  ihr  Gemahl  aus  reich  erworb'ner  Beute 
Ihr  einen  kostbar'n,  goldgestickten  Schleier. 

Auf  die  Mitteilung  hin,  dass  Amphitruon  noch  diese  Nacht 
eintreffen  werde,  will  Juppiter  sofort  „unverrichtetes  Gewerbs" 
zum  Olymp  zurück  Merkur  aber  setzt  ihm  seine  Pläne  aus- 
einander. Alkmene  soll  einen  zweiten,  jenem  ganz  ähnlichen 
Schleier  erhalten,  Amphitruon  aber  werde  er  (als  Sosia)  derb 
abweisen.  Dabei  bedauert  Merkur  nur,  dass  er  Sosias  Weib, 
Andria,   in  seiner  Verkleidung  nicht  losbringen  werde. 

Noch  ehe  er  geht,  legt  er  die  eingelaufenen  Bittgesuche  vor. 
Die  Megarer  bitten  um  Regen,  die  Phönizier  um  Wind  u.  s.  w. !) 
—  Die  dritte  Szene  führt  ins  Innere  des  Hauses.  Alkmene 
ist  umgeben  von  Sklavinnen  und  ihrem  Sohne  Amyntichus;  sie 
erfährt,  dass  Thraso  und  die  Parasiten  angelangt  seien,  und  lässt 
sie  rufen.    Unterdessen  erweist  sich  Amyntichus  in  seinen  Spielen 


')  In  Versen,  welche  den  Spott  des  alten  Schartenmeyer  (Nörd- 
lingen  1873,  Strophe  238)  herausfordern  würden,  geht  das  Gesuch  an 
Aolus  hinüber: 

(S.  18.)  . . .  jegliche  Supplik  gelang' 

An  ihr  bestimmt  Departement. 


J.  P.  Falk.  221 

als  einen  jungen,   seines  Vaters  würdigen  Helden.    Amphitruons 
Heldengeist  (S.   39): 

„Er  lebt  aufs  neu  in  diesem  Knaben  auf." 

Damokleia,  die  Schaffherin,  bringt  Doriscus  und  die 
beiden  Parasiten,  denen  bald  Sosia  (Merkur)  folgt.  Er  erzählt 
vom  Kriege.  Durch  ihn  lässt  Amphitruon  reiche  Opfer,  und 
was  ganz  gegen  seine  frühere  Gewohnheit  ist,  eine  üppige  Tafel 
bestellen.  Eine  launige  Darstellung  des  Koches,  wie  er  in 
Theben,  durch  die  Parasiten  gehoben,  zu  Ehren  und  Ansehen  kam, 
schliesst  den  Akt. 

Der  zweite  Aufzug  beginnt  mit  einem  Zwiegespräch 
Juppiters  und  Merkurs.  Letzterer  hat  den  Schleier  über- 
bracht. „Die  Nacht  verlängert  sich  zu  süsser  Ruh"  (S.  87); 
Juppiter  geht  zu  Alkmene.  Da  naht  Sosia  mit  der  stereo- 
typen Laterne.  Er  übt  den  Bericht  ein,  den  er  Alkmene  ab- 
statten soll,  und  will  eben  ins  Haus  eintreten,  als  er  Merkur 
gewahr  wird.  Nach  kurzem  Wortwechsel  überzeugt  er  sich  von 
der  genauen  Ähnlichkeit  seines  Gegners  mit  ihm   (S.  102): 

„Er  ist's!  Mein  Wuchs,  mein  Gang,  dieselbe  Zierlichkeit, 
Dasselbe  Ebenmass  im  Bau  der  Glieder. 


Wie  angebrannte  Stoppeln  rotes  Haar 

Auch  an  den  Zähnenlücken  —  eins,  zwei,  drei  — 
Fehlt  keine  —  soviel  schlug  mir  Andria  entzwei! 
Du  bist's,  ja  ich  erkenn'  Dich,  Sosia! 
Dahier  ist  meines  linken  Backens  Warze." 

Sosia  geht,  um  Amphitruon  zu  holen.  Es  folgt  eine  Szene 
ehelichen  Zwistes  zwischen  Merkur  (Sosia)  und  Andria  mit 
ihren  drei  Kindern,  die  Merkur  nicht  als  echt  anerkennen  will.  — 
Elektryon,  Alkmenes  Vater,  ist  gekommen,  um  seinen  zurück- 
gekehrten Schwiegersohn  zu  begrüssen.  Merkur  jedoch  weist 
ihn   ab   (S.  139): 

Und  wenn  Amphitruon  auch  selbst  erschien', 
So  lautet  mein  Befehl,  ihn  abzuweisen. 

Beleidigt, 

..Der  berühmt  gewordne  Feldherr  schämt 
Sich  jetzo  wohl  des  ländlichen  Verwandten,"     (S.  141) 

eilt  er  zu  seinem  Gastfreund  Eteokles.  —  Der  Bader  By- 
bachides  wird  von  Merkur  auf  den  nächsten  Morgen  bestellt, 
da  dem  Amphitruon  „im  Kniegelenk  ein  Pfeil  zusamt  dem 
Widerhaken"     (S.    148)    sitzt.     —    Die    Parasiten    mit    Doriscus 


222  I-   Amphitruo. 

nahen  mit  Thraso.  Merkur,  welcher  das  Dach  bestiegen  hat, 
jagt  sie  weg  und  verpflichtet  alsdann  den  Oberkoch  Dorisens, 
die  von  ihm  im  Namen  Amphitruons  befohlene  Gasterei  zu  ver- 
anstalten. - —  Sosia,  noch  immer  unklar  über  seinen  Doppelgänger, 
trifft  wieder  mit  Merkur  zusammen,  der  ihm  einige  Züge  aus 
seinem  Privatleben  vorhält.  Es  kömmt  zum  Streit,  dann  zu 
Schlägen,  bis  Sosia  endlich  findet,  er  sei  hier  entbehrlich,  und 
Merkur  umarmt  mit  den  Worten: 

Somit  entbietet  Sosia.  der  Zweite, 
Hier  Sosia,  dem  Ersten,  Lebewohl. 

Der  dritte  Aufzug  führt  Amphitruo  und  Sosia  zusam- 
men. Letzterer  erstattet  ausführlichen  Bericht:  Amphitruo 
jedoch  argwöhnt,  es  sei  ihm  unterwegs  der  Schleier  abhandenge- 
kommen, und  er  habe  sich  deshalb  das  ganze  Märchen  ersonnen. 
Er  schickt  ihn  darum  ins  Haus.  Unmittelbar  darauf  erblickt  er 
Merkur  auf  dem  Balkon;  dieser  beschimpft  ihn  und  wirft  Ziegel- 
steine gegen  ihn,  sodass  Amphitruon  forteilt,  um  zwei  Fischer 
zu  holen,  die  ihm  behilflich  sein  sollen,  in  sein  Haus  zu  ge- 
langen. Vergeblich  hat  sich  unterdessen  Sosia  bemüht,  dem 
Befehle  seines  Herrn  gemäss  über  den  Zaun  zu  steigen;  er  ist 
zu  hoch.  Der  Bader  kömmt  des  Weges.  Sosia  lässt  sich  von 
ihm  auf  der  Bühne  zur  Hälfte  rasieren,  da  tritt  Amphitruo 
mit  den  Fischern  auf.  Sosia  wird  gebunden  und  in  einen  Sack 
gesteckt,  um  so,  zur  Strafe  für  sein  Benehmen  gegen  seinen 
Herrn,  ins  Meer  geworfen  zu  werden.  Als  er  bereits  abgeführt 
ist,  bereut  Ampitruo  den  strengen  Befehl.  —  Der  Bader  ist  zur 
Exekution  hinzugekommen.  Er  erzählt  Merkur  unter  gewaltigem 
Aufschneiden,  wie  er  eben  einem,  den  man  ersäufen  wollte,  zu 
Hilfe  kam.  Seine  prahlerischen  Reden,  die  an  Falstaffs  Schlachten- 
berichte   erinnern,   unterbricht  Merkur  (S.   245): 

Wie,  Ihr  erkanntet  sie  an  ihren  roten  Mützen; 
Und  konntet  keine  Hand  vor  Angen  sehen? 
Zehn  Kerle  waren's  nur,  womit  Ihr  fochtet, 
Und  vierzehn  sind  hernach  entflohn? 

Unterdessen  erblickt  Bybachides  mit  Entsetzen  Merkurs  wieder 
„zollbreit  angewachsenen"  Bart.  —  Amphitruon,  der  die  Fischer 
nicht  mehr  erreicht  hat,  kehrt  zurück  und  erblickt  Merkur,  den 
er  staunend  fragt:  „Zuerst  —  wie  kamst  du  aus  dem  Fluss?" 
..Ich  war  nie  drinnen"  (S.  251),  lautet  die  Antwort.  Die  Fischer 
kommen  gleichfalls,  ihres  Auftrags  ledig,  zurück  und  erblicken  un- 
begreiflicherweise Merkur,  der  alle  beschwichtigt.  —  Noch  führt 
uns  der  Dichter  eine  Liebesszene  zwischen  Juppiter  und  Alkmene 
vor,   in  welcher  er  ihr  die  bedeutungsvollen  Worte  spricht  (S.  264): 


J.  D.  Falk.  223 

Du  magst  Dir  den  Gemahl,  wie  billig,  loben. 
Ich  zieh'  ihm  dennoch  den  Geliebten  vor. 

Vierter  Aufzug-.  Das  Opfer  ist  vollbracht.  Juppiter 
und  Alkuiene  sitzen  bei  der  reichen  Tafel;  der  Sänger  Da  mo- 
do kl  es  singt  zur  Leier  das  Lied  von  Danae  und  Juppiter. 
Alkmenes  Rede  bringt  Juppiter  zum  Nachdenken.  Sie  hat 
vor  Juppiters  Altar  nur  die  Eine  Bitte  vorgebracht  (S.   19): 

„Gieb  nicht  zu,  dass  eine  fremde  Liebe 
Den  schönen  Bund  uns  stören  möge,  der 
Amphitruon,  mich  und  dies  Kind  vereinigt." 

und    der    Gott    schien    sie  ihr    gewährt    zu    haben.      „Er    hat's!" 
(S.  20),   ruft   er  nach  kurzer  Überlegung  (S.   21): 

Du?  —  Ein  Schutzgott  dieses  Hauses? 
Du  könntest  —  wolltest  —  Nimmer  —  nimmermehr. 

Vergangen  sei  dies  Blendwerk!  Tag  soll  sein! 

So  bricht  der  Morgen  an.  Juppiter  reisst  sich  rasch  von 
Alkmene  los;  sie  eilt  ihm  nach.  Amphitruo  sieht  beide  und 
belauscht  mit  Entsetzen  ihr  Gespräch.  Vergeblich  sucht  er  sich 
zur  Ruhe  zu  bereden,  da  sie  fort  sind.  Er  tritt  ins  Haus  zu 
Alkmene.  Diese  aber,  um  ihn  für  die  Kälte,  mit  der  er  sich  eben 
losriss,  zu  strafen,  behandelt  ihn  ein  wenig  nachlässig.  Sie  bejaht 
auf  seine  Fragen,  dass  sie  im  Garten  war,  und  findet  an  Damo- 
kleia  eine  eifrige  Verteidigerin.  Amphitruon  sucht  Alkme- 
nes Vater,   Elektryon,   auf. 

Unterdessen  fasst  Juppiter  den  Plan,  Amphitruon  mit 
einem  Landgute,  das  er  sich  längst  wünschte,  zu  beschenken.  Er 
soll  erfahren  (S.  65): 

„Dass  er  und  Juppiter  heut'  Nebenbuhler  waren." 

Sosia,  der  durch  andere  Fischer  glücklich  gerettet  wurde, 
begegnet  Juppiter  und  ergeht  sich  mit  ihm  in  einen  endlosen 
Dialog,  wie  er  an  Juppiters  Stelle  die  Welt  regieren  würde. 
Die  Stelle,  wo  er  von  Amphitruons  Sklaven,  Sosia,  spricht  (S.  75): 

Ich  habe  viel  von  ihm  vernommen 


Ich  muss  euch  sagen,  dieser  Mensch  gefällt  mir; 

Er  hat  so  was  Grundehrlich's  im  Gesicht, 

Was  gleich  beim  ersten  Anblick  für  ihn  spricht. 

u.  s.  w.,  erinnert  wiederum  an  Falstaff  und  jene  köstliche  Szene 
(I,  2,  4),  wo  er  den  König  Heinrich  spielt  und  von  dem  „virtuous 
man  ...   of  a  cheertül    look,    a    pleasing   eye   and  a  most    noble 


224  I-   Amphitruo. 

carriage"  spricht.  —  Juppiter  verschwindet,  imd  ein  mit  Speisen 
wohl  besetzter  Tisch  steigt  für  Sosia  ans  der  Erde  empor.  Eben 
schickt  er  sich  jubelnd  an  zu  essen,  da  kommt  Amphitruon 
mit  Elektryon,  und  erzürnt  lässt  er  Sosia  Fussschellen  anlegen. 
Fünfter  Aufzug.  Elektryon  hat  das  Haus  betreten,  um 
zwischen  Amphitruon  und  seiner  Tochter  zu  vermitteln.  Zwei 
Fischer,  die  in  ihren  Netzen  Sosia  aus  dem  Asopus  zogen,  und 
deren  Fischerzeug  dabei  zerriss,  verlangen  Ersatz,  den  ihnen 
Amphitruon  gewährt.  Das  Volk  drängt  sich  heran,  um  an  den 
durch  Sosia  öffentlich  versprochenen  Gastmählern  teilzunehmen. 
Der  Oberhirt  Melanthos  berichtet,  dass  alle  bestellten  Stiere, 
Schafe  u.  dgl.  bereit  seien.  Amphitruon  begreift  alles  dies 
nicht.  Alkmene  erzählt,  ihm  von  seiner  Heimkehr  aus  dem 
Felde  und  ihrer  Begrüssung,  da  naht  Juppiter  und  Merkur 
und  nun  —  „Zwei  Amphitruonen!  Zwei  Sosien!"  Alkmene 
entscheidet  sich  für  Juppiter  (S.  134): 

„Du  bist  Amphitruon,  und  jener  ein  Betrüger." 

Elektryon  wagt  es  nicht,  für  einen  Partei  zu  ergreifen;  sie  ha- 
ben beide  die  gleiche  Narbe  am  Arme;  nur  der  Steuermann 
Nausikrates  entscheidet  sich  für  Juppiter.  Dieselbe  Szene 
wiederholt  sich  zwischen  Andria  und  den  beiden  Sosien.  Am- 
phitruo gewinnt  nur  Thraso  und  die  beiden  Parasiten  für 
sich.  Als  das  thebanische  Volk  zusammenströmt,  zeigen  sich  die 
beiden  Amphitruonen  und  Sosien.  Juppiter  wehrt  sich 
gegen  Amphitruons  Angriffe.  Nach  kurzem  Zaudern  ruft  der 
Parasit  Licht,   da  Juppiter  sie   zu  Tische  lädt  (S.  177): 

.  .  .  Thebaner,  nun  wird's  klar!  Ich  dächte, 
Wer  uns  zu  essen  giebt  — 
Volk:  Ja,  ja!  das  ist  der  rechte. 

In  einer  Unterredung  beschwichtigt  Juppiter  Amphitruon. 
Damokleia  wisse  am  besten  um  Alkmenes  Unschuld.  Amphi- 
truon ahnt,  dass  er  es  mit  einem  höheren  Wesen  zu  thun  habe 
(S.  182);   er  wird  zufrieden. 

„Der  Argwohn  schlägt  nicht  mehr  mir  um  das  Haupt  die  Schwingen ; 
Ich  fühle  Ruh  in  meine  Seele  dringen: 
Das  dank'  ich  Dir!" 

sagt   er  zu  Juppiter.     Damokleia  versichert: 

„Nicht  hat  er  die  Gemahlin  Dir  berührt." 

Der   „reiche  Gutsbesitzer   Hasdrubal"    überbringt   Amphi- 
truon  ein  Inventar  seines  neu  erstandenen  Landgutes,   das  dieser 


J.  D.  Falk.  225 

denn  anch  freudig  „als  ein  Geschenk  der  Götter14  annimmt. 
Merkur  und  Juppiter  verabschieden  sich  in  ihrer  wahren,  gött- 
lichen Gestalt: 

„Ich  kam,  ich  sah,  ich  fand  weit  mehr,  als  ich  gesucht: 

Nur  —  dass  ich  wieder  ging,  sowie  ich  kam. 

Dass  ich  Alkmenes  stille  Bitt'  erhörte, 

Ihr  nicht  des  Hauses  schönen  Frieden  störte  — 

War  wohl  natürlich.     Könnt'  ich  minder  thun?" 

sagt  (S.  200)  der  scheidende  Juppiter.    Und  das  Volk  hegrüsst  ihn: 
„Der  ist's,  durch  den  die  Linsen  und  die  Bohnen  wachsen." 

Molieres  reizendem  Lustspiele  gegenübergestellt,  kann 
Falks  Amphitruon  kaum  jemand  begeistern.  Indem  er  die 
mythologische  Grundidee  verrückt,  wird  Juppiter  in  eine  eigen- 
tümliche Situation  gebracht,  die  zwischen  Schwäche  und  Edelmut, 
Lüsternheit  und  Entsagung  schwankt.  Er  hat  höchstens  Juppiters 
Wort  (II,   179)  zur  Geltung  gebracht: 

Mag  die  Fabel  von  den  zwein  Amphitruonen 
Noch  eine  Fabel  für  die  spät'ste  Nachwelt  sein. 

Um  wirksam  zu  sein,  mussten  die  Charaktere  in  ihrer  Zeit- 
anschauung verbleiben.  Der  Gott  des  Himmels  und  der  Erde,  der 
erst  in  Liebe  für  eine  Sterbliche  glüht,  sich  selbst  aber,  gleich- 
kam beschönigend,  vorredet,  er  strafe  nur  Amphitruons  unbe- 
gründete Eifersucht  (I,  7,  64),  der  dann  in  einen  Kampf  mit  sich 
selbst  als  Alkmenes  Schutzgeist  gerät,  der  nirgend  Entschie- 
denheit zeigt,  sich  erst  von  Merkur  Pläne  schmieden  lässt,  dann 
aber  doch  wieder  meint  (II,   65): 

Noch  soll,  eh'  wir  zurück  uns  zum  Olymp  verfügen, 
Erst  die  Verwirrung  hier  ein  wenig  uns  genügen, 

verdient  nicht  viel  mehr,  denn  als  der  gepriesen  zu  werden,  „durch 
den  die  Linsen  und  die  Bohnen  wachsen." 

Fast  alle  Motive  Molieres  finden  sich  bei  Falk  ver- 
\\  er t et;  allein  die  überschwängliche  Breite,  mit  der  es  der  Dich- 
ter versucht,  Charakterbilder  zu  entwerfen,  wenn  er  Fischer  und 
Gewerbemeister  halb  antik,  halb  modern  zeichnen  und  durch  ge- 
wisse allgemeine  Züge  charakterisieren  will,  schadet  dem  Ganzen 
merklich.  Es  fehlt  nicht  an  schönen  Stellen,  doch  finden  sich 
dieselben  nur  zu  oft  im  unrechten  Munde.  Es  ist  kein  Mangel 
an  Bildern,  die  an  sich  wohl  gelungen  sind,  allein  sie  passen 
häufig  nicht  in  den  Rahmen  der  Geschichte.  Es  mangelt  fast  immer 
das  dramatische  Leben,  und  die  oft  sehr  seltsame  Sprache  mindert 
bisweilen  selbst  den  Erfolg  des  Satirischen. 

.     15 


226  I-  Amphitruo. 

Heinrich  von  Kleists  (1776—1811)  „Amphitryon"  er- 
schien 1807  in  8°  zu  Dresden;  die  neue  (wohlfeilere)  Ausgabe1) 
von  1818  (Dresden,  Arnoldi)  von  Adam  H.  Müller  mit  einer 
schwer  verständlichen  Vorrede  des  Herausgebers  scheint  nur  eine 
Titelauflage  zu  sein.  Adam  H.  Müller  sagt  (11):  ,. Eigentümlich 
und  im  edelsten  Sinne  des  Werks  (Wortes?)  original  ist  diese 
Bearbeitung  des  Moliere  .  .  .  (V.)  Mir  scheint  dieser  Amphitryon 
weder  in  antiker  noch  moderner  Manier  gearbeitet:  Der  Autor 
verlangt  auch  keine  mechanische  Verbindung  von  beiden,  sondern 
strebt  nach  einer  gewissen  poetischen  Gegenwart,  in  der 
sich  das  Antike  und  Moderne  —  wie  sehr  sie  auch  ihr  unterge- 
ordnet sein  möchten,  dereinst,  wenn  gethan  sein  wird,  was  Goethe 
entworfen  hat  —   dennoch   Wohlgefallen  werden." 

..Erwägt  man,"  fährt  Müller  weiter,  „die  Bedeutung  des 
deutschen  und  die  Frivolität  des  Moliereschen  Amphitryon,  erwägt 
man  die  einzelnen  von  Kleist  hinzugefügten  komischen  Züge,  so 
muss  man  die  Gutmütigkeit  bewundern,  mit  der  die  komischen 
Szenen  dem  Moliere  nachgebildet  sind:  der  deutsche  Leser  hat 
von  dieser  mehrmaligen  Rückkehr  zu  dem  französichen  Vorbilde 
den  Gewinn,  kräftig  an  das  Verhältnis  des  poetischen  Vermögens 
der  beiden  Nationen  erinnert   zu  werden." 

Im  ersten  Akte  tritt  Sosias  (hierl  und  as)  auf.  Merkur, 
in  der  Gestalt  des  Sosias,  jagt  ihn  unter  Prügeln  weiter. 
Juppiter  nimmt  von  Alkmene  Abschied,  nicht  ohne  durchblicken 
zu  lassen,   wer  er  sei,   wenn  er  (I,   4)   sagt: 

Versprich  mir  denn,  dass  dieses  heit're  Fest, 

Das  wir  jetzt  frohem  Wiedersehn  gefeiert, 

Dir  nicht  aus  dem  Gedächtnis  weichen  soll; 

Dass  Du  den  Göttertag,  den  wir  durchlebt, 

Geliebteste,  mit  Deiner  »-eitern  Ehe 

Gemeinem  Taglauf  nicht  verwechseln  willst. 

Versprich,  sag'  ich.  dass   Du  an  mich  willst  denken, 

Wenn  einst  Amphitryon  zurückekehrt*)  — 
Alk.       Nun  ja.     Was  soll  man  dazu  sagen? 
Jupp.  Dank  Dir! 

Es  hat  mehr  Sinn  und  Deutung,  als  Du  glaubst. 

Charis,  welche  bei  Kleist  dieRolle  von  Molieres  Cleanthis 
spielt,  bespricht  sich  mit  Merkur,  den  sie  für  ihren  Gatten  Sosias 
hält.      Sie   scheiden,    ohne  sich  zu  verständigen. 


J)  In  der  Hempel ausgäbe  Bd.  I,  199  ff. 

2)  Weniger  bedeutsam  bei  Moliere  nach  dem  Gespräche  über  Ehe 
und  Liebe  (I,  3): 

Jup.     Mais,  belle  Alcmene,  au  moins  quand  vous  verrez  Ve'poux, 

Songez  ä  l'amant,  je  vous  prie. 
Ate.     Je  ne  separe  point  ce  qu'unissent  les  Dieux. 


H.  von  Kleist.  227 

Am  Beginne  des  zweiten  Aktes  erzählt  Sosias  dem  Aniphi- 
tryon,  was  ihm  widerfahr.  AI  knien  e  tritt  mit  Charis  aus  dem 
Hause:  es  folgt  die  Szene  der  Verwicklung.  Alkmene  zeigt  zum 
Beweise  der  Wahrheit  das  Diadem  des  Lahdakus  vor,  den  Amphi- 
tryon  erschlug,  und  das  er  ihr  schenkte.  Sie  kann  das  Benehmen 
ihres  Gatten  nur  für  Verstellung  (II,  2)  nehmen,  wie  auch  Mo- 
lieres  Alkmene   thut  (II,   2): 

„Abscheulich  ist  der  Kunstgriff,  er  empört  mich. 

Wenn  Du  Dich  einer  andern  zugewendet, 

Bezwungen  durch  der  Liebe  Pfeil,  es  hätte 

Dein  Wunsch,  mir  würdig  selbst  vertraut,  so  schnell  Dich, 

Als  diese  feige  List  zum  Ziel  geführt." 

Eine  ähnliche  Szene  entwickelt  sich  zwischen  Charis  und 
Sosias.  Die  vierte  Szene  gehört  Kleists  Erfindung.  Alkmene 
kömmt  mit  Amphitryons  Diadem,  auf  dem  sie  die  Buchstaben 
J  statt  A  findet.      Sie   wird  darüber   verwirrt : 

Nicht  nur  entblosst  bin  ich  von  jedem  Zeugnis. 
Ein  Zeugnis  wider  mich  ist  dieser  Stein. 

Da  naht  Juppiter.      Er  sagt  ihr: 

Es  war  kein  Sterblicher,  der  Dir  erschienen. 
Zeus  selbst,  der  Donnergott,  hat  Dich  besucht. 


—    —    Juppiter,  sagt'  ich 

Und  wiederhol's.    Kein  anderer,  als  er, 

Ist  in  verfloss'ner  Nacht  erschienen  Dir. 

Diese  Mitteilung  veranlasst   Charis,    auch  in  ihrem  Sosias  einen 
Gott  zu  suchen  (II,    6): 

Und  der  sich  für  Sosias  hier  mir  giebt, 
Der  wäre  einer  der  Unsterblichen, 
Apollon,  Hermes  oder  Ganymed? 

eine  Vermutung,    welche  der  plumpe   Sosias  nur  zu  schnell    mir 
den  Worten  enttäuscht: 

Apollon,  ich"  Inst  Du  des  Teufels?  —  Der  eiue 
Macht  mich  zum  Hund,  der  andre  mich  zum  Gott?  — 
Ich  bin  der  alte,  wohlbekauute  Esel 

Sosins. 

In  der  ersten  Szene  des  dritten  Aktes  klagt  Amphitryon 
über  sein  Schicksal:  doch  glaubt  er  noch  an  die  Unschuld  seiner 
Gattin.  Merkur  besehimpfl  ihn  vom  Altan  herab  und  warnt  ihn, 
„das  Glück  der  beiden  Liebenden-  drinnen  nicht  zu  stören. 
Sosias   kömmt  mit    den   Feldhcrrn  zurück,   die  er  nach  Juppiters 

15* 


228  I-   Amphitruo. 

Willen  eingeladen  hat,  worüber  ihn  Amphitryon  heftig  ausschilt. 
Juppiter  tritt  ans  dem  Hause  hervor,  die  Feldherrn  entscheiden 
sich  für  ihn,   wie  Sosias  sagt  (III,  5): 

Der  ist  der  wirkliche  Amphitryon, 

Bei  dem  zu  Mittag  jetzt  gegessen  wird. 

Amphitryon  zieht  sich  zurück,  um  „eine  Schar  von  bewaff- 
neten Freunden"  zu  holen.  Juppiter  geht  mit  den  Feldherrn 
zu  Tische,  den  hungernden  Sosias  jedoch  hält  Merkur  heraussen, 
indem  er  ihm  ausmalt,  dass  ihm  sein  Weib  Charis  ein  präch- 
tiges Mahl  zubereitet  habe,  das  er  jetzt  für  ihn  einzunehmen 
gedenke. 

Amphitryon  ist  mit  Obersten  und  Volk  zurückgekehrt,  die 
treu  zu  ihm  stehen.      Ebenso  bittet  Sosias  (III,  10)  um  Schutz: 

Und  kurz  ich  bin  entsosiatisiert, 
Wie  man  Euch  entamphitryonisiert.1) 

Wieder  tritt  Juppiter  seinem  Rivalen  entgegen;  auch 
Alkmene  entscheidet  sich  für  den  Gott;  doch  will  sie  gehen; 
denn  ihre  Ehre  ist  verletzt.  Da  nimmt  Juppiter  seine  wahre 
Gestalt  an;  er  löst  die  Verwirrung  und  verspricht  die  Geburt  des 
Herkules,   nachdem  ihn  Amphitryon  gebeten  hat: 

Was  Du  dem  Tyndarus  gethan,  thust  Du 

Auch  dem  Amphitryon:  Schenk  einen  Sohn, 

Gross  wie  die  Tyndariden,  ihm.  , 

Alle  sind  zufrieden  und  sprechen  von  Ruhm  und  Triumph. 
Nach  keiner  Seite  hin  fällt,  wie  bei  vielen  andern  Bearbeitern, 
eine  spöttische  Rede,  wenn  man  nicht  etwa  der  früheren  Worte 
des  Sosias  über  diese  Himmelsehen  (II,   6)  noch  gedenkt: 

Sos.       Dergleichen  Heirat  war  mir  stets  zuwider. 
Char.     Zuwider?  Warum  das?  Ich  wüsste  nicht  — 
Sos.       Hm!  Wenn  ich  Dir  die  Wahrheit  sagen  soll, 

Es  ist  —  ein  Pferd  und  Esel. 
Char.  Pferd  und  Esel! 

Eiu  Gott  und  eine  Fürstin! 

Kleist  ist  wieder  auf  den  rein  mythologischen  Boden  zurück- 


')  Dies  Wortspiel  hat  schon  Moli  er  e  (H,  8): 
Et  l'on  me  des-Sosie  enfin, 
Comme  on  vous  des-Amphitryonne, 
wobei  die  Herausgeber  auf  den  Trinummus  des  Plautus  {V.  977): 

Proin  tute  itidem  ut  charmidatu  's,  rursum  te  decharmida 
hinweisen.  —  Auch  Dryden  (HE,  1): 

„and  also  Unsosiated  me".    (Vgl.  S.  193,  A.  1) 


H.  von  Kleist.  229 

gegangen  und  hat  ihn  in  manchem  Stücke  veredelt  und  verfeinert.  *) 
Von  Moliere  hat  er  sich  nur  da  losgesagt,  wo  er  glauhte,  ein- 
zelnes noch  mehr  idealisieren  zu  können ,  darum  besonders  im 
zweiten  Teile.  Alkmene  ist  etwas  selbstthätiger  und  unabhängiger 
bis  zum  Schlüsse,  als  inf  anderen  Bearbeitungen,  weil  sie  seit  dem 
zweiten  Akte  den  ganzen  Vorgang  ahnt.  So  sind  also  beson- 
ders die  vierte  und  fünfte  Szene  des  zweiten  Aktes  Kleists 
eigene  Arbeit.  Moliere  hat  er  freilich,  trotz  stellenweise  engsten 
Anschlusses,   bei  weitem  nicht  erreicht.2) 

Auch  das  „Neue  Blatt"  1881,  Nr.  10,  11,  12,  enthält  eine 
Amphitryon-Geschichte.  3) 

Eine  deutsche  Übersetzung  des  Amphitruo  stammt  von 
A.  C.  Borheck  (Köln  1803)*)  und  Rost*)  (Leipzig  1829,  Progr. 
58  Seiten). 


IL    Asinaria.6) 

Es  ist  ein  durchaus  unsauberer  Stoff,7)  den  uns  Plautus  in 
seiner  Asinaria  vorführt;  dazu  gesellt  sich  ein  fühlbarer  Mangel 
dramatischer  Gestaltung.  Ein  Sohn,  der,  um  seine  Geliebte  sich 
auf  ein  Jahr  zu  sichern,  dieselbe  seinem  Vater  auf  eine  Nacht 
überlassen  muss,   da  dieser  sie  ihm  um  das   Geld,    um  welches  er 


1)  Gödeke,  Gdrss.  DT,  1.  Abt.,  S.  48.  „Amphitryon,  der  ihn 
nicht  der  Possen,   sondern  des  eigentümlichen  Problems  halber  anzog." 

2)  Koberstein.  III,  3152.  „Amphitryon  ist  eine  keineswegs 
geglückte  Umarbeitung  von  Molieres  gleichnamigem  Stücke."  — 
Kurz.  III,  465.  Der  Amphitryon  kann  nicht  in  Anschlag  gebracht 
werden,  da  er  nur  nach  dem  Französischen  des  Moliere  bearbeitet  ist, 
den  er  zudem  in  keiner  Weise  erreicht.  —  Gervinus.  V,  750.  „Den 
Amphitryon  des  Moliere  hat  er  verzerrt." 

3)  St  ein  ho  ff,  Das  Fortleben  des  Plautus  etc.  S.  14,  Anm.  5.  — 
Wollte  man  freilich  aller  irgendwie  ähnlicher  Auftritte  gedenken,  so 
dürfte  man  in  erster  Linie  die  wirksame  Szene  in  Karl  Gutzkows 
(1811—1878)  Lustspiel  „Das  Urbild  des  Tartüffe"  (S.  139  des  vier- 
ten Bandes  der  dramatischen  Werke,  Leipzig,  Lorck)  nicht  vergessen, 
wo  (V,  4)  Lionne,  Delarive,  Dubois,  Lefevre,  dann  (V,  5)  Ludwig  XTV. 
den  Präsidenten  Lamoi»iion  für  den  als  Tartüffe  verkleideten  Moliere 
haltfii,  und  wo  (V.  t>i  Moliere  in  seiner  Maske  Lamoignon  gegenübersteht. 

*)  Gödeke.    DI,  217. 

5)  Schweiger.    EE,  2.    S.  775. 

6)  Ausgabe  von  E.  J.  Richter,  Nürnberg.  1833.  —  Hier  zitiert  nach 
A.  Fleckeisen. 

7)  Teuffei  (G.  d.  r.  L.),  S.  147,  nennt  die  Asinaria  „von  possen- 
haftem Stoffe,  aber  mannigfaltiger  und  lebendiger  Charakterzeichnung 
und  mit  Szenen  von  grosser  komischer  Wirkung". 


230  H.   Asiuaria. 

die  Mutter  betrogen  hat,  von  der  kupplerischen  Mutter  loskauft,  ist 
gewiss  kein  anziehender,  geschweige  denn  ein  ästhetischer  Vorwurf. 

Vnum  hunc  diem  perpetere,  quoniaui  tibi  potestatera  dedi, 
Cum  hac  annum  ut  esses  atque  amanti  argenti  feci  copiam 

meint  (V.   847)  der  Vater,    worauf  dem  Sohn  nichts  mehr  zu  er- 
widern bleibt,   als: 

Hern, 

Istoc  me  facto  tibi  deuinxti. 

Es  ist  wohl  dem  Zuschauer  aus  der  Seele  gesprochen,   wenn  Arte- 
mona ihrem  liederlichen  Gatten  zuruft  (V.   932): 

Istoscin  patrem  aequomst  mores  liberis  largirier? 

Nilne  te  pudet? 

Cano  capite  te  cuculum  uxor  ex  lustris  rapit. 

Das  Stück  ist  zum  mindesten  ein  Sittenbild  trauriger  Fami- 
lienverhältnisse, die  um  so  düsterer  aussehen,  wenn  wir  aus  dem 
Munde  der  caterua  zum  Schlüsse  hören  müssen,  der  alte  Sünder 
habe  nichts  Ungewohntes  oder  Seltsames  gethan,  vielmehr  würde 
es  jeder   ebenso  machen  (V.   942): 

Hie  senex  siquid  clam  uxorem  suo  animo  fecit  uolup, 
Neque  nouom  neque  mirum  fecit  nee  secus  quam  alii  solent. 
Nee  quisquamst  tarn  ingenio  duro  nee  tarn  firmo  pectore, 
Quin,  ubi  quieque  occassionis  sit,  sibi  faciat  bene. 

Inmitten  solcher  sittlicher  Verkommenheit  überrascht  nichts 
mehr,  als  die,  man  darf  sagen,  moderne  Sentimentalität  des  Argu- 
rippus  und  der  Dirne  Philenion,  „eine  leidenschaftlich-sentimen- 
tale Geschlechtsliebe",  wie  Rapp  (d.  pl.  L.,  S.  919)  bemerkt,  wie 
man  sie  dem  Altertume  zuzugestehen  sonst  nicht  geneigt  ist.  Sie 
erreicht  in  der  dritten  Szene  des  dritten  Aktes  ihren  über- 
raschenden Höhepunkt.  Philenion  hält  ihren  Geliebten  noch 
länger  bei  sich  zurück,  und  auf  die  Frage  (V.   591): 

Quor  me  retentas? 
erwidert  sie  die  leidenschaftlichen  Worte: 

Quia  tui  amans  abeuntis  egeo. 

Seinem  aufmunternden   „salue"   entgegnet  sie  (V.  593): 

Saluere  me  iubes,  quoi  tu  abieus  adfers  morbum? 

Der  Honig  scheint  ihm  nimmer   süss,    seit  er  sie  liebt  (V.    614): 

0  melle  Julei  dulcior  tu  's, 


Charakteristik  derselben.  231 

worauf  sie  nicht  minder  glühend  antwortet: 

Certe  enmi  tu  mihi  uita  's: 
Complectere. 

Freudig  umarmt  er  sie  (facio  lubens),  mid  sie  stösst  den  Wunsch 
aus,  der  fast  an  Egmonts  Klärchen  erinnert:  „So  lass  mich  sterben! 
Die  Welt  hat  keine  Freuden  auf  diese1'    (HL.  Akt): 

Vtinam  sie  eeferamur! 

Argurippus   meint  bei  dem  Gedanken    einer  Trennung   von   ihr 

(F.  620): 

„oculi  sunt  tibi  lacrumantes." 

Philenion  spricht  von  dem  sichern  Tode,  den  ihr  ihre  Mutter 
durch  Auflösung  dieses  Liebesverhältnisses  bereitet  (F.  595): 

Acerbum  funus  filiae  faciet,  si  te  carendumst, 

und  er  hat  sich  mit  dem  Gedanken  des  Selbstmordes  vertraut  ge- 
macht.    Mit  tragischen  Worten  reisst  er  sich  von  ihr  los  (F.  .606): 

Bene  uale:  aput  Orcum  te  uidebo: 
Nam  equidem  me  iam  quantum  potis  a  uita  abiudicabo. 

Ganz  modern  und  völlig  zu  unsern  Liebesszenen  passend  ist 
Philenions  Einwurf  (F.  608): 

Quor  tu  opsecro  inmerito  meo  me  morti  dedere  optas? 
und  des  Argurippus  tiefempfundene,  liebevolle  Antwort  (F.  609): 

Egon  te?  quam  si  [egol  intellegam  deficere  uita,  iam  ipse 
Vitam  meam  tibi  largiar  et  de  mea  ad  tuam  addam. 

In  elegischer  Stimmung  preist  er  —  gewiss  seltsam  im  Munde 
eines  römischen  Bürgers!    —   die  Sklaven  glücklich  (F.  629): 

Vt  uostrae  fortunae  meis  praecedunt,  Libane,  longe 
Hodie  qui  numquam  ad  uesperum  uiuam. 

Sie  haben  ihn  verloren  (F.  621): 

Patronus  qui  uobis  fuit  futurus,  perdidistis. 

Derartig  ist  die  ganze  Szene.  Unter  wie  vielen  Schmeichel- 
worten und  Kosenamen  bittet  Philenion  den  Sklaven  Leonida, 
sich  ihrer  anzunehmen,  bis  sie  mit  den  tiefgefühlten  Worten 
(F.  665): 

„ne  nos  diiunge  amantis" 


232  II.   Asinaria. 

schliesst.  Es  ist  ein  vollendetes  Bild  modernen  Liebesleids,  eine 
Bestätigung  des  Ausrufes,  der  sich  dem  zusehenden  Leonida. 
(  V.  616)   entringt: 

0  Libane,  ut  miser  [is]  est  homo  qui  amat! 

Es  sind  in  der  That  die  „egtotsg  vtczq  {ikv  ayav  el&6vTegu , 
und  zwar  in  einer  Form,  wie  wir  sie  im  Altertume  sich  selten 
äussern  sehen. 

Der  erste  Akt  beginnt  mit  einer  Unterredung  des  Haus- 
vaters Demaenetus  mit  seinem  Sklaven  Libanus.  Der  Sklave 
soll  irgend  einen  Streich  ersinnen,  um  dem  Haussolme  zn  Geld  zu 
verhelfen,   das  er  für  seine  Geliebte  braucht  (7   102). 

Fabricare  quiduis,  quiduis  conminiscere : 
Perficito  [id]  argentum  kodie  ut  habeat  filius, 
Amicae  quod  det. 

Die  nächste  Szene  bringt  das  Zwiegespräch  des  Argurippus  mit 
der  schändlichen  Mutter  Cleaereta,  die  ihre  Tochter  Philenion, 
als  gute  Ware  (7  172), 

Par  pari  daturn  liostimentumst,  opera  pro  pecunia, 

an  denjenigen  verkauft,   der  ihr  zuerst  bar  zwanzig  Minen  erlegt 

(7    230): 

uigiuti  minas: 
Atque  ea  lege:  si  alius  ad  me  prius  attulerit.  tu  uale! 

Argurippus  hat  sie  eben  nicht  zur  Hand  und  schwebt  nun  in 
höchster  Gefahr,  seine,  wie  wir  gesehen  haben,  so  heiss  geliebte 
Philenion  an  einen  pünktlicheren  Zahler,  den  jungen  Diabulus, 
zu  verlieren.  Keine  Vorstellung  beugt  den  niedrigen  Sinn  der  kupple- 
rischen Mutter.  Bei  dieser  Szene  entfaltet  sich  uns  ein  hochinter- 
essantes Sittenbild.  Das  Kupplerwesen  der  alten  Metropole  wird  hier 
in  einer  Weise  beleuchtet,  wie  es  derber  nicht  in  Shakespeares 
„Perikles"    geschieht,  als  die  (7  133) 

pellecebrae,  pernicies,  adulescentuni  exitium. 
Das  Meer  ist  nicht  räuberischer  als  die  Kuppler: 

Nam  mare  haut  est  mare:  uos  mare  acerrumum: 
Nam  iu  ruari  repperi,  hie  elaui  bonis. 

Rücksichtslosigkeit  kennzeichnet  die  Kupplerin   (7  173): 

Quid  me  aecussas,  si  facio  officium  meum? 
Nam  neque  fictum  usquamst  neque  pictum  neque  scriptum  -in  poematis, 
Vbi  lena  bene  agat  cum  quiquam  amante.  quae  frugi  esse  uolt. 


Charakteristik  derselben.  233 

Den  Liebhaber  behandelt  die  Kupplerin  wie  einen  Fisch,  der  nur 
frisch  etwas  taugt  (V.  178): 

Quasi  piscis  itidemst  amator  lenae:  nequamst  nisi  recens. 
Is  habet  sucum,  is  suauitatem:  eum  quouis  pacto  condias 
Vel  patinarium  uel  assum  uorses  quo  pacto  lubet. 

Des  Kupplers  Thüre  gleicht  dem  Handelshafen;  ohne  Zoll  giebt  es 
keinen  Durchgang  (V.  240). 

Portitorum  simillumae  sunt  ianuae  lenoniae : 

Si  adfers,  tum  patent:  si  non  est,  quod  des,  aedes  non  patent. 

Später  setzt  sie  dann  dieselben  Grundsätze  ihrer  Tochter  aus- 
einander (F.  536):  Non  uoto  ted  amare  qui  dämmt,  qua  amen- 
fcur  gratia.  Den  hast  du  zu  lieben,  der  dich  dafür  bezahlt. 
Alles  dies  kehrt  in  den  italienischen  und  französischen 
Komödien   wörtlich  an  unzähligen  Stellen  wieder. 

Verzweifelt:  „Interii,  si  non  inuenio  ego  illas  uiginti  minas': 
(F.  243),  eilt  Argurippus  ab,  um  das  Geld  irgendwo  auf- 
zutreiben. 

Am  Beginne  des  zweiten  Aktes  tritt  der  Sklave  Liba- 
nus  auf.  Das  Geld  muss  geschafft  werden.  In  gleicher  Absicht 
kömmt  sein  Nebensklave  Leonida.  Er  weiss  einen  Ausweg. 
Demänetus  hat  an  einen  Handelsmann  aus  Pella  einige  arka- 
dische Esel  durch  Saurea,  den  atriensis  (F.  582),  verkaufen 
lassen.  Soeben  schickt  der  Kaufmann  durch  einen  Handlungs- 
diener das  Geld,  damit  es  Saurea  übergeben  werde.  Der  Diener 
keimt  Saurea  nicht,  und  so  giebt  sich  Leonida  für  denselben 
aus.  Der  Mercator,  der  mit  dem  Gelde  angekommen  ist, 
fragt  Libanus,  wie  Saurea  ungefähr  aussehe.  Dieser  schildert 
ihn  natürlich  mit  Leonidas  Zügen,  und  Leonida  tritt  nun  als 
Saurea  auf.  Obwohl  Saurea  handelnd  nicht  erscheint,  sehen 
wir  doch  in  dieser  Szene  ein  treffliches  Bild  dieses  übermütigen 
atriensis  in  seiner  ganzen  Brutalität,  zu  der  ihm  seine  Stellung 
als  Dotalsklave   der  Hausfrau  das  Recht   einräumt   (F.  85). 

Dotalem  seruom  Sauream  [ne]  uxor  tua 
Adduxit,  quoi  plus  in  manu  sit  quam  tibi. 

Der  Bedientenwitz  des  Leonida  macht  sich  hier  Luft  gegen 
den  verhassten,  stets  mit  Prügeln  bereiten  Saurea,  bei  dem 
selbst  Juppiters  Fürbitte  für  einen  Sklaven  vergeblich  wäre 
(F.   414): 

Si  quidem  hercle  nunc  summüm  Iouem  te  dicas  detinuisse 
Atque  is  prceator  atlsiH.   nialam  rem  ecfügies  numquam. 


l>;54  II.   Asinaria. 

Allein  der  Handelsdiener  will  niemand  sein  Geld  geben, 
den  er  nicht  kennt.  Er  erwidert  auf  alle  Versicherungen  des 
Pseudosaurea  „hau  negassim"  (V.  503)  und  geht  mit  den  Skla- 
ven, die  ihn  vergeblich  überreden  wollen,  ihnen  die  Summe  ein- 
zuhändigen,  ab. 

Die  erste  Szene  des  dritten  Aktes  führt  Cleaereta  im. 
Gespräche  mit  ihrer  Tochter  Phile nion  ein.  Vergeblich  bittet 
das  Mädchen  um  Aufschub.  Libanus  und  Leonida  kehren  vom 
Markte  heim;  der  alte  Demänetus  hat  Leonida  als  seinen 
..atriensis"  Saurea  bestätigt,  dem  der  Mercator  hierauf  die 
zwanzig  Silberminen  ausgeliefert  hat.  Argurippus  und  Phile- 
nion spielen  die  oben  erörterte  zärtliche  Liebesszene,  welche 
Libanus  und  Leonida  ungesehen  belauschen.  Endlich  treten 
beide  vor.  Libanus  richtet  an  den  jungen  Herrn  die  Frage,  ob 
denn  die  Frau,  die  er  da  in  den  Armen  halte,  Rauch  sei,  weil  ihm 
Thränen  in  die  Augen  kämen.  Lange  halten  die  beiden  Sklaven  die 
Liebenden  hin,  indem  bald  Libanus,  bald  Leonida  sagt,  er  ver- 
füge über  die  geforderte  Summe;  endlich  liefert  Libanus  das 
Geld  aus  (7.   734): 

uigmti  minae  bonae  mala  opera  partae, 

als   eine  Spende  des  Vaters,    doch   mit  der  Bedingung  (F.   736): 

Noctem  huius  et  cenam  ut  sibi  dares. 

Drinnen  wartet  der  Alte  bereits,  der,  um  seiner  Frau  zu  entgehen, 
durch  ein  Hinterpförtchen  hereingeschlüpft  war. 

Im  vierten  Akte  sehen  wir  den  Parasiten,  der  in  dieser 
Komödie,  wie  öfter,  keinen  Namen  hat,  mit  dem  Nebenbuhler 
des  Argurippus,  Diabulus,  wegen  Philenion  unterhandeln. 
Er  hat  ihm  einen  ausführlichen,  von  der  Kupplerin  zu  unterzeich- 
nenden Kontrakt  auf  ein  Jahr  entworfen.  Hier  ist  im  Lustspiele 
eine  Textlücke.  Diabulus  sieht  im  Hause  Demänetus,  Argu- 
rippus und  Philenion  bei  Tische.  Voll  Zorn,  dass  er  zu  spät 
gekommen,  will  er  zur  Frau  des  Demänetus  eilen,  um  ihr  selbst 
die  Schandthaten  ihres  Mannes  darzustellen,  was  dann  der  Parasit 
für  ihn  übernimmt. 

Der  fünfte  Akt  führt  uns  eine  geteilte  Szene  vor.  Wir 
erblicken  das  Gelage  in  Cleaeretas  Haus  und  die  Vorgänge  auf  der 
Strasse.  Der  Vater  fragt  den  Sohn,  ob  es  ihm  nicht  „molestunr' 
(F.  830)  sei,  dass  seine  Geliebte  bei  ihm  liege.  Die  seltsame  Ant- 
wort des  Sohnes  lautet: 

Pietas,  pater,  oculis  dolorem  prohibet. 
Indessen  im  Hause  gezecht   wird,    hat    der   Parasit  Demä- 


Charakteristik  derselben.  235 

netus'  Frau,  Artemona,  herbeigeführt.  Sie  sieht  das  schänd- 
liche Treiben  ihres  Gatten  und  hört,  was  noch  mehr,  seine  ge- 
meinen Reden  und  frivolen  Witze  über  sie.  Endlich  (F.  891)  eilt 
sie  hinein,  der  Parasit  zieht  sich  zurück,  und  drinnen  entwickelt 
sich  eine  leicht  erklärliche,   häusliche  Szene. 

So  schliesst  das  Stück,  gewiss  in  nicht  befriedigender  Weise. 
Wenn  etwas  daran  wohlthuend  wirkt,  so  ist  es  höchstens  der  Um- 
stand, dass  der  Alte  nicht  zur  Erreichung  seines  Zweckes  mit  Phi- 
lenion kam.  Trotz  der  geringen  Befriedigung  aber,  welche  das 
Stück  bietet,   verkündet  uns  doch  der  Prolog: 

(V.  13.)  Inest  lepos  ludusque  in  liac  comoedia: 

Ridicula  res  est. 

Ist  nun  allerdings  der  Totaleindruck  kein  günstiger  und 
der  Schluss  ein  ziemlich  unvermittelter,  so  bieten  doch  die  vorge- 
führten Personen  als  Bilder  der  Gesellschaft  und  lebende  Typen 
mannigfaches  Interesse. 

Der  alte  Demänetus,  ein  Greis  mit  dem  Stabe  {V.  124),  ist 
eine  traurige  Erscheinung.  Sein  Vater  hatte  ihm  eine  elende  Er- 
ziehung zukommen  lassen;  er  hatte  ihm,  dem  Jüngling,  vom 
Kuppler   selbst  die  Mädchen  geholt  (V.  68): 

Volo  me  patris  mei  similem,  qui  caussa  mea 

Nauclerico  ipse  ornatu  per  fallaciam 

Quam  amabam  abduxit  ab  lenone  mulierem. 

Auch  sein  Vater  hatte  sich  in  alten  Tagen  seiner  Schelmenstreiche 
nicht  geschämt: 

„Neque  puduit  eum  id  aetatis  sucophantias 
Struere," 

denn  ihm  lag  daran: 

„beneficiis  me  emere  gnatum  suum  sibi." 

Und  dies  Vorbild  will   er  nachahmen  (F.  73). 

Eos  me  decretumst  persequi  mores  patris. 

Er  hat   nur   den    Wunsch,     es   möchten    alle    Eltern    so    mit   ihren 
Kindern  verfahren  (F  64): 

Omnes  parentes,  Libane,  liberis  suis, 

Qui  mi  auscultabunt,  facient  opsequentiam. 

Dadurch  glaubt  er,    die  Liebe  der  Seinigen  zu  erringen  (F   67): 
„uolo  amari  a  meis." 


236  H-   Asinaria. 

Allerdings  sind  derartige  Charaktere  nicht  mir  dem  alten  Rom 
eigen  gewesen! 

In  seiner  Blindheit  rechnet  er  es  sich  zur  Ehre  an,    dass  ihn 
sein  Sohn  in  alle  Geheimnisse  einweihe  (F  80)  : 

quom  is  me  dignum  quoi  concrederet 
Habuit,  me  habere  honorem  eius  ingenio  decet: 
Quom  me  adiit,  ut  pudentem  gnatum  aequomst,  patrem 
Cupio  esse  amicae,  quod  det  argentum  suae. 

Sowie  er  seinen  Sohn  verzieht,  zittert  er  vor  seinem  Weihe.  Sein 
Sklave  beschwört  ihn  nur  bei   ihr  (F.  19): 

Perqxtc  illam,  quam  tu  metuis,  uxorem  tuam. 

Er  ist  ohne  jegliche  Autorität  in  seinem  Hause;  er  hat  sie  längst 
schon  um  die  Mitgift  seiner  Frau  hingegeben  (F.   87): 

Argentum  accepi,  dote  inperium  uendidi. 

Er  selbst  hat  nichts,   als  was  er  seiner  Frau  stiehlt  (F.  92): 

Nudo  detrahere  uestimenta  me  iubes. 

Tene  ego  defraudem,  quoi  ipsi  nihil  est  in  manu, 

Nisi  quid  tu  porro  uxorem  defraudaueris 

hält  ihm  sein  Sklave  vor.  Von  ihm  etwas  haben  wollen,  hiesse  zu- 
gleich: piscari  in  aere  et  uenari .  .  .  reticulo  in  medio  mari  (F.  99). 
Er  ist  ein  grundverdorbener  Mensch  („omnium  pol  nequissuraus, " 
F.  922),   oder  wie  ihn  seine  Frau  bezeichnet  (F.  870): 

Ego  censeo 
Eum  etiam  hominem  [aut]  in  senatu  dare  operam  aut  cluentibus: 
Ibi  labore  delassatum  noctem  totam  stertere. 
Opere  illic  foris  faciundo  lassus  noctu  [ad  me]  aduenit: 
Funduni  alienum  arat,  incultum  familiärem  deserit. 
Is  etiam  corrumptus  porro  suum  corrupit  filium. 

Er    hat    etwas    von  dem   verliebten    Falstaff  an    sich,    der 
alte  Sünder  (decrepitus  senex,    F.  863),   wenn  er  (F.  883)  gesteht: 

Me  ex  amore  huius  [esse]  corrumptum  oppido, 

wenn  er  bei  Liebeslust,  Wein  und  Würfelspiel  ( F.  904)  alle  Rück- 
sicht bei  Seite  setzt,  den  Plan  fasst,  seiner  Frau  den  Mantel  zu 
stehlen,  um  ihn  der  Philenion  zu  schenken  (F.  885).  Wir  glauben 
ihm,  dass  er,  Philenion  mit  seiner  Frau  vergleichend,  jene  schö- 
ner findet  (F.  893),  und  die  Gattin  am  liebsten  hat,  wenn  sie  nicht 
da  ist  (F.  899): 

Egone  illam  *?  nunc  amo,  quia  non  adest; 


Charakteristik  derselben.  237 

aber  es  ist  empörend,   wenn  er  laut  ihren  Tod  wünscht  (F  905): 

Te,  Philenium,  mihi  atque  uxori  mortem,  hoc  Veneriumst, 

in  Gegenwart  seines  Sohnes,  und  da  der  Zuschauer  die  Frau  zu- 
hören sieht. 

Mag  immerhin  Artemona  etwas  „inportuna  atque  incom- 
moda"  (F  62)  und  die  Ehe  mit  einer  dotata  uxor  (F  903)  er- 
fahrungsgemäss  nicht  immer  die  glücklichste  sein,  er  hat  verdient, 
was  sie  ihm  droht  (F.  869): 

ne  [ego]  illum  ecastor  miserum  habebo. 

Des  verliebten  Argurippus,  den  seine  Mutter  um  so  viel  knapper 
hält,   als  ihn  sein  Vater  verwöhnt  hat  (F.  78): 

illum  mater  arte  contenteque  habet, 

der  seiner  Teuern  sein  Herz  zu  Füssen  legt  (F.   141): 

amans  meum  animum  isti  dedi 

und  ausgezogen  (despoliatus,  F.  204)  von  der  Kupplerin  scheidet, 
ist  bereits  mehrfach  Erwähnung  geschehen,  ebenso  seiner  Phile- 
nion, der  „satis  dicacula  amatrix"  (F.  511),  der  ihre  Mutter  den 
Vorwurf  macht  (F.  526): 

Vitro  amas,  ultro  expetessis,  ultro  ad  te  arcessi  iubes: 
Illos  qui  dant  eos  derides:  qui  deludunt  deperis. 
An  te  id  expectare  oportet,  siquis  promittat  tibi 
Te  facturum  diuitem,  si  moriatur  mater  sua? 

nicht  minder  der  schmutzigen  Cleaereta,  welche  Laster  verkauft, 
wie  ein  ehrlicher  Kaufmann  seine  Ware  (F.   200): 

Quom  a  pistore  panem  petimus,  uinum  ex  oenopolio, 
Si  aes  habent,  dant  mercem:  eadem  nos  discipulina  utimur: 
Semper  oculatae  manus  sunt  nostrae,  credunt  quod  uident. 
Vetus  est  „nihili  coctiost",  scis  cuius:  uou  dico  amplius. 

und  die  nicht  zu  befriedigen  ist  (F.  169):  „numquamne  expleri 
potes?" 

Der  schlaue  Handlungsdiener,  der  dennoch  betrogen  wird, 
ebenso  Diabulus,  sind  nebensächliche  Figuren.  Mit  den  üblichen 
Farben  ist  auch  der  Parasit  gezeichnet,  der  Mann  ohne  eigene 
Ansicht,  der  zu  seinem  „rex"  (F.  919)  steht  und  sein  Faktotum 
ist  (F.  748): 

tu  pöeta  's  prossus  ad  eam  rem  unicus, 


238  H.  Asinaria. 

der  die  Frau  des    Demänetus   lieimlicli    aufhetzt    (F   868)    oder 
durch   Spott  ihren  Zorn   steigert  (F  900): 

Amat  homo  hie  te,  ut  praedicat 

und    dann     zur     gelegenen    Zeit    den    Rückzug    anzutreten     weiss 
(F.    912): 

Tempus  est  subducere  hinc  me:  pulcre  hoc  gliscit  proelium, 

in  der  Hoffnung,   Argurippus  werde  sich  zu  einem  Kompromisse 
mit   Diabulus  verstehen  (F.   917): 

Argurippus  exorari  spero  poterit  ut  sinat 
Sese  alternas  cum  illo  noctis  hac  frui. 

Der  Schwerpunkt  fällt  auf  die  beiden  Sklaven  Libanus  und 
Leonida,  zwei  Muster  von  Schurken.  Nach  Argurippus'  Wor- 
ten sieht  Libanus  ehrlicher   aus   (F.   681): 

„Virum  quidem  pol  optumum  et  non  similem  furis  huius." 

Sein  Herr  hat  ihn   ins  Vertrauen  gezogen,    und   so   ist  sein  Wort 
(F.  114): 

Quin  te  quoque  ipsum  facio  hau  magni,  si  hoc  patro 

gerechtfertigt.      Sein  Herr  sagt  von  ihm,   es  gebe  keinen  gewand- 
teren Menschen,   als  er;   er  setze   alles  durch  (F.    118): 

Non  esse  seruos  peior  hoc  quisquam  potest 
Nee  magis  uorsutus  nee  quo  ab  caueas  aegrius. 
Eidem  homini,  siquid  recte  curatum  uelis, 
Mandes:  moriri  sese  misere  mauolet, 
Quam  uou  perfectum  reddat  quod  promisserit. 

Ebenso    zu    jedem    niedrigen    Streiche   bereit    ist    Leonida.       Er 
sagt  (F.   313): 

•  Tantum  facinus  modo  ego  inueni,  ut  nos  dicamur  duo 
Omnium  dignissumi  esse  quo  cruciatus  confluant. 

In  der  Not  muss  man  Stand  halten   (F.   323): 

Hern,  ista  uirtus  est,  quando  ussust,  qui  malum  fert  fortiter. 
Fortiter  malum  qui  patitur,  idem  jiost  potitur  bonum. 

Trefflich  zeichnet  Libanus  sein  äusseres  Auftreten  (F.   400): 

Macilentis  malis,  rufulust,  aliquantum  uentriosus 
Truculentis  oculis,  commoda  statura,  tristi  fronte. 

Eine  äusserst  gelungene    Schilderung   ihrer    Charaktere   und   ihres 


Charakteristik  derselben.  239 

ganzen  Wesens  geben  sich  die  beiden  Sklaven  im    dritten    Akte, 
wo  Leonida  von  Libanns   erzählt  (F  561): 

Vbi  fidentem  fraudaueris,  ubi  ero  infidelis  fueris, 
Vbi  uerbis  conceptis  scieus  lubeuter  periuraris, 
Vbi  parietes  perfoderis,  in  furto  ubi  sis  praehensus. 
Vbi  saepe  caussam  dixeris  pendens  aduorsus  octo 
Artutos  audacis  uiros,  ualentis  uirgatores 

und  ihm  Libanus   erwidert  (F.  567): 

Verum  edepol  etiam  tua  quoque  male  facta  iterari  multa 
Et  uero  possunt:  ubi  scieus  Meli  infidus  fueris, 
Vbi  praeusus  iu  furto  sies  mauufesto  et  uerberatus, 
Vbi  periuraris,  ubi  sacro  manus  sis  admolitus, 
Vbi  eris  damuo  molestiae  et  dedecori  saepe  fueris, 
Vbi  creditum  quod  sit  tibi  datum  esse  pernegaris, 
Vbi  amicae  quam  amico  tuo  fueris  magis  fidelis, 
Vbi  saepe  ad  languorem  tua  duritia  dederis  octo 
Validos  lictores  ulmeis  adfectos  lentis  uirgis. 

Und  beide   sind  mit    der    gegenseitigen  Schilderung    einverstanden 

(F  577): 

„Vt  meque  teque  maxume  atque  ingenio  uostro  decuit. 

Im  übrigen  leuchtet  allenthalben  die  jammervolle  Stellung 
der  Sklaven  durch.  Eutenschläge  und  Geisseihiebe  sind  ihre 
ständigen  Reminiszenzen.  „Gumnasium  flagri",  „catenarum  Co- 
lone" (F.  297),  betitelt  Leonida  den  Libanus,  „custos  car- 
ceris",  „uirgarum  lasciuia",  entgegnet  ihm  dieser.  „Etiam  de 
tergo  ducentas  piagas  praegnatis  dabo"  (F.  276),  sagt  Leonida, 
„Largitur  peculium:  omnem  in  tergo  thesaurum  gerit",  erwidert 
ihm  Libanus  u.  s.  w. 

Ausserdem  bietet  das  Lustspiel  hier  und  dort  satirische  An- 
spielungen, wie  die  Auspizienparodie  des  Libanus  (F.  258  ff.), 
den  Spott  auf  die  Aushilfsgottheiten  (F.  723  ff.)  u.  ä. 

Hinsichtlich    der    Herkunft    des    Stückes    sagt    der    Prolog') 

(F.    10): 

.  .  .  buic  est  uomeu  Graece  Onar/o  fabulae: 
Demophilus  scripsit.  ..  \laccius  uortit  barbare." 

Riccoboni  (I,  281)  hält  auch  in  diesem  Stücke  die  Einheit 
des  Ortes  fest:  „On  ouvroit  une  de  ces  deux  portes  laterales  et  Ton 
decouvroit  dans  le  Peristile  de  la  maison  une  Table  avec  les  acteurs 
qui  mangeoient. " 


!)  Ritschi.    Opusc.    II,  683. 


240  II.   Asinaria. 

Die  Asinaria  des  Plautns  zählte  zu  denjenigen  Komödien, 
welche  die  Römische  Akademie  auf  dem  Qnirinal  aufführen 
liess.  Wir  wissen  durch  Paolo  Cortese  von  einer  um  das  Jahr 
1480  in  lateinischer  Sprache  zu  Rom  veranstalteten  Darstellung, 
sowie  von  einer  in  italienischer  Sprache  aus  dem  Jahre  1514.  ^ 
Weitere  Übersetzungen  und  Aufführungen  in  Italien  folgten.2) 
In  den  späteren  Bearbeitungen  ist  manches  mit  der  Casina  und 
den  Bacchides  zusammengeflossen,  wovon  dort  die  Rede  sein  wird: 
vor  allem  ist  der  schwache  Vater  Demänetus  eine  häufig 
auftretende  Figur  geworden. 

Zu  einer  eigentümlichen  dramatischen  Szene  des  be- 
kannten Humanisten  Jakob  Locher,  genannt  Philomusus,3) 
hat,  wie  C.  Bursian  zuerst  bemerkt  hat,4)  die  Asinaria  Veran- 
lassung gegeben.  Es  ist  das  „Ludicrum  drama:  plautino 
more  |  fictum:  a  Jacobo  locker  Pliilomuso:  de  sene  ama- 
to|re:  filio  corrupto:  &  dotata  muliere".  Mit  Titel  und 
Brief  acht  Seiten  ohne  Jahreszahl  und  Druckort.  Nach  dem  Bilde 
folgen  die  vier  Verse: 

Curue  senex  naso  fluido:  rügosoque  vultu 
Qui  nocuo  pueros  ledis  amore  bonos 

Vilia  scorta  colis  lustrans  geniale  lupanar 
Hinc  merito  pateris  tu  muliebre  iuguni. 

')  T.  Maccii  Plauti  comoediae  recensuit  et  enarravit  Joannes 
Ludovicus  Ussing.  Havniae  (suniptibus  librariae  Gyldendalianae) 
1875.  Band  I,  S.  348.  „Quare  iis  teniporibus,  quibus  in  Italia  renatae 
sunt  litterae  et  latino  sermone  agebatur,  velut  Romana  academia  Pom- 
ponio  Laeto  praeside  c.  annum  1480  scena  structa  in  Quirinali  Monte 
Asinariam  Plauti  Latine  egit  et  Italicis  versibus  translata  Ve- 
netiis  acta  est  a.  1514  et  in  Monasterio  S.  Stephani  et  alibi."  — ■  Tira- 
boscbi.  VI,  873.  —  Nach  Brunet  (Manuel  III,  767)  am  11.  Februar 
1514  gespielt. 

2)  L'  Asinaria  Comedia  ridicolosa  di  Plauto,  intitolata  Asi- 
naria, tradotta  di  Latino  in  volgare  in  terza  rima  e  rappresentata  nel 
Monasterio  di  Santo  Stepbano  in  Venezia.  —  L'  Asinaria,  Comedia  di 
Plauto,  tradotta  in  terza  rima.  In  Venetia  per  Bencio  da  Lecco.  1528, 
in  8°.  —  (Argelati.  11,231.  Allacci,  Drammaturgia,  pag.59.)  —  L'  Asi- 
naria, Comedia  di  Plauto,  traducta  de  Latino  in  Vulgär,  rappresen- 
tata adi  XL  Febraro  del  MDXLV  in  Vinetia  nel  Monasterio  de  Sancto 
Stefano,  (nachZeno  1545  in  Venedig  gedruckt;  nach  Riccoboni  (I,  139) 
im  Jahre  1528  dort  selbst  gespielt:  Le  tems  de  l'Impression  de  1' Asi- 
naria et  la  Singularite  du  lieu  oü  on  en  a  donne  la  representation 
meritent  qu'on  y  fasse  attention.)  —  L' Asinaria  di  Plauto,  tradotta 
da  Francesco  Brunamonti  in  versi  sciolti.     ( Argelati.    II,  232.) 

3)  Geb.  zwischen  23.  und  31.  Juli  1471  in  Ehingen  aD.;  gest.  am 
4.  Dezember  1528  zu  Ingolstadt.  (Allgemeine  deutsche  Biographie. 
91.  Lieferung.  1884.)  (Lpz.,  Dunker  &  Humblodt.)  S.  59  -  63.  „Fünf 
Dramen  .  .  .  das  fünfte  endlich  ist  eine  kurze  Nachahmung  des  Plau- 
tus  (speziell  der  Asinaria)  mit  prosaischer  Diktion."  (Hehle.)  — 
Gödeke,  Gdr.  (2.  Aufl.)  1,426.  —  Peter  Paul  Finauers  Versuch  einer 
bäuerischen  gelehrten  Geschichte.  München  1767,  S.  89.  —  Schröder, 
Das  Wiederaufblühen  der  klassischen  Studien  (1864),  S.  271—278.   (S.  46.) 

4)  Francke  a.  a.  0.    S.  122. 


Lochers  Ludicrum  Drama.  241 

Das  Argumentum  besagt: 

Corripit  insanum  niulier  dotata  maritum 
Factaque  libratis  uerbis  scelerata  lacessit. 
At  tandem  seruus  pacem  componit  amicam; 
Sic  letum  fineni  spectabile  drama  tenebit. 

Es  ist  also  eine  Episode  der  Asinaria,  so  weit  es  das 
eheliche  Leben  des  Demaenetus  und  der  Artemona  be- 
trifft, doch  spielen  wohl  auch  Stalino  und  Cleostrata  aus  der 
Casina  herein.  Das  Ganze  ist  ein  witzloses,  geistesarmes  Ding, 
das  nur  in  wenigen  Worten,  wie  der  dotata  uxor  u.  ä.,  an  das 
Original  erinnert.  Immerhin  aber  mag  die  Seltenheit  des 
Textes1)  und  die  Kürze  des  Stückes  den  Abdruck  desselben 
rechtfertigen. 

lnterlocution.es:  Eriphila  vxor. 
Gerontius  maritus.     Staphilus  seruus. 

Eriphila.  Salue,  amator  diacule:  iam  ne  sat  est,  quod  tuo 
cum  cano  vertiee,  hirtaque  fronte:  prostibulis,  sordulentis  lustris: 
olentibus  lupis  tantopere  studuisti?  non  mihi  ecastor  licuit:  in 
meretricis  spurcissimeque  edibus  lene:  tibi  insanienti  turbas  publi- 
citus  eiere:  aut  te  manifesto  eriminarier?  At  at  nunc  licebit 
cum  te  intra  parietes  domesticos:  ubi  nemo  homo  ex  insidiis: 
facta  tua  sordida,  clanculum  aueupare  possiet:  vti  permeritus  es: 
probe  castigabo:  Prob  dij  immortales,  quantam  marito  meo  veeor- 
diam  infudistis:  quem  per  cerito  necessum  est  circumferre:  ut 
expiatus  resipiscat:  qui  nunc2)  honestatis  ciuiliumque  morum 
nblitus.  Munus  scortatoris:  Haneonis:  ac  perduetoris  pessumi 
füngitur:   et   abiectissimi  lenonis  meritoriam  conducit   tabernam. 

Gerontius.  Heu  miserum  me!  exanclata  prima  est  pugnä 
in  propatulo!  rursus  advorsum  me:  meis  in  edibus  dotalis  vxor, 
seeundarn  instaurat  pugnam:  o  estro  percita  palladio:  scutum  ha- 
stamque  pugnacis  bellone:  cum  impetu  demens  vibrat:  et  facie 
gorgonis  anguinea:  toruiorem  frontem  ostentat.  Heu  oppido  mihi 
metuo:  ne  facinus  predicet  meum:  et  istuc  in  curia  martis,  ad 
areopagitas  deferat:  meque  quoi  fides  auetoritasque  magistratuum 
aftatim  habebatur:  famosum  ac  contemptibilem  faxit:  vt  miser 
etatem  malam:   malo  cum  dolore  viuam. 

>Staphilus.  Quidnam  est  here:  quod  rain  male  te  angit: 
quod  tarn  mestum  vultum  prae  te3)  fers?  age  sis  ego  pol  faxo 
meis  (4)  sycophantijs :   dolis:   illecebris:   blandiusculis:   vt   vxor  tua 


')  Nach  dem  Exemplar  diT  Miinchuer  Universitätsbibliothek 
P.  lat.  rec.  24.     (Zapf,  Jakob  Locher.     Nürnberg  1803,  S.  139.) 

2)  Orig.  num. 

3)  Or.  se. 

IC. 


242  IL   Asinaria. 

apprime  imperiosa,  silentium  faciat:  convitiis  parcat:  teque:  vt 
prius  solebat:  in  amplexum  admittat.  Iva  in  feminis  nil  nisi 
breuis  fnror  est:  quem  facile  possunt  lenia  uerba  atque  parasy- 
tica  mitigare.  Face  tu  si  sapis  pro  maledictis  bona  duis  verba : 
et  multa  spondeas  que  nee  dij  seruare  velint.  Ut  cicada,  ita  pol 
mulier  est:  que  cum  semel  clamare  verbis:  strepere  dentibus 
oeeepsit:  vix  modum:  ad  lassitudinem  etiam:  litibus  ac  iurgijs 
imponit. 

Eriphila.  Quid  te  mi  vir:  amator  belle:  senectutis  speci- 
men?  ab  animo  alienauit,  vt  relicta  coniuge?  ad  scortum  ires: 
prob1)  pudor!  quam  insignis  lambecula  tue  fronti  inusta  est:  qui 
te  publicitus  vna  nostro  cum  gnato  in  lustra  fetida,  confers:  in 
conspectuque  gnati  meretricem  amplecteris:  oscularis:  impudiceque 
traetas?  talos  iacis:2)  mustum  potitas:  baebique  et  cei*eris  agitas 
certamina.  Hoccine  est  officium  patris?  heccine  pietas?  biccine 
sunt  mores?  quos  unico  nostro  gnato  tradis.  0  turpem  patrem! 
turpiorem  filium!  qui  se  ab  sene  delyro  seduci  perpetitur.  Offi- 
cium parentis,  vt  etbici  25nil°S0Pn<cintes  tradunt.  Gnatum  inge- 
nuum  bonis  artibus:  liberalibusque  diseiplinis  erudire:  sanis  mori- 
bus  instituere:  ad  virtutis  munera,  ac  maiorum  illustria  facta 
cobortari:  ad  sapientie  professores  ducere:  ad  templa,  atque 
deorum  sacrifitia.  Sed  tu  decrepitus:  in  cuius  corpore  ossa  vix 
ossibus  coberent:  et  cutis  laxa,  et  maxille  dissute  sunt:  qui  fuste 
inambulas:  et  quasi  sepulcbralis  vmbra  pollinctorem  cum  vespillonibus 
prestolaris.  qui  quidem  lippitudine  pressa  geris  lumina.  Gnatum  ad 
scortorum  lustra  abditumque  ganeum  duetitas:  vt  dignos  patre  suo 
mores  imbibat. 

Gerontius.  Nunquid  oblectandi  gratia:  senibus  interdum  las- 
ciuiendi  licentiam  concedere  fas   est? 

Eriphila.  Fateor  quidem  lusus  et  iocos  posse  senibus  con- 
cedi:  retinendus  tarnen  modus  est,  ne  immoderata  voluptate  elati: 
in  sordulentam  dilabantur  turpitudinem. 

Gerontius.  Philosopbi  mebercle  soeratici  o  mea  mai'ita:  et 
attici  nostri  prineipes,  lusibus  et  apopbtegmatis  operam  dedere! 
band  tarnen  usque  eorum  facta  exprobrata  fuere! 

Eriphila.  Hern  insipidum  senem!  neque  pre  metu  mussare: 
neque  scelus  suum  occultum  habere  potest,  causam  nempe  suam 
futilibus,  ac  anilibus  fabulis  purgare  annititur.  queso  te  ecastor! 
Estne  simile?  cum  honestis  ciuibus  ludere  iocarique,  dictis  et 
factis  urbanis:  elegantibus:  ingenio  (5)  sis,  facetis,  et  scortari: 
lustra  querere:  vxori  sue  palam   et  uestes  suppilare:3)    corruptele 


')  Or.  procli. 

2)  Asinar.     V.  904. 

3)  Asinar.     F.  885  und  888. 


Lochers  Ludicrum  Drama.  243 

simul  et  luxui  surnptus  suppeditare.  Tollerabile  istuc  pol  fores! 
nisi  etiam  gnatum  contaminares.  cui  opem  atque  suppetias  fers  ad 
turpissimaui  obscenitatis  libidinem  saturandam,  nisi  multuna  loqua- 
ces  nos  omnes  mulieres  haberenmr:  vt  equum  esset  te  durms  ca- 
stigarem:  nam  pol  misera  discrutior  animi  cum  mihi  tanta  viri  probra 
ante  oculos  adlata  conspicio. 

Gerontius.  Parce  precor  vxor:  pauxillum  est  quod  leci  quid 
si  mores,  quos  turpiter  institutos  ais:  emendauero:  frugique  et  conti- 
nentem,  et  sophrona:  eastumque  me  facio,  et  solius  vxoris  amantem: 
alieniqne  amoris  osorem. 

Eriphila.  Creduat  istuc  dea  fides:  quam  totiens ')  fiderupa 
periurijs  tuis  polluisti  ego  pol  vix  credere  ausim.  quid  si  propter 
etatem  languidam:  in  te  libido  extinguitur:  tu  tarnen  post  cineres 
heredem  filium,  tui  similem,  relinquis  non  didicisti,  quid  iuuenilis 
etatule  inscitia  et  petulantia  nimis  licentiosa  procliuisque  in  res 
vetitas  lasciuia  senum  constituenda  et  regenda  prudentia  siet?  Nonne 
hec  etas  a  libidinibus  arcenda  est:  tute  gnatum  ad  ignein  adductitas 
proprius  vbi  plus  calescat  sumptus  clanculum  subministras:  vt  pec- 
candi  lasciuiendique  licentia:  otius  crescat:  istanc  etatulam  in  la- 
bore:  in  patientia:  in  algore  in  media:  et  animi  et  corporis,  exer- 
cendam  censeo:  vt  eorum  in  bellicis,  ciuilibusque  officijs  industria 
excellentius  enitescat. 

Gerontius.  0  Staphile  quam  egre  audio  vxoris  conuitia: 
que  sua  vociferatione  me  exanimatum  facit:  et  tergum  ex- 
dorsuat.  nisi  dea  muta  obstrepenti  mulieri  silentium  iusserit: 
elinguandamque  dederit:  et  tu  istanc  placabilem  mihi  feceris, 
hodie  pre  dolore  nimio,  Acherontis2)  mortuas  ad  vndas,  exani- 
mis  rapiar. 

Staphilus.  Os  comprime:  vbi  bilem  vitream  excreauerit: 
grauedinem  capitis  expuerit  et  salsam  pituitam  excoxerit:  diccaculis 
sycophantijs  iratam  serenabo. 

Eriphila.  Quid  hij  consilij  seorsum  capiunt:  de  me?  vt 
puto:  loquitur:  non  compesco  labellum:  pritist][tiani  coniugis  mei 
malefacta  tota  protulero. 

Gerontius.  Agedum  illisce  turbis  tandem  face  finem:  peccaui 
fateor:  dictis  tuis  audiens  ero:  teque  dijs  cunctis!  et  me  hercule 
mortalibus  feminis  omnibus  anteponam:  dies  et  noctes  te  vnicam 
amplectabor!  te  animam  meam:  cor  iiieiun  medullam  meam:  vitam 
meam,  spem  atque  solatium  meum  esse  dicam.  si  quid  verum  est 
arpagatum3)  et  clam  argenti  subductum:  propediem  (6)  restituctur: 
sine  me  queso  durius  obiurgare. 


')  Ol*,  totians. 
-)  Or.  Achorontis. 

3)  Nach  Aulularia,    V,  200,  aurum  mihi  intus  harpagatum  est. 

16* 


244  n.  Asinaria. 

Eriphila.  Jam  blandiris;  pessume:  cum  spurcas  tuas  per- 
lecebras  amplius  tegere  nequis.  0  infelicem,  mobilemque  rempnbli- 
cam!  que  tuis  consiliis  gubernanda  committitur.  delo  insula  insta- 
bilior  erit :  in  qua  natus  fertur  latone  [natus]  Apollo,  mobilior  itidem 
instilis  Lyaneis  quas  quidem  Gv{i7tkr)yddag  appellant:  tu  qui  tarn 
stulta  facis :  non  regis :  sed  lacessis  reipublice  statum :  Miror  si  clinia 
cherestratus :  Demosthenes,  callistratus,  in  partem  senatus  te  ad- 
mittunt!  luxuria:  qua  lumbi  tni  salaces  exastnant:  cum  omni  etatisit 
turpis:  tum  senectuti  foedissima  est.  At  in  te  tritum  grecorum  adagium 
compleri  video,  quo  dicitur  „xat  ov  ysQtov  iL  Kai  [iiüQog"  hoc:  et 
tu  senex  es  atque  insanus. 

Stapbilus.  Et  in  te  male  mulieris  adimpletur  ')  prouerbium. 
que  ianua  est  diaboli:  ictus  scorpionis  pelagus  innauigabile :  quod  cum 
semel  tempestate:  ac  procellis  concitatust:  tristia  parit  naufragia: 
melius  est  enim:  vt  sapiens  canit:  in  terra  deserta:  vepribus  in- 
eulta:  inbospitali  ac  desolata,  virum  bonum  habitare  quam  cum 
vxore  iracunda,  ac  litigiosa:  facili  enim  ex  causa  irritata:  crabrones 
imitatur:  et  discordiarum  semina  passim  iactitat.  Hern  quid 
queror?  faxo  iam  vt  manus  iungantnr:  paxque  in  edibus  inter 
herum  et  vxorem  interueniat:  letumque  nostris  atticis  cinibns: 
qui  in  theatro  exitum  rei  operiuntur:  harum  turbaram  finem  ex- 
bibeamus. 

Gerontius.  Accede,  queso,  ad  eam  blandis  verbis  ani- 
mnm  mulce. 

Stapbilus.  Specta  nie  ad  tutum  portum  tranquillum  ad- 
nauigabimus:  et  ex  muliere  omninm  pessuma  tibi  optumam, 
ex  penitissimo  corde  amabilem  reformabo  matronam.  0  mea  hera! 
paucis  te  volo:  noli  moleste  f'erre:  si  verna  tecum  verba  funditat. 

Eriphila.      Quid  est?  eloquere  quod  iubet.    ausculto. 

Stapbilus.  Rogo  te  per  deos  coniugales:  ne  denuo  aduorsum 
herum   excandescas:  vite  sue  metuo:  nisi  pacem  feceris. 

Eriphila.      Quid  tum? 

Staphilus.  Quod  et  laqueum  emit,  quem  in  femore  sinistro  sub 
pallio  gerit  quo  gulam  frangere  tendit:  et  se  pensilem  facere  haud 
dubitat:  aut  si  istuc  non  fecerit!  de  transenna  se  dare  precipitem  ait: 
nisi  tute  senem  ludificatum  mitius  tractaris. 

Eriphila.  Verum  ne  istuc  est:  Quid  ais?  cesso  igitur  vi- 
mm-)  obiurgare:  at  Syngraphum  durum  faciam,  quem  ni  serua- 
uerit  mihi  dotem  recipere  licebit:  res  meas  rehabere  et  diuortium 
celebrare. 

Staphilus.  Recte  feceris.  Non  temerariust  istuc,  quod  antici- 
pas:  presagacem  (7)  habes  animum:    ixbi  malam  malitiam  ariolaris. 


')  Or.  adimpletus. 
2)  0.  vir. 


Lochers  Ludicrum  Drama.  245 

Si  herum  ad  mortem  compuleris  omnes  attice  nurus  te  vti  vesauam 
ac  crudelem,  detestarentur:  et  viduam  etatem:  annosque  mestos 
longo  tempore  victitares:  te  omnes  mortales  contemnerent,  nemini 
tecum  foret  commertium.  Sed  iam  specta:  adduco  virum  propiua: 
vt  astans  auribus  arectis  syngraphum  accipiat.  Hem  tu  Geronti 
accede:  pacem  adfuturam  tibi  spero.  fac  (vt  lubens)  legibus, 
quas  lectitabit  ac  quiescas:  sponteque  polliceris:  perlege  sis 
eriphila:  vt  finem  spectatores  hilarem  tandem  sortiantur.  Tenor 
syngraphi. 

Eriphila.  Eristrati  filia  cum  Gerontio  stratonis  filio  marito 
reconciliata  durabit:  si  huiusce  syngraphi  tenorem  seruassit:  vt 
ante  diluculum  e  lecto  surgat:  salute  prius  data,  deorum  phana 
ingrediatur!  dein  curiam  martis  visitet:  ex  officio  ciuilibus  nego- 
tiis  satisfaciat:  domum  sine  mora  remeet:  prandeat  cum  vxore: 
potitet,  lauet:  cenet:  nusquam  ad  conuiuia  pergat:  nisi  vxorem  vna 
ducat:  nihil  argenti  nummorum:  annulorum  habeat:  nullius  rei  ex- 
positor  siet:  cuncta  sint  sub  vxoris  imperio,  omnium  rerum  arbi- 
tratus  vxoris  sit,  nunquam  rideat  nisi  me  ridentem  videat.  Actus 
et  mores  suos  e  vultu  meo  formet:  et  si  omnino  negotiari  velit: 
lanam  purget:  operas  aranearum  emaculet:  telum  in  stamine  fingat: 
aut  alijs  domesticis  negocijs  diem  conterat.  nullam  aliam  feminam 
salutet:  nee  hirquis  ocellis  intueatur :  ad  res  cupidas  omnes  aditus  occlu- 
sus  siet:  me  bis  noctu  osculetur:  basia  mollia  prebeat:  semel  legibus 
coniugalibus  satisfaciat:  meque  sibi  semper  charissimam,  ac  ioeun- 
dissimam  esse  autumet:  quas  leges  ni  seruauerit:  iam  deos  coniu- 
gales:  pronubam  iunonem,  lucinam:  hymeneum,  venerem,  plutoniam 
persephonem,  laresque  ac  focos  obtestor:  secum  diuortium  agam: 
et  sese  desertum  relinquam. 

Gerontius.  0  mea  uxor  Utorj  xal  ipu/^]  anima  et  vita 
mea:  illasce  leges  non  transgrediar.  Da  mihi  basium:  sine 
vt  te  amplecter:  que  dulei  melle  dulcius  suauius  ori  meo  pre- 
bere  potes. 

Staphilus.  Jungite  manus:  pacemque  atque  fidem,  iunetis 
manibus,   iunctoque  complexu  firmate. 

Eriphila:  Intro  mi  vir.  obliuio  omnium  rerum  obfirmata 
•sit:  cena  est  apposita:  et  mulsum  compotitemus:  tristisque  placa- 
bitur  etas. 


Da  plausum  manibus,  docilis  speetator,  acutum: 

Pectore  si  memori  dieta  iocosa  tenes. 
Exemplar  vite,  res  comica  dicitur  esse: 

Que  mores  hominum,  faetaque  praua  notat. 
Concita  per  totas  vxor  discurrit  athenas: 

Lustra  2>i'ocax  iutrat  cum  lutuleata  senex, 
Euellit  canos  turpi  furiosa  marito: 

Imponitque  Lugum,  quod  patienter  agit. 


246  II.    Asiuaria. 

At  Staphilus  taudem  dextras  coniungit:  et  acres 

Componit  motus,  connubiumque  nouat. 
Esse  nihil  peius  (fateor)  muliere  proterua: 

Que  propriam  turbat  seditione  domum. 
Odit  ubique  senis  pruritum  luxuriantis, 

Mens  mea:  tentigo  quem  medicata  rapit. 
Quilibet  etatis  rectos  consideret  actus 

Usque  sue:  finem  prospitiatque  bonum. 
Inter  uirtutem  statuat  diuortia  prudens 

Et  vitium:  pueris  sit  pia  norma  senex. 
Non  semper  castos  facit  indulgentia  patrum, 

Filiolos:  prodest  ruga  seuera  magis. 
Da  plausum  leuibus  palmis  spectator  ouantem: 

Si  tibi  ridiculi  perplacuere  sales. 

Dij  bene  vortant! 

Man  sieht,  wie  unendlich  wenig  „Plautino  more  Actum" 
an  dieser  Szene  ist.  Eigentlich  ist  sie  ein  Nachspiel  zur  Asi- 
naria,  der  letzte  Auftritt;  denn  Libanus  hat  immerhin  die 
Pflicht,  um  das  Lustspiel  befriedigend  zu  lösen,  die  beiden 
Gatten  wieder  zu  versöhnen.  Der  „syngraphus"  der  Eri- 
phila  ist  ohne  Zweifel  aus  dem  des  Parasiten  (V.  746)  ent- 
standen, worauf  die  Einleitung  (F.  751)  und  einige  Einzelnheiten 
hinweisen. 


Des  Plautus  „Eselskomödie"  wurde  zu  einer  „Vaccaria"  *) 
in  der  Bearbeitung  des  bekannten  Angelo  Beolco,2)  genannt 
Ruz(z)ante  aus  Padua  (S.  56),  welche  wohl  die  nicht  lange  vor- 
her erschienene  Übersetzung  der  Asinaria  veranlasste.3)  Es  ist 
eine     geschickte    Modernisierung    der     antiken    Komödie,4)     ohne 


')  Weil    vacche    (Kühe)    an    die    Stelle    der    plautinischen    Esel 
traten. 

2)  Tvtte  |  le  opere  |  Del  Famosissimo  |  Evzante.  |  Di  nuouo  con  dili- 
genza  riuedute,  &  corrette.  |  Et  aggiuntoui  un  Sonetto,  &  una  Canzone 
dell'  istesso  Auttore.  |  AI  M.  Mag.  Sig.  Vespasiano  Zogiano  |  Gentilhuomo 
"Vicentino.  |  In  Vicenza  |  Per  gli  Heredi  di  Perin  Libraro  MDXCVIEL  — 
Die  Widmung  des  Druckers  (Vicenza,  20.  September  1584)  sagt  von  den 
Stücken  des  Ruzante  „egli  racconti  tutto  il  buono,  &  il  bello, 
che  ha  detto  Terentio,  &  Plauto".  —  Die  mir  vorliegende  Samm- 
lung enthält.  Piovana  1598.  54  fol.  (Eine  andere  mir  bekannt  gewor- 
dene Ausg.  der  Piovana,  Comedia,  overo  Noella  del  Tasco  di  Ruzante 
erschien  im  Jahre  1548  in  Vinegia  appresso  Gabriel  Giolito   de  Ferrari, 

54  fol.) ;  Anconitana  1598,  40  fol. ;  Rkodiana  1598,  63  fol.;  Vaccaria  1598, 

55  fol.;  Fiorina  1598,  16  fol.;  Moschetta  1598,  31  fol.;  und  Due  Dialoghi 
di  Rvzante.  In  lingua  Rustica.  Sententiosi,  Argvti,  Et  ridiculosissimi 
1598,  22  fol.  Dialogo  facettissimo  Et  Ridiculosissimo  di  Rvzante.  Reci- 
tato  ä  Fossön  alla  caccia.  Del  MDXCVIDI,  10  fol.  Tre  Orationi  di  Rv- 
zante.    Recitate  in  lingua  rustica,  ohne  Jahreszahl,  31  fol. 

3)  Sand,  Masques  et  bouffons.    U,  156,  Anm.  1. 

4)  Sand,   1.  c.    U,  168.     Cette  Vaccaria   de  Ruzante   est  exces- 


Ruzzantes  Vaccaria.  247 

dass  sich  der  gewandte  Dichter1)  weit  von  derselben  ent- 
fernt hätte. 

Den  Prolog-  übernimmt  der  spirito  foletto,  indem  er  das 
Verhältnis  des  Dichters  zu  Plautus  aiiseinandersetzt.  Auch 
PI  au  tu  s  könnte  heutigen  Tages  nicht  mehr  anders  denn  der 
Dichter  der  Vaccaria  schreiben:  Vno  che  di  lä  Actio,  &  di  qua 
Plauto  e  nominato,  manda  a  dirui,  che,  douendosi  questa  sera 
recitare  una  Comedia,  non  uogliate  biasmarla  se  ella  non  e  latina, 
6  in  uerso,  6  di  lingua  tutta  polita,  perche  s'  egli  fosse  fra'  uiui 
a  questi  tempi,  non  farebbe  le  sue  Comedie  d'  altra  maniera,  che 
di  questa  medesima,  di  cui  sete  spettatori.  Et  soggiunge,  che 
non  uogliate  far  giudicio  di  questa  alle  sue,  che  scritte  lasciö, 
che  ui  giura  per  Hercule  &  per  Apolline,  eh.'  eile  furono  recitate 
altramente  che  non  sono  stampate  hoggidi,  perche  molte  cose 
stanno  bene  nella  j>enna,  che  nella  Scena  starebbon  male.  Hör  io  non 
ho  da  dir,  ne  aspettar  alla  risposta,  se  uplete,  che  saluti  aleuno  di 
lä.    Mi  parto. 

Einen  zweiten  längeren  Prolog  spricht  der  Diener  (faini- 
glio)  Truffo. 

I.  Akt.  (1.)  Der  alte  Placido,  der  Demänetus  des  Plau- 
tus, bespricht  sich  mit  seinem  Diener  Truffo  (Libanus)  über 
die  Verhältnisse  seines  Sohnes  Flavio.  Dieser  bedarf  fünfzig 
Gulden,  um  seine  Geliebte,  Fiorinetta,  von  der  Kupplerin  loszu- 
kaufen. Wie  Demänetus  will  Placido  ein  Freund  der  Jugend 
sein.      Wie  jener  (V.   49): 

Aut  quor  postremo  filio  suscenseam, 
Patres  ut  faciunt  ceteri? 

sagt  er:  „Pensitu  forse  ch'  io  uoglio  essere  come  e  la  maggior 
degli  altri  padri  che  son  tali  contra  i  ngliuoli,  che  fanno  de- 
siderarsi  la  morte  trent'  anni  avanti  la  morte?"  Wie  Demäne- 
tus (7.  52): 

Equidem  scio  iam  filius  quod  amet  meus 
Istanc  meretricem  e  proxumo  Philenium, 

kennt  Placido  das  Vorleben  dieses  Mädchens.  „Non  creditu 
eh'io  sappi,  che  Flavio  ama  Fiorinetta?  colei  che  pur  questo  anno 
cominciö   a  diuentar    cortigiana. "      Aber   das    thut    nichts    „perche 


sivement  remarquable  d'autant  plus  que  laissant  de  cöte  toute  l'ordure 
antique  de  l'Asinaire,  il  a  su  en  tirer  une  piece  romanesque,  diver- 
tissante  et  d'un  comique  plus  naif  et  plus  vrai  .  .  .  Jbid.  II,  155.  La  piece 
de  Ruzante  est  meilleure  que  celle  de  Piaute. 

')  Sand,  Le.  II,  165.  Euzante  est  un  realiste  aussi,  il  appelle  les 
choses  par  leur  nom  et  ne  farde  point  les  meeurs  brutales  et  licen- 
cieuses  de  son  temps. 


248  II.   Asinaria. 

costei  non  e  monaca."  Wie  der  alte  Vater  des  Demänetus,  so 
hat  auch  jener  des  Placido  ihm  einst  seine  Geliebte  seihst  zu- 
geführt. (F  68,  oben  S.  235):  „Io  mi  ricordo  che  mio  padre, 
uedendomi  innamorato  di  una  giouinetta  .  .  .  si  uesti  in  forma  di 
mercante,  &  tolse  con  inganno  al  ruffiano  colei  ch'  io  amauo  & 
la  menö  fino  al  mio  letto, "  ja  (F  71  neque  puduit  u.  s.  w.)  „ne 
hebbe  rispetto,  uecchio,  in  quell'  etä  far  una  bareria  si  fatta  non 
per  altro,  se  non  perch'  io  lo  ricontracambiassi  dell'  amore  che 
mi  portaua. "  Truffo  soll  also  die  fünfzig  Gulden  auf  irgend 
welche  Weise  schaffen.  Das  kann  nur  geschehen,  indem  die 
Frau  betrogen  wird,  worauf  Truffo  bereitwilligst  eingeht.  (V.  109): 

Siquid  te  uolam, 
Vlri  erisl 
Quando  ti  uorrö,  doue  sarai  tu? 

Truffo  ist  zufrieden  mit  dem  Handel:  A  sere  don  piaserä  a  i  nie 
parön,  ch'  a  no  stago  pi  con  uü  dasche  a  m'  hai  dö  licientia  ch' 
a  faghe  sta  noella  de  sti  dinari  u.  s.  w. 

(2.)  Der  nun  folgende  Monolog  des  Truffo  findet  sich  bei 
Plaut us  nicht.  Truffo  will  seinen  Mitsklaven  Vezzo  für  seinen 
Plan  gewinnen  und  geht,   ihn  zu  suchen. 

(3.)  Flavio  (Argurippus)  ist  eben  aus  dem  Hause  der 
Kupplerin  gewiesen  worden  und  beschwert  sich  bitter  über  die  ihm 
widerfahrene  Behandlung.      Dem 

(V.  127.)  Sicine  hoc  fit?  foras  aedibus  me  eicier? 

Promerenti  optume  hocin  preti  redditur? 

u.  s.  w.  entspricht  genau: 

A  questo  modo  si  fa?  cosi  mi  cacciate  di  casa?  questo  e  '1  merto 
del  bene  ch'  io  ui  ho  fatto;  dann  unter  Auslassung  einiger  speziell 
Rom  betreffender  Reden  (F.  131,  Ibo  ego  ad  trisuiros  u.  s.  w.)  fährt 
er  wieder  so  ziemlich  mit  Plautus  (F.   145) 

Reddam  ego  te  ex  fera  fame  mansuetera, 

weiter:  „Io  ti  farö  ritornare  piaceuole,  come  si  fanno  le  tue  pari 
bestie,   con  la  fame." 

(4.)  Celega,  die  kupplerische  Mutter  Cleaereta,  tritt  aus 
dem  Hause.  In  energischer  Rede  hält  sie  Flavio  sein  Betragen 
vor:  Pensi  tu,  che  le  carni  di  mia  figlia,  che  tu  hai  goduto  tanto 
tempo,  non  uagliano  trenta,  ouer  quaranta  desgratiati  fiorini, 
che  tu  hai  speso  in  casa  mia?  Flavio  bittet,  sie  möge  bis  zum 
Tode  seiner  Mutter  warten,  „vedrai  a  quell'  hora  chi  sarä  Flauio." 
Aber  hierzu  hat  Celega  wenig  Lust.  Sie  gebraucht  (nach  Plau- 
tus,    F.   215)    den    Vergleich    mit    dem   Vogelsteller   und  erklärt, 


Ruzzantes  Vaccaria.  249 

nicht  warten  zu  können.  Polidoro  (Diabnlns)  bitte  sie  schon 
seit  einem  halben  Jahre,  „per  hauer  mia  fig-lia. "  Wer  also  zuerst 
bezahlt,  soll  sie  haben.  „Dunque  chi  di  uoi  piü  tosto  uerrä,  harä 
il  pallio  &  V  altro,  la  uesica."  Das  Geld  muss  demnach  geschafft 
werden,   und  das  plautinische  (F.  248): 

Nam  si  mutuas  non  potero,  certmnst  sumam  faenore, 

drückt  Flavio  zeitgemäss  aus:  „ilprimo  viaggio  ch' io  faccio,  uoglio 
che  sia  allo  heb  reo." 

II.  Akt.  (1.)  Die  beiden  Diener  Truffo  imd  Vezzo  (Leo- 
nida) verabreden  ihren  Plan.  Vezzo  hat  sich  als  „Fattore" 
zu  verkleiden  und  als  solcher  die  „tresento  liere"  in  Empfang  zu 
nehmen,  welche  der  „mercante"  an  die  gekauften  Kühe  noch 
schuldet.      Der   „mercante"    tritt  auf,   wie  im  Original  (V.  381): 

Vt  demoustratae  sunt  mihi,  hasce  aedis  esse  oportet, 
Demaenetus  ubi  dicitur  habitare. 

„Se  colui  me  ha  ben  insegnato,  questa  e  la  contrata  oue  stä  quel 
Placido,  al  quäle  io  ho  da  esborsar  questi  danari."  Das  Geld 
darf  er  nur  dem  Fattore  einhändigen,  den  er  aber  nicht  kennt. 
Er  will  sich  nun  informieren.  Hier  hat  Beolco  einiges  hinzu- 
gethan;  doch  ist  er  alsbald  wieder  zum  Original  zurückgekehrt 
(F.  384): 

Quis  nostras  sie  frangit  foris?  ohe,  inquam,  siquid  audis. 

„Chi    sbatte    a    quell'    usso?      0  la,   no   aldiuü  an? 

Dem  sich  aufdrängenden  Truffo  erwidert  der  mercante 
die  Worte  des  mercator  (F.  385):  „Nemo  etiam  tetigit,  sanun 
es?"  mit  Hinzuziehung  von  F.  387 :l)  „Tu  sei  molto  amico  di 
queste  tue  porte,  io  non  le  ho  ancor  tocche,  che  tu  rispondi.  " 
Der  mercante  lässt  sich  nun,  wie  bei  Plautus,  den  Fattore 
schildern  und  verlangt,  zum  Herrn  zugelassen  zu  werden.  Da 
tritt  (2.)  Vezzo,  als  Fattore  verkleidet,  auf.  Er  zankt  im  Hause, 
wie  Leonida  (F.  407): 

neminem  meum  dictum  magni  facere? 

„Non  fanno  stima  delle  mie  parole."  Wie  der  mercator  (F.  410): 
„Nimis  inperiosust, "  fragt  der  mercante,  „che  diauolo  di  lingua 
e  questo?"  Truffo  stellt  nun  dem  Fattore  den  Fremden  vor: 
„Messier  Fattore,  sto  hom  da  ben  ha  portö  dinari  e  perque  el 
uorrae    tornar    sta  sera  a  Vicenza  el  ue    priega,    ch'   al    desbratte 


')  Den  dort  Libanus  spricht:  saue  ego  sum  amicus  uostris. 


250  II-   Asinaria. 

ananzo  quh  a  naghe."  Während  des  Handels  aber  kömmt  der 
wirkliche  Fattore  und  bereitet  den  beiden  Sklaven  eine  gewaltige 
Verlegenheit.  Um  dies  hat  Beoleo  sein  Stück  erweitert 
und  in  einer  der  italienischen  Komödie  geläufigen 
Weise  die  Beigabe  durchgeführt.  Trnffo  zieht  den  über 
Vezzos  Verkleidung  staunenden  Fattore  beiseite  und  erzählt 
ihm  eine  Geschichte.  .  Soeben  sei  dieser  Mensch  gekommen  mit 
der  Versicherung,  dass  im  Hause  ein  Schatz  zu  heben  sei,  „questü 
si  sä  cattar  tresoro  sotterö,  sconto  sotto  terra."  Vezzo  habe, 
um  den  Betrug,  den  er  vermute,  zu  entlarven,  die  Kleider  des 
Fattore  angelegt,  „perche  el  no  poesse  me  tornare  a  redoman- 
darue  i  danari  ne  a  vü  ne  al  parön."  (3.)  Der  mercante  wendet 
Vezzo  gegenüber  alle  Vorsicht  an,  wie  bei  Plautus;  dagegen 
gelingt  es,  dem  Fattore  zehn  Dukaten  abzulocken,  um  dem  Schatze 
gehörig  nachzugehen. 

III.  Akt.  (1.  2.)  Celega  unterrichtet  ihre  Tochter  Fiori- 
netta,1)  wie  sie  sich  Polidoro,  ihrem  neuen  Herrn,  gegenüber 
zu  verhalten  habe.  Sie  giebt  sich  alle  Mühe,  ihre  Tochter  zu 
gewinnen,  der  sie  stets  die  Wahrheit  gesagt  habe.  „Tu  sai  pur 
che  io  ti  dico  sempre  il  uero,  che  la  prima  uolta  che  tu  dormiste 
con  Flauio,  perche  tu  non  haueui  mai  piu  dormito  con  aleuno 
&  haueui  tanta  paura,  e  credeui  che  el  fusse  si  gran  cosa  dormir 
con  un  huomo,  &  io  ti  confortai  che  non  temessi  che  la  mattina, 
te  ne  troueresti  contenta,  &  cosi  fü.  Non  e.  vero?"  Warum 
glaubst  du  mir  jetzt  nicht?  Flavio  hat  nichts  mehr;  so  ist 
keine  Liebe  mehr  denkbar.  Umsonst  wendet  Fiorinetta  gegen 
Messer  Polidoro  ein:  „Egli  ha  il  mal  francese, "  und  möchte 
lieber  verheiratet  sein,  als  so  leben;  die  Mutter  befiehlt  ihr,  sich 
für  Polidoros  Ankunft  zu  schmücken.  (3.)  Truffo  und  Vezzo 
freuen  sich  ihrer  Errungenschaft,  als  (4.)  Flavio  und  Fiorinetta, 
um  Abschied  zu  nehmen,  auftreten.  Wie  Philenium  will  Fiori- 
netta ihren  Geliebten  nicht  lassen.  Aber  die  Mutter  stösst  ihn 
ja  weg.  Perche  non  mi  lascitu  andar  cuor  mio?  Perche  mi 
ritientu?  fragt  er  mit  Argurippus  (V.  591,  Quor  me  reten- 
tas?).  Sie  versichert  ihn  ihrer  treuen  Liebe,  wozu,  wie  bei 
Plautus,  die  beiden  Sklaven  rückwärts  ihre  Bemerkungen 
machen.  Ihre  Liebeserklärungen  sind  etwas  breiter  gehalten,  als 
im  Originale.  Endlich  treten  die  Sklaven  vor.  In  langen  Wor- 
ten berichten  sie,  wie  sie  zu  dem  Gelde  kamen;  lange  halten  sie 
den  gepeinigten  Flavio  und  die  zitternde  Fiorinetta  hin.  Endlich 
legen  sie  das  Geld  in  seine   Hand,    und  stolz    kann  nun   Flavio 


')  Sand,  Masques  et  bouffons.  II,  155.  Cette  Fiorinetta,  c'est 
la  Pliilenie  de  Demoplrile  et  de  Plante,  remise  en  lumiere  au  seizieme 
siecle  et  transforme'e  selon  le  sfoüt  de  la  renaissance. 


Ruzzantes  Vaccaria.  251 

sagen:  „Chiama  dunque  tua  madre,  Fiorinetta,  che  numeremo  li 
danari!" 

IV.  Akt.  (1.)  Polidoro  hält  seine  Sache  für  gewonnen,  da 
er  hört,  sein  Nebenbuhler  Flavio  könne  das  nötige  Geld  nicht 
auftreiben,  um  sein  Mädchen  loszukaufen.  Er  ruft  einen  Notar, 
und  dieser  errichtet  eine  Urkunde,  dass  heute,  im  Jahre  1533, 
Donna  Celega  ihm  ihre  Tochter  auf  ein  Jahr  überlasse  „per 
scudi  cinquanta  d'oro."  Sie  darf  niemand  empfangen,  keinen 
Brief,  kein  Sonett  annehmen,  nicht  ans  Fenster  treten,  keinen 
Ball  besuchen,  ja  nicht  einmal  ausgehen  „ad  udir  comedia." 
Niemanden  darf  sie  durch  Husten  u.  dgl.  ein  Zeichen  geben  u.  s.w., 
im  allgemeinen  nach  dem  syngraphus  des  Parasiten,  doch 
mit  Bedingungen,  welche  auch  dem  Notar  zu  hart  erscheinen. 
Indessen  kommt  Polidoro  zu  spät  und  ärgert  sich  gewaltig  über 
den  Alten,  der  seinem  Sohne  zu  dem  Sündengeld  verhalf  und  nun 
sogar  ein  flottes  Abendessen  giebt.  —  Placido  macht,  wie  De- 
mänetus,  seinem  Sohne  den  berüchtigten  Antrag  (V.  830): 
„Da  questa  sera  inanzi  Fiorinetta  sia  tua,  ne  ti  dei  dolere,  ch'  io 
la  godi  una  sera,  douendola  tu  godere  tiitto  quest'  anno,"  ganz 
nach  Plautus.  Auch  hier  erwidert  Flavio  (vgl.  V.  840)  auf 
Placidos  Verlangen:  „Guardami  ridendo,  ch'  io  ti  crederö", 
ruhig:  „Vedete,  s'  io  rido."  —  Unterdessen  (8.  Sz.)  hat  der  Pa- 
rasit Loron  die  Gattin  Placidos,  Rospina  (Artemona),  von 
allem  in  Kenntnis  gesetzt.  Soll  Placido  wirklich  ihrem  Sohne  die 
Summe  verschafft  haben?  Loron  bestätigt  es  ähnlich  dem  Para- 
siten (7.  854): 

Neque  diuini  neque  mi  humani  posthac  quicquam  adcreduas, 
Artemona,  si  kuius  rei  me  mendacem  esse  inueneris, 

mit  den  Worten:  „Nö  me  tegni,  ne  turco,  ne  moro,  ne  pagän, 
ne  zodio,  ne  Christian,  s'  a  me  catte  in  bosia."  Sie  soll  nun  ihren 
Gatten  sehen:  „Voliu  ueere  el  uostro  zogiello  assento  a  desco 
ape  d'  una  bella  putta?"  Ihn  belauschend,  überzeugt  sie  sich 
von  seiner  Galanterie  gegen  Fiorinetta,  oft  will  sie  losfahren, 
immer  hält  sie  Loron  noch  zurück.  Darum  also,  klagt  sie  mit 
Artemona  (F.  840),  ist  er  abends  müde,  dorme  tutta  la  notte 
come  un  tasso,  &  io,  niisera,  credo  che  nel  palazzo,  nelle  corti,  di- 
nanzi  ä  Giudici  faccia  quelle  fatiche.  Zornig  dringt  sie  ins  Haus 
ein.  Loron  aber  eilt  zu  Polidoro,  „dirghe,  eh'  a  he  guagno 
el  disnare. " 

Den  fünften  Akt  hat  Beolco,  in  richtiger  Weise 
fühlend,  dass  ein  Abschluss  fehlt,  selbst  erfunden. 
Rospina  ist  versöhnt;  Placido  voll  des  Glückes,  dass  seine 
Gattin  aus  einer  „aspera,  superba,  avara"  eine  „mansueta,  lm- 
mile   e  liberale"    geworden  sei.      Rospina    sieht    ein,    dass   sie   zu 


252  II.   Asinaria. 

viel  den  Mann  gespielt  habe.  —  Celega  sucht  durch  ihre  Not 
ihr  schändliches  Gewei-be  zu  beschönigen.  Fiorinetta  ist  ihre 
Tochter  nicht,  und  Ro spina  beendet  nun  die  ganze  Sache  zur 
Befriedigung  aller  Beteiligten. 

Mit  strengstem  Anschluss  an  sein  Original  hat  Beolco  eine 
frische,  heitere,  ganz  in  ihrer  Zeit  und  in  ihren  Lokalitäten  spie- 
lende Komödie  zu  schaffen  verstanden.  Schwieriger  zu  lesen  sind 
nur  die  in  bergamaskischem  Dialekte  geschriebenen  Szenen.1) 
ohne  dass  sie  jedoch  für  den  einigermassen  Sprachkundigen 
„Babeltürmchen"  oder  „Hieroglyphensärge",  wie  Klein'-) 
meint,    wären. 

Eine    weitere    italienische    Bearbeitung    der    Asinaria    ist 

die  Komödie    „II   Martello"3)    des    Florentiners    Giovammaria 

Cecchi4)   (S.   57).      Im  Prologe  sagt  Cecchi,     er  habe  sich  eine 

plautinische  Komödie  (che  fu  da  lui   chiamata  1'  Asinaria) 

„rimbusta  a    suo    dorso"     und     „su    composto    ui    sua   fauola",    so 

jedoch: 

Aggiuugnendo  e  leuando,  come.  raeglio 

Gli  e  parso,  e  cid  non  per  corregger  Planta. 

Ma  per  accomodarsi  a'  tempi  e  gli  huomini. 

Fabio  ist  der  Liebhaber  des  Stückes.  Wie  Demaenetus 
versteht  sich  sein  Vater  Girolamo  dazu,  das  ihm  nötige  Geld 
zu  verschaffen,  indem  er  seine  Frau  Paper a,  Fabios  Stief- 
mutter, um  eine  Summe  (80  Scudi)  prellt,  die  ein  Pächter  ihr 
abzuliefern  hat.  Girolamo  spielt  selber  den  Verwalter  seiner 
Frau,  Gualfredi,  und  lässt  sich  von  dem  Pächter  Ton  di 
Bartolo  das  Geld  aushändigen.  Er  verlangt  für  sich  nur  den 
ersten  Anteil  an  Angelica,  der  Kurtisane,  die  fälschlich  als 
Fabios  Geliebte  gilt.  Papera  stört  ihn  im  Genüsse  dieses  ihm 
gerne  zugestandenen  Glückes  und  treibt  ihn  nach  Hause:  A  casa, 
uecchio  matto,  a  casa!  (V,  3.)  Der  treue  Diener  Fabios,  der 
ihm  zur  Flucht  mit  seiner  Geliebten  Selvaggia  verhilft,  ist 
Nebbia.  Aus  den  Enthüllungen,  welche  Angelica  der  belei- 
digten Gattin  Papera  macht,  ergiebt  sich,  dass  Selvaggia  die 
geraubte  Tochter  Paperas  aus  erster  Ehe  ist.  —  Neben  diesen 
Figuren  spielt  der  „bravo  di  Mantova",  der  Capitan  Lan- 
franco  Cacciadiavolo  und  die  übliche  Parasitengestalt 
des    Sparecchia,     der    (genau    nach    den    Vorgängen    im    miles 


')  Darüber  klagt   auch  Riccoboni.    I,  52:    II   est   difficile    de   les 
goüter  par  la  difficulte  qu'il  y  a  d'entendre  taut  de  differentes  langues. 

2)  IY,  907. 

3)  Vgl.  Ussing.    I,  343.  —  Klein.    IV,  646—657.  —  Lorenz  zum 
Miles  gloriosus.    S.  255. 

4)  Vgl.  Ariosto,   Commedie,   herausgegeben  von  Tortoli.     S.  50. 


R.  Lenz:  Das  Väterchen.  253 

gloriosus)    die  Grosssprecherei  seines  Herrn  durch  sein  ständiges 
Beistimmen  nährt. 


Meines  Wissens  zum  erstenmale  findet  sich  bei  Sulz  er 
(Theorie  d.  Seh.  K.  1793)  III,  S.  704h,  über  die  Asinaria  die 
Mitteilung-:  „Im  Deutschen  hat  Job.  Burmeister,  Lüneburg 
1625,  8°,  eine  sonderbare,  auf  die  Geschichte  von  den  Vorhäuten 
der  Philister  gegründete  Nachahmung'  davon  gegeben."  Diese 
Notiz  wiederholt  wörtlich  Wilhelm  David  Fuhrmann  in 
seinem  „Handbuch  der  klassischen  Litteratur"  oder  An- 
leitung zur  Kenntnis  der  griechischen  und  römischen  klassischen 
Schriftsteller.  Rudolstadt  1809.  III.  Bd.,  S.  40.  —  Alle  meine 
Bemühungen  um  das,  wie  es  scheint,  äusserst  seltene  Buch 
waren  erfolglos.     (Vgl.   S.  214). 

Wohl  die  letzte  Bearbeitung  des  plautini sehen  Stückes 
ist  die  von  Reinhold  Lenz  (S.  100)  in  dem  Lustspiele  „Das 
Väterchen". ') 

I.  Akt.  (1.)  Herr  Negoziant  Schlinge  ist  ein  guter  Mann 
und  schlechter  Pädagog.  Er  ist  „nicht  von  der  gewöhnlichen 
Air  Väter".  Darauf  ist  er  stolz,  und  es  freut  ihn,  dass  sein 
Diener  Johann  seinem  Sohne  Ludwig  bei  allen  seinen  Streichen 
so  behilflich  ist.  „Wollte  Gott,"  meint  er,  „alle  Väter  dächten, 
wie  ich,  so  würden  sie  mit  ihren  Kindern  nicht  anders  umgehen, 
als  mit  ihren  guten  Freunden.  Das  ist  mein  einziger  Ehrgeiz, 
hör'  mal,  mein  seliger  Vater  hat  mir's  ebenso  gemacht.  Es  ist 
kein  Schelmstück  gewesen,  wo  er  mir  nicht  mit  Rat  und  That 
an  die  Hand  ging,  wenn  ich's  ihm  entdeckte.  Damit  gewann  er 
mir  denn  das  Herz  ab;  ich  hätte  mich  vierteln  für  ihn  lassen, 
und  das  möcht'  ich  von  meinem  Sohn  auch  gern."  Nun 
braucht  der  Junge  Geld.  Er  soll  der  Jungfer  Klär  eben,  viel- 
mehr ihrer  alten  Mutter,  zweihundert  Gulden  Hauszins  schaffen, 
..und  wenn  er  ihr  das  Geld  nicht  schaffen  kann,  soll  er  ihr  den 
Fuss  nicht  mehr  ins  Haus  setzen."  Die  Mutter  aber  hält  den 
Jungen  zu  streng;  er  selber  kann  nichts  machen;  denn  um  die 
Aussteuer  seiner  Frau  —  also  auch  einer  uxor  dotalis  —  hat 
er  seine  Hosen  verkauft.  Johann  soll  nun  um  jeden  Preis  das 
Geld  schaffen.  (2.)  In  der  zweiten  Szene  werden  wir  Zeugen 
eines  heftigen  Streites  zwischen  Ludwig  und  Klärchens  Mutter, 
Frau  Gervas.  Sie  hat  ihm  die  Thür  gewiesen,  „diese  Pest 
der  jungen  Leute.      Das  Meer  ist  nicht  so  falsch,"     klagt    er  mit 


')  Im  zweiten  Bande,  S.  3 — 37  von  „Gesammelte  Schriften  von 
J.  M.  R.  Lenz".  Herausgegeben  von  Ludwig  Ti eck.  Berlin  1S2S  Ge- 
druckt und  verlegt  bei  G.  Reimer. 


254  n.   Asinaria. 

Argurippus  (V.  134),  „wie  ihr;  jenes  hat  meinem  Vater  Geld 
gebracht,  ihr  habt's  verschlungen.  Aber  ich  will  dich  mit  Hunger 
dressieren,  wilde  Bestie,"  droht  er  Frau  Gervas,  die  sich  in 
ihrer  ganzen  Niedrigkeit  zeigt  und  sich  endlich  mit  dreihundert 
Gulden  begnüg-en  und  auf  die  Bedingung  eingehen  will,  dass  ein 
Jahr  lang  keine  andere  Mannsperson  über  ihre  Schwelle  komme. 
Ludwig  will  das  Geld,  und  sei  es  um  neun  und  neunzig  Prozent, 
sich  verschaffen. 

II.  Akt.  (1.)  Johann,  der  den  Auftrag  seines  Herrn  über- 
nommen hat,  hat  sich  mittlerweile  verschlafen.  Zu  ihm  kömmt 
(2.)  der  zweite  Diener  Bertrand,  mit  dem  er  sich  nun  bespricht. 
Die  Hilfe  kömmt  unerwartet  rasch.  Der  Haushofmeister  der 
Frau  Schlinge,  Herr  Koller,  hat  an  den  Amtmann  aus  Dill- 
hofen  ein  Reitpferd  verkauft,  und  nun  ist  ein  Bauer  da,  der  dem 
Herrn  das  Geld  aushändigen  soll.  Herrn  Schlinge  kennt  er 
wohl,  nicht  aber  den  Haushofmeister.  Da  nun  Herr  Schlinge 
alles  im  vornhinein  gestattet  hat,  so  gilt  es,  den  Bauer  zu 
prellen.  (3.)  Der  Bauer  wird  von  Johann  empfangen;  auf  seine 
Frage,  wie  Herr  Koller  aussehe,  schildert  ihn  Johann:  „Er  hat 
rotes  Haar,  eingefallene  Backen,  boshafte  Augen,  eine  niedrige 
Stirn."  Der  Bauer  erinnert  sich,  ihn  bereits  gesehen  zu  haben. 
(4.)  Unter  heftigem  Schimpfen  tritt  Berti- and  als  Haushofmeister 
ein;  der  misstrauische  Bauer  jedoch  zahlt  ihm  das  Geld  nicht  aus, 
sodass  ihn  Berti- and  zu  Herrn  Schlinge  führen  muss. 

III.  Akt.  (1.)  Frau  Gervas  ist  mit  ihrer  Tochter  Klärchen 
Ludwigs  halber  in  bösen  Konflikt  geraten.  „Heut  Abend  um 
sieben,  das  ist  der  letzte  Termin,  da  Herr  Reich  versprochen, 
zu  mir  zu  kommen,  wenn  dein  Ludwig  nicht  eher  bei  der 
Hand  ist,"  so  lautet  ihr  letztes  Wort.  (2.)  Unterdessen  hat  der 
alte  Herr  Schlinge  mit  Freuden  die  dreihundert  Gulden  von 
dem  Bauer  in  Empfang  genommen  und  sofort  seinem  Sohne  ge- 
schickt; jedoch'  nicht  so  ganz  bedingungslos.  „Ich  soll  ihm 
(Ludwig)  sagen,"  erzählt  Berti- and  seinem  Kollegen  Johann, 
„dass  der  Alte  sich  dafür  heute  Abend  mit  seiner  Liebsten  was 
zu  gute  thun  will."  (3.)  Klärchen  kann  sich  trotz  des  Gebotes 
ihrer  Mutter  von  Ludwig  nicht  trennen.  Endlich  liefern  unter 
allerlei  Scherzen  die  Bedienten  Ludwig  das  Geld  aus.  Auch  die 
Konkurrenz  seines  Vaters  nimmt  Ludwig  ruhig  hin.  „Er  ist 
doch  besser  als  Reich,"    tröstet  er  sich. 

IV.  Akt.  Der  vierte  Akt  umfasst  nur  drei  Seiten.  Herr 
Reich  setzt  mit  einem  Bakkalaureus  einen  Kontrakt  auf,  dem- 
zufolge er  an  Frau  Gervas  dreihundert  Gulden  zahlen  wolle, 
wogegen  sie  und  ihre  Tochter  eine  Reihe  anderer  Bedin- 
gungen, vor  allem  seine  alleinigen  Rechte  auf  Klär  eben,  ein- 
zugehen haben. 


R.  Lenz:  Das  Väterchen.  255 

V.  Akt.  (1.)  Zu  seinem  grossen  Verdrusse  hat  Herr  Reich 
von  Herrn  Schiinges  Einmischung  erfahren.  Seine  Frau  soll 
nun  alles  wissen,  und  der  Bakkalaureus  übernimmt  es,  sie 
mit  den  Vorgängen  vertraut  zu  machen.  (2.)  Bei  Frau  Gervas 
findet  eine  kleine  „Kollation"  statt,  an  welcher  Herr  Schlinge, 
Ludwig  und  Klärchen  teilnehmen.  Während  bei  derselben 
Vater  und  Sohn  bereits  auf  einander  eifersüchtig  werden  und 
fast  an  einander  geraten,  erfährt  (3.)  Frau  Schlinge  durch  den 
Bakkalaureus  die  Streiche  ihres  Gatten.  Sie  sieht,  an  der 
Thüre  des  Hauses  der  Frau  Gervas  stehend,  „wie  er's  an  die 
Brust  drückt,"  hört,  wie  er  zu  Klärchen  sagt:  „Ich  könnte 
meiner  Frau  mit  guter  Manier  das  neue  Mäntelchen  stehlen,  das 
ich  ihr  habe  machen  lassen,  das  neue,  atlassene,  mit  Gold  durch- 
wirkt;" sie  ist  Zeugin,  wie  er  sie  küsst  und  ausruft:  „0  was  das 
für  ein  süsser  Atem  ist  gegen  meiner  Frau  ihrem!"  Endlich  wird  es 
Frau  Schlinge  zu  bunt;  sie  fährt  unter  die  erschreckte  Gesellschaft 
und  führt  ihren  Mann  nach  Hause,  der  ihr  mit  den  Worten  folgt: 
„Weh,  welch  ein  Souper   wird  das  geben." 

Ob  das  Lustspiel  trotz  genauen  Anschlusses  an  Plautus  und 
der  völligen  Modernisierung  im  stände  wäre,  auf  unsrer  Bühne 
sich  zu  halten,   erscheint   mehr  als  zweifelhaft. 

Ins  Deutsche  übersetzte  die  Asinaria  A.  C.  Bor  heck*) 
(Köln  1803). 


III.    Aulularia.2)    (Querolus.) 

Unglücklicherweise  ist  die  Aulularia,  „eines  der  ausge- 
zeichnetsten Stücke  des  Plautus,  nach  Anlage  wie  Ausführung"  3) 
nicht  vollständig  auf  uns  gekommen.  Gerade  die  Lösung 
fehlt.      Die  alten  argumenta  deuten  zwar  darauf  hin,   wie  dieselbe 

stattgefunden  haben   mag: 

Laetusque  natam  collocat  Lyconnli 
sagt  das  eine: 

Ab  eo  donatur  auro,  uxore,  et  filio 


>)  Gödeke.    III,  217. 

2)  Ausgaben:  Güller  (Köln  1825);  E.  J.  Richter  (Nürnberg  1833): 
Deenik  (Leiden  183;"));  J.  Hildyard  (London  1839);  Thom.  Vallauri 
(Turin  1853);  W.  Wagner  (Cambridge  1876);  E.  Benoist  (Paris  1878); 
C.  M.  Francken  (Groningen  1877).  —  Hier  ist  zitiert  nach  Plauti  Co- 
moediae,  ed.  Carol.  Herrn.  Weise,  Quedlinburg  1837.  Bd.  I,  S.  91 — 129. 
—  Vgl.  C.  M.  Francken,  Hct  origiueel  van  PL  Aulul.,  Versl.  en  Mede- 
deel.  d.  Konigl.  Akadem.    II.    1882. 

3)  Teuf  fei  (G.  d.  r.  L.),  S.  147. 


256  HI.  Aulularia. 

das  andere.  Demgemäss  hat  Antonius  Codrus  Urceus,  Pro- 
fessor zu  Bologna,  der  unter  den  Kaisern  Sigismund  und 
Friedrich  III.  lebte,  das  Stück  ergänzt  (s.  hei  Danz);  allein 
Lessing  sagt  (Beiträge  48):  „seine  und  des  Plautus,  Arbeit 
unterscheiden  sich  allzusehr."  Kürzer  ist  das  Supplement  von 
P.  Pareus.  Auch  M.  Rapp  (Die  pL  L.,  S.  902  —  909)  hat  einen 
Schluss  zu  dem  Stücke  gedichtet,  ist  aber  (S.  827)  der  Meinung, 
dass  man  denselben  „nicht  besonders  plautinisch",  sondern 
„ einigermassen  modern"    finden  wird. 

Die  Aulularia  (Topfgeschichte),  so  genannt  von  dem  Gcld- 
topfe  —  olla  —  den  Euklio  auffindet,  ist  von  jeher  als  eines 
der  hervorragenderen  Stücke  des  Plautus  angesehen  worden. 
Schlegel  sagt:  „der  Schatz  des  Euklio  sei  wie  ein  unsichtbarer 
böser  Geist,  der  das  Ganze  beherrscht  und  den  Zuschauer  in  fort- 
währender Spannung  erhält." 

Der  Hausgott  (Lar  fa miliaris)  eröffnet  das  Stück  mit 
einem  Prologe.  Diesen  (sowie  den  zum  Rudens)  möchte  Teuf  fei 
„von  dem  Verdammungsurteile  ausgenommen"  wissen.  Diese 
beiden  und  der  von  Ritschi  schon  als  echt  verteidigte  zum 
Trinummus  haben  „die  positive  Eigentümlichkeit  mit  einander 
gemein,  dass  sie  alle  einem  göttlichen  Wesen  in  den  Mund  ge- 
legt werden:  beim  Trinummus  der  Luxuria  und  Inopia,  beim 
Rudens  dem  Arcturus  und  in  der  Aulularia  dem  Lar  fami- 
liaris".      Auch  bestehen  sonst  keine   direkten  Verdachtgründe. 

Der  Hausgott   sagt,    er    beschütze  dieses  Haus  schon  viele 

Jahre  (7.  3): 

Hanc  dorn  um 
Iam  multos  annos  est  quum  possideo  et  colo. 

Der  Grossvater  habe  ihm  einmal  einen  Schatz  in  Gold  (auri 
thesaurum,  V.  7)  übergeben,  den,  unter  dem  Herde  vergraben, 
dieser  seither  bewachte.  Sein  Geiz  hielt  ihn  ab,  seinem  Sohne 
hiervon  Mitteilung  zu  machen;  um  den  Hausgott  aber  kümmerte 
sich  der  Sohn  wenig  und  ebenso  wenig  der  Enkel,  des  Hauses 
dermaliger  Besitzer.  Die  Tochter  aber  dieses  Mannes  ehrte  ihn 
reichlich  mit  Opfern  und  ihr  zuliebe  (eius  honoris  gratia,  V.  25) 
fügte  es  der  Lar  so,  dass  Euklio  den  Schatz  entdeckte.  Noch 
giebt  er  einige  Andeutungen  über  den  Fortgang  der  Handlung. 
Im  ersten  Akte  schmäht  Euklio  seine  Magd,  die  alte 
Staphyla,  die  „circumspectatrix  cum  oculis  emissitiis"  [V.  41), 
die  alles  auszuspionieren  suche.  Er  fürchtet,  sie  möchte  von  dem 
Schatze  erfahren,  dessen  Entdeckung  er  niemand  anvertraut,  den 
er  vielmehr  vergraben  hat.     Während  er,  wie  öfter  in  dem  Stücke, 


Studien  und  Charakteristiken  u.  s.  w.,  S.  25G. 


Charakteristik  derselben.  257 

auf  einige  Augenblicke  die  Bühne  verlässt,  um  nach  seinem  Geld- 
topfe zu  sehen  (F.   65): 

Nunc  ibo,  ut  uisam,  estne  ita  aurum,  ut  condidi, 
Quod  me  sollicitat  plurimis  miserum  modis. 

erzählt  uns  Staphyla  von  ihrer  Verlegenheit.  Euklios  Tochter, 
Phädra.    ist   daran,    jeden  Augenblick  niederzukommen   (F.  75): 

propinqua  partitudo  quoi  appetit. 

Der  Alte  kömmt  beruhigt  zurück,  da  er  alles  in  Ordnung 
fand  (F    79): 

Nunc  defaecato  demum  animo  egredior  domo, 
Postquam  perspexi  salua  esse  intus  omnia. 

Er  wiederholt  seine  Warnungen,  ja  niemand  einzulassen,  selbst 
die   Göttin  Fortuna  nicht  (F.    100): 

Si  Bona  Fortuna  ueniat,  ue  intromiseris 

und  schickt  seine  Dienerin  ins  Haus.  Aus  seinem  Selbst- 
gespräche erfahren  wir,  dass  er  zum  ..magister  curiae"  (F.  107) 
gehe,  um  bei  der  Geldverteilung  sich  einen  Sesterz  zu  holen,  da- 
mit ja  niemand  in  ihm  einen  vermöglichen  Mann  vermute. 

Im  zweiten  Akte  tritt  der  alte  Megadorus  mit  seiner 
Schwester  Eunomia  auf.  Er  vertraut  ihr,  dass  er  willens  sei, 
Euklios  Tochter,  die  er  liebgewonnen  habe,  zu  freien.  Eunomia 
verspricht  ihm,  obwohl  sie  über  die  Weiber  im  allgemeinen  nicht 
eben  günstig  urteilt,1)  ihre  Beihilfe.  Euklio  kömmt  eben  des 
Weges,   um  nach  Hause  zu  eilen,    wo   sein  Herz  weilt  (F.    180): 

„nam  egomet  sum  hie,  animus  dornt  est." 

Da  eröffnet  ihm  Megadorus  seinen  Wunsch.  Euklio  aber 
vermutet,  Megadorus  wisse  um  den  gefundenen  Schatz  (F.  215): 

„aurum  huic  ölet" 

und  werbe  nur  deshalb  um  seine  Tochter.  Er  hält  ihm  seine  Ar- 
mut entgegen;  als  aber  endlich  Megadorus  erklärt,  er  wolle  das 
Mädchen  ohne  jede  Mitgift  heiraten,  wodurch  Euklios  Ein- 
wurf (F.  237): 

At  nil  est  dotis  quod  dem 


')  V.  123.  Quamquam  haud  falsa  sum,  nos  odiosas  haberi. 
Nam  multum  loquaces  merito  omnes  habemur: 
Nee  rautam  profecto  repertam  ullam  esse 
Eodie  mulierem  dieunf  ullo  in  saeclo. 
V.  136.  Decet  equidem  aera  proloqui. 

Nam  optima  nulla  potest  eligi;  alia  alia  peior,  frater,  est. 

17 


258  IH-  Aulularia. 

gegenstandslos  wird,  giebt  er  es  zu,  nachdem  er  vorher  noch  schnell 
ins  Haus  gelaufen  war,  um  nach  dem  Golde  zu  sehen.  —  Von 
S  t  a  phy  1  a  erfahren  wir  noch,  dass  Phädras  Niederkunft  unmittelbar 
bevorstehe  (F.   269): 

„probrum  atque  partitudo  prope  adest  ut  fiat  palam." 

Im  dritten  Akte1)  erblicken  wir  den  Sklaven  Strobilus,2) 
Köche  (Anthrax,  Congrio)  und  andere  mit  den  Vorrichtungen 
zur  Hochzeit  des  Megadorus  beschäftigt,  wobei  Strobilus 
einige  Anekdoten  von  Euklios  Geiz  zum  besten  giebt.  Die 
Szene  mit  den  Köchen  wird  etwas  ausgedehnt.3)  Von  Pytho- 
dikus  erfahren  wir  einiges  über  die  üblichen  Diebstähle  der 
Köche,  die  er  als  „rapaeidae"  (F.  363)  bezeichnet.  Euklio  tritt 
auf  und  entwickelt  sein  Sparsystem.  Auch  er  wollte  heute  zur 
Hochzeit  seiner  Tochter  etwas  heimtragen  und  ging  deshalb  auf 
den  Markt,   allein  (7.  366): 

rogito  piscis;  indicant 
Caros.  agninani  carinii,  carinii  bubulam, 
Vitulinam,  cetum,  porcinam,  cara  omnia; 
Atque  eo  fueruut  cariora:  aes  non  erat. 


1)  Nach.  Rapps  Einteilung. 

2)  Hier  tritt  der  Sklave  Strobilus  als  dem  Megadorus  gehörig 
auf  (F.  273  ff.)  uud  schafft  für  diesen;  später  ist  er  Eigentum  seines 
Neffen  Lykonides,  ja  er  spricht  sogar,  als  wisse  er  von  des  Mega- 
dorus Hochzeit  nichts.  Darum  haben  einzelne  Kritiker  zwei  Stro- 
bilus angenommen.  Rapp  (S.  910)  findet  diese  Trennung  in  einen 
Strobilus  geminus  noch  „viel  lächerlicher,  als  jene  kleinen  Inkonse- 
quenzen, und  wenn  Köpke  in  seiner  Einleitung  zum  Stücke  bemerkt, 
Plautus  habe  diesen  beiden  Sklaven  lieber  einerlei  Namen  gegeben. 
um  sie  durch  Einen  Schauspieler  spielen  lassen  zu  können,  so  glaub' 
ich,  hat  er  der  Wahrheit  näher  geraten".  Rapp  (S.  911)  glaubt,  Stro- 
bilus, als  „die  lustige  und  verschlagene  Person  unseres  Stückes",  sei 
vom  Dichter  zwiefach  verwendet  worden.  „In  den  ersten  Akten  braucht 
er  einen  Sklaven,  der  das  Küchenregiment  führt  und  den  Hochzeitschmaus 
anordnet;  er  nennt  ihn  Strobilus  und  lässt  ihn  bei  dem  Oheim  Me- 
gador  dienen.  In  den  letzten  Akten  braucht  er  einen  verschlagenen 
Sklaven,  der  dem  Herrn  in  seiner  Liebschaft  hilft  und  gelegentlich  dem 
Geizigen  den  Geldtopf  wegstiehlt.  Da  er  jenen  ersten  Strobilus  nicht 
mehr  nötig  hat,  so  steckt  er  ihn  jetzt  in  die  Livree  des  Neffen  Lyko- 
nides." Vgl.  Binder,  S.  68.  —  In  ähnlicher  Weise  äussert  sich  Wil- 
helm Wagner  (T.  M.  Plavti  Aulularia,  with  notes  critical  and 
exegetical  and  an  introduction  on  Plautian  prosody,  Cambridge  1866), 
S.  138.  One  of  the  greatest  difficulties  in  the  Aulularia  (if  it  be  not 
the  greatest)  consists  in  the  name  and  character  of  the  slave  Stro- 
bilus, who  makes  bis  appearance  in  the  first  scene  of  this  (IV)  act. 
That  the  Strobilus  of  the  first  scene  of  the  third  act  cannot 
be  the  same  person  with  this,  I  have  shown  de  Aulularia, 
pag.  "24  sqq.     Vgl.  Brix,  Jahrbücher  1865.    S.  56. 

3)  Vgl.  die  Acharner  des  Aristophanes  nach  Rapp,  S.  859,  Anm. 


Charakteristik  derselben.  259 

So  ging  er  denn  heim  mit  einem  „Weihräuchlein"  und  ,. Blu- 
menkränzchen'-   für  seine  Tochter  (F.  378): 

Ximc  tusculum  emi  et  has  Coronas  floreas. 

Das  möge  genügen,   denn  seine  Absicht  ist  (F  377): 

Quam  minumo  sumptu  filiam  ut  nuptum  dareni. 

Plötzlich  hört  er  ein  Geräusch  im  Hause;  Congrio  ruft  um 
einen  grössern  Topf  (F.  383): 

Aulam  maiorem,  si  pote,  ex  uicinia 
Pete:  haec  est  parua:  capere  non  quit. 

Das  bringt   ihn  zur  Verzweiflung  (F.  385): 

Peru  liercle!  aurum  rapitur:  aula  quaeritur, 

da  er  es  mit  seinem  Topf  in  Zusammenhang  bringt.  Ins  Haus 
geeilt,  prügelt  er  die  Köche  und  wirft  sie  zum  Thor  hinaus. 
Sein  Streit  mit  Congrio  setzt  sich  auf  der  Strasse  fort;  er  jagt 
ihn  weiter.  Euklio  ist  ohnehin  aufgeregt,  weil  Staphylas 
Hahn1)  an  der  Stelle  scharrte,  wo  der  Topf  vergraben 
liegt.  Mit  einem  Schlage  streckte  er  ihn  zu  Boden.  —  Mega- 
dorus  tritt  auf  mit  einem  Monologe  über  Ehen  ohne  Mitgift,  in 
denen  er  gewissermassen  die  Lösung  der  sozialen  Frage  findet 
(F.  472): 

Nam,  meo  quidem  animo,  si  idem  faciant  ceteri, 

Opulentiores  pauperiorum  filias 

Ut  indotatas  ducant  uxores  domuni: 

Et  multo  fiat  ciuitas  concordior, 

Et  inuidia  nos  minore  utamur,  quam  utimur. 

Die  modernen  Weiber  mit  ihrer  reichen  Mitgift  brauchen 
zu   viel   und  sind  in  ihren  Ansprüchen  zu  unbescheiden.      Darum 

(F.  485): 

Quo  lubeat,  uubant.  dum  dos  ue  fiat  comes. 

Hoc  ita  si  fiat,  mores  meliores  sibi 

Pareut.  pro  dote  quos  feraut,  quam  nunc  ferunt. 

Diese  Grundsätze  begeistern  den  lauschenden  Euklio,  und 
gerne  würde  er  das  Weitere  hören,  vermutete  er  nicht  in  einzelnen 
Worten  seines  künftigen  Schwiegersohnes  wiederum  Anspielungen 
auf  seinen  Geldtopf,  von  dem  er  nun  doch  scheiden  muss,  da  er 
zu  viele  Feinde  hat  (F.   575 j: 


')  Eine  Szene,  deren  Rabelais  iPantagruel  Prolog  zum  d  ritten 
Buch)  Erwähnun»-  thut,  wenn  er  spricht  von  dem  coeq  d'Euclion  laut 
celebre  par  Piaute  en  sa  Marmite. 

17* 


9(50  III.   Aulularia. 

Edepol  nae  tu,  aula,  multos  inimicos  habes. 

Nunc  hoc  mihi  factu  est  optumum,  ut  ted  auferam, 
Aula,  in  Fidei  fanum. 

Also  zum  Tempel  der  Fides  (7   581): 

Ibo  ad  te,  fretus  tua,  Fides,  fiducia. 

Den  vierten  Akt  leitet  Strobilus  ein.  Er  spi'icht  von 
den  Verpflichtungen  des  Dieners,  hier  aber  als  Sklave  des  Lyko- 
nides  (7  582): 

Hoc  est  servi  facinus  frugi,  facere  quod  ego  persequor; 
Nee  morae  molestiaeque  inperium  herile  habeat  sibi. 
Nam  qui  hero  ex  sententia  servire  seruus  postulat: 
In  herum  matura,  in  se  sera  condecet  capessere, 
Sin  dormitet,  ita  dormitet,  seruom  sese  ut  cogitet. 

Er  setzt  sich  dann  an  den  Altar  (7.   601): 
iu  ara  hie  adsidam  sacra. 

Euklio  tritt  aus  dem  Tempel,  wo  er  seinen  Geldtopf  ver- 
steckte. Strobilus  belauscht  ihn;  er  tritt  nach  ihm  in  das 
Heiligtum  ein.  Rabengekrächze  ruft  Euklio  zurück;  er  eilt 
nochmal  in  den  Tempel  und  zerrt  aus  demselben  Strobilus  her- 
vor.     Er  untersucht  ihn,   was  er  geraubt  habe: 

(7.  635.)     Euch  Ostende  huc  manus! 

Strob.  Hem  tibi! 

Euch  Ostende! 
Stroh.  Eccas ! 

Euch  Video.     Age,  ostende  etiam  tertiam! 

Strob.  Laruae  hunc  atque   intemperiae  insaniaeque  agitant 

senem; 

und  dann  nochmal: 

( V.  C>44.)     Euch    Age,  rursum  ostende  huc  manum 
Dexteram ! 
Strob.  Hem ! 

Euch  Nunc  laeuam  ostende! 

Strob.  Quiu  equidem  ambas  profero. 

Euch     Iam  scrutari  mitto. 

Der  Fides  traut  er  nun  nicht  mehr.  Er  holt  seinen  Geld- 
topf,   um  ihn  im  Haine  des  Sil  van  Tis  zu  vergraben  (7.  662): 

Fidei  censebam  maxumam  multo  fidem 
Esse :  ea  subleuit  os  mihi  penissume. 


—     Siluano  potius  credam  quam  Fidei. 


Charakteristik  derselben.  261 

Auch  dies  hat  Strobilus  gehört  und  eilt  ihm  nach,  um  ihn 
von  irgend  einem  Baume  herab  zu  beobachten. 

Im  fünften  Akte  hören  wir  den  jungen  Lykonides  seiner 
Mutter  gestehen,  dass  er  im  Rausche  mit  Phädra  gefehlt  habe. 
Alsbald  vernehmen  wir  auch  den  Schmerzensruf  des  kreissenden 
Mädchens.      Er  eilt  hinein  (7.   696): 

ubi  de  capite  meo  sunt  comitia. 

Strobilus  tritt  auf  mit  dem  Geldtopfe,  den  er  nach  Hause 
schleppt.      Er  schwimmt  in  Wonne   {V.   697): 

Pices  diuitiis,  qui  aureos  niontes  colunt, 

Ego  solus  supero.     —     —     —     —     — 

Ego  sum  ille  rex  Philippus.     0  lepidum  diem! 


—    Ibo,  ut  hoc  condam,  domum. 

Alsbald  stürzt  Euklio  herein,  der  den  Diebstahl  entdeckt  hat. 
Er  ist  in  Verzweiflung,  sein  Lebensglück  ist  dahin.  Seiner  ent- 
setzlichen Stimmung  macht  er  in  dem  berühmten,  so  oft  nach- 
geahmten Monologe  Luft   (V.  709  ff.): 

Peru,   interii,   occidi!   Quo   curram?   quo  non  curram?   Tene,   tene!  — 

Quem  quis? 

Nescio:  nil  uideo:  caecus  eo,  atque  equidem,  quo  eam,  aut  ubi  sira,  aut 

qui  sim, 

Nequeo  cum  aninio  certum  inuestigare.    Opsecro  uos  ego,  mihi  auxilio, 

Oro,  obtestor,  sitis  et  hominem  demonstretis,  qui  eam  apstulerit. 

Quid  est?  quid  ridetis?  Noui  omnis:  scio  lüres  esse  hie  conplures, 

Qui  uestitu  et  creta  oecultant  sese  atque  sedent,  quasi  sint  frugi. 

Quid  ais  tu?  Tibi  credere  certumst:  nain  esse  bonum,  e  uoltu  cognosco. 

Hern,  nemo  habet  horum?  —  Occidisti!  Die  igitur,  quis  eam  habet!  Nescis? 

Heu  ine  miserum!  misere  perii!  Male  perditu',  pessume  ornatus  eo: 

Tantum  gemiti  et  malae  maestitiae  hie  dies  mihi  optulit, 

Famem  et  pauperiem.    Perditus  penissume  sum  ego  omnium 

In  terra.     Nam  quid  mihi  opus  est  uita,  qui  tantum  auri  perdidi, 

Quod  custodiui  sedulo?  Egomet  me  defraudaui 

Auimumque  meum  geniumque  meum.     Nuuc  meo  alii  laetificantur 

Damno  et  malo.     Pati  nequeo. 

Lykonides  hört  den  rasenden  Alten  schreien  und  glaubt, 
er  tobe  wegen  seiner  Tochter.  Er  bittet  ihn  um  Verzeihung 
(V.    730): 

quia  istuc  facinus,  quod  tuom 
Sollicat  animum,  id  ego  feci  et  fateor. 

Wein  und  Liebe  vermochte  ihn  zu  der  That  (F.  742): 

„quia  uini  uitio  atque  amoris  feci," 

und  so  obwaltet  längere  Zeit  das  Missverständnis,   indem  Euklio 


262  HI-  Aulularia. 

„ea,  illa"  als  seine  „aula",  Lykonides  als  Phädra  versteht. 
Endlich  klärt  es  sich  auf,  da  Enklio  direkt  seinen  Geldtopf  ver- 
langt (7    760): 

Aulam  auri.  inquam,  te  reposco,  quam  tu  confessus  's  mihi 
Te  apstulisse. 

Lykonides  erzählt  nun,  dass  Megadorus  auf  das  Mädchen 
Verzicht  leisten  wolle,  dass  er  sie,  selbst  am  Ceresfeste  berauscht, 
entehrt  habe,  jetzt  aber  zu  seinem  ehelichen  "Weibe  machen  werde, 
wenn  Euklio  sie  ihm  gäbe.  Dieser  eilt  ins  Haus,  um  sich  von- 
allem zu  überzeugen. 

Strobilus,  noch  entzückt  von  seinem  Funde,  tritt  auf 
(7.  806): 

Quadrilibrem  aulam  auro  onustam  ego  habeo:  quis  nie  est  diuitior? 

Zu  ihm  kömmt  Lykonides,   und  damit  endet  unser  Text. 

Die  wahrscheinlichste  Lösung  ist  wohl,  dass  Euklio  durch 
des  Lykonides  Vermittlung  sein  Gold  wieder  erhält  und  hierüber 
selig  zu  allem  Andern  sein    „Ja!"    spricht. 

Den  Schluss  der  Supposita  des  Urceus  bilden  Nutzan- 
wendungen über  Freigebigkeit  und  Geiz;  der  alte  Euklio  wird 
mit  einemmale  freigebig  —  welch  ein  Unding!1)  — •  Zum  Teile 
wird  er  es  auch  bei  Rapp,  indem  er  dem  Brautpaar  ein  Fünftel 
seines  Gutes  als  Mitgift  schenkt  (S.  908): 

„Ihr  hochgeehrten  Gäste,  seid  gegrüsst;  euch  naht 
Der  arme  Euklio,  der  durch  seines  Hausgotts  Gunst 
Zu  einem  kleinen  Reichtum  kam.     Staphyla  mag 
Mir  Zeuge  sein,  dass  ich  dem  jungen  Paare  heut' 
Ein  Fünftel  meines  Guts  zur  Mitgift  zugelobt," 

was  Megadoriis  dankend  ablehnt,  da  er  für  seinen  Erben 
sorgen  werde. 

Auch  Binder  (S.  8)  meint,  „der  Schluss  kann  kein  anderer 
gewesen  sein,  als  dass  Euklio  von  Lykonides  durch  List  oder 
Überredung  dahingebracht  oder  in  einer  ungewohnten  Anwandlung 
von  Freigebigkeit  oder  noch  wahrscheinlicher,  um  die  ewige  Angst, 
seinen  Geldtopf  endlich  doch  noch  zu  verlieren,  los  zu  werden, 
dem  jungen  Manne  diesen  als  Mitgift  bei  der  nun  vollzogenen 
Vermählung  mit  seiner  Tochter  überlässt.  Dies  geht  auch  aus 
dem  wahrscheinlich  sehr  alten  Argumentum  hervor,  welches 
als  Akrostichon  dem  Lustspiele  voransteht,  und  dessen  letzter  Vers 
also   lautet: 

„Ab  eo  donatur  auro,  uxore  et  filio." 

')  Rapp.    S.  912. 


Charakteristik  derselben.  263 

Das  Hauptinteresse  konzentriert  selbstverständlich  der  übrigens 
von  manchen  getadelte')  Geizhals  Euklio  auf  sich,  der  sich 
tiberall  belauscht  und  betrogen  wähnt.  Jeder  Blick  eines  andern 
gilt  seinem  verborgenen  Sehatze,  jedes  Wort  hat  Bezug  auf  sein 
geheim  gehaltenes  Gold:  nur  Verräter  schaut  er  um  sich.  Selbst 
von  rückwärts  sieht  seine  Schaffnerin  (F  64): 

„quae  in  occipitio  quoque  habet  oculos,  pessuma." 

Sie  hat  das  Gerede  von  der  Aussteuer  seiner  Tochter  unter  die 
Leute  gebracht  (F.   266): 

deblaterasti  iam  uicinis  omnibus. 
Meae  me  filiae  daturum  dotem. 

Ja  selbst  der  Haushahn  ist  sein  Feind.  Ihn  haben  die  Köche 
bestochen,  damit  er  ihnen  die  Stelle  zeige,  wo  sein  Schatz  ver- 
borgen liegt   (V.   464): 

Credo  ego  edepol  illi  mercedem  gallo  pollicitos  cocos, 
Si  id  palam  fecisset. 

Da  ihn  der  Schmerz  um  sein  geraubtes  Gut  überwältigt,  ver- 
mutet er  sogar  unter  den  Zuschauern  den  Dieb  (F.  713),  eine 
Äusserung,  die  ihm  mit  Unrecht  von  allzudelikaten  Kritikern  ver- 
dacht wurde.-)  Alles  will  er  dtirchsuchen ,  die  zwei  Hände  sind 
ihm  noch  nicht  genug.  In  seiner  Überreizung  und  Gier  verlangt 
er  selbst  (F.   636)  die  dritte.3) 


»)  Vgl.  z.  B.  Hurds  Urteil  bei  Lessing  (Hamb.  Drain.,  92.  Stück): 
„Hierin  haben  Moliere  und  vor  ihm  Plautus  gefehlt;  statt  der  Ab- 
bildung eines  geizigen  Mannes  haben  sie  uns  eine  grillenhafte  Schil- 
derung der  Leidenschaft  des  Geizes  gegeben.  Ich  nenne  es  eine 
grillenhafte  Schilderung,  weil  sie  kein  Urbild  in  der  Natur  hat.  Ich 
nenne  es  eine  widrige  Schilderung;  denn  da  es  die  Schilderung  einer 
einfachen  unvermischten  Leidenschaft  ist,  so  fehlen  ihr  alle  die 
Lichter  und  Schatten,  deren  richtige  Verbindung  allein  ihr  Kraft  und 
Leben  erteilen  könnte.  Diese  Lichter  und  Schatten  sind  die  Ver- 
mischung verschiedener  Leidenschaften,  welche  mit  der  vornehmsten 
oder  herrschenden  Leidenschaft  zusammen  den  menschlichen  Cha- 
rakter ausmachen  u.  s.  w." 

2)  W.  Wagner,  1.  c.  zu  Vers  709. 

3)  Zu  dem   „ostende  etiam  tertiana",    das   mehrere  Nachahmer 
darunter  auch  Hooft)  haben,  macht  der  englische  Übersetzer  der  Aii- 

lularia,  Thornton,  eine  interessante  Bemerkung,  in  welcher  dieselbe 
Stelle  auch  bei  dem  gelehrten  Verfasser  des  Albumazar  (s.  S.  1!»1)  nach- 
gewiesen wird  (s.  hei  \Y.  Wagner,  1.  c.  S.  144 1:  This  lias  heen  ceu- 
sured  as  being  to  extravagant  and  entirely  out  of  aature;  but  con- 
sidering  the  very  ridiculous  humour  of  the  Miser  as  drawn  by  our 
Author,  it  will  not  perhaps  appear  out  of  character.  Euclio  talks  in 
•the  same  strain  ni'  the  cooks  being  all  of  Geryon's  race  and  having  six 
hands  a  piece.    Midiere,  however,  who  has  imitated  this  scene,   has  not 


264  III.  Aulularia. 

Nach  Staphylas  Worten  (F.  67)  war  er  früher  nicht  so; 
es  nvuss  ihm  erst  ein  Unheil  begegnet  sein.  Überall  giebt  er 
sich  für  einen  armen  Mann  aus  (F.  185):  „Pol  ego  haud  perbene 
a  pecunia;"  er  brüstet  sich,  wie  Megadorus  sagt,  seiner  Ar- 
mut (F.  205): 

Neque  illo  quisquam  est  alter  hodie  ex  paupertate  parcior. 

F.  226  nennt  er  sich  „pauperum  pauperrumum" ;  so  F.  538;  und 
auch  Strobilus  heisst  F.  598  Phädra  „filiam  hnius  Euclionis 
pauperis". 

Damit  rechtfertigt  er  der  Welt  gegenüber  seinen  schändlichen 
Geiz,  der  sich  in  schmutzigster  Weise  äussert.  Niemand  darf  sein 
Haus  betreten;  weder  Feuer  noc%  Wasser,  noch  Axt  (F.  91  ff.) 
hat  er  für  einen  Nachbarn.  Den  Rauch  lässt  er  nicht  zum  Dach 
hinaus,  ja  wenn  er  nachts  zu  Bette  geht,  schnürt  er  sich  einen 
Blasbalg  vor  den  Mund,  damit  keine  Luft  unnütz  zu  gründe  geht 
(F.   292): 

Quin  diuum  atque  hominum  clamat  continuo  fidem, 

Suam  rem  periisse,  seque  eradicarier, 

De  suo  tigillo  fumus  si  qua  exit  foras. 

Quin,  quom  it  dormitum,  follem  [sibi]  opstringit  ob  gulam.1) 

Wenn  er  sich  die  Hände  wäscht,   reut  ihn  das  Wasser  (F.  301): 
Aquam  hercle  plorat,  quom  lauat,  profundere. 


ventured  this  seemingly  absurd  joke,  as  undoubtedly  he  thought  i- 
would  appear  too  outre  to  a  modern  audience;  and  our  own  countryt 
meu  Shadwell  and  Fielding  have  copied  his  example,  probably  for 
the  same  reason.  But  there  is  a  discret  imitation  of  this  whole  passage 
in  the  old  play  of  Albumazar  (Act  III,  scene  8),  where  Trincalo  (who  is 
made  to  fancy  himself  Antonio),  questions  Konca  about  his  purse,  which 
the  latter  has  stolen  from  bim: 

Trine.     0  my  purse! 

Dear  master  Ronca. 

Rone.  What  's  your  pleasure,  Sir? 

Trine.     Show  me  your  band. 

Rone.     Here  't  is! 

Trine.    But  where  's  the  other? 

Rone.     Why,  here. 

Trine.    But  I  mean,  where  's  your  other  band? 

Rone.     Think  you  me  the  giant  witb  an  bundred  bands? 

Trine.     Give  me  your  rigbt! 

Rone.     My  rigbt? 

Trine.     Your  left. 

Rone.     My  left? 

Trine.    Now  botb! 

Hone.     Tbere  's  botb,  my  dear  Antonio! 

*)  Die   erstaunte  Frage   des  Congrio  „Cur"?  wird  (V.  296)   beant- 
wortet: „Ne  quid  animae  forte  amittat  dormiens." 


Charakteristik  derselben.  265 

Die    Nägelabfälle,     die    ihm    der   Barbier    zuschnitt,    sammelte    er 
jüngst  (V.   305): 

Quin  ipsi  pridem  tonsor  unguis  deniserat: 
Collegit  omnia,  apstulit,  praesegmina, 

und    noch    viele   andere  Streiche    erzählt    Strobilus  den  Köchen. 

Der  wackere  Sklave  Strobilus  ist  oben  schon  aus  V.  582 
charakterisiert  worden;  ebenso  hat  sich  Megadorus  als  ein  guter 
Alter  durch  seine  Anschauungen  über  Arm  und  Reich  gezeigt, 
dem  an  Eunomia  eine  gute  Schwester1)  und  dem  Lykonides, 
der  sich  rühmen  kann,  seine  Mutter  nie  belogen  zu  haben, 2)  eine 
brave  Mutter3)   zur  Seite  steht. 

Neben  der  Aulularia  stand,  besonders  im  Mittel- 
aitor, den  Nachahmern  eine  andere,  ungleich  wertlosere 
Quelle  zur  Verfügung  in  dem  Lustspiele  Querolus  („Der 
Unzufriedene"),  welches  man  allenthalben  als  plautinisch  ansah.4) 
Thatsächlich  ist  das  Stück,  dessen  Verfasser5)  und  Ent- 
stehungszeit6) unbekannt  sind,  auf  der  Aulularia  des  Plau- 
tus  aufgebaut   und  oft  auch  so   benannt   worden.7)    Es  ist 


')    V.  127.   Verum  hoc,  frater,  unum  tarnen  cogitato, 
Tibi  proximam  me,  niihique  esse  item  te. 

2)  V.  685.   Egone  ut  te  aduorsum  mentiar,  mater  mea? 

3)  V.  681.  Scis  tute  facta  velle  me,  quae  tu  velis. 

4)  Teuf  fei,  G.  d.  r.  L.    S.  148.  1036.  —  Haupt,  Opusc.    HI,  587. 

—  Du  Meril,  Origines  latines  du  theätre  moderne,  pag.  14.  15.  — 
J.J.Ampere,  Histoire  litteraire  de  la  France  avant  le  douzieme  siecle. 
I.  Bd.  S.  260.  —  Maurice  Meyer,  Etudes  sur  la  comedie  latine. 
S.  108 — 114.  —  Klinckhamer,  pag.  XXIEE.  —  Jubinal,  Mysteres  ine- 
dits.  1837.  —  L.  Quicherat,  Melanges  en  phüologie.  Paris  1879,  pao.  158. 

—  W.  Wagner  im  Litt.  Centr.-Bl.  v.  1875.  S.  752.  —  Klein.  DJ,  638.  — 
Histoire  litter.  XV,  428—434.  —  Weitere  bibliographische  An- 
gaben s.  bei  Havet     S.  22 — 32. 

5)  Barthius  (Advers.)  u.  a.  glauben,  der  Querolus  stamme  von 
Gildas  (geb.  520  in  Somerset);  dagegen  s.  b.  Klinckhamer  XXV.  — 
Andere  nennen  fälschlich  den  Axius  Paulus.  Vgl.  R.  Dezeimeris, 
Sur  l'auteur  de  Querolus.  Bord.  1876.  —  R.  Dezeimeris,  Etudes  sur 
le  Querolus.     Bord.  1881. 

6)  Über  die  Entstehungszeit  des  Querolus  s.  bei  Havet  S.  2 
— 11.  —  Klinckhamer.  XXVII.  —  Orelli,  Epist.  ad  Madvigium,  in 
Edit.  Cic.  Rhetor.  Tur.  1830.  S.  68.  —  Lessing  (Beiträge  S.  51.  52).  — 
Du  Meril,  Origines.    S.  13  ff. 

7)  Die  Überschrift  iu  den  Msk.  ist:  Plauti  aulularia.  —  Praef. 
5,  22.  Querolus  an  Aulularia  haec  fabula  dicatur,  vestrum  (specta- 
tores)  iudicium  erit.  —  M.Haupt,  Opusc.  (Lpz.  1876.  III.  S.  587.  588.) 
„In  Monumeutürum  Boicorum  voluminia  XXVIII,  parte  II,  edita  est  Bur- 
chardi  Episcopi  Pataviensis  et  Madalwiui  chorepiscopi  complacitatio 
facta  anno  MCCCCIV;  inter  libros,  quos  Madalwinus  in  manum  Bur- 
chardi  tradidit,  pag.  202  Plauti  Aulularia  commemoratur.  Puto  nou 
fuisse  Plauti  fabulam,  sed  Querolum,  qui  Lllo  nomine  in  codi- 
cibus  dicitur  veluti  in  Vaticano,  de  quo  Adolphus  Michaelis  in  Mela 
Partheii  j>ag.  X  exposuit." 


266  in.  AuMaria. 

eine  ziemlich  wertlose  und  unbedeutende1)  Produktion,  in  welcher 
die  christliche  Anschauung  unverkennbar  ist. 2)  Der  Querolus,  eine 
Art  von  Misanthrop,3)  war  im  Mittelalter  viel  gelesen  und  ver- 
breitet.4) Der  Text  ist  in  der  Handschrift  in  Prosa;  Klinckhamer 
hat  die  Herstellung  von  Versen  übernommen;  ebenso,  aber  in  der 
Form  anders,  L.  Havet  mit  einer  unter  dem  Texte  stehenden 
französischen  Übertragung. 5) 

Der  Querolus  ist  fünfmal  herausgegeben  worden;  die 
erste  Ausgabe  von  Pierre  Daniel  erschien  zu  Paris  1564 
in  8°.  Querolus,  nunc  primum  a  P.  Daniele  luce  donata; 
Daniels  Ausgabe  findet  sich  abgedruckt  im  Plautus  des 
J.  Cominus,  Padua  1764.  P.  Daniel  wollte  nochmal  eine 
kritische  Ausgabe  des  Querolus  veranstalten,  starb  aber  darüber 
im  Jahre  1603.  —  Die  nächste  Ausgabe  besorgten  Rittershuis 
und  Gruter,  bei  H.  Commelinus  (Heidelberg)  1595;  dann 
Pareus  1610,  1616,  1619,  1641.  Der  Text  des  Pareus  ist 
abgedruckt  in  der  Collectio  Pisaurensis  von  1766,  tom.  IV., 
S.  201.  —  Eine  beabsichtigte  Alisgabe  des  Johann  Christian 
Wernsdorf  (gest.  1793)  blieb  Manuskript;  ebenso  die  Notizen 
des  holländischen  Gelehrten  Herman  Cannegieter  (gest.  1804). 
Im  Jahre  1829  erschien  Querolus  sive  Aulularia  incerti 
auctoris  comoedia  togata.  Reeensuit  et  illustravit  S.  C.  Klinck- 
hamer.     Amstelod.    (Gartman).      Klinckhamers    Prosatext    findet 


1)  Bernhardy  (Grundriss),  S.  458,  nennt  den  Querolus  „ein  geist- 
loses Lustspiel  .  .  .  gezogen  aus  der  vielleicht  schon  vor  dem  vierten 
Jahrhundert  aufgelösten  Aulularia".  —  Binder  (S.  9)  heisst  ihn  „ein 
geistloses  Machwerk".  Lobender  spricht  sich  Ch.  Magnin  über  den 
Querolus  in  der  Revue  des  deux  mondes  183f>,  II,  S.  656,  aus. 

~)  Adolphus  William  Ward,  A  history  of  English  dramatic  lit- 
terature  to  the  death  of  Queen  Anne.  London  1875.  (Macrnillan  &  Co.) 
S.  2.  „The  Querolus,  variously  dated  as  composed  in  the  fourth  or 
the  seventh  Century,  distinctly  announces  itself  as  an  imitation  of 
the  Aulularia  of  Plautus.  It  is  a  comedy  with  a  sufficiently  in- 
genious  plot,  conveying  the  familiär  moral  of  the  ,biter  bit';  but  the 
influence  of  the  Christian  doctrine  of  charity  is  perceptible 
in  the  management  of  its  close." 

3)  Gervinus.    I,  563. 

4)  Havet.  S.  31.  Le  Querolus  a  ete  tres-lu  au  moyen-äge, 
comme  le  prouvent  les  nombreux  extraits  qu'en  presentent  divers  ma- 
nuscrits.  Chez  les  modernes  il  est  reste  singulierement  ignore.  Dans 
tout  le  Moliere  il  n'y  a  pas  im  trait  qui  derive  de  Querolus.  —  Die 
wichtigsten  Handschriften  sind  Leid,  und  Par.  S.  X.  Über  eine  in 
Wolfenbüttel  von  den  Franzosen  entwendete  s.  Haupt,  Opusc  DU, 
588:  „Erat  olim  in  bibliotheca  Guelferbytana  liber  Gudianus  319,  qui 
Querolum  ex  codice  antiquo  Remensi  a  Samuele  Sciassio  excriptum 
continebat.  Eum  librum  Galli  rapuerunt  annoque  MDCCCXV  reddere 
iussi  non  reddiderunt,  supposito  fraudulenter  exemplari  impresso  Coni- 
meliniano." 

5)  Vgl.  zur  Metrik  des  Querolus  bei  Teuffei.    S.  1036. 


Der  Querolus.  267 

sich  im  Plautus  von  Lemaire  (1832),  Bd.  III,  543  und  ist  ins 
Italienische  übersetzt  worden.  „Querulo  ossia  Aulularia  di 
autore  incerto,  commedia  togata.  tradotta  per  la  prima  volta. 
Venezia  1851  in  8"."  Aus  1875  (Lpz.)  stammt  die  Ausgabe 
von  R.  Peiper  und  von  1880  die  letzte  von  L.  Havet.  (Le 
Querolus.  Comedie  latine  anonyme.  Texte  en  vers  restitue 
d'apres  im  principe  nouveau  et  traduit  pour  la  premiere  f'ois  en 
francais.  Precede  dun  examen  litteraire  de  la  piece  par  L.  Havet. 
Paris  [Vieweg]  1880,  363  S.  als  der  41.  Band  der  Bibliotheque 
de  l'Ecole  des  Haute  s  E  tu  des. 

Der  Inhalt  des  Querolus  ist  (nach  Klinckhamer)  folgender: 
I.  Akt.  (1.)  Der  Lar  familiaris  tritt  auf:  „Queroli  nunc 
sortem  administro,  huius  non  grati,  non  mali."  Aus  seiner  Rede. 
erfahren  wir:  Pater  huius  Queroli  Euclio  fuit,  avarus  et  cautus 
senex.  Hie  enorme  pondus  auri  olim  in  ornam  condidit.  Sic 
quasi  paterna  venerans  aurum  celabat  palam.  Peregre  vadens 
ornam  domi  sepeliit  ac  reliquit  ante  aras  meas.  Tumulum  suis, 
mihi  thesaurum  commendavit.  Abiit  neque  rediit  senex.  Peregre 
moriens  uni  tantummodo  rem  indicavit,  fraudulento  et  perfido. 
C'ui  tarnen,  sive  oblitus,  sive  supervacuum  putans,  de  busto  et 
titulo  nihil  exponit.  Querolo  iuxta  fatum  hoc  cecidit.  Nunc  ergo 
thesaurus  habetur  Omnibus  ignotus  et  notus  tarnen.  Erat  sane 
facile  nobis  aurum  domino  ostendere  aut  responso  aut  somnio. 
Sed  ut  agnoscant  homines  nemini  auferri  posse,  quod  dederit 
deus,  aurum,  quod  fidei  malae  creditum  est,  furto  conservabitur. 
Für  ergo  iam  nunc  aderit,  per  quem  nobis  salva  res  erit.  Iste 
ornam  cum  reppererit,  hustum  putabit:  sie  ille  prospexit  senex. 
Praedam  qui  abstulerit,  reportabit  totumque  reddet,  parte  con- 
tentus  fuit.  Itaque  bene  perfidus  alteri  fraudem  infert,  damnum 
sibi.  Tarnen  ne  frustra  memet  videritis,  exponere  quaedam  volo. 
Querolus  iste  noster,  sicut  nostis,  omnibus  est  molestus,  ipsi,  si 
fas  est,  deo:  bomo  ridicule  iraeundus,  itaque  ridendus  magis.  Dis- 
serere  cum  isthoc  volupe  est,  et  confutare  vanam  hominum  scien- 
tiam  u.  s.  w. 

Nach  dieser  Einleitung  tritt  (2.)  Querolus  jammernd  auf: 
..0  fortuna!  o  fors  fortuna!  o  fatum  sceleratum  atque  impium!" 
Der  Lar,  durch  seinen  tridens  geschützt,  begrüsst  ihn:  »Ego  sum. 
Lar  familiaris,  fatum  quod  vos  dicitis."  —  ..Te  ego  iamdudum 
quaero,"  versetzt  Querolus.  Nach  einigem  Hin-  und  Herreden 
lässt  sich  der  Lar  endlich  vernehmen:  ..Pennovet  Qosmet,  Querole, 
tua  quamvis  inanis  quaerimonia.  Idcirco  itaque  veni,  ut  ratio 
tibi  ex  integro  redderetur,  quod  nemini  antehac  contigit. "  Quero- 
lus soll  denn  die  Gründe  seiner  ewigen  Unzufriedenheit  aus- 
einandersetzen, und,  obwohl  er  damit  nicht  ans  Ende  zu  kommen 
glaubt,    stellt  er  doch  die  erste   Frage:    „Quare  iniustis  bene  est 


268  III.   Aulularia. 

et  iustis  male?"  —  Die  alte  Geschichte!  „Nun,"  meint  der  Lar, 
„ehe  ich  mich  auf  eine  Antwort  einlasse,  sprich,  in  wessen  Na- 
men redest  du?  für  dich  oder  für  die  Welt?"  „Et  populo  et 
mihi."  Der  Lar  nimmt  nun  Querolus  scharf  ins  Examen  und 
endet:  „Immo,  nihil  est  actum,  Querole,  nisi  sequantur  haec  duo: 
primnm  contra  meritum  tuum  miserum  non  esse  ut  comprobem, 
secundo  etiam  felicem  tete  esse  iam  nunc  ipse  intellegas".  Du  bist 
durch  eigene  Schuld  unglücklich.  Querolus  erwidert  allerlei;  das 
Gespräch  wird  unendlich  langatmig.  Überraschend  ist  nur,  wie  von 
dieser  ganzen,  den  Kirchenvätern  entnommenen  Exposition 
Havet  (p.  2)  sagen  kann:  „Sans  doute,  il  ne  contient  aucune 
trace  de  doctrine  chretienne,  quoiqu'  on  en  ait  pu  dire." 
(3.)  Ein  Monolog  des   Querolus  beendigt  den  ersten  Akt. 

IL  Akt.  (1.)  Der  „parasitus  et  magus"  Mandrogerus 
tritt  auf.  Viele  rühmen  sich,  wilde  Tiere  zu  jagen.  „Quanto 
mihi  maius  est  ingenium  et  hierum,  qui  homines  venor  publice? 
Divites  et  potentes  et  litteratos  maxime.  Mandrogerus  ego  sum, 
parasitorum  omnium  long-e  praestantissimus. "  Der  syeophanta 
erzählt,  es  habe  ihm  geträumt,  in  ihre  Hände  sei  ein  ansehnlicher 
Schatz  gelangt;  Sardanapalus  aber:  „insomnis  fundus  vidi". 
Aber  auch  Mandrogerus  weiss  von  einem  „somnium  prorsus 
manifestissimum"  zu  berichten.  Jemand  sagte  ihm  „nee  cuiquam 
alteri  concessum  esse  aurum  illud  invenire  nisi  mihi" ;  freilich 
fügt  er  hinzu  „hoc  tantummodo  mihi  profecturum,  quod  consump- 
sisset  gula".  „Doch,  da  stehen  wir  ja  vor  des  Querolus  Haus!" 
Querolus  tritt  aus  demselben  (3.)  und  lauscht,  wie  Sardana- 
palus und  der  syeophanta  über  einen  mächtigen  Zauberer  sich 
besprechen,  dessen  Weisheit  alles  übertrifft.  „Ubi  te  aspexerit 
primum,  tuo  te  vocat  nomine,  dein  parentes,  servos,  atque  omnem 
familiam  exponit  u.  s.  w.  Das  reizt  Querolus;  er  gesellt  sich 
zu  den  Sprechenden:  „Salvete  amici!  Ihr  unterhieltet  euch  da 
von  einem  Zauberer?"  „„Ja."-  „Verlasst  mich  doch  nicht  so 
schnell.  Wie  heisst  er  denn?"  „  „Mandragerontus." "  Die 
Idee  des  Querolus  steht  fest:  „Adgrediamur  hominem,  atque  a 
publico  sevocemus,  ut  secreto  disserat." 

(3.)  Mandragerontus  erscheint  auf  der  Bühne.  Er  wird 
vom  syeophanta  um  allerlei  befragt  und  erteilt  über  die  An- 
wesenden die  gewünschten  Personalberichte  zum  grossen  Staunen 
des  Querolus,  den  er  zuletzt  entspricht  „Querole,  mala  fortuna 
te  premit",  worauf  dieser  „agnosco"  erwidert.  Der  Zauberer 
nennt  ihm  nun  die  Namen  seiner  SklaA'en  und  schildert  ihm  sein 
ganzes  Haus,  was  Querolus  veranlasst,  die  Fremden,  da  sie  es 
wünschen,  in  seine  Wohnung  einzulassen.  (4.)  Pantomalus,  der 
Sklave  des  Querolus,  bleibt  allein  zurück  und  schildert  in  einer 
hübschen,   freilich  viel  zu  gedehnten  Rede  das  Sklavenleben,   von 


Der  Querolus.  269 

dem  Obersatze  ausgebend:  „omneis  quidem  dominos  malos  esse 
constat  et  manifestissimum  est.''  Diese  Szene  hat  Havet  (gegen 
Klinckbamer  nnd  Peiper)  zum  ersten  Auftritte  des  dritten 
Aktes  gemacht. 

III.  Akt.  (1.)  Mandrogerus  und  Querolus  tragen  einen 
Koffer  aus  dem  Hause;  damit  hat  Querolus  „sein  Unglück  selbst 
aus  dem  Hause  getragen.  Das  ganze  Haus  ist  jetzt  davon  frei." 
Aber  „mala  haec  fortuna,  quam  abstulimus,  redire  temptabit  do- 
mum",  deshalb  hat  Querolus  drei  Tage  und  drei  Nächte  einge- 
seblossen  in  seiner  Behausung  zu  verweilen.  Querolus  ist  mit 
allem  zufrieden;  er  schliesst  die  Thore  fest  ab.  Seras  et  catenas 
adhibe!  ruft  ihm  Mandrogerus  nach.  ..Tanquam  pro  memet 
fecero",  versichert  ihm  Querolus.  (2.)  Mandrogerus  ist  mit 
dem  Erfolge  sehr  zufrieden.  „Inventus,  spoliatus,  clausus  est  homo!" 
jubelt  er.  „Wo  soll  nun  aber  die  Urne  geplündert  werden?" 
fragt  er  seine  Genossen.  „Sed  ubinam  ornam  respicimus?"  Doch 
genug!  wir  haben  sie.  Sie  ziehen  sich  mit  ihr  zurück,  um  den 
Schatz   herauszuholen. 

IV.  Akt.  (1.)  Der  Nachbar  des  Querolus,  Arbiter,  fragt, 
was  der  alte  Brummer  Querolus  mache,  worauf  ihm  Panto- 
labus  sagt,  es  gehe  etwas  besser  mit  ihm.  (2.)  Unterdessen 
haben  die  Strolche  die  Urne  weggeschafft  und  erbrochen.  Sie 
enthielt  aber  laut  Aufschrift  nur  Asche.  „Plus  est  quam  homi- 
n em  perdidisse,  damnum  vere  plangitur  .  .  .  Aurum  in  cinerem 
versum  est."  So  hat  mich  also,  klagt  Mandrogerus,  der  alte 
Euklio  betrogen.  Die  Aufschrift  lautet  nur:  Trierinus  Tricipitini 
filius  conditus  et  sepultus  hie  iacet.  Ärgerlich  veranlasst  Man- 
drogerus seine  Kameraden,  die  Aschenurne  durch  das  Fenster 
hineinzuwerfen,   was  diese  auch  sogleich  vollziehen. 

V.  Akt.  (1.)  Der  Lar  familiaris  berichtet  von  den  Vor- 
gängen. „Tandem  urna  peperit  auri  gravida  pondera,  vilisque 
mater  grande  puerperium  dedit,  indigna  quae  frangeretur. "  Aber 
Mandrogerus  soll  für  seinen  Betrug  gestraft  werden.  „Sed 
Mandragerontem  illiam  furem  ac  perfidum  nunc  illaqueari  volo; 
qui,  ubi  primum  hoc  audierit,  remque  omnem  agnoverit,  continuo 
rediturus  est,  ut  thesaurum  dividat.  Codicillos  enim  proferre 
audebit,  quibus  ita  coheres  scriptus  est,  si  aulam  Querolo  sine 
fraude  ostenderet."  (2.)  Querolus  erzählt  hocherfreut  seinen 
Nachbarn  die  ganze  Geschichte.  Da  sieht  er  Mandrogerus 
kommen:  „Fraudulentn  isti  magnam  iniciamus  calumniam;  thesau- 
rum mostrum  ab  hoc  ereptum  poscamus  modo,  atque  adstruamus 
ab  ipso  nobis  alienum  mortuum  esse  coniectum  domi. ■'  (3.)  Man- 
drogerus tritt  auf,  als  ob  nichts  vorgefallen  wäre:  Ave,  nii 
Querole!  Sofort  fährt  ihn  Querolus  hart  an:  Etiam  salutas, 
fureifer,    quasi  hodie  me  non   videris.      Mandrogerus  aber  stellt 


270  III.   Aulularia. 

sich  auf  den  Rechtsboden  und  verlangt  von  Querolus  Anteil 
am  Schatze:  „coheres  ego  sum,  non  frater  tibi."  Er  produziert 
nun  wirklich  einen  Brief  des  verstorbenen  Euklio  an  seinen  Sohn 
Querolus,  dessen  Hauptinhalt  lautet:  „huic  tu  medium  thesauri 
dabis,  si  fides  ipsius  atque  opera  expostulat."  Querolus  fasst 
die  Sache  anders  an.  „Age, "  sagt  er,  „amice,  quoniam  institutus 
es  heres,  da,  quod  possit  dividi. "  „„Ich  habe  ja  den  Schatz  ent- 
deckt und  ausgehändigt. " "  Darüber  entspinnt  sich  ein  Wort- 
wechsel, bei  welchem  Mandrogerus  besonders  seine  Redlichkeit  be- 
tont. „Du  hattest  also  mein  Geld?"  —  „„Ja.""  —  „So  gieb  es  mir!" 
—  „  „Es  ist  ja  bereits  geschehen,  als  es  zum  Fenster  hineingeworfen 
wurde.""  „Der  Schatz  ist  nicht  da;  also  her  damit!"  Da  fängt 
Mandrogerus  pathetisch  an:  „0  tempora,  o  mores!  o  pater 
Euclio!  Hanccine  mihi  tu  domi  fidem  praedicabas!"  „Ei!"  ruft 
Querolus,  „sieh,  Arbiter,  dieser  Mensch  ist  noch  bei  weitem 
schlechter,  als  ich  annahm.  Er  hat  am  Ende  gar  die  Urne  durch 
das  Fenster  geworfen.  Kennst  du  die  Scherben?"  „  „Gewiss."  - 
Panto malus  bringt  einige,  welche  Mandrogerus  anerkennt. 
„So  hast  du  also  auch  die  Toten  geschändet!  Thesaurum  abstu- 
listi,  violasti  sepulcrum,  perdite;  domum  meam  non  solum  compi- 
lasti,  verum  etiam  polluisti,  sacrilege!"  Verzweifelnd  will  sich 
Mandrogerus  davon  machen,  aber  Querolus  hält  ihn  fest;  er 
gehört  vor  den  Prätor,  sodass  er  nur  mehr  fussfällig  bitten  kann: 
Nil  nisi  veniam  expostulo.  Hinsichtlich  der  Beleidigung  der 
Asche  des  Toten  will  Querolus  auf  Arbiters  Fürbitte  nach- 
sehen; wo  aber  liegt  der  Schatz?  Nach  langer  Folter  erst 
tröstet  Querolus  den  Mandrogerus:  „Nil  praeter  sacrilegium 
perpetrasti;  aurum  autem  ibi  non  fuit. "  Auf  des  Mandrogerus 
Frage,  warum  die  Urne  trotzdem  so  schwer  wog,  erwidert  Que- 
rolus die  witzigen  Worte:  „Nescis,  magus,  nihil  gravius  esse 
fortuna  mala?"  Alles  war  nur  ein  Scherz  des  alten  Euklio; 
„niulta  haec  laeta  habuit  senex. " 

(4.)  Noch  treten  die  Genossen  des  Mandrogerus  auf:  Et 
nosmet  scimus,  Querole,  sagt  der  sycophanta,  quoniam  tres 
edaces  domus  una  non  capit.  Verum  quaesumus,  viatici  nobis  ali- 
quid ut   adspergas,    quoniam   spem   omnem   amisimus. 

Eine  Lücke  im  Texte  beraubt  uns  des  übrigens  leicht  denk- 
baren Schlusses. 

Vitalis  Blesensis  (S.  124)  hat  wie  den  Amphitruo,  so 
auch  den  Querolus  —  oder  wie  er  ihn  nannte,  Aulularia  — 
in  elegischem  Versmasse    bearbeitet.1)     Seine  Aulularia  umfasst 


*)  Der  Querolus  des  Vitalis  Blesensis  ist  zuerst  herausgegeben 
worden  als  Anhang  zum  Lustspiele  Querolus  in  der  Ausgabe  von 
K.  Kittershuis  (Commelinus).    Heidelberg  1595.     Weiteres  s.  S.  125. 


Die  Aulularia  des  Vitalis  Blesensis.  271 

mit  dem  ..arg- um ent um"  von  zehn  Versen  und  dem  Prologus 
von  achtzehn  Versen  im  ganzen  siebenhundertneunzig  in  vier 
Bücher  abgeteilte  Verse.      Das  Argumentum   besagt: 

„Committens  oleae  fragili  Queruli  pater  aurum. 

fecerat  in  titulo  funeris  esse  ndeni. 
It  peregre.     Servo  moriens  secreta  recludit; 

in  Querulum  rediens  cogitat  ille  dolum. 
5.     Fit  magus  utque  donium  Queruli  expiet  hanc  subit.-    Olla 

tollitur;  in  titulo  fallitur:  ossa  putat. 
Redditur;  iniicitur  laribus;  coufringitur :  aurum 

f'undit.     Adest  Querulus;  fusa  talenta  legit. 
Mentitur  servus,  quod  reddidit  ultro,  fidemque 
10.  invenit  in  fraude.     Creditur.     Acta  placent. 

Über  sein  Verhältnis  zu  Plautus  sagt  der  Prologus  unter 

anderem : 

—     —     Plautum  sequor  et  tarnen  ipsa 

materiae  series  exigit  alta  sibi. 
Haec  mea  vel  Plauti  conioedia  nomen  ab  olla 
traxit;  sed  Plauti  quae  i'uit  illa  mea  est. 
25.     Curtavi  Plautum:  Plautum  haec  iactata1)  beavit : 
ut  placeat  Plautus,  scripta  Vitalis  emunt. 
Amphitryon  nuper,  nunc  Aulularia  tandem 
senserunt  senio  pressa  Vitalis  opem, 

im  guten  Glauben  an  die  Abstammung  des  Querolus  von 
Plautus. 

Liber  I.      In    langen   Versen    beklagt    sich    Querulus    über 
sein  Schicksal:   alle  Leiden  der  Welt  treffen  ihn  (V.  43): 

Natus  ego  ut  quererer,  semper  Querulusque  vocatus, 
ut  vivam  querulus  et  mea  lata  queror. 

Der    Vater     des     Querulus,      der     alte     Geizhals    Euklio, 


')  "Wohl  iactura.  — Vgl.  auch  Histoire  litteraire  de  la  France. 
XXEL  S.  40.  „Plusieurs  editions  ont  multiplie  le  texte  de  l'ancien 
Querolus  en  prose,  ecrit  dans  les  Gaules,  dit-on  vers  le  quatrieme 
siecle,  et  dont  Vital  de  Blois  ä  la  fin  du  douzieme  reproduisit 
la  fable  avec  une  extreme  liberte.  Lorsqu'il  mettait  en  vers  ele- 
giaques  ou  la  piece  meme  qui  nous  reste  ou  peut-etre  quelque  autre  plus 
moderne  encore,  comme  l'a  suppose  dorn  Liron  (Bibliotheque  chartraine 
ou  Traite  des  auteurs  et  hommes  illustres  du  diocese  de  Chartres  par 
dorn  Jean  Liron.  Paris  1718)  il  parait  qu'il  croyait  faire  une  imitation 
de  l'Aululaire  de  Piaute  comme  il  en  avail  nagnere  imite  1' Amphitryon  . .. 
Ce  Querolus  de  Vital  de  Blois.  qui  n'esl  point  l'Aululaire  quoiqu'on  lui 
en  (lonne  aussi  le  titre,  tnais  qui  en  est  du  nioins,  comme  l'ancien 
drame,  une  espeee  de  continuatiou,  a  ete  pour  uns  predecesseurs 
l'objet  d'une  complßte  analyse  d'apres  L'ödition  donnee  ä  Heidelberg  par 
Commelin.  en  1595,  ei  qui  3  ete  reproduite  par  M.  (»saun  en  1836."  — 
In  der  Bibliothek  zu  Douai  (ygl.  Catalogue  des  manuscrits  de  la  Biblio- 
theque de  Douai  1848,  S.  137)  ist  Hdsch.  n.  46t  Vitalis  Gallici  Blesensis 
Aulularia. 


272  HL  Aulularia. 

kommt  in  der  Fremde  zum  Sterben.  Er  ruft  seinen  Sklaven 
Sardana,  dem  er  nicht  Herr,  sondern  Vater  war  (V.  192),  und 
gesteht  ihm,  dass  an  der  Stelle  des  Hauses,  wo  der  Lar  steht, 
(7.   200): 

„olla  fidelis  habet  mille  talenta  mihi," 

zehn   derselben  sollen  Eigentum  des  Sklaven  werden  (V.  238): 
„Mille  talenta  feret;  tu  tibi  sume  decem." 

Da  der  Greis  begraben  ist,  fasst  Sardana  treulose  Pläne.  Er 
gedenkt,  den  ganzen  Schatz  für  sich  zu  behalten,  tmd  malt  sich 
die  Zukunft  schön  aus  CV.  278,: 

Non  ultra  dicar  Sardana,  Paulus  ero. 

Liber  II.  Sieben  Tage  nach  dem  Tode  des  Alten  kömmt 
der  Sklave  Sardana  in  der  Heimat  an    (V.  299): 

„Romani  genus  et  linguam  praeponit  Achivae." 

Dort  gewinnt  er  Gnatho  und   Clinia  für  sich  (F.  304): 

„per  quos  dispensat,  quem  parat  ille  dolum." 

Sie  sollen  ihm  zur  Hebung  des  Schatzes  behilflich  sein  und  ihn 
bei  Querulus   als  Zauberer  einführen  (V.  326): 

magica  qui  sit  in  arte  potens; 

qui  piet  aduersam  sortem  quique  imperet  astris, 

carmina  qui  superis  imperiosa  facit. 

Wie  durch  Zufall  wollen  sie  ihrer  Verabredung  gemäss  sich  vor 
dem  Hause  des  Querulus  treffen  und  (V.  337): 

advenisse  magum  dicatur,  ut  audiat  ille 
arte  tarnen,  ne  res  arte  putetur  agi. 

Gehörig  über   alles  unterrichtet  {V.   379): 

hie  est  modus  ille, 
haec  via,  qua  Querulus  deeipiendus  erit, 

machen  sie  sich  an   das  Unternehmen. 

Liber  III.  „Dicta  placent"  (7.  381).  Gnatho  begiebt 
sich  vor  das  Haus  des  Querulus  und  lobt  vor  allem  die  Stadt 
Rom.  Wacker  sekundiert  ihm  der  dazu  gekommene  Clinia 
(V.    421): 

Die,  ait,  o  Gnatho.  quis  sit,  quem  laudibus  effers, 
et  cur  Romanum  nomen  ad  astra  feras. 


Des  Vitalis  Blesensis  Aulularia.  273 

Gnatho  thut  sehr  geheimnisvoll;  instat  ei  Clinia  (V.  431),  und 
dies  Spiel  setzen  sie  eifriger  fort,  da  sie  wahrnehmen,  dass  Que- 
rulus   sie,   wie   sie  es   erwarteten,   belausche  (V.  469): 

et  postibus  applicat  aurem, 
Totus  in  auditu,  ne  sibi  verba  labent. 

Gnatho  erzählt  nun  von  den  "Wunderthaten  des  Paulus,  worauf 
ihnen  Querulus   erstaunt  nacheilt  (V.  535): 

et  dextra  Gnathone  manu  Cliniaque  sinistra 

arreptis  orat  multiplicatque  preces. 
Sie  quoque  particrpem  non  invideatis,  amici, 

cui  mea  calliditas  omnia  scire  dsdit. 

Liber  IV.  Man  geht  zu  Sardanas  Aufenthalt  mit  Querulus. 
Sardana  spricht  ihn,  mit  seinen  Verhältnissen  wohl  vertraut,  an 
und  macht  ihm  die  überraschendsten  Mitteilungen  (V.   600): 

Divino  Querulus  stupet  et  putat  ore  loquutum 
et,  tibi  suni  melius  quam  mihi  notus,  ait. 

Sed  rogo  te,  Paule,  Romanae  gloria  gentis 
arte  tua  Querulus  desinat  esse  miser. 

Endlich  lässt   sich   Sardana  erbitten   (F.   604): 
„viucitis,  inquit  eis," 

und  beginnt   seine  Zauberkünste  (V.   635): 
Sors  inimica,  fuge! 

Die  „arca"  wird  ausgegraben;  leer  kann  sie  nicht  sein; 
denn  (7.   649): 

Nil  vacuum  est;  levitate  sua  circumfluus  aSr 
non  patitur  vacuum  vel  semel  esse  locum 

ii.  s.  w.  Fenster  und  Thüren  werden  verschlossen  und  Querulus 
fortgeschickt.  Sardana  imd  seine  Gefährten  wollen  den  Topf 
wegschleppen,  da  entdecken  sie  mit  Entsetzen  die  Aufschrift  des- 
selben:  ,,ossa".      Er   enthält  also  nichts  als  Gebeine  (V.   687): 

Ossa  Tipericii  Tiperi  patris  haec  tenet  olla, 
condita  cum  nituit  Caesare  Roma  suo. 

Sardana  ist  ausser  sich  (V.   701): 

Vae  mihi,  qui  spatia  terrarum  immensa  cucurri, 
ut  labor  iste  daret  ossa  legenda  mihi. 

Da  klirrt  Metall.      Wirklich  rollen  tausend  Talente  hervor. 

18 


274  HI.  Aulularia. 

Decepta  est  fraus  mea  fraude  mea! 

ruft  (V.  746)  Sardana,  ärgerlich,  dass  er  sich  durch  den  Titel  täu- 
schen Hess.     Querulus  kehrt  zurück,  als  wisse  er  nichts  [V.  763): 

Se  facit  ignaruin  Querulus,  quasi  nesciat  aururn, 

und  alles  löst  sich   zur   Befriedigung'  (F.   789): 

Vera  putat  Querulus;  in  partem  Sardana  venit. 
Fert  lucra  ficta  fides.     Lis  cadit.     Acta  placent. 

Der  Verse  mit  scholastischer  Tendenz  sind,  wie  im 
Amphitruo,  auch  hier  zahlreiche,  und  in  geschwätziger  Breite 
werden  philosophische  Punkte  erörtert.  Auch  an  Wortspielen  ist 
die  Ekloge  reich. 

Aus  diesen  beiden  Quellen  haben  Jahrhunderte  lang- 
bedeutende  Schriftsteller  den  Stoff  zu  ihren  „Geizigen" 
geholt.1)  Die  feinere  Komödie  hielt  sich  an  Plautus; 
andere  (besonders  Italiener)  griffen  gerne  zum  Teile 
nach  dem  Querolus. 


Als  Hauptgrundlage  seiner  Komödie  la  Sporta2)  (1543) 
hat  Gio.  Battista  Gelli  (S.  56)  die  Aulularia  des  Plautus 
genommen.  3) 

Allerdings  ist  auch  Terenz    benutzt    worden:4)    doch 


1)  Gr.  Claus,  De  Aulularia  Plauti  fabula  iisque  scriptoribus ,  qui 
eam  imitati  suut.  Stettin  1862.  73  S.  —  Klapp,  L'avare  ancien  et  mo- 
derne tel  qu'il  a  ete  peint  dans  la  litterature.  Parchini.  Gymn.  Prog. 
1877.    19  S. 

2)  Ausg.  La  Sporta,  commedia  di  Giovanbattista  Gelli,  Acca- 
deniico  fiorentino.  In  Firenze  1543  in  8°,  ohne  Drucker;  sehr  selten; 
ebenda  1548  in  8°,  ohne  Drucker  (sie  stammt  von  Torrentino);  ebenda 
1587  (presso  Giorgio  Mar  es  co  tti);  ebenda  1550  in  8°  (appresso  Bernardo 
Giunta,  41  fol.)  selten;  ebenda  1556.  156(3.  1593.  1596.  1602  (di  Crusca, 
ina  posta  in  dubbio  da  molti).  Venezia  1552  (Gio.  Griffio)  in  12°; 
ebenda  1553  (Bartol.  Cesano)  in  8°;  Trevigi  1601  (Fabr.  Zanetti)  in  8° 
(edizione  castrata  come  alcune  altre  moderne;  non  giä  quella  del  1566 
di  Firenze  che  e  intera  benche  si  asserisca  altrimenti).  Firenze  1602 
(appresso  i  Giunti)  in  12°  (perö  e  di  Napoli).  Senza  luogo,  stampatore 
ed  anno  in  12°  con  altre  di  varj  antichi:  il  luogo  e  Napoli  e  1'  anno  1731. 
—  Milano  1807  (societä  tipografica).    S.  1 — 103  (vgl.  hier  pag.  XVIII). 

3)  Ussing.  II,  272.  Ex  Aulularia  Johannes  Baptista  Gelli 
in  fabulam,  quae  la  Sporta  dicitur,  Fiorentiae  anno  1543  actam  non 
pauca  transtulit.  —  Wie  einige  diese  Komödie  dem  Machiavelli  zu- 
schreiben wollten,  siehe  bei  Allacci,  S.  301.  302. 

4)  Ausg.  von  1807:  S.  VLU.  La  Sporta  e  giudiziosameute  imitata 
in  parte  da  Plauto  e  da  Terenzio.  —  Quadrio,  Storia  e  Rag.  d'  ogni 
poesia  III,  part.  II,  sagt:  „Dalla  Sporta  del  Gelli  egualmente  che  dal- 
I' Aulularia  di  Plauto  trasse  pure  il  Moliere  il  suo  Avaro." 


Gellis  Sporta.  275 

weist  der  Dichter  selbst  auf  Plautus  hin,  Ausg.  von  1807 
(S.  4):  „Plauto,  il  quäle  io  ho  il  piü  ch'  io  posso  imitato,"  und 
verteidigt  sich  (S.  8)  gegen  jene:  „che  dicessero  che  egli  ha  tolto 
da  Plauto  e  Terenzio  la  maggior  parte  delle  cose  che  ci  sono," 
mit  dem  allen  Plautusnachahmern  üblichen  Hinweise,  dass 
Plautus  und  Terenz  dasselbe  mit  Menander,  Cäcilius 
u.   a.  thaten. 

Über  den  Inhalt  der  Sporta  heisst  es  (S.  9):  II  nome  della 
Commedia  e  la  Sporta  ed  e  cosi  detta  da  una  sporta  di  danari 
che  im  certo  Ghirigoro  de'  Macci  trovö  giä  nel  disfare  im  suo 
casolaroccio,  e  temendo,  come  fanno  il  piü  de'  vecchi  che  chiunche 
ei  vedeva  non  gliela  togliesse,  in  varj  luogi  la  nasconde.  La 
quäle  alfin  trovata  da  Franzino  servitore  d'  Alamanno  Cavicciuli, 
che  aveva  ingravidato  al  detto  vecchio  una  figliuola,  e  datale  la 
fede  di  torla  per  moglie,  serve  per  dota  di  quella,  e  scopresi  il 
parentado   con  soddisfazione  di  ciascuna  delle  parti. 

Die  Durchführung  ist  die  nachfolgende: 

I.  Akt.  (1.)  Der  alte  Ghirigoro  de'  Macci  treibt  seine 
Magd,  Brigida,  aus  dem  Hause.  Sie  sieht  und  hört  zu  viel. 
Fuora,  fuora,  Brigida,  dich'  io  .  .  .  Deh  pon  mente  come  la  spi- 
ritata  guarda  altrui  a  traverso,  e  come  ella  strabuzza  quegli  occhi 
di  struzzolo  che  credi  tu  vedere?  Voll  Verdacht  geht  er  ins 
Haus,  worauf  wir  von  Brigida  hören,  seit  etwa  einem  Monate 
sei  der  Alte  ganz  toll  geworden.  Wäre  er  nicht  ganz  ausser 
sich,  so  hätte  er  längst  sehen  müssen,  come  la  sua  figliuola  e 
grossa,  e  non  passerä  forse  domani  che  ella  partorirä,  che  di  giä 
eil'  ha  cominciato  a  nicehiare  (S.  13).  Zudem  lässt  sie  der  Alte 
fast  verhungern,  und  wenn  die  Nachbarin  Mona  und  ihr  Geliebter 
Alamanno  sie  nicht  heimlich  unterhalten  würden,  so  wäre  sie 
längst  Hungers  gestorben.  (2.)  Ghirigoro  hat  sich  wieder  beruhigt. 
Oh  io  son  tutto  scarico  ch'  io  ho  trovato  la  Sporta,  dove  io  nascosi. 
Brigida  tornati  a  tua  posta  in  casa,  e  serra  1'  uscio,  e  abbia  cura 
che  e'  non  ci  sia  tolto  nulla,  sjn-icht  er  mit  dem  plautinischen 
Euklio  (F.  79  und  im  folgenden).  Nochmal  erhält  Brigida 
den  Auftrag,  alles  gut  zu  versperren,  nachdem  ihre  Bitte  um  etwas 
Kost  für  die  kranke  Tochter  mit  dem  Hinweise  auf  die  wohl- 
tl tätigen  Folgen  des  Fastens  abgewiesen  wurde.  Erst  da  Bri- 
gida sich  entfernt  hat,  vernehmen  wir,  mit  welch  ängstlicher 
Sorgfalt  Ghirigoro  seine  „sporta"  hütet.  (3.)  Die  Gevatterin 
Mona  Lald omine,  die  gerne  zu  gunsten  Alamannos  sprechen 
möchte,  liegt  Ghirigoro  an,  seine  Tochter  zu  verheiraten.  Er 
aber  giebt  ihr  die  entschiedene  Antwort:  „io  vi  dico  per  ultimo, 
che  se  voi  trovate  uno,  che  voglia  moglie  e  non  dota,  io  gliela 
darö."  Nach  seinem  Abgange  erfahren  wir  von  Mona  Lald  li- 
mine, dass  Alamanno  nichts  sehnlicher  wünsche,  als  Ghirigoros 

18* 


27G  HL   Aulularia. 

Tochter  zu  heiraten;  aber  er  fürchte  seine  Mutter  Lisbetta, 
deren  Geiz  niemals  zugeben  würde,  dass  er  ein  Mädchen  ohne 
Mitgift    heimführe. 

II.  Akt.  (1.)  Wir  lernen  Mona  Lisbetta  so  kennen,  wie 
sie  Mona  Laldomine  in  der  letzten  Szene  des  vorigen  Aufzugs 
geschildert  hat.  Ihr  Sohn  verwendet  zu  viel  auf  die  Kleider, ') 
auch  hätte  er  nicht  studieren  sollen;  denn  „la  maggior  parte  di 
questi  che  v'  attendono  son  poveri"  (S.  24).  Nach  alledem  hat 
Alamanno  wenig  Aussicht  auf  Erfolg.  (2.)  So  bespricht  er  sich 
mit  seinem  Diener  Franzino,  und  diesem  kömmt,  um  nur  etwas 
Geld  zu  machen,  eine  eigentümliche  Idee.  Frau  Lisbetta  hat 
,.calze  rosate"  und  „quella  spada  fornita  d'  argento"  in  Verwahr. 
Alamanno  soll  nun  seine  Tante,  die  Nonne  suor  Domitilla 
bitten,  sie  möge  sich  durch  ihren  Fattore  diese  Requisiten  zu 
einer  theatralischen  Aufführung  im  Kloster  ausbitten.  Die  Sachen 
wollten  sie  dann  versetzen,  um  zu  Geld  zu  kommen.  Alamanno 
ist  völlig  damit  einverstanden. 

(3.)  Unterdessen  ist  Lapo  Cavicciuli,  Alamannos  Onkel, 
durch  sein  vereinsamtes  Leben  auf  die  Idee  geraten,  noch  in 
seinen  alten  Tagen  zu  freien.  Er  trifft  seine  Schwester  Ginevra 
und  Mona  Lisbetta,  die  eben  von  der  Kirche  kommen.  (4.) 
Lisbetta  klagt  über  ihren  Sohn  und  giebt  nicht  die  geringste 
Schuld  seines  Betragens  Lapo,  der  sein  Vormund  war.  (5.)  Da 
dieser  mit  seiner  Schwester  allein  ist,  lenkt  er  das  Gespräch  auf 
seine  Heiratsgedanken.  Da  er  reich  ist  und  keiner  Aussteuer 
bedarf, .  so  dürfe  seine  Braut  ja  auch  ein  armes  Mädchen  sein,  und 
die  beste  in  Florenz,  meint  Ginevra,  wäre  Ghirigoros  Tochter. 
Wenn  er  sich  erböte  „di  torla  senza  dote"  (S.  67),  so  gäbe  sie 
der  Alte  mit  Freuden  her.  Lapo  macht  sich  nun  auf,  um  das 
Mädchen  zu  freien.  (6.)  Mona  Laldomine  berichtet  Alamanno 
noch  von  Fiamettas  Zustand.  ..Questa  cosa  non  si  puö  piü  teuer 
segreta."      Es  inuss  sich  entscheiden. 

III.  Akt.  (1.)  Ghirigoro  argwöhnt,  dass  Brigida  und 
andere  Leute  um  seine  „Sporta"  wissen  „tale  mi  ha  riso  in 
bocca  e  inchinatomi  che  un  mese  fa  faceva  vista  di  non  mi  vedere," 
ganz  wie  Euklio   (V.   113): 

Nam  nunc  quom  celo  sedulo  omnis,  ne  sciant, 
Omnes  uidentur  scire,  et  me  benignius 
Omnes  salutant,  quam  salutabant  prius 

u.  s.  w.      Noch  mehr  steigert  sich  sein  Verdacht,   als  Lapo  seine 


')  In  Molieres  Avare  (1,5)  ist  dies  ein  Vorwurf,  denHarpagon 
seinem  Sohn  C'leante  macht:  Je  voudrais  bien  savoir  ä'  quoi  servent 
tous  cos  rubans  u.  s.  w. 


Gellis  Sporta.  277 

Werbung  um  Fiametta  vorbringt,  die  er  nicht  begreifen  kann. 
„Io  non  vorrei, "  sagt  er,  „che  tu  credessi  che  io  avessi  trovato 
qualche  tesoro/'  worauf  ihm  Lapo  entgegnet:  „Io  non  penso  che 
tu  abbi  trovato  tesoro,  io  .  .  .  e  quando  tu  1'  avessi  trovato, 
credo  che  tu  lo  renderesti"  (S.  45). 2)  Nochmal  schärft  ihm  Ghiri- 
goro  ein:   Senza  dote,   intendi  bene!     Lapo  ist  es  zufrieden. 

(2.)  Ghirigoro  teilt  Brigida  mit,  dass  er  eben  die  Verhei- 
ratung seiner  Tochter  abgemacht  habe.  Diese  findet  zwar,  dass 
ein  Mädchen,  wie  Fiametta,  mit  achtzehn  Jahren  nicht  mehr 
für  einen  Fünfziger  passe;  aber  er  erwidert  ihr:  Ed  io  ti  so  dire 
che  ella  lo  torrä  o  io  la  caccerö  in  un  munistero  (S.  48).  -) 
(3.)  Der  Fattore  des  Klosters,  Gherardo,  tritt  mit  einer  sehr 
schlimmen  Schilderung  der  Klosterfrauen  auf.  Dort  herrscht  nur 
Zank  und  Uneinigkeit.  (4.)  Mona  Lisbetta  giebt  dem  Fattore 
die  erbetenen  Gegenstände  zur  Theatervorstellung,  wobei  Ala- 
in anno  thut,  als  sei  er  mit  seiner  Mutter  ungehalten,  die  den 
Nonnen  soviele  Gefälligkeiten  erweise.  Unmittelbar  darauf  aber 
wird  Franzin o  abgeschickt,  die  Effekten  aus  dem  Kloster  abzu- 
holen. (5.)  Lapo  glaubt,  seinen  Neffen  Alamanno  mit  der  Mit- 
teilung zu  erfreuen,  dass  er  sich  mit  Fiametta  verlobt  habe; 
der  Neffe  kömmt  aber  darüber  in  so  heftige  Aufregung,  dass  ihn 
Lapo,  gleichfalls  erzürnt,  mit  den  AVorten  entlässt:  „non  far  piü 
conto  ch'io  ti  sia  zio!"  (S.  57.)  Szene  6  und  7  sind  von  neben- 
sächlicher Bedeutung. 

IV.  Akt.  (1.)  Alamanno  erzählt  Franzino,  was  ihn  be- 
drohe. Nun  gilt  es,  sich  offen  zu  erklären.  Nur  eines  fehlt 
noch:  „se  noi  trovassimo  un  modo  da  darli  (seiner  Mutter)  ad 
intendere  che  questa  fanciulla  avesse  dota  presso  che  ragionevole. 
Di  lei  e  del  parentado,  so  io  ch'  ella  si  contenterebbe"  (S.  66). 
Franzino  gerät  nun  auf  den  Gedanken,  dass  sein  Vetter,  der 
Frate  del  Carmine,  ein  sehr  gesuchter  Beichtvater,  viel  Geld 
„in  deposito"  habe.  Vielleicht  wird  er  auf  zwei  Monate  das 
Nötigste  leihen.  (2.)  Polo  und  Berto  sind  von  Lapo  beauf- 
tragt, für  das  Souper  zur  Verlobung  zu  sorgen.  Sie  sprechen, 
wie  bei  Plautus,  über  Ghirigoros  Geiz.  (3.)  Brigida  lässt 
die  Köche  ein,  da  (4.)  kömmt  Ghirigoro  vom  Markte  heim;  er 
wollte  kaufen,  doch  alles  war  zu  teuer.  „Io  vengo  di  mercato 
vecchio  e  sommi  aggirato,  aggirato  per  torre  qualcosa  da  cena, 
e  in  fine  ogni  cosa  vale  un  occhio  d'  uomo"  (S.  72).  Wie 
Euklio   den  Ruf  nach    einer    „aula"    vernimmt,    so    hört    Ghiri- 


')  Nach  Plautus    J'.  239: 

Eucl.    Eo  dico,  ne  nie  thesauros  reperisse  ceiisi-as. 

Met/.    Novi:  lic  tloccas. 
2)  Dieselbe  Drohung  bei  Molieres  Avare  (V,  4). 


278  III.  Aulularia. 

goro  von  einer  „Sporta"  reden.  „Ohime!  che  sent'  io  dire  di 
sporta?  egli  aranno  trovato  e'  mia  danari?  ohime,  ohime,  io  sono 
spacciato."  (5.)  Er  schleift  mm  Polo  und  Berto  heraus:  „Fuora, 
fuora,  assassino,  ladro,  io  ti  farö  impiccare.  Si  che  e'  si  va  cosi 
per  le  case  d'  altrui  eh?  di  che  cercavi'  tu  sotto  qtiella  scala,  che 
non  vi  sta  se  non  spazzatura. "  Nachdem  diese  Sache  erledigt  ist, 
erfahren  wir,  weshalb  er  von  allen  Seiten  für  seine  „sporta"  fürchte, 
sodass  ,, inline  io  ho  deliberato  di  cavarmela  di  casa",  sowie  der 
eben  nahende  Lapo   vorüber  ist. 

(6.)  Lapo  tritt  auf  mit  der  Rede  des  Megadorus  (V.  469): 
„Io  ho  riscontro  di  molti  amici  miei  e  tutti  mi  dicono  per  una 
bocca  che  io  ho  fatto  bene  e  che  se  gli  altri  cittadini,  quando  e' 
voglion  tor  moglie  cercassino  di  avere  una  fanciulla  lor  pari,  ben 
allevata,  e  di  buone  brigate,  e  non  andassero  dreto  a  roba,  co- 
m'ho  fatt'  io,  e'  si  viverebbero  molto  piü  in  pace  che  e'  non  si 
fa"  u.  s.  w.  Nach  kurzer  Unterredung  mit  Ghirigoro  geht  er, 
und  dieser  holt  seine  „Sporta",  die  „so  viele  Feinde  hat",  um 
sie  in  eine  abgelegene  Kirche  zu  tragen.  Dann  mag  die  Hochzeit 
ruhig  gefeiert  werden. 

V.  Akt.  (1.)  Weitläufig  setzt  Ghirigoro  dem  Zuschauer 
auseinander,  wie  er  seine  „Sporta"  vergrub,  „sotto  quello  ingi- 
nocchiatojo,  che  e  drento  alle  porta  appie  di  quel  San  Martino,  e 
a  lui  accesi  una  candela."  Aber  es  kam  ihm  vor,  als  sei  er 
beobachtet  worden;  deshalb  nahm  er  die  „sporta"  wieder  heraus, 
um  sie  jetzt,  „fra  la  Porta  alla  Croce  e  Pinti,"  zu  verstecken. 
Aber  hinter  ihm  her  schleicht  Franzino;  denn  sein  Geld  würde 
alles  lösen.  „Che  se  io  gli  potessi  torre  quella  sporta,  ella  po- 
trebbe,  essere  quella  che  acconcierebbe  ogni  cosa"  (S.  82).  (2.) 
Mona  Laidom  ine  berichtet,  dass  Fiametta  eines  Söhnleins 
genesen  ist.  Sie  lässt  durch  Lucia,  Lisbettas  Magd,  diese 
rufen,  erzählt  ihr  Fiamettas  Niederkunft,  sowie,  dass  ihr  Sohn 
AI  am  anno  der  Vater  des  Knäbleins  sei.  Lisbetta  ist  trostlos. 
Wenn  sie  aber  Geld  hätte?  E  quando  1'  avesse  la  dota  che  se 
gli  conviene?  forscht  Mona  Laldomine,  worauf  Lisbetta  er- 
widert: Non  so,  pensarevi  allora.  (3.)  Lucia  spricht  nicht  das 
Beste  von  ihrer  Herrin.  (4.)  Franzino  hat  sein  Ziel  erreicht. 
Jubelnd  bringt  er  den  Schatz:  Ecco  la  sporta  che  il  vecchio  andö 
a  nascondere  lungo  le  mural  triumphiert  er  (S.  89).  (5.)  Lapo 
erfährt  durch  Ginevra,  was  mit  seiner  Braut  vorging.  Er 
tröstet  sich,  dass  er  so  wegkam  und  das  Glück  ihm  wohlwollte, 
„io  veggo  che  la  fortuna  ha  tenuto  piü  conto  di  me  ch'  io  non 
faceva  di  me  stesso"  (S.  93).  (6.)  Indessen  AI  am  anno  über  die 
Geburt  seines  Söhnleins  spricht,  stürzt  Ghirigoro  rasend  herein. 
Der  überall  verwertete  Monolog  Euklios,  „perii,  interii,  occidi!" 
ist  hier  auffallenderweise  nicht   verwendet.      Er   klagt   nur:     „Oh 


Gellis  Sporta. 


279 


sciagurato  me!  io  sono  rovinato!"  Dagegen  folgt  die  komisch 
wirksame  Verwechslung  mit  der  Sporta  und  Fiametta  nach  dem 
Originale. 

Alain.    Ghirigoro,  non  vi  lamentate  piü,  state  cli  buona  voglia! 

Ghir.     Come  di  buona  voglia? 

Alam.    Di  buona  voglia,  si;  che  quello  cli  che  voi  vi  dolete,  1'  ho  fatto  io. 

Ghir.     Tu  eh? 

Alam.    Messer,  si,  io. 

Ghir.     Oh  ribaldo!   e   perche   hai   tu  voluto  cosi  rovinar  me  e  la  fa- 

miglia  mia? 
Alam.    La  gioventü  fa  di  queste  cose:  abbiate  pazienzia. 
Ghir.     Che  gioventü?  tu  te  n'  avvedrai. 
Alam.    Io  so  ch'  io  ho  errato:  ma  io  vi  priego  che  voi  mi  perdoniate: 

perche  io  non  1'  ho  fatto  per  farvi  male  ed  enne  stato  causa 

1'  amore. 
Ghir.     0  guarda  che  scuse!  credevi  tu  che  send'  ella  mia,   io  non  gli 

avessi  amore  anch'  io? 
Alam.    Credevolo. 
Ghir.     E  sapevi  ch'  ella  era  mia? 
Alam.    Sapevolo. 

Ghir.     Perche  dunque  la  toccasti  senza  la  voglia  mia? 
Alam.    Per  tormela  per  me:  e  per  me  la  voglio. 

Ghir.     Se  tu  non  me  la  rendi  .  .  . 

Alam.    E  che  volete  voi  ch'  io  vi  renda? 

Ghir.     Quello  che  tu  m'  hai  tolto,  io  me  n'  andrö  agl'  Otto,  e  farö  che 

tu  me  la  renderai  a  ogni  modo. 
Alam.    E  che? 
Ghir.     La  mia  sporta 


u.  s.  w.  Fr  an  z  in  o  kömmt  dazu,  und  die  Sache  wird  zur  allge- 
meinen Zufriedenheit  gelöst. 

Seltsam  freilich  ändert  sich  der  alte  Geizhals:  Mi  vo'  mutar 
al  tutto,  sagt  er,  di  natura  ch'  io  conosco  ora  che  Iddio  m'  ha 
fatto  questo  solamente  perche  io  discacci  da  me  V  avarizia,  nella 
quäle  io  son  vivuto  insin  qui  (S.  101),  eine  Unnatürlichkeit, 
welche  Gelli  nur  wenig  mit  folgenden  Worten  modi- 
fiziert: E  massimamente  poi  che  io  trovai  questi  danari 
smurando  un  mio  casolaraccio;  e  veggo  che  Iddio  me  li 
mando  perche  io  maritassi  questa  mia  figliuola,  perche  egli  non 
abbandona  mai  persona  nelle  cose  necessarie,  und  so  noch  weiter 
moralisierend. 

Gelli  beruht  auf  Plautus  und  offenbar  auf  Lorenzinos 
de'  Medici  Aridosia.  Vielfach  erinnert  Moliere  an  ihn. 
Gellis  Sprache  ist  rein  und  fliessend  und  seine  Komödie  reich  an 
Einzelnheiten,  die  ein  Licht  auf  die  Zeitverhältnisse  werfen.  Wir 
hören  vom  Theater,  wo  die  Nonnen  spielten  und  sich  „veston  da 
xiomo  con  quelle  calze  tirate,  con  la  brachetta  e  con  ogni  cosa  che 
eile  pajon  proprio  soldati"  (S.  52).  Wir  sehen  den  Aberglauben 
oder  Betrug  der  Mönche  gegeisselt,  welche  den  Leuten  vormachen, 


280  III-  Aulularia. 

dass   die   Seelen   ihrer  Wohlthäter  jedes  Jahr   am   17.   September 
aus  dem  Fegfeuer  entkommen  und  manches  andere. 

Der  Zeit  nach  vor  Gellis  Sporta  gehört  zwar  die  Ari- 
dosia des  Lorenzino  de'  Medici,  der  oft  irrtümlich  der 
Vater  Leos  X.  genannt  Avird;1)  aber  sie  ist  keine  so  reine  Nach- 
ahmung der  Aulularia,  wie  die  Sporta.  Hier  spielt  die  Asi- 
naria, die  Mostellaria,  der  Querolus  und  eine  Reihe 
klassischer  Reminiszenzen  mit.  Über  den  Titel  sagt  uns  der 
Prologo  (S.  3):  Comedia,  intitolata  Aridosia,  da  Aridosia  detta. 
Aridosio  chiamato  per  essere  piü  arido  che  la  pomice;  er  ist 
also  mit  Beziehung  auf  V.   290: 

Pumex  non  aeque  est  aridus  atque  hie  est  senex 

gewählt.    Von  den  verschiedenen  Ausgaben2)  ist  der  neueste  Druck 
von  Triest  1858. 

I.  Akt.  (1.)  Marcantonio,  der  Bruder  Aridosios,  be- 
spricht sich  mit  seiner  Frau  Mona  Lucrezia  über  Familienver- 
hältnisse. Der  Geiz  seines  Bruders  wachse  von  Tag  zu  Tag.  Er 
erreiche  aber  damit  seinem  Sohn  Tiberio  gegenüber  sehr  wenig. 
So  strenge  er  ihn  auch  halte,  sei  dieser  doch  in  die  Sklavin  des 
benachbarten  Ruffo  verliebt.  Marcantonio,  der  Demänetus 
der  Asinaria,  ist  der  Ansicht,  man  müsse  der  Jugend  Freiheit 
gewähren,  und  verfolgt  diesen  Grundsatz  bei  seinem  Adoptivsöhne 
Erminio  nur  zu  viel;  weshalb  ihm  seine  Frau  auch  vorhält, 
dass  Erminio  in  eine  Nonne  von  Santa  Osanna  verliebt  sei. 
(2.)  Lucido,  Erminios  Diener,  Avird  nun  \*on  Marcantonio 
eingehend  wegen  des  Liebeshandels  befragt.  Er  gesteht  die  Sache 
zu;  aber  die  Liebe  kennt  kein  Gebot,  „ed  ella  e  una  bellissima 
figliuola. "  Zudem  ist  sie  noch  nicht  eingekleidet.  Die  Nonnen 
haben  nur  von  ihrem  Reichtum  erfahren  und  sie  deshalb  zu  fangen 
gesucht  und  Avohl  bewacht.  Der  Vater  hofft  das  Beste  für  seinen 
Sohn,  und  Lucido  hat  alle  Veranlassung  Aron  ihm  zu  rühmen, 
„oh  che  padre  dabbene  e  questo!  io  credo  che  s'  ei  potesse,  che 
di  sua  raano  la  caA*erebbe  del  monistero  per  metterla  a  canto  a 
Erminio-'  —  so  ganz  der  Alte  der  Asinaria.  Die  dritte 
Szene  ist  AA^ieder  der  Asinaria  entnommen,  sie  ist  das 
Liebesverhältnis  des  Argurippus  und  der  Philenium. 
Tiberio  und  Livia,  die  Sklavin  des  Ruffo,  hängen  in  zärt- 
lichster Liebe  an  einander.  Der  Ruffo  aber  verlangt  ungestüm 
sein  Geld  —   fünfzig  Scudi  —  für  ihre  Loskaufung,    „che  questa 


')  Vgl.  Ancieu  thöätre  francois.  Band  V.  AA-ert.  pag.  XVIII. 
—  Prölss.    II,  1.  29.  —  Auch  Larivey  teilt  diesen  Irrtum. 

2)  Lucca  1549.  —  Hier  ist  zitiert  nach:  Aridosio  |  Commedia  I 
Del  Signor  j  Lorenzino  |  De'  Medici.     In  Firenze  |  Appresso  i  Giunti  1605. 


Lorenzino  de'  Medici.  281 

e  la  mia  possessione  e  la  mia  bottega,  senza  la  quäle  vivere  non 
posso."  Tiberio  will  ibm  beute  die  Hälfte,  morgen  den  Rest 
bezahlen;  der  Ruffo  aber  will  beute  nocb  sein  Geld  bar  aufge- 
zählt. Lange  beschwört  ihn  Tiberio,  er  wolle  ihn  morgen,  ,.a 
ventiquattro  ore,"  befriedigen;  das  Äusserste,  worauf  sich  der 
Ruffo  einlässt,  ist  „infino  a  venti  ore".  Nun  soll  Lucido  (wie 
Libanus  in  der  Asinaria)  Rat  schaffen.  (4.)  Lucido  spricht 
von  dem  Unheil  der  Liebe.  „Non  e  cosa  che  faccia  piü  im- 
pazzar  gli  uomini  che  lo  amore. "  Wenn  der  alte  Aridosio 
davon  eine  Ahnung  hätte,  würde  er  rasend  werden,  „perche  ne 
maggior  misero  ne  maggior  ipocrito  fu  mai,  e  non  vuol  che  Ti- 
berio guardi  non  che  tocchi  una  donna. "  Lucido  hat  aber  den 
strengsten  Auftrag  von  seinem  Herrn  Erminio,  Tiberio  in 
allem  dienstbar  zu  sein,  obwohl  er  selbst  eben  sich  in  arger 
Verlegenheit  befindet.  (5.)  Lucido  belauscht  das  Selbstgespräch 
seines  Herrn.  Non  credo  ch'  egli  accada  in  cento  anni  ad  uno 
che  alla  prima  volta1)  ingravidö  una  donna  (S.  18).  Seine  Lage 
ist  trostlos.  Lucido  ruft  ihn  zum  Essen,  an  welchem  Tiberio 
und  seine  Li  via  teilnehmen  wollen;  jetzt  gerade  allerdings  „stanno 
nel  letto  e  fanno  le  maggior  bravate  che  voi  sentissi  mai:  lui 
vuole  ammazzar  suo  padre,  se  torna  di  villa,  lei  il  Ruffo,  come 
verrä  per  il  resto  de'  danari". 

II.  Akt.  (1.)  Cesare  leitet  die  Szene  mit  einer  langen 
Rede  ein,  deren  Grundton  ist:  „Ungleich  verteilt  sind  die  Güter 
des  Lebens."  Er  liebt  Aridosio s  Tochter  aufs  innigste;  ihr 
Vater  aber  giebt  ihr  keinen  Heller  Mitgift,  und  der  seinige  be- 
steht hinwiederum  auf  tausend  Golddukaten  Aussteuer.  Wohl 
meint  Cesare:  lo  cereo  lei  e  non  la  dote,  e  lei  ignuda,  non  che 
senza  dote  mi  bastava.  Ma  mio  padre  mi  comandö  che  senza 
mille  ducati  d'  oro  mai  concludessi  il  parentado  (S.  24).  Lucido 
bringt  ihm  die  Nachricht,  dass  Aridosio  von  seinem  Landgute 
nach  Florenz  gekommen  sei.  Er  ruft  nun  auch  Tiberio  und 
Erminio  (2)  und  macht  ihnen  die  gleiche  Mitteilung.  Zugleich 
schlägt  er  Tiberio  vor,  mit  seiner  Geliebten  im  Hause  Arido- 
sios  zu  bleiben,  und  so  oft  er  sich  aussen  schneuze,  drinnen 
einen  Höllenspektakel  zu  veranstalten.  „Quand'  io  mi  spurgo, 
fate  il  maggior  romor  che  sia  possibile,  con  la  panca  e  con  il 
letto,  e  gittate  giü  qualche  tegolo,  quaudo  sentite  brigate  intorno 
all  uscio;  e  non  uscite  un  jota  di  questa  commissione  che  voi 
e  me  rovinereste  a  un  tratto"  (S.  28).  Tiberio  erklärt  sich  ein- 
verstanden, Cesare  zieht  sich  zurück,  und  der  alte  Geizhals 
Aridosio   tritt  auf. 

Die   Idee   der   dritten   Szene    ist  der  Mostellaria  ent- 

•)  Vgl.  S.  57.    A.  5. 


282  ni.   Aulularia. 

nommen.  Lucido  teilt  dem  Alten  mit,  dass  sein  Haus  von 
Teufeln  besessen,  „piena  di  diavoli",  sei.  So  oft  er  sich  schneuzt, 
bricht  drinnen  Verabredetermassen  gewaltiger  Lärm  los.  Arido- 
sio  ist  trostlos  über  die  Geister,  die  nicht  einmal  Miete  bezahlen, 
„almanco  ne  pagassin  la  pigione!"  (S.  30.)  Nur  Tiberios  Sün- 
den, klagt  er,  haben  dies  verschuldet.  Von  Lucido  hört  er, 
dass  die  Geister  Nächte  lang  singen  und  lärmen.  Was  soll  ich 
nun,  fragt  er  sich,  mit  meinen  zweitausend  Dukaten  machen?  Wo 
sie  unterbringen?  Das  hört  der  im  Hintergrunde  der  Bühne  alles 
beobachtende  Cesare;  er  sieht,  wie  Aridosio  nach  Lucidos 
Abgang  seine  Börse  unter  dem  Pflaster  vor  dem  verhexten  Hause 
vergräbt,  wo  er  sie  früher  schon  öfter  verborgen  und  immer 
wieder  unberührt  gefunden  hatte.  „Ma  non  ti  lassar  trovare, 
borsa  mia,  animä  mia,  speranza  mia!  In  manus  tuas,  Domine, 
commendo  spiritum  meum" J)  (sie!),  murmelt  er  (S.  34).  Kaum 
ist  er  weg,  holt  sich  Cesare  den  Schatz  aus  dem  Verstecke. 
(4.)  Lucido  kömmt  mit  Aridosio  zurück.  Ein  Priester  hat  sich 
zur  Aussegnung,  des  Hauses  bereit  gefunden.  Er  wird  alsbald 
kommen.  (5.)  Erminio  tritt  mit  Lucido  auf  und  versetzt 
Aridosio  in  eine  Höllenangst,  da  er  mehrmals  die  Stelle  betritt, 
wo  seine  Börse  vergraben  liegt,  ja  einmal  sogar  dort  seinen 
Handschuh  verliert  und  sich  bückt,  ihn  aufzuheben.  Aridosio 
entfernt  sich  unruhig,  worauf  (6.)  eine  Nonne  erscheint  und  be- 
richtet, dass  Fiametta  ihrer  Entbindung  nahe,  trotzdem  aber 
nicht  zu  hoffen  sei,   dass  die  Priorin  sie  freigebe. 

III.  Akt.  (1.)  Lucido  freut  sich  der  dummen  Leichtgläu- 
bigheit des  alten  Aridosio;  er  würde  am  Ende  noch  an  fliegende 
Esel  glauben,  „i  putti  farebbero  oggidi  lor  credere  chi  gli  asini 
volassero"  (S.  42).  Auf  sein  Pochen  „tic  toc  tic  toc!u  öffnet  Ti- 
ber io  das  Haus,  muss  aber  alsbald,  da  der  Alte  herankömmt, 
wieder  in  dasselbe  zurücktreten.  (2.)  Aridosio  hat  stets  das 
Pflaster  im  Auge.  Da  kömmt  Lucido  mit  dem  Priester  Ser 
Ja  com  o.  Dieser  trägt  eine  Kerze  und  beginnt  seine  Exorzismen: 
.,Hanc  tua  Penelope  lento  tibi  mittit,  Vlixes;  Nil  mihi  rescribas, 
attamen  ipse  ueni!"  worauf  die  „Geister"  drinnen  rumoren.  Be- 
fragt, unter  welchen  Bedingungen  sie  das  Haus  verlassen  wollten, 
verlangen  sie  Aridosio s  Ring,  was  er  in  seinem  Schrecken  zu- 
gesteht, falls  er  bei  Abnahme  desselben  nicht  gekratzt  würde. 
(3.)  Auf  solche  Weise  erhält  Tiberio  den  auf  dreissig  Scudi 
gewerteten  Ring  und  kann  seine  Li  via  loskaufen.  Lucido 
übernimmt  mit  dem   Priester    die  Verhandlung    mit    den  Teufeln; 


')  Ein  noch  gröberer  Missbrauch  heiliger  Worte  findet  sich  in 
Pietro  Aretinos  „Cortigiana"  (V,  8),  wo  in  das  Paternoster  eine 
Ehebruchsanleitung  eingefügt  ist. 


Lorenzino  de'  Medici.  283 

worauf  (4.)  Aridosio   dem   Geistlichen  für  seine  Hilfe  dankt;    er 
hätte  ihm   ans  Erkenntlichkeit  den  Ring   geschenkt,    wenn   er  ihn 
nicht   an  die  Geister  hätte  abgehen  müssen.     „Vi  ginro  per  questa 
croce,    che,    se  io  non   avessi  dato   quel  rubino  agli    spiriti   che  io 
ve  lo  donerei."      (5.)  Unterdessen  hat  der  Kuppler    gehört,    dass 
Aridosio   wieder  in  Florenz  sei.      Er  eilt  herbei,   um  über  seinen 
Sohn  Klage    zn   führen,    der    ihm    noch    den   Rest    einer    Summe 
schulde,    um    die    er    ein    Mädchen    freikaufte.      Zwar    habe    ihm 
Tiberio   einen  Rubin  angeboten,    doch   hege    er    an    seiner  Echt- 
heit grosse  Zweifel.       Glücklicherweise  (6.)  kömmt   Lucido    noch 
rechtzeitig   dazu,    und    es    gelingt    ihm,    dem   bereits    stutzig   ge- 
wordenen Alten   einzureden,   dass  der  Kuppler  ein  Narr  sei.      In- 
dessen Lucido   im  Auftrage  Aridosios    zu  Marcantonio    geht, 
um  für  seinen  Herrn    ein    billiges  Frühstück    zu   bestellen,     sucht 
der  alte  Geizhals  nach  seiner  Börse  und  (7.)  findet  sie  zu  seinem 
Entsetzen   leer:    Ohne,   1'  e  si    leggieri:    ohne  ch'  e  drento?    ohne 
eh'  io   son    morto:    al  ladro,    al  ladro!    tenete    ognun    che    fugge, 
serrate  le  porte,    gli  usci,    le  finestre.      Meschino   a  me,    dov'  e  il 
mio   cuore?  misero   me,   dove  vad'  io?  dove  sono?  a   chi  dico?  Mi 
raccomando,    mi  raccomando,    ch'  io   son  morto:    insegnatemi,    chi 
m'  ha  rubato    la    vita  mia,    1'  anima  mia.      Avessi  io    almanco  un 
capestro  da  impiccarmi:   ella  e  pur  vota:   o  Dio,   chi   e  stato   quel 
crudele,   che  m'  ha  tolto   ad  un  tempo  la  vita,   1'  onore  e  la  roba! 
0  sciagurato    a   me,    che    questo    di    m'  ha    fätto    il    piu    infelice 
uomo  del  mondo.      E  che  ho  io   piü   bisogno    di  vivere?     che   ho 
perduto   tutti  i  miei  danari,    quelli  ch'  io   aveva   adunati,    e  ch'  io 
amava  piü  che  gli   occhi    propri,     quelli  ch'   io   aveva    accumulati, 
fin  col  cavarmi  il  pan  di  bocca.     An  Wirksamkeit  steht  dieser 
Monolog  wohl  weit  unter  jenem  des  Euklio.      Lucido   (8.) 
kömmt    dazu.      Er    muss    der   Räuber    sein.       ..Tu  m'  hai  rubati  i 
miei   danari,    ladroncello,    rendemeli    qua!"      Auf   Lucidos  Erwi- 
derung:    „Io   non   so   quello   che    mi    vogliate    dire"    (S.    60),    eilt 
er  trostlos  ab  mit  dem  Rufe:    „0  borsa  mia!   o  borsa  mia!  ohne!" 
IV.   Akt.      (1.)    Cesare    erzählt   Er  mini  o,    Avie    er    in    den 
Besitz  des   Geldes  gekommen  sei,   worauf  ihm   dieser  als  ehrlicher 
Mann   sagt,    dass   ihm   ja  doch  nichts  übrig   bleibe,    als   dasselbe 
seinem  rechtmässigen  Besitzer    zurückzuerstatten.      (2.)  Erminios 
Pflegevater  will  mit   seinem  Adoptivsöhne    sprechen.      Auf  Ermi- 
nios Frage:    „Che   volete  comandarmi,"    erwidert    ihm    der    gute 
Alte:    ..Tu   sai   che    sempre   bench'  io    potessi    comandarti,    ti  ho 
pregato,    ne   adesso    voglio    cominciare;    ma    ti   voglio    awertire" 
S.  63).     Er  rät  ihm  nun  wohlwollend,   obgleich  ex  selber  erfahren 
habe,  was  es  heisse,  verliebt  zu  sein,   von  seiner  Nonne  zu  lassen, 
da  selbst    dem   verworfensten  Mensehen   ..Y   iisare  con  monache" 
als  eine   Sünde    erscheint.     Erminio    hört    nicht    ohne    Eindruck 


28-1  III.   Aulularia. 

diese  Vorstellungen.  (3.)  Jammernd  tritt  Aridosio  auf.  Er 
ahnt  bereits,  dass  Lucido  seine  Leichtgläubigkeit  arg  missbraucht 
und  ihm  von  Geistern  vorgeredet  habe,  sodass  er  nun  der  Spott 
von  ganz  Florenz  sei  (S.  67).  Vergebens  versucht  Erminio, 
ihn  für  Tiberio  und  Li  via,  die  sich  als  Tochter  des  Messer 
Alfonso  herausgestellt  hat,  zu  gewinnen.  (4.  5.)  Von  der 
lustigen  Nonne  Mona  Pas  quin  a  erfahren  wir  Neues  vom  Kloster 
und  Fiametta.  (6.)  Messer  Alfonso  ist  von  Tortona  ange- 
langt und  hat  hier  seine  fünfzehn  Jahre  vermisste  Tochter  ge- 
funden. Dass  er  sie  im  Hause  des  Kupplers  fand,  hat  ihm  freilich 
wenig  Vergnügen  bereitet.  In  der  letzten  (7.)  Szene  berichtet 
Mona  Pasquina  dem  alten  Marcantonio,  dass  die  Geliebte 
seines  Sohnes  ein  prächtiges  Knäblein  geboren  habe.  Anfangs 
versteht  Marcantonio  die  Sache  nicht.  „Che  ha  fatto  Erminio?" 
fragt  er  die  Nonne.  ,.Un  figliuolo,"  ist  ihre  Antwort.  Er  will 
nun  die  weiteren  Schritte  thun,  um  die  Angelegenheit  zum  Besten 
aller  zu  ordnen. 

V.  Akt.  (1.)  Messer  Alfonso  unterhandelt  mit  dem 
Kuppler  wegen  seiner  Tochter.  Er  ist  zwar  ziemlich  ungehalten, 
dieselbe,  „vituperata"  zu  finden,  allein  er  erhält  die  Versicherung, 
dass  mit  einer  Aussteuer,  die  er  ja  leicht  gewähren  kann,  Ti- 
berio sie  sofort  heirate.  In  der  nächsten  (2.)  Szene  hat  der 
Dichter  in  ähnlicher  Weise,  wie  Plautus  und  andere  Nach- 
ahmer, ein  Missverständnis  angebracht.  „Sie  ist  gefunden,"  ju- 
belt der  Kuppler,  mit  Beziehung  auf  Li  via;  Aridosio  aber 
meint  seine  Börse. 

Ruf.  Aridosio,  buone  nuove! 

Ar.  Che  e  trovata?  .  .  . 

Ruf.  Trovata  e  .  .  .  i  segni  tutti  si  riscontrano. 

Ar.  0  ringraziato  sialddio!  io  ho  paura  di  non  mi  venir  manco  per 

1'  allegrezza. 

Ruf  Vedete  voi  che  farä  ciocche  voi  vorrete. 

Ar.  Pensal  tu  se  mi  e  grato.     E  chi  1'  avea? 

Ruf  Oh!  non  sapete  che  io  1'  aveva  io? 

Ar.  Non  io.     Ma  che  facevi  tu  delle  cose  mie? 

Ruf.  Iuanzi  ch'  io  la  dessi  a  Tiberio  era  mia  e  non  vestra. 

u.  s.  w.,  und  so  klärt  sich  der  Irrtum  mit  „figlia"  und  „borsa" 
auf,  was  den  Geizhals  bitter  enttäuscht.  (3.)  Messer  Alfonso 
will  nun  seine  Tochter  sehen.  Auf  die  Frage,  wo  Tiberio  und 
Li  via  seien,  versichert  ihm  Lucido  „nel  letto",  was  Alfonso 
wiederum  nicht  gerne  hört.  —  Marcantonio  (5.)  teilt  seinem 
Adoptivsöhne  mit,  dass  er  Vater  eines  Knaben  geworden  sei,  und 
dass  er  bei  der  Priorin  Fiamettas  Freilassung  und  Heiratsbe- 
willigung durchgesetzt  habe.  Die  frohen  Nachrichten  häufen 
sich.  Lucido  (6.)  berichtet,  dass  Alfonso  seinem  künftigen 
Schwiegersohne,    „dappoi  ch'  egli  ha  avuto  la  verginitä  della  figliuo- 


Italienische  Übersetzungen   derselben.  285 

la"  (S.  84),  sechstausend  Scudi  Mitgift  ausgesprochen  habe,  wo- 
gegen geAviss  auch  Tiberios  Vater  nichts  mehr  einzuwenden 
habe.  Aridosio  wird  von  seinem  Bruder  Marcantonio  ge- 
wonnen, der  ihm  den  von  Cesare  entwendeten  Schatz  zurückzu- 
stellen verspricht.  Aridosio  spricht  mit  den  Worten  der  Bibel: 
Ich  glaube  nicht  daran,  s'  io  non  li  vedo  e  non  li  tocco  (S.  87). 
Da  er  nun  wieder  im  Besitze  des  geraubten  Goldes  ist,  wird  der 
alte  Geizhals  selig.  „Tu  mi  hai  reso  la  vita,  1'  onore,  la  roba 
e  T  essere  che  insieme  con  questa  aveva  perduta"  (S.  88).  Mit 
einer  dreifachen  Hochzeit   endet   das  Lustspiel. 

Die  hochfeine  Sprache  und  der  klassische  Ton  der  Komödie 
Lorenzinos  machten  es  wohl  begreiflich,  dass  sie  auf  die  Littera- 
tur  der  nächsten  Jahrzehnte  nicht  ohne  Einfluss  blieb.  Die  Cha- 
raktere, die  uns  der  Dichter  vorführt,  sind  insgesamt  gut  ausge- 
prägt, Alle  Personen,  z.  B.  der  alte  Aridosio  „quel  mostro 
d' Aridosio  (S.  22)  .  .  .  egli  avaro,  invidioso,  ipoerito,  superbo, 
dappoco,  bugiardo,  ladro,  senza  fede,  senza  vergogna,  senza  amore 
e  insomma  e  un  mostro  ingenerato  da'  vizi  e  dalla  sciocchezza-' 
(S.  23),  seine  Tochter  Cassandra,  „la  piü  bella,  la  piü  gentile 
non  dico  di  Firenze,  ma  di  tutta  Italia"  (S.  83),  die  lustige 
Nonne,  „vorrei  star  quegli  Otto  di  sempre  nel  letto  con  qualche 
mio  innamorato"  (S.  71),  die  Priorin,  „piü  superba  che  un  toro" 
(S.  82),  u.  a.  sind,  ob  sie  handelnd  auftreten,  oder  ob  ihrer  nur 
Erwähnung  geschieht,   trefflich  gezeichnet. 

Aridosio  ist  eine  der  geschicktesten  Kontami- 
nationen plautinischer  Komödien,  bei  der  indessen  der 
Schwerpunkt  doch  auf  dem  Geizhalse  und  seinem  ge- 
stohlenen Schatze  —  immerhin  also  auf  der  Aulularia 
—  bleibt. 

An  italienischen  Übersetzungen  der  Aulularia  hat  es 
nicht  gefehlt.  Paride  Ceresara  übertrug  das  Lustspiel;1) 
Carlo  Maria  Maggi  gab  es  in  Versen,  in  Mailänder  Dialekt, 
heraus  im  ersten  Bande  seiner  Commedie  e  Rime.  Milano 
1701  in  12°.  Eine  weitere  handschriftliche  Übersetzung,  in 
versi  toscani  von  P.  Giuseppe  Maria  Stampa,  liegt  nach  Ar- 
gelati'2)  als  Manuskript  in  Como;  wiederum  in  versi  toscani  ist 
die  Übersetzung  (II  vecchio  avaro)  von  Lisimbo  Oristoniano 
Pastor  Arcade.3)  Firenze  1747  und  1750  bei  Andrea  Bon- 
ducci.  Im  Jahre  1763  erschien  eine  weitere  von  einem  Unge- 
nannten in  Pisa  in  4°. 4) 


J)  Tiraboschi.    VII,   179. 

2)  II,  232,  wo  auch  die  übrigen  nachzusehen  sind. 

3)  Nach  Sulz  er.    III,  7041'.     Lor.  Guazzesi  (in  8°). 

4)  S.  ebenda. 


286  HI.    Aulularia. 

Lorenziiios  de'  Mediei  Aridosio  führt  zu  den  Franzosen 
hinüber.  Larivey  (S.  66)  hat  sich  des  italienischen  Stückes 
bemächtigt  und  dasselbe  in  seiner  Komödie  „Les  Esprits",1) 
deren  Titel  mehr  auf  die  Mostellaria  hinweist,  so  benützt, 
dass  er  oft  nur  eine  ganz  wörtliche  Übersetzung  des 
italienischen  Stückes  gab.2)  Nur  Feliciane,  die  Livia 
des  Lorenz ino  de'  Mediei,  tritt  in  diesem  Lustspiele,  von  dem 
der  Prolog  (Fol.  111)  sagt:  „II  a  faicte  ceste  Comedie  a  Limi- 
tation &  de  Piaute  &  de  Terence  ensemble,"  nicht  als  han- 
delnde Person  auf. 

I.  Akt.  (1.)  Der  alte  Hilaire  bespricht  sich  mit  seiner 
Frau  Elizabet  über  seinen  Adoptivsohn  Fortune.  Er  huldigt 
milden  Erziehungsprinzipien,  damit  die  Söhne  ihren  Vätern  in 
Liebe  anhangen.  Sein  alter,  geiziger  Bruder  Severin  halte 
seinen  Sohn  Urbain  sehr  streng  und  zwinge  ihn,  immer  auf  dem 
Lande  zu  leben,  doch  aber  sei  er  nicht  besser,  als  andere.  Dem 
envidert  seine  Frau,  die  zwar  nachsichtig,  aber  doch  nicht 
schwach  sein  möchte,  von  Fortune  „qu'il  est  deuenu  amoureux 
d'vne  nonnaine  que  ie  ne  veux  nommer  pour  ceste  heure".  Der 
Alte  will  hierüber  Gewissheit  haben  und  wendet  sich  an  den 
eben  kommenden  (2.)  Diener  Frontin.  Von  ihm  erfährt  er, 
dass  sein  Pflegesohn  wirklich  eine  Nonne  liebe,  aber  „eile  n'est 
religieuse  et  ne  voudroit  pas  estre,  aussi  n'a  eile  faict  profession". 
Hilaire  findet  es  „excusable,  puisque  eile  n'est  professe".  Doch 
aber  ist  die  Sache  bedenklich;  denn  ,,elle  est  grosse  de  son  fäit 
&  si  preste  d'enfanter  quelle  n'attend  que  l'heure. "  (3.)  Urbain 
ist  in  Streit  mit  dem  maquerau  (Kuppler)  Ruffin.  Der  letztere 
will  sein  Geld  —  dix  escus  —  unverzüglich.  Die  Geliebte  er- 
scheint, wie  bereits  gesagt,  im  Stücke  nicht.  (4.)  Frontin  phi- 
losophiert über  die  Liebe  genau  so  wie  Lorenziiios  Lucido. 
„II  n'y  a  chose  qui  face  plus  raffolir  les  hommes  que  l'amotir." 
Zudem  beklagt  er  Fortunes  Schicksal,  „grossir  vne  fille  du  pre- 
mier  eoup."  (5.)  Fortune  will  Nachrichten  von  seiner  Geliebten 
Apoline,  Frontin  weiss  aber  leider  nichts.  Nur  von  Urbain 
und  seiner  Feliciane  kann  er,  wie  bei  Lorenzino,  berichten:  „Ur- 
bain &  Feliciane  sont  au   lict  ou  ils  fönt    brauades;    l'vn    veut 


!)  Les  six  |  premieres  |  comedies  |  facecievses  |  de  |  Pierre  de.  Lari- 
vey |  Champenois.  |  A  l'imitation  des  anciens  Grecs,  Latins  |  &  modernes 
Italiens.  A  Paris  j  chez  Abel  l'Angelier,  tenant  sa  |  boutique  au  pre- 
niier  pillier  de  |  la  grand'  salle  du  Palais.  1579.  Fol.  111 — 166  enthält 
Les  Esprits.  —  Ancien  theätre  Francois.  Bd.  V.  S.  199—292.  Die  Stücke 
werden  bei  Hipp.  Lucas  (Hist.  d.  theätre),  LTI,  270,  als  im  Jahre  1578 
gespielt  aufgeführt. 

2)  Lariveys  Les  Esprits  als  Quelle  zu  Molieres  Avare  unter 
Berücksichtigung  der  Aulularia  des  Plautus  von  R.  V.  Me lirer.  Jena 
(Dissertation)  1873.    35  S.    8°. 


Lariveys  Esprits.  287 

tuer  son  pere,  s'il  retoiirne  dxi  vilage.  Et  l'autre  Ruffin,  s'il 
vient  demaiider  de  l'argent. 

II.  Akt.  (1.)  Desire,  der  Liebhaber  von  Severins  Toch- 
ter, Laurence,  hält  die  gleiche  Rede  wie  Cesare  in  der  italie- 
nischen Komödie.  Sein  Vater  gestattet  ihm  nur  eine  Frau  mit 
Geld,  Severin  aber,  „ce  monstre  qui  n'est  digne  de  uiure, "  giebt 
ihr  keine  Aussteuer.  „Mon  pere  voyant  la  cruelle  auarice  de  ce 
vilain  nie  deffendit  espouser  la  fille  qu'elle  ne  m'apportast  pour 
le  nioiiis  mille  escus  sinon  que  ie  ne  me  presentasse  iamais  devant 
luy. "  Fr on tin  meldet  ihm,  dass  Severin  in  die  Stadt  zurück- 
gekehrt sei,  ebenso  ruft  er  Urbain  aus  dem  Hause  (2.),  um  ihm 
dieselbe  Mitteilung  zu  machen.  Er  giebt  ihm  nun  den  Rat: 
„Fermez  la  porte  aux  verrouils  par  dedans  &  n'y  laissez  entrer 
personne  du  nionde  .  .  .  quand  vous  m'entendez  cracher,  alors 
faictes  le  plus  grand  tintamarre,  qu'il  vous  sera  possible  &  iettez 
mesmes  des  tuilles  en  la  rue."  Urbain  kehrt  ins  Haus  zurück. 
(3.)  Da  Severin  in  dasselbe  eintreten  will,  hält  ihn  Frontin 
auf,  fast  mit  den  Worten  Tranios  in  der  Mostellaria  (V.  446): 
„Qui  est  ce  fol  qui  touche  ä  ceste  porte?"  Er  darf  nicht 
klopfen;  denn  ,.la  maison  est  plaine  de  diables".  Alsdann  ..il 
crache  &  ceux  du  logis  fönt  bruict".  Wie  sein  Vorbild  Arido- 
sio  hätte  auch  Severin  zunächst  den  Wunsch  „au  moins  s'ils 
en  payoient  les  louages".  Alles  andere  ist  genau,  wie  in  der 
italienischen  Komödie;  Severin  vergräbt  seinen  Schatz.  (Inmanus 
tuas  u.  s.  w.)  Desire  holt  ihn.  Nur  die  Szene  (6.),  wo  die 
Nonne  im  Aridosio   auftritt,   fehlt  hier. 

III.  Akt.  (1.)  Alles  ist  genau  nach  dem  Italienischen, 
nur  dass  die  Stelle  des  Priesters  der  sorcier  M.  Josse  vertritt, 
dessen  Zaubersprüche  etwas  anders  sind.  „Barbara  piramidum  si- 
leat  miracula  memphis, "  und  da  Severin  befürchtet,  dass  die 
Geister  kein  Latein  verstehen: 

Esprits  niaudits  des  infernalles  ombres 
Qui  repairez  ceans  soir  et  matin, 
Je  vous  commande  au  nom  de  Severin 
Qu'en  deslogiez,  sans  nous  donner  eucombres 

u.  s.  f.  Die  Bedingungen  der  Geister  (erst  „nous  ruynerons  ceste 
maison",  endlich  „l'anneau  du  doigt  de  Severin")  sind  wie  im 
italienischen  Originale.  Urbain  hat  nun  (3.)  den  Ring;  Seve- 
rin dankt  M.  Josse  für  seine  Dienste  (4.);  Ruffin  dringt  zu 
Severin  mit  dem  Ringe  (5.)  und  wird  noch  rechtzeitig  von 
Frontin  als  Narr  erklärt.  (6.)  Severin  entdeckt  den  Diebstahl 
und  bricht  in  die  Klage  aus:  „Jesus!  qu'elle  est  legere!  vierge 
Marie,  qu'est  cecy  qu'on  m'a  mis  dedans?  helas,  ie  suis  destruict, 
ie  suis  perdu,    ie  suis  ruyne!     Au  volleur,    au  larron,    au  larron! 


288  ITI.   Aulularia. 

prenez-le,  arrestez  tons  ceux  qui  passent,  fermez  les  portes,  les 
lmys,  les  fenestres.  Miserable  que  ie  suis.  On  cour-ie?  a  qui 
le  dis-ie?  ie  ne  s<jays,  oü  ie  suis,  que  ie  fais  ny  ie  vas.  helas, 
nies  amys,  ie  nie  recommande  a  vous  tous,  secourez-moy,  ie  vous 
prie,  ie  suis  mort,  ie  suis  perdu.  Enseignez-moy  qui  m'a  des- 
robbe'  mon  ame,  ma  vie,  raon  coeur,  &  toute  mon  esperance;  que 
n'ay-ie  un  licol  pour  me  pendre?  car  i'aime  mieux  mourir  que 
viure  ainsi.  helas  eile  est  toute  vuyde.  vray  dieu  qui  est  celuy 
qui  tout  a  vn  coup  m'a  rauy  mes  biens,  mon  honneur,  et  ma  vie? 
Ali  cbetif  que  ie  suis  que  ce  iour  m'a  este"  malencontreux !  A 
quoy  veux-ie  plus  viure,  puisque  i'ay  perdu  mes  escus  que  i'auois 
si  soigneusement  amassez  &  que  i'aimois  &  tenois  plus  cliers  que 
mes  propres  yeux?  mes  escus,  que  i'avois  espargnez  retirant  le 
pain  de  ma  boucbe  n'osant  manger  mon  Saul?  Et  qu'vn  autre 
ioyt  maintenant  de  mon  mal  &  de  mon  dommage."  Front  in 
trifft  ihn  über  seinem  Jammer.  „Tu  m'as  desrobbe  mes  escus, 
larron  que  tu  es;  9a  ren  les  moy,  ren  les  moy  ou  ie  t'estrangle- 
ray,"  fährt  er  ihn  an.  „Ie  ne  scays  que  vous  voulez  dire,"  ver- 
setzt Frontin.  Ma  bourse,  helas,  ma  pauvre  bourse!  ruft  er 
im  Gehen. 

IV.  Akt.  Alles  entwickelt  sich,  wie  im  italienischen 
Stücke.  (1.)  Der  ehrliche  Fortune  (2.),  der  gutmütige,  für  die 
Leiden  seines  Sohnes  so  empfängliche  Hilaire  (Mon  fils,  i'ay 
pitie  de  toy  pour  auoir  moy-mesme  autre  fois  essaye  que  c'est  de 
l'amour),  der  sich  nur  an  der  „Nonne"  etwas  stösst,  der  trost- 
lose Severin,  Pasquetta,  die  Nonne  Mona  Pasquina,  die 
hier  als  „seruante"  auftritt,  (4.)  der  glücklich  zurückgekehrte 
Vater  Felicianes,  Gerard,  Pasquetta,  als  Berichterstatteriii  über 
Apolines  Entbindung  an  Hilaire  (5.),  sind  uns  lauter  wohlbe- 
kannte Figuren. 

V.  Akt.  (1.)  Ebenso  genau  kennen  wir  Gerards  Unter- 
handlung mit  dem  Kuppler  Ruffin  wegen  seiner  Tochter  und  die 
Szene  mit  dem  komischen  Missverständnis  (2.). 

Ruff.  Seigneur  Severin,  bonnes  nouvelles! 

Sev.  Quoi?  est-elle  trouuee? 

Ruf.  Oy! 

Sev.  Dieu  soit  loue,  le  coeur  me  saute  de  ioye. 

Ruft'.  Voyez,  il  fera  ce  que  vous  voudrez. 

Sev.  Pense,  si  ces  nouuelles  me  sont  agreables  .  .  .  Qui  l'auoit? 

Ruff.  Le  sgavez-vous  pas  bieu,  c'etait  moy. 

Sev.  Et  que  faisois-tu  de  ce  qui  m'ai"»partient? 

Ruff".  Deuant   que  ie  la  liurasse  a  Vrbaiu,   ie   I'ay  eue  quelque  peu 
en  ma  maison 

u.  s.  w.,  bis  sich  die  Sache  auf  klärt.  Auch  hier  sind  Urbain  und 
Feliciane    „au  lict"  (3.);  Hilaire  bringt  seinem  Sohne  die  frohe 


Lariveys  Esprits.  289 

Botschaft,  „TAbbesse  veut  que  tu  l'espouses  (5.);  Frontin  mel- 
det, das  Gerard  seinem  Schwiegersöhne  fünfzehntausend  Franken 
Mitgift  zahle  (6.):  Severin  erhält  sein  Geld  wieder,  da  er  an 
sein  Glück  nicht  glauben  kann,  „si  ie  ne  les  voy  &  les  touche." 
Und  da  er  es  hat,  ruft  er  mit  Aridosio:  „Vous  m'auez  rendu  la 
vie,   l'honneur  &   les  biens  que  i'auois  perduz   avee  cecy." 

Obwohl  Lariveys  Arbeit  eigentlich  nur  eine  Übersetzung 
aus  dem  Italienischen  ist,  ist  sie  doch  litterarisch  von  Be- 
deutung geworden.1)  Lotheissen  (I.  Bd.,  S.  277,  278)  urteilt 
hierüber:  „Severins  Geiz  zu  schildern,  ist  aus  der  Aulularia 
des  Plautus  die  bekannte  Szene  herübergenommen,  in  welcher 
der  Geizhals  den  Topf  mit  Gold  vergräbt  und  bald  darauf  zu 
seiner  Verzweiflung  die  Entwendung  desselben  wahrnimmt.  Auch 
Severin  vergräbt  einen  Beutel  mit  Goldstücken  und  wird  dabei 
belauscht,  ganz  wie  später  Harpagon  bei  Moliere.  Die  Charak- 
teristik Severins  bietet  jedoch  Züge,  welche  sich  weder  bei  Plau- 
tus noch  bei  Moliere  finden,  die  aber  vortrefflich  sind.  So  z.  B. 
in  der  Szene,  in  welcher  Severin  immer  wieder  zu  dem  ver- 
grabenen Schatz  zurückkehrt,  um  ihn  zu  bewachen,  wie  er  jedem 
misstraut,  der  in  seine  Nähe  kommt,  und  ganz  ohne  Grund  ..au 
voleur!"  (II,  5)  ruft.  Ebenso  drastisch  ist  auch  seine  Verzweiflung 
geschildert  bei  der  Entdeckung  des  Diebstahls  (III,  6) ,  obwohl 
man  hier  vielfach  an  Plautus  erinnert  wird.  Derjenige,  der  ihm 
das  Geld  entwendet  hat,  ist  der  Liebhaber  seiner  Tochter,  der 
seinen  Raub  benützt,  um  vom  Alten  die  Einwilligung  zur  Heirat 
zu  erzwingen,  weil  derselbe  nur  dadurch  wieder  in  den  Besitz 
seines  Schatzes  gelangen  kann.  Auch  muss  er  gestatten,  dass 
Urbain  heiratet,  was  er  gerne  thut,  als  er  hört,  dass  dessen  Ge- 
liebte reich  ist.  Sie  bekömmt  eine  Mitgift  von  fünfzehntausend 
Franken.  ,Fünfzehntausend  Franken!'  ruft  Severin  neidisch  aus, 
,dann  wird  er  ja  reicher,  als  ich!'  —  ein  feiner  Zug,  der  von 
den  Späteren  nicht  benützt  worden  ist,  sowenig  wie  das  bezeich- 
nende "Wort,  mit  dem  Severin  seine  Goldstücke  wieder  begrüsst. 
(,  Götter,  es  sind  dieselben,'  ruft  er  liebevoll  aus  und  enthüllt 
damit  seinen  ganzen  Charakter.)  Doch  sind  alle  diese  Züge  schon 
in  dem  italienischen  Stück  enthalten.  Lariveys  Verdienst  liegt 
also  nicht  in  der  Konzeption  der  Stücke,  sondern  vielmehr  in  der 
Behandlung  der  Sprache.  Sein  Dialog  ist  knapp,  kräftig  und 
klar,  alter  auch  ohne  Scheu.  Dennoch  können  seine  Lustspiele, 
trotz  seines  Bestrebens,  sie  dem  französischen  Leben  anzupassen, 
den  fremden    Ursprung  niemals  ganz  verbergen." 

Noch    ehe    in   Prankreich  Moliere    die  Krone   aller    Nachah- 


')  Vergleiche   die   abfällige   Kritik   in   den   Oeuvres   compldtea   <1  e 
Regnard.     (Paris,  Delahays  1854.»    S.  592.  593. 

19 


290  m.   Aulularia. 

orangen  der  Aulularia  schuf,  griff  Samuel  Ghappuzeau 
(S.  67)  zu  derselben  Quelle  in  seinem  Lustspiele  Le  riche  vilain, 
011  la  Dame  d'Intrigue,  en  trois  actes.1)  72  S.  Hierüber  be- 
richtet  Monval:2)  „C'est  le  titre,  sous  lequel  füt  represente,  en 
(Irccinbre  1663  sur  le  theätre  royal  de  l'Hotel  de  Bourgogne 
,1'avare  dupe  ou  l'homme  de  paille'  acbeve  d'imprimer  pour 
la  premiere  Ibis  le  23  novembre  1663  s&ns  nom  d'auteur. 3)  La 
reimpression  faite  vers  1664  ou  65  sous  le  titre  ,1a  dame  d'intri- 
gne  ou  le  riebe  vilain',  est  dediee  ä  S.  A.  R.  Mme  la  Ducbesse 
de  Savoye,   reine  de  Chypre." 

..Dans  cette  comedie  Chappuzeau  parait  avoir  fourni  a  Mo- 
liere, qui  ne  negligeait  ou  dedaignait  aueune  source  d'inspiration, 
quelques  traits  de  l'Avare.  Harpagon  n'est  pas  sans  rapports 
avec  son  Crispin,  vieillard  soupconneux  et  mefiant,  avare  et  ladre 
au  dernier  point;4)  sa  dame  d'intrigne,  Ruffine,  deviendra  aise- 
ment  Frosine  sous  la  plume  de  Moliere,  qui  la  qualifie  ,femme 
d'intrigne'.  Quant  au  valet  Philipin,  ce  sera  la  Fleche  cinq  ans 
plus  tard.  —  Chappuzeau  s'est  servi  de  Juvenal,  de  Piaute5) 
et  d'un  auteur  espagnol  qu'il  ne  nomine  pas  et  qu'il  a  ,babille 
ä  nötre  mode.'  II  decouvre  ingenüment  ses  larcins  et  eite  ses 
sources. " 

Direkt  bat  Chappuzeau  freilich  Plautus  fast  nicht 
benützt. 

Die  Rede  des  Geronte  über  die  Mitgift  (I,  3)  erinnert  in 
manchen  Stücken   an  den  p  1  au tini sehen  Megadorus: 

Un  grancl  clot  est  suivy  d'une  grantle  arrogance; 

Femrae  qui  n'en  a  point  n'ose  faire  depense. 

Elle  est  souple.  eile  est  hjimble,  ou  a  toujours  la  paix 
n.  s.  w. 

Dies  findet  sich  umgekehrt  bei  Moliere  im  Munde  Fro- 
sines:  nicht  minder  das  Missverständnis  mit  Tresor  (II,  3)  bei 
Moliere  (V,   3),   und  vieles  andere. 


J)  Enthalten  iu  „Les  oontemporains  de  Moliere,  reeucil  de 
eomedies  rares  ou  peu  connues  jouees  de  1(>50 — 1680",  ]»ar  Victor  Fnur- 
nel.    Paris  1863.    I.  Bd.    S.  355—400. 

2)  Le  theätre  franeois  par  Samuel  Chappuzeau,  aecompagne 
d'une  preface  et  de  notes  j^ar  Georges  Monval.     Paris  187f>. 

3)  Le  privilege  etait  du  28  septeinbre  1G6"2,  et  la  piece  parut  sans 
dedicace,  ä  Paris,  chez  Guillaunie  de  Luyne,  in  12°,  en  1663. 

A)  Moliere  et  Chappuzeau  ont  puise  ä  la  meine  source  1' Aulu- 
laria de  Piaute  (acte  IV,  scene  4)  oü  Euclion  examine  les  maius  de 
Strobile,  qu'il  soupgonne  de  lui  avöir  derobe"  quelque  objjet.  „Tertiam" 
demandait  le  personnage  de  Piaute;  „l'autre?"  dit  Chappuzeau;  „les 
autres?"  osera  Moliere. 

5)  „Piaute  m'a  aussi  un  peu  aide  dans  Le  portraii  que  je  fais 
d'un  riche  vilain,"  saut  Cliappuzeau  im  A;vertissement.  (Xzl.  Mahren- 
holtz,  Moliere.    S.  205.) 


Chappuzeau.     Moliere.  291 

Speziell  auf  Plautus,  nur  mit  Umgehung  des  „etiam 
tertiam",  weist  die  Szene,  wo  Crispin  den  Diener  des  Lycaste 
Pliilipin  untersucht: 

Crisp.     Ca,  montre-moy  la  main! 

Phil.  Tenez! 

(II  tend  la  main  droite  ouverte,  puis  toutes  les  deux  ensemble.) 
Crisp.    L'autre! 

Phil.  Tenez,  voyez  jusqu'ä  demain. 

Crisp.     L'autre! 
Phil.  Allez  la  cherclier,  en  ay-je  une  douzaine? 

Molieres  herrliche  Schöpfung  „l'Avare",  comedie  en  cinq 
actes,  stammt  aus  dem  Jahre  1667,  der  erste  Druck  von  Ribou 
aus  1669,  von  dem  Ch.  L.  Livet  im  Jahre  1883  (Paris)  einen 
Abdruck  veranstaltet  hat. 

Die  allgemeine  Verbreitung  des  Moli  er  eschen  Stückes  ge- 
stattet,  über  dasselbe  in  kürzeren  Worten  hinwegzugehen.1) 

I.  Akt.  (1.)  Valere  ist  in  Elise,  die  Tochter  des  Geiz- 
halses Harpagon,-)  verliebt,  eine  Leidenschaft,  die  auch  Elise 
erwidert,  umsomehr,  als  Valere  sie  einst  aus  den  Fluten  ge- 
rettet hat.  Um  bei  ihr  sein  und  den  Alten  für  sich  stimmen  zu 
können,  hat  er  sich  in  seine  Dienste  begeben  und  sich  sein  Ver- 
trauen zu  erringen  verstanden.  (2.)  Aber  auch  Cleante,  Har- 
pagons  Sohn,  hat  zu  Mariane,  einem  braven,  aber  armen 
Mädchen,  Liebe  gefasst  und  entdeckt  eben  seiner  Schwester  sein 
Geheimnis;  beide  sind  zwar  ohne  Aussicht  auf  Erfolg,  aber  ..nous 
joindrons  apres  nos  forces  pour  attaquer  la  durete  de  son  humeur". 
(3.)  Harpagons  Misstrauen  trifft  vor  allem  la  Fleche,  den 
Diener  seines  Sohnes,  den  er  in  seinem  Argwohn  als  „mattre 
jure  filou,  vrai  gibier  de  potence",  bezeichnet.  Er  durchsucht 
ihm  die  Taschen,  lässt  sich  die  Hände  weisen  und  jagt  ihn  dann 
zum  Hause  hinaus.  (4.)  Harpagon  weiss  im  ganzen  Hause  sein 
Geld  nicht  zu  bergen;  „les  coffres-forts, "  meint  er,  „me  sont  su- 
spects,  et  je  ne  veux  jamais  m'y  her."  Sein  Misstrauen  steigert 
sich,  da  er  seine  beiden  Kinder  (5.)  leise  miteinander  sprechen 
siebt:  er  versichert  sie  seiner  Armut  und  teilt  ihnen  dann  mit, 
«lass   er   im  Sinne  habe,    Mariane   zu   beiraten,   was   Cleante   ver- 


l)  Vgl.  Schlegel.  Vorlesungen  über  dram.  Kunst  und  Litteratur. 
11,237.  —  Herrigs  Arohiv.  Bd.  XVEL  S.  376  (Artikel  von  Eumberl  : 
Bd.  LVI.  S.  2f>4  (Artikel  von  Mahrenholtz).  —  Mahrenhöltz,  Mo- 
liere.   S.  230-237.* 

-j  CTssing.    II,  272.     Molierii    autem  „Avarus"    vulgo   nota    est, 
qui    i|ini(|    avaro   honiiui    aomen    imposuit    Earpagonis    Ihm;   ex   Codri 
Urcei  supplementis  sumpsit,  ubi  vs.  26  sqq.  haec  leguntur: 
Tenaccs  niniiuui  dominos  nostra  aetas  tulit, 
Quos  Harpagones  Harpyies  ei  Tantalos  vocare  soleo. 

Vr 


292  HI.   Aulularia. 

anlasst,  sicli  vor  Entsetzen  davon  zu  machen,  (ß.)  Elise  erhält  im 
weiteren  Kunde  von  seinen  sonstigen  Plänen.  Beide  sollen  heiraten, 
Cleante  ..une  eertaine  veuve"  und  Elise  den  alten  „seigneür 
Auselme,  un  homme  mür,  prudent  et  sage,  qui  n'a  pas  plus  de 
cinquante  ans,  et  dont  on  vante  les  grands  biens-'.  Vergebens 
weigert  sich  Elise  einer  solchen  Verheiratung.  Valere  (7.) 
wird  von  dem  Alten  als  Schiedsrichter  aufgerufen,  wobei  Har- 
pagon  den  Schwerpunkt  darauf  verlegt,  dass  Anselme  seine 
Tochter  ohne  Mitgift  heirate.  Dieses  „sans  dot",  das  Har- 
pagon  immer  wieder  vorkehrt,  findet  auch  Valere  scheinbar  für 
einen  mächtigen  Grund:  „cela  ferme  la  bouche  ä  tout.  Sans 
dot!"  Harpagon  eilt  ab,  da  er  einen  Hund  bellen  hört  (8.), 
worauf  Valere  die  ungehaltene  Elise  über  seine  Absichten,  den 
Alten  immer  mehr  zu  gewinnen,  aufklärt;  was  ihm  auch  so  sehr 
(9.)  gelingt,  dass  ihn  Harpagon  (10.)  sogar  bittet,  auf  seine 
Tochter  weiter  einzuwirken  und  sagt:  „heureux  qui  peut  avoir  un 
domestique   de  la   sorte!-' 

IL  Akt.  (1.)  Cleante  erfährt  von  seinem  Diener  la  Fleche, 
unter  welchen  Bedingungen  ihm  ein  Wucherer  Geld  zu  leihen  sich 
hei'beiliesse.  Ausser  den  hohen  Zinsen  hätte  er  noch  eine  Beihe 
wertloser  Utensilien  an  Geldesstatt  anzunehmen.  Die  Xot  zwingt 
ihn,  auf  alles  einzugehen:  da  stellt  es  sich  heraus  (2.),  dass  der 
Wucherer  sein  eigener  Vater  Harpagon  ist,1)  und  es  kömmt 
.''■.  zu  einer  heftigen  Szene  zwischen  Vater  und  Sohn,  die  nur 
durch  Frosines  Ankunft  und  die  Sorge  des  Alten,  der  nach 
seinem  Gelde  sieht  (4.),  unterbrochen  wird.  Unterdes  schildert 
la  Fleche  in  einigen  Zügen  den  Geiz  Harpagons  „de  tous  les 
humains,  l'humain  le  moins  humain,  le  mortel  de  tous  les  mortels 
le  plus  dur  et  le  plus  serre  ...  et  donner  est  un  mot  pour  qui  il  a 
tant  d'aversion  qu'il  ne  dit  jamais  ,je  vous  donne',  mais  ,je  vous 
prete  le  bon  jour'."  Frosine  hat  alsbald  (6.)  Gelegenheit,  diese 
Wahrnehmung  selbst  zu  machen.  Alle  ihre  Schmeicheleien  über 
sein  blühendes  Aussehen  und  seine  Hoffnungen  bei  Mariane 
vermögen   ihn   nicht,    ihr  mit   etwas   Geld   auszuhelfen. 

III.  Akt.  (1. — 6.)  Harpagon  will  seiner  Braut  zuliebe  ein 
Souper  veranstalten,  weshalb  er  seine  ganze  Dienerschaft  zu- 
sammenruft und  ihr  die  nötigen  Verhaltungsmassregeln  giebt. 
Sparsamkeit  ist  das  erste  Gebot.  Valere  unterstützt  ihn  hierbei 
treulichst  und  erregt  dadurch  das  besondere  Missfallen  des 
Kutscher-Kochs    maltre    Jacques.      Mariane    wird    durch    Fro- 


1  Diese  Szene  findet  sich  ähnlich  in  der  Belle  Plaideuse  (1655) 
von  Franeois  le  Metel,  sieur  de  Boisrobert  (gest.  16i>2).  Vgl.  Loth- 
eissen.  IV,  51.  —  Beauchamps,  Becherehes.  II.  134.  — '  Rigault, 
Hist.    S.  77. 


Molieres  Avare.  293 

sine  bei  Harpagon  eingeführt  (7.  8.)  und  von  diesem  freund- 
lichst begrüsst  (9.),  was  sie  aber  durchaus  nicht  für  ihn  ge- 
winnt (10.)  Cleante  macht  an  Stelle  seines  Vaters  die  Honneurs 
(11.)  in  einer  Weise,  die  für  den  letzteren  unerträglich  wird,  da 
ihm  Cleante  einen  prächtigen  Diamant  vom  Finger  zieht  und 
ihn  Mariane,  trotz  allen  Widerstrebens  des  Vaters,  verehrt.  (12.) 
Harpagon  wird  abgerufen  (13.  14.)  und  überträgt  Valere  die 
Aufsicht.   (15.) 

IV.  Akt.  (1.)  Cleante,  Mariane,  Elise  und  Frosine 
beraten  sich  über  die  weiter  zu  ergreifenden  Schritte.  Harpa- 
gon kömmt  (2.)  noch  eben  recht,  um  zu  sehen,  Avie  sein  Sohn 
seiner  künftigen  Stiefmutter  die  Hand  küsst.  Da  er  mit  Cleante 
allein  ist  (2.),  sucht  er  ihn  auszuforschen  und  erfährt  denn  auch, 
dass  sein  Sohn  Mariane  liebe  (3.),  und  dass  „toutes  vos  menaces 
ne  feront  rien".  Maitre  Jacques  wird  als  Schiedsrichter 
gerufen  (4.)  und  versteht  sich  trefflich  aus  der  unangenehmen 
Sache  zu  ziehen,  indem  er  mit  jedem  vereinzeint  verhandelt  und 
jeden  glauben  macht,  der  andere  gebe  nach.  Kaum  ist  maitre 
Jacques  fort,  (5.)  so  geraten  sie  beide  heftig  aneinander,  und  mit 
allen  Flüchen  eilt  der  Alte  ab.  La  Fleche  hat  die  Kassette  Har- 
pagons  im  Garten  erspäht  und  ausgegraben  (6.)  und  überbringt 
sie  nun  Cleante  mit  den  Worten  „voici  votre  affaire".  Harpa- 
gon hat  den  Diebstahl  sofort  entdeckt  und  giebt  (7.)  seinem 
Schmerz  in  dem  trefflichen,  stellenweise  Plaut us  entlehnten 
Monologe J)  Ausdruck. 

„Au  voleur!  au  voleur!  a  Tassassiii!  au  meurtrier!  Justice,  juste 
ciel!  Je  suis  perdu,  je  suis  assassine;  on  m'a  coupe  la  gorge:  ou  m'a 
derobe  mon  argent.  Qui  peut-ce  etre?  Qu'est-il  devenu?  Oü  est-il?  Ou 
se  cache-t-il?  Que  ferai-je  pour  le  trouver?  Oü  courir?  Oü  ne  pas  cou- 
rir?  N'est-il  point  lä?  N'est-il  point  ici?  Qui  est-ce?  Arrete.  (A  lui 
meme,  se  prenant  par  le  bras.)  Rends-moi  mon  argeut,  coquin  .  .  .  Ah! 
c'est  moi!  Mon  esprit  est  trouble,  et  j'ignore  oü  je  suis,  que  je  suis  et 
ce  que  je  fais.  Helas!  mon  pauvre  argent!  mon  pauvre  argent!  mon 
eher  ami!  on  m'a  prive  de  toi;  et  puisque  tu  m'es  enleve,  j'ai  perdu 
mon  support,  ma  consolation,  ma  joie:  tout  est  fini  pour  moi  et  je  u'ai 
plus  que  faire  au  nionde.  Sans  toi,  il  m'est  impossible  de  vivre.  C'eu 
est  fait;  je  n'en  puis  plus;  je  nie  meurs;  je  suis  niort;  je  suis  enterre. 
N'y  a-t-il  personne  qui  veuille  me  ressusciter,  en  me  rendaut  mon  eher 
argent,  ou  en  m'apprenant  qui  l'a  pris?  Euh!  que  dites-vous?  Ce  n"est 
personne.  II  faut  qui  que  ce  soit  qui  ait  fait  le  coup,  qu'avec  beaueoup 
de  soin  on  ait  epiä  l'heure;  et  l'on  a  choisi  justement  le  temps  que  je 
parlais  ä  mon  traitre  de  fils.  Sortons.  Je  veux  aller  querir  la  justice, 
et  faire  donner  la  question  ä  toute  ma  maison,  ä  servants,  ä  valets,  ä 
fils,   ä  fille,   et  ä  moi  aussi.     Que  de  gena  assembles!    Je  ne  jette  mes 


')  Willi.  Wagner  (Ausg.  der  Aulularia)  bemerkt  zu  /'.  7n."> 
(Peru  u.  s.  w.)  (S.  148):  „Moliere's  masterly  Imitation  of  this  sceue 
should  be  compared  with  Plautus,  though  it  is  difficult  to  deeide, 
which  is  the  better,  the  original  or  the  imitatiou." 


294-  ni.   Aulularia. 

regards  sur  personne,  qui  ne  me  donne  des  soupgons,  et  tout  nie  semble 
iiion  voleur.  He!  de  quoi  est-ce  qu'on  parle  lä?  de  celui  qui  m'a  Ae- 
robe? Quel  bruit  fait-on  lä-liaut?  Est-ce  mon  voleur  qui  y  est?  De 
gräce,  si  l'on  sait  des  nouvelles  de  mon  voleur,  je  vous  supplie  que  l'on 
m'en  dise.  N'est-il  point  cache  lä  parmi  vous?  Ils  me  regardent  tous, 
et  se  mettent  ä  rire.  Vous  verrez  qu'ils  ont  part,  saus  doute  au  vol 
que  l'ou  m'a  fait.  Ällons,  vite,  des  commissaires,  des  archers,  des  pre- 
vots,  des  juges,  des  genes,  des  potences,  et  des  bourreaux.  Je  veux 
faire  pendre  tout  le  monde;  et  si  je  ne  retrouve  mon  argent,  je  me 
pendrai  moi-meme  apres." 

V.  Akt.  (1.)  Der  Gerichtskommissär  ist  zur  Unter- 
suchung gekommen.  Diesen  Umstand  benützt  maitre  Jacques  (2.), 
seine  Rache  an  V alere  zu  kühlen,  indem  er  den  Verdacht  des 
Diebstahls  auf  diesen  lenkt.  Valere  (3.)  glaubt,  Harpagon 
habe  seine  Liebe  zu  Elise  entdeckt:  und  obwohl  er  vor  dem 
Vater  etwas  reiner  dasteht,  als  Lykonides  und  seine  Nachfolger, 
sagt  er  doch:  ,.il  est  vrai  que  j'ai  commis  une  offense  envers 
vous".  Und  was  konnte  ihn  hierzu  veranlassen?  ..Die  Liebe." 
..Bei  amour,  bei  amour,  ma  foi,  l'amour  de  mes  louis  d'or!"  Ver- 
geblich versichert  Valere,  dass  ihn  nicht  die  Rücksicht  auf  eine 
reiche  Aussteuer  dazu  führte:  das  Missverständnis  ist  hier  lange 
fortgesponnen. 

Val.      Je  ne  Tai  point  enlevee;  et  eile  est  encore  ckez  vous. 
Harp.    (apart)  0  ma  chere  cassette!  (Haut)  Elle  n:est  point  sortie  de 

ma  maison? 
Val.       Xon,  Monsieur. 

Harp.    He,  dis-moi  donc  un  peu;  tu  n'y  as  point  touche? 
Val.       Moi,  y  toucher  .  .  . 

u.  s.  w.,  bis  es  sich  endlich  aufklärt.  Elises  Liebe  bringt  Har- 
pagon von  neuem  zum  Wüten  (4.);  er  macht  ihr  die  heftigsten 
Vorwürfe.  (5.)  Um  sich  zu  rechtfertigen,  erklärt  in  Anselmes 
Gegenwart  Valere,  dass  er  nicht  gewöhnlicher  Abkunft  sei.  Er 
sei  der  Sohn  des  Don  Thomas  Alburci,  und  so  stellt  es  sich 
heraus,  dass  Anselme  der  Vater  Val  er  es  und  Mari  an  es  ist. 
Nun  hält  sich  Harpagon  an  den  Vater  des  Diebes.  Cleante 
aber  (6.)  beendet  den  Schmerz  Harpagons,  indem  er  ihm  ver- 
spricht, sein  Geld  ihm  zurückzuerstatten,  wenn  er  ihm  Mariane 
giebt.  Für  den  alten  Geizhals  hat  sonst  nichts  auf  der  Welt 
Wert.  Gleichgültig  gegen  das  Schicksal  seiner  Kinder  lässt  ei- 
nlies geschehen,  da  er  seine  „chere  cassette"  erhält  und  Anselme 
den   Kommissär  bezahlt. 

Wenn  man  Moli  er  es  unmittelbarste  Vorgänger,  von  dem 
antiken  Dichter  Plautus  ganz  abgesehen,1)    ins    Auge    fasst,    so 


')  Brom  ig,   Vergleich,   der  Aulularia   und   des  Avare'.     Burgstein- 
furt 1854.   —   Saegelken,   De  Molierii  fabula  avari  nomine  inscripta. 


Molieres  Avare.  295 

kann  man  nicht  rühmend  genug  anerkennen,  wie  anständig  Mo- 
liere den  Stoff  gestaltet  hat,  der  ursprünglich  mit  so  der- 
ben Szenen  ausgestattet  war:  und  wie  er  trotzdem  keine  der- 
selben gänzlich  aufgegeben  hat,  ob  er  auch  nicht  gerade  sehr 
vieles  direkt  aus  Plautus  zog1)  und  besonders  wörtlich 
wenig  in  den    „Avare"    überging.2) 

Trotz  abwerfender  Urteile  über  Moliere3)  und  des  Tadels, 
der  verschiedenen  Einzelheiten,  zum  Teile  mit  Recht,  geworden 
ist, 4)  muss  man  sich  doch  auf  die  Seite  jener 5)  stellen,    die  M  o  - 


Bremae  1856.  —  H.  König,  L: Avare  de  Moliere  et  l'Aululaire  de 
Piaute.  Corback  (Gym.  Progr.)  1871.  11  S.  4°.  —  J.  Scheltz,  L'Avare 
de  Moliere  et  l'Aululaire  de  Piaute.  Eisleben  (Realschul-Progr.)  1872. 
—  Wi  Klingelhöf  fer,  Piaute  iinite  par  Moliere  et  par  Shakespeare, 
üarrnstadt  1873.  —  H.  Groon,  Comparaison  entre  l'Avare  de  Moliere 
et  l'Aululaire  de  Piaute.  (Programm  des  k.  Domgymnasiums.)  Verden 
1874  75.    (S.  2— 32.)  —  Vgl.  Lotkeissen.    IV,  51  und  69. 

')  Ussing.  I,  272.  Molierii  autem  act.  I,  scen.  3.  compares,  si 
placet,  cum  Plauti  v.  40  sqq.  et  622  sqq.;  act.  IV,  scen.  7.  cum  v.  705 
sqq.;  act.  V,  scen.  3.  cum  v.  723  sqq.  —  Groon,  1.  c.  pag.  28.  Aulul.  I,  1 
u.  IV,  4  =  Mol.  I,  3;  Aulul.  IV,  9  =  Mol.  IV,  7;  Aulul.  IV,  2  =  Mol.  V,  3. 

-)  Etwa  V.  41.  Circumspectatrix  u.  s.  w.  =  I,  3  „im  traitre  dont 
les  yeux  maudits  assiegent  toutes  mes  actions".  V.  45.  Tibi  ego  ratio- 
nem  reddam  stimulorum  meorum  =  ebenda:  C'est  bien  ä  toi,  pendard, 
ä  me  demander  des  raisons;  V.  52.  At  ut  scelesta  sola  secum  murmurat 
=  ebenda:  Tu  murmures  entre  les  dents;  V.  636.  Ostende  etiam  tertiam 
=  les  autres;  V.  653.  Euch  Juppiter  te  dique  perdant.  Strob.  Haud 
agit  male  gratias  =  I,  3..  Harp.  Va-t-en  &  tous  les  diables!  La  Fleche: 
Me  voilä  fort  bien  congedie;  das  „sans  dot"  stammt  aus  V.  237.  At  nil 
est  dotis  quod  dem.  V.  290.  Pumex  non  aeque  aridus  =  II,  5.  II  n'est 
rien  de  plus  sec  et  de  plus  aride  que  ses  bonnes  gräces  et  ses  caresses; 
und  natürlich    V.  709.  Peru  u.  s.  w. 

3)  Vgl.  Hurds  Urteil  oben  S.  263,  A.  1.  Auch  Schlegel  kritisiert 
den  „Avare"  so  scharf,  dass  Taschereau  (Hist.  de  la  vie  et  des  ouvr. 
de  Moliere)  meint,  es  geschehe  nur  aus  Rache  „ä  venger  son  pays  de 
l'oppression  de  Napoleon".  (!) 

')  Vgl.  z.  B.  Kreyssig  (Gesch.  der  frz.  Nationallitteratur):  „Ein 
erfahrener  Wucherer,  der  seinen  Geldkasten  vergräbt,  ein  Mann,  der 
nicht  zwei  brennende  Lichter  im  Zimmer  leiden  mag  (V,  5),  der  ohn- 
mächtig wird,  wenn  sein  Koch  ihm  den  Küchenzettel  eines  massigen 
Abendbrots  vorträgt  —  und  dieser  seltene  Mann  im  Besitz  von  Kutsch- 
pferden, eines  Intendanten  und  zum  Überfluss  sterblich  in  ein  armes 
Mädchen  verliebt  und  ein  Nebenbuhler  seines  Sohnes  —  das  siud  Farben, 
die  sich  in  dem  Porträt  einer  einzigen  Person  nicht  vertragen,  möge 
der  Glanz  jeder  einzelnen  immerhin  nichts  zu  wünschen  übrig  lassen." 
S.  gegen  diesen  letzten  Einwurf  bei  Sulzer  I,  4SÜ-1  „der  Misanthrop 
niuss,"  wie  Diderot  sagt,  „sich  in  eine  Kokette,  Harpagou  in  ein  armes 
Mädchen  verlieben."  —  Groon,  1.  c.  pag.  24.  erklärt  sieh  auch  gegen  die 
Szene  zwischen  Harpagon  und  Frosine,  und  jene,  wo  das  Souper  bestellt 
wird,  und  fiudet  (pag.  26)  Plautus  gegenüber,  dass  dort  die  aula,  liier 
aber  Cleante  und  Valeres  Liebe  die  Hauptsache  sei. 

:>)  Fuhrmann  (Ildbch.  III.  11):  ..  I  »er  (iei/.iev  des  Moliere  übertrifft 
jedoch  das  Plautussche  Original  weit."  —  W.  Wau'ner.  De  Plauti  Au- 
lularia  (Bonn  1864),  zweifelt  nicht,  „quin  Molierius  Plautum  lonue 
superaverit". 


296  IH-   Aulularia. 

Her  es  grossen  Fortschritt  gegenüber  Plautus  anerkennen  und 
mit  Malirenlioltz  zugestehen,1)  dass  er  ..tiberall  sein  Vorbild 
verschönert  und  verbessert"  habe.  Welche  Fülle  neuer  Szenen 
hat  Moli  er  e  geschaffen!  Welch  vollendetes  Lustspiel  hat  er  zu- 
stande gebracht,  ohne  die  Grundlinien  zu  verwischen!  Jede 
Figur,  jedes  Wort  lässt  sich  noch  aus  dem  Urbilde  heraus  ent- 
wickeln, ob  sie  auch  zu  dem  sittlichen  Anstände  gehoben 
ist,  den  die  moderne  Bühne  verlangt.  Wahrlich  der  alte. 
Dichter  darf  es  dem  französischen  Autor  danken,  dass  er  eines  sei- 
ner Lustspiele  so  populär  gemacht  und  auf  Jahrhunderte  hinaus  der 
Bühne  aller  Nationen  in  so  klassischer  Form  wiedergeschenkt  hat. 
Nach  dem  Erscheinen  des  Moliereschen  „Avare"  hatten  die 
direkten  Nachahmungen  der  plautinischen  Aulularia  so  ziem- 
lich ihr  Ende  genommen.  Rein  hold  Lenz  ausgenommen,  war 
für  alle  späteren  Moliere  die  Quelle,  und  vielleicht  nur  ein 
flüchtiger  Blick  traf  das  Original.  Congreves  Lustspiel 
„Love  for  LoA^e1'2)  basiert  auf  dem  Avare3)  und  andern  Mo- 
liereschen Stücken.  In  zahlreichen  Übersetzungen  ging  der 
übrigens  auch  in  der  Heimat  mannigfach  umgestaltete4)  Avare 
durch  die  Welt.  In  Deutschland  finden  sich  in  einer  älteren 
Sammlung  übersetzter  prosaischer  Stücke  (Frankfurt  1670,  8°,  3.  T.,) 
schon  Molieresche  Stücke,  z.B.  der  Geizige;5)  nachher  spielte 
man  im  Jahre  1735  in  Hamburg  nach  Job.  Neubers6)  Über- 
setzung den  Geizhals,  später  in  der  Bearbeitung  von  Heinrich 
Zsc  hocke,  die  in  Weimar  im  Jahre  1806  keinen  Beifall  errang.7) 
In  Spanien  ist  aus  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  ..El 
Avariento"  des  Don  Manuel  de  Iparraguirre8)  und  ..El 
Avaro"    des    Don    Luciano   Francisco    Cornelia9)    zu   nennen. 


')  Moliere.    S.  235. 

2)  London  (H.  Scheurleer,  F.  Z.  1752).    126  S. 

3)  Malirenlioltz  a.  a.  0.    S.  324.  378. 

4)  Clans,  1.  c.  S.  69:  LAvare,  comedie  de  Moliere  en  cinq  actes, 
mise  en  vers  avec  des  changeniens,  par  M.  Mailhol.  Bouillon,  de 
l'imprimerie  de  la  societe  typographique  1775,  zuerst  im  Odeon  1813 
dargestellt.  —  Harpagon,  comedie  en  trois  actes  d'apres  Moliere. 
arrangee  pour  im  divertissement  de  jeunes  gens,  et  adoptee  au  theätre 
du  College  de  Cambrai  par  Alteyrac  (Cambrai,  Hurez  1806).  —  L'Avare, 
comedie  en  cinq  actes  et  en  prose  de  Moliere,  mise  en  vers  blancs  .  .  . 
par  le  comte  de  St.  Leu.  Korne  1825.  — ■  L'Avare,  comedie  en  cinq 
actes  de  Moliere,  mise  en  vers,  par  Antonie  Eastoul.    Avignon  1836. 

5)  Haniburgische  Tlieatergescliichte  von  Joh.  Fried.  Schütze. 
Hamburg  1794.    S.  39. 

6)  Schweitzer.    S.  126. 

7)  Weber  (Zur  Gesch.  des  Weim.  Theat.).  S.  165.  ..In  Weimar 
gefiel  Molieres  Geiziger  in  der  Bearbeitung  von  Zschocke  nicht. 
Er  wurde  am  13.  Nov.  1806  und  nur  uoch  einmal  gegeben." 

8)  Barrera  y  Leirado,    Catäl.    S.  196.   —  Moratin.l.  c.    S.  50. 
•')  Moratin,  1.  c.    S.  62. 


Molieres  Avare.  297 

In  Dänemark  war  1722  das  Theater  zu  Kopenhagen  mit  einer 
Übersetzung-  von  Molieres  Geizigem  eröffnet  worden.1)  In 
Holland  hatte  man  den  Geizhals  des  Pluismei;'2)  in  Ungarn 
die  Bearbeitung  von  Christoph  Simai,  der  sich  mancherlei  nicht 
gerade  zweckmässige  Änderungen  erlaubte;3)  ferner  die  neueren 
Übersetzungen  von  Gabriel  Döbrentey4)  und  Gabriel 
Kazinezky. 5) 

Einer  späteren  Umgestaltung  des  Moliereschen  Lustspieles 
zu  dem  lateinischen  Stücke  Philoehrysus  seil  Avarus  des 
Jesuitenpaters  Leja)7  (1697)  ist  schon  oben  (S.  72)  gedacht 
worden.  Der  Monolog  des  Avarus,  der  den  Diebstahl  entdeckt 
hat,  mag  am  besten  zeigen,  in  welchem  Verhältnisse  das  Stück 
zu  seinen  Quellen  steht,  weshalb  er  hier  in  der  Übersetzung 
Boy ss es6)  folgt: 


')  Prutz,  Holberg.    S.  146. 

2)  Molieriste.  1,155.  En  Hollande  toutes  les  traduetions  publiees 
vers  la  fin  du  XVHe  et  le  commencenient  du  XVIIIe  siede  sout  eu  vers. 
Je  ne  citerai  que  la  traduetion  de  l'Avare  par  Pluismer.  (Bibliog.  Mo- 
lieresque  n°-  703.) 

3)  Molieriste.  I,  184.  La  premiere  comedie  importante  du  po&te 
traduite  en  hongrois  a  paru  aussi  dans  le  courant  de  la  meine  annee: 
Christophe  Simai,  de  l'ordre  des  Peres  pies  a  traduit  l'Avare.  Sa 
traduetion  a  paru  dans  le  premier  volume  du  „Magyar  Jatekszin",  edite 
par  Jean  Endrödi.  La  traduetion  avait  pour  titre  „Zsugori,  telhetetlen 
fosveny  ember"  (Harpagon,  l'avare  insatiable).  Simai  n'a  pas  traduit. 
mais  il  a  remanie  cette  comedie  ce  que  beaueoup  d'ecrivains  ont 
fait  dans  presque  toutes  les  litteratures  de  l'Europe.  II  a  change  les 
noms  des  personnages  en  noms  hongrois ;  il  a  transporte  la  scene  ä  Rt'v- 
Komärom.  Mais  le  tradueteur  ne  se  contenta  pas  de  changer  les  noms 
et  la  scene.  Simai  voulut  rendre  le  sujet  plus  iuteressant  et  il  fit  pre- 
ceder  sa  comedie  de  cette  exposition  singuliere:  ,.Au  temps  de  l'Empe- 
reur  Leopold,  dit-il,  les  revoltes  ont  ruine  la  maison  d'un  noble;  son 
fils,  ainsi  chasse  de  la  maison  paternelle  fut  eleve  par  des  gens  com- 
patissants.  Plus  tard  il  se  mit  ä  la  recherehe  de  son  pere.  Apres  l'avoir 
cherche  en  maint  endroits  il  suivit  l'indication  d'un  marchand  et  se 
rendit  ä  Rev-Komärom.  Avant  de  retrouver  ses  parents  et  sa  scbut  il 
y  prit  service  dans  la  maison  d'un  homme  riebe  nomine  .Lencses',  le 
meme  que  nous  appelons  dans  la  jüece  .Zsugori'  (vHaiq)agon)  ä  cause  de 
son  avarice  sordide.  Plus  tard,  il  epousa  Christine,  la  fille  de  son  maitre, 
qu'il  avait  sauvee  au  peril  de  sa  propre  vie  des  mains  de  quelques  va- 
gabonds."  Le  tradueteur  a  invente  cette  histoire  pour  donner  uue  cer- 
taine  actualite  ä  sa  piece  et  pour  exciter  l'interet  des  lecteurs.  Les 
changements  de  Simai,  comme  bien  on  pense,  ne  furent  pas  avautageux 
ä  1' original.  —  Vgl.  Schweitzer.    3.    S.  84. 

')  Molieriste.  I,  186.  L'Avare  de  Döbrentey  (1821)  n'esl  plus 
une  imitation,  c'est  une  traduetion  fidele  et  consciencieuse  de  l'origimil. 
Döbrentey  a  siqiprime  la  XUe  scene  du  IIP  acte  et  la  scene  V  de 
l'acte  IV,  dans  lesquelles  —  ä  son  avis  —  s'etait  egare  le  genie  de  Me- 
liere. —  Schweitzer.    S.  86. 

5)  Im  Jahre  1863.  —  Molieriste.    L  187.  —  Schweitzer.    S.  87. 

r')  A.  a.  0.    S.  213. 


298  HI.   Aulularia. 

„Par  Lei!  Pur  Lei!  Au  secours!  Arretez  les  fuyards!  Tuez-les!  .  .  . 
i  II  entre  en  scene.)  Malheur  ä  moi!  Oü  aller?  Que  faire?  Tout  nie  man- 
que,  Les  forces,  l'äme,  la  voix.  Quoi?  Qu'est-ce?  J'entends,  je  vois  des 
voleurs  ici.  lä,  partout.  Ils  s'eufuient  de  ce  cöte  .  .  .  Ali!  je  les  tiens  .  .  . 
Miserables!  Rendez-moi  mon  argent  ou  bien  .  .  .  Mais  non,  mes  yeux  me 
tronvpent  ...  Tis  s'echappent  de  mes  mains.  Je  n'ai  plus  qu'ä  mourir. 
A  quoi  bou  vivre.  si  la  joie,  l'honneur  de  ma  vie,  si  mon  or  m'est  en- 
leve?  (Ses  enfants,  sou  frere,  son  esclave  aecoureut.)  Ali!  voilä  les 
traitres,  voilä  cette  bände  de  voleurs.  Quel  supplice  leur  inniger? 
Courez!  courez!  que  l'on  prepare  les  cbaines,  les  prisons,  le  l'er,  les 
croix,  que  toute  cette  infame  maison  perisse!  Ah!  detestables  enfants 
qui  avez  commis  ce  crime!  Et  vous  neu  avez  point  de  honte?  (On  lui 
demande,  de  quel  crime  il  s'agit.)  Quel  crime?  Vous  deniandez  quel 
crime  vous  avez  commis;  alors  que  vous  depouillez  votre  pere.  Rendez- 
moi  mon  argent,  ou  vous  perirez.  (II  menace  son  fils  aine  qui  proteste.) 
C'est  donc  le  plus  jeune  qui  est  le  coupable.  Viens  ici!  Avoue  ton 
crime,  ou  je  te  corrigerai  si  bien  que  tu  rendras  ton  äme  sous  les  coups. 
(Le  plus  jeune  sc  defend,  montre  ses  poches.  A  son  neveu.)  C'est  donc 
le  fils  de  Pamphile  qui  a  conseille  ce  crime.  (Celui-ci  reclame.  A  son 
esclave.)  Je  t'attendais,  voleur;  par  quel  sortilege  as-tu  reussi  jusqu'ä 
present  ä  eviter  la  mort  de  mes  propres  mains  .  .  .  Mais  rien  n'est  perdu. 
Cette  main  frappera  ta  tete  criminelle.  (II  le  frappe.  Son  frere  inter- 
vient.)  Toi  aussi,  tu  es  leur  complice;  tu  ue  rougis  pas  de  tremper  dans 
de  pareilles  machinations.  Helas!  que  devenir!  Toute  ma  maison  con- 
spire  contre  moi.  Domestiques,  frere,  enfants,  tout  le  monde  en  veut 
ä  ma  vie.  (II  s'attendrit.)  Vous  tous,  par  ces  genoux  que  j'embrasse, 
que  j'inonde  de  mes  larmes,  rendez-moi  mon  argent  si  vous  l'avez." 

Eine  Übersetzung    der  Aulularia    lieferte   1761   Grirauld.1) 


Direkt  aus  der  lateinischen  Quelle  schöpfte  der 
Niederländer  P.  C.  Hooft  (S.  81).  Sein  „Warenar",'2)  der 
im  Jahre  1617  in  der  Amsterdamschen  Akademie  aufgeführt 
wurde,  ist  genaii  nach  der  Aulularia  gearbeitet  und  hat 
das     Lob,     das    ihm     Hugo     de     Groot,3)     der    grosse     Dichter 


')  Schweiger,  Handbuch.    II,  2. 

2)  Cluchtighe  Comedy  van  Ware-nar,  dat  is,  Aulularia.  nae  's 
lants  gelegentheit  verduitscht.  Die  Ausg.  von  1617  (C.  L.  van  der  Plassen, 
Amsterdam,  4°)  ist  selten  und  in  drei  Exemplaren  auf  der  Haarlemer 
Stadtbibliothek;  1626  (Amst,,  W.  J.  Wijngaerts,  4°);  1630  (Rotterdam, 
J.  van  Waesbergen,  4°);  1634  (Amst.,  4°)  (fälschlich  oft  als  erste  Ausg. 
zitiert);  1638  (Amst..  D.  C.  Hout-Haeck,  4°);  1657.  1661  (Amst.,  Lescailje, 
8°);  1667,  8°;  1678  (Amst..  J.  Boumann,  8°);  1695  (Amst.,  Lescailje,  8U); 
17l9  (Amst.,  Lescailje,  8");  1724  (Amst.,  8°);  1726.  1729.  —  Im  Jahre  1841 
hat  die  Letterkundige  Paculteit  der  Hochschule  Leiden  eine  philo- 
logische Erklärung  Warenars  und  einen  Vergleich  mit  Plautus  und 
Moliere  als  Preisaufgabe  gestellt,  die  M.  de  Vries  löste,  und  deren 
Bearbeitung  sich  in  der  vortrefflichen  Ausgabe  findet:  P.  C.  Hoofts 
Waren ar,  met  eene  inleiding  en  aanteekeningen  door  M.  de  Vries. 
Leiden  (H.  W.  Hazenberg  &  Co.)  1843. 

3)  Hugo  de  Groot  schreibt  in  einem  Briefe  an  P.  'C.  Hooft  vom 
24.  Januar  1617:    ..Ik  zende  VE.  wederom   de  Aulularia,   een   trans- 


Hoofts  Warenar.  299 

Vondel,1)    Janus   Broekhousius, -)    u.   a.    reichlich    spendeten, 
treulich  verdient. 

Das  Stück  leitet  ein  Prolog-  (voorreden)  der  Miltheit  und 
Gierigheit  ein,  und  noch  zum  Schlüsse  berichtet  uns  die 
Miltheit: 

Dit  spei  zal  Pottery  heeten,  zoo  gy  't  meught  veeleu, 

Spraekinakende  gemeent.     Plautus  heeft  het  doen  speien 

Voor  burgers  en  eelen  van  't  Roomsche  bloet. 

'T  is  een  Huis-got  die  by  hem  de  voorreden  doet; 

Maer  om  dat  gy  van  zulk  got  niet  veel  hebt  hooren  zeggen, 

Zoo  heeft  de  Overzetter  diens  rol  my,  Miltheit,  toe  gaen  leggen: 

Plautus  stelt  de  geschienis  al  hat  inen  ze  't  Athen  bespeurt, 

Maer  wat  is  'ver  ook  dat  't  Amsterdam  niet  en  beurt? 

Dus  nemen  wy  best  behende  plaeten  en  straetjens; 

Niemant  trek  hem  iet  aen,  't  zyn  maer  hoofde  lozose  praetjens. 

Eerste  Bedryf.  (1.)  Der  Geizhals  Warenar  hadert  mit 
seiner  Magd  Reym,  dass  sie  stets  als  Aufpasserin  herumstehe. 
Aus  seinem  Selbstgespräche  entnehmen  wir,  dass  er  befürchtet, 
sie  möchte  ihm  seinen  Schatz    „aus  dem  Neste  nehmen". 

Krijght  ze  de  snof  van  de  pot  mit  gelt  iu  de  neus, 
Ik  bin  armer  man  as  de  gevangen  slaven. 
Nu  moet  ik  de  vloer  ieus  weer  op  gaen  graven, 
En  zien  of  ze  noch  staet  zoo  ik  ze  heb  esteld. 

Er  eilt  ah,  um  nach  seinem  Schatze  zu  sehen,  und  wir  er- 
fahren nun  von  Reym,  dass  Warenar  ein  böser  Herr  sei. 
Nächte  lang  wache  er:  man  wisse  den  Grund  nicht.  Noch  mehr 
Sorge  aber  bereite  ihr  die  Tochter  des  Alten,  „die  op  haer 
uiterste  gaet,  beladen  niet  kint,  en  haest  zal  moeten  baeren.  •' 
(2.)  Befriedigt  kehrt  Warenar  zurück;  dem  Schatze  fehlt  nichts. 
Seine  Vorschriften  an  Reym  haben  zunächst  seine  Armut  im 
Auge.  „Arm  ben  ik,  dat  weet  ik  wel."  (3.)  Frau  Gertruid 
redet  ihrem  Bruder  Rijkert  zu,  sich  eine  Frau  zu  nehmen  und 
empfiehlt  ihm  nachdrücklichst  Warenars  Tochter.    (4.)  Warenar 

laat,  't  welk,  mijns  ordeels,  het  origineel  in  veele  de  eleu 
overtreft.  Ik  heb  het  zelve  niet  eens,  maar  meermaal  overlezen,  met 
zonderling  plaizier,  zulks  dat  ik  het  mede  stel  onder  de  instrumenten, 
gedient  hebbende  tot  herneeminge  van  mijne  gezoudtheit." 

')  fPoe'zy  D.  II.  bl.  234.  1G70.)  Ein  eigenes  Epigramm:  op  In  f 
kluchtspel  vau  Warenar  met   zynen  pot: 

Den  Eidder  Hooft  beving  een  zucht 
Te  volgen  Phallus  nutte  klucht, 
Op  Warnars  naem  een  vrekke  zot, 
Beangst,  bekommeri   vom-  zyn'  pot  u.  s.  w. 
2)  Ad   Tibulliuin,    pag.    128:    „Noli    commjttere,    quin    inspicias 
Hoofdii    nostri    Aululariam,    expressissim'äm    verissimamque 
imaginem  antiquae  ac  vernaculae  festivitatis." 


300  III.    Aulularia. 

kömmt  eben  recht.  Nach  kurzem  Gespräche  mit  Rijkert  kömmt 
er  wieder  auf  seine  Armut   zu  klagen. 

Ik  klaegh  over  de  armoed'  die  ik  moet  lyen; 
Ik  heb  daer  een  eenige  dochter  te  vryen, 
Daer  ik  niet  mee  geven  kau,  myn  lieve  maet, 
Zoo  komt  het  toe  datier  ook  niemant  nae  staet. 

Da  ihm  nun  Rijkert  sagt,  er  habe  ihm  etwas  zu  sagen,  be- 
fürchtet Warenar  bereits,  er  habe  es  auf  seinen  Sehatz  — 
het  katshooft1)  —  abgesehen  und  macht  sich  schnell  fort,  um 
nach  demselben  zu  sehen.  Es  ist  alles  in  Ordnung.  Rijkert 
verlangt  nun  Warenars  Tochter  zur  Ehe.  Er  beansprucht  keine 
Mitgift,  und  so  soll  noch  diesen  Abend  die  Hochzeit  beschrieben 
werden.  Immerhin  aber  vermutet  Warenar  noch,  dass  Rijkert 
um  den  Schatz  wisse  und  darum  das  Mädchen  freie.  (5.)  Er  macht 
darum  Reym  arge  Vorwürfe,  dass  sie  überall  Gerüchte  von  seinem 
Reichtum  verbreite  und 

„dat  ik  myn  dochter  met  groot  goet  ten  huwelijk  gae  besteden". 

Endlich  teilt  er  ihr  mit,  dass  sie  diesen  Abend  verlobt  werden 
soll.  Reym  meint  zwar,  das  würde  Kosten  verursachen,  „dat 
zel  wat  kosten;"  aber  Warenar  fällt  erfreut  ein:  „Im  Gegen- 
teile, der  Bräutigam  hält  mich  frei!"  „de  bruigom  houdt  me  vry." 
—  Reym  ist  selbstverständlich  über  die  Mitteilung  stark  betroffen. 
Braut   —   in  diesem  Zustande! 

De  bruit,  de  bruit  te  worden!  en  z'  is  op  hei  uitersle  zweier! 

Tweede  Bedryf.  (1.)  Das  Mahl  zur  Verlobung  wird  be- 
reitet. Lekker,  der  Diener  (jongen),  Casper  (hoofmeester)  und 
der  Koch  Teeuwes  wollen  in  Thätigkeit  treten,  wobei  ihnen 
Reym  die  Versicherimg  giebt,  dass  Holz  und  sonstiges  Brenn- 
material nicht  zu  ünden  sei.  (2.)  Warenar  ist  unterdessen  auf  dem 
Markte   gewesen,   hat  aber  seine  Einkäufe  beschränkt: 

„'T  wordt  zoo  liebt  niet  ewonnen  as  verslempt  of  verzopen." 

Da  hört  er  drinnen  im  Hause  Teeuwes  dem  Küchenjungen  von 
einem  kleinen  Topfe  etwas  zurufen: 

„deze  pol  is  te  klein!" 

Sofort  stürzt  er  ins  Haus,  sein  Herz  klopft  aus  Angst  um  seinen 
Geldtopf. 

')  Mit  „Katzenkopf"  bezeichnet  er  ein  nach  oben  sich  erwei- 
terndes Gefäss  von  der  Gestalt  eines  Katzenkopfes,  dessen  Henkel  die 
Ohren  der  Katze  vorstellen  sollen. 


Hoofts  Warenar.  30l 

Derde  Bedryf.  (1.)  Teeuwes  klagt  über  die  schmähliche 
Behandlung,  die  er  von  Warenar  erlitten  habe.  (2.)  Alsbald 
setzt  dieser  seine  Beschimpfungen  fort,  da  die  Köche  ohne  seine 
Erlaubnis  und  in  seiner  Abwesenheit  in  sein  Haus  gedrungen 
seien.  Wieder  sieht  er  nach  dem  Schatze  und  schickt  (3.)  dann 
den  Koch  in  die  Küche  zurück.  (4.)  Rijkerts  Verlobung  be- 
schäftigt  ihn  noch  fortgesetzt;  er  glaubt  noch  immer,  er  habe  es 
auf  sein  Geld  abgesehen.  Selbst  als  er  Zeuge  eines  langen 
Monologes  (5.)  wird,  in  welchem  Eijkert  die  Vorzüge  aus- 
einandersetzt, die  darin  liegen,  wenn  einer  ein  armes  Mädchen 
heiratet,  da  die  reiche  Frau  auch  in  ihren  Ansprüchen  weit- 
gehe und  so  ihre  Mitgift  wieder  verbrauche,  freut  er  sich  zwar 
momentan  dieser  Anschauungen  seines  Schwiegersohnes,  doch  aber 
glaubt  er,  im  ferneren  Gespräch  wieder  Anspielungen  auf  seinen 
Schatz   zu  finden: 

..Hy  weet  van  de  Pot;  de  meit  heeft  me  verraen  - 

Eijkert  entfernt  sich,  um  abends  mit  dem  Notar  wiederzukommen. 
Warenar  aber  fasst  den  Entschluss,  seinen  Geldtopf  auf  dem 
Armensünderfriedhof  (het  Ellendige  kerkhof)   zu  verscharren. 

Vierde  Bedryf.  (1.)  Lekker  hat  nach  langem  vergeh- 
lichem  Suchen  den  Liebhaber  von  Warenars  Tochter,  Klärchen, 
den  jungen  Ritsert,  gefunden  und  erzählt  nun,  welchen  Eindruck 
auf  den  Jüngling  die  Nachricht  machte,  dass  sein  Oheim  seine 
Geliebte  heiraten  wolle.  Da  er  Warenar  heranschleichen  sieht, 
tritt  er  zurück,  um  ihn  zu  beobachten.  (2.)  Warenar  kommt 
mit    seinem    Topfe   zu  dem   Armensünderfriedhof.      Sein   Herz: 

„deeunt  in  nie  lijf.  of  't  ien  danskaemer  was ;" 

Da  entdeckt  er  Lekker;  erzürnt  prügelt  er  ihn  und  jagt  ihn  mit 
dem  Befehle  weiter,  sich  nicht  mehr  umzusehen.  —  Die  nächste 
(3.)  Szene  spielt  vor  Warenars  Hause.  Ritsert  gesteht  seiner 
Mutter,  dass  er  Klaartje,  Warenars  Tochter,  liebe,  und  dass 
sie  von  ihm  guter  Hoffnung  sei;  sie  möge  doch  mit  dem  Onkel 
darüber  sprechen.  —  Lekker  hat  mittlerweile  Warenars  Rat, 
nicht  umzusehen,  schlecht  befolgt.  Er  hat  den  Alten  belauscht 
and  kommt  nun  mit  dem  entwendeten  Geldtopfe,  sich  seines 
Reichtums   freuend: 

..im  bin  ik  /im  rijk  as  't  waeter  diep  is." 

Kaum  ist  er  weg,  so  stürzt  Warenar,  der  sein  Geld  ver- 
misst.    herein: 


302  HI.   Aulularia. 

Ocli  hadd'  ik  hei  weer  m  waer  slechts  esturven  dan. 

Wat    l<i im i    m\   over,  ik  bin  ien  bedurven  mau. 

Houdt  den  dief!    houdt  den  dief!   Wat  dief?  'k  wel  niet,  liy  is  al  deur. 

Heeft  'er  niemant  de  dief  ezieu?  niemant  niet?  niemant  niet? 

Of  ky  gaet,  of  liy  staet,  of  hy  loopt,  of  liy  vliedt, 

Ik  zel  hem  nae  schrijven  in  alle  langden. 

Vroome  burgers,  ik  hidd'  'et  je  mit  gevouwe  hangden. 

Vroome  burgers,  stae<  by,  helpt   mijn  op  deze  tocht 

Wal   grinnikje?  onder  jou  luv  is  al  mee  versckiet  van  dieven 

Ja  wel,  verlies  ik  het  gelt,  ik  verlies  mijn  zinnen. 

Auf  sein  Angstgeschrei  läuft  Ritsert  herzu.  Was  ist  zu  thun? 
Er  muss  es  denn  eingestehen: 

,,'T  groote  woord  moet'er  uit!" 

Er  glaubt  nämlich,  Warenar  habe  von  dem  Zustande  seiner 
Tochter  erfahren.  Er  tritt  denn  hin  vor  ihn:  „Ik  heb't  ge- 
daen,  ik  ken  't.  „„Wat  zeghje  daer?""  ruft  der  Alte.  „De 
waerheit. " 

Auf  Warenars  weiteren  Vorhalt   erwidert  Ritsert: 

'k  was  'er  toe  gedrongen,  het  heeft  zoo  willen  zijn. 

—     Ik  beken  't,  ik  heb  groffelijk  misdreven, 

En  bidd'  jou,  neemt  het  dus  euvel  niet.  maer  wilt  het  my  vergeven. 

Im  Trünke  und  aus  Liebe  ist  es  geschehen,  und  es  muss  und 
wird  nun  wohl  so  bleiben.  „Was!  So  bleiben?  Her  damit!"  dounert 
Warenar,   worauf  Ritsert  naiv  entgegnet: 

Wat  wilje  van  mijn  hebben?  jou  dochters  maeghdom? 
Hon  zoud:  ik  je  daer  aen  helpen,  't  is  immers  te  laet. 

Doch  will  er  alles  gut  machen:  niemand  anderm  soll  sie  mehr  ge- 
hören. „Geefje  niet  weer?"  „„Was  denn?""  „De  Pot  mit  het 
gout."  ..„Ich  weiss  von  keinem  C4olde. ""  „Du  hast  es  aber  ein- 
gestanden." „„Wie?  ein  Dieb  soll  ich  sein?""  Nun  erst  wird  alles 
klar.    Um  die  Tochter  handelt  es  sich. 

Ik  heb  liaer  onteert, 

En  z'  is  rechtevoort  op  't  uiterste  zwanger. 

Noch  mehr  jammernd  geht  Warenar  ins  Haus,  Ritsert 
bleibt  vor  demselben  stehen. 

Vyfde  Bedryf.  (1.)  Hier  wartend,  belauscht  Ritsert  Lekker, 
der,   noch   seines   Glückes  voll,    auftritt: 

Grien  keuningh  mijns  gelijk,  't  zy  Turk  of  Karsten. 


Hooi'ts  Warenar.  303 

Da  er  sich  entdeckt  glaubt,  gesteht  er  Ritsert  seinen  ge- 
lungenen Diebstahl,  ist  aber  sehr  enttäuscht  zu  hören,  dass  Rit- 
sert Warenars  künftiger  Schwiegersohn  ist.  —  Zu  Reym  (2.) 
gesellt  sich  Gertruid  (3.),  und  im  Gespräche  mit  ihr  giebt  Reym 
eine  prächtige  Schilderung  von  Klaartjes  Persönlichkeit  und 
ihrer  häuslichen  Geschicklichkeit.  (4.)  Lekker  redet  Ritsert 
zu,    den   Schatz  noch  nicht  zurückzugeben. 

..*T  weer  geven  körnt  vroegh  genoegh." 

Ritsert   aber  will   kein  unrechtes   Gut;    er  begrüsst   (5.)  den  auf- 
tretenden Warenar  mit  der  freudigen  Nachricht: 

„Jon  Pot  is  bekouwen  mit  al  het  gout." 
Warenar  ist  wohl  befriedigt:   allein   er  hat  sich  geändert. 

0  Pot,  wat  hebje  nie  hertzeer  ekost! 
k  wil  niet  weer  an  den  dangs,  'k  heb  'er  qualijk  by  ervaeren; 
;k  zel  mijn  leven  gien  potten  mit  gelt  meer  bewaeren; 
Ik  bin  dat  spul  al  moe,  dat  's  rain  nit  ezeit. 

Er  hat  genug,  um  für  seine  Person  zu  leben,  und  schenkt 
die  Summe  den  Verlobten.  Selbst  Lekker  (6.)  erhält  für  sich 
noch  fünfhundert   Gulden. 

H'ooft  hat  sich  genau  an  Plautus  gehalten,  ohne 
gerade  ein  knechtischer  Übersetzer  desselben  zu  blei- 
ben.1) Vor  allem  hat  er  den  Schluss  selbständig  er- 
funden,-) worüber  Jonckbloet   (Gesch.   d.   nied.   Litt.,    deutsch 


')  Ausg.  von  de  Vries,  S.  XXIV.  ..Hij  kende  de  blijspelen  van 
Plautus  enTerentius,  hij  bragt  er  uren  van  kunstgenot  mede  door  .  .  . 
Zelfs  eene  oppervlakklige  vergelijkiug  zal  toonen,  dat  Hooft  meer  is 
geweest  dan  een  bloot  vertaler,  dat  hij  oordeelkundig  uagevolgd  en  het 
stuk  met  nieuwe  vindingeu  verrijkt  heeft." 

2)  Ibid.,  S.  XXrX.  „Zoodanig  eu  verschil  (von  Plautus)  heeft  plaats 
in  de  voorrede,  die  het  blijspel  voorafgaat,  en  sterker  nog  in  het  gansche 
laatste  bedrijf  ...  In  het  laatste  bedrijf  van  het  blijspel  moest  eene 
grootere  afwijking  van  het  oorspronkelijke  den  oordeelkundigen  navolger 
noodzakelijk  voorkommen.  Dit  gedeelte  hing  te  naauw  met  de  Eomein- 
sche  zeden  te  zamen,  dan  dal  hei  op  een  Hollandsch  töoneel  gepasl 
zoude  geweesl  zijn.  De  slaaf  bij  Plautus,  den  scliat  bemagtigd  hebbende, 
deell  dit  gelukje  terstond  aan  zijnen  meester  Lyconides  mede.  Wal 
toch  zou  een  slaaf  mel  eene  zoo  groote  som  gelds  kunnen  aanvahgen? 
De  strenge  tucht,  waaronder  hij  gebukl  ging,  maakte  hem  hei  bezil  van 
goud  even  lastig  als  autteloos,  en  de  onverhoopte  vnnd  kon  hem  niet 
anders  opbrengen,  dan  de  hoop  op  bei  verkrijgen  zijner  vrijheid.  Maar 
Lyconides  weigert  hem  die.  Welnu.  hij  geeft  voor  hei  geheele  berigl  uit 
scherts  te  hebben  verzonnen,  en  niel  eerder  komt  hij  toi  de  bekentenis 
der  waarheid,  niet  eerder  stell  hij  zijnen  heer  den  gevonden  schal  ter 
band,  dan  nadal  hij  daarvoor  zijne  vrijlating  bedongen  heeft.  Maar 
geheel  anders  zou  een  hedendaagsch  Loonbediende  in  een  dergelijk  geval 


304  III.  Aulularia. 

von  W.  Berg)  II,  134  sieh  äussert:  „Hooft  hat  auch  den 
Schluss  geändert.  Da  sich  bei  Plautus  der  Sklave  des  Schatzes 
bemächtigt,  zeigt  er  es  sogleich  seinem  Herrn  an,  indem  er  da- 
durch seine  Freiheit  zu  erhalten  hofft.  Als  ihm  das  nicht  ge- 
lingt, giebt  er  vor,  das  Erzählte  nur  ersonnen  zu  haben;  schliess- 
lich wird  er  freigelassen  und  stellt  seinem  Herrn  den  Schatz 
wieder  zurück.  Für  diese  Szene  hatte  natürlich  die  Amsterdamer 
Welt  keinen  Boden:  deshalb  liess  Hooft  den  geraubten  Topf 
mit  Geld  von  Lekker  verbergen,  der  den  Inhalt  zu  seinem 
eigenen  Vorteil  verbrauchen  wollte.  Ritsert  überfallt  ihn,  ent- 
deckt sein  Geheimnis  und  zwingt  ihn,  den  Schatz  dem  Eigen- 
tümer zurückzugeben.  Diese  Veränderung  erhält  in  allen  ihren 
Einzelnheiten  eine  echte  Amsterdamer,  aber  zugleich  auch  eine 
echt  komische  Färbung.  Auch  die  andern  Szenen  des  letzten 
Aktes  sind  Hoofts  Erfindung.  ...  Er  dichtete  einen  neuen 
Schluss  hinzu,  in  welchem  unter  anderm  der  Magd  Reym  Lob- 
spruch auf  Klaartjen  vorkömmt,  der  wirklich  ganz  eigen- 
artig ist.-'  J) 

Wie  bei  Plautus,  ist  die  Strasse  die  Szene  geblieben;  doch 
ist  die  ganze  Handlung  lokalisiert.  Wie  genau  indessen  sich 
Hooft  an  Plautus  hielt,  und  wie  geschickt  er  die  richtigen 
Worte  fand,  um  das  Original  deckend  wiederzugeben,  mögen 
einige  (meist  schon  von  Prof.  Vries  in  seiner  Ausgabe  bezeich- 
nete)  Stellen   erweisen. 

V.    40.      Exi,  in  quam',  age  u.  s.  w. 

Her  uit.  zegh  ik.  her  uit:  ik  zegh  je  fluks  her  uit. 

Zij  wroet  mit   heur  oogen  as  ien  varken  mit  zijn  snuit. 
V.     71.     TSescio  pol,  quae  illunc  hominem  intemperiae  tenent. 

Me  dmickt  dat  jou  de  Bolwurm  quelt. 
V.  150.     Lapides  loqueris. 

Stien  veur  mijn  pot. 
V.  215.     Aurum  huic  olel. 

Hij  heeft  de  pot  gerooken. 
V.  237.     At  nil  est  dotis  quo  l  dem. 

Ik  kan  'er  niet  mee  geven 
V.  238.      du  in  in  Kilo  morata 

Ik  trouw  ze  om  haer  goed  manieren. 
V.  269.     niam  probrum  atqua  partitudo  prope  adest 

en  z'  is  op  het  uiterste  zwaer. 

handelen.  Hooft  gevoelde  dit,  en  daarom  laat  hij  Lekker  den  ont- 
vreemden  pot  verbergen,  ten  einde  hij  van  den  inhoud,  na  aftrek  der 
door  hem  zoek  gemaakte  gelden  van  zijnen  heer.  eens  regt  vrolijk  en 
lustig  zijn  mögt,  Doch  Ritsert  overtalt  hem,  ontdekt  zijn  geheim,  en 
zijne  hoop  is  verijdeld.  Hij  moet  den  schat  aan  den  eigenaar  afstaan, 
en  mag  zieh  gelukkig  rekenen.  er  op  het  laatst  nog  niet  een  ruim  ge- 
schenk  af  te  komen  .  .  .  (XXXI)  Zo  heeft  dan  Hooft  in  het  laatste  ge- 
il'.'lt.-  van  het  stuk  zijn  voorbeld  verre  overtroffen." 

■)  Vffl.  Bakhuizen  van  den  Brink.    Gids.  1843.    S.  571. 


Hoofts  Warenar.  305 

V.  218.  sed  erus  nuptias 

Mens  hodie  faciet. 

Mijn  miesters  kylik  gaet  t'  aevout  voort. 
V.  415.     Res  ipsa  testis  est. 

Den  kemel  zij  myn  tuych! 
V.  469.     Narraui  amicis  multis  u.  s.  w. 

Somma,  daer  heb  ik  esproken  mit  al  de  vrienden, 

Zij  pryzen  de  vryster,  zij  pryzen  de  vaer. 

3Iij  dimkt  ook,  dat  'et  wel  dapper  orber  waer. 

Dat  de  rijke  vrijers  alteinet  een  arme  dochter  gingen  trouwen, 

'T  zou  dienen  om  de  stat  in  beter  eendraght  te  houwen, 

Voorzeker,  wy  zouwen  min  gequelt  zijn  van  de  nijt. 
T.  492.      Nulla  ergo  dicat  u.  s.  w. 

Dan  waer  uit.  bet  geen  men  nu  daegelijks  boort  snappen: 

Waerom  zon  ik  niet?  't  zijn  mijn  sckijven  die  'er  klappen, 

Ik  beb  'er  zoo  viel  ingebrocbt.  of  mier  as  jy: 

'k  wil  Sondaegbs  in  't  tamast  gaen,   en  's  werkedaeghs  in  ar- 
mozy  u.  s.  w. 
V.  546.     Quid  sit,  me  rogitas  u.  s.  w. 

Dat  meugbje  wel  vraegen,  je  zoudt  me  daer  't  huis  vol  dieven. 

Wat  bad  ik  daer  ien  krioel,  wat  was  'er  gewauwels, 

En  biele  galgb  mit  koks  en  drie  vier  bondert  krauwel, 

AI  eerlooze  scbelmen.  overgeven  en  st  out. 

Elk  mit  twie  paer  banden,  nae  mijn  beste  onthout. 
V.  575.     Edepol  nae  tu,  aula,  multos  inimicos  habes. 

0  Pot,  wat  gaet  'er  mennigb  man  op  jou  lijf! 
V.  635.     Osteiide  huc  manus  u.  s.  w. 

War.     War  zijn  jou  bangden? 

Lekk.  Daer  is  de  een.  en  daer  is  de  aer. 

War.     Fluks  de  derde  mee ! 
V.  742.     Quia  nun  uilio  atque  amoris  feci. 

Ik  beb  bet  uit  een  dronkenscbap  en  uit  liefden  gedaen. 

Ebenso  ist  die  Rede  des  Strobilns  (Y.  697:  Pices  diuitiis) 
und  jene  des  Lykonides  mit  Enklio  (Y.  724  ff.)  genau  beibe- 
halten.     Wenn   Strobilus  (P.    750)   sagt: 

„Ego  sum  ille  rex  Philippus," 

so  denkt  Hootts   Lekker  zunächst  an  Philipp    von  Spanien  und 
dünkt   sieh: 

Ik  bin  de  koningh  van  Spanjen. 

Die  Charakteristik  der  einzelnen  Personen  ist  dieselbe  ge- 
blieben. Hooft  hat  „den  Fehler  des  Originals-:1)  ein  Armer, 
der  einen  Geldtopf  findet,  wird  eher  verschwenderisch,  als  geizig. 
Richtiger  hat  darum  Molieres  Harpagon  sein  Geld  erworben, 
nicht  gefunden.  Ein  weiterer  Fehler  Hoofts  ist  es.  dass  er  sei- 
nen Geizhals  sich  so  schnell  bessern  läs^t.  Auch  (lies  tli.i!  Rtoliere 
nicht,   weshalb  ihm  de  Vries  den  Vorzug  giebt. 

Hoofts  Lustspiel,  auf  dessen  Abfassung  der  Dichter  nur  neun 


')  de  Vries.    S.  XXXV;  Jonckbloet,  1.  c.    II,  184. 

20 


306  III.  Aulularia. 

Tage  verwendete,1)    fand   eine   vorzügliche  Aufnahme  und  wurde 
noch   1670  gespielt. 


Was  sich  hei  den  Engländern  an  Nachahmungen  der 
Aulularia  findet,  ist  durch  Molieres  Avare  veranlasst,  nicht 
direkt  aus  Plan  tu  s  geschöpft  worden. 

Im  Jahre  1672  erschien  „The  Miser:  a  Comedy  acted  hy 
His  Majesty's  Servants,  at  the  Theater  Royal.  Written  hy  Tho- 
mas Shadwell.  London.  Printed  for  Thomas  Collins  and 
John  Ford." 

In  dem  preface  erklärt  er  seine  Abhängigkeit  von  Moliere 
mit  folgenden  Worten:  The  foundation  of  this  play  I  took  from 
one  of  Moliere's  called  L'Avare,  hut  that  having  too  few  per- 
sons,  and  to  little  action  for  an  English  Theatre,  I  added  to 
both  so  much  that  I  lnay  call  more  than  half  of  this  play 
my  own. 

Eine  zweite  Auflage  erschien  im  Jahre  1691 :2)  A  comedy 
called  the  Miser.  Acted  at  the  Theatre  Royal.  Written  hy 
Thomas  Shadwell.  London.  Printed  for  H.  H.  &  T.  C.  and  sold 
hy  Francis   Sannders  &&. 

Auf  keinem  der  beiden  Titelblätter  wird  Molieres  Name 
genannt. 

Der  Freundlichkeit  der  k.  Bibliothek  zu  Berlin  verdanke 
ich  die  Kenntnis  einer  französischen  Übersetzung  Shadwells 
in  ..Lettre  sur  le  theatre  anglois,  avec  une  traduetion  de  1' Avare, 
Comedie  de  M.  Shadwell,  et  de  la  femme  de  Campagne,  Co- 
medie de  Wicherley.  1752."  (Bd.  I,  S.  71—408.)  Die  alberne. 
Verballhornung  des  Moli  er  eschen  Avare,  der  hier  als  der 
reiche  Goldingham  der  Schrecken  seiner  Kinder  Theodore  und 
Theodora  ist,  weicht  ziemlich  stark  vom  Originale  ab,  obwohl 
wieder  lange  Szenen  fast  wörtlich  mit  demselben  übereinstimmen. 
Es  ist  leicht  begreiflich,  dass  Shadwells  (1640 — 1692)  Arbeit 
ihm   keine   Anerkennung  eintragen   konnte.3) 


>)  Jouckbloet.    n,  132. 

-  Nach  Haliwell,  S.  171;  wo  es  ferner  heisst:  „by  the  author's 
own  confession  (it)  is  founded  on  tlie  Avare  of  Moliere  which  is  itself 
also  builted  on  tlie  Aulularia  of  Plautus.  Shadwell,  however,  has  hy 
no  means  been  a  niere  translator,  but  also  added  considerably  to  bis 
original."  —  Le  Molieriste.  I,  150.  L'Avare  tres-connu  des  Anglais 
par  les  traduetions,  imitations,  adaptations  ou  alterations  de  Shadwell 
(et  de  Fielding). 

3)  Mahrenholtz  in  Herrigs  Archiv.  Bd.  LXI.  S..  349.  —  M.  de 
Muralt  urteilt  in  seinen  Lettres  sur  les  Anglois  j(pag.  26)  über 
Shadwell:  „Ces  nouveaux  personnages,  dont  parle  Shadwell,  jouent  une 
espece  de  farees  entre  eux  qui  se  passent  ä  enivrer  un  jeune  homnie,  ä 


Shadwell.     Wycherley.     Steele.  307 

Die  Aulularia,  deren  lateinische  Aufführung  1564  in 
Cambridge  bereits  (S.  76)  erwähnt  wurde,  hat  auch  Ben  Jonson 
in  „The  Devil  is  an  Ass"  (F.  91,  Quod  quispiam  ignem  quaerat 
— -   ne  intromiseris,    V.  100)  im  Ange  gehabt.  *) 

Fuhrmann  (Hdb.  III,  41)  giebt  an:  „Desgleichen  Wicher- 
lys2)  Geiziger  sind  Nachahmungen  dieses  Stücks."  Ein  solches 
Stück  Wycherlys  ist  mir  nicht  bekannt  geworden.  In  The 
dramatic  works  of  Wycherley,  Congreve,  Vanbrugh  and  Farquhar, 
with  biographical  and  critical  notices  by  Leigh  Hunt  (London, 
Routledge,  Warne  1860),  finden  sich  nur  die  bekannten  vier 
Stücke:  (Love  in  a  wood  or  St.  James's  Park.  The  gentleman 
dancing-master.  The  country-wife.  The  Piain  Dealer.)  Hettner 
und  Taine  führen  kein  weiteres  an,  Rapp  kennt  es  nicht.  Auch 
in  der  biographischen  Einleitung  von  Leigh  Hunt  (IX — XIX) 
ist  keine  Nachahmung  der  Aulularia  oder  des  Avare,  wobl 
aber  der  Misanthrope  Moli  eres  erwähnt:3)  und  weder  Pope, 
wo  er  von  der  Chronologie  der  Stücke  Wycherlys  handelt  (S.  X), 
noch  ein  Artikel  des  Athenaeums  vom  27.  Jan.  1841  (S.  LXXXII) 
kennen  ein  solches  Stück. 

Eine  flüchtige  Reminiszenz4)  des  Moliereschen  Avare 
rindet  sich  auch  in  Steeles  (gest.  21.  Sept.  1729)  Lustspiel 
..The  tender  husband,  or  the  accomplished  fools",  das 
1704  erschien,5)  im  fünften  Akte,  in  der  zweiten  Szene.  Das 
übrige  Stück  hat  mit  Moliere  nichts  zu  thun.  In  wenig  Wor- 
ten wird  (S.  19)  von  einem  ..unnatural  longdived  father"  oder 
(S.  25)  „a  fellow  that  drolls  on  the  strength  of  fifty  thousand 
pounds-  gesprochen,  und  Sir  Harr}*  Gubbins  Anschauungen 
über  Aussteuer  (Girls  are  drugs,  Sir,  mere  drugs)  entsprechen 
mutatis  mutandis  jenen  Harpagons.  Die  Moliere  direkt 
nachgeahmte  Szene  beruht  auf  der  Schilderung  des  Inventars 
(Avare  II,  1),  das  der  Wucherer  an  Geldesstatt  absetzen  will. 
(S.    83): 


le  filouter  et  ä  lui  faire  epouser  une  fille  de  joie.  C'esi  La  moitie  de  la 
]'!<<•<'  que  l'auteur  reclame  si  modestement,  et  que  jamais  personne  ne 
confondra,  je  crois,  avec  l'autre  moitie.-  (Bei  Rigault,  Eist,  de  la 
querelle  etc.    S.  312.) 

'i  Vgl.  auch  Ben  Jonson,  eil.  Gifford.    V.  50  u.  liier  S.  :l!s. 

-)  Auch  Wicherley,  Wycherlj  ;  geboren  um  L640;  gestorben  1715 
(nicht  1705). 

3)  Sein  j,Plain-Dealer  is  an  English  version,  in  it^  principal  cha- 
racteristics,    of    the    Misanthrope    "I'   Moliere".     (Ed.    Leigh    Hunt. 

pag.  xvn.) 

')  Vielleicht  besser  gesprochen  mit  Rapp  (Stud.)  S.  269  ..ein  viel 
zu  plumpes  Plagial   an-  Molieres  A.vare". 

5)  Das  Lustspiel  finde!  sich  „adapted  for  theatrical  representation 
as  performed  at  the  Theatres-royal,  Drurj  baue  and  Covenl  Garden". 
London  1791  (John   Bell).     Nach  dieser  Ausgabe  ist   hier  zitiert. 

20* 


308  III.  Aulularia. 

Sir  Harry:  Nay,  if  yo  come  to  your  Iteras  —  Look  ye,  Mr.  Tipkirt, 
this  is  an  Inventory  of  such  Goods  as  were  left  to  my  Xiece  Bridget  by 
her  decessed  Father,  aud  which  I  expect  shall  be  forth -Coming  at  her 
Marriage  to  my  Son.  —  Imprimis  a  golden  Locket  of  her  Mother's,  with 
something  very  ingenious  in  Latin  on  the  inside  of  it.  Item,  a  Couple 
of  Musquets,  with  two  Shoulderbelts  and  Bandeliers.  Item,  a  large 
silver  Caudle-cup.  with  a  true  Story  eugraven  on  it. 

Pounce.     But,  Sir  Harry  — 

Sir  Harri/.  Item,  a  base  Yiol.  with  almost  all  the  Strings  to  it, 
aud  only  a  small  Hole  on  the  Back. 

Pounce.     But,  nevertheless,  Sir  — 

Sir  Harry.  This  is  a  Furniture  of  my  Brother's  Bedchamber,  that 
follows  —  A  Suit  of  Tapestry  haugings,  with  the  Story  of  Judith  and 
Holofernes,  torn  only  where  the  Head  should  have  been  off  —  an  old 
Bedstead  curiously  wrought  about  the  Posts,  consisting  of  two  Load  of 
Timber  —  a  Hone,  a  Bason,  three  Bazors,  and  a  Comb-case  —  —  Look 
ye,  Sir,  you  see  I  can  Item  it. 

Vollständig-  auf  Moliere  beruht  Henry  Fieldings 
(S.  79)  The  Miser,1)  a  comedy  taken  from  Plautus  and 
Moliere  as  it  was  aeted  at  the  theatre  -  roval  in  Drury- 
Lane    1732.  2) 

In  der  Widmung  an  den  Herzog  von  Richmond  and  Le- 
nux  wird  Moliere  erwähnt  und  bemerkt:  the  theatre  hath 
declared  loudly  in  favour  of  the  Miser.  Der  Herausgeber  erklärt 
über  den  Miser:  „originally  Plautus,  secondarily  Moliere, 
thirdly  Shadwell,  and  fourthly  our  ineomparable  Henry  Fiel- 
ding, have  dramatised  this  subject.  The  present  play  is  that 
of  the  latter  of  the  gentlemen.  It  is  a  free-spirited  translation, 
and  keeps  possession  of  the  stage.  To  the  mere  translator  of 
foreign  productions  but  slender  praise  can  be  afforded  —  but 
when  translation  is  performed  by  original  genius  it  acquires  a 
native  charaeter,  differing  mueh  from  the  unnatural  fiavour  of 
forced    exotics." 

Ähnlich  spricht  sich  der  ..Prologue,  written  by  a  friend",  aus: 

To-night  the  author  treats  you  with  Moliere; 

Moliere!  who  Nature's  inmust  secrets  knew, 

Whose  justest  pen  like  Kneller's  pencil  drew. 

In  whose  strong  scenes  all  characters  are  shewn, 

Not  by  low  jests.  but  actions  of  their  own. 

Happy  our  English  bard  if  you  applause 

Graut  he  's  as   mit  mjur'd  the  French  author's  cause, 

From  that  alone  arises  all  his  fear: 

He  must  be  safe,  if  he  ha-  sav'd  Moliere. 


')  Franckhen.  Auluh.  pag.  XXI. 

-  Hier  ist  zitiert  nach  der  Ausg.  von  1791,  London  (John  Bell), 
„adapted  for  theatrical  representation  etc.:'  —  Ferner  findet  sich  die 
Komödie  auf  S.  959 — 981  in  „The  works  of  Henry  Fielding.  Complete 
in  one  vokrme.  With  Memoir  of  the  author".  By  Thomas  Roscoe. 
London  1840. 


H.  Fieldings  Miser.  309 

I.  Akt.  (1.)  Lovegolds  (Harpagons)  Haus.  —  Läppet, 
maid  to  Mariana,  the  glory  of  all  ehambermaids  (S.  58),  hat  einen 
kleinen  Liebesstreit  mit  Fredericks  Diener,  Raniilie  (la 
Flecke).  Wheedle  kömmt  dazu,  und  ihr  erzählt  nun  Läppet 
einige  Familiengeheimnisse  ihrer  Herrin  Mariana.  Sie  sei  im 
vorigen  Sommer  von  einem  jungen  Mann  aus  dem  Wasser  ge- 
zogen Avorden  (Avare  I,  1;  V.  4),  also  den  Vorgang  zwischen 
Valere  und  Elise.  (2.)  Clerimont  und  Harriet,  Lovegolds 
Tochter,  entsprechen  hier  Valere  und  Elise.  Der  Dialog  ist 
ziemlich  wörtlich  beibehalten.  „Why  are  you  melancholy,  my 
dear  Harriet?  do  you  repent  that  promise  of  yours,  which  has 
made  nie  the  happiest  of  mankind?"  *)  Elises  Worte  jedoch: 
Helas,  cent  choses  ä  la  fois  u.  s.  w.,  hat  hier  Clerimont:  „And 
dost  thou  not  for  me  hazard  the  eternal  anger  of  thy  father, 
the  reproaches  of  a  family,  the  censures  of  the  world,  u.  s.  w." 
—  Harriets  Bruder,  Frederick,  tritt  auf;  er  eilt  auf  seine 
Sclrwester  zu:  Dear  Harriet,  good  morrow,  I  am  glad  to  find  you 
alone,  for  I  have  an  affair  to  impart  to  you,2)  und  teilt  ihr  dann, 
wie  Cleante,  sein  Geheimnis  mit:  In  a  word  —  I  am  in  love. 3) 
Frederick  ist  noch  glühender,  als  Cleante;  er  kann  nicht  drei 
Tage  mehr  leben.  Auf  die  Frage,  wer  seine  Liebste  sei,  er- 
widert er:  she  is  a  most  intolerable  coquette  —  she  is  almost 
eternally  at  cards  —  her  fortune  is  very  small,  kurz,  sie  heisst 
Maria  na.  Unterdessen  hört  man  draussen  den  alten  Lovegold 
schimpfen.  Es  folgt  eine  ziemlich  getreue  Kopie  von  Moliere  I,  3 
(Harpagon   und  la  Fleche): 

Lovegold.  Answer  nie  not,  sirrah,  but  get  you  out  of  my  house. 
Kam.  Sir,  I  am  your  son's  servaut  not  yours, 

eine  energischere  Antwort,  als  sie  la  Fleche  hat,  der  nur  in 
„mon  maitre,  votre  fils"  auf  sein  Verhältnis  zu  Harpagon  hin- 
weist. Das  Weitere  ist  wie  bei  Moliere.  „I  will  have  no  spy 
lipon  my  affairs,  no  rascal  continually  prying  into  all  my  actions, 
devouring  all  I  have,  and  hunting  about  in  every  corner  to  see 
what  he  may  steal, "  ohne  dass  Ramilie  das  köstliche  „etes-vous 
im  komme  volable?"  erwidert.  Wie  Harpagon  über  die  „grands 
hauts-de-chausses"  urteilt,  so  Lovegold  "these  bootsleeves  were 
certainly  intended  to  be  the  receivers  of  stolen  goods".  Während 
der  Alte    von    seinen    „three    thousand   guineas-    spricht,     kommen 


')  Avare.    I,  1.     He  quoi,   charmante  Elise    vous   devenez    melan- 
colique  .  .  .  vous  repentez-vous  de  cet  engagemenl  .  .  . 

2)  Avare.    I,  2.    Je  suis  bien  ;iis<-  ilc  vous  trouver  seule,  ma  sceur; 
et  je  brülais  de  vous  parier,  pour  m'ouvrir  ü  vous  d'un  secret. 

3)  Avare.    I.  2.    ...  dans  un  mot.    J'aime. 


:5|0  III.    Aiilularia, 

seine  Kinder,  Frederick  und  Harriet.  Die  folgende  Szene 
schliesst  sich  engstens  an  Moliere  (I,  5)  an.  „I  was  saying  to 
myself  in  this  great  scarcity  of  money,  what  a  happiness  it  would 
be  to  have  three  thousand  gnineas  by  one  u.  s.  w. "  Alsdann 
rückt  er  mit  seiner  Liebe  zu  Mariana  hervor.  Frederick  ent- 
fernt sich,  wie  Cleante:  „a  sndden  dizziness  has  seized  nie, "  ohne 
dass  ihn  der  Alte,  wie  Harpagon,  auf  „im  grand  verre  d'eau 
claire"  verwiese.  Harriet  erfährt  nun,  dass  sie  Mr.  Spindle 
(Spindel)  heiraten  soll.  Während  ihres  Protestes  kömmt  Cleri- 
rnont,  und  die  feine  Szene  „sans  dot!"  —  hier  „without  aportion!" 
—   spielt  sich  nach  Moliere  (I,   6)   ab. 

II.  Akt.  (1.)  Ramilie  erzählt  seinem  Herrn,  welche  Ge- 
schäfte  er  mit  dem  Wucherer  gemacht  habe.  Auch  Frederick 
soll  verschiedenes  alte  Zeug,  darunter  „several  valuable  books, 
amongst  which  are  all  the  Journals  printed  for  these  five  years 
last  past,  handsomely  bound  and  lettered",  anstatt  Geld  annehmen. 
Das  Fernere  entwickelt  sich,  indem  Decoy  (==  Fallenfänger),  mit 
dem  Alten  sprechend  eintritt  und  Frederick  als  den  erkennt,  der 
die  fünfhundert  Pfund  borgen  will.  Wie  bei  Moliere  tröstet 
sich  Lovegold:  I  am  not  sorry  for  this  accident;  it  will  make  me 
henceforth  keep  a  stricter  eye  oyer  bis  actions.  —  (2.)  Harriet 
und  Mariana  führen  ein  höchst  oberflächliches  Gespräch,  wobei 
die  der  Zeit  eigenen  Seitenhiebe  auf  die  Medizin  und  ihre  Ver- 
treter (wohl  nach  Moliere)  nicht  fehlen.1)  Harriet  erzählt 
Mariana,  dass  ihr  Vater  sie  heiraten  wolle,  was  sie  mit  Spott  und 
lautem  Lachen  aufnimmt.  (.3.)  Garten.  —  Läppet  und  Ramilie 
sprechen  von  dem  Alten.  Läppet  hofft,  von  ihm  etwas  zu  be- 
kommen, wozu  ihr  Ramilie  wenig  Hoffnung  macht.  Lovegold 
gegenüber  spielt  nun  Läppet  die  Rolle  der  Moliereschen  Fro- 
sine.  Sie  setzt  ihm,  wie  im  Avare,  den  Wert  einer  armen, 
aber  sparsamen  Frau  auseinander  und  rühmt  Marianas  Vorliebe 
für  die  alten  Herren.  (S.  45):  „None  of  your  smock-fac'd  young 
fellows,  your  Adonises,  your  Cephaluses,  your  Parises  and  your 
Apollos:  no  Sir,  you  see  nothing  there  but  your  handsome  figures 
of  Saturn,  king  Priam,  old  Nestor  and  good  father  Anchises 
upon  bis  son's  Shoulders."  Bei  alledem  gelingt  es  ihr  aber  nicht, 
das  bischen  Geld,  das  sie  brauchte,  ihm  abzulocken,  und  mit  ähn- 
lichen Verwünschungen,  wie  Fr os ine,  schliesst  sie  den  zweiten  Akt. 
III.  Akt.      (1.)    Lovegold    findet    seine    Kinder  bei  Cleri- 


')  Mar.     I  have  had  such  an  intolerable  cold,  ehikl,  that  it  was  a 
miracle  I  have  recovered;  for,  ray  dear,  would  you  think, 
;i   had  uo  less  than  three  doctors? 
Har.    Nay,  then  it  is  a  miracle,  you  recovered,  indeed. 
Mar.    Oh,   child,    doctors  will  never  do  me  any  llarm;   I  uever 
take  any  thing  they  prescribe. 


H.  Fieldings  Miser.  311 

mont,  was  ihm  ganz  recht  ist.  „This  is  a  prudent  young  man, 
and  vou  cannot  converse  too  miich  with  liim:  he  will  teach  yon 
.  .  .  better  sense  than  to  horrow  money  at  fifty  per  eent." 
Lovegold  hat  sich  entschlossen,  ein  Souper  zu  geben;  James 
vertritt  Kutscher  und  Koch:  Clerimont  stellt  sich  auf  Love- 
golds  Seite,  indem  er  den  „ verschwenderischen "  James  prügelt, 
wie  hei  Moliere.  (2.)  Läppet  erzählt  Ramilie,  wie  der 
Alte  hei  Mariana  Fredericks  Rivale  sei.  Lovegold  ver- 
handelt mit  Msr.  Wisely,  Marianas  Mutter,  und  Mariana 
seihst.  Weniges  ist  hier  nach  Moliere,  wie  etwa  Lovegolds 
Anrede:  It  is  not  that  your  charms  do  not  sufhciently  strike  the 
naked  eye,  or  that  they  want  addition;  hut  it  is  with  glasses,  we 
look  at  the  stars,  and  I  '11  maintain  you  are  a  star  of  heauty, 
that  is  the  finest,  hrightest  and  most  glorious  of  all  stars  (Avare 
III,  9).  Im  Folgenden  äussert  hei  Moliere  Mariana  ihren  Ab- 
scheu vor  dem  Alten  Frosine  gegenüber,  und  diese  berichtet 
Harpagon  fälsch;  hier  aber  ist  es  verletzend  und  an- 
stössig,  da ss  Mariana  ihre  Bemerkungen,  wie:  oh  nauseous 
filthy  fellow!  ah  wliat  an  animal,  what  a  wretch!  u.  a.,  der 
eigenen  Tochter  Lovegolds  macht  und  diese  hinwiederum 
ihren  Vater  scherzhaft  über  Marianas  Äusserungen  belügt.  Wie 
bei  Moliere,  spielt  Freder  ick  den  Brillantring  seines  Vaters  in 
Marianas  Hand.  —  Lovegold  wird  hinausgerufen,  und  unter- 
dessen wickelt  sich  eine  Fielding  angehörige  Szene  ab. 
Mariana  leugnet  in  Fredericks  Gegenwart,  ihn  jemals  geliebt 
oder  Liebe  zu  ihm  bekannt  zu  haben,  und  beschwert  sich  heftig- 
über  das  von  den  Geschwistern  gegen  ihren  guten  Ruf  unter- 
nommene Komplott.  Als  Lovegold  zurückkehrt,  beklagt  sich 
Msr.  Wisely  ernstlich  über  die  ihr  widerfahrene  Kränkung,  so 
dass  dieser  in  Zorn  über  seine  Kinder  gerät.  Mariana  schmeichelt 
ihm  auf  alle  Weise.  ..If  you  were  five  years  younger,  I  should 
utterly  detest  you"  (S.  70).  —  Clerimont  giebt  Auftrag,  das 
Souper  möglichst  sparsam  einzurichten.  Da  aber  Lovegold 
darauf  besteht,  sofort  zu  heiraten  (let  us  be  married  immediately), 
um  seinen  Kindern  zu  trotzen,  macht  Clerimont  einige  vergeb- 
liche Versuche,  ihn  davon  abzubringen.  Aber  die  Liebe  geht 
über  den  Geiz,  und  im  Gefühle  dieses  Zurücktretens  der  einen 
Leidenschaft  bemerkt  Clerimont  (S.  72):  „I  thought  it  im- 
possible  for  any  thing  to  have  surmounted  bis  avarice;  but  I 
Hnd,  there  is  one  little  passion,  whicL  reigns  triumphant  in  every 
mind  it  crecps  into,  and  wbether  a  man  be  covotous,  proud  or 
eowardly,  it  is  in  the  power  of  a  woman  to  make  bim  liberal, 
humble  and  brave.-'  —  Frederick  ist  tief  betrübt  über  Marianas 
Verhalten  gegen  ihn.  Mit  den  üblichen,  jeden  Akt  schliessemlen 
Reimen   <reht   er  ab. 


312  in.  Aulularia. 

IV.  Akt.  (1.)  Ramilie  teilt  seinem  Herrn  Frederick 
mit,  dass  hauptsächlich  Läppet  die  Ehe  seines  Vaters  mit  Ma- 
riana betreihe.  Deshalb  habe  er  sie  verlassen:  freilich  nicht 
ohne  Hoffnung,   hier  belohnt  zu  werden. 

Rom.  I  have  another  plot;  I  don't  question  but,  before  you  sleep.  I 
shall  put  you  in  possession  of  some  thousauds  of  your  Fatner's 
mouey. 

Fred.  He  has  doue  all  iu  bis  power  to  provoke  nie  to  it :  but  I  am 
afraid  tbat  will  be  carrying  tbe  jest  too  far. 

Nun,  meint  Ramilie,  man  kann  es  ja  nachderhand  immer 
wieder  hergeben,  und  geht  seines  Weges.  Auch  Clerimont 
kommt,  um  seinem  Freunde  Frederick  zu  bestätigen,  dass 
Mariana  diesen  Abend  seinen  Vater  heiraten  werde.  Der  dazu 
kommenden  Läppet  macht  Frederick  schlimme  Vorwürfe 
über  ihr  bisheriges  Treiben.  Clerimont  gewinnt  sie  um  Geld, 
und  sie  verspricht,  alles  rückgängig  zu  machen.  Vergeblich  ver- 
sucht sie  zuerst  ihre  Kunst  an  Mariana.  Es  gelingt  ihr  nicht, 
sie  umzustimmen.  Sie  wendet  sich  in  derselben  Absicht  an  den 
Alten.  Alles,  was  sie  ihm  bisher  von  seiner  Braut  erzählt  habe, 
sei  falsch.  Sie  sei  eine  vermögenslose,  gewöhnliche  Person.  Sie 
könne  seinen  Ruin  nicht  mit  ansehen.  Lovegold,  der  alles 
glaubt,  schickt  sogleich  den  Lawyer,  der  mit  dem  fertigen  Ehe- 
kontrakt kommt,  fort.  Unglücklicherweise  tritt  Ramilie  auf:  im 
guten  Glauben,  so  alles  wieder  schlichten  zu  können,  stellt  er 
Läppet  als  eine  lügenhafte  Betrügerin  hin,  deren  Reden  alle 
falsch  sind.  Er  beschwört  Lovegold,  ihr  nicht  zu  trauen. 
Gerne  schenkt  ihm  der  Alte  Glauben;  er  verzeiht  ihm  alles 
Frühere,  und  geht  sogleich  zum  Lawyer,  um  nun  die  Ehe  defini- 
tiv ahzuschliessen.  (3.)  Frederick  hat  mit  Entzücken  Lappets 
Bericht  gehört,  er  dankt  ihr  herzlichst  für  ihre  Mühewaltung. 
Gelingt  es  noch,  Mariana  umzustimmen,  dann  „I  '11  coin  myself 
into  guineas".  Da  kömmt  auch  Ramilie,  um  mit  seinen  Er- 
folgen zu  prahlen.  Er  wird  arg  enttäuscht;  alles  ist  verloren. 
Läppet  macht  ihn  ernst  herunter.  „Never  see  my  face  again!" 
Ramilie  verfügt  sich  nun  in  den  Garten,  wo  er  vermutet,  dass 
Lovegold  Geld  vergraben  hat.  Nach  einem  kurzen  Gespräch 
Fredericks  mit  Mariana,  die  ihn  stets  mit  der  ..mother-in-law" 
neckt,  kehrt  Ramilie  wieder  mit  dem  Schatze,  den  er  richtig 
gefunden  hat,  um.  Unmittelbar  nachher  erblicken  wir  Lovegolds 
Verzweiflung: 

„Tbieves!  tbieves!  assassination!  murder!  I  am  uudoue!  all  my 
money  i-  gone!  AVho  is  tbe  thief?  wbere  is  tbe  villain:'  where  shall  I 
find  bim?  Give  me  my  money  again.  villain!  (Catching  himself  by  tbe 
arm.)  I  am  distracted!  I  know  not  where  I  am,  nor  what  I'do.  Ob  my 
money!    my  money!    Ha!    what    say   von?    Alack-a-day!   here   is  no  one. 


H.  Fieldings  Miser.  313 

The  villaiu  rnust  have  watched  his  time  carefully;  he  must  have  done 
it,  while  I  was  signing  that  damu'd  contract.  I  will  go  to  a  justice, 
and  have  all  my  house  put  to  their  oaths,  niy  servants,  niy  children,  my 
mistress  and  myself  too:  all  the  people  in  the  house,  and  in  the  street, 
and  in  the  town,  I  will  have  them  all  executed:  I  will  hang  all  the 
world,    and  if  I  don't   find  my   money,   I  will  hang  myself  afterwards." 

V.  Akt.  James  und  einige  Diener  rüsten  zum  Souper.  — 
Mari  an  a  giebt  reichlich  Befehle.  Der  Speisesaal  soll  frisch 
tapeziert,  alles  soll  trotz  der  Gegenrede  ihrer  Mutter  völlig  neu- 
gestaltet werden.  Eben  unterbandelt  sie  mit  dem  Modehändler 
Satin  und  dem  Juwelier  Sparkle,  als  der  trostlose  Alte  auf- 
tritt. ,.It  's  lost,  it  's  gone,  it  's  irrecoverable.  I  sball  never  see 
it  more."  Sparkle  bandelt  auf  dreitausend  Guineas  aus.  Love- 
gold meint,  es  beziehe  sich  auf  ihn;  da  hört  er,  dass  seine  Braut 
eben  Ohrringe  und  Geschmeide  kaufe.  Er  lässt  sich  dazu  nicht 
herbei,  sie  aber  erklärt:  ,,I  sball  insist  on  all  the  privileges  of  an 
English  wife  .  .  .  The  world  will  know,  it  is  your  wife,  that 
makes  such  a  figure"  (S.  104).  Er  will  nun  von  der  Ehe  nichts 
mehr  wissen,  Msr.  Wisely  aber  fordert  zehntausend  Pfund  für 
den  Kontraktbruch.  Nun  kömmt  auch  noch  der  Tapezierer 
Charles  Bubbleboy  und  der  Schneider  List,  damit  er  „may 
appear  like  a  gentleman".  Die  Diener  schleppen  feine  Weine 
herbei,  drinnen  bringt  man  Toaste  auf  Squire  Lovegold  und 
seine  Gattin  aus.  Das  alles  wird  dem  Alten  zu  viel.  Alles  muss 
zurückgeschickt  werden..  Läppet  erinnert  ihn  ihrer  so  schnell 
sich  bewahrheitenden  Warnungen.  —  Da  tritt  Clerimont  in 
reicher  Kleidung  ein.  Er  will  sein  Unrecht  gestehen,  und  es 
folgt  nun  die  Verwechslung  mit    dem  Worte   Schatz  (treasure). 

Lac.     Well,  well!   let  nie   delight   my   eyes  at   least;   let  nie  see  my 

treasure,  and  perhaps  I  may  give  it  you.  perhaps  I  may. 
Cler.    Then  I  am  blest  .  .  . 
Lar.     Go,  go,  fetch  it  hither:  perhaps  I  may  give  it  you. 

Er  geht  nun,  um  Harri  et,  seinen  Schatz,  zu  holen.  Läppet 
dringt  neuerdings  in  den  Alten.  Die  ganze  Stadt  spreche  von 
seiner  Heirat:  er  möge  sich  doch  dies  Weib  vom  Halse  schaffen. 
Ihre  Gläubiger  drängen  sich  in  Massen  heran.  Jammernd  eilt 
Lovegold  von  dannen.  Unterdessen  erfährt  der  Zuschauer 
Marianas  geheimes  Einverständnis  mit  Läppet.  Lovegold 
kehrt  zurück.  „I  am  undone!  I  am  undone!  I  am  eat  up!  I  am 
devoured!  I  have  an  army  of  cooks  in  my  house!-  Mariana 
giebt  nicht  nach.  Sie  fährt  fort,  Befehle  auszuteilen  und  Be- 
stellungen zu  machen,  ja  sie  lässt  sogar  eine  Mauer  umlegen,  um 
aus  zwei  Zimmern  eines  zu  machen.  Endlich  entschliesst  sich 
Lovegold,  die  Kontraktsumme  zu  zahlen,  um  ihrer  los  zu  werden, 
,.all  the  money   I   am   worth   in   the    world."      Clerimont    bringl 


314  III.  Aulularia. 

den  versprochenen  Schatz  —  Harriet  —  und  erklärt,  dass  auch  er 
aus  bester  Familie  sei.  Grimmig-  ruft  der  Alte:  „I  resign  her 
over  to  you  entirely ,  and  may  you  both  starve  together!" 
(S.  121).  Mariana  händigt  Frederick  die  Summe  ein;  drohend 
geht  Lovegold  von  dannen,  indessen  Frederick  Eamilie  und 
Läppet  seines  Dankes  versichert.  Clerimont  schliesst  in  den 
üblichen  Versen  mit  einer  Moral  über  den  Geiz. 

Es  ist  ein  weiter  Schritt  von  Plautus  und  Moliere 
zu  Fielding  und  ein  Schritt  tief  herab.  Fieldings  Lust- 
spiel hält  keinen  Vergleich  mit  dem  Mo  Her  es  aus.  Vor  allem 
fehlt  ihm  der  Abschluss.  Die  reizende  Mariane  Molieres  ist 
hier  ein  schlau  intriguierendes  Weib.  Hat  man  schon  Moliere 
vorgeworfen,  dass  sein  Geizhals  zu  viel  Aufwand  mache,  so  haben 
wir  hier  zu  allem  noch  Lovegold  im  Besitze  einer  Bildergalerie 
(S.  65).  Molieres  Ausgang  befriedigt.  Harpagon  freut  sich 
des  neu  gewonnenen  Schatzes  und  lässt  gerne  alles  Weitere  ge- 
schehen. Lovegold  scheidet  im  höchsten  Zorn,  ein  Opfer  des 
Betruges.  Alle  von  Fielding  neu  geschaffenen  Szenen  sind  ein 
Ballast  von  sehr  problematischem  Werte,  gegen  welche  die  von 
Moliere  geborgten,  wie  Oasen  in  der  Wüste,  abstechen.  Cleri- 
mont ist  wie  hereingeschneit,  während  er  bei  Moliere  als  In- 
tendant motiviert  ist.  Lovegolds  Geiz  tritt  weit  zurück.  Alles 
ist  stark  aufgetragen,  stark  intriguiert.  Es  ist  diese  Komödie  ein 
üppig  getriebener,  aber  nicht  gerade  hübscher  Zweig  aus  dem  Baume 
des  alten  Lustspiels  des  römischen  Dichters. 


Der  deutschen  Übersetzung  der  Aulularia  von  Joachim 
Greff  (Magdb.  1535),  Heinrich  Zenckfrey  (Fkf.  a.  0.  1607), 
u.  a.   ist  bereits  (S.  89.  95)  Erwähnung   geschehen. 

Im  Jahre  1743  erschien  eine  Bearbeitung  der  Aulularia 
von  M  .  .  .  (Kays er)  in  Zelle,  8°, ')  und  zweiundzwanzig  Jahre 
später:  Der  Geld  topf,  ein  Lustspiel  in  einem  Aufzuge,  nebst 
dem  lateinischen  Text,  aus  der  Aulularia  des  Plautus  zusam- 
mengezogen, von  J.  H.  Steffens,  Eektor  der  Zellischen  Schule. 
Zelle  1765  (bei  George  Conrad  Gsellius).      60  Seiten.2) 

Den  Zweck  dieser  Arbeit  sieht  man  nicht  recht 
ein.3)     Für  die  Bühne  ist  sie  wohl  nicht  geschaffen  worden,   der 


')  Nach  Sulz  er.    III,  704b. 

2)  Und  in  H.  Schirachs  Magazin  der  deutschen  Kritik.    Halle  1774. 

3)  Allerdings  Hess  derselbe  Eektor  Lessings  Emilia  Galotti  von 
seinen  Schülern  lateinisch  spielen  und  gab  1778  „Emilia  Galotti,  pro- 
gymnasmatis  loco  latine  reddita",  heraus.  Hagen,  Gresch;  des  Theaters 
in  Preussen.    S.  302. 


Steffens'  Geldtopf. 


315 


lateinische  Text  weist  auf  Schulbenutzung  bin.  Sie  umfasst  im 
g-anzen  neunzehn  Auftritte,  die  sieh  zu  Plautus,  wie  folgt,  ver- 
halten: Erster  Auftritt  (Euklio,  Stapbila)  =  Plautus  I,  1.; 
Zweiter  Auftritt  (Stapbila)  =  Plautus  I,  2.:  Dritter  Auf- 
tritt (Stapbila,  Euklio)  =  Plautus  I,  3.;  Vierter  Auftritt 
(Euklio)  =  Plautus,  V.  103  (Occlude,  sis  etc.):  Fünfter  Auf- 
tritt (Megador,  Eunomia)  =  Plautus  II,  1.;  Sechster  Auf- 
tritt (Megador,  Euklio)  =  Plautus  II,  2.;  Siebenter  Auf- 
tritt (Euklio,  Stapbila)  =  Plautus  II,  3.;  Achter  Auftritt 
(Euklio,  Congrio  und  etliche  Sklaven,  die  etwas  tragen.  Einer 
hat  ein  Fass  auf  dem  Kücken)  =  Plautus  III,  2.,  III,  6.;  Neun- 
ter Auftritt  (Lykonides,  Eunomia)  =  IV,  7.:  Zehnter  Auf- 
tritt (Euklio,  Congrio)  =  Plautus  III,  2.;  Elfter  Auftritt 
(Euklio  und  Strobilus)  =  Plautus  III,  4.,  IV,  2.,  IV,  3.,  IV,  4., 
IV,  5.,  IV,  6.:  Zwölfter  Auftritt  (Eunomia  und  Lykonides)  und 
Dreizehnter  Auftritt  (Eunomia,  Lykonides,  Staphila)  sind  von 
Steffens  eingeschaltet;  Vierzehnter  Auftritt  (Lykonides,  Eu- 
nomia, Strobilus,  hernach  Euklio)  =  Plautus  IV,  9.,  IV,  10.; 
Fünfzehnter  Auftritt  (Strobilus,  Lykonides)  =  Plautus  V,  1.; 
Sechszehnter  Auftritt  (Strobilus)  und  Siebenzehnter  Auf- 
tritt (Lykonides,  Strobilus)  sind  von  Steffens  frei  behandelt 
worden;  ebenso  der  achtzehnte  (Lykonides)  und  neunzehnte 
(Lykonides,  Strobilus,  hernach  Euklio,  Eunomia,  Megador),  in 
welchen  der  Geizhals  sich  bessert.    Strobilus  hat  das  letzte  Wort: 


Herr!  erinnern  Sie  sich  nun  auch, 
dass  ich  frei  bin.  —  Solte  maus 
wol  gedacht  haben,  dass  der  alte 
Geizhals  sich  auf  einmal  so  um- 
kehren würde? 


Quod  restat.  here,  nunc  memento, 
ut  sim  über.  — ■  Quis  putasset,  kirne 
avarum  tarn  subito  mutasse  natu- 
ra m  ? 


Als  Beleg  der  eigenartigen  Arbeit  Steffens'  mögen  zwei  Sze- 
nen,   die   erste  und  vierzehnte,   der  berühmte  Monolog,   folgen: 


(S.  3.)         Auftritt  I. 

Euklio.     Staphila. 

Euklio. 

Schier  dich  hinaus,  sage  ich,  du 
alter  Spürhund,  die  du  die  Augen 
allerwerts  haben  musst. 

S.  Sachte!  sachte!  Was  stosst  ihr 
mich  arme  Frau? 

E.   Ich  will  dich  alten  Satan! 

5.  Aber  was  stosset  ihr  mich 
iezzo  aus  dem  Hause? 

E.  Soll  ich  dir  davon  Rechen- 
schaft geben,  du  altes,  abgepeitsch- 
tes  Fell?  Fort,  weg  von  derThür! 
Dorthin!  —  seht,  wie  sie  schleicht! 


Scena  I. 

Euclio.     Staphila. 

Euclio. 

Exi,  inquam.  age,  exi.  circum- 
speetatrix  cum  oculis  cmissii  ii^. 

S.   Quid    me  miseram   propulsas? 

E.   Quam  ego  te  vetulam! 

S.  Qua  nie  nunc  causa  extrusisti 
ex  aedibus? 

A'.  Tibi  ego  rationem  reddam, 
stimulorum  seges!  Illuc  regredere 
ab  ostio!  —  illuc  sis!  — •  vide.  ut 
incedit!   At    si    fustem  cepero,   aut 


316 


III.   Aululavia. 


Soll  ich  erst  den  Stock,  oder  die 
Peitsche  brauchen,  so  will  ich  dir 
den  Schneckengang  anstreichen. 

S.  Ich  wollte  mich  lieber  er- 
hängen, als  auf  diesem  Fuss  länger 
in  euerm  Dienste  bleiben. 

/'.'.  Wie  dies  alte  Fell  noch  brummt ! 
Die  Augen  will  ich  dir  aus  dem 
Kopf  reissen,  so  sollst  du  es  wol 
vergessen,  mir  immer  auf  die  Hän- 
de zu  sehen  und  mich  zu  belau- 
schen. —  Packe  dich!  —  weiter!  — 
noch  weiter!  —  so  —  da  bleib 
stehen!  und  wofern  du  einen  Finger 
breit,  oder  nur  einen  Strohhalm 
breit  von  der  Stelle  gehest;  oder 
dich  nur  umsiehest,  bevor  ich  es 
dir  nicht  ausdrücklich  befehle:  so 
will  ich  dich  auf  der  Stelle  auf- 
henken lassen.  —  Alle  meine  Leb- 
tage habe  ich  keinen  solchen  Ab- 
schaum von  alten  bösen  Weibern 
gesehen.  Ich  muss  mich  nicht  we- 
nig fürchten,  dass  sie  mich  betrüge, 
ehe  ich  nichts  versehe,  und  sogar 
den  Ort  ausspüre,  wo  ich  den  Topf 
mit  dem  Gelde  verscharret  habe. 
Die  alte  Hexe  mag  auch  wol  gar 
hinten  am  Kopfe  Augen  haben.  Was 
für  Angst  und  Sorgen  macht  mir 
dieses  nicht?  Tag  und  Nacht  habe 
ich  keine  Ruhe ;  ich  muss  doch  hin, 
und  noch  einmal  zusehen,  ob  der 
Topf  noch  auf  seiner  alten  Stelle 
stehet. 


stimulum  in  manum,  testudineum 
istum  tibi  ego  grandibo  graduni. 

S.  Utinam  me  divi  —  adaxint  ad 
suspendium  potius,  quam  hoc  pacto 
apud  te  serviam. 

E.  Ut  scelesta  sola  secum  mur- 
murat!  Oculos,  hercle,  ego  istos, 
improba,  effodiam  tibi,  ne  me  ob- 
servare  possis,  quid  rerum  gerain. 
Abscede  —  etiam  nunc  —  etiam  — 
ohe!  istic  adstato!  si  hercle  tu  ex 
isto  loco  digitum  transversum  aut 
unguem  latum  excesseris,  aut  si 
respexeris,  donec  ego  iussero,  con- 
tinuo  hercle  ego  te  dedam  disci- 
pulam  cruci.  —  Scelestiorem  hac 
anu  vidi  nunquam.  Nimis  male 
eam  metuo,  ne  mihi  imprudenti 
verba  det,  neu  persentiscat,  aurum 
ubi  est  absconditum.  Quae  in  oc- 
cipitio  quoque  habet  oculos  pes- 
simal Nunc  ibo,  ut  visam,  sitne 
ita  aurum,  ut  condidi;  quod  me 
sollicitat  miserum  plurimis  modis. 
Nee  noctu  nee  die  quietus  unquam 
esse  possum. 


(S.  37.)      Auftritt  14. 

Euklio,  Ich  armer,  unglücklicher 
Mann!  Nun  bin  ich  ganz  zu  Grunde 
gerichtet.  Es  ist  aus  mit  mir.  — ■ 
Wo  soll  ich  hin?  Wo  muss  ich 
bleiben?  ■ —  —  Haltet,  haltet  den 
Dieb!  —  Wen?  wo  ist  er?  Ach, 
ich  weiss  es  selbst  nicht;  ich  sehe 
nichts;  ich  bin  blind,  stockblind.  — 
Wo  soll  ich  hin?  Wo  bin  ich?  Was 
ist  aus  mir  geworden?  Um  des  Him- 
mels willen  kommt  mir  zu  Hülfe! 
stehet  mir  bei!  zeiget  mir  den 
Dieb.  (Zu  Lykonides  und  der  Eunomia.) 
Was  sagt  ihr?  Darf  ich  euch  wol 
trauen?  Nach  dem  Gesichte  scheint 
es  so.  —  Was  ists?  Was  lachet  ihr? 
- —  Ich  kenne  euch,  ich  weiss,  dass 
hier  sehr  viel  Diebe  sind.  Hats 
kein  einziger  von  euch?  —  Du 
bist   unglücklich!     (geht  dem  Lykonides 


Scena  XIV. 

Euclio.  Peru,  interii,  oeeidi,  quo 
curram?  quo  non  curram?  —  Te- 
nete,  tenete!  Quem?  quis?  nescio, 
nihil  video,  coecus  eo,  atque  equi- 
dem  quo  eam,  aut  ubi  sim,  aut 
qui  sim  nequeo  certum  animo  in- 
vestigare.  —  Obsecro  vos,  mihi 
auxilio  oro,  obtestor,  sitis  &  homi- 
nem  demonstretis,  qui  eam  abstu- 
lerit.  —  Quid  ais  tu  ?  vobis  credere 
certum  est?  Nam  esse  honos  e  vultu 
cognosco.  Quid  est?  quid  ridetis? 
Novi  vos,  scio  fures  hie  esse  com- 
plures.  Hern!  nemo  habet  vestrum? 
Occidisti  —  Die  igitur,  quis  habet? 
Nescis  ?  Heia  me  miserum ,  mise- 
rum! perii  male  perditus.  Tantum 
gemitus  &  malae  moestitiae  hie 
dies  mihi  obtulit,  faniem  &  pau- 
periem.       Perditissimus     ego     sum 


R.  Lenz:  Die  Aussteuer. 


317 


zu  Leibe.)  So  sag  es  doch!  wer 
hats!  Du  weist  es  nicht.  Ach  ich 
armer,  armer  Manu!  wie  unglück- 
lich biu  ich!  Dies  ist  wol  ein  rech- 
ter unglücklicher,  ein  recht  trau- 
riger Tag  für  mich.  Hungern  und 
darben  werde  ich  müssen.  Ich  bin 
der  elendeste  auf  dem  ganzen  Erd- 
boden. Was  soll  ich  in  der  Welt, 
da  ich  das  verlohren  habe,  was  mir 
am  liebsten  war?  Wie  sorgfältig 
verwahrte  ich  es  nicht?  wie  wenig 
habe  ich  mir  davon  zu  gute  ge- 
than?  Mein  Schatz!  mein  Leben! 
mein  Gott,  mein  Alles!  Nun  werden 
sich  andre  damit  lustig  machen, 
mir  zur  Schande,  mir  zum  Schaden. 
Das  ist  nicht  auszustehen. 


omniuni  in  terra.  Nunc  quid  mihi 
opus  est  vita,  qui  eam  perdidi! 
quam  custodivi  sedulo?  Egomet  nie 
defraudavi,  animamque  meam,  ge- 
niumque  meum.  — ■  Nunc  alii  laeti- 
ficantur  meo  malo  &  damno.  Pati 
nequeo. 


Das  Albernste  an  dieser  Rede  Euklios  ist  gewiss,  dass 
Steffens  dem  Geizhälse  in  Lykonides  und  Eunomin  Zu- 
schauer giebt  und  so  das  Plautinische  Quid  ais  tu?  (F.  715) 
u.  s.  w.,  als  an  eine  mitspielende  Person  gerichtet  und  ge- 
sprochen,  annimmt. 

Eine  Übersetzung  der  Aulularia  von  Ch.  Bemh.  Kays  er 
veröffentlichte  (1784)   C.  H.  S.   Mylius. 

Eine  Bearbeitung  für  die  deutsche  Bühne  erfuhr  die  Aulu- 
laria durch  Reinhold  Lenz  (S.  100)  in  seinem  Lustspiele  „Die 
Aussteuer"    1774. 1) 

I.  Akt.     (1.)  Ein  Gnome  umschwebt  das  Haus  Kellers,    des 

Geizigen, : 

„Schätze  zu  hüten,  ist  mein  Beruf, 
Darbenden  Tugenden  zum  Behuf  .  .  . 
Keller  entdeckte  den  Schatz  im  Kamm, 
Aber  der  Tochter  verheelt'  er  ihn, 
Und  für  das  Mädchen  hütet'  ich  ihn. 
Denn  in's  Kloster  verlangt  sie  zu  gehu, 
Weil  sie  nichts  dem  zukünftigen  Mann, 
Als  ihr  Herz,  zubringen  kann. 
Und  sie  ist  schön,  zärtlich  und  schön, 
Und  Leander  betet  sie  an, 
"Weil  er  sie  einst  im  Bade  gesehn,2) 
Und  sich  vergessen  —  und  sie  erlaubt, 
Dass  er  die  Uuschuld  ihr  oeraubt." 


(2.)  Eerr  Keller  ist  in  Streit  mit  dem  Mütterchen  Re- 
benscheit. Er  hat  sie  im  Verdacht,  dass  sie  seine  Geheimnisse 
ausspioniere.      Frau  Rehenscheit  kann  ihn  nicht  begreifen;    „es 


1)  In  der  Aus-,  von  Tieck.    (Berlin  1825.)    S.  37-75. 
-)  Sollte  Moli  er  es  Erfindung  (I,  1).  dass  Vn  lere  Klise  dm  Wo-en 
■utriss.  Lenz  zu  solcher  Wendung  veranlasst  haben? 


318  HI.  Aulularia. 

muss  ihm  jemand  was  angethan  haben,  oder  er  ist  von  Binnen 
gekommen."  Dies  kömmt  sie  jetzt  doppelt  schwer  an,  da  die 
Jungfer,  Kellers  Tochter,  jeden  Augenblick  gebären  soll.  (3.) 
Keller,  der  nach  seinem  Schatz  gelaufen  ist,  kehrt  erleichterten 
Herzens  zurück;  „es  war  doch  alles  noch  in  der  Ordnung."  Die 
Alte  bekömmt  ihre  Aufträge  eingeschärft.  „Und  wenn  des  Nach- 
bars Hans  kommt,  hörst  du,  seine  Pfeife  in  der  Küche  anzu- 
zünden, so  lösch  das  Feuer  aus,  verstehst  du,  lösche  es  aus,  da- 
mit  er   keine   Ursach  hat,    zu  kommen"    u.  s.  w. 

II.  Akt.  (1.)  Frau  Heup  rät  ihrem  Bruder,  dem  reichen 
Splitt  er!  ing,  sich  zu  einer  Heirat  zu  entschliessen.  Sie  möchte 
ihm  ein  kränkliches  Mädchen  kuppeln,  das  „es  nicht  länger  als 
zwei  Jahre  höchstens  machen  kann".  Sein  Geld  würde  durch 
eine  Verehelichung  mehr  zusammengehalten,  sie  selber  aber  doch 
schliesslich  seine  Erbin.  Herr  Splitt  er  ling  aber  hat  bereits  ge- 
wählt. Er  will  Herrn  Kellers  Tochter,  ob  sie  auch  vermögens- 
los ist,  zu  seiner  Frau  machen  (3.)  und  teilt  diese  seine  Absicht 
dem  des  Weges  kommenden  Keller  mit.  Doch  noch  heute 
Abend  soll  die  Hochzeit  stattfinden.  Keller  wird  anfangs  be- 
denklich; Splitt  er  ling*  weiss  wohl  um  den  verborgenen  Schatz. 
Doch  giebt  er  die  Verlobung  zu,  nicht  jedoch  ohne  Frau  Re- 
benscheit im  Verdacht  zu  haben,  dass  sie  von  seinem  Vermö- 
gen etwas  ausplauderte.  Diese  ist  in  hohem  Grade  entsetzt: 
..Ihre  Geburtsstunde  ist  da:  ich  soll  die  Hebamme  machen,  ich 
soll  zur  Hochzeit  aufräumen. "  (3.)  Crispin,  Leanders  Diener, 
und  ein  Koch  besprechen  sich  über  das  Hochzeitsmahl,  wobei 
Crispin,  wie  der  plautiniscbe  Strobilus,  des  alten  Kellers  Geiz 
drastisch  schildert.  Er  gehe  soweit,  dass  er  eine  Ochsenblase  sich 
abends  vor  den  Mund  binde,  „damit  ihm  nichts  von  seinem  Atem 
verloren  gehe,  wenn  er  schläft,"  und  „dass  er  helle  Thränen  wei- 
nen kann,  wenn  er  sich  die  Hände  wäscht,  weil  ihm  das  Wasser 
so  verschüttet  wird;"  ja  den  Bart  lässt  er  sich  nie  scheren,  „wo 
er  nicht  die  Stoppeln  davon  sorgfältig  aufhebt."  (4.)  Herr 
Keller  war  auf  dem  Markte.  Er  wollte  Einkäufe  für  den  Hoch- 
zeitsabend machen,  da  er  „doch  die  Last  jetzt  auch  vom  Halse 
bekomme";  aber  es  war  „alles  teufelmässig  teuer".  So  kaufte  er 
einen  Blumenstrauss.  Plötzlich  erblickt  er  die  Thüre  seines  Hauses 
offen  und   eilt  ängstlich   in   dasselbe. 

III.  Akt.  (1.)  Der  Koch  stürzt  aus  dem  Hause;  hinter  ihm 
mit  einem  Beile  Keller,  der  den  Eindringling  mit  blutigem 
Schädel  davonjagt.  (2.)  In  seinen  Mantel  gehüllt,  trägt  er  als- 
dann einen  Topf  mit  Geld  fort,  um  ihn  sicherzustellen.  Erst 
wenn  dieser  geborgen  ist,  mag  der  Koch  seine  Arbeit  wieder 
aufnehmen.  Dazu  kömmt  (3.)  Herr  Splitterling.  '  Alle  seine 
Freunde  billigen   seine   Verheiratung  mit   dem   armen,    aber  braven 


E.  Lenz:  Die  Aussteuer.  319 

Mädchen.  Wenn  mehrere  Eeiche  sein  Beispiel  befolgen  wollten, 
„wie  würde  die  allgemeine  Glückseligkeit  in  der  Stadt  zunehmen 
und  der  Neid  mit  dem  übermässigen  Aufwand  verschwinden." 
Vergeblich  versucht  Splitterling,  seinen  künftigen  Schwieger- 
vater auf  ein  Glas  Wein  zu  gewinnen ;  da  geht  er,  um  sich  noch 
frisieren  zu  lassen.  Nun  ist  Keller  wieder  frei.  Nun  steht  er  vor 
seinem  Geldtopfe.  „Armer  Geldtopf!  Wie  viel  Freier  hast  du? 
Ich  weiss  da  nichts  Besseres  bei  anzufangen,  als  —  gerade  in  unsere 
Kirche  ...  da  will  ich  ein  Paar  Dielen  aufheben."  Dort  ist  ..eine 
grosse  Frau  Gerechtigkeit  .  .  .  Ich  vcrlass  mich  auf  deine  Ge- 
rechtigkeit, Gerechtigkeit!  Ich  vertrau  es  dir  auf  dein  Gewissen  — " 
IV.  Akt.  (1.)  Crispin,  Leanders  Diener,  ist  von  seinem 
Herrn  auf  Kundschaft  ausgesandt.  Er  setzt  sich  auf  die  Treppe 
von  Kellers  Haus  und  hört  (2.)  diesen  mit  sich  sprechen.  ,.Hei! 
der  würd'  einen  schönen  Fund  machen,  der  dich  fände,  schwerer, 
schwerer  Geldtopf  —  aber  ich  bitte  dich,  Gerechtigkeit!  Sorge 
du  dafür!"  Da  sich  Crispin  in  die  Kirche  schleichen  will  (3.), 
fasst  ihn  Keller.  ..Weise  mir  deine  Hände!"  —  ....Warum 
denn?""  —  „Deine  rechte  Hand!"  —  ....Da  ist  sie.""  —  „Weise 
her!"  - —  ....Da  ist  sie  ja.""  —  „Nein,  nein,  die  andere."  — 
„„Da  ist  sie.--  —  ..Nein,  nein,  die  dritte!"  —  „„Sie  sind  nicht 
gescheidt""  u.  s.  w.  Keller  hält  sein  Geld  in  der  Kirche  nicht 
mehr  sicher:  er  holt  den  Schatz  wieder,  um  ihn  anderswo  zu 
vergraben.  „Dort  auf  der  Nordseite  der  Kirche,  da  steht  das 
Beinhaus  und  dicht  dabei  ein  fürchterlicher,  alter  Eichenbaum." 
Crispin  folgt  ihm  in  gemessener  Entfernung.  (4.)  Leander  hat 
imterdessen  seiner  Mutter,  Frau  Heup,  sein  Verhältnis  zu 
Kellers  Tochter  gestanden.  Sie  ist  nicht  gerade  ungehalten,  ja 
sie  freut  sich  gewissermassen  desselben,  denn  ihr  Bruder  Split- 
terling soll  um  jeden  Preis  „die  Jungfer  Inselimien"  heiraten. 
Sie  verspricht  ihrem  Sohne  gerne,  alles  Weitere  zu  regeln.  1 5. ) 
Crispin  hat  den  Geldtopf  geholt.  Auf  dem  Kopfe  trägt  er  ihn 
herein.  „Glückseliger  Tag!  Glückselige  Mutter,  die  mich  gebar! 
Glückseliger  Biersieder,  der  von  mir  lösen  wird.  Was  sind  Kö- 
nige und  Prinzen  gegen  mich?"  Alsbald  kömmt  auch  (6.) 
Keller,  verzweifelt  über  den  Diebstahl.  ..Ich  bin  todt ,  ich 
sterbe,  ich  bin  erschlagen.  Wohin  lauf"  ich,  wohin  lauf  ich 
nicht?  Haltet  auf!  Wen?  Wen?  Ich  sehe  nichts,  ich  weiss 
nichts,  ich  bin  blind,  ich  weiss  nicht  mehr,  wo  ich  hin,  ich  bitte 
euch,  helft  mir,  ich  hitt'  und  beschwöre  euch,  hellt  mir  und 
zeigt  mir  den  Menschen,  ders  weggetragen  hat,  sagt  mir,  wie 
ging  er,  was  für  Eaat  hatt'  er.  -.igt  mir,  sagt  mir,  sagt  mir  — 
was  sagst  du?  Weisst  du's?  Du  hast  ein  ehrlich  Gesicht,  ich  will 
dir  glauben,  sage  mir  nur  —  was  lacht  ihr?  Ich  weiss,  dass  ihr 
alle   Spitzbuben   seyd,    ihr    seyd    alle   Diebe,    hat's   Niemand   unter 


320  HI.  Aulularia. 

euch?  Ich  schlag  euch  todt,  wer  hat's?"  Wisst  ilir's  nicht?  0  ich 
Elender,  Elender!  Wie  geht  man  mit  mir  um?  -Ich  schlag  euch 
alle  todt,  wenn  ihr  mir's  nicht  sagt.  —  Was  für  Jammer  muss 
ich  heut  erlehen,  o  weh  mir,  was  ist  das  für  ein  Tag!  Was  ist 
das  für  ein  Tag!  Verhungern  muss  ich,  verschmachten  muss  ich, 
ich  hin  der  unglücklichste  Mensch  auf  dem  Erdboden.  Habt  ihr 
kein  Mitleiden,  ihr  Gott'svergessenen,  was  für  Freud'  hah  ich,  noch 
länger  zu  leben,  da  mein  Geld  verloren  ist?  Was  hah  ich  dir 
gethan,  Geld,  hah  ich  dich  nicht  bewacht,  du  gott'svergessenes 
Geld!  Warum  bist  du  mir  denn  untreu  geworden?  Ich  habe 
selber  Schuld,  ich  hätt'  dich  nicht  sollen  ausgraben,  ich  habe 
mich  selber  bestohlen:  nun  sollen  sich  andere  Leute  mit  meinem 
Gelde  lustig  machen,  nun  sollen  andere  Leut'  es  durchbringen, 
es  durch  die  Gurgel  jagen  —  ich  kann  es  nicht  länger  aushalten." 

In  dieser  Stimmung  findet  Leander  Herrn  Keller.  (7.)  Er 
wirft  sich  ihm  zu  Füssen,  um  ihm  alles  zu  gestehen.  „Das  Ver- 
brechen ,  das  Ihnen  so  viel  Kummer  macht  —  ich  bin  der 
Thäter  ....  die  Liebe,  der  Wein  ...  da  ich's  aber  einmal 
berührt  habe,  ich  beschwör  Sie,  so  lassen  Sie  mich's  ewig  be- 
sitzen. "      Langsam  erst  löst  sich  das  Missverständnis. 

V.  Akt  (1.)  Leander  hat  seinen  Onkel  Splitterling  für 
sich  gewonnen:  er  will  gehen,  Herrn  Keller  zu  besänftigen,  da 
tritt  (2.)  Crispin  betrunken  auf  Etwas  dummdreist  und  brutal 
will  er  den  Dienst  kündigen,  sieht  sich  aber  sehr  bald  verraten. 
Anfänglich  besteht  (3.)  Keller  darauf,  dass  Splitterling  seine 
Tochter  heirate,  „und  wenn  sie  dreiunddreissig  Kinder  gehabt 
hätte;"  Splitterling  aber  lässt  den  Geldtopf  hereinbringen  und 
zwingt  Keller,  die  Hälfte  seiner  Tochter  als  Aussteuer  mitzu- 
geben. Früher,  meint  Keller  allerdings,  sei  Splitterling  ein 
grosser  Gegner  der  Mitgift  gewesen,  auf  der  er  jetzt  für  seinen 
Neffen  so  dringend  bestehe.  Wohl,  erwidert  Splitterling,  sei 
dem  so:  allein  ..vorhin  haben  Sie  mir  für  die  Tugend  Ihrer 
Tochter  Bürgschaft  geleistet".      So  löst  sich  das   Stück. 

Bei  seinem  engen  Anschluss  an  Plautus  und  der  leichten 
Art  seiner  Arbeit  hat  Lenz  den  Strobilus  zum  Crispin  ge- 
macht, lässt  ihn  aber,  wie  Plautus,  im  ersten  Teile  bei  der 
Bereitung  des  Hochzeitsschmauses  für  Splitterling,  im  zweiten 
Teile  für  Leander  thätig  sein. 

Später  ging  Lenz  an  eine  Umarbeitung  der  „Aussteuer'-, 
worüber  Weinhold ')  mitteilt:  „Die  Ausstellungen,  welche 
Lenz  zu  hören  und  zu  lesen  bekam,    wirkten  doch    auf  ihn.      Er 


')  Dramatischer  Nacklass  von  J.  M.  R.  Lenz.  Zum  ersten  Male 
herausgegeben  und  eingeleitet  von  Karl  Weinhol d.  Frankfurt  a  M. 
(Litter.  Anstalt;  Rütten  &  Lönnig.    1884.)   S.  21. 


R.  Leuz:  Die  Aussteuer.  321 

versuchte  sich  an  einer  tiefer  gellenden  Veränderung'  des  Originals, 
welche  die  Ökonomie  und  die  Charaktere  der  Personen  anging. 
Wie  weit  er  damit  kam,  wissen  wir  nicht,  ich  glaube  aber,  aus 
seiner  ganzen  Art  schliessen  zu  dürfen,  dass  er  in  den  Anfängen 
stecken  blieb.  Vorhanden  ist  nur  der  Anfang  des  zweiten 
Aktes  der  Aussteuer  (Aulularia),  zugleich  das  einzige  mir  be- 
kannte Beweismittel  für  die  neue  Bearbeitung.  Das  Verhältnis 
von  Keller  und  Splitterimg  ist  hier  umgekehrt,  Brigitte  entspricht 
der  Frau  Heup,  Crispin  hat  sich  in  einen  schlingelhaften  Laurenz 
gewandelt.  Am  obern  Rande  des  Folioblattes,  auf  dessen  beiden 
Seiten  diese  Szenen  von  Lenzens  eigener  Hand  geschrieben  sind, 
steht  ausser  einem  französischen  Satz  der  Vermerk:  , Bürgerfreund 
mitnehmen  für  Deinet.'  Die  Schrift  ist  mit  der  der  Szenen  gleich- 
zeitig. Da  eine  Reise  Lenzens  nach  oder  über  Frankfurt  selbst  als 
Absicht  erst  vom  Winterende  1776  bekannt  ist,  könnte  auch  jenes 
Fragment  der  umgearbeiteten  Aussteuer  in  den  Winter  1775/7(3 
gehören.  Dafür  könnte  auch  sprechen,  dass  wir  Lenzens  Inter- 
esse für  Plautus  in  jener  Zeit  durch  seine  Algierer  noch  lebendig 
bezeugt  linden.  Andrerseits  freilich  muss  man  geneigt  sein,  die 
Umarbeitung  der  Aussteuer  in  eine  Zeit  zu  setzen,  in  der  die  Aus- 
stellungen der  Kritik  auf  Lenz  noch  frisch  wirkten,  also  in  den 
Winter   1774/75   oder  in  die  erste  Hälfte  des  Jahres   1775." 

Das  Fragment  der  Umarbeitung  enthält  Weinhold  a.  a.  0., 
S.  21 — 24.  —  Eine  deutsche  Übersetzung  der  Aulularia  findet 
sich  bei  G.  G.  S.  Köpke  (geb.  4.  Okt.  1773)  (Berlin  1809V)  und 
bei  H.  Norrmann,  „Klassische  Dichterwerke  aus  allen  Litera- 
turen." 

Zahlreich  sind  in  allen  Litteraturen  die  Schauspiele  und 
Lustspiele,  welche  sich  die  für  den  Darsteller  so  dankbare  Figur 
eines  Geizhalses  nach  ernsten  und  heiteren  Gesichtspunkten 
als  Stoff  nahmen.  Man  darf  wohl  sagen,  dass  sie  von 
Plautus   unabhängig  sind  und  Moliere  kaum  streifen. 

Unter  den  Spaniern  erwähnt  man  vor  allem  des  Don 
Juan  Claudio  de  la  Hoz  y  Mota2)  Komödie  „El  castigo 
de  la    miseria",3)   von  der  Ticknor  II,   70  urteilt:    „Jenes  ist  in 


»)  Im  ersten  Bande  seiner  plautinischen  Lustspiele.  Mehr  erschien 
nicht.     Gödeke.    III.  217. 

2)  Er  wurde  1653  Ritter  des  hl.  Jakobus  und  lebte  1689  noch. 
Vgl.  Schaek.  III.  382—387.  Barrera,  Ca1  äl.  S.  186,  wo  es  auch  heissl : 
Entre  las  conocidas  (comedias)  sobresale  y  le  ha  dado  renombre  la  titu- 
lada:  El  Castigo  de  la  Miseria. 

3)  Mein  Exemplar  ist  von:  Valencia,  eu  la  Ini|ireuta  de  la  Viuda 
de  Joseph  de  Orga;  calle  de  la  Cruz  Nueva,  en  donde  se  hallarä  esta  y 
otras  de  diferentes  Titulos.  1 7('»s.  \',,.  138.)  Vgl  Simuude  de  Sis- 
mondi.  De  la  Litterature  du  midi  de  L'Europe.    IV.  216. 

21 


322  III.   Aulularia. 

der  That  eine  der  besten  Charakterzeichnungen  auf  der  spani- 
schen Bühne  und  hält  in  vielfacher  Hinsicht  wohl  den  Vergleich 
mit  der  Aulularia  des  Plautus  und  mit  dem  Geizigen 
Molieres  aus."  Dies  Wort  fordert  zu  einem  solchen  heraus. 
In  diesem  nach  der  dritten  Novelle  der  Maria  de  Zayas1) 
gedichteten  Lustspiel  ist  es  wieder  der  von  Schlegel  getadelte 
Geizhals,  der  in  der  Liehe  macht.  Das  Stück  hat  von  der 
Aulularia  gar  nichts,  wohl  aber  hinsichtlich  des  Zaube- 
rers Reminiszenzen  an  den  Querolus. 

Don  Marcos  Gil  de  Almodovar 
el  fidalgu  mas  ambrientu, 
que  se  halla  en  Espaüa  toda, 

wie  ihn  der  gallego  Toribio  (4.)  nennt,  und  dessen  jammervolles 
Leben  Don  Alonso  (4.  5.)  erzählt,  ist  der  Held.  Er  gönnt  sich 
gar  nichts: 

su  comida  es  tan  escasa 

que  si  se  pesa  con  onzas, 

und  mit  dem  plautinischen  und  Moliereschen  Vorbilde  hat 
er  es  gemeinsam,  die  Diener  schlecht  zu  behandeln.  Chinchilla 
und  Don  Agustin  beschliessen,  ihm  einen  Streich  zu  spielen. 
Chinchilla  schildert  ihm  Isidoras  Reichtum  (6.): 

la  belleza  y  la  riqueza 
le  pintare  de  Isidora 
y  de  este  cavallo  griego 
serän  sus  talegos  Troya: 

er  glaubt,  dass  sie  von  der  Habana  und  unendlich  reich  sei,  und 
berechnet  schon,  wie  er  das  Geld  anlegt.  (15.)  Isidora  ent- 
scheidet sich  wirklich  für  ihn  (48.): 

antes  de  una  hora 
hemos  de  quedar  casados. 

Chinchilla  und  Agustin  schleichen  in  Marcos'  Schlafzimmer, 
da   Agustin  für  den  Augenblick  Geld  bedarf  (28.): 

Con  ese  caudal  iuteuto 

lucir  con  ostentacion 

nii  boda;  y  en  conclusion 

en  haciendo  el  casamiento 

mi  padre  fuerza  serä 

que  haya  de  tenerlo  ä  bien, 

y  Don  Alonso  tambien, 

con  que  el  dote  servirä 

de  poder  restituir 

a  Don  Marcos  su  dinero. 


')   Zaragoza.     1637.    4°.    —    Abgekürzt   von   Sparren   (Nouvelles 
tragicomiques,  Paris  1752.    I.  165j. 


J.  ('.  de  la  Hoz  y  Mota.  323 

und  holen  sicli  einen  Geldsack.  Mit  Entsetzen  gewahrt  Marcos 
den  Diebstahl.      So   etwas  wagt  man  in  Madrid  (32): 

habiendo  una  horca  en  la  Plaza 
an  Verdugo,  mil  mmistros. 

Lucia  bringt  nun  Marcos  die  Idee  bei,  sich  durch  einen 
Zauberer  helfen  zu  lassen: 

sabe  el  allä  por  sus  libros 
lo  que  pasa  en  Dinamarca, 
en  Fez  y  Marruecos. 

Die  Rolle  dieses  Zauberers  übernimmt  Chinchilla,  der  nun  alle 
möglichen  Formeln  spricht  und  Räucherungen  vornimmt,  worauf 
man  unter  Kettengerassel  eine  Katze  mit  Ratten  hereinlässt. 
Marcos  fürchtet  sich  zu  Tode,  da  löst  sich  die  Sache.  Agustin 
bringt  den  Geldsack  (36): 

aqui  el  talego 
teneis  sin  que  falte  un  quarto. 

,,Und  der  Zauber?"  fragt  der  erschütterte  Marcos.  „Den," 
lautet  die  Antwort,    „machte 

Chinchilla,  poniendo 
Ueno  de  coheres  un  gato 
que  va  por  esa  ventana. 

Dies  das  Stück,  das  nach  Ticknor  mit  Plautus'  und 
Moli  er  es  Geizhals  den  Vergleich  aushält!! 

Der  Rico  Avariento,  der  sich  in  der  spanischen  Litteratur 
sonst  öfter  findet  (z.  B.  Rojas  y  Zorrilla,  Tellez),  ist  die 
biblische  Erzählung  von  Lazarus  und  dem  reichen  Prasser. 

Von  Bartolome  de  Sousa  Mejia  aus  Lissabon  (geb.  1723) 
führt   Barrera   Leirado1)    eine  Komödie    „0  avaro"    (Msk.)  auf. 

Von  deutschen  Autoren  sei  Angelys  (1788  —  1835),  „Der 
Geizige  und  seine  Tochter,"  Drama  in  zwei  Akten,2)  und 
Karl  von  Holteis  (1797—1880),  „Erich  der  Geizhals," 
Originallustspiel  in  fünf  Akten,    erwähnt.3) 

Unter  den  Italienern  hat  Carlo  Goldoni  (1707  —  1793) 
viermal  den  Geiz  zum  Gegenstande  seiner  Lustspiele  gemacht. 
Obwohl  Goldoni  Plautus  und  Terenz  wohl  studierte,4)  be- 
ruht keines  auf  der  Aulularia    des  Plautus.      Der  einaktisre 


•)  Catäl.  bibliogr.    S.  378. 
2)  Claus,  1.  c.    S.  69. 
8)  Ibid.    S.  68. 
'')  Pro  las.    I,  2.  312. 

21 ! 


324  IV.  Captivi. 

..  I/Avaro"1)  erinnert  in  keinem  Worte  daran.  II  Geloso 
avaro2)  -  1755  gespielt  —  lässt  nur  zufällig  bisweilen  an 
Moli  er  e  denken.  So  S.  136,  da  er  das  Geld  ausschüttet:  „Ohne! 
el  mio  oro,  el  mio  cuor,  le  mie  viscere,  me  sento  morir,  non  posso 
piü!  Ajnto!"  oder  S.  135:  „Caro  el  mio  scrigno  che  tu  me  costi 
tanti   spasimi,   tanti  suori,   dovro  lassarte." 

Noch  weniger  Plautinisches  enthält  Goldonis,  „L'avaro 
fastoso3)",  und  seihst  in  „II  vero  amico",4)  den  Claus5)  als 
der  Aulularia  am  nächsten  stehend  bezeichnet,  ist  nur  äusserst 
weniges  zu  finden,  was  auf  Plautus  oder  Moliere  hinwiese. 
Zwar  ist  der  alte  Ottavio  stark  in  seinen  „scrigno",  verliebt  und 
spricht  seine  Dukaten  (III,  1)  an:  Oh  belli  zecchini!  Oh  cari  i 
miei  zecchini!  Er  hat  sie  in  schändlicher  Weise  zur  Zeit  einer 
schweren  Hungersnot  zusammengerafft.  Auch  die  Frage  der  Mit- 
gift, das  Molieresche  sans  dot,  begegnet  uns  hier  (III,  4): 
„Volete  maritar  la  figlia  senza  dote?";  dennoch  ruft  nicht  einmal 
die  Szene,  da  er  sich  seines  Schrankes  beraubt  sieht,  Plautus 
ins  Gedächtnis,  und  hier  lag  es  gewiss  am  nächsten  (III,  18). 
Povero  il  mio  scrigno  .  .  .  Povero  il  mio  scrigno!  .  .  .  Presto! 
ajuto !  Dabei  ist  er  noch  so  besonnen ,  dass  er  (wohl  nach 
Moliere  V,   5)  beim  Abeilen   die  Kerze  auslöscht. 

Auch  eine  Reihe  von  Opern  „L 'Avaro"  werden  aufge- 
zählt^) so  von  Anfossi  (1775),  Sarti  (1777),  Rutini  (1789), 
Orlando  (1801),  Bianchi  (1804),  Fioravanti  (1804),  Cordella 
(1810);  Ant.   Graf  von  Milari  (cc.   1810),   Savi  (1810)  u.   a. 


IV.    Captivi.7) 

Bekanntlichst  bezeichnet  Lessing  (Beiträge  S.  48)  die  Captivi 
des  Plautus  als    „das  vortrefflichste  Stück,    .    .   .    welches  jemals 


')  Collezione  completa  delle  commedie  di  Carlo  Goldoni.  Prato, 
per  i  F.  Giachetti.    1821.    Bd.  21.    S.  5—40,  u.  ediz.  Pasqu.    vol.  4. 

2)  Collez.  compl.  Bd.  21.  S.  43—137,  u.  ediz.  Venez.  1789.  t.  18. 
—  Barrera,  S.  28,  führt  auch  einen  spanischen  El  Celoso  avaro  des 
D.  Antonio  Bazo  (aus  dem  letzten  Drittel  des  18.  Jahrhunderts)  an. 

3)  Collez.  compl.   Bd.  6.   S.  95— 169  (1819),  u.  ediz.  Venez.  1789.    t.  9. 

4)  Ed.  Parigi,  1852,  u.  Monaco  (Giog.  Franz.    1852). 

5)  Claus,  1.  c.    S.  55:  „proxime  accedit  ad  Aululariani." 
c)  Vgl.  Clement,  Dict.  lyrique.    S.  70. 

')  Ausgaben:  Avellino  (Neapel  1807);  Bosscha  (Amsterd.  1817); 
F.  Lindemann  (Lpz.  1830);  Geppert  (Berl.  1859);  Ussing  (Kopenh. 
L869);  Brix  (Lpz.  1876);  Edward  A.  Sonnenschein  (London  1880).— 
Hier  ist  zitiert  nach  Fleckeisen. 


Charakteristik  derselben.  325 

auf  den  Schauplatz  gekommen  ist",  und  führt  das  Urteil  des  be- 
rühmten niederländischen  Forschers  Johann  Dousa  an:  „Quoties- 
cunque  manum  Plauti  captivis  inectare  libet,  me  sibi  prorsus 
consimilem,   hoc  est  captivum,   reddunt.  '■' 

Rapp')  findet  zwar,  dass  Lessings  Ausspruch  „mehr  Enthu- 
siasmus als  ruhiges  Urteil  zu  erkennen"  gebe,  dennoch  aber  nennt 
er  das  Stück  „schon  darum  merkwürdig,  weil  es  das  einzige 
seiner  Gattung  ist,  das  aus  dem  Altertum  auf  uns  gekommen. 
Gleichweit  von  der  Erhabenheit  der  Tragödie,  wie  von  der  über- 
mütigen Lust  der  Komödie,  spielt  es  in  den  Regionen  der  weichen 
Rührung,  des  Edelmuts  und  der  Aufopferung,  kurz  in  allem,  was 
uns  gewöhnlich  das  Modernsentimentale  auszumachen  scheint.  Man 
möchte  fast  sagen,  wie  Aristophanes  die  pathetische  Komödie, 
so  hat  dies  Stück  das  pathoslose  ernste  Drama  der  alten  Kunst 
vor  uns  aufgestellt."2)  Auch  Rapp  gesteht,3)  dass  es  ein  Stück 
sei,   das    „keinem  modernen  Theater  Schande  machen  sollte". 

Unter  den  plautinischen  Komödien  ist  dieses  „Rührstück 
(vgl.  S.  98)  ohne  erotische  Verwickelung  und  spannendes  Interesse"4) 
jedenfalls  durch  seine  Eigenart  abstehend  von  den  übrigen  und 
ihnen  geradezu  entgegenstehend.  Diese  Eigenart  seines  Stückes 
drückt  der  Dichter  selber  zweimal  —  im  Prologe  und  im  Epi- 
loge —  aus.     Er  rühmt  die  Keuschheit  seines  Vorwurfes  (F.  54): 

Profecto  expediet  fabulae  huic  operam  dare: 
Non  pertractate  factast  neque  item  ut  ceterae. 
Neque  spurcidici  iusunt  iiersus  imnemorabiles: 
Hie  neque  periurus  lenost  nee  meretrix  mala 
Neque  miles  gloriosus, 

und  am  Schlüsse   (7.    1029): 

Spectatores,  ad  pudicos  mores  facta  haec  fabulast. 
Neque  in  hac  subigitationes  sunt  neque  ulla  amatio 
Nee  pueri  suppositio  aut  argenti  circumduetio, 
Neque  ubi  amans  adulescens  scortum  liberet  clam  suum  patrem. 
Huius  modi  paucas  poetae  reperiunt  comoedins, 
Vbi  boni  meliores  fianl, 

xmd  alle  werden  (F.   1036)  zum  Beifall  eingeladen: 
„qui  pudicitiae  esse  uoltis  praemium." 

Es  ist  in  der  That  ein  erhebendes  Drama,  das  vor  unsern 
Augen  sich  abspielt.     Rapp,   in   seiner  weitumfassenden   Kenntnis 


')  Die  pl.  Lustsp.    S.  459. 

A  Ibid.    S.  4:.!». 

A  Tbid.    S.  460. 

«)  Teuffei  (G.  <l.  r.  L.).    S.  148.  —  Kapp.    S.  4(31. 


326  IV.   Captivi. 

der  dramatischen  Litteratur,  erinnert  mit  vollem  Rechte  an  die 
spanischen  Tragödien,  zunächst  Calderons  „Principe  constante", 
und  sagt,1)  man  ist  versucht  „zu  glauben,  der  spanische  Dichter 
habe  sich  entschieden  unser  Stück  zum  Vorbild  genommen". 

Der  prologvs  führt  uns  in  die  Situation  ein.  Wir  sehen 
[V.  1),  „captiuos  duos"  und  erfahren,  dass  der  alte  Hegio  (in 
Ätolien)  zwei  Söhne  hatte.  Den  einen  stahl  im  Alter  von  vier 
Jahren  (quadrimum  F.  8.  760.  876.  1011)  ein  Sklave  und  ver- 
kaufte ihn  nach  Elis.  Der  andere,  Philopolemos,  wurde  im 
Kriege,  welchen  eben  die  Einwohner  von  Elis  mit  den  Atolern 
führen,  kriegsgefangen  und  von  einem  Arzte  Menarchos  ge- 
kauft. Hegio  handelt  nun  Gefangene  aus  Elis  in  Massen  ein, 
um  gegen  diese  vielleicht  einmal  die  Loskaufung  seines  Sohnes 
bewerkstelligen  zu  können. 

Den  ersten  Akt  leitet  der  Parasit  Ergasilus  ein,  dessen 
Aufgabe  in  diesem  ziemlich  ernsten  Stücke  die  Aufheiterung  der 
Zuschauer  nach  Szenen  düstereren  Charakters  ist.2)  Sein  „rex" 
(F  92)  ist  in  Elis  gefangen  und  das  Haus  für  ihn  „aedes 
lamentariae"  (V.  96).  Hegio  mit  Sklaven  tritt  auf;  er  hat  gestern 
zwei  Kriegsgefangene  (Philokrates  und  Tyndarus)  gekauft. 
Da  Philopolemos  in  der  Ferne  gefangen  sitzt,  macht  sich  der 
Parasit  an  seinen  Vater  Hegio  und  wird  auch  von  diesem  zu 
Tische  geladen. 

Im  zweiten  Akte  erbittet  sich  Philokrates  von  dem 
lorarius  die  Vergünstigung,  einige  Worte  mit  seinem  Mitge- 
fangenen Tyndarus  wechseln  zu  dürfen,  was  ihm  gewährt 
wird.  Die  beiden  Gefangenen  verabreden  nun,  dass  Tyndarus 
den  Herrn,  Philokrates  den  Sklaven  spielen  solle.  Hegio 
kömmt,  sie  wegen  ihrer  Herkunft  zu  befragen,  und  Tyndarus 
(als  Philokrates)  sagt,  er  stamme  aus  dem  reichen  Hause  der 
Polyplusier  (7.  277): 

Quod  genus  illist  unum  pollens  atque  honoratissumum. 

Hegio  verspricht  beiden  die  Freiheit,  wenn  sie  das  Ihrige  thun 
wollten,  ihm  seinen  Sohn  zu  verschaffen.  Sobald  Tyndarus 
den  Namen  Menarchos  hört,  schöpft  er  Hoffnung,  die  Sache  zu 
ermöglichen;  denn  dieser  ist  ein  Klient  des  Philokrates  (F.  335): 

Pol  is  quidem  huius  est  cluens: 
Tarn  hoc  quidem  tibi  in  proeliuist,  quam  imber  est,  quando  pluit. 

Er  rät  Hegio,  den  Sklaven  (Pjhilokrates)  an  seinen  Va- 
ter zu  schicken;   er  bürge  für  seine  Rückkehr.      Sofort  entsendet 


')  1.  c.    S.  460. 

2)  Ob  der  Parasit  reine  Zuthat  des  Plautus?  E.  Herzog,  J.J.  113,363. 


Charakteristik  derselben.  327 

Hegio  den  vermeintlichen  Sklaven,  indessen  Tyndarus  zurück- 
bleibt. Hegio  begiebt  sich  zu  den  übrigen  Sklaven,  um  zu 
forschen,   ob  sich  dort  keiner  findet,   dem  Tyndarus  bekannt  ist. 

In  der  ersten  Szene  des  dritten  Aktes  tritt  der  Parasit 
auf.  Er  will  womöglich  irgendwo  ein  fettes  Mahl  finden,  um  der 
„cena  aspera"  (F.  497)  des  alten  Hegio  zu  entgehen;  denn  erst, 
wenn  er  im  Hafen,  der  „una  spes  cenatica"  (V.  496),  niemanden 
entdecken  kann,   will  er  zu  Hegio  zurückkehren. 

Hegio  führt  den  Aristophontes,  einen  Gefangenen, 
herbei,  der  erklärt  hatte,  dass  ihm  Philokrates  aus  Elis  wohl 
bekannt  sei.  Mit  Entsetzen  sieht  ihn  Tyndarus  nahen.  Nun 
ist  alle  Hoffnung  dahin,  nur  ein  toller  Streich  kann  ihn  noch 
retten  (F.   529): 

Neque  Salus  seruare,  si  uolt,  me  potest;  nee  copiast 
[Me  expediimdi],  nisi  si  astutiam  aliquam  corde  machinor. 
Quam,  malum?  quid  machiner,  quid  couminiscar,  haereo: 
[Nisi]  migas  ineptiasque  iam  ineipisso  maxumas. 

Hegio  stellt  Tyndarus  und  Aristophontes  einander  gegenüber; 
dieser  erkennt  ihn  als  Sklaven  Tyndarus,  nicht  als  Philokrates. 
Tyndarus  versucht  nun  das  Ausserste.  Dieser  Mensch,  sagt  er, 
war  in  Elis  toll.  Vater  und  Mutter  hat  er  mit  Spiessen  verfolgt; 
er  selber  leidet  an  Epilepsie.      (F.  550): 

Et  illic  isti  qui  sputatur  morbus  iuterdum  ueuit. 

Der  hierüber  heftig  erzürnte  Aristophontes  bringt  durch  seinen 
Zorn  Hegio  wirklich  auf  einige  Zeit  diesen  Glauben  bei.  Er 
tritt  von  ihm  weg,  und  es  folgt  eine  in  der  Darstellung  ungeheuer 
wirksame  Szene.  Tyndarus  winkt  dem  Aristophontes  ab. 
„Quid  mi  abnutas?-'  ruft  dieser  (F.  611).  Schüchtern  versetzt 
Tyndarus:  „Tibi  ego  abnuto?''  Allein  es  ist  zu  spät.  Hegio 
ist  aufmerksam  geworden  und  ruft,  gewaltig  erzürnt,  Sklaven. 
Tyndarus  kann  sich  nicht  mehr  helfen;  er  gesteht,  dass  er  seine 
Pflicht  gethan  und  seinen  Herrn  gerettet  habe  (F    707): 

At  erum  seruaui,  quem  seruatum  gaudeo, 
Quoi  me  custodem  addiderat  erus  maior  meus. 

Hegio  lässt  ihn   gefesselt  abführen. 

Hier  muss  nun  eine  längere  Pause  angenommen  werden,  nach 
einigen  eine  solche  von  mehreren  Tagen  oder  Wochen. 

Über  diesen  gegen  die  Pegeln  der  aristotelischen  Poetik  ver- 
stossenden  Punkt  hat  Lessing1)  umfassend  gehandelt. 


»)  Werke,  3,  77.  127. 


328  IV.   Captivi. 

Den  vier  ton  Akt  eföfihet  der  Parasit.  Er  hat  eine  freu- 
dige Nachricht  für  Hegio  (V.   IIA): 

Ita  hie  me  amoenitate  amoena  amoenus  onerauit  dies. 

Hegio  tritt  auf,  und  nach  langem  Hin-  und  Herreden  und  unter 
den  üblichen  Parasitenwitzen  erzählt  Ergasilus  dem  Alten,  er 
habe  am  Hafen  seinen  Sohn  Philopolemos  gesehen,  zugleich 
mit  Philokrates  und  jenem  Sklaven  Stalagmus,  der  ihm  vor 
Jahren  sein  vierjähriges  Söhnchen  gerauht  habe.  Indessen 
Hegio  voll  Erwartung  zum  Hafen  eilt,  versieht  Ergasilus  das 
ihm  übertragene  Amt  eines  Küchenmeisters,  die  „rem  summam 
eibariam"  (7.  901)  in  einer  Weise,  von  der  uns  ein  Sklave  be- 
richtet (7   921): 

[In  hoc],  ut  hie  quidem  adornat,  aut  iam  nihil  est  aut  iam  nihil  erit. 

Im  fünften  Akte  tritt  Hegio  mit  Philopolemos,  Philo- 
krates und  Stalagmus  auf.  Philokrates  hört,  was  sein 
Sklave  für  ihn  erduldet  habe.  Stalagmus  gesteht,  dass  er  das 
geraubte  Kind  an  Theodor omedes  in  Elis  um  sechs  Minen  ver- 
kauft habe,  und  so  ergiebt  sich  denn,  dass  Tyndarus  der  Sohn 
Hegios  ist.  Die  Fesseln,  die  ihm  abgenommen  werden,  werden 
Stalagmus   angelegt. 

Das  Hauptinteresse  der  gesamten  Handlung  in  den  Captivi 
fällt  auf  die  Heldengestalt  des  Tyndarus.  Es  ist  wirklich  ein 
Charakter,  wie  er  uns  in  den  spanischen  Dramen  entgegentritt. 
Die  unverbrüchliche  Treue  gegen  seinen  Herrn,  dem  er  seit 
seiner  Kindheit  als  „peeuliaris",  von  Jugend  auf  ,.quia  quasi  una 
aetas  erat"  (7  20)  diente,  zeigt  sich  in  kleinen,  wie  in  grossen 
Dingen.  Da  Philokrates  ihm  den  Plan  der  Rettung  entwickelt, 
erwidert  er  ihm  nur  mit  einem  einfachen  (7  228)  ,,Ero  ut  me 
uoles    esse",    oder   (7   40)    ..Audio":    und    mit    der    Versicherung 

(7.   229): 

tu  nunc  uides  pro  tuo  caro  capite 
Carum  offerre  [me]  meum  caput  uilitati, 

welche  er  so  glänzend  rechtfertigt.  Im  Gespräche  mit  Hegio 
entwickelt  er  reichlich  seinen  Witz  und  manches  Wortspiel,  und 
gewandt  bringt  er  es  dahin,  dass  Hegio  seinen  Herrn  entlässt. 
Trefflieh  ist  der  Abschied  von  Philokrates  gezeichnet  und  die 
unverkennbare  Selbstschilderung  mit  der  Hoffnung  auf  einstige 
Freilassung,     da,    wo    er    seinen    Herrn    als    treuen    Sklaven    lobt 

(7.   402): 

Nos  fuisse  ingenio  hau  discordabili, 
Xeque  te  conmeruisse  culpain  neque  me  aduorsatum  tibi. 
Beneque  ero  gessisse  morem  in  tantis  aernmnis  tarnen, 


Charakteristik  derselben.  329 

Neque  med  umquam  deseruisse  te  neque  factis  neque  fide 
Rebus  in  dubiis,  egenis.  haec  imter  quando  seiet, 
Tyndare,  ut  fueris  animatus  erga  suum  gnatuni  atque  se, 
Numquam  erit  tarn  auarus,  quin  te  emittat  gratiis  manu. 

Zur  Höhe  eines  Helden  aber  erhebt  sich  Tyndarus,  wo  der 
Ernst  der  Lage  an  ihn  herantritt,  wo  er  sich  für  seine  Thaten  zu 
verteidigen  hat.  Als  er  gefesselt  werden  soll,  bietet  er  seine 
Hände  auch   zum  Abhauen  dar  (V.   668): 

Tuns  sum,  tu  lias  quidem  [mihi]  uel  praeeidi  iube. 

Er  begreift  nicht,   worin   sein  Verbrechen  liegen  soll,   und  spricht 
selbstbewusst  aus  (V.   690): 

Qui  per  uirtutem  perit,  at  nou  [is]  interit. 

Ihn  erwartet  nur  Ruhm;  denn  es  ist  keine  Schandthat,   um  derent- 
halben  er  fallen  soll  (7.   682): 

Dum  ne  ob  malefacta,  peream:  parui  [id]  aestumo. 

Si  ego  hie  peribo,  ast  ille,  ut  dixit,  non  redit: 

At  erit  mi  hoc  factum  mortuo  memorabile, 

[Me]  meum  erum  captum  ex  seruitute  atque  hostibus 

Reducem  fecisse  liberum  in  patriam  ad  patrem, 

Meumque  potius  me  caput  periculo 

[Hie]  praeoptauisse  quam  is  periret  ponere. 

Nur    eine   Lüge    konnte    seinem    Herrn    von   Nutzen    sein;    darum 
log  er  (V.   705): 

Quia  uera  obessent  illi,  quoi  operam  dabam: 
Nunc  falsa  prosunt. 

Der  Tod,  den  er  hierfür  erleiden  muss,  Avährt  nur  kurze  Zeit  (F.  740): 

Periclum  uitae  meae  tuo  stat  periculo. 
Post  mortem  in  morte  nihil  est  quod  metuam  mali. 
Etsi  peruiuo  usque  ad  summam  aetatem,  tarnen 
Breue  spatiumst  perferundi  quae  minitas  mihi. 

Es    ist    ein     schönes     Wort,     mit    dem     er    von    Hegio    scheidet 

(V.   744): 

Vale  atque  salue,  etsi  aliter  ut  dicam  meres, 

und  sein   letzter  Protest   (  V.    750): 

Vis  haec  quidem  hei'clest,1)  et  trahi  et  trudi  semul, 


')  Naiv  ist  GL  Schwabs  Bemerkung  zu  Rapp,  S.  528,  Cäsar  habe 
wohl  an  diese  plautinische  Stelle  gedacht,  :ils  er,  von  den  Verschwornen 
angefallen,  „Ista  quidem  vis  est!"  ausrief.  ,.Fast  sollte  man  glauben, 
er  habe  mit  Plautus  gesagt  .Vis  haec  quidem  hercle  est'  —  und  am 
Weitersprechen  des  Verses,  et  trahi  et  trudi  semul'  sei  er  nur  durch  den 
Dolchstoss  des  Kassius  in  die  Kehle,  verhindert  worden." 


330  IV.  Captivi. 

ist    die    Aussprache    eines   Herzeus,    das    sich    keiner   Schuld    be- 

WUSSl     ist. 

Welche  Martern  der  edle  Tyndarus  erduldete,  erzählt  er  hei 
seiner  Rückkehr  aus  den  Steinbrüchen,   dem   Orte  (F.  1001): 

„Vbi  labore  lassitudost  exigunda  ex  corpore." 

Die  erlittene  Schmach  und  die  Duldungen  haben  ihn  etwas 
abgestumpft;  kälter,  als  man  glauben  sollte,  benimmt  er  sich  bei 
der  Lösung. 

Die  Figur,  welche  viel  zur  Entfaltung  des  Knotens  beiträgt, 
ist  der  Parasit  Ergasilus,  der  in  diesem  Stücke  wieder  ein 
vollendetes  Bild  des  Parasitentums  entwickelt.  Die  Jugend  hat  ihn 
„Dirne"   genannt,    weil  er  inig-eladen    zu  Tische  kömmt  (F.   69): 

Iuuentus  nomen  indidit  Scorto  mihi. 
Quia  inuocatus  soleo  esse  in  conuiuio. 

Allein  die  Jugend  ist  nimmer,  wie  sie  war.  Von  ihr  ist  nichts 
mehr  zu  hoffen  (F.    104): 

Xulla  iuuentutis  spes  est. 

Sie  lässt  die  Parasiten  im  Stiche   (F.  470): 

Ita  iuuentus  iam  ridiculos  inopes  ab  se  segregat, 

und  dies  Verhalten  der  jungen  Herrn  gegen   die  (F.   471): 

Lacones  imi  supselli  uiros, 
Plagipatidas,  quibus  sunt  uerba  sine  penu  et  pecunia. 

das  bei  Plautus  öfter  Grund  zu  bitteren  Klagen  wird,  führt 
den  Parasiten  zu  traurigen  Schilderungen  der  Gegenwart.  Wohl 
ist  Ergasilus  ein  zudringlicher  Mensch;  die  Parasiten  sind  wie 
die  Mäuse,   die  ungeladen  kommen  (F.    76): 

Quos  numquam  quisquam  neque  uocat  neque  iuuocat. 
Quasi  mures  semper  edimus  alienum  cibum, 

wie  die  Schnecken,  die,  bis  der  Tau  fällt,  vom  eignen  Safte  le- 
ben (F.   80),   wie  die  Hunde  (F.   86): 

Canes  sumus:  quando  redierunt,  Molossici 
Odiosicique  et  multum  incommodestici. 

Allein  diese  Aufdringlichkeit  findet  leicht  ihre  Entschuldigung.  Es 
ist  unendlich  schwierig,   für  sich  selbst  zu  sorgen  (F.   461): 

Miser  homost,  qui  ipsus  sibi  quod  edit  quaerit  et  id  aegre  inuenit, 


Charakteristik  derselben.  331 

und   der  Bedürfnisse  sind  gar  viele.      Hegio  sagt   ihm  (7    159): 

Multis  et  multigeneribus  opus  est  tibi 
Militibus  u.  s.  w., 

und  auf  seinen  Magen  setzt  er,  wenn  er  satt  ist,  sein  Vertrauen 
(F.  812): 

Satur  hornost,  habet  profecto  in  uentre  confidentiam. 

Zu  Hause  schmeckt  ihm  nichts   so,   wie  auswärts  (7    136): 

Neque  umquam  quicquam  nie  iuuat  quod  edo  domi: 
Foris  aliquantillum  etiam  quod  gusto  id  beat, 

und  so  ist  ihm  sein  „rex"  unentbehrlich  und  der  .,magis  unicus" 
(7   150). 

Hegio  greift  eigentlich  selbsthandelnd  wenig  ein.  Er  ist 
ein  ehrenwerter  (V.  106),  gutmütiger  Mann  (7  333,  optumiis 
hominum  homo);  obwohl  reich,  ist  er  kein  Sklave  des  Geldes  ge- 
worden (7   325): 

Non  ego  omnino  hierum  omne  esse  utile  homini  existumo, 

ja  er  hasst  den  Reichtum   (7.   327): 

Odi  ego  aurum:  multa  multis  saejie  suasit  perperam. 

Da  er  aber  seine  Güte  gemissbraucht  und  sich  von  Tyndarus  ge- 
täuscht sieht,  da  will  er  keine  Gnade,  kein  Mitleid  mehr  üben 
(7   764): 

neminis 
Misereri  certumst,  quia  mei  niiseret  neminem. 

Auch  Philopolemos,  Philokrates  und  Aristophontes 
sind  „mehr  bloss  als  mittelbare  Hebel  der  Handlung  benützt".1) 
Philokrates  wird  von  Tyndarus  (7    647): 

Macilento  ore,  naso  acuto,  corpore  albo,  oculis  nigris, 
Subrufust,  aliquantum  crispus,  cincinnatus 

gezeichnet.  Nicht  erst  nach  seinem  Opfer  liebt  er  seinen  Sklaven, 
schon  vorher  möchte  er  ihn  Vater  nennen  (7   238): 

Pol  ego  te,  si  audeam,  meum  patrem  nominem: 
Nam  seeundum  patrem  tu  's  pater  proxumus. 

Mag  immerhin  der  Sklave  Stalagmus  etwas  „plump  in 
den     letzten    Akt    hereingeschneit''-)     kommen,    so     ist    er    doch 


')  Rapp  a.  a.  0.    S.  462. 
2)  Ibid.    S.  462. 


332  IV.  Captivi. 

in   seiner  Verstocktheit  trefflich    geschildert.      Er   sagt  selber  von 
sieh  (F.   956): 

Fui  ego  bellus,  lepidus,  bonus  uir  numquam  neque  frugi  bonae 
Neque  ero  umquam:  ne  |tu  in]  spem  ponas  me  bonae  frugi  fore. 

Er  kennt  keine  Scham   [V.   961): 

Quocl  ego  fatear,  credin  pudeat  quom  autumes? 

und  ist  nicht  „inperitus"  (F  963).    Trotzig-  erkennt  er  die  Schwere 
seines  Verbrechens  (F.   969): 

Non  me  censes  scire  quid  dignus  siem? 

und    da    ihm    der    Schmied   die   Fesseln    anlegt,     sagt    er    boshaft 

(F.   1028): 

Quoi  peculi  nihil  est.  recte  feceris. 

Dies  der  Inhalt  und  die   Gestalten  des   an  fesselnden  Szenen 
so  reichen   Stückes. ]) 


Eine  der  bekanntesten  Komödien  der  italienischen  Litteratur, 
..I  Suppositi"  des  Lodovico  Ariosto  (geb.  8.  Sept.  1474: 
gest.  6.  Juni  1533),  verdankt  manches  den  Captivi  des  Plau- 
tus,  indessen  spielen  auch  Reminiszenzen  des  Amphitruo  und 
der  Menächmi,  sowie  des  Eunuchus,2)  wenn  auch  ohne  die 
äussere  Ähnlichkeit  der  Verwechselten,  mit.  Wir  haben  von  den 
Suppositi  des  Ariosto  zwei  Bearbeitungen,  eine  prosaische 
und  eine  poetische.3)  Das  Stück  kann  nicht  vor  1502  aufge- 
führt worden  sein,4)  wegen  einer  Stelle  (V,  6),  wo  Cleandro 
seine  Schicksale  erzählt.  Otranto  wurde  1480  eingenommen: 
Cleandros  Sohn  aber  zählt  bereits  zwanzig  Jahre. 

Der  Wunsch  der  Zuschauer  ging  damals  aufs  Altertum.  Ariosto 
sagt  in  seinem  Prologe  zur  (prosaischen)  Cassaria,   dass  ihn  das 


')  Histoire  critique  de  la  Re'publique  des  Lettres.  Bd.  XIII.  — 
Nouvelles  de  la  Republique  litt,  von  1716  (Brief  von  La  Coste).  — 
Lessing,  Beiträge  zur  Historie  u.  s.  w.  (3.  Stück).  —  W.  Hertzberg, 
vor  seiner  Übersetzung.    S.  XIX. 

2)  Ruth.    IL  524.  —  Prölss.    I,  2.  110. 

3)  Commedie  e  satire  di  Lodovico  Ariosto,  annotate  da  Gio- 
vanni Tortoli.  Firenze  (Barberä)  1856.  Die  poetische  Bearbeitung- 
findet  sich  dort  S.  113—193;  die  prosaische  S.  491—584.  —  Vgl.  über 
das  Stück  Giov.  Mar.  Crescimbeni,  Istoria  della  volgar  poesia,  Ve- 
nezia  1730.    Bd.  VI.    S.  105. 

')  Nach  Giuseppe  Campori,  „Xotizie  per  la  vita  di  Lod.  Ariosto." 
Modena  1871.  2  ediz.,  wurden  sie  1509  zum  erstenmale  aufgeführt.  S. 
auch  Gregorovius.    I,  232.  —  Prölss.    I.  2.  100.  ■ 


Ariostos  Suppositi.  333 

Publikum  tadeln  werde,  wenn  er  nicht  bei  der  Antike  bleibe  und 
Neues  bringen  wolle  (S.   433): 

Che  tale  impresa  non  gli  par  suggetto 
Degli  moderni  ingegni,  c  solo  stiiiui 
Quel  che  gli  antiqui  hau  dctto,  esser  perfetto. 

Und  im  Prologe  zu  den  (prosaischen)  Suppositi  heisst  es 
(S.  493):  „E  vi  confessa  1'  Autore  avere  in  questo  e  Plauto 
e  Terenzio  seguitato  che  1'  uno  fece  Cherea  per  Doro,  e 
1'  altro  Filocrate  per  Tindaro  e  Tindaro  per  Filocrate, 
1'  uno  nello  Eunuco,  1'  altro  nelli  Captivi  supponersi  .  .  . 
Come  io  vi  dico,  dallo  Eunuco  di  Terenzio  e  dalli  Captivi  di 
Plauto,  ha  parte  dello  argomento  delli  suoi  Suppositi  transiuito: 
raa  si  modestamente  perö  che  Terenzio  e  Plauto  medesimi  risapen- 
dolo  non  1' arebbono  a male  e  dipoetica  imitazione  piü  presto  che 
di  furto  gli  darebbono  nome. "  ') 

I.  Akt.  Polinesta,  Damonios  Tochter,  hat,  von  ihrer 
Amme  begünstigt,  mit  dem  Diener  ihres  Vaters,  Dulippo,  ein 
Verhältnis  angeknüpft.  Auf  den  Vorwurf  ihrer  Amme  kann  sie 
wohl   erwidern : 

Chi  '1  menö  alla  camera 
E  poi  nel  letto  mio,  se  non  la  balia? 

Indessen  ist  dieser  Dulippo  nur  verkleidet: 

Questo  giovane, 
II  quäl  Dulippo  voi  riputate  essere, 
E  gentiluomo  di  Sicilia,  e  chiamasi 
Per  vero  nome  nella  patria  Erostrato, 
Filigono  e  suo  padre. 

Er  kam  zum  Studium  der  Rechte  nach  Ferrara,  traf  dort  Poli- 
nesta und  vergass  der  Bücher,  sodass  sein  Diener  für  ihn  die 
hohe  Schule  besucht,  während  er  bei  dem  Vater  seiner  Liebsten 
Dienste  nahm.  Der  Diener  studiert  unter  dem  Namen  Erostrato 
mit   sehr  grossem   Erfolg: 

Alle  lettere  ha  dato  si  buon'  opera, 

Che  in  esse  ha  fatto  im  }irofitto  mirabile. 

Nun  ist  aber  Erostrato  in  seiner  Liebe  nicht  ohne  Nebenbuhler 
geblieben.    Zunächst  ist  sein  Rivale  der  Rechtsgelehrte  Cleandro, 


')  Ward,  1.  c,  S.  144,  sagt  von  Gascoignes  Nachahmung:  „Its 
fable  is  a  very  ingenuous  combination  of  Terence  and  Plautus  and 
suggested  to  Shakespeare  part  of  the  plot  of  his  Taming  of  a  shrew 
as  well  as  (possiblyi  the  name  of  Petrucchio."  -  Klein.  IV,  326. — 
Pro  las.    I,  2.  110.  —  Ginguene.    VI,  195  ff.  —  Ruth.    II,  523.524. 


334  IV   Captivi. 

den  der  Parasit  Pasifilo  in  seinem  Glauben  bestärkt,  er  werde 
das  Mädchen  gewinnen. 

II.  Akt.  Dnlippo  hat  den  Parasiten  auf  seine  Seite  ge- 
bracht, und  durch  ihn  erfahren  wir,  dass  Damonio  nicht  abge- 
neigt ist,  dem  Cleandro  seine  Tochter  zur  Ehe  zu  geben;  nur 
auf  vierzehn  Tage,  meint  Erostrato,  solle  der  Alte  seine  Toch- 
ter zurückbehalten.  Bis  dahin  werde  alles  gut  werden,  da  ihm 
sein  Vater  einen  Besuch  in  Aussicht  gestellt  habe.  Unterdessen 
hat  aber  Dnlippo  bereits  auf  eigene  Faust  Vorsorge  getroffen. 
Er  fand  einen  Fremden  aus  Siena ,  der  schon  länger  in  Ge- 
schäftsreisen von  Hause  weg  war.  Diesem  erzählt  er ,  des 
Herzogs  Ercole  von  Ferrara  Gesandte,  die  von  Neapel  zurück- 
kehrten, seien  in  Siena  beleidigt  worden.  Infolgedessen  sei  Er- 
cole gegen  die  Saneser    aufs    höchste    aufgebracht,    und    auf    die 

heilige  Hostie: 

Ha  giurato  che  quanti  nel  dominio 
Suo  mai  capiteran,  vorra  che  lascino 
Tino  a  le  brache,  e  che  cacciati  vadano 
Di  qui  con  vituperio  ed  ignommia, 

was  fast  an  den  Eingang  von  Shakespeares  „Comedv  of  Er- 
rors"  erinnert.  Ja,  wer  einen  Saneser  beherbergt,  lautet  sein 
Gebot,  verfällt  in  schwere  Strafe.  Der  Fremde  glaubt  es.  Du- 
lippo  sagt  ihm,  er  wolle  ihn  trotzdem  beherbergen,  wenn  er  sich 
für  seinen  Vater,  den  Kaufmann  Filogono  aus  Oatanea  ausgebe. 
Seine  Aufgabe   als  solcher  wäre   dann  nur: 

che  obblighi  a  Damonio, 
Senza  suo  danno,  il  nome  di  Filogono, 
Per  dno  inilia  ducati  e  per  tre  milia 
Di  sopraddote,  e  per  quel  piü  che  chiedere 
GH  saprä  a  bocca  egli  stesso. 

Der  Fremdling  wird  nun  zu  Erostrato  geführt;  Cleandro  hat 
jedoch  unterdessen  in  Erfahrung  gebracht,  dass  der  Parasit  Pa- 
sifilo bei  Damonio   gegen  ihn  intriguiere. 

III.  Akt.  Damonio  hat  mittlerweile  von  der  Liebschaft  seiner 
Tochter  erfahren.      Was  er  aiich  mit  dem  Liebhaber  anfangs  thun 

wollte: 

Non  potro  far  perö,  ch'  egli  non  abbia 
La  figliuola  violata,  e  ingravidatola 
Fors'  ancho  — . 

Er  hält  nun  Dnlippo  (Erostrato)  eingesperrt;  das  Mädchen  ist 
trostlos : 

s'  affligge,  piange  e  stracciasi 
I  capei . .  . 

nicht    ihrethalben,    sondern   des  Geliebten  und   der  Amme  wegen. 


Ariostos  Suppositi.  335 

IV.  Akt.  Der  alte  Filogono,  des  Erostrato  Vater,  ist 
im  Hafen  angekommen;  dort  hat  ihn  Dnlippo  seihst  erblickt  und 
befindet  sich  nun  in  grosser  Verlegenheit.  Alsbald  führt  ein 
Ferrareser  den  Alten  vor  das  Haus  seines  Sohnes.  Filogono 
will   nicht,   dass  dieser  weiter  studiere:   das  Studium  ist  zu  schwer: 

potrebbesi 
0  morir,  o  impazzare,  o  d'  altra  simile 
Disgrazia  darsi  cagion. 

Auf  Filogonos  Pochen  öffnet  der  Koch  Dalio;  der  Alte  giebt 
sich  als  Erostratos  Vater  zu  erkennen,  hört  aber,  dass  dieser 
bereits  hier  sei,  und  zufällig  kömmt  auch  der  Pseudo filogono 
aus  Siena  und  stellt  sich,  befragt,  wer  er  sei,  als  Filogono  von 
Catanea  vor.      Da  nun  der   wirkliche    Vater,    vom    Koche    ernst 

zurechtgewiesen : 

Non  fia  ch'  io  tolleri 
Che  al  padre  del  padron  tu  dica  ingiuria, 

und  mit  groben  Worten  fortgejagt,  sich  mit  seinem  Diener  Lizio 
über  diesen  Vorfall  bespricht,  naht  Dulippo,  und  der  Ferrareser 
ruft  ihm  freudig  entgegen: 

0  Erostrato,  Filogono 

Vostro  padre  e  venuto  di  Sicilia. 
JJul.  Cotesto  non  m'  e  nuovo:  ben  veduto  lo 

Ho;  e  son  con  lui  stato  un  pezzo., 
Ferrar.  E  possibile? 

Per  quel  che  dice,  non  par  che  veduto  vi 

Abbia  giä  ancora. 

Filogono  erkennt  aber  nicht  Erostrato,  sondern  seinen  Sklaven 
Dulippo  in  dem  ihm  Vorgestellten,  während  Dulippo  nichts 
andres  übrig  bleibt,  als  zu  thun,  als  ob  er  Filogono  nicht 
kenne.  Der  Schmerz  des  Vaters  ist  wirklich  tragisch.  Von  Ju- 
gend auf  hat  er  ihn  sorgsam   erzogen,   und  nun: 

Questo  perfido, 
Questo  ribaldo  finge  non  conoscermi. 

Sofort  aber  quält  ihn  ein  andrer  Gedanke,  Dulippo  habe  seinen 
Sohn  aus  dein  Wege  geräumt  und  sich  an  seine  Stelle  gesetzt: 

Lo  avrä  venduto  o  assassinato  o  fattone 
Alcun  contratto,  alcun  governo  pessinio. 

Er  will  sich  an  die  Gerichte  wenden,  und  der  Ferrareser  empfiehlt 
ihm  als  tüchtigen  Anwalt  den  Doktor  Cleandro. 

V.  Akt.  Dulippo  nimmt  sich  das  Schicksal  seines  Herrn 
ernst  zu  Herzen.  Ihm  muss  geholfen  werden,  und  ihn  zu  retten, 
ist  er  zu  allem  bereit.      Audi   der   Parasit   findet: 


336  IV.  Captivi. 

Poich'  io  gli  ho  detto  che  Dulippo  e  in  carcere, 
Tutto  e  tornato  bizzarro  e  fantastico. 

Tili  diesen  ganz  zu  gewinnen,  giebt  er  ihm  das  Amt  des  Küchen- 
chefs.     Wie  Hegio  dem  Ergasilus  aufträgt  (F.   894): 

tu  intus  cura,  quod  opus  est: 
Sume,  posce,  prome  quiduis:  te  facio  cellarium, 

so  betiehlt  Dulippo   dem  Pasifilo: 

Va  in  cucina,  Pasifilo,  e  fa  cuocere 

E  dispor  quelle  vivande  a  tuo  arbitrio, 

ein  Amt,  das  Pasifilo  nicht  schlechter  als  Ergasilus  ausübt.  — 
Während  nun  Filogono  den  Doktor  Cleandro  konsultiert, 
stellt  es  sich  heraus,  dass  Cleandro  bei  Otranto  sein  Vermögen 
und  vor  zwanzig  Jahren  seinen  damals  zweijährigen  Sohn  verlor, 
der  von  Filogono  Dulippo  genannt  wurde,  weil  er  weinend 
immer  Dulippo  rief. 

Dulippo  aber  war  der  Diener,  der  ihn  aufzog.  In  solcher 
Weise  klärt  sich  alles  auf.  Cleandro  verzichtet  auf  Polinesta, 
die  er  nur  geheiratet  hätte,  „per  farmi  nascere  erede, "  da  er 
ja  diesen  jetzt  an  seinem  Sohne  gefunden  habe. 

Würde  sich  Ariosto  nicht  im  Prologe  erklären,  dass  er  an 
die  Captivi  des  Plautus  gedacht  und  seinen  Dulippo  an 
sie  angelehnt  Avissen  wollte,  so  würde  man  schwerlich  an  die- 
selben erinnert  werden,  so  sehr  sich  auch  die  Komödie  in  den 
Bahnen  des  Altertums  bewegt,  wie  ja  der  Parasit  mit  seinem 
ständigen  Hunger: 

che  sempre  nello  stoniaco 
Hai  dieci  lupi  affamati, 

eine  ganz   antike  Figur  ist. 

Die  Suppositi  des  Ariosto  haben  mehrfache  Nachahmun- 
gen veranlasst.  Chäsles  (Hist.  de  la  comed.  franc.,  S.  91),  sagt: 
La  piece  des  supposes  fut  traduite  ou  imitee  ä  trois  reprises  dans 
le  courant  du  XVIe  siecle;  en  1545  par  Jacques  Bourgeois 
en  vers;  en  1552  par  Jean  Pierre  de  Mesmes  en  prose;  en 
1552  par  Godard,  qui  l'abregea,  la  morcela,  et  en  fit  une  farce 
en   cinq  actes.  ') 


')  Das  Stück  des  Jacques  Bourgeois  führt  deu  Titel  Les 
amours  d'Erostrate,  fils  de  Philogoue  de  Catanie  &  de  Po- 
lymueste,  fille  de  Dämon,  Bourgeois  d'Avignon.  in  16°.  Paris 
1545.  (Jeanne  de  Maruef)  und  noch  im  selben  Jahre  (J erosine  de 
Maruef).  (Beauchamps,  Kecherches.  I,  158.)  —  Sieben  Jahre  später 
folgte:  Les  supposez,  Comedie  de  Loys  Ariosto,  traduite  eu  prose 
fraucoise.    iu  8°.    Paris  1552.    (Estienne  Groulleau.)     Die  Übersetzung  ist 


Gascoigne.     Massinger.    Voisenon.  337 

Über  die  englische  Bearbeitung  Gascoignes  heisst  es  bei 
Warton  (III,  317):  In  1566  tlie  .,Supposes"  a  comedy  (a  prose 
paraphrase  of  the  Suppositi  of  Ariosto  by  George  Gas- 
coigne) .  .  .  were  prodnced,  und  III,  342.  Supj>oses,  a  co- 
medy written  in  the  Italian  tongue  by  Ariosto,  Englished  by 
George  Gascoygne  of  Grayes  Inne  Esquire  and  there  presen- 
ted  1566  (aber  erst  1573  gedruckt).  Gascoygne's  translation, 
which  is  extremely  free  and  loose  and  seems  rather  to  come 
within  the  category  of  an  adaptation  to  an  English  audience,  is 
in  prose.  (Vgl.  Ward,  S.  144.)  —  Die  alte  Komödie  der  Sup- 
poses  benützte  Mas  sing  er  stellemveise  in  seinem  Lustspiele:  „A 
new  way  to  pay  old  debts."1) 

Gleichfalls  auf  Ariosto  greift  nach  Desnoirterres2)  ein 
petit  acte  en  vers  „l'heureuse  ressemblance"  des  Abbe  de 
Voisenon  zurück,  dessen  Intrigue  auf  der  Ähnlichkeit  von  Bru- 
der und  Schwester  beruht.  Indessen  hat  der  Abbe  Claude 
Henri  de  Fusee  de  Voisenon  (geb.  8.  Juli  1708;  gest.  22. 
Nov.  1775)  kaum  daran  gedacht,  als  er  diese  menächmen- 
artige  einaktige  Komödie  schrieb;3)  denn  nach  dem  „Aver- 
tissement  de  1'editeur"  ist  die  Geschichte  wahr.  Hören  wir 
statt  weiteren  dieses: 

„(Voisenon)  etoit  dans  la  Terre  d'im  de  ses  amis  pres  de  Ronen  .  .  . 
parmi  les  personnes  qui  etoient  ä  cette  campagne,  il  y  avoit  un  fröre  & 
une  soeur  jumeaux:  leur  ressemblance  etoit  si  frappante,  que  sans  les 
difference  des  vetemens,  on  ne  les  eüt  point  reconnus.  La  sceur  du 
Chevalier  etoit  l'amie  intime  d'une  jeune  Demoiselle  dependante  abso- 
lument  d'elle,  dont  le  bien  etoit  considerable,  &  qui  avoit  fait  une  forte 
impression  sur  le  coeur  du  Chevalier.  II  ressembloit  trop  ä  sa  sceur  pour 
ne  pas  interesser  son  amie;  l'interet  augmentoit  chaque  jour  d'un  cöte 
&  la  passion  de  l'autre:  mais  pour  un  effet  de  ce  meme  sentiment,  on 
evitoit  mutuellemeut  d'en  parier  de  peur  de  se  trahir.    L'on  proposa  de 

von  Jean  Pierre  de  Mesmes.  (Beauchamps.  I,  166.)  —  Auf  Grund 
dieser  beiden  Bearbeitungen  entstand  Jean  Godards  (geb.  zu  Paris  1564; 
gest.  nach  1624)  Lustspiel  Les  Desguisez  1594.  1624.  —  Das  Lustspiel 
ist  neu  gedruckt  auf  S.  335 — 463  des  siebenten  Bandes  des  Ancien 
Theätre  francois.  Paris  1856.-  (P.  Jeannet.)  Dort  heisst  es  (S.  337): 
Quoiqu'il  en  soit,  la  piece  de  Jean  Godard  differe  considerablement 
de  celle  de  l'Arioste  pour  le  plan  et  la  conduite.  Le  nombre  des  per- 
sonnages  est  reduit  de  moitie,  Taction  est  degagee  de  ses  longueurs,  les 
scenes  memes  sont  coupees  et  disposees  dans  un  autre  ordre  —  dans  un 
ordre  plus  approprie  ä  la  scene  francoise  ...  —  Bref,  Les  Desguisez 
-"in  um'  des  plus  Julies  comedies  fran(;oises  du  seizieme  siecle.  —  Vgl. 
auch  Parfait,  Hist.  du  theätre  fr.    UL  507. 

')  Massinger,  ed.  Gifford  (1813).  III,  551.  „Massinger  has  taken 
a  few  traits  of  the  character  of  his  Justice  from  Pasiphilo  in  the  old 
Comedy  of  the  Supposes." 

2)  Gustave  Desnoirterres,   Epicuriens   et  lettres  (1879).    S.  265. 

3)  Auf  S.  5 — 57  des  ersten  Bandes  der  Oeuvres  complettes  de 
M.  PÄbbe  Voisenon.     Paris  1781. 

22 


338  IV.   Captivi. 

donner  un  bal,  &  pour  laisser  plus  de  liberte  aux  voisins,  on  leur  donua 
le  choix  d'y  venir  niasque  ou  non:  le  Chevalier  et  sa  soeur,  sans  en  rien 
oommuiriquer  ä  personne,  changerent  d'habits;  on  ne  se  douta  pas  du 
travestissement.  Ce  qui  d'abord  n'avoit  ete  imagine  que  pour  surprendre 
leur  amie,  eut  des  suites  plus  heureuses.  Les  deux  amies  n'avoient  rien 
de  cache"  l'une  pour  lautre.  Le  Chevalier  pris  par  la  jeune  personne 
pour  sa  soeur  s'entendit  faire  im  aveu  qui  le  transporta;  on  lui  recom- 
manda  le  secret  le  plus  inviolable:  nullement  prevenue.  la  veritable 
soeur,  ä  quelques  moments  de  lä  s'approcha  de  son  ami,  qui  reprit  une 
conversation  ä  laquelle  la  soeur  ne  repondoit  qu'avec  embarras:  le  Chevalier 
ne  l'y  laissa  pas  longtemps,  il  approche,  se  jette  aux  pieds  de  l'aniie  de 
sa  soeur,  &  obtient  sans  peine  le  pardon  d'une  faute  dont  on  lui  savoit  gre\" 

Gänzlich  auf  Plautus  beruht  eine  moderne  italienische 
Bearbeitung  der  Captivi,  „I  prigionieri" ,  commedia  di  M.  Accio 
Plauto,  tradotta  in  Italiano  e  ridotta  per  il  teatro  moderno  con 
T  aggiunta  di  una  prefazione  e  di  un  prologhetto  originale  dal 
Prof.  G.  P.  Clerici.  Parma  (Ferrari  &  Pellegrini)  1881  (pag. 
LV  und  48).  Über  seine  Bearbeitung  erklärt  sich  Clerici 
selbst  (X):  ,.In  quanto  al  modo  tenuto  nella  riduzione  dirö  che 
non  ho  soppresso  alcuna  scena,  e  che  invece  le  ho  assottigliate 
tutte  quante:  di  mio  non  c'  e  quindi  che  qualche  congiunzione 
e  avverbio :  nell'  ultima  scena  soltanto  sono  interpolate  poche 
parole. " 

Clerici  hat  die  Handlung  auf  drei  Akte  verteilt. 

I.  Akt.  (1.)  Der  Parasit  leitet  mit  einer  stark  gekürzten 
Rede  ein.  (2.)  Egione  mit  Filocrate  und  Tindaro,  sowie 
Aguzzino  (dem  lorarius)  tritt  auf;  der  Parasit  erreicht  eine 
Einladung.  (3.)  Aguzzino  gestattet  den  beiden  Gefangenen 
eine  Unterredung.  (4.)  Egione  kehrt  zurück  und  bespricht  sich 
mit  den  Gefangenen,  worauf  Filocrate  als  Sklave  nach  Hause 
geschickt  wird,  um  die  Umwechslung  zu  bewerkstelligen.  Egione 
hofft  das  Beste.      Seine  Schlussrede  (V.  452): 

Edepol  rem  meam 
Constabiliui,  quom  illos  emi  de  praeda  a  quaestoribus. 
Expediui  ex  seruitute  filium,  si  dis  placet. 
At  etiam  dubitaui  hos  homines  emerem  an  non  eraerem  diu. 
Seruate  istum  sultis,  intus,  serui,  ne  quoquam  pedem 
Ecferat  sine  custodela.  [iaml  ego  apparebo  domi, 
Ad  fratrem  modo  [ad]  captiuos  alios  inuiso  meos. 
Eadem  percontabor,  ecqui  hunc  adulescentem  nouerit. 
Sequere  tu:  te  ut  amittam,  ei  rei  primum  praeuorti  uolo. 

lautet  bei  Clerici  (S.  19):  (Da  se,  sofFermandosi)  Stavolta  poi  ho 
fatto  dawero  un  buon  affare!  Se  piace  a  Dio,  io  penso  d'avermi 
giä  riscattato  il  figliuolo  ...  E  dire  che  tentennai  alquanto  se 
aveva  o  no  da  comperarli!  Ora  andro  da  mio  fratello  a  vedere 
quelli  altri  schiavi,  e  da  quella  via  domanderö  se  c'  e'alcuno  che 
conosca  codesto  giovinotto.  (accenna  alla  casa).   (Volgendosi  brusca- 


Clerici.    Rotrou.  339 

mente  a  Filocrate.)    Andiamo  se  vuoi  che  ti  sbrighi:   ciö  per  primo 

(partono  da  sinistra). 

Ein  Beispiel  der  von  ihm  befolgten  Übersetzungsweise. 

IL  Akt.  (1.)  Ergasilos  Monolog.  (2.)  Egione,  Tin- 
daro,  Aristofonte.  Tindaros  Betrug  wird  offenkundig.  Egi- 
one lässt  ihn  abführen.  Xon  voglio  piü  aver  pietä  di  nessuno, 
poiehe  nessuno  1'  ha  di  me  (V.  764).  Die  letzten  zwei  Verse  des 
Aristofonte  sind  weggeblieben. 

III.  Akt.  (1.)  Ergasilo  mit  froher  Botschaft,  die  er  Egi- 
one mitteilt;  er  erhält  die  Aufsicht  über  die  Küche.  (2.)  Ein 
servo  berichtet  von  seiner  Thätigkeit.  (3.)  Egione,  Filopo- 
lemo,  Filocrate  und  Stalammo  treten  auf.  Das  Verhör  Sta- 
lammos  durch  Egione  bildet  eine  eigene  (4.)  Szene.  (5.)  Fi- 
locrate wird  gerufen  und  alsbald  (6.)  Tindaro,  mit  dessen 
Ketten  Stalammo  belastet  wird.  Den  Epilog  an  die  Zuschauer 
spricht  Filocrate. 


Ein  treffliche  französische  Bearbeitung  der  Captivi  hat  im 
Jahre  1638  Jean  Rotrou  in  gewohnter  Meisterschaft  geliefert. 
Sein  Lustspiel  „Les  Captifs"1)  ist  eine  ganz  vorzügliche,  um 
einige  glückliche  Verwickelungen  erweiterte"2)  Erneuerung  des  an- 
tiken Dramas. 

I.  Akt.  (1.)  Philenie  entdeckt  ihrer  Freundin  Olympie, 
der  Tochter  Hege  es,  dass  sie  liebe,  und  zwar  einen  der  Kriegs- 
gefangenen, die  ihr  Vater  kaufte,  Philocrate.  Es  besteht  aber 
ein  Testament  ihres  verstorbenen  Vaters,  an  welches  sie  Olympie 
erinnert  (S.    100): 

.  .  .  le  testament  qu'a  laisse  votre  pere 
A  dispose  de  vous  et  vous  donne  ä  mon  frere. 
Ne  le  savez-vous  pas  et  seule  ignorez-vous 
Un  acte  si  celebre  et  si  connu  de  tous? 

Dagegen  kann  sie  nur  erwidern,   dass  der  ihr  bestimmte  Bräutigam 
als  Knabe   von  vier  Jahren  geraubt  wurde. 

.  .  .  ä  peine  il  entroit  en  sa  quatrieme  annee 
Que  son  enlevement  rompit  notre  hymenee 
Je  n'avais  que  trois  ans  .  .  . 


')  Les  Captifs,  ou  les  esclaws.  <  "> >m >'•>! i<-  par  Jean  Rot  rou.  Paris 
lf>38.  —  Hier  ist  zitiert  nach  „Oeuvres  de  J.  Rotrou.  Tome  quatrieme. 
(S.  89—184.)    Paris  1820."    (Th.  Desoer.) 

2)  Ed.  von  1S20.  S.  91:  „La  comedie  des  Captifs  est  enoore  La  tra- 
duction  d'une  piece  de  Piaute  qui  porte  le  meme  fcitre.  Le  pbete  latin 
s'applaudit  beaucoup  de  ce  qu'il  n'entre  daus  sa  comedie  ni  femme,  ni 
ämour;  c'est  le  seul  changement  que  Rotrou  se  soit  permia 
d'y  faire,  et  il  douue  lieu  ä  plusieurs  scenes  heureuses." 

22 


340  rV>  Captivi. 

Philenie  lässt  die  unverbrüchliche  Treue  ihrer  Liehe  zu  Philo- 
crate  hereits  durchblicken.  Nach  dieser,  Eotrou  angehörigen, 
Szene  tritt  (2.)  der  Parasit  Ergazile,  wie  hei  Plautus,  auf.  Sein 
Monolog  gilt  dem  Hunger: 

cet  animal  avide  et  ravissant 
Qui  ne  cherche  qn'a  paitre  et  se  tue  en  paissant. 

In  freiester  Weise  überträgt  er  die  plautinischen  Ideen  über  das 
Leben  der  Parasiten.  (3.)  Hegee  mit  Pseudolus,  dem  Lo- 
rarius  des  Plautus,  erscheint.  Alles  schliesst  sich  aufs  ge- 
naueste ans  Original  an,  doch  ist  nirgend  eine  sklavische 
Übersetzung,  sondern  nur  eine  poetische  Übertragung 
bemerkbar;  so  z.  B.  Pseudolus: 

.  .  .  Naturellement  les  fers  sont  abhorres, 

Puisqu'ils  nous  privent  d'un  bien  que  nature  nous  donne; 

bei  Plautus   (7.   119): 

Omnes  profecto  liberi  lubentius 
Sumus  quam  seruiinus. 

Kürzer    jedoch,     als    Plautus,     greift     Rotrou     nur    noch 
V.  125,   „Set  satis  uerborumst:  cura  quae  iussi  atque  abi, "  heraus: 

„C'est  assez  discourir,  fais  ce  que  je  t'ordonne," 
während  die  folgende  Rede  des  Parasiten  (V.   133): 

Ego  qui  tuo  maerore  maceror, 
Macesco,  consenesco  et  tabesco  miser. 
Ossa  atque  pellis  sum  niiser  aegritudine. 
Neque  umquam  quicquam  me  iuuat  quod  edo  domi: 
Foris  aliquantilluin  etiam  quod  gusto  id  beat 

zum  Teil  auch  durch  den  Alexandriner  wesentlich  umfangreicher 

wird: 

Helas!  demandez-vous,  quelle  douleur  me  presse? 

C'est  de  votre  malheur  que  je  suis  macere, 

Triste,  päle,  transi,  maigi'e,  defigure; 

Je  suis  vieux  ä  trent  ans  du  mal  que  vous  afflige; 

Ne  remarquez-vous  pas,  comme  je  me  neglige 

Et  que  je  ne  suis  plus  qu'un  squelette  mouvant, 

Qui  dedans  le  tombeau  va  cboir  au  premier  vent? 

De  moi-meme  dejä  je  tombe  de  foiblesse; 

Le  moindre  bruit  m'abat,  uue  moucbe  me  blesse. 

Jamais  homme  afflige  ne  le  fut  ä  ce  point; 

Ce  que  je  prends  cbez  moi  ne  me  profite  point 

Et  comme  ailleurs  aussi  je  prends  fort  peu  de  chose, 

J'ai  le  cerveau  tout  vide  et  jamais  ne  repose. 

In   gleich   breiter  Form  sind  die  zwei   Verse  („Semper   sensi 
filio'',    140)  und  das  kurze  .,Egone  illum  non  fleam?"  (V.  139)  in 


Kotrous  Les  Captifs.  341 

fünf,  beziehungsweise  drei  Alexandrinern  umschrieben;  Gedanken- 
gang und  Dialog  jedoch  schliessen  sich  völlig  an  Plautus  an, 
nur  dass  bei  Rotrou  der  Parasit  seiner  Freude  über  die  ihm 
gewordene  Einladung  in  weiteren  fünf  Versen  Ausdruck  verleiht. 
Der  zweite  Akt  beginnt  mit  drei  dem  Rotrou  gehörigen 
Szenen.  Clelie,  eine  Sklavin  des  Hegee,  bittet  Pseudole, 
ihrer  Herrin  Phile  nie  eine  Zusammenkunft  mit  Philocrate  zu 
gewähren,  und  der  in  Clelie  verliebte  Pseudole  hat  nichts  da- 
gegen, „si  je  te  pouvais  plaire  autant  que  tu  nie  plais",  (S.  111). 
Im  Folgenden  erörtert  Phile  nie  ihre  glühende  Liebe  zu  Philo- 
crate. —  Mit  der  vierten  Szene  geht  es  wieder  genau  auf 
Plautus  über,  nur  wird  der  französische  Dichter  meist  breiter; 
selten  gelingt   es  ihm  ganz  so  kurz,   wie  z.  B.    V.   210: 

Capt.     Vnum  exorare  uos  sinite  nos. 

Lor.  Quidnam  id  est? 

Capt.     Vt  sine  hisce  arbitris  atque  uobis  locum 

Detis  nobis  loqui. 
Lor.      Fiat,  apscedite  hinc:  nos  concedamus  huc. 
Phil.     Pour  toute  gräce  au  moins  accordez-nous  un  bien! 
Pseud.  Quel? 

Phil.  D'avoir  seul  ä  seul  un  moment  d'entretien. 

Pseud.  Oui,  passons  par  ici;  vous  prenez  cette  route. 

Sie  tauschen  nun  die  Rollen: 

„Je  suis  donc  Philocrate,  et  vous  etes  Tyndare," 

sagt  Tyndare.  Die  Nachforschungen  Hege  es  um  seinen  Sohn 
sind  dem  Sinne  und  gewöhnlich  auch  dem  Wortlaute  nach  mit 
Plautus  völlig  übereinstimmend.  Philocrate  wird  abgeschickt, 
um  nach  Hege  es  gefangenem   Sohne  zu  kundschaften. 

Den   dritten  Akt  leitet,   wie  im  Originale,   der  Parasit   ein 
(V.   461,   Miser  homost,   qui  u.  s.  w.): 

Malheureux  qui  court  tant  pour  un  mauvais  repas! 
Plus  malheureux  encor  qui  court  et  ne  l'a  pas. 
Et  qui,  foible  dejä  de  la  faim  qui  le  presse, 
A  courir  vainement  croit  encor  sa  foiblesse! 
0  jour  melancolique,  importun,  ennuyeux, 
A  qui,  si  je  pouvois,  je  creverois  les  yeux 

u.  s.  f.,  wie  es  Rotrous  Sprache  mit  sich  bringt,  erweiternd  und 
umschreibend.  — Hegee  hat  von  Philenies  Liebe  durch  Olympie 
erfahren.  Er  klagt,  dass  alles  so  kommen  musste;  doch  hat  er  vor 
dem  verwaisten  Hegio  des  Plautus  noch  den  Trost  voraus,  eine 
Tochter  zu  besitzen  (S.  132): 

Malheureux  en  mes  fils,  le  ciel  veut  qu'une  fille 
Soft  l'honneur  et  l'appui  de  toute  ma  famille. 


342  IV.  Captivi. 

Indessen  hat  Pseudole,  obgleich  „fort  ignorant  en  matiere 
d'amottr",  Philenies  Liebe  zu  Philocrate  entdeckt  und  teilt  es 
Tyndare  mit.  ■ —  Seine  Liebe  zu  Clelie  lässt  ihn  sogar  sich  bis 
zu  Versen  versteigen;  doch  (S.    133): 

„je  cherclie  encore  la  rime  du  dernier." 

Lange  bemüht  er  sich  umsonst  zu  dichten,  zuletzt  giebt  er  die 
Poesie  auf, 

„je  deteste  la  muse,  et  maudis  le  Parnasse." 

So  sehr  hat  sich  der  plautinische  lorarius  in  Frankreich 
zivilisiert! 

Den  plautinischen  Aris tophont es  spielt  hier  Crisimant,. 
ein  Edler  von  Elis.  Er  ist  gefangen  und  von  Hegee  gekauft 
worden.  Er  wird  nun  Tyndare  gegenübergestellt.  Jetzt  ist  alles 
verraten.  Tyndare  thut,  als  kenne  er  ihn  wohl  als  einen  in 
Elis  gefürchteten  Narren,   was  Hegee  glaubt  (V.   559): 

Credidi  esse  insanum  eoctemplo,  ubi  te  appellauit  Tyndarum. 
J'ai  bien  des  cet  abord  reconnu  sa  folie: 
II  vous  nomnioit  Tyndare. 

Vergeblich  bemüht  sich  Crisimant,  den  Alten  aufzuklären  (F.  579): 

Vt  scelestus,  Regio,  nunc  iste  [te]  ludos  facti! 
0  credule  vieillard,  ä  quel  point  on  te  joue! 

Tyndare  jedoch   erwidert  ihm  gewandt  (V.   581): 

Quia  tute  ipse  eges  in  palria  nee  tibi  qui  uhias  domist, 

Omnis  inueniri  similis  tui  uis:  non  mirum  facis  : 

Est  tniseronim,  ut  maleuolentes  sint  atqtte  inuideant  bonis. 

Chez  toi  reduit  au  point  d'une  misere  extreme 

Tu  voudrais  bien  qu'ici  chaeun  fut  cru  de  meme: 

C'est  un  vice  commun  ä  tous  les  malheureux 

De  faire,  s'ils  pouvoient,  que  chaeun  füt  comme  eux. 

Die   Schilderung  des  Philocrate  ist  hier  etwas  kürzer   gegeben: 

Chätain,  de  basse  taille,  un  peu  haut  en  couleur, 
De  vingt  ans  ä  peu  pres. 

Rascher  auch,  als  bei  dem  römischen  Dichter,  naht  hier  die 
Katastrophe.  Lichax,  Daniste,  Arbax  (bei  Plautus  Colaphus, 
Cordalio,  Coi"ax,  V.  658)  kommen  mit  Stricken;  Tyndare  hat 
aber  immer  noch,  Avie  bei  Plautus  (V.  663),  ein  Wort  des  Witzes 
oder  der  Entschiedenheit: 

Mon  maitre  etoit  aux  fers,  je  les  ai  detaches.' 
N'est-ce  pas  l'action  que  vous  me  reprochez? 


Rotrous  Les  Captifs.  343 

Crisimant  ahnt  das  Geheimnis  (V.   697)  zu  spät: 

Je  comprends  le  secret.    Qu'ai-je  fait,  justes  dieux! 

Tyndare  ist  erfreut,  seinem  Herrn  gedient  zu  haben,  und  lässt 
sich  willig  abführen. 

Ergazile  kommt  zum  Mahle  und  hört  von  Hegee  die  ver- 
nichtenden Worte: 

Je  ne  souperai  point;  pardonne  ä  ma  tristesse. 
Mais  demain  .  .  . 

..Raillez-vous?"    stammelt   er,   um  die  Bestätigung  zu  erfahren: 

Excuse  mes  ennuis. 
Adieu,  je  ne  puis  rire  en  l'etat,  oü  je  suis. 

Ergazile s  Worte  und  sein  verzweifeltes: 

T'etouöe  le  repas,  oü  tu  m'as  invite 

Et  te  traite  le  ciel  comme  tu  m'as  traite! 

schliessen  launig  den  Akt  bei  Rotrou,  der  bei  Plautus  fast  ein 
tragisches  Ende  nimmt. 

Heiter  beginnt  auch  der  vierte  Akt.  Pseudole  sitzt  wieder 
über  seinen  Versen.      Xoch  immer  hat   er  den  Reim  zu  seinem 

„De  geölier  que  j'etais,  je  suis  ton  prisonnier" 

nicht  gefunden.  Clelie,  .,son  ange, "  kömmt  dazu.  Er  liest  ihr 
seine   Dichtung  vor,   und  neckisch  findet  sie  von  seinen  Versen: 

„ils  sont  beaux  et  passent  mon  merite.-' 

In  Phile  nies  Namen  bittet  sie  Pseudole,  dieser  eine  Zusammen- 
kunft mit  Tyndare  zu  ermöglichen.  Bald  kömmt  Philenie;  sie 
kann  ihren  Geliebten  nicht  lassen: 

„il  est  charmant,  mais  serf;  il  est  serf,  mais  charmant." 

Clelie  soll  unterdessen  Pseudole  beschäftigen. 

Philenie  erklärt  nun  Tyndare  ihre  Neigung.  Sie  wird  ihn 
ewig  lieben.  Sein  Auftreten  ist  nicht  das  eines  Sklaven.  Sie 
scheidet  von  ihm  mit   den  Worten: 

..Mais  je  perdrai  la  vie  en  te  perdant.     Adieu!-' 

Erst  mit  der    siebenten  Szene   geht  Rotrou  wieder    auf  Plautus 

(7.  768): 

Iuppiter  supreme,  seruas  me  measque  auges  opes: 
Sacre  pere  des  dieux,  tu  couserves  ma  vie 


344  IV.  Captivi. 

u.  s.  w.,  über.  Hegio  kömmt  ärgerlich  über  den  ganzen  Vorfall 
(V.  781): 

Quanto  in  pecfore  hanc  rem  meo  magis  uoluto, 

Tanto  mi  aegritudo  auetior  est  in  animo. 

Plus  cette  trahison  me  repasse  en  l'esprit, 

Plus  ma  douleur  s'aecroit  et  mon  courroux  s'aigrit. 

Der  Parasit  sebimpft  für  sich,  wie  bei  Plantns;  statt  der  Worte 
jedoch  (7.  793): 

Hie  homo  pugilatum  iueipit. 
sagt  Hegee: 

Oü  fuirai-je  ?  Quel  trouble  excite  ainsi  sa  bile? 
Et  quels  lieux  me  seront  im  salutaire  asile? 

Die  im  Eingange  des  vierten  Aufzuges  angefügten  Sze- 
nen nötigen  Rotrou  hier  zu  einiger  Kürze.  Darum  ist  der  Auf- 
tritt zwischen  Ergasilus  und  Hegio  hier  zusammengezogen. 
Ergazile  meldet  die  frohe  Botschaft: 

,.Ton  esclave  d'Elide  avec  ton  fils  arrive." 

Freudig  verlässt  ihn  Hegee,  die  Szene  jedoch,  wie  der  Parasit 
Hege  es  Worte: 

Prencls  le  soin  du  souper,  donne  ordre  ä  la  cuisine; 
Tranches-y,  coupe,  taille,  ordonue  absolument; 
C'est  ta  possession,  c'est  ton  gouvernement, 

(F.  894  bei  Plautus)  zur  Wahrheit  macht,  sehen  wir  bei  Ro- 
trou nicht  mehr;  ebensowenig  das  Weitere  in  Vers  900  —  922 
bei  Plautus  Geschilderte. 

V.  Akt.  Heg^e  begrüsst  seinen  Sohn  Chrysophore  — 
den  Philopolemus  des  Plautus  —  so  ziemlich  wie  im  Origi- 
nal,  nur  etwas  akademischer,   wie   z.  B. : 

,.De  ce  mourant  Eson  ta  vue  est  la  Medee." 

Stalagme,  welcher  den  vierjährigen  Knaben  stahl  und  verkaufte, 
erscheint  hier  noch  schuldbeladener: 

Toute  la  ville  a  droit  de  puuir  ce  perfide, 
Puisqu'il  a  contre  nous  pris  le  parti  d'Elide. 

Wie  Hegio  (F.   954)  ihn  anspricht: 

Age  tu  illuc  procede,  bone  uir,  lepidum  maucupiuni  meum! 

so  ruft  ihm  Hegee  zu: 

Approche.  bon  vieillard,  saint  liomme.  komme  de  bien! 


Rotrous  Les  Captifs.  345 

Nach  den  Aussagen  Stalagmes,  den  Er  im and,  Hege  es 
Bruder,  eine  bei  Plautus  öfter  genannte  (V.  126,  194),  doch 
nicht  auftretende  Persönlichkeit  einführt,  erkennt  man  Tyndare, 
der  vordem  Crisale  hiess,  als  Hege  es  Sohn.  Tyndare  tritt 
unter  dem  Eintritte  des  Erlittenen  auf  (F.   997): 

Vidi  ego  mulla  saepe  picta  quae  Acherunti  fierent 
Cruciamenta  u.  s.  w. 

J'avois  bien  autrefois  vu  l'horrible  peinture 
Des  lieux  oü  des  clamnes  l'äme  est  ä  la  torture, 
Mais  je  ne  trouvois  point  ce  noir  sejour  des  morts 
Depeint  avec  l'horreur  des  Enfers  oü  je  sors. 

Hegee  umarmt  ihn  als  seinen  Sohn.  Olympie  naht;  Philo  erat  e 
wirbt  um  ihre  Hand  und  erhält  sie,   sodass  er  Hegee  sagen  kann: 

Vous  perdites  deux  fils,  vous  en  recouvrez  trois. 

Auch  Tyndare  wird  mit  Philenie  vereinigt.  Alle  Gefangenen 
erhalten  die  Freiheit  mit  Ausnahme  des  Stalagme  (nach  V.  1027): 

Qu'ä  tous  mes  prisonniers  on  donne  la  franchise, 
Et  que  Stalagme  seul,  charge  de  tous  leurs  fers, 
Fasse  epreuve  des  maux  que  mon  fils  a  soufferts. 

Clelie  imd  die  Köche  kommen,  um  sich  über  den  Parasiten  zu 
beschweren,  im  allgemeinen  nach  der  im  vierten  Akte  unter- 
drückten Szene  des  Plautus: 

„II  en  de'voreroit  plus  qu'un  autre  n'en  dresse, 

Et  toute  viande  est  bonne  ä  la  faim  qui  le  presse." 

Ergazile  hat  seine  Stelle  arg  missbraucht;  dennoch  aber 
lässt  ihm  Hegee  die  Herrschaft  an  diesem  frohen  Tage,  und  die 
„rebelles  sujets"    haben  ihm,    ,.leur  empereur,"    zu  gehorchen. 

Noch  folgt  eine  kurze  Szene.  Alle,  meint  Pseudole,  haben 
eine  Frau  bekommen;  Clelie  solle  denn  auch  ein  ,.oui"  sagen, 
in  welches  sie  gerne   einstimmt: 

Oui,  n'en  veux-tu  qu'un  seul?  oui,  Clelie  est  ä  toi, 
Et  jamais  autre  objet  n'engagera  ma  foi. 

Beseligt  will  er  einen  Kuss,   worauf  sie  erwidert: 

Oui,  tiens,  ne  te  plains  plus;  et  prends  en  plutöt  deux. 

Diese  letzten  drei  Szenen  gehören  natürlich  wieder  liotrou 
an  und  bilden  einen  hübschen  Abschluss  Plautus  gegenüber, 
der  das  „ewig  Weibliche"  aus  seinem  Stücke  verbannt  und  mit 
der  Strafe,  und  den  trotzigen  Worten  des  Stalagmus  sein  Lust- 
spiel endet. 


346  IV.  Captivi. 

Durch  diese  Zuthat  Rotrou  s  ist  gewiss  nichts  gegen  die 
..  pudici  mores"  geschehen,  und  zählt  sein  Lustspiel  nicht  minder 
zu  jenen,    „uhi  honi  meliores  fiant". 

Rotrou  hat  ein  effektvolles,  in  edelster  Sprache  fein  durch- 
geführtes Stück  geschaffen,  halb  nachahmend,  halb  neu  schöpfend, 
mit  vollem  Verständnis  für  seine  Zeit,  und  doch  mit  aller  Pie- 
tät gegen  das  Altertum,  ein  Stück,  das  heute  noch  auf  den 
Brettern  seines  Erfolges  sicher  wäre. ') 

Vor  Rotrou  hatte  sich  der  Dramatiker  Pierre  Duryer 
(1609 — 1659)  mit  den  Captivi  beschäftigt;2)  später  Jean  Roy, 
dessen  nicht  gedrucktes  Lustspiel  „Les  Captifs"  am  28.  Septb. 
1714  in  Paris  aufgeführt  wurde.3)  Es  ist  dreiaktig  in  Versen 
und  mit  einem  Prolog  versehen.4) 

Ehe  1713  P.  de  Costes  französische  Übertragung5)  erschien, 
war  1666  schon  zu  Paris  eine  anonyme  Übersetzung  der 
Captivi  des  Plautus  in  12°  gedruckt  worden.6)  Sie  stammt 
von   Thomas  Guyot,   einem  Lehrer  von  Port -Royal. 


Eine  äusserst  gelungene  Kontamination  zweier  plautinischer 
Stücke,  der  Aulularia  und  der  Captivi,7)  ist  in  dem  englischen 
Lustspiele  „The  Case  is  altered"8)  enthalten,  Avelches  Ben  Jon- 
son9)  zugeschrieben  wird. 


*)  Vgl.  allerdings  Les  comedies  de  Piaute,  traduites  en  frangais 
par  E.  Sommer.  Paris,  Hacliette,  1876.  I,  194.  „La  piece  de  Kotrou 
est  loin  de  valoir  celle  de  Piaute." 

2)  s.  Sommer  a.  a.  0.  „La  scene  francaise  ä  eile  seule  en  a  vu 
representer  trois,  l'une  de  du  Ryer,  l'autre  de  Rotrou  et  la  derniere 
de  Roy  (1714)." 

3)  Hipp.  Lucas,  Histoire  philosopliique  et  litteraire  du  theätre 
francais  (111,324):  „Les  Captifs,  comedie  en  vers  libres,  en  trois  actes, 
avec  des  divertissements  et  un  prologue  aussi  en  vers  libres,  non  im- 
primee  de  M.  Roy." 

4)  Beauchamps,  Recherches.    LT,  316. 

5)  Ibid.  317. 

c)  Sulz  er.  III,  704b.  —  Vgl.  Schweiger,  Handbuch.  II,  2  und 
Sainte-Beuve,  Port-Royal.    III,  505. 

7)  Ben  Jonson,  ed.  Gifford.  VI,  421:  There  is  a  considerable 
degree  of  ingenuity  in  the  construction  of  tbis  lively  comedy.  The  au- 
tbor probably  found  the  plot  of  the  Aulularia  too  simple  for  bis  pur- 
pose,  and  the  dexterity  with  which  he  contrived  to  interweave  that  of 
the  Captivi  with  it,  so  as  to  form  a  consistent  whole,  is  very  worthy  of 
praise.  —  Dunlop,  Hist.  of  Roman  litt.    I,  172.  —  TJ s sing.    LI,  459. 

8)  S.  319 — 423  des  sechsten  Bandes  von  Ben  Jonson  (ed.  Gifford). 

9)  Das  Stück  wird  gewöhnlich  ins  Jahr  1598  gesetzt  und  dem  An- 
thony Munday  (nicht  aber  von  Collier)  oder  von  andern  Stephen 
Jones    zugeschrieben.      Vgl.    dagegen   Ben   Jonson,    ed.  -Gifford.    I 

XXXIV):    „In    1598  it  was  already  a  populär  piece  and  it  bears  about 


B.  Jonson's  The  Case  is  altered.  347 

Lassen  wir  alle  nicht  hierher  gehörigen  Episoden,  so  be- 
sonders den  trefflichen  Sclmhflicker  Jnniper  und  seine  Gesell- 
schaft, so  vertritt  uns  das  Haus  des  Geizhalses  Jaques  de  Brie 
die  Aulularia,  jenes  des  Count  Ferneze  die  Captivi.  Die 
Szene  ist  nach  Mailand  verlegt. 

Count  Ferneze  hat  einen  Sohn  verloren   (I,   2.,   S.  343): 

I  had  one  other,  younger  born  than  tliis 
Bat  twice  so  many  hours  as  would  fill 
The  circle  of  a  year,  his  name  Camillo, 
Whom  in  that  black  and  tearful  night  I  lost, 
('T  is  now  a  nineteen  years  agone  at  least) 
It  was  that  night,  wherein  the  great  Chamont, 
The  general  for  France,  surprised  Vicenza. 

Dort  wurde  nach  seiner  Annahme  sein  Sohn  von  Soldaten 
ermordet. 

Der  zweite  Akt  führt  uns  in  Jaques'  Haus.  Wir  lernen 
in  dem  Monologe  einen  verbitterten  Geizhals  kennen,  der  unter 
der  Maske  eines  stadtbekannten  Bettlers  seinen  Reichtum  verbirgt. 
Jonson  hatte  den  Prolog  des  Lar  familiaris  im  Sinne,  als  er 
die  einleitenden  Worte  seinem  Jaques  de  Brie  in  den  Mund  legte. 
Er  besitzt  eine  wunderschöne  Tochter: 

But  now  this  maicl  is  but  supposed  my  daughter; 
For  I  being  steward  to  a  lord  of  France, 
Of  gi-eat  estate  and  wealth  called  lord  Chamont, 
He  gone  into  the  wars,  I  stole  his  treasure, 
And  this  his  daughter  being  but  two  years  old, 
Because  it  loved  me  so,  that  it  would  leave 
The  nurse  herseif,  to  come  into  niine  arms. 

Da  er  sich  von  Hause  entfernen  muss,  giebt  er  seiner  Tochter 
Rachel  Verhaltungsmassregeln.  Sie  soll  das  Thor  offen  lassen 
und  laut  sprechen,  als  seien  Leute  im  Hause,  um  Diebe  ferne 
zu  halten.      Mit  Euklio   (7.  91)  befiehlt  er: 

Put  out  the  fire,  kill  the  chimney  's  heart, 
That  it  may  breathe  no  more,  than  a  dead  man, 


it  the  marks  of  juvenility  ...  He  (Ben  Jonson)  was  now  recent  from 
the  Roman  writers  of  comedy,  and,  in  this  pleasant  piece,  both 
Plautus  and  Terence  are  laid  under  frequent  contribution." 
(Ibid.  CCXI.)  We  may  collect  from  „the  Case  is  alte  red"  and. 
„Every  Man  in  his  Humour"  that  he  was  recent  from  the  study  of 
Plautus  and  Terence:  but  this  was  little.  —  (Ibid.  VI,  320):  „This  co- 
medy, which  should  have  stood  at  the  head  of  Jonson 's  works,  had 
chronology  only  been  consulted,  was  first  printed  in  -4'",  1609,  but  must 
have  been  written  at  least  ten  or  a  dozen  years  before,  since  it  is  fami- 
liarly  spoken  of  by  Nash  in  his  Leuten  stuff,  which  appeared  in  1599: 
„It  is  not  right,  oi'  the  merry  coblcr's  cutte  in  that  witty  play  of  .the 
Case  is  altered',  pag.  68. :'     Vgl.  auch  das  Weitere  a.  a.  0. 


348  IV.   Captivi. 

ein  Gedanke,  der  weiter  ausgesponnen,  in  ,.The  Devil  is  an 
Ass"   (S.   79;  307)  wiederkehrt. 

Die  schöne  Rachel  hat  unterdessen  an  dem  Haushofmeister 
des  Grafen,  Christophero,  einen  neuen  Verehrer  gewonnen,  und 
der  Graf  ist  mit  seiner  Werbung  gänzlich  einverstanden,  nicht 
ahnend,    dass   sein  Sohn  Paolo  Rachel  de  Brie  liebt. 

Der  dritte  Akt  spielt  wieder  in  Jaques'  Haus  und  damit 
in  der  Aulularia. J) 

Kaum  sieht  Jaques  Leute,   so  eilt  er  ins  Haus: 

He  has  been  at  my  cloor,  he  has  been  in, 
In  my  dear  cloor;  pray  God  my  gold  be  safe. 

Wie  Euklio    kömmt  er  alsbald  wieder  befriedigt   zurück: 
'T  is  safe,    t  is  safe,  they  have  not  robb'd  my  treasure. 

Bei  Christoph  er  os  Werbung  vermutet  er,  wie  Euklio  dem  Me- 
gadorus  gegenüber,   dass  er  Kenntnis  von  seinem  Schatze  habe: 

„My  gold  is  in  bis  nostrils,  he  has  smelt  it," 

und  freudig  eilt  er,  sowie  er  den  Freier  angebracht  hat,  zu  seinem 

Gelde. 

So,  he  is  gone;  would  all  were  dead  and  gone, 
That  I  might  live  with  my  dear  gold  alone. 

Während  der  Graf  bei  Jaques  ist,  bringt  ein  Bote  die 
Nachricht,  dass  auch  sein  zweiter  Sohn  Paolo  jüngst  von  den 
Franzosen  gefangen  worden  sei.  Der  Graf  will  alles  thun,  ihn 
auszulösen. 

Jaques  vergräbt  sein  Gold  im  Dünger.  Gifford  in  der 
ihm    eigenen    Verherrlichung    Ben    Jonsons     meint    (VI,    372): 


')  Ed.  Gifford.  VI,  367:  „The  character  of  Jaques  is  forme d 
upon  that  of  Euclio  in  the  Aulularia  of  Plautus;  and  is  drawn  with 
that  masterly  expression  which  distinguishes  the  works  of  Jonson.  The 
scene  between  Christophero  and  Jaques,  with  what  follows  between 
the  coimt  and  him,  is  copied  from  what  passes  between  Euclio  and 
Megadorus;  but  with  so  high  an  improvement,  as  determines  the  palm 
of  applause  in  favour  of  our  author.  The  original  here  is:  ,Non  tenie- 
rarium  est,   ubi  dives  blande  appellat  pauperem.'"     [Whalley.] 

The  translator  of  Plautus  does  not  subscribe  to  the  alleged  supe- 
riority  of  our  author,  and  I  am  not  sure,  that  he  has  not  reason  on  Ins 
side.  Whalley  might  commend  the  copy  with  justice,  for  it  is  truly 
excellent,  but  he  should  not  have  sacrificed  the  original  to  it.  The  spi- 
rit  and  arch  simplicity  of  Plautus  even  when  it  borders  on  rudeness, 
is  not  easily  outdone;  and  though  Jonson,  perhaps,  is  richer  in  cir- 
cumstance  yet  the  critic  should  have  recollected  the  admission  of  a  very 
competent  judge  —  facile  est  inventis  addere  —  and  have  abated 
somewhat  of  bis  panegyric  on  that  score. 


B.  Jonson's  The  Gase  is  altered.  349 

„This  is  from  Plautus,  where  Euclio  also  removes  his  gold  to 
a  new  hiding-place.  The  speaches  of  the  two  misers,  however, 
have  no  circumstauce  in  common;  nor  has  the  latin  poet  any 
thing  that  can  be  set  in  comparison  with  this  admirable  and  cha- 
racteristic  soliloqny  of  Jaques. "  Diesem  Urteil  kann  gewiss  nie- 
mand beipflichten.  Die  halbphilosophischen  Reflexionen  Jaques', 
gegenüber  dem  einfachen  Enklio,  der  sein  Geld  der  Fides  an- 
vertraut,  sind  wenig  wirkungsvoll. 

Das  weitere  Interesse  nehmen  die  Gefangenen,  ganz 
nach  Plautus,  in  Anspruch.  ')  Chamont  und  Camillo  — - 
genannt  Gasper  ■ —  sind  wie  Philokrates  und  Tyndarus, 
aufrichtige  Freunde,   und   Chamont  kann  sagen: 

How  may  I  bless  the  time,  wherein  Chamont, 

My  honour'd  father,  did  surprise  Yicenza, 

Where  this  my  friend  (known  by  no  name)  was  found 

Being  then  child,  and  scarce  of  power  to  speak, 

To  whom  my  father  gave  this  name  of  Gasper, 

And  as  his  own  respected  him  to  death. 

Die  weiteren  Szenen  bei  Jaques  sind  wieder  der  Aulu- 
laria  entnommen,  insgesamt  dem  Inhalte,  oft  auch  dem  Wortlaute 
nach ;   so   z.  B. : 

Jaq.     Shew  my  thy  hands,  what  hast  thou  in  thy  hands? 
Jan.    Here  be  my  hands.2) 

u.  s.  w.      Der  Geizhals  eilt  wieder  zu  seinem  Schatze. 

't  is  safe !  't  is  safe !  it  lies  and  sleeps  so  soundly, 
't  would  do  one  efood  to  look  on  't. 


')  Ed.  Gifford.  VI,  397:  „The  whole  incident  of  Paolo  Fer- 
ne ze 's  being  taken  prisoner  ontheoneside,  and  Chamont  and 
Camillo  on  the  other,  with  the  exchanging  their  names,  and 
Camillo's  being  left  for  Chamont,  is  taken  from  the  Captivi 
of  Plautus.  The  son  of  Hegio  is  taken  prisoner;  and  with  a  view  to 
ransom  his  son  by  the  exchange,  Hegio  buys  Philocrates  and  Tyndarus, 
two  Elian  captives.  Tyndarus  is  slave  to  Philocrates,  and  is  left  under 
his  master's  name,  while  the  true  Philocrates  is  sent  to  Elis,  under  the 
name  of  Tyndarus,  to  effect  the  liberty  of  Philopolemus,  the  son  of  Hegio. 
The  fraud  however  is  discovered  to  Hegio,  before  the  return  of  Philo- 
crates; and  Tyndarus  is  put  to  the  torture  änd  sent  to  the  mines.  At 
the  return  of  Philopolemus  and  Philocrates,  with  whom  also  there  comes 
Stalagmus,  a  fugitive  slave  of  Hegio,  it  is  discovered  that  Tyndarus  is 
the  son  of  Hegio,  who  was  carried  away  by  Stalagmus  at  the  age  of 
four  years  and  sold  by  him  to  the  father  of  Philocrates.  The  reader 
will  perceive  from  this  account  the  exact  similitude  between 
the  copy  and  the  original;  and  I  have  been  thus  particular  in  poin- 
ting  out  the  ressemblance,  for  the  assistance  of  those,  who  may  want 
the  ability  of  comparing  them  together."     [Whalley.] 

2)  Ibid.  VI,  390.  This  scene  is  an  Imitation  of  that,  in  which 
Strobilus  is   examined  by  the  miser.     But  its  pleasantries  are  within 


350  IV.   Captivi. 

Über  seinem  Gelde  entdecken  Juniper  und  Onion  den 
Alten  nnd  holen  sich  nach   seiner  Entfernung  den   Schatz.  *) 

Das  Weitere  mit  Camillo  verläuft  wie  in  den  Captivi. 
Camillo  erregt  des  Grafen  heftigen  Zorn  wegen  seiner  Treue 
zu  Chamont. 

Im  fünften  Akte  trifft  frohe  Nachricht  ein.  Paolo  kehrt 
zurück.      Zugleich  aber  entdeckt  Jaqu.es  den  Diebstahl. 

Thou  hast  inade  away  my  child,  thou  hast  my  gold. 

0  what  hyena  call'd  me  out  of  doors? 

The  thief  is  gone,  my  gold  's  gone,  Rachel  's  gone, 

und  später  dann: 

My  gold,  my  gold,  my  life,  my  soul,  my  heaven! 
What  is  become  of  thee? 

Das  Ganze  endet  natürlich  zu  allgemeiner  Zufriedenheit, 
Avobei  das  Wort  ,.the  case  is  altered"  eine  grosse  Rolle 
spielt.  Der  gefesselte  Camillo  erweist  sich  als  des  Grafen  Sohn 
durch  ein  Medaillon  (a  fablet)  mit  einem  „silver  globe"  und  der 
Inschrift  „In  minimo  mundus".  Jaques  bekehrt  sich  zu  dem 
Grundsatze  „Ill-gotten  goods  ne'er  thrive".  Er  hiess  Melun, 
und  Rachel  ist  Isabel,  Chamonts  Schwester.  Paolo  erhält 
Rachels  Hand,  Chamont  die  Aurelias,  der  Tochter  des  Grafen 
Ferneze.  Richtig  ist,  dass  Ben  Jonson  die  Figur  der  Rachel 
neu    geschaffen     hat;2)     doch     wird     der    Schurke    Jaques    allzu 


the  bounds  of  nature;  and  severer  judgment  instructed  Jonson  no  to 
outrage  Ins  characters,  as  Plautus  did  before  him.  Jaques  examines 
both  the  hands  of  Juniper,  but  he  does  not,  like  Euclio,  bid  him 
procluce  his  third  band  ...  No  degree  of  avarice  could  lead  one  to 
suppose,  that  a  man  has  three  hands.     [Whalley.] 

')  Ed.  Gifford.  VI,  389.  This  too  is  from  the  Aulularia,  where 
Strobilus  gets  up  into  a  tree  to  watch  Euclio.  The  motive  however 
is  different.  In  Plautus  the  discovery  of  the  treasure  is  the  prime  ob- 
ject,  in  Jonson  it  is  merely  incidental,  and  forms  uo  necessary  part  of 
the  plot.  Rachel  might  have  obtained  a  husband,  had  Jaques  been 
as  poor  as  every  one  thought  him;  whereas  the  Lar  kindly  informs  us 
in  the  prologue  that  the  treasure  was  expressly  bestowed  on  Euclio,  that 
he  might  be  enabled  to  give  a  marriage  portion  with  his  daughter  to  a 
youth  of  quality,  who,  as  the  stage-custom  was,  „eam  compresserat." 

2)  Ibid.  VI,  409.  The  character  of  Rachel  is  exquisitely  drawn: 
she  is  gentle  and  modest,  yet  steady,  faithful  and  affectionate.  Xothing 
less  than  this  was  requisite  to  justify  the  number  of  her  admirers, 
Oniou,  Christophero,  Augelo,  Paolo  and  the  count,  his  father,  all  in 
short,  who  see  her,  solicit  her  love.  Jouson  derived  no  assistance 
from  Plautus  in  this  part  of  his  plot;  for  the  young  lady  who  corre- 
sponds  to  Rachel  is  not  seen  at  all,  nor  indeed,  heard  except  on  one 
pressing  occasiou,  when  she  utters  a  scream  behind  the  scenes.  One 
pretty  trait  of  her  is  however  given  by  the  Lar  (  V.  23)  — 

ea  mihi  cotidie 

Aut  ture,  aut  uino,  aut  aliqui  semper  supplicat ; 

Dat  mihi  Coronas  u.  s.  w. 


R.  Lenz:  Die  Algierer.  351 

glimpflich  behandelt,    da    der  Graf  die    beiden  Räuber,    Juniper 
und  Onion,   strenge  bestrafen  lässt: 

Keep  the  knaves  sure,  strict  inquisition 
Shall  presently  be  made  for  Jaques'  gold, 
To  be  disposed  at  pleasure  of  Chamont, 

während  Chamont  gnädig1  zu  Jaques  sagt: 

Melun,  I  pardon  thee,  and  for  the  treasure, 
Recover  it.  and  hold  it  as  thine  own. 


Der  im  Jahre  1582  erschienenen  deutschen  Bearbeitung  der 
Captivi  durch  Martin  Hayneccius  ist  (S.  94)  Erwähnung  ge- 
schehen, ebenso,  dass  auch  Lessing  dies  sein  Lieblingsstück 
(Beiträge  u.  s.  w.,  1750,  im  zweiten  Stücke)  übersetzte,  worauf 
noch  1768  die  Übertragung  von  Lipsius  (Schmalkalden  in 
8°)  folgte. 

H.  Hettner  (III,  85)  will  auch  in  Lessings  Philotas 
das  Motiv  der  Captivi  des  Plaut us  finden,  was  indessen 
K.  Seidner  (Lessings  Verhältnis  zur  altrömisehen  Komödie. 
Mannheim  1881),  Seite  18,  bestreitet:  desgleichen  auch  Box- 
berger.1) 

Auch  J.  M.  R.  Lenz  hat  sich  mit  den  Captivi  beschäftigt, 
leider  ist  seine  Bearbeitung  derselben,  „Die  Algierer  oder 
Seeräuber,"   verloren   gegangen. 

August  Stöber  (Der  Dichter  Lenz  und  Friederike  von 
Sesenheim,  Basel  1842)  erwähnt  (S.  8)  unter  Lenzens  Arbeiten 
(4.)  „Nachahmung  von  Plautus  Captivei",  die  Tiecks  Ge- 
samtausgabe nicht  hat.  Vollständiges  Licht  über  diese  unbe- 
kannte Komödie  verbreitet  erst  K.  Weinhold  (Dramatischer 
Nachlass  u.  s.  w. ,  1884),  der  hierüber  (S.  24)  Nachstehendes 
berichtet: 

„Das  sechste  Stück  von  Plautus,  welches  Lenz  bearbeitet 
hat,  waren  die  Captivi.  Jedenfalls  geschah  es  nach  dem  Druck 
jener  fünf.  Aus  dem  Oktober  1775  hören  wir  zuerst  von  ihnen. 
Am  23.  Oktober  schreibt  Lenz  an  Gott  er  Klagen  über  seine 
traurige  Lage  in  Strassburg  und  das  Verderben  aller  Hoffnungen 
in  seinem  Vaterlande  durch  die  Komödienschreiberei  und  fährt 
sodann  fort:  ,Ich  habe  ein  kleines  Stück  in  meinem  Schrank 
liegen,  das  allenfalls  auch  spielbar  seyn  würde.  Fragen  Sie  Herrn 
Seyler,  ob  er  mir  sechs  bis  sieben  Dukaten  dafür  geben  möchte, 
ich  bin  nie  gewohnt   gewesen,    meine   Sachen   zu   verkaufen;    die 


l)  Schnorrs  Archiv.     XL  •_".'<;. 


352  IV.  Captivi. 

höchste  Noth  zwingt  mich  dazu.  Doch  hoff  ich,  Herrn  Seiler  (sie) 
wird  der  Kauf  nicht  gereuen.  Es  ist  eine  Nachahmung  der 
Captivei   im  Plautus.' 

„Gotter  antwortete  auf  diesen  Brief  teilnehmend,  und  Lenz 
schrieb  ihm  darauf:  ,In  der  grössten  Eilfertigkeit  kann  ich  Ihnen 
nur,  bester  Gotter,  sagen,  dass  ich  Ihr  edles,  liebes  Schreiben  er- 
halten, für  Ihre  Theilnehmung  danke  und  Sie  bitte,  mir  das 
Schicksal  und  die  Aufnahme  meiner  Captivei  in  zwey 
Worten  zu  berichten.  Vor  allen  Dingen  sagen  Sie  aber  Goethen 
kein  Wort  von  alledem,  wenn  Ihnen  meine  Freundschaft  noch 
werth  ist.  Ich  erwarte  die  Missive  mit  der  fahrenden.  Oder 
das  Manuskript  wieder.  —  —  Leben  Sie  wohl,  und  antworten 
Sie  bald  Ihrem  äusserst  zerstreuten ,  aber  stets  redlichen  J. 
M.   R,  Lenz.' 

„(Auf  dem  Rücken  von  Blatt  2):  ,Ihr  Urtheil!  Es  ist  hier 
in  grosser  Gesellschaft  vorgelesen  worden  und  hat  Glück  gemacht. 
—   Doch  ists  das  einzige  Manuskript,   das  ich  habe.' 

„Unter  dieser  Vorlesung  in  grosser  Gesellschaft  meinte  der 
grossthuende  Lenz  die  Vorlesung  in  der  Salzmannsehen  litte- 
rarischen Gesellschaft,  in  deren  Protokoll  er  am  23.  November 
eintrug:  ,Weil  derjenige,  den  die  Ordnung  traf,  nichts  hatte 
bringen  können,  las  Herr  Lenz  eine  Nachahmung  der  Cap- 
tivei des  Plautus  vor,  die  er  aber,  weil  sie  schon  verkauft 
war,   für  diesmal  nicht  bei  der  Gesellschaft  lassen  konnte.' 

„Das  Manuskript  begleitete  er  mit  folgendem  undatierten 
Schreiben:  ,Sie  sehen,  lieber  Gotter,  hier  ein  Stück,  wo  alle 
Charaktere  gleichsam  nur  angedeutet  sind,  dem  Schauspieler  nur 
Winke  geben,  was  er  zu  thun  habe,  und  ihm  auf  keine  Weise 
vorgreifen.  Ich  habe  alles  wohl  überdacht,  es  lässt  sich  nicht 
anders  für  ein  heutiges  Theater  einrichten,  es  würde  sonst  zu 
lang,  zu  gross,  zu  unbändig.  Wollten  Sie  den  Herren  vor- 
schlagen, einen  VersucETdamit  zu  machen,  das  Sujet  ist  wenigstens 
ganz  neu  und,  wie  mich  cläucht,  geschickt  genug,  die  Talente 
eines  Schauspielers  zu  üben.  Die  beyden  Freunde  handeln  un- 
endlich mehr,  als  sie  reden,  und  ihr  ganzes  Sjnel  setzt  langes 
Studium  voraus.  Zwei  Leute,  die  determiniert  sind,  in  allen 
Fälnlichkeiten  einander  mit  ihrem  Leben  beizuspringen ,  müssen 
in  jeder  Bewegung,  in  jeder  Miene  Enthusiasmus  für  einander 
weisen,  sonst  wird  das  ganze  Spiel  frostig  und  kalt.  Auf  diese 
kommt  nun  alles  an,  was  das  Stück  heben  oder  fallen  machen 
kann.  Ebenso  enthusiastisch  für  seinen  Sohn  muss  der  Vater 
seyn,  oder  er  wird  abscheulich.  Die  Freude  bey  der  Hoffnung, 
seinen  Sohn  wieder  zu  bekommen,  so  ausschweifend,  als  die  Wuth 
bey  Fehlschlagung  dieser  Hoffnung.  Und  das  alles  keine  Gri- 
masse unsers  gleichgültigen  Jahrhunderts,   sondern  wahres  inniges 


R.  Lenz:  Die  Algierer.  353 

Gefühl  sein  (sie).  Unter  diesen  Voraussetzungen  allein  kann  das 
Stüek  gefallen. 

„Verzeylm  Sie  mir  meine  lange  Paränese,  ich  weiss  wohl, 
da ss  der  Dichter  viel  vom  Schauspieler  lernen  muss,  aber  Aviederum 
kann  er  doch  den  Schauspieler  am  besten  in  den  Standpunkt 
stellen,  aus  dem  er  gearbeitet.  Findt  Herr  Seiler  es  unspielbar, 
so  lassen  Sie  es  aber  drucken,  es  möchte  doch  wohl  auch  im 
Lesen  hie  und  da  gefallen.  Lenz.  —  Sechs  Exemplare  bitt  ich 
mir  aus. 

„Unter  dem  2.  Januar  1776  zeigte  Gotter  den  Empfang  der 
Algierer  mit  dem  ersten  Posttage  an  und  schickte  Lenz  aus  eigner 
Tasche  vier  Louisdor,  da  Seyler  noch  nicht  geantwortet  habe. 
Er  versprach  zugleich,  was  er  sonst  noch  in  Gotha  oder  Ham- 
burg für  das  Stück  beim  Theater  erwuchern  könne,  ihm  ohne 
Verzug  zu  senden,  da  er  nicht  einsehe,  weshalb  der  Schrift- 
steller bei  der  geringen  Aussicht  auf  Belohnung  von  dem  Publi- 
kum mit  den  Theaterdirektoren  Komplimente  machen   solle. 

..Mein  Urteil  über  die  Algierer?  Noch  kann  ich  nichts,  als 
sie  loben.  Zum  urtheilen  muss  ich  erst  ein  wenig  kälter  Averden. 
Wenn  dieses  Stück  keine  Wirkung  thut,  so  geh  ich  mich  nie 
wieder  mir  theatralischer  Nativitätsstellung  ab.  Solch  ein  warmes 
ungetheiltes  Interesse!  solche  gedrängte  Handlung!  solche  Einfalt 
in  Gang  und  Sprache!  Mich  dünkt,  ich  höre  schon  Eckhof  Alonzo. 
—  Dass  ich  durch  Hülfe  eines  mittleren  Vorhanges  die  Akte  zu- 
sammengedrückt und  aus  fünf  drei  gemacht,  werden  Sie  mir  ver- 
zeihen. LTnd  dann  einen  einzigen  Einwurf.  Pieter  ist  seinem  j 
Vater  ungefähr  in  seinem  zehnten  oder  zwölften  Jahr  entrissen 
worden.  Sollte  er  sich  so  sehr  verändert  haben,  dass  Alonzo 
nicht  die  geringste  Spur  von  Ähnlichkeit  mehr  fände  —  und 
wenn  das  wäre,  auch  der  Vater?  Pieter  hört  sich  von  seinem 
Vater  nennen,  und  sein  Herz  sollte  diese  bekannte  Stimme  nicht 
wieder  erkennen?  —  —  Ihre  Anmerkungen  wegen  des  von  den 
beyden  Freunden  zu  beachtenden  Spiels  sind  vortrefflich,  und  ich 
werde  sie  gehörigen  Orts  mittheilen. 

..Arn  14.  Januar  dankte  Lenz  Gottern  für  die  Mühewaltung, 
seinen  , Seeräuber'  in  die  Hosen  zu  bringen,  und  für  die  vier 
Louisdor.  Als  Folge  der  Bemerkungen  des  Freundes  fügte  er  einige 
kleine  Einschiebsel  in  den  ersten  und  zweiten  Akt  bei,  die  ich 
als  einzige  Reste  dieser  Lenzischen  Bearbeitung  der 
Captivi  hier  machen  will. 

„Etwa  in  der  ersten  Szene  ersten  Akts,  sobald  Alonzo  Ma- 
rianen  den  Anschlag  entdeckt  hat  (wie  die  Stelle  heisst,  kann  ich 
mir  nicht  mehr  erinnern),  könnte  der  antworten,  eli  er  ihm  noch 
den   Glückwunsch   thut: 

23 


354  IV.   Captivi. 

Marione.  Wie  aber  —  wenn  Sie  alles  dies  nicht  nöthig  hätten,  und  Ihr 
Sohn  etwa  gar  mit  unter  den  Sklaven  wäre,  die  der  Ritter 
Ackton  eingebracht  hat? 

Alottzo.       Er  würde  mich  sogleich  aufgesucht  haben. 

Marione.     Er  vermuthet  Sie  aber  noch  in  Barcellona. 

Aionzo.  W'iird'  ihm  denn  da  nicht  mein  alter  Freund  Eamiro  Nachricht 
von  mir  gegeben  haben?  —  Hören  Sie,  er  ist  Ihr  Corre- 
spondent,  Sie  könnten  allenfalls  doch,  wenn  Sie  an  ihn 
oder  Jemand  anders  in  Barcellona  schrieben,  Nachfrage 
thun.  Sie  erweisen  mir  einen  Dienst  dadurch.  —  Doch 
was  wollen  wir  uns  mit  Schimären  den  Kopf  zerbrechen? 
Ich  weiss,  dass  sein  Herr  ihn  nicht  von  sich  lässt,  wie 
sollte  er  denn  jemals  in  Spanierhände  gerathen?  So  aber 
bekomme  ich  ihn  wieder  und  wenn  er  in  Beelzebubs  Klauen 
steckte. 

„Und  weiter  unten,  etwa  in  der  zweiten  Szene  zweiten  Akts, 
wo  die  Verwechslung  der  Kleider  geschieht,  als  Osmann  Pietro 
fragt:  ,Und  was  soll  aus  dir  werden?'  und  dieser  antwortet: 
, Kümmert's  mich  doch  nicht  — ',  könnte  er  frostig  lachend  hinzu- 
setzen: ,Ich  hab  ja  auch  noch  Verwandte  in  Spanien,  die  ich 
aufsuchen  kann,   wenns  aufs  höchste  kommt.' 

„Zu  einer  Aufführung  oder  zum  Druck  der  Algierer  oder 
Seeräuber  ist  es  nicht  gekommen.  Am  20.  Mai  1776  schrieb 
Lenz  von  Weimar  aus  an  Gotter:  ,Wenn  Sie,  lieber  Freund,  die 
Algierer  noch  nicht  weggegeben  haben,  so  wollt  ich  Ihnen  un- 
massgeblich rathen,  sie  Herrn  Bode  anzuvertrauen,  der  sie  der 
Schröderschen  Gesellschaft  in  Hamburg  zu  spielen  giebt ,  die 
Ihnen  gewiss  reichlicher  zahlen  wird,  als  keine  andere,  und  sie 
sodann  auch  dort  kann  drucken  lassen,  woran  mir  am  meisten  ge- 
legen, da  ich  keine  Abschrift  davon  habe  und  sie  doch  Avieder 
einmal  lesen  möchte.' 

„Lenz  nahm  nun  an,  dass  Gotter  Boden  das  Manuskript  über- 
geben habe,  und  Hess  später  diesen  durch  Brie  daran  erinnern. 
Erzürnt  schrieb  darauf  Bode  am  20.  Dezember  1776:  ,Ist  Lenz 
toll?  mir  hätt'  er  was  für  Schröder  mitgegeben?  auf  meine  Ehre, 
nichts!  vielleicht  hat  er  Gotter  in  Gedanken  gehabt.  Auch  das 
wird  Schröder  am  besten  aufklären  können.  Lenz  ist  ein  sonder- 
bares Genie.' 

„Niemals  hat  der  Dichter  seine  Algierer  wiedergesehen.  Sie 
sind  verschollen.  In  Gotters  Nachlass  hat  sich  nichts  davon  ge- 
funden. " 

So  ist  die  deutsche  Litteratur  um  die  einzige  freie  Nach- 
ahmung der  plautinischen  Captivi  gekommen,  die  nach  Gott  eis 
Kritik  vielleicht  manche  der  übrigen  Imitationen  Lenzens  an 
Gehalt  und  Durcharbeitung  überragte. 


V.    Curculio.  355 

Ziemlich  zahlreich  sind  die  neueren  deutschen  Übersetzun- 
gen der  Captivi.1) 


V.   Curculio.2) 

Der  Curculio  des  Plautus  hat  eine  widersprechende  Be- 
urteilung bei  den  Kritikern  erfahren.  Die  Romantiker  haben  das 
Stück  ziemlich  hoch  gestellt,  andere,  vornehmlich  la  Harpe 
unter  den  Franzosen,  haben  es  in  durchaus  ungünstiger  Weise 
kritisiert.  Rapp3)  findet,  „schon  mit  dem  Aufzug  der  Szene  zeigt 
sich  entschieden  das  romantische  Element  hier  herrschend  .  .  . 
Das  Ständchen,  das  Phädromus  singt,  die  Alte  mit  ihrem 
bakchischen  Weindurst,  endlich  die  ganze  Liebesszene  des  ersten 
Aktes  giebt  ein  reizendes  Bild  von  lyrischer  Wirkung,  vollendet 
in  seiner  Art."  Bei  alledem  jedoch  erklärt  Rapp,  dass  die  gro- 
teske Wirkung  des  Parasiten  (von  seinem  Auftreten  an)  den 
Mangel  des  Stückes  decken  muss,  dessen  Erfindung  Teuf  fei4) 
„ziemlich  dürftig"  nennt.  „Es  ist  gewiss,"  fährt  Rapp  fort,  „dass 
der  Mechanismus  der  Intrigue  des  Stückes  über  die  Massen  leicht- 
sinnig behandelt  ist,  kaum  für  ein  Ballet  oder  improvisiertes  Possen- 
spiel hinreichend  motiviert.  ...  Es  schliesst  sentimental,  wie  es 
angefangen  hat." 

Beim  Beginne  des  ersten  Aktes  ist  es  Mitternacht.  Der 
Tempel  des  Äskulap,  neben  ihm  das  Haus  des  Kupplers  und  auf 
der  andern  Seite  das  des  Phädromus  bilden  den  Hintergrund. 
Phädromus  spricht  seinem  Sklaven  Palinurus  von  der  Liebe 
zu  seinem  Mädchen  Planesium,  welches  im  Hause  des  Kupplers 
Kap  päd  ox  wohnt.  Dieser  ist  krank;  eine  alte  Frau  besorgt  und 
bewacht  das  Haus.  Indem  Phädromus  die  Trunksucht  der 
Alten  benützt,  gewinnt  er  sie  für  sich,  dass  sie  Plane- 
sium auf  kurze  Zeit  aus  dem  Hause  lässt.  Es  folgt  nun  eine 
Liebesszene,  in  welcher  sich  Planesium  als  das  liebliche 
Mädchen  in  zurückhaltender  Bescheidenheit,  doch  voll  inniger  Hin- 
gabe an  den  Geliebten,  Phädromus  als  begeisterter  Liebhaber, 
ganz  in  moderner  Art,    Argurippus    (S.  230)  ähnlich,    kundgiebt. 

')  Z.  B.:  A.  C.  Borheck  (Der  Gefangene,  Hamb.  1804);  <i.  (i.  S. 
Köpke;  (Berlin  1809);  K.  W.  Lorentz  (Altenburg,  43stes  Gymuasialpio- 
gramm  1850;  Geppert  (1859);  B.  Dom  hart  (Die  Kriegsgefangenen, 
Baireuth  1870;  Gymnasial  programm). 

2)  Ausgaben:  C.  E.  Geppert  (Berlin  1845).  Hier  zitiert  nach 
Fleckeisen.  —  Deutsche  Übersetzung  von  Rost  1830.     (Progr.,  36  S.) 

3)  Die  pl.  Korn.,  S.  1411. 

4)  Geschichte  der  röni.  Litt.,  S.  148. 

23 


356  V.  Curculio. 

Pariter  hos  perire  amando  uideo:  uterque  insaniunt. 
Videu  ut  misere  nioliunturV  nequeimt  conplecti  satis. 
Etiam  dispertimini? 

(V.  187)  meint  der  Sklave  Palinurus.  Phädromus  aber 
bricht  in  den  Ausruf  aus:  Ihr  Könige,  behaltet  euere  Reiche. 
Ich  will  nur  mein  Liebesglück!    (V.    175.) 

Sibi  sua  habeant  regna  reges,  sibi  diuitias  diuites, 

Sibi  [illi]  honores,  sibi  uirtutis.  sibi  pugnas,  sibi  proelia: 

Dum  mi  apstineant  innidere,  sibi  quisque  habeant,  quod  suumst. 

Mit  Recht  weist  Rapp,1)  da  Phädromus  das  Glück  der 
Gegenwart  preisend  und  nur  die  Anwesenheit  des  spöttischen 
Sklaven  beklagend,   in  die  Worte  ausbricht  (V.    189): 

Nullist  homini  perpetnom  bonum : 
Iam  huic  uoluptati  hoc  adiunctumst  odiuni; 

auf  Faust s  Seufzer  hin: 

0,  dass  dem  Menschen  nichts  Vollkommnes  wird. 
Empfind'  ich  nun.     Du  .gabst  zu  dieser  Wonne 


Mir  den  Gefährten  u.  s.  w. 

Da  Planesium  Eigentum  des  Kupplers  ist,  Phädromus  aber 
die  Mittel,  sie  loszukaufen,  nicht  besitzt,  hat  er  seinen  Parasiten 
Curculio,  den  Gurgelmenschen,  nach  Karien  gesandt,  um  sich 
dort  das   Geld  zu  verschaffen. 

Im  zweiten  Akte  tritt  Kapp  ad  ox  auf;  seine  Krankheit 
macht  ihm  viele  Sorgen.  Zu  ihm  gesellt  sich  Palinurus  und 
der   Koch,   welch  letzterer  ihm  einen  Traum  deutet. 

Im  dritten  Akte  ist  Curculio  aus  Karien  zurückgekehrt. 
Phädromus  fragt  ihn,  welche  Geschäfte  er  dort  gemacht  habe, 
und  Curculio  kann  nur  berichten,  dass  der  Freund  in  Karien 
sich   in  derselben  Geldverlegenheit  befindet  (F.   334): 

Respondit  mihi  paucis  uerbis  atque  adeo  fideliter. 
Quod  tibist  item  sibi  esse,  maxumam  argenti  inopiam. 

Phädromus  erschrickt;  indessen  hat  der  Parasit  bereits  ander- 
weitig Rat  zu  schaffen  gewusst.  Er  ist  mit  einem  Krieger  zu- 
sammengetroffen. Dieser  fragte  ihn,  ob  er  den  Wechsler  Luco 
(Luconem  tarpessitam,  V.  341)  und  den  Kuppler  Kappadox  in 
Epidaurus  kenne.  Auf  seine  bejahende  Antwort  erzählte  ihm 
nun  der  Krieger,  er  habe  bei  letzterem   ein  Mädchen  um  dreissig 

')  S.  1430. 


Charakteristik  desselben.  357 

und  ihr  Geschmeide  um  zehn  Minen  gekauft.  Das  Geld  liege 
hei  Luco,  und  dieser  habe  Auftrag,  es  demjenigen  auszuhändigen, 
der  ihm  den  Siegelring-  des  Kriegers  überbrächte.  Sie  gingen  dann 
zu  Tisch,  spielten  Würfel,  und  hierbei  erfuhr  Curculio,  dass  dies 
gekaufte  Mädchen  kein  anderes  als  Panesium  sei.  Der  Krie- 
ger, etwas  angetrunken,  schlief  ein,  und  Curculio  zog  ihm  bei 
dieser  Gelegenheit  seinen  Siegelring  vom  Finger.  So  habe  man 
gewonnenes  Spiel.  Vor  allem  aber  verlangt  der  Parasit  ein 
Mahl  (V.  367): 

uentris  stabilimenta:  pane  et  assa  bubula, 
Poclum  grande  [et]  aula  magna,  ut  satis  consilia  suppetant. 

Den  vierten  Akt  leitet  ein  Monolog  des  Wechslers  Luco 
ein.  Curculio  tritt  zu  ihm,  stellt  sich  als  den  Abgesandten  des 
Kriegers  Therapontigonus  Platagidorus,  d.  h.  als  seinen 
Freigelassenen,  den  „omnes  Summanum  (=  Stiebitz)  uocant" 
(V.  413)  vor,  übergiebt  ihm  einen  von  Phädromus  gesehi-iebe- 
nen  Brief  und  den  Siegelring  des  Therapontigonus,  „clupeatus 
elephantum  ubi  machaera  dissicit"  (F.  424).  Zufällig  kömmt 
Kapp  ad  ox,  und  Luco  fordert  ihn  auf,  sein  Geld  zu  holen  und 
das  Mädchen  auszuliefern,   wie  es  der  Brief  verlangt. 

Ein  Intermezzo  bildet  hier  das  Auftreten  des  Choragus, 
„eine  Art  von  Parabase, ul)  wie  sie  sich  bei  Plautus  nur  hier 
findet.  Er  rühmt  die  Spitzbubenart  des  Curculio  und  ist  be- 
sorgt, ob  er  ihm  die  Garderobe,  die  er  ihm  anvertraute,  wohl 
zurückstellen  werde  {V.   464): 

Ornamenta  quae  locaui  metuo  ut  possim  recipere. 

Alsdann  folgt  eine  witzige  Schilderung  des  Forums  und  sei- 
ner Gestalten. 

In  der  nächsten  Szene  wird  Planes ium  dem  Curculio  von 
Kapp  ad  ox  in  Gegenwart  des  Luco  ausgeliefert,  unter  der  Be- 
dingung (F.  490): 

si  quisquam  hanc  liberali 
Caussa  mann  adsereret,  mihi  omne  argentum  redditum  iri, 
Minas  triginta. 

Kappadox  ist  mit  dem   Geschäfte  zufrieden. 

Im  fünften  Akte  sehen  wir  Therapontigonus  im  Streite 
mit  Luco.  Er  weiss  von  dem  Handel  nichts;  Luco  aber  hat 
sich  auf  den  Ring  unbedingt  verlassen.  In  gleicher  Weise  reinigt 
sich  Kappadox,  und  nun  erst  merkt  Therapontigonus,  dass 
ihn  Curculio  betrogen  habe:   auf  seine   Frage   (F.   586): 


<)  Teuf  fei  (G-.  d.  röm.  Litt.),  S.  HS. 


358  V.   Curculio. 

Vbi  nunc  Cui'culionem  inueuiam? 

erwidert   ihm    Kappadox: 

In  tritico  facillume 
Vel  quingentos  curculiones  pro  imo  faxo  reperies, 

mit  Beziehung  auf  seinen  Namen. 

Curculio  tritt  aus  dem  Hause.  Kaum  hat  Planesium 
den  Ring  des  Kriegers  erblickt,  als  sie  stürmisch  in  den  Para- 
siten dringt,  um  zu  erfahren,  woher  er  ihn  habe.  Der  Ring 
führt  nun  darauf,  dass  der  Krieger  und  Planesium  Geschwister, 
Kinder  des  Periphanes  und  der  Kleobula,  sind.  Therapon- 
t  ig  onus  verheiratet  nun  seine  Schwester  an  Phädromus; 
Kappadox  aber  ist,  der  Klausel  des  Vertrages  gemäss,  gehalten, 
die  Verkaufssumme  von  dreissig  Minen  herauszugeben,  da  Plane- 
sium als  eine  Freie  erkannt  wurde. 

Die  zarte  Liebe  des  Phädromus  ist  oben  schon  besprochen 
worden.  Sein  höchstes  Glück  ist  seine  Liebste,  sein  „melculum 
dulce"   (7.   11). 

—  In  terra,  qui  me  erit  aeque  fortunatus,  illa 
Si  ad  me  bitet? 

bekennt  er  (F.  141).    Er  ist  der  alte  nicht  mehr,  wenn  er  sie  sieht. 

Quando  ego  te  uideo  inmutatis  moribus  esse,  ere,  atque  ingenio, 

sagt  ihm  sein  Sklave  (F.   146). 

Planesium  ist  ein  Wesen,  das  solcher  Liebe  wert  ist. 
Kappadox  hatte  sie  als  kleines  Mädchen  um  zehn  Minen  von 
einem  Unbekannten  gekauft  (F.  528);  bei  einem  Bakchusfeste 
war  sie  zu  Hause  während  eines  Sturmes  von  einem  Manne 
geraubt  worden  (F  644  ff.)  Nachdrücklichst  wird  mehrmals 
im  Stücke  ihrer  Keuschheit  und  Jungfräulichkeit  Erwähnung  ge- 
than ;   so : 

V.    51.  Tarn  a  me  pudicast,  quasi  soror  mea  sit. 

V.  518.  Bene  ego  istam  eduxi  meae  domi  et  pudice. 

V.  697.  Bene  et  pudice  me  domi  habuit. 

V.    57.  At  illast  pudica  neque  dum  cubitat  cum  uiris. 

und  öfter.  —  Dem  feurigen  Liebhaber  zur  Seite,  steht  —  wirklich 
ein  „odium"  (F.  190)  —  sein  naseweiser  Sklave  Palinurus,  voll 
Spott  über  die  Liebe  seines  Herrn.  Sein  Rücken  ist  an  Schläge 
gewöhnt,    sodass  Planesium  ihrem   Geliebten  zuruft  (F    197): 

Noli  amabo  uerberare  lapidem,  ue  perdas  manum. 
Von  den  Idealen  seines  Herrn  denkt  er  kalt.      Er  nennt  sie 


Charakteristik  desselben.  359 

„nugas  meras"  (F  199);  damnumst  raerum  (F.  49).  Seine  An- 
schauung ist  vielmehr  (F.   33): 

Nemo  hinc  prohibet  nee  uotat 
Qnin  quod  palamst  uenale,  si  argentumst.  emas. 
Nemo  ire  quemquam  puplica  prohibet  uia, 
Dum  ne  per  funduni  saeptnm  faciat  semitam: 
Dum  ted  apstineas  nupta  uidua  uirgine 
Iuuentute  et  pueris  liberis,  ama  quod  lubet. 

Der  kranke  Kuppler  Kappadox  ist  in  seinem  Leiden  ein 
Gegenstand  des  Spottes.      Er  sagt  von  sich  (V.  219): 

Valetudo  decrescit,  adereseit  labor, 

und  später  (F.  236): 

Lien  enecat,  renes  dolent, 
Pulmones  distrahuutur,  cruciatur  iecur, 
Eadices  cordis  pereunt,  hirae  omnes  doleut. 

Seinen  Wanst  und  sein  schlechtes  Aussehen  macht  Palinurus 
zum  Gegenstand  seines  Spottes  (F   230): 

Quis  hie  est  homo 
Cum  conlatiuo  uentre  atque  oculis  herbeis? 
De  forma  noui:  de  colore  non  queo 
Nouisse. 

Als  Klippler  wird  er  keines  Mitleids  gewürdigt,  vielmehr 
sein  Gewerbe  als  eine  „scelesta  seruitus"  (F  40),  er  selber  als 
„scelerum  caput"  (F.  234)  bezeichnet.  Der  Parasit  schildert 
die  Kuppler  ausführlich  (F  494 — 505),  und  ihnen  gleich  stellt 
er  nur  die  Geldwechsler  und  Wucherer  (F  506 — 511),  ein  Urteil, 
das  später  (F  679)  auch  Kappadox  bestätigt. 

Der  tarpessita  Luco,  dessen  Finanzpläne  wir  aus  F.  371 
—  384  kennen,  fühlt  sich  stark  dabei  betroffen  und  sagt  (F.  512): 
„Tacuisse  mauellem". 

Eine  treffliche  Gestalt  ist  die  weinbegeisterte  Alte,  gewisser- 
massen  ein  Gegenstück  zu  Phädromus;  denn  was  ihm  Plane - 
sium,  ist  ihr  der  Wein.  Sie  hat  ihn  gerochen,  sowie  Phädro- 
mus die  Thürschwelle  damit  benetzte  (F.   96): 

Flos  ueteris  uini  naribus  meis  obiectust:  eius  amor  cupidam 

Me  prolicit  huc  per  tenebras:  ubi  ubist,  prope  mest:  euax.  habeo. 

Er  ist   ihr  Alles,    ihr   Schatz   (F.    98): 

Salue,  anime  mi,  lepos  Liberi:  ut  ueteris  [ego]  sum  cupida. 

„Quam  longe  a  me  abest?"  ruft  sie  (F.  117).  Unter  die  Wein- 
lieder und  gewiss  den  horazianischen  an  die  Seite  zu  stellen  ist 
ihr  begeistertes  Lob  des  Weines  (F.  99): 


360  V.  Curculio. 

Xam  omuium  unguentum  odos  prae  tuo  nauteast: 
Tu  mihi  stacte,  tu  cmnaniiun,  tu  rosa, 

Tu  crocinum  et  casia's  tu  bdellium. 
Nam  ubi  tu  profussus  es,  ibi  ego  nie  perueliin  sepultam. 

Ihr  Durst  ist  massig-  (capit  quadrantal,  V.  103);  worauf  der 
Sklave  versetzt:    „uindemia  haec  huic  anui  non   satis  solist." 

Die  Figur  des  Soldaten  kehrt  m  ganz  ähnlicher  Form  bei 
Plautus   öfter  wieder. 

Es  ist  der  gewohnte  Aufschneider,  dessen  Thaten  Curculio, 
schon  ehe  er  auftritt,  ausschmückt;  der  in  zwanzig  Tagen  zahllose 
Völker  besiegt  hat  (V.  442 — 449),  imd  sich  nun,  ,.ex  auro  Phi- 
lippo,"1)  ein  Denkmal  seiner  Thaten  errichtet  (F.  440),  der  jeden 
stets  beim  Leben  belroht  (F.  536),  in  Stücke  für  die  Ameisen 
zerhaut  (F.  576),  von  seinem  Grimme  spricht,  „qua  excidionem 
facere  condidici  oppidis"  (F.  534),  der  den  Königen  Gesetze  vor- 
schrieb (F.  555),  und  nun  doch  von  einem  ,.umbraticus"  (F.  556) 
verlacht  wird  und  von  einem  Kuppler  die  Worte  hören  muss 
(F.  577): 

At  ita  meae  uolsellae  pecten  speculum  calamistrum  memn 
Bene  me  amassint  meaque  axicia  liuteumque  extersui, 
Vt  ego  tua  ruagnifica  uerba  neque  istas  tuas  magnas  minas 
Non  pluris  facio  quam  aucillam  meam  quae  latriuam  lauat : 

und  von  dem  der  Parasit  sagt  (F.  633):  ,,Vt  fastidit  gloriosiis 
.  .  .   Nihil  est  quod  ille  dicit.  •• 

Der  Parasit  —  mit  dem  treffenden  Namen  Curculio  — 
ist,  wie  Rapp*2)  sagt,  ,,kaum  irgend  so  reich  ausgestattet.  Diese 
komische  Maske,  grotesk,  einäugig,  wahrscheinlich  sonst  missge- 
staltet, hier  besonders  in  seiner  Gefrässigkeit  unermüdet,  ist  wohl 
der  unleugbare  Prototyp  des  spätem  italienischen 
Arlecchino;  auf  sein  komisches  Äussere  ist  sichtbarer  Wert 
gelegt. " 

Wie  allen  Parasiten,  ist  ihm  sein  Herr  sein  ,.genius"  (F.  301). 
Das  Essen  ist  sein  Höchstes;  er  versinkt  in  Schwäche,  wenn  es 
nicht  zeitig  aufgetragen  wird;  ,.genua  media  succidunt"  (F.  309); 
lippiunt  fauces  fame  (F.  318).  Erst  wenn  er  gegessen  hat,  ist  er 
brauchbar  (F.   384): 

Nil  tu  me  saturum  monueris:  memini  et  scio. 

Sein  einziges  Auge,  wodurch  er  mit  den  Kokles  in  Ver- 
wandtschaft gebracht   wird  (F.  393),   macht   den  unoculus   (luscus) 


')  Diese  Stelle  hat  Veranlassung  gegeben,  die  Aufführung  des  Stückes 
bald  nach  561  (193)  zu  verlegen.  Vgl.  bei  Teuf  fei  (Studien  u.  Charak- 
teristiken), S.  262. 

2)  S.  1411. 


Massingers  A  very  woman.  361 

mehrmals  (F.  392,  394,  505)  zum  Gegenstand  des  Spottes, 
den  er  aber  bitter  erwidert;  denn  er  ist  in  feiner  Weise  frech 
(7.   512): 

„Hau  male  meditate  male  dicax  es," 

ein    Possenreisser    aus    Profession    (F.    604),      ,.nam    propter    eas 

(=  nugas)    uiuo  faeilius, "    und,    wie    ihn    der  Choragus    zeichnet, 

(V.  462): 

Edepol  nugatorem  lepidum  lepide  lnmc  nanctust  Phaedromus. 
Halophantamne  an  sucophantam  hunc  magis  dicam  esse  nescio. 

Als    echter   Parasit    ist    Curculio    nicht    mehr    loszubringen. 
Den  neu  Vermählten  folgt  er,   sozusagen,   als  Mitgift   (F.  663): 

Cure.  E°o  dotem  dabo. 

Ther.    Quid  dotis? 

Cure.  Egone?  ut  semper,  dum  uiuat,  me  alat: 

worauf  Phädromus   zustimmt. 


Obwohl  die  einzelnen  Figuren  des  Lustspiels,  der  ge- 
prellte Kuppler,  der  prahlerische  Soldat,  und  vor  allem 
der  hier  eingehend  gezeichnete  Parasit,  ständige  Figuren  der 
italienischen  und  französischen  Komödie  wurden  und  für 
diese  Vorbilder  blieben,  sind  doch  direkte  Nachahmungen  des 
Curculio    nicht   anzuführen. 

Rapp1)  findet,  dass  in  Massingers  „A  very  woman;  or, 
the  prince  of  Tarent",  einer  im  Jahre  1634  gespielten  Tra- 
gikomödie,2) „die  Trunkenboldin  Borachia  bei  ihrem  ersten  Auf- 
treten (?)  eine  deutliche  Reminiszenz  aus  Plautus'  Curculio" 
verrate.  Zu  einer  andern  späteren  Stelle  (III,  5)3)  bemerkt  der 
Herausgeber:  „This  is  imitated,  but  with  exquisite  humour,  from 
a  very  amusig  scene  in  the  Curculio  of  Plautus,  where  a 
lover  draws  the  keeper  of  bis  niistress  out  of  the  house,  by  a 
similar  stratagem. "  Don  John  Antonio  besprengt  die  Thür- 
schwelle  mit  Wein. 

Now  to  begiu  my  sacrifice:  she  stirs  and  vents  it. 
Oh,  how  she  holds  her  nose  up  like  a  jennet 
In  the  wind  of  a  grass-mare!  she  has  it  füll  now, 
And  now  she  comes.     • 


■)  Studien.    (S.  246.) 

2)  Auf  S.  237 — 351  des  vierten  Bandes  von  The  plays  of  Philip 
Massinger,  in  four  volumes  with  notes  critical  and  cxplanatory.  By 
W.  Gifford.     Esq.     The  second  edition.     London  1813. 

3)  Ebenda,  S.  297. 


362  V.   Curculio. 

(Vgl.    V.   96  u.   s.  w.)      Wie  die   alte   leaena,    riecht   Boraehia 
die  Weinspende.     Sie  tritt  aus  dem  Hause  (snuffing): 

"T  is  wine!  ay,  sure  't  is  wine!  excellent  strong  wine! 
In  the  rnust,  I  take  it:  very  wine!  this  way  too. 

Antonio  giesst  mehr  aus.  Ihre  Begeisterung  für  den  „ex- 
cellent Caudy-wine"  steigert  sich.  Der  Liebhaber  setzt  es  durch, 
zu    seiner  Geliebten  zu  gelangen. 

Eine  italienische  Übertragung,  „II  Curcullione,  Commedia 
di  Plauto,  tradotta  dalh  Abbate  Angelo  Teodoro  Villa,"  nennt 
Argelati  (IV,  361);  eine  deutsche  Übersetzung  der  beiden 
ersten  Akte  findet  sich  im  71.  Stücke  der  „Neuen  Erwei- 
terungen". 

Ein  neues  deutsches  Lustspiel  hat  Reinh.  Lenz  aus  dem 
Curculio    in    seinem    Stück    „Die  Türken  skia  vin" J)  gemacht. 

I.  Akt.  (1.)  Herrmann  (Palinurus)  trägt  seinem  Herrn, 
Sebastian  (Phädromus),  einem  jungen  Wiener,  die  Laterne  vor. 
„Wohin,"  fragt  er,  „soll  es  gehen?"  Sebastian  zeigt  ihm  das 
Häuschen  und  die  Thüre.  „„Zieh  den  Hut  vor  ihr  ab!""  — 
..Warum  soll  ich  denn  den  Hut  vor  der  Thür  abziehen?  In 
einem  Bordell  dazu."  —  Dort  wohnt  das  Mädchen,  das  Se- 
bastians Sinne  berückt  und  ihn  völlig  umgekehrt  hat.  Es  ist 
eine  schöne  Türkensklavin,  welche  der  Maqueraut  Kuhlmann 
erst  brachte.  Ein  Graf  Pudewitz  will  hundert  Dukaten  für 
drei  Nächte,  bieten,  worauf  Kuhlmann  eingeht.  Wenn  Lips 
Rustan  nicht  Geld  aus  Ungarn  bringt,  so  ist  für  Sebastian 
jede  Hoffnung  verloren.  —  Um  die  alte  Zigeunerin  Feyda 
herauszulocken,  macht  es  Sebastian,  wie  Phädromus:  „Ich 
will  Wein  auf  die  Thürpfosten  und  Schwelle  giessen;  sobald  sie 
den  Geruch  merkt,  macht  sie  mir  gleich  auf."  (2.)  Wirklich 
kömmt  Feyda  aus  dem  Hause.  „Geruch  von  altem  Wein  ist 
mir  in  die  Nase  gestiegen,  der,  der  lockt  mich  aus  meinen  Kissen 
durch  die  finstre  Nacht  hieher.  Wo,  wo  ist  er?  Nahe  bei  mir 
ist  er,  ich  rieche  ihn,  ich  schmeck  ihn,  ich  fühl  ihn,  ach,  ich 
will  ihn  umarmen."  Hochbefriedigt  führt  sie  Selma  (Plane- 
sium)  heraus,  ganz,  wie  bei  Plautus2)  (S.  158):  „Tritt  doch 
leise,  Kind,  lass  die  Thür  nicht  knarren,  dass  Herr  Kuhl- 
mann nicht  aufwacht  —  wart,  ich  will  Wasser  auf  die  Thür- 
angeln  giessen,    dass  sie  nicht  knarren."      Sowie  Planesium  die 


'-)  Ausgabe  von  Tieck.     iBerlm  1825.)     Band  H.     S.  165—199. 
2)    V.  158.    Placide  egredere  et  sonitum  probibe  forium  et  crepitum 

cardinum, 

Ne  quod  hie  agimus  erus  pereipiat  fieri,  mea  Planesium. 

Mane,  suffundam  aquolam. 


R.  Lenz:  Die  Türkensklavin.  3(53 

juristische  Formel  gebraucht,1)  so  auch  Selma:  „Wo  bist  du, 
der  mich  vor  den  Divan  der  Liehe  hat  laden  lassen?  Hier  bin 
ich,  hier  stelle  ich  mich."  In  der  folgenden  Liebesszene  spielt 
Herrmann,  der  ungeduldige  Zuschauer,  genau  die  Rolle  des 
Sklaven  Palinurus. 

II.  Akt.  (1.)  Der  wassersüchtige  Kühl  mann,  „mit  Tüchern 
um  den  Leib,"  beklagt  seinen  Gesundheitszustand.  (2.)  Sein  Ge- 
spräch mit  Herr  mann  unterbricht  Sebastians  Auftreten  und 
die  Ankunft  des  einäugigen  Lips  Rustan  (Curculio),  der  mit 
dem  Rufe  hereinstürmt:  „Aus  dem  Wege,  Bekannte  und  Unbe- 
kannte, dass  sich  jedermann  vor  Schaden  und  Unglück  hüte, 
Platz!"  u.  s.  w.2)  Er  will  einen  Stuhl,  ein  Glas  Wasser,  „wo 
..Rindfleisch  drin  gekocht  ist"  u.  dgl.  Nach  lange  gesteigerter 
Erwartung*  beginnt  er  seine  Erzählung.  Der  Vetter  in  Ofen,  den 
er  um  Geld  anging,  antwortete  kurz  und  bündig,  er  habe  keines. 
Betrübt  ging  Lips  ins  Kaffeehaus,  dort  traf  er  einen  grossmäch- 
tigen,  langen  Offizier,  den  er  von  Wien  her  kannte.  Sie  sprachen 
von  allerlei,  darunter  auch  von  Kühl  mann,  und  dabei  erfuhr 
Lips  Rustan:  „Er  hat  hier  beim  Juden  Hirzel  vierhundert- 
zwanzig Dukaten  deponiert,  und  die  will  er  durch  einen  Expressen 
heben  lassen,  weil  er  jetzt  endlich  Nachrichten  von  dem  Kauf- 
mann aus  Smyrna  hat,  dass  er  ihm  fünfhundert  für  das  Mädchen 
wiedergeben  will;  denn  kurz  und  gut,  der  Offizier  war  derselbe, 
von  dem  Ihnen  der  alte  Kuhlmann  erzählt  hat."  Das  Mädchen 
soll  nun  der  Bediente  des  Hauptmanns  abholen,  durch  den  Pe- 
tschierring  des  Offiziers  als  solcher  akkreditiert,  Diesen  Ring 
aber  zog  Lips  dem  infolge  des  Punsches  eingeschlafenen  Haupt- 
mann vom  Finger  und  eilte  davon.  Sebastians  Jubel  über 
diesen  Streich  ist  unbeschreiblich. 

III.  Akt.  (1.)  Jude  Hirzel,  der,  wie  sein  Vorbild  Luco,3) 
von  dem  Grundsatze  ausgeht:  „Ich  bin  auch  reich,  wenn  ich 
meine  Schulden  nicht  bezahle,"  wird  in  seinen  Gedanken  von 
Lips,  der  ihn  (2.)  von  rückwärts  auf  die  Schulter  mit  aller 
Macht  schlägt,  unsanft  unterbrochen.  Nach  einigen  Worten  gegen 
den  Einäugigen,  giebt  sich  Lips  Rustan  als  den  Abgesandten 
des  Hauptmanns  Gmelinskoy  Budowitzky  zu  erkennen;  er 
..soll  dem  krummen  Juden  einen  Petschierring  zeigen."  Hirzel 
kömmt  die  ganze  Sache  nicht  erwünscht.  Noch  weiss  er  nicht, 
wie  er  das  Ding  mit  Kuhlmann  zu  Ende  führen  soll. 


')   V.  162.    Vbi  tu 's,  qui  me  conuadatu's  Veneriis  uadimoniis? 

Sisto  ego  tibi  me  et  mihi  contra  itidem  [tu  te]  ut  sistaa 

suatleo. 

2)  / '.  280.     Date  uiam  mihi,  noti  ignoti,  dum  ego  hie  officium  uieum 

Facio  u.  s.  w. 

3)  V.  373.     Diues  sum,  si  non  reddo  eis  quibua  dehibeo. 


364  V.  Curculio. 

IV.  Akt.  (1.)  Lips  führt  die  weinende  Selima  ah;  die 
weitere  Handelschaft  spielt  zwischen  Knhlmann  und  Hirzel. 
Lips  schwört,  er  wolle  Knhlmann  noch  „einen  Lipsstreich" 
spielen;  alles  soll  er  wieder  ausspeien,  alle  vierhundertzwanzig 
Dukaten.  (2.)  Budowitzky  ist  eingetroffen  und  forciert  von  Hir- 
zel seine  vierhundertzwanzig  Dukaten.  Wie  Therapontigonus, 
ist  Budowitzky  heftig  ergrimmt,  „nicht  weniger,  als  vor  Adria- 
nopel, da  ich's  zum  Steinhaufen  machte."  Hirzel  aber  will 
nichts  mehr  schuldig  sein.  Das  Geld  hat  er  an  den  blinden  Kor- 
poral, der  den  Petsehierring  brachte,  ausbezahle.  Der  Jude 
entflieht,  Budowitzky  will  ihn  schlagen;  doch  „der  Löwe  fängt 
keine  Mäuse.  Wenn  der  Grosssultan  vor  diesem  Arm  gezittert 
hat  - —  warum  sollte  ich  ihn  gegen  einen  Juden  missbrauchen?" 
(3.)  Kuhlmanns  Dazwischenkunft  führt  die  Sache  weiter.  „Ich 
hab, "  sagt  er,  „das  Mädchen  dem  abfolgen  lassen,  der  mir  Geld 
gab,  nicht  Worte,  wie  Sie  thun."  —  „„Wie  sah  er  aus?""  — 
„Dem  bösen  Feind  nicht  unähnlich:  pokkengrübig,  schwarz  im 
Gesicht,  ein  Auge,  das  andere  war  ihm  ausgelaufen."  Nun  er- 
innert sich  der  Hauptmann  seines  Gastes  und  macht  sich  daran, 
ihn  verfolgen  zu  lassen. 

V.  Akt.  (1.)  Lips  erzählt,  (wie  V.  591—599  Curculio), 
wie  ihm  Selima  den  King  des  Hauptmanns  entreissen  wollte, 
sohald  sie  ihn  sah.  (2.)  Selima  eilt  ihm  nach.  Es  ist  kein 
Zweifel,  dass  dies  der  Ring  ist,  den  ihr  Vater  trug.  (3.)  Dazu 
kömmt  Budowitzky.  Vor  allem  fragt  ihn  Sebastian,  woher 
er  den  Ring  habe.  Sein  Vater  gab  ihm  denselben,  ehe  er  in  die 
Fremde  zog;  eine  jüngere  Schwester  kam  in  den  Flammen  um. 
Dies  und  das  Bild  der  Mutter,  das  Selima  an  ihrer  Brust  trägt, 
führt  die  Lösung  herbei.  Selima  erzählt,  wie  die  alte  Zigeu- 
nerin sie  aus  den  Flammen  gerettet  und  an  Kühl  mann  verkauft 
habe.  Budowitzky  bestimmt  die  vierhundertzwanzig  Dukaten 
seiner  wiedergefundenen  Schwester  als  Aussteuer,  worauf  sie 
Sebastian  als  ihren  Gatten  wählt.  (4.)  Kühl  mann  ist  völlig 
ruiniert.  Er  hat  die  Summe  zu  bezahlen,  obwohl  Selima  zu 
seinen  Gunsten  darauf  verzichten  will.  Auch  Graf  Pudewitz 
wird  seine  hundert  Dukaten  zurückverlangen,  „und  die  sind  längst 
ausgegeben." 

Nach  einer  Moralpredigt  Sebastians  rät  Lips  Rustan: 
„Wir  wollen   ihn    laufen   lassen;"     und    damit  endet  die  Komödie. 


Die  Szene,  in  welcher  der  Graf  Almaviva  in  Beaumar- 
chais' (1732—1799)  „Le  Barbier  de  Seville  ou  la  pre- 
caution  inutile"  (1775)   Rosine  das  Ständchen  bringt,  hat  man 


VI.    Casina.  365 

als  der  einschlägigen  Szene  des  Curculio  nachgebildet  linden 
wollen.  Dass  dies  unberechtigt  ist,  zeigt  schon  der  französische 
Übersetzer  des  Plautus,  E.  Sommer.1)  Lieber  möchte  er  Mo- 
lieres  Etoxirdi  stellenweise  mit  dem  Curculio  in  Beziehung 
bringen.  2) 


TL   Casina.3) 


Casina  ist  mit  mannigfachen  Lücken,  die  wohl  zum  Teile 
auch  der  Inhalt  verursacht  hat,4)  auf  uns  gelangt.  Die  Sklavin 
Casina  tritt  gar  nicht  auf. 

Das  Stück,  das  Kapp5)  „faunisch-erotisch"  nennt,  leitet  ein 
Prolog  ein,  der  zwar  dem  Plautus  nicht  angehört,  nach 
Lessings  Urteil  aber6)  „gleichwohl  lesenswürdig •'  ist.  Wir  er- 
fahren in  demselben,  dass  es  ein  Stück  des  Dipkilus  ist  und 
im  Griechischen  den  Titel  KhjQOi^ievoi,  die  Losenden,  führt  nach 
Vers  324,  wo  zwischen  Olymp io  und  Chalinus  um  Casina 
das  Los  geworfen  wird. 

Rapp  hat  das  Lustspiel  in  zwei  Teile  geteilt,  deren  erster 
V.   1 — 548  umfasst. 

I.  Teil.  In  der  ersten  Szene  streiten  Olympio,  der 
Meierer  (uillicus),  und  Chalinus,  der  Waffenträger  (armiger)  des 
jungen  Herrn  Euthynikus  (V.  973).     Olympio  hat  von  seinem 


')  Les  Comedies  de  Piaute  traduites  en  francais  par  E.  Sommer. 
Paris  (Hachette)  1876.  2  voll.  I,  302.  On  a  rapproche  de  la  scene  oü 
le  jeune  amoureux  chante  ä  la  porte  de  sa  maitresse  celle  oü  le  conte 
d'Almaviva  vient  donner  une  serenade  ä  Rosine;  ce  rapprochement  ne 
nous  parait  nullement  Justine.  —  Es  ist  die  sechste  Szene  des  ersten 
Aktes.     (Paris,  Ruault  1775.) 

2)  Ebenda:  Ce  qui  semble  beaucoup  plus  vraisemblable  c'est  que 
Moliere  dans  son  Etourdi  s'est  inspire  gä  e  lä  de  Piaute  et  lui  a  meine 
emprunte  en  partie  son  intrigue: 

Et  l'acliat  fait,  ma  bague  est  la  marque  choisie 
Sur  laquelle  au  premier  il  doit  livrer  Celie. 

Des  que  par  Truffaldin  ma  bague  sera  vue, 
Aussitöt  en  tes  mains  eile  sera  rendue. 

3)  Ausgabe  von  Geppert  (Berlin  1866).  —  Hier  zitiert  nach  C.  H. 
Weise. 

»)  Kapp  16117.  —  Teuffei  (G.  d.  r.  L),  S.  148:  „mit  Zuthat  von 
Unsauberkeiteu  im  massiv  römischen  Geschmacke,  die  wühl  auch  den 
Wegfall  der  Schlusspartien  zur  Folge  hatten.  Das  Erhaltene  ist  näm- 
lich ohne  Zweifel  eine  abgekürzte  spätere  Bühnenbearbeitung,  während 
der  Prologschreiber  noch  das  vollständige  Stück  kannte." 

5)  A.  a.  0.    S.  1698. 

6)  Beiträge.     S.  48.  49. 


366  VI-   Casina. 

Herrn  Stalino  das  Versprechen  bekommen,  Casina  zur  Frau  zu 
erhalten,  wogegen  sie  allerdings  auch  mit  ihm  leben  muss;  er  hat 
in  diese  „nuptiae  communes"  (V.  803)  eingewilligt.  Chalinus 
dagegen  wird  von  der  eifersüchtigen  Frau  Stalinos,  Kleo- 
strata,  unterstützt.  Sie  will  Casina  ihm  anverheiraten  und  so 
ihrem  Sohne,  den  der  Vater  auf  Reisen  geschickt  hat  (F.  64), l) 
Casina   erhalten. 

Kleostrata  tritt  mit  ihrer  Magd  Pardaliska  auf;  sie  will 
ihrer  Nachbarin  Murrhina  ihr  Leid  klagen  wegen  ihres  ungetreuen 
Ehegatten,  doch  wird  ihr  Gespräch  durch  Stalinos  Auftreten  unter- 
brochen. Stalino  ist  voll  von  Liebe  für  Casina.  Da  er  seine 
Gattin  sieht,  will  er  sie  mit  Schmeichelreden  besänftigen;  sie  aber 
wirft  ihm  sein  Sündenleben  vor.  Endlich  sind  beide  dahin  über- 
eingekommen, die  beiden  Sklaven  gegenseitig  zu  einer  Verzicht- 
erklärung auf  Casina,  jeden  zu  gunsten  des  anderen,  zu  geM'innen. 
Chalinus  tritt  auf;  aber  alle  Versuche  Stalinos  sind  vergeb- 
lich; kein  besseres  Resultat  hat  unterdessen  Kleostrata  mit 
Olympio  erzielt.  So  soll  es  denn  dem  Lose  anheimgestellt  wer- 
den,  wem  Casina  zuerkannt  werden  soll. 

Dieses  entscheidet  zu  gunsten  des  Olympio.  Die  grösste 
Freude  empfindet  hierüber  natürlich  Stalino.  Er  macht  mit 
Olympio  aus,  wie  unmittelbar  nach  der  Hochzeit  dieser  Casina 
gegenüber  thun  solle,  als  führe  er  sie  auf  das  Landgut;  dies 
Landgut  jedoch  ist  Verabredetermassen  seines  Nachbars  Alcesi- 
mus  Haus,  wo  der  Herr  mit  Casina  Hochzeit  halten  will. 
Mit   Tagesanbruch    soll    sie    dann    Olympio    für    immer    gehören 

(7.   468): 

Tu  ras  uxorem  duces;  id  rus  hoc  erit, 
Tantisper  dum  ego  cum  Casina  faciam  nuptias. 
Hinc  tu  ante  lucem  rus  cras  duces  postea. 

Allein  Chalinus  hat  die  ganze  Unterredung  belauscht. 
Nicht  um  die  dreifache  Freiheit  gäbe  er  dies  Glück   (V.  487): 

Tribus  non  conduci  possim  libertatibus, 

Quin  ego  illis  hodie  conparem  magnum  malum. 

Er  eilt  ab,  um  die  Frau  Stalinos  hiervon  in  Kenntnis 
zu  setzen. 

II.  Teil.  Stalino  unterhandelt  mit  Alcesimus  wegen 
Überlassung  eines  Lokales  für  diese  Nacht,  was  dieser  zugesteht. 
In  der  nächsten  Szene  tritt  Kleostrata  auf.  Stalino  hatte 
alles  gethan,   um  des  Alcesimus  Frau,   Murrhina,   in  sein  Haus 

')  Is,  ne  expectetis,  hodie  in  hac  comoedia 

In  urbem  nou  redibit:    Plautus  noluit: 
Pontem  interrupit,  qui  erat  ei  in  itinere. 


Charakteristik  derselben.  367 

zu  bringen.  Kleostrata  dagegen  sagt,  sie  wolle  ihre  Nach- 
barin ja  nicht  stören,  da  sie  ihrer  Dienste  nicht  bedürfe.  Ihrem 
hinzukommenden  Manne  Stalino  dagegen  sagt  sie,  Murrhina 
könne  ihrer  eigenen  Geschäfte  halber  nicht  abkommen.  Stalino 
erbittet  sich  indessen  von  Alcesimus  den  Freundschaftsdienst, 
den  dieser  auch  gerne  zusagt.  Da  stürzt  mit  einemmale  Par- 
daliska  aus  dem  Hause.  Entsetzt  und  laut  schreiend  berichtet 
sie  auf  Stalinos  längere  Fragen,  Casina  sei  rasend  geworden: 
sie  suche  mit  dem  Schwerte  Olympio,  um  ihn  zu  erschlagen. 
Stalino    jammert  über  sein  Los  (F.   665): 

Peru  hercle  miser! 
Neque  est  neque  fuit  me  senex  quisquam  amator 
Adaeque  miser. 

Pardaliska  wird  mit  allen  Versprechungen  abgeschickt,  um 
Casina  zu  beschwichtigen. 

Olympio  mit  seinen  Köchen  tritt  auf,  beschäftigt  mit  der 
Herstellung  des  Hochzeitmahles.  Mittlerweile  hat  Kleostrata 
einen  Plan  gefasst ,  von  dem  uns  Pardaliska  erzählt.  Der 
Waffenträger  wird  als  Mädchen  angekleidet  und  soll  in  das 
Brautgeniach  des  Olympio,  an  Casinas  Stelle,  gebracht  werden. 
Stalino  freut  sich  bereits  der  kommenden  Nacht.  Der  Braut- 
zug setzt  sich  in  Bewegung;  Sklavinnen  übergeben  den  ver- 
kleideten Chalinus  dem  Olympio.  Es  ist  eine  ungeheuer  wirk- 
same komische  Szene,  wenn  Stalino,  der  den  ersten  Niessbrauch 
hat  (F.   829): 

„Meus  fructus  est  prior," 

und  sich  des  „corpusculttm  melliculum  (F.  833)  freut,  und  Olym- 
pio die  vermeintliche  Casina  umarmen,  die  bald  Olympio  un- 
sanft auf  den  Fuss  tritt  (institit  plantam,  F.  835),  bald  Stalino 
mit  dem  Ellenbogen  auf  die  Brust  stösst,  dass  ihm  der  Atem 
innehält  (F.  840): 

„Pectus  mi  agit  haec  cubito." 

Stalino  und  Olympio   treten  mit  Chalinus  ins  Haus. 

Die  Frauen  mit  ihren  Sklavinnen  erscheinen,  um  Zeuginnen 
des  weiteren  Verkaufes  zu  sein.  Alsbald  kömmt  Olympio  aus 
dem  Hause:  er  gedachte  Stalino  zuvorzukommen  und  schloss 
sich  mit  der  jungen  Frau  ins  Gemach;  allein  ein  borstenartiger 
Bart  (F.  908:  ,, quasi  sentis  labra  mihi  conpungit  barba")  zer- 
stach ihm  die  Lippen;  dann  prügelte  ihn  Chalinus  von  dannen. 
Hierauf  Hess  Olympio  den  alten  Herrn  hinein  (F.   912): 

„Vt  senex  hoc  eodem  poculo,  quod  ego  bibi,  biberet." 


368  VI-   Oasina. 

Alsbald  kömmt  auch  dieser  heraus,  ohne  Mantel  („expallia- 
tus",  7.  921),  und  will  nach  Hause  eilen.  Chalinus,  mit 
Stalin os  Stab  und  Mantel,  erklärt,  dass  er  Casina  gespielt 
habe.  Stalino  schwört  für  alle  Zukunft  seiner  Frau  ständige 
Treue,  und  so  endet  diese  sittlich  so  bedenkliche  Komödie  mit 
einer  Züchtigung  und  Beschämung,  ja  sogar  mit  einiger  Aussicht 
auf  Besserung  der  lüsternen  Personen  der  Handlung-. 

Der  kurze  Epilog  meldet  uns  noch  allerlei.  Casina  hat 
sich  als  ein  Kind  des  Nachbars  herausgestellt",  und"  der  junge 
Euthynikus  heiratet  sie.  Beide  Persönlichkeiten  haben  wir 
nicht  gesehen  und" über  ihren  Charakter  weiter  nichts  gehört. 

Das  Hauptinteresse'  bietet  der  alte  Stalkio,  der  „senex 
amatori£.  Als  Greis,  „senecta  aetate"  (7.  226,  243),  mit  grauem 
Haar  (cano  capite,  7  501)  und  verheiratet,  („quoi  sit  uxor,")  ist 
er  verliebt,   und  zwar,   wie  ihm  Alcesimus  sagt,  .(F.  503): 

Miseriorem  ego  ex  aniore,  quam  te,  uidi  neminem, 

so  zwar,   dass  er  begeistert   vom  Liebesgenusse   spricht  (7   200): 

Omnibus  rebus  ego  amorem  credo  et  uitoribus  nitidis  anteueuire 

Nee  potis  quiequam  conmemorari,  quod  plus  salis  plusque  leporis  habeat, 

—    ein    „hircus  improbus   atque  edentulus"  (7   533). 

Die  Liebe  hat  den  Alten  zum  Gecken  gemacht,   zur,  „larua", 

wie  sich  Alcesimus    ('7  574)   ausdrückt.  Er  duftet  von  Salben 
(7.  210):. 

Myropolas  omnes  solicito;  ubieunque  unguentum  est  lepidum,  ungor, 
Vt  Uli  placeam; 

und  eingebildet  genug  sagt  sich  der  alte  Narr: 

Et  placeo,  ut  uideor. 

Von  den  beiden  Eivalen  Olympio  und  Chalinus  ist  der 
erstere  etwas  skeptischer  Art.  Er  hält  auf  die  Götter  nicht  sehr  viel 
(7  331): 

Nam  omnes  mortales  ,dis  sunt  freti;  set  tarnen 

Vidi  ego  dis  fretos  saepe  multos  deeipi. 

Der  Waffenträger  wird  (7.   241)  schlimmer  geschildeit,   als: 

illi  seruo  nequam  armigero,  nihili  atque  mprobo, 
Quoi  homini  hodie  peculi  numus  non  est  plumbeus. 

Hinsichtlich  der  Brautnachtszene  der  Casina  hat  Lade- 
wig1)    gefunden,     dass     sie     atellanenartig .  sei     und    nicht    von 


')  Rheinisch.  Museum,     in,  186. 


G.  Berrardös  Cassina.  369 

Diphilus  herrühren  könne,  sondern  von  Plaut us  stamme.  Daran 
knüpft  Teuf  fei1)  eine  weitere,  in  allen  Teilen  wohl  zu  berück- 
sichtigende Bemerkung-.  Die  Brautnachtszene  gilt  ihm  nicht 
als  der  Schluss  des  Stückes,  schon  •  deshalb,  weil  „alsdann 
die  eigentliche  Frage,  wem  Casina  fortan  gehören  solle,  unbe- 
antwortet bliebe-' :  ferner  nach  dem  Prologe  und  Epiloge.  Der 
Verlauf  und  •  Schluss  des  Stückes  war  nach  Teuf  fei  ursprüng- 
lich dem  der  KArjQOVfievoi  des  Diphilus  «ähnlich.  Doch  scheint 
„bei  den  Aufführungen  zur  Zeit  des  Plautus  der  Schlussakt  we- 
niger Teilnahme  bei  dem  Publikum  gefunden  zu  haben,  weil 
ihm  derselbe  nach  dem  hautgoüt  der  Brautnachtposse  etwas  fad 
und  matt  vorkommen  mochte-'.  Deshalb  schloss  Plautus  bei  der 
Aufführung  damit. 

„Jetzt  erst  wird  die  Rolle  des  Sohnes  als  nunmehr  entbehr- 
lich gestrichen  worden  sein,  trotzdem,  dass  der  Prolog  dies  schon 
durch  Plautus  geschehen  lässt."    .   .   . 

„Im  ganzen  konnte  der  Gedanke,  mit  dem  komischen  Bei- 
lager zu  schliessen,  bei  den  Theaterunternehmern  nur  Beifall  fin- 
den, und  so  kam  nur  diese  spätere  Bühnenbearbeitung  auf  uns, 
während  "  der  Prologschreiber  das  vollständige  Stück  noch  kannte 
und   zur  Erläuterung:  des  abgekürzten  benutzte.-' 


Eine  sehr  gelungene  Bearbeitung  der  Casina  erhielt  Italiens 
Bühne  im  Jahre  1501'-)  mit  Girolamo  Berrardös  Cassina.3) 
Die  Form  der  Übersetzung  ist  die  übliche  in  fliessenden  Ter- 
zinen. An  Stelle  des  langen  Prologes,  der  die  plautinische  Ko^ 
mödie  einleitet,   trat  bei  Berrardo   ein  kurzer  Argumento: 

Salute,  audite  ben  la  comedia 
Di  Plauto  laqual  Cassina  e  chiamata 
u.  s.  w. 

Der  alte  Stalin  eröffnet  das  Stück.  Er  ist  in  Cassina 
sterblich  verliebt: 

pe^  Cassina  io  moro,  e  ritrouare 
Non  scio  alcun  modo  da  poterla  hauere 
Se  al  mio  castaldo  non  la  cerco  dare 
Per  moglie  in  casa  doue  e  mia  mogliere. 

Erwünscht  kömmt  ihm  Olimpione,  der  castaldo,  dem  er 
kurz   erklärt : 


')  Studien  u.  Charakteristiken,  S.  257 — 260. 

2)  Tiraboschi.    VI,  878. 

3)  Cassina.  |  Comedia  di  Plavto,  |  tradotta  di  latino  in  aolgare, 
per  Gi|rolamo  Berrardo  Ferrarese,  |  intitolata  la  Cassina  nuojua- 
mente  stampata  1530.  54  fol.  (Mit  Vignette:  Plauto.)  Nach  fol.  54. 
Stampata  in  Vinegia,  per  Nicolo  d5  Aristotile  detto  Zoppino  MDXXX. 

24 


370  VI.   Casina. 

Ic>  te  parlo  da  uero  e  schiettameute 

Sol  per  darte  moglier  per  te  ho  mandato 
Et  te  darö  una  douua  sufficiente. 

Auf  Olimpiones  fortgesetztes  Fragen  nennt   er  sie  ihm: 

Cassiua  e  quella 
Ch'  io  te  uo  dar,  hör  guarda  se  la  uoi. 

Nun  aber  kömmt  die  Bedingung.  So  wie  er  ihm  stets  die 
erste  Feige  und  Melone  u.  dgl.  bringt,  die  sein  Gut  bietet,  so  wird 
er  auch  hier  begreiflieh  finden: 

Che  pria  che  metti  in  Cassina  la  niano, 
Lasci  gustar  a  nie  il  primo  boccone. 

Da  Olimpione  noch  Bedenken  hegt,  auf  diesen  Handel 
einzugehen,  verspricht  er  ihm  überdies  die  Freiheit.  Stalin  lässt 
seine  Frau  Cleostrata  rufen,  und  in  langer  Einleitung  setzt  er 
ihr  auseinander,  dass  ein  Hausmeier  einer  Frau  bedürfe,  darum 
wolle  er  Cassina  seinem  Verwalter  Olimpione  geben.  Cleo- 
strata erwidert  ihm  hierauf,  dass  sie  dieselbe  bereits  ihrem  Sohne 
für  seinen  Sklaven  Calino  zugesagt  habe.  Im  allgemeinen  ist 
die  Szene  nach  Plautus,    V.  201   u.  s.  w.,   gehalten. 

Tu  la  uo  dar  a  quel  ragazzon  rio? 

meint  Stalin,  den  er  als  „poltrone,  pazzo,  im  huom  da  poco,  e  vile 
anzi  da  niente"  (nach  F.  241)  bezeichnet.  Olimpione  hört  dem 
Streite   zu. 

La  bramo  piu.  quanto  piu  me  la  niega. 

Stalin  schickt  seine  Frau  mit  dem  Befehle  fort,  den  Sohn 
auf  das  Landgut  zu  senden.  Da  Cleostrata  weg  ist,  tröstet 
der  Alte  Olimpione: 

Lei  ne  il  mio  figlio  non  potran  far  tanto 
Che  non  sia  nostra  Cassiua. 

Dem  Alten  kömmt  indessen  ein   anderer  Gedanke: 

Io  credo  ch'  el  mio  figlio  iuuamorato 
Sia  de  Cassina  e  a  me  sia  concorreute. 

und  darum  wohl  steckte  er  sich  hinter  die  Mutter;  darum  muss  er 
sofort  aufs  Land.  Der  Sohn  Teilt huirinieo,  der  bei  Plautus 
nicht  erscheint,  kömmt,  um  Abschied  zu  nehmen.  Der  Vater 
spricht  lange  von  seinem  Gehorsam  und  kömmt  nun  zur  Sache. 
Es  missfiel  ihm,  dass  er  Cassina  seinem  Diener  Calino  geben 
wolle:     er     möffe     im     Gegenteil     darauf    hinwirken,      dass     seine 


G.  Berrardos  Cassina.  371 

Mutter  das  Mädchen  Olimpione  gebe.  Teuthuirinico  jedoch 
erwidert,  er  habe  es  seinem  Diener  zu  einer  Zeit  zugesagt,  da  er 
des  Vaters  Wille  unmöglich  wissen  konnte.  Umsonst!  Der  Alte 
besteht  darauf. 

Von  hier  geht  die  Handlung  auf  den  Anfang  des 
plautinischen  Stückes  über,  auf  das  Gespräch  zwischen 
Olimpione  und  Calino.  Alles  Bisherige  musste  Berrardo 
voranstellen,  weil  ja  sein  Olimpione  nicht  von  Haus  aus  in 
Cassina  verliebt  ist,  oder  doch,  wenn  er  es  auch  war,  solche 
Gedanken  nicht  hegen  konnte,  wie  er  sagt.  Der  Inhalt  ihres 
Zwiegespräches  entspricht  genau  dem  Original,  nur  musste  es, 
wie  die  Versart  und  der  Beim  mit  sich  brachte,  breiter  werden. 
Olimpione  kann  Calino  nicht  loswerden.  Dieser  geht  zwar, 
aber   (V.    142): 

Te  sequor: 

Hie  quidem  pol  certo  nihil  ages  sine  me  arbitro. 

Et  io  seguir  te  uoglio  certamente 
E  cosa  aleuna  per  dio  nou  farai 
Ch'  io  non  li  sia  quäle  arbitrio  presente 

E  in  loco  alcun  senza  me  non  andrai. 

Irrtümlich  ist  diese  Rede  in  der  Ausgabe  von  1530  dem 
Olimpione  zugeteilt,  die  Bezeichnung  Ca.  ist  drei  Zeilen  höher 
zu  streichen.  Alles  Folgende  ist  plautinisch:  es  treten 
auf:  Cleostrata  mit  ihrer  Magd  Pardalesca,  alsdann  Mirina 
(==  Murrhina  |. 

Den  zweiten  Akt  beginnt  Cleostrata:  es  folgt  Stalin 
mit  dem  bekannten  Monologe  (F.  201,  Omnibus  rebus  ff.),  sein 
Gespräch  mit  Cleostrata,  alles  mit  dem  Originale,  dem  Gedanken 
nach,  wenn  auch  formell  bedeutend  breiter,  gleichlautend:  seine 
Rede  mit  Calino  und  sein  Monolog  (V.   286): 

Summe  ego  miser  homo? 
Non  son  io  un  huomo  misero  e  stracciato!' 

Er  klopft  nun  an  des  Nachbars  (Alcesino)  Thor  und 
bittet  um  seinen  Beistand.  Alles,  meint  dieser,  kannst  du  ha- 
ben ,   nur : 

Non  mi  chieder  dinar  perch'  io  non  ne  ho. 

Stalin  erzählt   nun  von   seiner   Liebe   zu   Cassina: 
Son  cotto,  essa  v  bramata  da  me, 

und   bittet  Alcesino: 

Me  i'aecia  im  gran  piacere  e 
Vogli  seruire  per  uua  notte  me 
De  la  tua  casa  che  dormir  aorrei 
Seco,  questa  grau  cosa  a  te  non  e. 

24* 


372  VI.   Casina. 

Ist  auch  sie  damit  einverstanden'?  ist  Aleesinos  erste 
Frage.  „Sei  luioino  tu  a  contentar  colei?a  Doch  darauf  lässt 
sieh  Stalin  nicht  ein.  Alcesino  gesteht  ihm  ein  Zimmer  zu. 
Diese  Szene  fehlt  hei  Plautits. 

Es  folgt  nun  der  Auftritt  zwischen  Olimpione  und  Stalin 
(V.  292,  Una  edepol  opera  u.  s.  w.)  Mit  ihr  schliesst  — ■  zwar 
fehlt  im  Drucke  von  1530  die  Bühnenweisung,  doch  verrät  es  die 
Überschrift   oben   —    der  zweite  Akt. 

Mit  dem  Beginne  des  dritten  Aktes  stehen  Olimpione 
und  Calino  bereit: 

Noi  siam  de  compaguia  stati,  o  patrone, 
In  piazza,  ma  compagui  non  siam  stati 
A  gli  albarelli  &  a  le  cose  bone. 

Es  folgt  die  Verlosungsszene,  des  Calino  verzweifelter 
Monolog: 

Che  debbo  io  far,  se  hör  me  uado  a  impiccare, 
Perdero  la  fatica  &  oltra  quella 
La  spesa  che  nel  laccio  hauero  a  fare. 

( V.  407.)    Si  nunc  me  suspendam,  meam  operam  luserim, 
Et  praeter  operam  restim  sumtifecerim ; 

ferner  die  Szene  mit  Olimpione,  Calino,  Stalin  und  Calinos 
Monolog.  Stalin  mahnt  Alcesino  an  sein  Versprechen;  Cl eo- 
strat a  bespricht  sich  mit  Alcesino  und  sieht  mitleidig  zürnend 
ihrem  Gatten  zti  (V.  541): 

Miseri  ut  festinant  senes! 
Come  se  affrettan  questi  uecchi  matti ! 

Ihr  Plan,    die  beiden  hinter  einander  zu  bringen  (V.   544): 

JSam  er/o  aliquid  contrahere  cupio  litigii  inter  cos  duos  — 
Perche  bramo  &  desidero  grandemente 
De  metterli  a  le  mani  in  contentione, 

schliesst  den  dritten  Akt. 

Den  vierten  Akt  leiten  einige  Worte  Cleostratas  ein;  als- 
dann folgt  Stalins  Rede  (7.  546): 

Stultitia  magna  est  mea  quidem  sententia 
Hominem  amatorem  ullum  ad  forum  procedere  .  .  . 
Parme  che  de  im  amante  gran  pazzia 
Sia  il  uoler  gire  in  giudicio  quel  di 
Nel  quäl  quel  che  ama  per  lui  in  ponto  sia. 

Alles  Weitere,  Cleostrata-Stalin;  Alcesino-Stalin;  Parda- 
lescas  (sie)  Erzählung,  die  Szene  mit  den  Köchen  stimmt  völlig 
zu  Plautus. 

Eingeschoben  von  Berrardo  ist  eine  Szene  zwischen  Alce- 


G.  Berrardos  Cassina.  373 

sino  und  seinem  Sklaven  Dulon.  Der  Sklave  drückt  seine  Ver- 
wunderung aus,  dass  sein  Herr  noch  in  alten  Tagen  ein  Kuppler 
würde.  Allein  Ale e sino  belehrt  ihn,  dass  es  nicht  um  Geld  ge- 
schehe, dass  er  vielmehr  aus  Freundschaft  Stalin  das  Zimmer 
abtrete ,  was  indessen  den  Sklaven  nicht  beruhigt.  Er  will 
Zeuge  sein  und  im  Zimmer  bei  dem  Alten  unter  dem  Bette  sich 
versteckt  halten: 

io  son  certo  che  ei 
Yergine  anckor  da  lui  se  partira. 

E  qnando  la  gargiona  li  restassi 

Non  contenta,  io  potessi  uscir  di  iüora 
E  che  io  fusse  quel  que  la  contentassi. 

Sein  Herr  verwehrt  es  ihm  zwar  ernstlich,  allein  Dulon  will 
sein  Glück  versuchen.  —  Pardalescas  Monolog  (F.  746):  Nee 
pol  ego  Nemeae  credo  u.  s.  w.,  führt  wieder  auf  PI  au  tu  s 
hinüber.      Stalin  geht  ins  Haus,   unbekümmert  um  das  Essen: 

Che  im  che  ama,  se  ha  ben  fame,  non  la  sente. 

Vor  ihm  ist  aber  Dulon  schon  ins  Haus  getreten,  um  sich 
an  Cassina  zu  freuen. 

Im  fünften  Akte  sehen  wir  Stalino  bereits  eine  Stunde 
warten.  Olimpione  fordert,  wie  im  Original,  zum  Brautgesang 
auf,  dies  und  alles  Folgende  (Olimpione-Stalin:  Mirina- 
Cleostrata-Pardalesea;  Olimpione  (F.  864,  Neque  quo 
fugiam)  ist  wie  bei  Plaut  vis. 

Eingeschoben  ist  Dulons  Bericht.  Erst  kam  Olim- 
pione, den  er  gehörig  durchprügelte:  dann  der  alte  Stalin, 
dem  es  ebenso  erging.  Später  erfahren  wir  dann  dasselbe  aus 
dem  Munde  der  Beteiligten.  —  Teuthuirinico  ist  dem  Befehle 
seines  Vaters  nicht  nachgekommen,  sondern  in  der  Stadt  ge- 
blieben. Er  weiss  von  dem  Vorgefallenen  noch  nichts;  erst  seine 
Mutter  bringt  ihm  die  frohe  Nachricht: 

ho  ottenuto 
Che  Cassina  in  Calin  se  faccia  sposa 
E  in  cio  sei  da  tuo  padre  compiacciuto. 

Da  tritt  Cassina  auf.  Die  Worte  des  plautiniscben 
Epilogs  (F.   972): 

Haec  Casina  huius  reperietur  film  !'«!■  e  proxumo, 
Eaque  nubet  Euthynico.  nostro  erili  filio, 

hat  sich  der  italienische  Bearbeiter  natürlich  nicht  entgehen  lassen, 
ohne  daraus  die  letzte  Szene  zu  machen.  Alle  sind  anwesend  mit 
Ausnahme  des  Alcesino  und  Calino;  Stalin  jedoch  spricht  kein 


374  VI   Casina. 

Wort  mehr.  Cassina  weigert  sich,  Calino  zu  heiraten.  Sie 
wurde  einst  von  ihrer  Mutter  ausgesetzt  und  hat  noch  „le  fasce 
e  i  signi" ;  sie  kann ,  da  sie  zweifelsohne  von  Freien  stammt, 
keinen  Sklaven  heiraten.  Da  ergreift  Mirina  das  Wort.  Cassina 
ist  ihr  vor  der  Ehe  gehorenes  Kind: 

Prima  che  me  sposasse  Alcesino,  esso 

Me  ingrauido,  che  amanti  erauamo  noi. 

Et  a  chi  amata  cosa  incontra  sj>esso 
AI  tempo  parturi  una  figlia,  e  poi 

La  mandai  a  espor,  perche  celata 

Fusse  la  cosa. 

Die  Zeichen  stimmen.      Der  King  ist  derselbe, 

Che  tuo  padre  in  quel  ponto  mi  dono 
Che  a  ingenerarte  fu  meco  congiunto. 

Nun  darf  Teuthuirinico  frei  um  sie  werben  und  erhält 
ihr  Hand.  Das  letzte  Wort  hat  Olimpione,  indem  er  Teuthuiri- 
nico noch  warnt,    aufmerksam  zu  sein: 

In  ueder,  se  essa  e  donna  o  huomo. 

B e r r a r d o  entfernt  sich  hier  weit  mehr,  als  in  der  Mostellaria, 
vom  Originale.  Eigentlich  ist  es  nicht  mehr  Übersetzung 
zu  nennen,  wenn  auch  meist  die  neu  eingefügten  Szenen  auf 
plautinischen  Andeutungen  beruhen.  Berrardos  Stück  ist  be- 
rechtigter, „Cassina"  zu  heissen,  als  dasjenige  des  Plautus,  das 
nur  mit  der  Verhöhnung  der  beiden  alten  Böcke  schliesst.  Es 
ist  so,  wie  Teuf  fei1)  sich  den  Inhalt  des  ursprünglichen  Stückes 
vorstellt:  „Vater  und  Sohn  hatten  sich  in  dasselbe  Mädchen  ver- 
liebt, das  in  ihrem  Hause  —  als  Sklavin  —  auferzogen  und 
jetzt  zur  Jungfrau  herangereift  war.  Um  nun  freie  Birsch  zu  be- 
kommen, schob  jeder  von  beiden  einen  ergebenen  Sklaven  vor, 
der  das  Mädchen  heiraten  sollte.  (Das  muss  aus  dem  Stücke  des 
Diphilus  sein,  denn  auf  den  Gedanken  von  ,seruiles  nuptiae'  wäre 
Plautus  von  selbst  nicht  gekommen,  siehe  den  Prolog,  V.  67  ff.) 
Die  Frau  des  Hauses  nimmt  entschieden  Partei  für  den  Sohn  und 
dessen  Kandidaten,  weil  sie  die  geheime  Absicht  ihres  Gatten 
merkt;  (denn  so  unverhüllt,  wie  bei  Plautus,  wird  er  bei  dem 
attischen  Dichter  seine  innersten  Gedanken  nicht  ausgesprochen 
haben.)  Die  streitenden  Teile  vereinigen  sich  dahin,  das  Los 
entscheiden  zu  lassen.  (Auch  dieses  ist  für  Diphilus  wesentlich,  wie 
der  Titel  seines  Stückes  beweist.)  Es  entscheidet  für  den  Vater 
und     dessen     Strohmann.       Der     Sohn    ist     untröstlich;     der     Alte 


')  Studien  u.  Charakteristiken,  S.  258.  259. 


Machiavellis  Clizia.  375 

triumphiert,  die  Frau  sinnt  auf  Ränke,  um  die  Sache  dennoch  zu 
hintertreiben.  Sie  teilt  sich  einer  Nachbarin  mit,  und  bei  näherer 
Erkundigung  stellt  sich  heraus,  dass  das  fragliche  Mädchen  (die 
ausgesetzte  Tochter  der  Nachbarin  tmd  daher)  gar  keine  Sklavin 
ist,  somit  weder  einer  der  beiden  Sklaven,  noch  der  vermählte  Stalino 
sie  zur  Frau  bekommen  kann,  sondern  einzig  der  Sohn,  dem  sie 
denn  auch  zu  teil  wird." 

Die  Akteinteilung  Berrardos  als  solche  ist  sehr  geschickt 
gemacht.  Seine  gegen  Plautus  neu  eingeführten  Personen  — - 
Cassina  und  Teuthuirinico  -  haben  zahlreichen  späteren 
Bearbeitern  als  Vorbild  gedient.  Kann  schon  der  plautinische 
Olympio   zu  Stalin  sagen  (F.   952): 

natu  tu  maxumo 
He  opsecrauisti  opere,  Casinam  ut  poscerem  uxorem  mihi, 

so  noch  Aveit  mehr  jener  des  Berrardo,  da  hier  die  Initiative 
ganz  und  gar  von   Stalin   ausgeht. 

Etwa  in  das  Jahr  1506  wäre  Machiavellis  Clizia1)  zu 
setzen,  da  es  (I,  1)  heisst:  „Dirotello  quando  XII  anni  sono,  nel 
1494."  —  Obwohl  in  dem  Prologe  keine  Erwähnung  des  Plau- 
tus geschieht,  ist  das  Stück  doch  auf  der  Casina  des  römischen 
Dichters2)  aufgebaut.  Der  Prolog  berichtet  nur,  dass  der  Vorgang 
sich  in  Athen  ereignete.  „Quelli  cittadini  parlauano  in  greco  & 
uoi  quella  lingua  non  intendereste, a  deshalb  „prendete  in  tanto  il 
caso  seguito  in  Firenze". 

I.  Akt.  (1.)  Cleandro,  der  Sohn  des  Nicomach o  und  der 
S  o  fr  o  n  i  a ,  erzählt  dem  P  a  1  a  m  e  d  e  von  seiner  Liebe  zu  Clizia,  und 
wie  das  Mädchen  in  dies  Haus  kam.  Im  Jahre  1494,  als  König  Karl 
Florenz  berührte,  habe  ein  Edler  seines  Gefolges  das  damals  sechs- 
jährige Kind  im  Hause  seines  Vaters  hinterlassen.  Es  hiess  Clizia. 
Cleandros  Liebe  zu  dem  Mädchen  wuchs  von  Jahr  zu  Jahr,  .,di 
modo  che  quando  ella  arriuö  alla  etä  di  12  anni,  mio  padre  e  mia 
madre  cominciorno  ad  hauermi  gli  occhi  alle  mani. "  Heiraten 
könne  er  das  Mädchen  nie,  weil  sein  Vater  geizig  und  Clizia 
arm  (senza  dote)  sei.  Dazu  kömmt  noch,  dass  seit  einem  Jahre 
der  Vater  selber  in  sie  verliebt  ist  und  sie  deshalb  an  seinen 
Diener  Pirro  verheiraten  will,  um  sich  so  den  Mitgenuss  zu 
sichern.  Die  Mutter  merkte  es  längst  und  möchte  darum  das 
Mädchen  ihrem  Fattore,  Eustachio,  geben.  Da  nun  Pirro 
„il    maggior    ribaldo    che    sia    in    Firenze."    ist,    SO    hat    Cleandro 


')  Clizia.  |  Comedia  |  di  M.  Nicolo  |  Machiavelli  |  Fiorentino.  | 
Nuouamente  corretta  &  ristampata.   InFirenze  1548.   (Ohne  Paginierung.) 

-)  Riccoboni  (I.  149):  La  Clitia  est  prise  de  la  Casina  de  Piaute. 
—  Ginguene,  VI.  238.  —  Euth.  11.499.  —  Alt.  Kirche  und  Theater 
(1846).    S.  522.  —  Klein.    IV,  462. 


376  VI.   Casina. 

Eustachio  brieflich  nach  Florenz  berufen,  um  das  Ausserste  zu 
verhüten.  Palamede  verspricht  in  allen  Dingen  seine  treueste 
Mithilfe.  (2.)  Cleandros  Monolog-  führt  den  Gedanken  durch, 
dass  der  Soldat  und  der  Verliebte  in  vielen  Dingen  sich  ähnlich 
seien.  (3.)  Eustachio  ist  vom  Lande  herbeigeeilt.  Cleandro 
gewinnt  ihn  für  sich;  ihm,  sagt  er,  habe  er  und  seine  Mutter 
Clizia  als  Frau  zugedacht. 

IL  Akt.  (1.)  Obschon  der  greise  Nicomacho  über  die 
Beschwerden  des  Alters  jammert,  brüstet  er  sich  doch  noch,  „non 
sono  anchora  si  uecchio  che  io  non  rompessi  una  lancia  con 
Clizia.'-  (2.)  Im  Weiteren  teilt  er  Pirro  mit,  dass  sein  Sohn  und 
seine  Frau  Clizia  an  Eustachio  verheiraten  wollen,  und  hört 
von  diesem  zu  seinem  grossen  Arger,  dass  Eustachio  das  Land- 
haus verlassen  und  in  Florenz  angekommen  sei.  (3.)  Sofronia, 
Nicomachos  Gattin,  welcher  die  Aufgabe  zugefallen  ist,  Clizia 
zu  bewachen,  ..guardare  questa  fanciulla  dal  figliuolo,  dal  marito, 
da  i  famigli, "  bespricht  sich  mit  ihrem  Manne  über  des  Mädchens 
Zukunft.  Er  meint,  man  müsse  den  Beichtvater  Fra  Timoteo, 
der  schon  Wunder  gewirkt  habe,1)  darüber  befragen.  (4.)  So- 
fronia, allein  zurückgeblieben,  klagt  ihr  Leid  über  die  Verän- 
derung, die  seit  einem  Jahre  mit  ihrem  Gatten  vor  sich  gegangen 
sei.  Einstens  das  Muster  eines  Ehemannes ,  sei  er  jetzt  das 
Gegenteil  davon.  Wie  bei  Plautus  (F.  89  ff.),  streiten  Pirro 
und  Eiistachio  um  die  Braut,  wobei  Pirro  den  Fattore,  wie 
Chalinus  den   Olympio,   begrüsst  (F.   98): 

Quid  in  urbe  restas,  uilliee  hie  magni  preti? 

Che  fai  tu  in  Firenze  trista  cosa? 

III.  Akt.  (1.)  Nicomacho  macht  seinem  Sohne  Cleandro 
bittere  Vorwürfe  über  seine  Parteinahme  gegen  Pirro  und  er- 
klärt  ihm,  dass  diesen  Abend  noch  Clizia  mit  Pirro  verheiratet 
werden  soll.  (2.)  Cleandro  bricht  in  schwere  Klagen  über 
sein  Los  aus.  Alle  Nebenbxihler  sind  bei  Clizias  hoher  Schön- 
heit denkbar:  „ma  io  non  intesi  mai  che  ad  aleuno  auuenisse 
di  hauere  per  riuale  il  padre."  (3.)  Sofronia  berät  sich  mit  ihrem 
Sohne.  Es  soll  alles  geschehen,  um  die  Heirat  zu  verhindern:  vor 
allem,  meint  Cleandro,  müsste  man  doch  warten,  ob  nicht  Cli- 
zias Eltern  wieder  gefunden  würden.  (4.)  Nicomacho  will  in 
einer    Plautus    nachgeahmten    Szene    seine    Frau    beschwichtigen. 

(F. 212.)  Blande  haec  mihi  mala  res  adpellanda  est. 

Io  la  uoglio  un  poco  berteggiare  per  uedere  se  le  buone  parole 
mi  giouano. 


')  So  fr.     Quäle  ?     Xicom.     Come  quäle?   uö  sai  tu  che  per  le  sue 
orationi  mona  Lucretia  di  M.  Nicia  Galtücci,  cli'  era  sterile,  ragrauidö? 


Maehiavellis  Clizia.  377 

(  V.  214.)  Heia,  mea  Inno,  non  decet  te  esse  tarn  tristem  tuo  lovi. 

0    fanciulla  mia.   hai  tu  perö  ä  stare  si  manineouiosa.   quando 
tu  uedi  la  tua  sjjeranza. 
(V.  215.)   Mitte  tue!  —  Lasciam'  ire. 

Mane!  —  Permati  dico. 

Non  maneo.  —  Io  non  uoglio;  tu  nii  pari  cotto. 

At  pol  ego  te  sequar.  —  Io  ti  uerrö  dietro. 

Opsecro,  sanun'  es?  —  Sei  tu  inipazzato? 

Samts  quando  te  amo'l  ■ —  Pazzo  perche  io  ti  uoglio  troppo  bene? 

Nolo  ames.   —  Io  non  uoglio  che  tu  me  ne  uoglia. 

Non  potes  inpetrare.  — ■  Questo  non  puo  essere. 

ßnicas.  —  Tu  m'  uccidi  al  fastidioso. 

Vera  dicas  uelim.  —  Io  uorrei  ehe  tu  dicessi  il  uero. 

Credo  er/o  istuc  tibi.  —  Credotelo. 

Respice,  o  mi  lepos.  —  E  guatami  im  poco.  amor  niio. 

Nempe  ita,   Vti  tu  mihi  es. 

Vnde  hie,  amabo,  unguenta  adolent. 

Io  ti  guato  e  odoroti  anche.  tu  sai  di  buono:  ben  be.  tu  mi  riesci. 
( V.  223.)  Uti  te  bonus 

Mercurius  perdat,  myropola,  qui  haec  mihi  dedisti. 

Ohime  ch'  ella  sen  e  auueduta:  ehe  maledetto  sia  quel  poltrone 
che  me  lo  arrecö  dinanzi. 

Onde  sono  uenuti  questi  odori  di  che  tu  sai,  uecchio  inipazzato? 
(F.  227.)    Pol  amico  dedi  cuidam  operam,  dum  emit  unguenta. 

E   passö    dinanzi    di  qui  imo  che  ne  uendeua,    io  gli  stras-iuai. 
et  mi  rimase  di  quello  odore  ä  dosso. 
Vt  cito  commentust! 

Ecquid  te  pudet? 

Egli   ha  gia  trouata  la  bugia.   non  ti  uergognitu  di  quello  che 
tu  fai  da  un'  anno  in  qua? 

So  hält  sie  ihm  sein  Sündenregister  vor.  Sie  scheiden,  wie 
bei  Plautus,  indem  Nicomacho  Pirro,  Sofronia  Eustachio 
dafür  gewinnen  will,  auf  das  Mädchen  Verzicht  zu  leisten  (Y.  258): 

Nunc  experiemur,  nostrum  uter  sit  blandior. 

Da   hora   inanzi   eiaseuno   di   noi   si  proui.    e  chi  di  noi  dispone  il 
suo,  habbia  uinto! 

(5.)  Eustachio  wird  bei  seinem  Auftreten  von  Nicomacho 
wegen  seines  Hierseins  zur  Rede  gestellt;  dann  wendet  sich  der 
Herr  freundlich  an  ihn:  er  zähle  nun  schon  achtunddreissig  Jahre, 
und  das  Mädchen  sei  zu  jung  für  ihn.  Eustachio  aber  ist  der 
Ansicht:  ,.In  questa  terra,  chi  ha  la  bella  mogiie  non  puo  essere 
pouero,  et  del  fuoco  et  della  mogiie  si  puo  essere  liberale  con 
ogniuno,  perclie  quanto  piu  ne  dai,  piu  te  ne  rimani;"  und  so 
bleibt  er  bei  seinem  Vorsatze.  (6.)  Pirro  läs>t  sich  leichter 
verständigen,    zwar  hat   er  sich  mit   allen  verfeindet   (Tr.   311): 

Verum  edepol  tua  mihi  odiosa  est  amatio: 
Inimica  est  tua  uxor  mihi,  inimicus  filius. 
Tnimici  familiär  es. 

Mi  sarö  f'atto  nimico  la  uostra  douna.  il  uostro  figliuolo,  et  tutti 
ffli  altri  di  rasa : 


378  VI.  Casina. 

allein  Stalino   tröstet   ihn  im  Originale   (V.  313): 

Quid  id  refert  tua? 

Vnus  tibi  liic  dum  propitius  sit  Iuppiter, 
Tu  istos  minutos  caue  deos  floccifeceris. 

was,    ins   Christliche   übersetzt,   lautet: 

Nicom.     Ch'  importa   a   te?   sta  bene   con  Christo,    et   fatti  beffe  de' 

Santi. 
Pirro.      Si.    Ma  se  uoi  morissi,   i  Santi  nie  tratterebbono  assai   male; 

(nach  V.  318  si  tu,  Iuppiter,  sis  emortuus  u.  s.  w.) 

und  im  Ferneren : 

Nie.  Non  dubitar,  io  ti  farö  tal  parte  che  i  Santi  ti  potranno  dar 
poca  briga,  et  se  pure  e'  uolessino,  i  magistrati  et  le  leggi  ti 
defenderanno,  purch'  io  habbia  faculta  per  tuo  mezzo  di  dor- 
mire  con  Clizia.1) 

( V.  323.)  Non  her  de,  opinor  posse:  ita  ut  uxor  aeriter 

Tua  ins  tat,  ne  mihi  detur. 

Io  dubito  che  uoi  non  possiate,  tanto  infiammato  ui  ueggo 
contra  la  donna. 
(  F.  324.)  At  ego  sie  agam  : 

Coniiciam  sortis  in  siteltam  et  sortiar. 

Io  ho  pensato   che   sarä  bene    per  uscir  una   uolta   di   questo 

farnetico,   che    si    getti   per  sorte  di  chi  sia  Clitia,  da  che  la 

donna  non  si  potra  discostare. 
( C.  328.)    Quid,  si  sors  aliter,  quam  uoles,  euenerit? 

Se  la  sorte  mi  uenisse  contra  ? 
( V.  329.)    Benedice!  dis  sum  frelus  ;  deos  sperabimus. 

Io  ho  speranza  in  Dio  che  la  conuerrä. 

Gott,  meint  Pirro,  soll  die  Schurkereien  des  alten  Sünders 
begünstigen!  (7.)  Den  auftretenden  Eustachio  und  Sofronia 
setzt  Nicomach o  seinen  Plan  auseinander.  Das  Los  soll  ent- 
scheiden. Nochmal  ruft  Nicomacho  die  heilige  Apollonia  an. 
Das  Los  fällt  zu  gunsten  Pirros.  Nicomachos  Freude  ist 
gross.  Vergeblich  möchte  Sofronia  die  Hochzeit  noch  einen 
Tag  hinausziehen.  Eustachio  eilt  zu  Cleandro,  um  ihn  zu 
benachrichtigen. 

IV.  Akt.  (1.)  Cleandro  wundert  sich  zunächst  darüber, 
dass  seine  Mutter  auf  den  Vorschlag,  um  Clizia  das  Los  zu 
werfen,  einging.  Da  Nicomacho  mit  Pirro  auftritt,  belauscht 
er  ihn,  rückwärts  stehend,  wie  Chalinus  bei  Plautus.  (2.) 
Nicomacho   freut  sich  des  Erfolges  (V.   450): 

Vt  ego  hodie  Casinain  deosculabor!  ut  mihi 

Bona  multa  faciam  clam  meam  uxorem ! 

Quando  terrö  in  braccio  Clitia,  quand'  io  la  toccherö,  bacierö  o  stringerö  . .  . 


V.  322.     Si  huc  inpetramus,  ut  ego  cum  Casina  eubem. 


Machiavellis  Clizia.  379 

Die  ganze  Sache  soll  so  vor  sich  gehen:  ..Io  lio  imposto  a 
mogliama,  che  chiami  Sostrata,  moglie  di  Damone,  perche  gli 
ainti  ordinär  qucste  nozze,  &  acconciare  la  nnova  sposa,  &  a 
Damone  dirö  che  solleciti  che  la  donna  ui  uadia.  Fatto  questo 
et  cenato  che  si  sarä,  la  sposa  da  queste  donne  sara  nienata  in 
casa  di  Damone,  et  messa  teco  in  camera,  et  nel  letto:  io  dirö 
di  uoler  restar  con  Damone  albergo,  et  Sostrata  ne  uerrä  con 
Sof'ronia  qui  in  casa,  tu  rimaso  solo  in  camera  spegnerai  il  lume, 
&  ti  baioccherai  per  camera  faccendo  uista  di  spogliarti;  intanto 
io  pian  piano  me  ne  uerrö  in  camera,  &  mi  spoglierö  &  enterrö 
a  lato  a  Clizia,  tu  ti  potrai  star  pianamente  in  sul  lettuccio,  la 
mattina  auanti  giorno  io  mi  uscirö  del  letto,  mostrando  di  uoler 
ir  a  orinare ,  reuistiromi  &  tu  enternd  nel  letto,"  eine  An- 
ordnung, welche  von  Plautus  ganz  abweicht.  Pirro  ist 
damit  einverstanden.  „Io  ringratio  Iddio  poi  che  m'  ha  dato  una 
moglie  in  modo  fatto,  ch'  io  non  harö  a  durar  fatica,  ne  a  iinpre- 
gnarla,  ne  a  darle  le  spese."1  Cleandro  geht,  um  von  alledem 
seine  Mutter  in  Kenntnis  zu  setzen.  (3.)  Eben  recht  kömmt 
Damone  (Alcesimus),  der  sich  bereit  erklärt,  sein  Haus  zu 
räumen,  worauf  Nicomacho  zum  Droguisten  um  Spezereien  geht. 
(4.)  Sofronia  hat  Dämon  es  Zusage  gehört.  Nun  sieht  sie  ein, 
wie  Cleostrata,  weshalb  ihr  Gatte  ihr  die  Beihilfe  Sostratas, 
der  Gattin  Damones,  versprochen  habe.  Wie  Cleostrat'a  be- 
grüsst  sie  ihn  (V.   519): 

Set  eccum  egreditur  senali  colunien,  praesidium  popli, 
Meus  uicinus,  meo  uiro  qui  liberum  praebet  locum. 
Ecco  Damone  di  qua,  o  specchio  di  questa  cittä,  et  colouua 
del  suo  quartiere,    che  accomoda  la  casa  sua  a  si  dishonesta 
et  uitoperosa  impresa. 
( V.  522.)   A.      Miror,  huc  iam  non  arcessi  in  proxumuui  uxorem  meam, 
Quae  iamdudum,  si  arcessatur,  oruata  expectat  domi. 
Sed  eccam,  opino,  arcessit.     Salve  Cleostrata. 
67.  Et  tu.  Alcesime. 

Vbi  tua  uxor? 
A.  Intus  illa  te,  si  se  arcessas,  inauet. 

Nam  tuos  uir  nie  orauit,  ut  eam  ad  te  adiutum  mitterem. 
Vin'  uocem  ? 
Cl.  Sine:  nolo  si  *  *  occupata  est. 

A.  Otiuni  est. 

Cl.     Xil  moror;  molesta  ei  esse  nolo;  post  conueneru. 
A.      Xou  oruatis  istic  apud  uos  nuptias? 
Cl.  Orao  et  paro. 

A.      Non  ergo  opus  est  adiutrice? 
Cl.  Sat  domi  est. 

wörtlich  bei  Machiayelli: 

Pant.  Io  mi  marauiglio  die  Sofronia  si  sia  ferma,  &  non  uenga  auanti 
a  chiaiuar  la  niia  donna;  nia  ecco  che  la  uiene.  Dio  ti  saluti, 
Sofronia. 


380  VI.   Casina. 

Sof.      Et  te,  Damone;  doue  e  la  tua  donna? 

Dam.     Ella   e  in   casa,   et  e  parata  a  uenir,  se  tu  la  chiami,   perche   il 

tuo  marito  me  n'  ha  pregato,  uo  io  a  chiamarla. 
Sof.       Nö,  aö ;  la  debbe  hauer  f  accenda. 
Dam.     Non  ha  faccenda  alcima. 
Sof.      Lasciala    stare,   io  non  le  uo  dar  briga,   io  la  chiamerö,   quando 

fia  tempo. 
Dam.     Ordinate  uoi  le  nozze? 
Sof.       Si,  ordiniamo. 

Dam.     Non  hai  tu  necessitä  di  chi  t'  aiuti? 
Sof.       E  ui  e  brigata  im  mondo  per  hora. 

ferner  (7.    532): 

Quid  ego  nunc  faciam?   Flagitium  maxumum  feci  miser 
Propter  operam  illius  hirqui  inprobi  atque  edentuli, 
Qui  hoc  mihi  contraxit.     Operam  uxoris  polliceor  foras 
Quasi  catillatum. 

Che  farö  hora,  io  ho  fatto  im  errore  grandissimo  a  cagione  di 
questo  uecchio  impazzato,  bavoso,  cisposo  &  senza  denti,  e'  m'  ha  fatto 
offerire  la  donna  per  aiuto  a  costei  che  non  la  uole,  in  modo  che  la 
crederä  ch'  io  uadia  mendicando  im  pasto  .  .  . 

(5.)  Unterdessen  hat  Nicomacho  Spezereien  und  Parfüm  ge- 
kauft, wie  es  seine  Frau  vermutet.  Die  Szene  ist  wieder  nach 
Plaut us  gearbeitet. 

(F. 556.)   St.     Set  uxorem  ante  aedis  eccam!  hei  misero  mihi! 
Metuo,  ne  non  sit  surda  atque  haec  audiuerit. 
67.     Auiliui  ecastor  cum  malo  masuo  tuo 


( V.  560.)    St.  Iamne  ornata  res  est  ? 

Iamne  haue  traduxti  huc  ad  nos  uicinam  tuam, 
Quae  te  adrotaret? 
Cl.  Arcessiui,  ut  iusseras. 

Verum  hie  sodalis  tuos,  amicus  optumus, 
Nescio,  quid  se  sufflauit  uxori  suae: 
Negavit  posse,  quando  arcesso,  mittere. 
St.     Vitium  tibi  istuc  maxumum  est:  blanda  es  parum. 
VI.     Non  matronarum  officiumst,  sed  meretricium. 
Viris  alienis,  mi  uir,  subblandirier. 

I  tu  atque  arcesse  illam:  ego  intus,  quod  facto  est  opus, 
Volo  adeurare,  mi  uir. 
Nie.     Io  ho  ueduto  mogliama,  ö  me  ch'  ella  m'  hara  sentito. 
Sof.     Si  ch'  io  t'  ho  sentito,  &  con  tuo  danno  &  uergogna,  sio  uiuo  insin'a 

domattina. 

Nie.     Sono  a  ordine  le  cose,  hai  tu  chiamata  questa  tua  uicina  che  t'  aiuti. 

Sof.     Io   la   chiamai   come  tu  mi  dicesti,    ma    questo  tuo  caro  amico  le 

fauellö  non  so  che  nell'  orecchio  in  modo  che  la  mi  rispose  che 

non  poteua  uenire. 

Nie.    Io   non  nie  ne  marauiglio,   perche  tu  sei  im  poco  roza  &  non  sai 

aecomodarti  colle  persone  quando  tu  uuoi  aleuna  cosa  da  loro. 
Sof.     Che   uoleui    tu  ch'  io  la  toccassi  sotto  '1  mento:   io  non  son  usa  a 
far  carezze  a  mariti  d'  altri.  ua,  chiamala  tu,   poi  che  ti  gioua 
andare  dietro  alle  mogli  d'  altri,  &  io  andrö  in  casa  a  ordinär 
il  resto. 


Machiavellis  Clizia.  381 

Nicht    minder    stimmt    die    nächste    (6.)    Szene    zn   Plantns 
fast  wörtlich,    z.   B. : 

(F. 573.)   Ale.    Viso  huc,  amator  si  a  foro  rediit  domum, 

Sed  eceum  ante  aedis!   Ad  te  hercle  ibam  commodum. 
St.       Atque  ego  hercle  ad  te.     Quid  ais,  uir  minumi  preti? 

Quid  tibi  mandaui?    Quid  tecum  oraui? 
Ale.  Quid  est? 

St.       Ut  bene  uaciuas  aedis  fecisti  mihi! 

Ut  traduxisti  huc  ad  nos  uxorem  tuam! 
Satin'  propter  te  pereo  ego  atque  occasio? 
Ale.     Quin  tu  suspendis  te?   Nempe  tute  dixeras, 
Tuam  arcessituram  esse  hinc  uxorem  meam? 
Dam.     Io   uengo   a  uedere  se  questo  amante  e  tornato  dal  mercato:   ma 

eecolo  dauanti  a  1'  uscio,  io  ueniuo  a  punto  a  te. 
Nie.       Et  io  a  te  huomo  da  farne  poco  conto;  di  che  te  ho  io  pregato? 

di  che  t'  ho  io  richiesto?  tu  m'  hai  seruito  cosi  bene. 
Dam.     Che  cosa  e? 

Nie.      Tu  mandasti  mogliata?  tu  hai  uota  la  casa  di  brigata,  che  fu  un 

solazzo,  in  modo  che  alle  tue  cagioni  io  sono  morto  &  disfatto. 

Denn.     Va  t'  impicca,  non  me  diceste  che  mogliata  chiamarebbe  la  mia? 

u.  s.  w.  Plötzlich  hört  man  Geschrei  aus  dem  Hause.  Nico- 
macho  und  Daraone  treten  in  dasselbe  ein.  (7.)  Doria  er- 
zählt, auf  welche  Weise  der  Alte  geprellt  werden  soll,  indem 
Siro,  als  Weib  verkleidet,  ihn  empfangen  will.  Nicomac  ho 
und  Dam on e  kommen  zurück,  und  Doria  klagt,  wie  Parda- 
lisca  bei  Plautus  (7.  603): 

Nulla  su/n!  nulla  sum!  tota,  tota  oeeidi! 

Io  son  morta,  io  son  morta;  fuggite!  fuggite! 

über  das  Vorgefallene.  Clizia  sei  plötzlich  wahnwitzig  geworden. 
Diese  Szene  hat  übrigens  Machiavelli  stark  gekürzt.  Wir  hören 
nur,  dass  Clizia  mit  gezücktem  Dolche  alle  zu  töten  drohe. 
Alsbald  (9.)  kömmt  Doria  mit  der  Botschaft  wieder,  Clizia  habe 
sich   beruhigt,   sodass  also  die  Steigerung  bei  Plautus   (V.  673): 

iSV.        Set  etiamne  habet  Casina  etiam  nunc  gladium? 
Pur.    Habet,  set  duos. 
St.  Quid  duos? 

Par.  Altero  te 

Occisuram  ait,  altero  uillicum  hodie, 

nicht  mehr  verwertet  ist.  —  (10.)  Siro,  als  Braut  gekleidet,  hebt 
das  Taschentuch  vor  sein  Antlitz.  „Sie  weint!''  meint  Sofronia. 
(11.)  Nicomacho,  der  sie  nur  flüchtig  sah,  findet:  „Ella  ne  ua 
molto  maninconiosa,  ma  hai  tu  ueduto  come  elf  e  grande,  la  si 
debbe  essere  aiutata  con  le  pianelle."  (12.)  Die  Braut  ist  zu 
Bette.  Nicomacho  eilt  ihr  nach,  was  Sofronia  zu  dem  Worte 
veranlasst:  „Questa  tua  donna  sarä  come  la  mezine  da  Santa 
Maria  in   pruneta!" 


382  VI.  Casina. 

V.  Akt.  (1.)  Doria  berichtet,  wie  es  dem  alten  Nico- 
macho erging*.  „Hora  entra  in  camera  Nicomacho ,  hoi'a  si 
spoglia,  hora  si  coriea  al  lato  alla  sposa,  hora  le  da  la  battaglia, 
hora  e  combattuto  gagliardamente. "  Nicomacho  ist  aufs  tiefste 
beschämt.      Er  spricht   Olymp ios  Worte   (V.   864): 

Neque  quo  fugiam,  neque  tibi  lateam,  neque  hoc  dedecus  quomodo  celem, 

Scio  .  .  . 

„Fratel  mio,  io  non  so,  done  io  mi  lügga,  done  io  mi  nascon- 
da,  6  done  io  occulti  la  gran  uergogna,  nella  quäle  io  sono  incorso. " 
Dann  erzählt  er,  wie  es  ihm  erging,  wie  er  Prügel  bekam.  Gegen 
Morgen  machte  Pirro,  da  er  Waffen  fühlte,  Licht,  und  —  „in 
cambio  di  Clitia  uedemo  Siro  mio  famiglio  ritto  sopra  il  letto, 
tntto  ignudo,  che  per  dispregio,  hu,  hu,  hu,  mi  faceua  bocchi, 
hu,  hu,  hu  &  manichetto  drieto".  Der  Erfolg  aber  ist  allen 
lächerlich.  (3.)  Sofronia,  der  alles  anheimzustellen,  Damone 
rät,  hält  Nicomacho  eine  ernste  Strafpredigt;  er  verspricht,  in 
allem  zu  folgen,  und  vorerst  wird  Clizias  Ehe  mit  Pirro  ge- 
löst. (4.)  Eustachio  erfährt,  dass  für  ihn  nichts  zu  hoffen  ist, 
und  auch  Cleandro  muss  zuwarten,  da  Clizia  vorderhand  in 
einem  Kloster  untergebracht  werden  soll.  Nach  einem  kurzen 
Monologe  Cleandros  (5.)  kömmt  Damone  (6.)  mit  froher  Bot- 
schaft. Clizias  Vater  ist  angekommen.  ,.11  padre  di  Clitia  nostra 
e  uenuto  in  questa  terra  e  chiamasi  Ramondo  et  e  gentilhuomo 
Napoletano,  et  e  ricchissimo  &  e  solamente  uenuto  per  ritrouare 
questa  sua  figliuola."  Damone  (7.)  stellt  dem  neu  Ange- 
kommenen Nicomacho  und  seine  Frau  vor,  sowie  Cleandro 
als  „tuo  genero,  quando  ti  piaccia",  was  Eamondo  in  wenig 
Worten  gerne  zugiebt.  Und  nun  sollen  „nuoue  nozze"  statt- 
finden, „le  quali  fiano  feminine  &  non  maschie  come  quelle  di 
Nicomacho. " 

Zwischen  jedem  Akte  ist  eine  „canzone"  eingeschaltet,  ganz 
nach  Art  eines  Chores.  Besonders  die  am  Schlüsse  des  zweiten 
Aktes  eingefügte   beleuchtet  hübsch  die  Idee  des   Ganzen: 

Qvanto  in  cor  gentile  e  bello  Amore, 

Tanto  si  disconuiene 

In  chi  de  gli  anni  sua  passato  ha  '1  fiore. 

Amor  ha  sua  uirtute  ä  gl'  anni  uguale. 

Et  uelle  fresche  etati  assai  s'  honora, 

Et  nelle  antiche  poco  o  nulla  uale, 

Si  che  o  uecchi  amorosi  il  meglio  fora 

Lasciar  1'  impresa  a  giouinetti  ardenti, 

Che  per  forte  opre  iutenti 

Far  ponno  al  suo  signor  di  largo  honore. 

Machiavellis  Stück  ist  einfach  und  klar  und  in  gewählter 
Sprache,    die    selten    etwas    derb    wird,    geschrieben.      Soweit    es 


Gellis  ..Lo  Errore".  383 

anging,  hat  er  sich,  sogar  bis  auf  den  Wortlaut,  an 
Plautus  angeschlossen.  Einige  Freiheit  gestatteten  ihm  nur 
die  Lücken  des  Originals  und  der  Drang,  nach  Kräften  zu  kürzen. 
Einige  (oft  gering-fügige)  Änderungen  mussten  sich  daraus  er- 
gehen, dass  der  hei  Plautus  nicht  handelnde  Jüngling  Euthy- 
nicus  hier  als  Cleandro  eine  Hauptrolle  spielt,  und  dass  einige 
spezifisch  altrömische  Szenen,  wie  z.  B.  die  mit  dem  Koche 
(in,   6.,    V.   700  ff.),  hei  Machiavelli  wegfielen. 

Bei  verschiedenen  Schriftstellern1)  findet  sich  die  Angabe, 
dass  des  Gio.  Battista  Gelli  Lustspiel  „Lo  Errore"-)  mit  der 
Clizia  des  Machiavelli  und  also  mittelbar  mit  Plautus' 
„Casina"  zusammenhänge.  Im  Prologe  (S.  9)  heisst  es  allerdings: 
,.11  suggetto  della  commedia  .  .  .  e  un  caso  solo  sirnile  alla 
Clizia  di  Machiavelli.  E  questo  e  un  vecchio  che  innamorandosi 
in  quella  etä,  alla  quäle  par  che  si  convenga  ogni  altra  cosa 
piü  che  lo  amore,  non  ottenne  solamente  quel  che  ei  desidera^, 
ma  egli  fu  forza  per  ricoprir  1'  error  suo  acconsentir  che  un  suo 
figliuolo,  all'  etä  del  quäle  non  disdiceva  lo  innamorarsi,  ottennesse 
il   suo  desiderio   egli." 

Der  Inhalt  des  Stückes,  das  nach  jedem  Akte  intermedii, 
einige  angefügte  Verse,  hat,  wird  zeigen,  wie  es  mit  Plautus 
und  selbst  mit  Machiavelli  gar  nichts  gemeinsam  hat.  Vater 
und  Sohn  verfolgen  hier  ganz  andere  Ziele.  Die  Komödie 
selbst  ist  recht  schwach  und  zeigt,  mit  der  Sporta  (S.  274)  ver- 
glichen, so  recht,  was  dem  Dichter  der  Halt  an  der  Antike  war. 
Dort,  auf  Plautus  gestützt,  gelang  es  ihm,  ein  unter- 
haltliches Stück  zu  liefern:  hier,  auf  sich  angewiesen, 
brachte  er  es  nur  zu  einer  albernen  Posse  mit  leerem 
Geschwätz. 

I.  Akt.  (1.)  Der  alte  Gherardo  Amieri  ist  in  die  Frau 
seines  Nachbars  Averardo  Tieri,  Mona  Ginevra,  verliebt 
und  glaubt,  dem  Alter  stehen  solche  Exzesse  nicht  minder  als  der 
Jngend  an.  (2.)  Er  enthüllt  dies  Geheimnis  seinem  Freunde 
Bindo  Bostichi,  der  ihn  wie  einen  Jüngling  von  zwanzig  bis 
fünfundzwanzig  Jahren  findet,  doch  aber  mit  ihm  nicht  über- 
einstimmen kann.  Gherardo  kann  sich  nicht  frei  bewegen,  „che 
io    ho    quella    diavola    di    mogliama     e    quel    saccentino    del    mio 


')  Ruth.    II,  499. 

2)  Lo  Errore,  Comedia  del  Gelli,  recitata  alla  Cena  che  l'ece 
Ruberto  di  Filippo  Pandolfini  alla  Cornpagnia  de'  Fantastichi  1'  anno 
1555  in  Firenze.  Di  Firenze  (presso  il  Torrentino  ehe  la  dedica  al  Pan- 
dolfini. 1556  in  8°.  Erste,  sehr  seltene  Ausgabe.  —  Lo  Errore  di  Gio. 
Batista  Gelli  Fiorentino.  In  Firenze  nella  stampejia  de'  Giunti  1603  in 
8°.  —  Neben  andern  Ausgaben  (Neapel  [?]  1 731  j  enthalten  auf  S.  1 — 73 
der  Aso-b.  Milano  (Dalla  societä  tipografica  de'  Classici  Italiani)  anno  1S07. 


384  VI.  Casina. 

figliuolo  ehe  io  ti  so  dir  che  ci  nii  pongon  ben  mente  alle  mani." 
Deshalb  hat  er  eine  gewisse  Mona  Pacifica,  die  Witwe  Acco- 
mo das,  als  Zwischenträgerin.  Unbefriedigt  verlässt  ihn  Bindo. 
(3.)  Mona  Pacifica  wird  von  Gherardo  das  Haus  Ginevras 
licschrieben.  Sie  geht  hin,  um  dort  etwas  zu  vermitteln,  gerät 
aber  (4.)  in  Gherardo s  eigenes  Haus,  wo  Mona  Francesca, 
die  Hausfrau  desselben,  sie  empfangt  und,  Verdacht  hinsichtlich 
ihres  Mannes  schöpfend,   sich  als  Mona  Ginevra  ausgiebt. 

II.  Akt.  (1.)  Mona  Francesca  erbittet  sich  Bedenkzeit, 
während  welcher  M.  Pacifica  in  die  Kirche  St.  Ambruogio 
geht,  um  für  ihren  verstorbenen  Mann  zu  beten.  Francesca 
hofft,  es  soll  hierbei  wenigstens  soviel  gewonnen  werden,  „che 
questo  vecchio  pazzo  in  cambio  d'  ottener  la  voglia  e  il  desiderio 
suo  consenta  che  il  mio  figlio  e  io  ottegnamo  il  nostro  lasciandolo 
tor  questa  figliuola  di  Averardo  per  moglie,  perche  ei  ne  e  tanto 
innamorato,  che  io  dubito,  se  ei  non  1'  ha,  che  noi  non  ce  lo 
perdiamo  in  qualche  modo.-'  Sie  erzählt  ihrem  Sohne  Camillo 
die  Sache.  (2.)  Da  M.  Francesca  wiederkömmt,  giebt  sie  ihr 
halbwegs  Hoffnung.  (3.)  Sehnsüchtig  wartet  der  Alte  mit  seinem 
Husten,  den  er  sich  gestern  bei  einer  Verkältung  holte.  Pacifica, 
„der  ein  Prophet  diesen  Namen  gab,"'  erzählt  ihm  das  Resultat. 
Ein  nächtliches  Zusammentreffen  ist  nicht  möglich,  so  soll 
Gherardo  bei  Tag,  „ma  vestito  da  donna,-'  sich  dort  einfinden. 
(4.)  In  aller  Eile  schickt  Gherardo  seine  Frau  nach  dem  Kloster 
weg,   um  frei  zu  sein. 

III.  Akt.  Dieser  enthält  fast  gar  keine  Förderung  der 
Handlung,   sondern  nur  eitles   Gerede. 

IV.  Akt.  Gherardo,  schön  rasiert,  treibt  seinen  Sohn  zu 
einem  Spaziergange  an,  nachdem  er  ihm  schon  am  Ende  des 
vorigen  Aktes  sagte,  er  brauche  nicht  zu  studieren,  da  für  ihn 
bestens  gesorgt  sei.  Camillo  erfährt  von  seiner  Mutter,  dass 
der  Alte  in  Weibertracht  kommen  werde.  Beide  wollen  sich  den 
Spass  mit  ansehen.  Mona  Ginevra  erscheint,  und  die  Magd 
erhält  den  Auftrag,  eine  allenfalls  klopfende  Frau  hereinzulassen. 
Der  alte  Gherardo  in  Weiberkleidern  wird  der  Spott  des  kleinen 
Fellino,   des   Sohnes  der  M.   Ginevra. 

V.  Akt.  Francesca  schimpft  den  im  Weiberrocke  da- 
stehenden Gherardo,  so  wie  er  es  verdient.  Er  erfährt,  dass 
M.  Pacifica s  Irrtum  das  Misslingen  seines  Planes  verui-sacht 
habe.  Camillo  erhält  Lucrezia  zur  Frau,  da  Gherardo  und 
Lucrezias  Eltern   endlich   einstimmen. 

Von  italienischen  Übersetzungen  der  Casina  nennt  Argelati1) 

»)  m.  233. 


Lariveys  Le  Laquais.  3g5 

jene  von  Francesco  Brunamonti.  —  Von  Dolces  „Ragazzo*, 
in  französischem  Gewände,   wird  sofort  die  Rede  sein. 


Eine  Kontamination  eines  Zuges  der  Aulularia  und  der 
Hauptidee  der  Casina  ist  Lariveys  (S.  66)  „Le  Laquais-,1) 
eine  Übertragung  von  Dolces  „Ragazzo".  Dass  der  Casina 
indessen  unendlich  weit  mehr  als  der  Aulularia  entnommen  ist, 
deutet  schon  der  Prolog  an,  obwohl  in  demselben  die  ursprüng- 
liche Quelle,   Plautus  und  Machiavelli,   nicht  genannt   sind. 

„L'auteur,"  heisst  es  dort,  „Ta  voulu  intituler  le  Laquais 
non  sans  cause,  d'autant  qu'en  vn  mesme  tems  vous  verrez  par 
trois  diuerses  tromperies  deceuoir  vn  vieillard,  lequel  epris  des 
beautez  d'vne  ieune  rille  de  laquelle  son  fils  estoit  amoureux, 
pensant  la  nuict  estre  couche  auec  eile  trouue  entre  ses  bras  vn 
laquais  desguise,  ce  pendant  son  rils  ioye  de  ses  amours,  sa  rille 
propre  s'enfuyt  auec  son  amy  &  sa  seruante  le  desrobbe.  Le 
f'aict  se  descouure,  &  le  trouble  est  grand  &  brouille.  En  rin  tout 
succede  si  bien  que  les  amans  sont  espousez  ensemble,  le  laquais 
recognue  pour  frere  de  la  rille  amye  du  fils  au  vieillard,  &  la 
seruante  rapporte  son  larcin,    qui  faict  redoubler  la  feste." 

I.  Akt.  (1.)  Der  alte  Symeon  erzählt  seinem  Diener 
Valere  von  seiner  ungestümen  Liebe  zu  Marie.  Valere 
schont  ihn  mit  seinem  Spotte  nicht.  ;,Tous  amoureux  sont  fols 
tv.  les  vieillards  plus  que  les  autres, "  sagt  er  ihm  und  stellt  ihm 
vor,  wie  er  bereits  sechzig  Jahre  zähle,  ferner  „vne  femme  eneor 
belle  &  f'resche,  vn  fils  de  dixhuict  ans,  et  vne  fille  preste  ä 
marier"  habe.  (2.)  Besser  versteht  sich  Symeon  mit  dem 
„maqverav'  Thomas,  der  ihn  gleich  schmeichelnd  empfängt, 
ob  er  auch  in  origineller  Weise  die  Wörter  verwechselt.  „Oh 
quelle  belle  face!  quel  air  delicat!  quelle  aparance  Imperiale  vous 
auez  maintenant!  par  ma  foy,  Monsieur,  vo'  raieunissez  comme  le 
formis!"  „„Ha,  ha,  ha!""  verbessert  ihn  Symeon,  „„tu  veux 
dire  comme  le  foenix!""  Dieser  maquereau  Thomas  erinnert 
an  Mo  Her  es  „Fr  o  sine-'.  Er  glaubt,  dem  Alten  jedes  Mädchen 
von  vorneherein  zusagen  zu  können,  „si  eile  estoit  fille  d'Alastra- 
xerce  ou  d'Vrgande  la  descognue,  vous  l'auriez  ayant  bourse 
plaine."  Als  er  aber  erfahrt,  dass  Marie  die  Tochter  des  ver- 
storbenen Advokaten  Pomphile  ist,  „la  plus  belle,  la  plus 
gaillarde  ^  vertueuse  fille  qui  öoit  en  tout  le  monde, "  findet  er 
die  Sache   etwas   schwieriger:   allerdings   mit    ,,  conquibus  (feilten 


')  Fol.  1 — 53  der  8.  286  A.  1.  genannten  Asgb.  —  Ancien  thea  I  re 
francais,  Bd.  V,  S.  7—102. 

25 


38«  VL.   Casiua. 

des  escus)"  kann  es  gelten,  da  die  Mutter  nicht  mehr  viel  be- 
sitzt. (3.)  Nun  ist  aber  Maurice,  Syraeons  Sohn,  sterblich  in 
Marie  verliebt.  Sein  Los  ist  bitter;  auch  er  klagt:  „Qui  iamais 
oyt  dire  que  le  pere  fust  coriual  de  son  fils. "  Auch  er  gesteht 
Valere,  „qu'en  bref  ie  mourray,"  wenn  er  nicht  Marie  erhält. 
(4.)  Die  Dazwischenkunft  seines  Lehrers,  des  maistre  es  artz 
Lncian,  der  meist  lateinisch  spricht  und  ihn  besonders  vor  den 
Italienern  warnt,  „pour  ce  que  les  Italiens  sont  generatio  mala," 
schiebt  eine  längere  Szene  ein.  Dieser  Pedant,  dem  wir  noch 
öfter  begegnen,  ist  der  Pädagog  Ludus  aus  den  Bacchides 
des  Plautus.1)  (5.)  Valere  sagt  seine  Beihilfe  bereitwillig  zu. 
Er  wird  das  Seinige  thun;  nicht  umsonst  hat  er  „prins  aeeoin- 
tance  auec  Bellecouleur  seruante  de  Marie". 

II.  Akt.  Thomas  sucht  die  Sache  des  Italieners  Horatio, 
der  in  Symeons  Tochter  Francoise  verliebt  ist,  sowie  die 
des  Maurice  und  des  Alten  gemeinsam  zu  lösen.  Jacquet, 
Horatios  Diener  (le  laquais),  gleicht  Marie,  „ie  ne  scais  comme 
deux  gouttes  d'eau  se  pourroient  mieux  resembler. "  Er  solle  nun 
nachts  in  weiblicher  Kleidung  den  alten  Symeon  empfangen,  in- 
dessen Franchise  in  den  Kleidern  des  laquais  Gelegenheit 
finden  wird,  sich  mit  Horatio  auszusprechen.  Der  Pedant 
Lucian  kömmt  wieder  zur  ungelegensten  Zeit  mit  seinen  latei- 
nischen Sprüchen  und  Zitaten. 

III.  Akt.  Jacquet,  in  weiblicher  Kleidung,  wird  von 
Thomas  unterrichtet,  wie  er  sich  Symeon  gegenüber  zu  stellen 
habe:  auch  Francoise  im  Kostüme  des  laquais  kömmt  mit 
Horatio  zusammen,  der  ihr  in  überschwenglicher  italienischer 
Weise  seine  Liebe  schildert.  Unterwegs  wird  sie  durch  ein 
nächtliches  Eencontre  von  ihm  getrennt.  Valere  verfolgt  sie 
als  den  „laquais  de  ce  bougre",  erkennt  aber  bald  die  auf  den 
Tod  geängstigte  Francoise  und  macht  ihr  Vorwürfe  über  ihr 
Betragen,  bis  Horatio  dazu  kömmt.  —  Die  Dienerin  Catherine 
hat  sich  ihrerseits  am  Besitztume  ihres  Herrn  vergriffen;  auch  sie 
will  einen  Nutzen  aus  der  Sache  ziehen  (III,  5):  „Je  scays,  oü 
est  la  vaisselle  d'argent  et  cognois  homme  qui  nie  la  changera 
en  beaux  escus  au  soleil;  apres  ie  m'en  irai  ailleurs,  ie  seray 
autant   bien  venue  ä  Lyon  qu'iey:   on  vit  partout  qui  a  de  quoy." 

IV.  Akt.  Jacquet,  noch  immer  in  weiblicher  Tracht,  er- 
zählt Thomas  peinlich  ausführlich,  wie  er  bei  dem  Alten  lag, 
ihn  lange  verschämt  hinhielt,  bis  endlich:  „i'ouvre  les  iambes 
comme  en  dormant  qiioy  sentant  le  vieillard  il  poussa  auec  sa  main 
jusques  entre  mes  cuisses,  oü  il  trouua  ceste  racilie  qui  distingue 
les  hommes  d'auec  les  femmes."      Er  giebt  sich  nun  für  ]\[aries 


>)  Grässe.    DI,  112.  —  Klein.    IV.  906. 


Larivey.    Dolce.  387 

Bruder  aus,  der  kam  in  ihrem  Namen,  „pour  l'assurer  de  son 
amitie."  Symeon  ist  mit  allem  so  ziemlich  zufrieden.  Erst 
Valere  klärt  ihn  auf.  Thomas  habe  unterdessen  seinen  Sohn 
Maurice  mit  Marie  vereint,  und  seine  Tochter  Franchise  sei 
entflohen,   was  den  Alten  in  gewaltige  Aufregung  versetzt. 

V.  Akt.  Diesen  Jammer  setzt  Symeon  im  fünften  Akte 
fort.  Dem  Sohne  könnte  er  noch  verzeihen,  aher  die  Schmach 
der  Tochter  ist  zu  gross.  Und  wenn  ihr  Verführer  wenigstens 
etwas  wäre,  um  sie  heiraten  und  ihre  Ehre  retten  zu  können!  — 
Der  Kardinal,  in  dessen  Diensten  Horatio  steht,  sendet  seinen 
Sekretär,  Messer  M.  Anthoine,  zur  rechten  Zeit,  um  die  Ver- 
heiratung der  Liebenden  zu  verlangen.  Auch  Maurice  erhält 
seine  Marie,  was  zu  einem  um  so  fröhlicheren  Schlüsse  führt, 
als  auch  Catherine  in  sich  geht  und  ihr  gestohlenes  Zeug  zu- 
rüekgiebt.  „Qui  peche,"  sind  ihre  Worte,  ,.et  s'en  repent  est 
sauue,  disoit  feu  de  bonne  memoire  frere  Josse  .  .  .  ie  m'en  vas 
tout  reporter  et  le  metre  gentiment  oü  ie  Tay  prins." 

Das  Stück  Lariveys  ist  hinsichtlich  der  Rivalität  zwischen 
Vater  und  Sohn  und  der  Unterschiebung  des  laquais  zur  Täu- 
schung des  Alten  natürlich  eine  Imitation  der  Casina  in 
ihren  Hauptzügen,  was  bei  dem  Dichter  nicht  Wunder  nimmt; 
aber  es  ist,  wie  er  sagt,  „a  l'imitation  des  anciens  et  modernes 
Italiens."  Das  antike  Sujet  ist  (schon  durch  Machiavelli) 
ganz  italianisiert.  Wir  treffen  den  Spanier,  hier  Italiener,  mit 
seinen  ,.doulces  parolles  et  sucrees",  den  lateinisch  zitierenden 
Hofmeister,  den  Kuppler  Thomas,  der  sich  erlaubt,  Verse 
in  seiner  Art  zu  machen,  „si  iamais  ie  ne  nie  suis  alambicjue  Le 
cerveau  a  lire  en  Ronsard  et  Bai'f  &  autre  qui  composaient  ä 
leur  mode"  (II,  2).  —  Der  Alte  kömmt  glimpflicher  als  bei 
Plautus  weg,  auch  tritt  seine  Frau  nicht  auf;  denn  „eile  est 
malade;  mais  ie  pense",  fügt  er  an,  damit  nichts  die  glückliche 
Lösung  störe,  „qu'elle  sera  guerie  sitost  cju'elle  entendra  ces 
bonnes  nouuelles. " 

Völlig  unvermittelt,  weil  von  niemand  bemerkt,  steht 
Catherines  Diebstahl  und  Wiederersatz  des  Geraubten  da  als 
eine  gänzlich  unnötige,  ja  unmotivierte  Episode. 

Lariveys  Stück  ist  eine  einfache  Übersetzung,  in  welcher 
nur  weniges  lokalisiert  wurde,  nach  Lod.  Dolces  „  II  Ragazzo".1) 
Symeon  ist  hier  Messer  Cesare,  der  in  Livia  (Marie)  verliebt 
ist.  Valerio  ist  Valere  geblieben;  der  maquereau  Thomas 
ist    hier    der  Parasit    Ciacco.      Er    begrüsst    den    Alten:    0    che 


')  II  Ragazzo.  Comedia  di  Lodovico  Dolce.  In  Vinegia  ap- 
presso  Gabriel  Giolito  de'  Ferrari  1560.  (60  fol.)  —  Eine  Ausgabe  von 
1539  ist  im  Ancirn  theätre  frangois  (V.  Bd.)  angeführt. 

25  * 


388  VI-   Casina. 

bell'  aria,  che  aspetto  da  Imperadore,  ch'  e  questo  uostro  d'hoggi. 
A  fe;  signore,  che  uoi  ringiouinate  come  fa  1'  Helefante,  was 
Cesare  berichtigt:  Ah,  ah,  tu  uoi  dir  la  Feilice!  —  Flammini o 
ist  Maurice,  der  Gelehrte  il  Pedante.  Der  „laquais"  ist 
Giacchetto,  der  Diener  des  Spaniers,  der  hei  Dolce  natur- 
gemäss  ein  Spanier,  hei  Larivey  ein  Italiener  sein  musste. 
„Assomiglia  tanto  di  iätezza  a  quella  giouane,  che  io  non  so 
come  si  potessero  assomigliare  piu  fratello  &  sorella  nati  ad  un 
corpo,''  sagt  Ciacco  von  seinem  Äusseren.  Francoise  ist  hier 
Camilla,    Catherine  Catherina. 

Von  der  genauen  Übertragung  Lariveys  mag  der  ur- 
sprüngliche Prolog  Dole  es  zeugen:  „Tre  diuersi  inganni  in  un 
medesimo  tempo  fatti  a  un  uecchio,  il  quäle  inuaghito  d'  una 
giouane,  di  cui  s'  era  innamorato  il  figliuolo,  credendo  trouarsi  la 
notte  con  lei,  gli  e  condotto  innanzi  un  Ragazzo  in  hahito  di 
fanciulla  tanto  simile  all'  amorosa  che  eiaseuno  che  lunga  domesti- 
chezza  non  haueua  con  lui  liauuto  se  ne  sarebbe  ingamiato.  II 
figliero  lo  gode  del  suo  amore,  la  tigliuola  se  ne  fugge  con  uno 
suo  aniante,  e  la  fante  an  cor  a  ella  fuggendo  inuola  al  uecchio 
certi  argenti.  II  fatto  si  scopre ,  e  i  trauagli  sono  grandi. 
Finalmente  succedendo  da  tutte  le  parti  honorato  matrimonio, 
conosciuto  il  ragazzo  esser  fratello  di  colei,  tornata  la  fante  con 
gli   argenti   a  casa,   le  feste   si  raddoppiano   da  per  tutto." 

An  einer  Reihe  von  Stellen  war  die  Casina  das  Vorbild  zu 
Gio.   Battista   della  Portas  Lustspiel    „La  Fantesca".1) 

Essandro  hat,  um  seiner  geliebten  Cleria  nahe  zu  sein, 
weibliche  Kleidung  angelegt  und  dient  ihr  als  Zofe.  Eines 
Tages  erzählte  er  ihr  von  seinem  Zwillingsbruder  und  schilderte 
ihn  so  schön,  dass  Cleria  Lust  bekam,  ihn  zu  sehen.  Essandro 
kleidete  sich  um  und,  indem  er  unten  spazieren  ging,  gewann  er 
im  Sturme  Clerias  Herz,  so  zwar,  dass  sie,  als  er  wieder  in 
Mädchentracht  erschien,  ihn  umhalste  und  küsste,  dicendo,  che 
mentre  baciaua  me,  le  pareua  di  baciar  mio  fratello.  Jedoch 
auch  der  alte  Herr  Gerast o  hat  ein  Auge  auf  Essandro  ge- 
worfen. Wie  der  plautinische  Stalino,  duftet  Gerasto  nach  Sal- 
ben und  Spezereien,   was  er,   wie   dieser,   mit  einem  Zufall  erklärt: 

Santina.     Oh,  come  odori  di  muschio,  mi  pari  una  profumeria. 
Gerasto.     Passando   per  la  bottega   di  maestro  Cesare  profumiero,    mi 
spruzzö  un  poco  d'  accpia  nanfa  su  '1  uolto. 

Wie  Stalino  und  Cleostrata,  so  streiten  hier  Santina  und 
Gerasto  um  die  Verheiratung  Essau dros  (II,  7.");  die  Gründe 
aber,     die     Gerasto     für    ihre    Entfernung    anführt,     sind     dem 


'  i  Vinegia,  presse-  Gio.  Battista  &  Gio.  Bernardo  Sessa.  1597.  (82  fol.) 


G.  B.  della  Porta.     Regnard.  389 

Mercator  (V.  391:  Nihil  opus  nobis  ancilla  u.  s.  w.)  entnommen: 
..Non  e  buona  per  seruire,  e  troppo  delicata,  pare  vna  gentildonna, 
ne  troueremo  vna  piü  rustica,  che  possa  spezzar  legna,  cariarle, 
far  la  bueata,  star  in  cocina,  &  soura  tutto  bisognando  toccar 
delle  bastonate"   (vapulet). 

Sein  letztes  Abenteuer  mit  der  vermeintlichen  Zofe  erzählt 
Gerasto  seiner  Frau  selbst  (V,  4):  ,,L'  abbraccio,  e  mi  sento 
pungere  il  mustaccio  come  fusse  huoino.  AI  fin  le  staua  inginoe- 
ehiato  dinanzi;  ella  tira  a  se  i  piedi,  e  mi  da  vna  eoppia  di  calci 
su  ]  petto,  e  mi  fa  cascar  supino  in  terra,  che  mancö  poco  non 
mi  scauezzassi  il  collo."  —  Wieder  begann  er  den  Sturm,  aber 
was  musste  er  entdecken!  „Era  piü  maschio  ch'  io,  tanto  maschio 
che  n'  haresti  fatto  tre  masehi!" 

Indessen  schwebten  hier,  wie  bei  allen  Stücken,  ')  dem 
Dichter  verschiedene  Komödien  des  Plautus  vor.  Abgesehen 
von  dem  Capitan,  der  sich  an  den  Miles  gloriosus  in  der 
üblichen  Weise  anschliesst,  sind  die  Reminiszenzen  an  Plautus 
häufig,  die  Rede  des  Panurgo,  des  Dieners  Essandros  (I,  5): 
Horsü,  lasciate  che  ritiri  me  stesso  vn  poco  in  consiglio  secreto 
u.  s.  w.,  erinnert  genau  an  die  des  Epidicus.  Der  Traum,  den 
Gerasto  (II,  7)  erzählt:  „Pareuami  che  fussi  diuenuto  vn  gato 
rosso  che  hauemo  in  casa  e  staua  innamorato  d'  vna  gatticella 
detta  Bellina  u.  s.  w.,  hat  trotz  aller  Verschiedenheit  unverkenn- 
bar sein  Vorbild  im  Traume  des  Daemones  im  Rudens,  ein 
Stück,  das  della  Porta  mehrfach  vor  Augen  g'ehabt  zu  haben 
scheint. 


Die  Vermutung  Sommers,2)  dass  sich  Regnard  für  seine 
,.Les  Folies  Amoureuses" 3)  (zum  erstenmale  am  15.  Januar 
1704  gespielt)  an  der  Casina  des  Plautus  begeistert  habe, 
vermag  ich  nicht  zu  teilen.  Agathes  Vormund,  Albert,  hat  mit 
dem  alten  Stalino  nichts  gemeinsam.  Agathes  verstellter 
Wahnsinn  äussert  sich  völlig  anders,  als  der  Casinas.  Er  soll 
der  Darstellerin  Gelegenheit  geben,  ihre  Virtuosität 
in  verschiedenen  Situationen  zu  zeigen.  Regnards 
Lnstspjel,     und     was     nach     demselben     gearbeitet     ist,4)     beruht 


')  Vgl.  bei  Pseu dolus,  Menaechmi   u.  Miles  gloriosus. 

2)  Les  comedies  de  Piaute  etc.  I.  236  „Rcynanl  s'est  heureuse« 
ment  inspire  en  composanl  ses  folies  amoureuses." 

3)  Auf  S.  645-61)3  des  ersten  Bandes  der  Oeuvres  completes  de 
Regnard.     Paris  1854.     (Ad.  Delahays. 

'•)  Ebenda,  S.  630.  Dominique  (1680- -17:J4i,  Eis  du  fameux  Arle- 
(juiii  de  l'ancienne  troupe,  a  trouve  ce  sujet  theatral  et  l'a  mis  sur  la 
scene   italienne   le   19  jauvier  1725,  sous  le  titre  de  La    tolle   raison- 


390  VII.  Cistellaria. 

höchst  wahrscheinlich  auf  einem  italienischen  Canevas,    „la  finta 
pazza,"1)  dem  Plautus  nicht   zu  gründe  lag. 


Rapp2)  vermutet,  dass  auch  in  seiner  ,,  Epicoene,  or  the 
silent  woman3)"  (gespielt  1609),  wo  gleichfalls  ein  Knabe 
{tTtiAOivif)  als  Braut  vermählt  wird,  der  gelehrte  Ben  Jonson 
vielleicht  an  des  Plautus  Casina  gedacht  habe.  Es  soll  nicht 
widersprochen  werden.  Die  umfassende  Kenntnis  des  Altertums, 
welche  Ben  Jonson  an  den  Tag  legt,  mag  bewusst  und 
unbewusst  seine  Schöpfungen  beeinflusst  haben.  Gerade  dieses 
Stück  ist  reich  an  Imitationen  der  Alten,  speziell  des  Plautus 
und  Terenz,  worauf  Upton  und  Gifford  hinweisen.4)  Und  so 
mag  allerdings  Sir  Dauphine  Eugenies  List:  „You  have  married 
a  boy,  a  gentleman's  son,  that  I  have  brought  up  this  half  year 
at  my  great  charges  and  for  this  composition,  which  I  have 
now  made  with  you,"    eingegeben    sein    von   Plautus    (V.  572): 

„Miserrumum  liodie  e^o  lnmc  habebo  amasium." 5) 


VII.   Cistellaria.') 


Die  Cistellaria  ist  gänzlich  defekt  auf  uns  gekommen,  ob 
auch  die  Handlung  aus  den  Fragmenten  ganz  klar  und  ungestört 
vor  uns  liegt.  „Was  wir  bis  jetzt  besitzen,  kann  nicht  die  Hälfte 
des  Ganzen  sein,   nach  der  Verszahl  der  übrigen  p  1  au tini sehen 


nable.  Sa  piece  a  beaueoup  de  conforrnite  avec  ,Les  folies  amoureuses'. 
Mme  Argante  se  laisse  eblouir  par  les  richesses  de  M.  Bassemine,  et  lui 
promet  sa  fille  Silvia,  dejä  promise  a  Leandre.  Pour  rompre  ce  projet, 
Silvia  feint  de  devenir  folle:  eile  dit  qu'Apollon  l'attend  sur  le  Parnasse, 
qu'elle  y  doit  souper  avec  lui  u.  s.  w.  —  Beauchamps,  Recherches, 
HI,  132,  giebt  als  Datum  der  ersten  Aufführung  von  Dominiques  Ein- 
akter den  9.  Januar  an. 

')  Oeuvres  completes  de  Regnard.  I,  S.  628.  Vgl.  Beauchamps, 
Recherches,  UI,  122. 

2)  Studien,  S.  228. 

3)  Ed.  Gifford,  Band  HI,  235— 500.  Deutsch  von  Tieck,  indessen 
Schriften,  Band  XH,  155—354.     (1800.) 

4)  A.  a.  0.,  S.  341.  383.  387.  441.  494  u.  ö. 

5)  Freilich  erlaubte  diese  Annahme  dann  auch  anPietroAretinos 
Lustspiel  ,,I1  Marescalco"  zu  denken  (1530  aufgeführt),  wo  dieser  mit 
dem  verkleideten  Pagen  vermählt  wird.  Doch  ist  dies  nach  einer  Anek- 
dote geschrieben.    (Vinegia,  Ag.  Bindoui.     1550). 

e)  Ausg.  von  L.  E.  Benoist  (Lyon  1863).  —  Hier  zitiert  nach  C.  H. 
Weise.  —  Deutsch  von  G.  G.  S.  Köpke.     Berlin  1809. 


Charakteristik  derselben.  391 

Stücke  zu  schliessen;  auch  hat  Ritschi  (Parerg.,  S.  238,  Anm.) 
die  Lücke  auf  ungefähr  sechshundert  Verse  berechnet. "  l)  Trotz 
der  Lücken  erkennen  wir  jedoch  leicht  das  zusammenhängende 
Gewebe  des  Stückes,  das  an  wohl  durchgeführten  Charakteren 
und  gelungenen   Szenen  keinen  Mangel  hat. 

Im  ersten  Akte  treffen  wir  eine  Kupplerin,  eine  würdige 
Vertreterin  ihres  Standes,  mit  ihrem  Mädchen  Gymnasium  bei 
Silenium.  Sie  haben  bei  ihr  ein  üppiges  Mahl  eingenommen. 
Ehe  sie  scheiden,  rückt  Silenium  mit  ihrem  Anliegen  heraus. 
Sie  muss  zu  ihrer  Mutter  (Melänis)  nach  Hause,  die  sehr  er- 
bost ist,  weil  Sileniums  Geliebter,  der  junge  Alcesimarchus, 
von  seinem  Vater  gezwungen  wird,  eine  reiche  Frau  aus  Lemnos 
zu  heiraten.  Gymnasium  soll  nun  an  Sileniums  Stelle  drei 
Tage  haushalten,  was  die  Kupplerin,  obwohl  es  ihr  Schaden 
bringt,    gewährt   (V.    107): 

Quamquam  mi  istud  erit  molestum  triduom,  et  damnum  dabis: 
Faciam. 

Aus  dem  Munde  der  betrunkenen,  redseligen  Kupplerin  ver- 
nehmen wir  in  der  nächsten  Szene'2)  einiges,  was  Licht  in  die 
Situation  bringt.  Vor  siebenzehn  Jahren  hatte  sie  Silenium 
ausgesetzt  gefunden  und  ihrer  Freundin  Melänis  geschenkt,  die 
damals  eben  das  Kind  gut  brauchen  konnte,  um  ihrem  fernen 
Liebhaber    mitteilen    zu   können,    sie   habe    es    von    ihm   geboren 

(F.    144): 

Nam  amatorem  aibat  esse  peregrinum  sibi: 
Suppositionem  eius  reii  facere  gratia. 

Der  Gott  der  Hilfe  (Auxilium)  tritt  auf  und  erzählt  uns 
in  der  nächsten  Szene3)  das  "Weitere  (F.    189): 

Nunc  quod  reliquom  restat  uolo  persoluere : 
Ut  expungatur  nomen,  ue  quid  debeam. 

')  Teuf  fei,  Stud.  u.  Ckarakt.  S.  261.  —  „Kaum  zur  Hälfte  er- 
halten."    (Teuffei,  Gesch.  d.  r.  L.  S.  149.) 

2)  Teuf  fei,  Stud.  S.  260:  „In  der  Cistellaria  kann  es  keinem 
Zweifel  unterliegen,  dass  Windischmann  u.  Kitschi  (Parerg.  S.  237, 
Anm.)  recht  haben,  I,  2,  6 — 13  als  unecht  und  aus  I,  3,  42  ff.  wörtlich 
entlehnt  auszuwerfen.  Denn  in  der  Rekapitulation,  I,  3,  3  ff ,  vgl.  F.  22, 
wird  als  Inhalt  der  Rede  der  Lena  einzig  die  Unterschiebung  des  Kin- 
des angegeben,  dieselbe  hatte  sich  also  auf  ihren  eigenen  Anteil  an  den 
früheren  Vorgängen  beschränkt.  Auch  in  sich  sind  die  Worte  unhaltbar. 
Das  Motiv  der  Trunkenheit  ( F.  8)  war  schon  F.  2  ff.  da,  ebenso  die  Worte 
quae  hinc  Heus  abiit  (F  13)  in  V.  4,  und  der  Entschluss,  alles  herz- 
haft herauszusagen  (F.  9),  passt  gar  nicht  zu  F.  11 — 13,  sondern  einzig 
zu  dem  Geständnis,  dass  sie  zu  dem  Betrug  mit  geholfen  habe.  Auf 
anderes  hat   Ritsch]  a.  a.  0.  hingewiesen." 

3)  „Für  die  Ursprünglichkeit  von  I,  3,  des  durch  das  Auxilium 
gesprochenen  Prologs,  ist  es  übrigens  kein  günstiges  Zeichen,  da^s  F.  49 ff. 


392  "VII.  Cistellana. 

Rapp1)  nennt  dieses  Auftreten  „wenigstens  eine  sehr  geist- 
reiche   Wendung    und    des    Plautus    vollkommen    würdig;    denn 

alles     sinnreiche     Umgehen     der     gewöhnlichen     Regel     ist     inter- 
essant." 

Der  Gott  holt  nun  weiter  ans.  Ein  Kaufmann  ans  Lemnos 
sei  einst  zu  den  Dionysosfesten  nach  Sikyon  gekommen  und  habe 
dort  berauscht  ein  Mädchen  vergewaltigt.  Dieses  gebar  ein  Kind 
von  ihm  und  liess  es  aussetzen,  worauf  die-  Kupplerin  es  fand. 
Der  Kaufmann  hatte  sich  fortgemacht,  eine  Verwandte  aus  Lemnos 
geheiratet  und,  als  diese  gestorben  war,  jenes  Mädchen  zur  Frau 
genommen,  das  einst  infolge  jener  Gewaltthat  das  Kind  geboren 
hatte  (F.    178): 

duxit  uxorem  sibi  hie 
Eaudem  quam  olim  uirginem  hie  conpresserat. 

Seit  die  beiden  sich  wieder  fanden  und  verheirateten,  forschten 
sie  eifrig  nach  dem  einst  ausgesetzten  Kinde.  Das  Ehepaar  ist 
Demipho  und  Phanostrata. 

Im  zweiten  Akte  tritt  Alcesimarch,  der  Geliebte 
Sileniums,    auf.      Die  Liebe  hat   ihn   fast   vernichtet   (  F.   204): 

Credo  ego  amorem  primum  aput  homines  caruuficiuam  eommeutum. 
Haue  ego  de  me  coniecturam  domi  facio,  ne  foris  quaeram: 

Iactor,  crucior,  agitor,  stimulor,  uorsor  in  amoris  rota 

Miser,  exanimor, 

Feror.  differör,  distrahor,  diripior, 

u.    so    lange    weiter.       Vergeblich    bittet    er    die    hinzukommende 
Melänis  um   ihre   Tochter.      Sie  wird  ihm  verweigert. 


Doubletten  sind,  uämlich  die  Worte  liaec  res  gesta  est  mit  I,  2.  28  und 
ualete  et  uiueite  uirtute  uera,  quod  fecistis  antidhac  mit  Gas.  prol.  87  f.; 
ferner,  dass  V.  52  augete  auxilia  uostris  iustis  legibus  gesetzt  ist,  ohne 
Beziehung  darauf,  dass  dem  Auxilium  die  Worte  in  den  Mund  gelegt 
sind,  endlich  überhaupt  die  Breite  und  Unbeholfenheit  der  Erzählung 
und  die  Fiktion  des  Auxilium,  welche  mit  dem  Inhalt  des  Stückes  und 
des  Prologes  keinen  Zusammenhang  hat  und  völlig  unmotiviert  ist.  Mir 
kommt  es  vor,  als  wäre  dieselbe  aus  dem  Kopfe  eines  späteren  Prolog- 
schreibers hervorgegangen,  der  die  Nachhilfe,  welche  der  Prolog  dem 
Verständnis  der  Zuschauer  bietet,  personifizierte  und  sich  dabei  gewisser- 
massen  einbildet,  die  Art  des  Plautus,  Prologe  einzuführen  (durch  die 
Luxuria,  den  Lar  familiaris  und  den  Ärcturus),  sehr  geistreich  nachge- 
ahmt zu  habeu.  Ich  denke  mir  die  Entstehung  von  I,  2  und  I,  3  fol- 
gendermassen.  Ursprünglich  plautinisch  ist  I,  2,  1—5,  14 — 28  soviel, 
als  für  das  Verständnis  des  Folgenden,  namentlich  der  Nachforschung 
des  Sklaven  in  H,  2,  wünschenswert  ist.  Für  eine  nachfolgende  Auf- 
führung nach  dem  Tode  des  Plautus  wurde  I,  3  hiuzugedichtet  und  noch 
später  schliesslich  I.  2  aus  I.  3  ergänzt  durch  V.  6 — 13."  (Teuf fei, 
Studien.  S.  260,  2610 
')  A.  a.  0,     S.  637. 


Charakteristik  derselben.  393 

Lampadiscus,  Demiplios  Sklave,  der  nämliche,  der 
einst  Seleninm  ausgesetzt  hatte,  hatte  aus  einem  Hause  das 
Weib  gehen  sehen ,  welches  das  Mädchen  auf  der  Rennbahn 
(ab  hippodromo,  F.  285)  aufhob.  Melänis  lauscht  erst  auf  die 
Unterredung-  des  Lampadiscus  mit  Phanostrata,  dann  erfährt 
sie  auf  ihre  Fragen  von  ihm  das  Weitere.  Sie  merkt,  dass  die 
Sache  verraten  ist,  und  ist  entschlossen,  Silenium  zurückzugeben 
(F.    361): 

rem  palam  esse  intellego: 
Nunc  egomet  potius  hanc  inibo  gratiam 
Ab  illis.  quam  illaec  indicet  nie.    Ibo  domum, 
Atque  ad  parentes  suos  ducam  Silenium. 

Ganz  romantisch  ist  die  erste  Szene  des  dritten  Aktes. 
Melänis  eröffnet  Silenium  das  Geheimnis  und  giebt  der  Sklavin 
Halisca  ein  Kästchen  mit  Spielzeug,  an  dem  Sileniums  Eltern 
sie  erkennen  werden  (F.   369): 

Nam  hie  crepundia  insunt,  quibuscum«  te  lila  olim  ad  me  detulit. 
Quae  mihi  dedit;  pareutes  te  ut  cognoscaut  facilius. 
Accipe  hanc  cistellam,  Halisca. 

Auf  dem  Wege  zu  Seleniums  Eltern  trifft  diese  und 
Halisca  Alcesimarch,  der  sich  in  Liebesgram  eben  das 
Schwert  in  die  Brust  stossen  will.  Silenium  eilt  zu  ihm,  sie 
erhält  ihn  am  Leben,  worauf  er  Silenium  auf  den  Armen 
davonträgt. 

Im  vierten  Akte  tritt  Lampadiscus  auf.  Er  findet  auf 
der  Strasse  das  von  Halisca  verlorne  Kästchen,  welches  die 
hinzutretende,  Phanostrata  sofort  als  das  ihrige  erkennt.  Halisca 
eilt  herbei,  voll  Angst  und  Sorge  das  verlorne  Kästchen  suchend. 
Nach  längerer  Forschung  stellt  ihr  Phanostrata  dasselbe  zurück 
und  begiebt  sich  mit  ihr  zu  Melänis. 

Im  Fragmente  des  fünften  Aktes  tritt  der  alte  Demipho 
auf;  er  hat  gehört,  dass  seine  Tochter  gefunden  sei.  Witzig 
wendet  er  des  Sklaven  Wort,  dass  er  durch  seine  Hilfe  zu  einem 
Kinde  gekommen  sei,  zu  einer  Verwahrung  gegen  solche  Kinder, 
die  man  durch   andrer  Bemühung   erhält   (F.    515): 

Euim  uou  placet: 
Nil  moror,  aliena  in i  opera  fieri  pluris  liberos. 

Er  geht   ins   Haus,    um   Weiteres   zu   erfahren. 

Der  Epilog  sagt  nichts  zur  Sache.  ..Mit  dem  Epilog 
scheint  es  sich  ebenso  zu  verhalten,  wie  mit  dem  zur  Casina: 
statt  die  wenig  unterhaltende  Verhandlung,  wie  Alccsiniarclius 
statt  der  jüngeren  ihm  verlobten  Tochter  des  Demipho  die 
ältere ,    mit    Phanostrata    erzeugte ,    zur    Frau    nimmt ,    vor    dem 


394  VII.  Cistellaria. 

Publikum  vorzunehmen,  ist  dieser  Teil  des  plautinischen  Stücks 
weggelassen  und  durch  den  kurzen  Bericht  ersetzt,  ,omnes  intus 
conficient  negotium.'  Also  auch  von  diesem  Stücke  hätten  wir 
-  wenigstens  hinsichtlich  des  Schlusses  —  das  Theaterexemplar, 
nicht  die  ursprüngliche  plautinische  Bearbeitung. "  *) 

Von  den  Charakteren  des  Stückes  ist  nicht  viel  zu  sagen. 
..Die  eigentliche  Braut  des  Alcesimarchus  schwebt  wie  ein 
Schatten  uns  vorüber;  vielleicht  hat  Ladewig  recht  mit  seiner 
Vermutung,  dass  das  Verhältnis  im  Stück  aufgelöst  wurde  noch 
vor  Auffindung  von  Silenium.  Was  aus  Gymnasium  wird, 
lässt  sich  nicht  ahnen;  ein  innigeres  Verhältnis  hat  sie  nicht 
(I,  1,  44  ff.),'2)  und  so  wird  sie  vielleicht  mit  der  Anerkennung 
abgespeist,  welche  der  Vater  der  Alcesimarchus  in  den  Mai- 
schen Fragmenten  ihren  Reizen  zu  Teil  werden  lässt,  wofern  sie 
nicht  etwa  einem  der  schliesslich  freigelassenen  Sklaven  zufällt. 
Das  männliche  Personal  wird  schon  durch  Mais  Veröffentlichung* 
um  den  Vater  des  Alcesimarchus  samt  seinem  Sklaven  ver- 
mehrt; auch  Alcesimarchus  gewinnt  durch  diese  Bruchstücke 
an  Leibhaftigkeit  ein  klein  wenig;  im  allgemeinen  aber  ist  auf 
dieser  Seite  das  Meiste  untergegangen ,  namentlich  über  die 
frühere  Geschichte  des  Demipho  —  wie  sie  im  Prologe  (I,  3) 
dargestellt   wird   —   alles.1'3) 

Silenium    ist    Gymnasiums    aufrichtige    Freundin    (F.    1): 

Cum  antehac  te  amaui,  et  mihi  amicam  esse  creui, 
Mea  Gymnasium,  et  matrem  tuam     —     —    —    — 

—    —    —    —    —    —     —    —  Soror  si  mea  esses, 

Qui  magis  potueritis  mihi  houorem  ire  liabitum, 
Xescio;  uisi  ut  meus  est  animus,  fieri  nou  posse  arbitror. 

Sie   ist   keine  Buhlerin  (F.    84): 

quia  ego  nolo  me  meretricem  dicier, 

und  hat  ausser  mit  Alcesimarchus  noch  mit  keinem  Manne  zu 
thun  gehabt  (F.   88): 

Nisi  quidem  cum  Alcesimai'cko,  nemine, 
Neque  pudicitiam  meam  mihi  alius  quisquam  inminuit. 

Zu  ihm  aber  hat   sie  innige  Liebe  (F.    110): 
mihi  cordi  est  tarnen. 

Alcesimarchus  ist  das  Bild  eines  Verliebten; 


>)  Teuffei,  Studien.     S.  261. 

2)  Haec  quidem  ecastor  cotidie  uiro  nubit,  nupsitque  hodie, 
Nubet  mox  noctu.     Numquam  ego  hanc  uiduam  cubare  siui: 
Nam  si  haec  non  nubat,  lugubri  fame  familia  pereat. 

3)  Teuf  fei,  Studien.     S.  261. 


Charakteristik  derselben.  395 

Is  amore  proiecticiam  illam  deperit, 

heisst   es  im  Prolog-  des  Auxilium   (7    192). 

Neben  Melänis,  von  der  Lampadiscus  kein  schmeichel- 
haftes  Bild    entwirft: 

Nullam  ego  me  uidisse  credo  magis  anum  excruciabilem, 
Quam  illaec  est 

|  V.   386),    steht    die    suchende   Halisca,     „ein   Kabinetstückchen 
von   Grazie".1) 

Gut   gezeichnet    ist    die  Kupplerin.      Sie    schwärmt    für  die 

Eintracht   des   Standes  (7   22): 

Decet  pol, 

Mea  Silenium,  hunc  esse  ordinem  beneuolentes 

Inter  se,  beneque  utier  amicitia. 

Vbi  istas  uideas  summo  genere  natas, 

Summatis  matronas,  ut  amicitiam  coluut, 

Atque  ut  eam  iunctam  beue  habent  inter  se. 
U.     s.    W. 

Sie  vertritt  die  Freiheit  der  Frau,  den  Stand  der  Buhlerin. 
Zweckmässig  (conducibile)  ist  es  zwar,  ..umim  amare"  und  sich 
zu   verheiraten;  aber  (7   81): 

Verum  euim  meretrix  fortunati  est  oppidi  similluma: 
Nou  potest  suam  rem  optinere  sola  sine  multis  uiris. 

Nach  ihrem  eigenen  Geständnisse  kann  sie  nicht  schweigen. 
Schon  das  Auxilium  nennt  sie  (7  150"):  „multiloqua  et  multi- 
biba'' ;   sie  selber  sagt  (7    121): 

Idem  mihi,  magnae  quod  parti  est  uitium  mulierum, 
Quae  hunc  quaestum  faeimus,  quae,  ubi  saburratae  sumus, 
Largiloquae  extemplo  sumus;  plus  loquimur  quam  sat  est." 

Die  mannigfachen  Beziehungen,  welche  dies  Stück  mit  dem 
Epidiktis  hat,  lassen  die  Vermutung,  dass  zwischen  der  Ab- 
fassungszeit  beider  wenige  Jahre  liegen,   gerechtfertigt  erscheinen. 


Eine    italienische    Nachbildung    der  Cistellaria*2)    ist    das 
Lustspiel   Gl'    incantesimi   des  Gio.  Maria  Cecchi.3) 


')  Rapp,  S.  038. 

2)  Ginguene.    IV,  27«.  —  Ruth.     IT.  583.  —  Klein.    TV.  614. 

3)  Gl'  incantesimi.  |  Comedia  |  «II  Gio.  Maria  Cerchi  Fiorentino. 
In  Vinc'U'ia  appresso  Gabriel  Giolito  de  Ferrari  e  fratelli.  MDL.  42fol.— 
Der  Name  Cerchi  statt  Cecchi  findei  sich  auf  den  Titelblättern  meh- 
rerer Stücke.  Das  vorliegende  Exemplar  enthält  zahlreiche  Irrtümer, 
Szenen  und  Seiten  sind  massenhaft  verdruckt. 


396 


VII.   Cistellaria. 


Der  Prolog  äussert  sich  hierüber:  „Speramo  che  uoi  debhiate 
dar  grato  silenzio  alla  auova  comedia,  alla  quäl  Pia  uro  per 
subietto  dato  ha  la  Cistellaria.  Fa  Plauto  oggi  di  come  far 
sogliono  certi  grau  personaggi,  i  quai  uolendosi  ritrouare  a  far 
tresche  con  il  popolo,  ne  possendo  cio  far  scoperti,  e  in  publico 
per  il  grado  che  gli  hau,  lo  fan.no  in  maschera.  Cosi  egli  oggi 
di  (quantunque  lacero)  pur  parlando  lathio,  non  puö  in  publico 
uscire  a  uiso  scoperto  che  intendere  a  pena  non  sapre  '1  quinto 
degli  huomini.  Pero  ua  mascherato  in  questa  fauola  e  in  quella, 
che  per  noue  oggi  si  recita.  Et  perche  gl'  ha  trouato  buon 
compagno  sempre  questo  autor  delli  Incantesimi  ha  contratta  seco 
una  ämicizia  si  fatta  che  e  non  da  mai  fuor  comedia  che 
Plauto  non  uoglia  sempre  metterui  la  parte  sua.  Et  egli 
che  desidera  imparar  da  chi  sa  glie  ne  ha  quel  obligo  che  hauer 
si  debbe  a  chi  ci  fa  seruizio,  ne  pensa  che  a  ragione  di  cio 
riprendere  lo  possa  alcuno  se  non  pero  qualehe  inuido  di  chi  egli 
non  cura  ne  i  fantastichi  ne  curono  altresi  perch'  essi  attendono 
a  far  quello  che  pensano  che  lor  comodo  torni,  &  dia  spasso  a 
personaggi  simili  a  uoi  cortesi  aseoltatori,  et  grachino  di  loro  le 
cornacchie  quanto  uogliono,  che  la  Luna  non  stima  i  cani  che 
abbaiano. " 

I.  Akt.  (1.)  Die  beiden  Betschwestern  (pinzochere) 
Hermellina  und  Barbera  führen  den  Zuschauer  in  die 
Situation  ein.  Barbera  klagt  wegen  ihrer  Tochter  Violante 
und  erzählt,  wie  sie  in  ihr  Haus  kam.  In  ihren  schönen  Tagen 
verkehrte  sie  mit  dem  capitano  Anguilla  da  Narni,  welcher 
sie  innig  liebte.  ,.I  ti  giuro,  Hermellina,  per  questo  santo  liabito 
ch'  io  ho  indosso  ch'  io  non  gli  chiesi  mai  cosa  ch'  io  non  1'  hauessi, 
i  dico  in  que  tempi  che  le  cose,  come  tu  sai,  ualeuano  un'  occhio 
d'  huomo  ....  E  perche  io  uedeuo  che  egli  haueua  uoglia  d'  hauer 
di  nie  figliuoli,  accio  che  per  mezo  di  questa  occasione  io  facessi 
la  dota  alla  uecchia,  mi  fmsi  di  lui  grossa,  facendomi  il  corpo 
contrafatto,  al  tempo  partori  senza  doglie  pero  la  Violante." 
Hermellina  erinnert  sich  jener  vermeintlichen  Geburt  noch  wohl. 
Ein  Mädchen,  „di  buone  genti,"  hatte  das  Kind  geboren  und  der 
„alleuatrice  Madonna  Nobile"  übergeben.  Von  dieser  erhielt  es 
Barbera.  Als  der  capitano  kam,  begrüsste  sie  ihn  mit  den 
Worten:  „Capitano,  io  u'  ho  fatta  la  figliuola,  fatele  bor  uoi  la 
dota."  Er  kaufte  ihr  dies  Haus,  gab  ihr  Vermögen  und  starb 
alsbald.  Dieses  Mädchen  nun,  Barberas  angebliche  Tochter,  ist 
in  Gismondo  verliebt.  So  strenge  sie  auch  gehütet  wurde  und 
so  ferne  Barbera  Gismondo  hielt,  einst  da  sie  eben  „la  nostra 
regola"  betete,  erbrach  Gismondo  Violantes  Thüre,  „fece  seco 
cio  che  gli  parue"  und  wechselte  mit  ihr  den  Trauring.  Aus 
Furcht  vor  Gismondos  Vater  that  man  das  Mädchen  in  Stram- 


Cecchis  Gl'  Incantesimi.  397 

bas  Haus  und  gab  sie  für  die  Frau  desselben  aus.  Seitdem, 
volle  vier  Monate,  hat  Gismondo  treulich  für  sie  gesorgt;  jetzt 
aber  bestimmte  ihm  sein  Vater  Baldo  eine  Frau,  die  Tochter 
des  Niccolozzo  di  Naldo.  Man  weiss  nichts  Bestimmtes;  denn 
seit  vier  Tagen  ist  Gismondo  mit  Stramba  nach  seinem 
Landgute  -San  Casano  gegangen,  ohne  dass  er  irgend  etwas 
von  sich  hätte  hören  lassen.  Barbera  will  nun  das  Mädchen, 
das  unverbrüchlich  auf.  Gismondo  baut,  wieder  in  ihr  Haus  zu- 
rücknehmen. Sie  macht  sich  nun  mit  Herrn  eil  ina  auf,  Viola  nte 
zu  besuchen.  (2.)  Baldo  bespricht  sich  mit  seinem  Diener  Sfuma. 
Sfuma  ist  der  Ansicht,  Gismondo  wolle  nicht  viel  von  einer 
Heirat  wissen;  von  dem  Alten  jedoch  erfahren  wir,  dass  er  in 
Vi ol ante  verliebt  sei.  „Io  uoglio  a  questa  sua  Violante  tanto 
bene  ch'  io  mi  consumo."  (3.)  Barbera  und  Hermellina  gehen 
mit  Violante  vorüber,  die  Treulosigkeit  der  jungen  Leute  be- 
klagend. Baldo  sieht  Violante  mit  Entzücken.  „Vedestu  mai 
la  piu  bella  creatura,"  ruft  er  aus  und  verfolgt  sie.  Die  Alte 
zwar,  meint  Sfuma,  „e  diuentata  Pinzochera;  •'  Baldo  aber 
tröstet  sich:  „Ella  e  stata  auch'  ella  di  carne  e  d'  ossa. "  (4.)  Der 
alte  Niccolozzo  entpuppt  sich  in  seinem  Gespräche  mit  seinem 
Diener  Trinca  als  ein  greiser  Taugenichts.  „Sono  stato  gli 
anni  interi  interi  innamorato.  0  che  diauolo  ho  io  fatto  a  Siena, 
quando  io  ero  piu  giouane. "  Freilich  ging  das  nur  in  Siena. 
Hier  in  Florenz  —  „questi  Fiorentini  non  son  gente  da  scherzar 
con  loro';.  Lange  geht  es  über  die  Florentiner  her;  bis  wir  er- 
fahren,  dass  er  hier  sein  Auge  auf  Violante  geworfen  habe. 

II.  Akt.  (1.)  Gismondo  ist  mit  Stramba  vom  Laude 
zurückgekehrt,  wo  er  vier  Tage  zugebracht  hat.  Er  ist  besorgt, 
was  unterdessen  Violante  um  ihn  geduldet  haben  mag.  (2.) 
AI  am  anno,  Gismondos  Freund,  ergeht  sich  in  Klagen  über 
diesen.  Er  will  nun  Fiammetta  heiraten,  von  der  er  doch 
wisse,  dass  er  sie  liebe.  Allerdings  tröstet  ihn  sein  Diener 
Sottile  und  prophezeit  Gismondo:  „che  egli  dara  le  spese  a 
figliuoli  uostri,  i  so  ben  io  il  ben  che  la  Fiammetta  ui  uole  e 
alhora  si  potra  corre  la  rosa,  che  e  non  s'  hara  a  hauer  paura 
dello  Lagrossare,  e  bastera  che  e  nasca  in  casa. "  (3.)  Da 
AI a mann o  seinen  Freund  erblickt,  stellt  er  ihn  über  sein  Ver- 
halten zu  Rede.  Dieser  aber  geht  mit  ihm  und  verspricht,  ihm 
weitläufige  Erklärungen  geben  zu  wollen.  (4.)  Sfuma  und 
Trinca  sprechen  von  ihren  Herren.  Trinca  führt  die  ganze 
Geschichte  aus.  Niccolozzo  di  Naldo  di  Mino  da  Siena, 
che  cosi  ha  nome  mio  padrone  pecora,  fand  vor  Jahren,  als  er 
nach  Florenz  kam,  dort  ein  Mädchen,  si  trouö  con  lei  &  la 
ingrauidö.  Als  die  Belagerung  von  Florenz  erfolgte,  zog  er 
sich    nach    Siena    zurück,    nahm    eine    Frau    und    zeugte    mit    ihr 


398  VII.  Cistellaria. 

eine  Tochter,  Fiammetta.  Die  Plorentinerin,  die  er  gesegneten 
Leibes  verlassen  hatte,  gebar  eine  Tochter,  und  da  sie  „era  nata 
senza  la  licentia,  la  madre  della  ginonane  la  dette  a  nna  madonna 
Nobile  allenatrice  che  la  portasse  a  gli  Innocenti".  Bald  darauf 
heiratete  die  verlassene  Florentinerin  einen  alten  Mann,  mit  dem 
sie  bis  vor  zAvei  Jahren  glücklich  lebte.  Die  Umstände  veran- 
lassten Niccolozzo,  mit  der  Tochter,  die  er  von  der  Sieneserin 
hatte,  nach  Florenz  zn  ziehen.  Da  seine  Frau  gestorben  war, 
suchte  er  nach  jenem  Mädchen,  mit  dem  er  einst  hier  gelebt 
hatte;  er  fand  sie  wieder,  nnd  da  sie  Witwe  war,  heiratete  er  sie. 
Das  ist  seine  dermalige  Frau  Gostanza,  „una  sauia  e  ualente 
donna  in  uerita."  Seit  ihrer  Verehelichung  suchen  sie  eifrig 
ihre  einst  ausgesetzte  Tochter,  wobei  besonders  Trinca  thätig 
ist,  da  er  bestimmt  erfahren  hat,  dass  sie  noch  lebe.  (5.)  Gis- 
mondo  ruft  Sfuma.  Innerhalb  einer  Stunde  braucht  er  „trenta 
scudi".  Von  der  Alten  hat  er  nicht  erfahren  können,  wohin  sie 
Vi ol ante  gebracht  hat.  Er  muss  nun  Geld  haben,  um  die 
Sache  definitiv  zu  erledigen.  Stramba  setzt  in  langer  Rede 
auseinander,  welche  grossen  Vorteile  für  ihn  die  Scheinheirat  mit 
Vi o laute  hatte:  „ogni  uno  mi  fa  motto,  ogni  uno  mi  saluta, 
ogni  uno  mi  carezza. " 

III.  Akt.  Nach  einleitenden  Abmachungen  Trincas  und 
Stümas  (1.),  und  nachdem  Baldo  und  Niccolozzo  sich  über 
den  Ehekontrakt  geeinigt  haben  (2.),  erzählt  Trinca  seinem 
Herrn  Niccolozzo,  dass  ihm  Violante  nicht  abgeneigt  sei; 
ein  Hindernis  liege  nur  in  der  Alten.  Violante  frage  ihm 
sogar  nach.  ,.0  Dio,  mi  uengo  meno  per  la  dolcetudine!"  ruft 
der  Alte.  Ja,  Violante  will  sich  in  den  Brunnen  stürzen, 
wenn  sie  nicht  mit  Niccolozzo  zusammenkömmt.  „Ohne,  Trinca, 
uedi  che  non  ui  si  getti!"  fällt  der  Alte  ein.  Ein  Zauberer  soll 
nun  die  Sache  abmachen.  „Egli  mi  risohiette  di  fare  uno  in- 
cantesimo  che  oggi  uoi  trouerete  con  la  Violante."  Dem  dummen 
Alten  wird  nun  weisgemacht,  Violante  werde  Baidos  Gestalt 
annehmen,  und  seine  zögernde  Frage:  „E  hammi  a  parer  sempre 
sempre  Baldo?"  beantwortet  Trinca:  „A  punto  ui  parra  sempre 
finche  non  iscogliete  lo  incantesimo,  il  quäle  potrete  sciorre  subito 
che  uoi  sarete  in  casa. "  Kindisch  freut  sich  Niccolozzo  dieses 
Spieles  und  kann  den  Zeitpunkt  nicht  mehr  erwarten. 

(3.)  Unterdessen  haben  Sottile  und  Sfuma  ganz  das 
Gleiche  Baldo  vorgemacht.  Auch  er  soll  Violante  durch 
Zaubermittel  erhalten;  für  ihn  soll  sie  als  Niccolozzo  er- 
scheinen. Völlig  mit  allem  einverstanden  (4.),  zahlt  er  die  be- 
nötigten dreissig  Scudi.  „Faceta  persona  e  questo  tuo  padrone," 
meint  Sottile.  „Sciocca  uolesti  dir  tu,  se  gia  tu  non  intendessi 
faceto,  cioe  da  farlo  fare,"  verbessert  ihn  Trinca.   (5.)  Gismondo 


Cecchis  Gl'  Incantesimi.  399 

erhält  von  Sfuma  die  gewünschten  dreissig  Scudi.  (6.)  Ala- 
in anno  aber  kann  noch  immer  nicht  glauben,  dass  sein  Freund 
wirklich  von  Fiammetta  nichts  mehr  wissen  wolle. 

IV.  Akt.  (1.)  Baldo  erhält  von  Sfuma  den  Schlüssel  zu 
Violantes  Zimmer.  Der  Maestro  hat  den  ganzen  Zauber  gut 
gemacht.  Indes  ist  Baldo  nicht  ohne  Angst,  Stramba, 
Violantes  vermeintlicher  Gatte,  möchte  zurückkommen  und  ihn 
hier  antreffen.  (2.)  Niccolozzo  tritt  mit  Trinca  auf.  Er  hat 
den  Zauberspruch  gut  auswendig  gelernt.  Baldo  hält  nun 
Niccolozzo,   Niccolozzo  Baldo  für  die  verzauberte   Schönheit. 

Bald.  Ben  sia  uenuta  la  mia  sparanzina! 

Nicc.  Bene  stia  la  coratella  del  corpo  mio. 

Bald.  Andianne  in  casa  cli'  io  mi  sento  consumare. 

Nicc.  E  io  mi  struggo  come  la  cera  al  fuoco. 

Es  ist  eine  drastische  Szene,  oder  wie  Sfuma  bezeichnend 
sagt,   ein   „felice  incontro  di  dua  solenni  pecore". 

(3.)  Baldo  ruft  im  Hause  Sfuma  zu  Hilfe:  Ohne,  ohne  i 
son  morto,  0  Sfuma,  Sfuma!  In  gleicher  Weise  schreit  Nicco- 
lozzo: Misericordia!  (4.)  Niccolozzo  eilt  aus  dem  Hause  und 
giebt  Sottile  einen  eingehenden  Bericht,  wie  alles  zuging. 
Alles  war  recht:  aber  Stramba  kam  und  prügelte  ihn  elend 
durch.  Viola nte  verschwand:  er  selber  entfloh  unter  Zurück- 
lassung des  Mantels  und  der  Pantoffel  und  fürchtet  nun  zunächst 
seine  Frau.  Sottile  stellt  ihm  vor,  er  müsse  sich  nun  Violantes 
annehmen,  an  der  alles  haften  bliebe;  er  müsse  sie  in  sein  Haus 
zu  sich  führen.  „Aber  die  Frau?"  „„Gut!""  rät  Sottile,  „„sie 
soll  als  eine  Verwandte  aus  Siena  vorgestellt  werden  und  durch 
Zaubermittel  das  Aussehen  eines  andern  Mädchens  bekommen. " " 
Für  die  Frau  aber  will  er  ihm  ein  Schlafpulver  geben,  „che 
quella  notte  uoi  potete  fax  conto  che  la  non  sia  in  questo  mondo. " 
Der  Alte  geht  auf  alles  ein.  (5.)  Baldo,  mit  einem  Degen  be- 
waffnet, den  ihm  der  capitano  Bartolomeo  gab  („questo  stocco 
mi  donö  il  Capitano  Bartolomeo  quando  i  fui  sua  lancia  spezzata"), 
will  mit  Sfuma  gegen  Stramba  losgehen:  doch  vermittelt  Sfuma 
den   Handel   auf  friedliche  Weise. 

V.  Akt.  (1.)  Alamanno,  in  weiblicher  Kleidung,  erhält 
von  Sottile  Verhaltungsvorschriften.  (2.)  Niccolozzo  kömmt 
eben  recht:  Alamanno  begrüsst  ihn  als  Vi ol ante,  und  Nicco- 
lozzo führt  ihn  auf  Sottiles  Geheiss  zu  seiner  Tochter.  ..I  le 
serrero  in  una  camera  tutte  adua  sole  sole, "  meint  Niccolozzo. 
(3.)  Barbera  und  Nobile  führen  die  schluchzende  Violante 
ab.  Sie  haben  von  ihrer  Herkunft  gesprochen.  Vergeblich  er- 
regt sich  Gismondo;  Barbera  will  von  ibm  nichts  mehr  hören. 
„Le    tue    faccende,"     hält    sie    ihm    entgegen,     „sono    intorno    alla 


400  VII.   Cistellaria. 

nuoua  moglie."  Er  kann  sieh  nicht  mehr  verteidigen.  (4.)  Nicco- 
lozzo  hat  unterdessen  eine  andere  Überzeugung  gewonnen:  „Ella 
e  la  mia  figliuola,  se  fussino  State  sorelle  non  harebbon  f'atto  piu, 
quantunque  la  mia  staua  un  poco  cosi  saluatichetta,  come  qnella 
ehe  non  la  conosceua.  Ma  Violante  se  gli  apiccö  al  collo  e 
dettegli  un  bacciozzo  saporito,  che  si  sarebbe  apiccato  a  uno 
petto  di  ferro."  Er  sperrte  sie  dann  in  ein  Zimmer  ein,  und 
jetzt  will  er  den  Zauber  lösen,  „accioche  io  mi  possa  mai  piu 
trouar  con   quella  ladrina   a  solo   a  solo." 

(5.)  Gostanza  hat  die  Dummheiten  ihres  Mannes  erfahren. 
(6.)  Sie  berät  sich  mit  Nobile,  welche  ihr  die  Tochter  wieder 
zuführen  soll;  Gismondo  aber  hat  eben  das  Mädchen  mit  sich 
genommen.  In  den  weiteren  drei  Szenen  löst  sich  die  Sache. 
AI  am  anno  erhält  seine  Geliebte,  Gismondo,  der  nicht  mehr 
auftritt,  seine  Violante,  die  wiedergefundene  Tochter  Nicco- 
lozzos  und   Gostanzas. 

Wie  ersichtlich,  ist  die  Grundidee  aus  Plautus.  Die 
„Incantesimi "  sind  jedoch,  wie  schon  der  Titel  besagt,  Haupt- 
sache geworden:  sie  veranlassen  die  heiteren  und  effektvollen 
Szenen  des  Stückes;  die  Geschichte  mit  der  wiedergefundenen 
Tochter  muss  mehr  zurücktreten.  Das  Lustspiel  steht  bei 
weitem  nicht  auf  der  sittlichen  Höhe,  wie  z.  B.  Cecchis 
„La  moglie".  Manch  zweifelhafter  Witz  ist  hier  eingeflochten 
worden. 

Einige  Ähnlichkeit  mit  dem  Stoffe  der  Cistellaria  hat  das 
Schicksal  Pantalones  und  Olimpias  in  dem  ital.  Lustspielsujet 
., Lo   specchio".1) 

Wollte  man  alle  Stücke,  in  welchen  es  sich  um  ein  wieder- 
gefundenes und  durch  irgend  welche  Kennzeichen  beglaubigtes 
Kind  handelt,  als  dem  Plautus  nachgeahmt  hinstellen,  so  wären 
die  Imitationen  der  Cistellaria  (und  des  Epidikus)  sehr  zahl- 
reich, obgleich  ihre  Verfasser  den  römischen  Dichter  und  sein 
bezügliches  Stück  schwerlich  kannten  und  sicher  bei  Abfassung 
des  ihrigen  nicht  im  Auge  hatten. 


')  Findet  sich  als  Giornata,  XVI,  S.  47,  in  II  Teatro  delle  Fauole 
rappresentatiue ,  oyero  La  Ricreatione  Comica,  Boscareccia,  e  Tragica: 
Diuisa  in  cinquanta  giornate;  Composte  da  Flaniinio  Scala  detto 
Flauio  Comico  del  Sereniss.  Sig.  Duca  di  Mantoua.  In  Venetia.  Ap- 
presso  Gio.  Battista  Pulciani.  MDCXI. 


Epidikus.  401 


Till.  Epidikus.1) 

Des  Epidikus,  der  nachweislieh  um  das  Jahr  560  a.  u.  e. 
verfasst  wurde,2)  thut  Plaut us  selber,  und  zwar  in  anerkennender 
Weise,  Erwähnung  in  seinen  Bacchides,  wenn  er  Chrusalus 
sagen  lässt  (F.   214): 

Etiam  Epidicum,  quam  ego  fabulam  aeque  ac  me  ijtsum  amo, 
Nullam  aeque  inuitus  specto,  si  agit  Pollio. 

Ohne  Zweifel  zählt  aber  auch  Epidikus  zu  den  trefflichsten 
Stücken  des  Dichters.  Rapp3)  urteilt:  „Wenn  man  die  Intrigue 
einmal  als  ein  Hauptelement  der  komischen  Bühne  wird  gelten 
lassen  müssen,  so  ist  unter  den  griechischen  Stücken,  die  wir 
haben,  dieses  vielleicht  das  erste,  so  schön  in  seiner  Art,  wie  in 
anderer  die  Menächmen,  von  ausnehmender  Gewalt  des  Haupt- 
charakters und  besonders  der  Entwickelung,  obgleich  man  es  als 
einen  Fehler  rügen  muss,  dass  die  Intrigue  eine  doppelte  ist,  die 
den  Zuschauer  fast  verwirren  muss."  Zu  einem  ähnlichen  Urteile 
gelangt  Binder  (S.  5),  der  das  Stück  als  „unstreitig  eines  der 
ausgezeichnetsten  unter  allen  uns  aus  dem  Altertum  erhaltenen 
Stücken  dieser  Gattung1'  bezeichnet.  Teuffei4)  findet  das  Stück 
„mit  reicher,  aber  etwas  verwickelter  Handlung  und  ohne  be- 
sonderen Aufwand  von  Witz  und  Lebendigkeit"    gearbeitet. 

In  der  ersten  Szene  des  ersten  Aktes  erfährt  der  Sklave 
Epidikus  von  dem  Waffenträger  Thesprio,  der  nur  in  diesem 
Auftritte  vorkömmt,  dass  sein  junger  Herr  Stratippokles  um 
die  Kriegsbeute  sich  ein  Mädchen  gekauft  habe  (F.   41): 

Forma  lepida  et  liberali  captiuam  adulescentulani 
De  praeda  mercatust. 

Dies  setzt  den  Sklaven  in  grosse  Verlegenheit,  denn  in 
zahlreichen  Briefen  (F.  56)  aus  dem  Felde  hatte  er  ihn  beauf- 
tragt, eine  Harfenspielerin,  die  er  liebte,  von  einem  Kuppler 
loszukaufen ,    was  Epidikus   auch  zu  stände  brachte  (F.  45): 

Ipse  mihi  mandauit,  ab  lenonc  ut   tidicina, 

Quam  amabat.  emeretur  sibi.     Id  ei  inpetratum  reddidi. 


')  Ausgaben  von  Andr.  Wille.  (Erfurt  1604.)  — F.  Jacob.  (Lüb. 
1835.)  —  0.  E.  Ge p per t.  (Berlin  18<35.j  Hier  ist  zitiert  nach  V.  II.  Weise. 
—  Eine  deutsche  Übersetzung  lieferte  Rost.     (Lpz.  1822.) 

2)  Teuffei,  Studien.     S.  262. 

3)  D.  pl.  L.,  8.  1332. 

•'*)  Gesch.  d.  röm.  Litt.,  S.  149. 

26 


402  VIII.  Epidikus. 

Um  vierzig-  Minen  hat  er  unterdessen  Telestis  losgekauft; 
das  Geld   schuldet   er  einem  thebäischeh   Wechsler  (F.   51): 

„ab  danista  aput  Thebas  sumpsit  foenore." 

Das  Harfemnädchen  selbst  hatte  Epidikus  nur  durch  eine 
List  losgekauft,  indem  er  den  alten  Herrn  glauben  machte,  es 
sei  seine  eigene  Tochter  (F   89): 

Ego  miser  meis  perpuli  dolis  senem, 
Vt  censeret  suam  sese  emere  filiam:  is  suo  filio 
Fidioinam  emit,  quam  ipse  amauit,  quam  abiens  mandauit  mihi. 

Da  Epidikus  seinen  Herrn  Stratippokles  mit  seinem 
Freunde  Chäribulus  nahen  sieht,  tritt  er  zurück,  um  ihr  Ge- 
spräch zxi  belauschen.  Er  hört,  wie  Stratippokles  unverzüglich 
vierzig   Minen   brauche,    und    dass    Epidikus    sie    schaffen    müsse 

(F.    120): 

Quem  quidem  ego  hominem  irrigatum  plagis  pistori  dabo, 
Nisi  hodie  prius  conparassit  mihi  quadraginta  minas, 
Quam  argenti  fuero  elocutus  ei  postremam  syllabam. 

Da  tritt  er  vor.  Er  erfährt,  dass  Stratippokles  von  der 
fidicina  nichts  mehr  wissen  wolle:  aber  die  vierzig  Minen  soll 
er  schaffen,    ,.unde  lubet"    (F.    143). 

Epidikus  verspricht  seine  Beihilfe.  Er  hofft,  durch  den 
Alten  das  Geld   zu  erwerben  (F.    162): 

,,  Seuem  oppugnare  certumst  consilium  mihi." 

Im  zweiten  Akte  tritt  Periphanes  mit  seinem  Freunde 
Apöcides  auf.      Epidikus  gesellt   sich   zu  ihnen  (F.    181): 

Acutum  cultrum  habeo,  seni  qui  exenterem  marsupium. 

Überall,  beginnt  er,  habe  er  Periphanes  gesucht.  Das 
Heer  sei  zurückgekehrt,  und  bei  dieser  Gelegenheit  habe  er  im 
Volksgetümmel  eine  Flötenspielerin,  die  Stratippokles  lange 
schon  liebte,  gesehen  und  gehört,  wie  zwei  andere  Mädchen  über 
sie  sprachen:  „sie  werde  frei,  da  Stratippokles  das  zu  ihrer 
Loskaufimg  nötige  Geld  von  einem  thebäischen  Wechsler  ent- 
lehnt habe."  Die  Szene  ist  ungeheuer  lebhaft  dargestellt.  Der 
Alte  ist  über  seinen  Sohn  entsetzt,  und  Epidikus  rät  ihm  nun, 
er  möge  sich  stellen,  als  sei  er  selber  in  die  Harfenspielerin 
verliebt  und  wolle  dieselbe  freikaufen;  alsdann  möge  er  sie  aus 
der  Stadt  schaffen.  Um  den  Verdacht  von  Periphanes  abzu- 
lenken, solle  Apöcides  die  Sache  abmachen.  Die  vierzig  Minen 
seien  sofort  wieder  eingebracht,  weil  ein  reicher  Soldat  aus  Rhodus 


Charakteristik  desselben.  403 

auf  das  Mädchen  bereits  ein  Auge  geworfen  habe.  Epidikus 
erhält  dann  die   Summe. 

Den  dritten  Akt  beginnt  Stratippokles  mit  seinem 
Freunde  Chäribulus.  Epidikus  bringt  das  ersehnte  Geld. 
Nun  eilt  der  Sklave  sofort  zu  dem  Kuppler  und  unterrichtet 
ihn,  was  er  zu  thun  habe.  Wenn  Apöcides  komme,  so  solle  er 
thun,  als  seien  ihm  die  vierzig  Minen  bezahlt,  was  ja  auch  für  die 
erste  Geliebte  des  Stratippokles  geschah:  eine  andere  schlaue 
Harfnerin  (V.   370): 

„aliquam  dolosam  fidiemam,  nnmo  condueta  quae  sit." 

solle  er  dann  ins  Haus  des  Periphanes  schicken,  nachdem  sie 
in  alles  eingeweiht  wurde.  Alsbald  bringt  Apöcides  dem  Peri- 
phanes die  angeblich  gekaufte  Harfnerin:  Periphanes  kann 
seinen  Sklaven  und  sein  Geschick  nicht  genug  loben.  Der  Soldat 
tritt  auf.  Er  will  wegen  des  Mädchens  iinterhandeln  und  lässt 
sich  auf  fünfzig  Minen  Kaufpreis  ein.  Als  ihm  aber  Periphanes 
die  eben  gekaufte  Harfherin  vorstellt,  zeigt  es  sich,  dass  dies 
nicht  Akropolistis  ist,  und  dass  der  Alte  betrogen  wurde.  Die 
Harfnerin  giebt  ferneren  Aufschluss,  dass  sie  nur  zu  gottes- 
dienstlichem Gesänge  gemietet  sei  (F.   498): 

Condueta  ueni,  ut  fidibus  canerem  seni, 
Dum  rem  diuinam  faceret. 

Ausserdem  sei  sie  eine  Freie.  Periphanes  durchschaut  den 
Betrug  seines  Sklaven  imd  schwört  ihm  Strafe   (F.   521): 

Is  etiam  sese  sapere  memorat !    Malleum 
Sapientiorem  scilicet  esse  manubrio. 

Im  vierten  Akte  tritt  die  Matrone  Philipps  auf.  Ihre 
Tochter  ist  in  Feindeshand  geraten  (F.   529): 

„gnata  mea  hosthmi  est  potita.  neque  ea  nunc  ubi  sit,  scio." 

An  Periphanes  erkennt  sie  den  Mann,  mit  welchem  sie  in 
Epidaurus  gelebt   (F.    539): 

Plane  hie 
Ille  est  qui  mihi  iu  Epidauro  primus  pudicitiam  pepulit. 
( V.  555.)  Tun-  is  es, 

Qui  per  uoluptatem  tuam  iu  me  aerumuam  opseuisti  grauem, 

und  dem  sie  das  Kind,  das  sie  eben  sucht,  geboren  hat.  Auch 
Periphanes  erkennt  sie  und  tröstet  sie,  ihre  Tochter  sei  in 
seinem  Hause.  Freudig  ruft  er  Akropolistis-,  allein  bei  dieser 
Begegnung    enthüllt     sich     ein     weiterer    Betrug    des    Epidikus: 

2(1  * 


404  VIII.   Epidikus. 

Akvopolistis,     die    er    deshalb    doch    gekauft    hatte,     ist    seine 
Tochter  nicht.      Neuerdings  schwört   er  ihm  Züchtigung  (F.  603): 

Ego  relictis  rebus  Epidicum  operam  quaerendo  dabo. 
Si  inuenio,  exitiabilem  ego  illi  faciam  hunc  ut  fiat  diem. 

Im  fünften  Akte  kauft  Stratippokles  das  Mädchen 
Telestis  dem  Wechsler  ab.  Epidikus  betrachtet  sie  scharf, 
und  je  mehr  er  sie  ansieht ,  um  so  mehr  findet  er  in  ihr 
Philippas,  also  auch  Periphanes',  Kind,  wodurch  freilich 
Stratippokles  seine  Geliebte  verliert.  Epidikus  triumphiert 
über  den  glücklichen  Zufall.  Da  nahen  Periphanes  und 
Apöcides,  dem  die  Knie  vom  Laufen  anschwellen  (F  667): 
„lassitudine  inuaserunt  misero  in  genua  flemina-'.  Epidikus  lässt 
sich  willig  binden  und  gesteht  auf  alle  Fragen  die  Wahrheit; 
doch  werde  er,  sagt  er,  ungerecht  behandelt,  da  er  dem  Herrn 
die  einzige  Tochter  wieder  gefunden  habe. 

Die  letzte  Szene  löst  den  Knoten.  Epidikus  will  seine 
Fesseln  nicht  fallen  lassen,  obwohl  ihn  Periphanes  bittet.  Nur 
ungern   gestattet  er  es   (F.    726): 

„ —  Inuitus  do  hanc  ueniam  tibi, 

Nisi  necessitate  cogar.     Solue  sane,  si  lubet." 

Er  erhält  die  Freiheit  und  wird  Tischgenosse  des  Peri- 
phanes; dem  „nouo  liberto  opus  est,  quod  pappet",  worauf 
Periphanes  zugesteht:    „Dabitur:   praebebo   eibum1'    (F.    723). 

Das  Hauptinteresse  nimmt  wohl  Epidikus  für  sich  in  An- 
spruch, der  Mensch,  der  durch  Schelmenstreiche  zur  Freiheit  kam 
(F.  728): 

„Hie  is  homo  est,  qui  libertatem  malitia  inuenit  sua." 

Der  „scurra",  wie  ihn  Thesprio  nennt  (F.  13),  hat  die 
richtige  Ansicht  vom  Sklavenleben.  Der  Sklave  muss  nicht  alles 
sagen,   was   er  weiss  (F.   57): 

Plus  scire  satiust  quam  loqui 
Seruom  hominem;  ea  sapientia  est, 

ein  Grundsatz,  den  auch  sein  Kamerad  Palaestrio  im  Miles  glo- 
riosus  (F.  477)  ausspricht:  Plus  oportet  scire  seruom  quam  loqui. 
Er    treibt    sein  Gewerbe    so    gewandt,    wie    der  Töpfer    seine 
Scheibe. 

Vorsutior  [tu]  es,  quam  rota  figularis, 

sagt  ihm   Chaeribulus    (F.   369):   ebenso   (F.   376): 
Nimis  doctus  ille  est  ad  malefacieudum, 


Charakteristik  desselben.  405 

und  auch  Apöcides  nennt  ihnen  einen  „seruom  graphicum  et 
quantiuis  preti"   (F   408). 

Sein  Nebendiener,  der  Waffenträger  Thesprio,  entwickelt 
eine  bombastische  Kriegersprache.  Auf  die  Frage,  wie  es  dem 
jungen  Herrn  ergehe,  antwortet  der  kräftige  (F.  8)  Mensch: 
pugilice  atque  athletice   [ualet]   (F    18). 

Der  junge  Herr  ist  energisch ,  etwas  eigensinnig.  Seine 
Liebe  zu  Telestis  erklärt  sich  aus  ihrer  Schönheit  (F.   621): 

Vsque  ab  unguiculo  ad  capillum  siimmum  est  festivissuma. 
Estne?  Vide!  considera!  signum  pictum  pulcre  uideris. 

Der  Kahlkopf  Periphanes  (duo  defloccati  senes,  F.  614) 
hat  in  seiner  Jugend   Streiche  genug  gemacht  (F.   388): 

quasi  11011  plurumum 
Malefacta  mea  essent  solida  in  adulescentia. 

Ihm  zur  Seite  steht  sein  alter  Freund  Apöcides,  „iura  qui 
et  leges  tenet"  (F.  287),  „qui  omnium  leguin  atque  iurium  fictor, 
conditor  cluet"  (F.   520). 

Der  Soldat  ist  in  den  üblichen  Farben  gezeichnet.  Epi- 
dikus  nennt  ihn   (F.   296): 

Auro  opulentus,  magnus  miles,  Ehodius,  raptor  hostium, 
Gloriosus  .  .  . 

Er  selber  führt  sich   (F.   436)   ein: 

Virtute  belli  armatus  promerui,  ut  mihi 
Omnes  mortales  deceat  agere  gratias. 

Mit  so  vielen  und  charakteristischen  Personen  ausgestatter, 
ist  das  Stück  gewiss  angethan,  die  Zuschauer  in  heiterster  Laune 
zu  erhalten;  vor  allem  müssen  die  Szenen,  wo  der  Soldat  seine 
Geliebte  imd  Philipp a  ihre  Tochter  in  der  vorgestellten  Person 
nicht  erkennen,   von  hervorragender  Wirkung  sein. 


Rapp1)  bemerkt  hinsichtlich  des  Epidikus:  „dass  dies 
Intriguenstück  von  jeher  Italienern  und  Franzosen  vorzugsweise 
zum  Vorbild  dienen  musste,  liegt  in  der  Natur  der  Dinge."  Wenn 
er  die  Figur  des  schlauen  Dieners  Epidikus  meint,  so  mag 
dies  seine  Richtigkeit  haben.  Der  hingebende  Sklave,  der  alle  Be- 
fehle   seines    Herrn    vollzieht,    der    sein   Operationsfeld    so    schnell 


')  Die  pl.  L.,  S.  1333. 


406  "        VUL  Epidikus. 

wie  sein  Herr  die  Geliebte  wechselt,  der  um  die  Gunst  seines 
Meisters  Gefahren  und  Schläge  über  sieh  ergehen  lässt,  freilich 
nicht  ohne  Aussicht  auf  gute  Belohnung,  der  Sklave,  der  neben 
seiner  aufopfernden  Thätigkeit  auch  für  den  grössten  Teil  des 
"Witzes  aufkömmt,  ist  in  mehr  oder  minder  zeitgemässer  Form 
als  Diener  (servo ,  famiglio ,  valet)  in  der  italienischen  und 
französischen  Komödie  wieder  zu  finden  und  bildet  einen  un- 
erlässlichen  Teil  derselben.  Insoferne  als  jene,  welche 
diese  Gestalten  der  Bühne  zuerst  und  in  kunstgemässen 
Lustspielen  einverleibten,  die  klassischen  Muster  vor 
sich  hatten  und  ihnen  nacharbeiteten,  muss  man  zu- 
gestehen, dass  alle  diese  schlauen,  zu  allem  bereiten, 
für  ihren  Herrn  unbezahlbaren  Diener  ihr  Prototyp  in 
den  plautinischen  Sklaven  und  ganz  besonders  im  Epi- 
dikus haben,  herab  bis  zu  Scapin  und  Scaramouche  und 
zuletzt   bis  zu  Beaumarchais'  „Figaro".1) 

Beolco  Ruzantes  „Brighella"  ist  ein  echter  Epidikus.2) 
Molieres  „Mascarille"  in  „L'etourdi  ou  les  contretemps  •', 
der  fourbum  imperator  (H,  11),  der,  wie  Epidikus,  von  sich 
sagen  kann:  „qu'un  fourbe  est  contraint  de  prendre  de  figures!" 
(V,  2)  verleugnet  sein  Vorbild  nicht.3)  Noch  mehr  ist  dies  der 
Fall  in  Molieres  „Les  Fourberies  de  Scapin"  (1671),  einem 
Stücke,  das  speziell  den  Streichen  des  Dieners  gewidmet  ist. 4) 
An  ihn,  als  seine  letzte  Hoffnung,  wendet  sich  Octave.  Scapin 
kann  sich  selbst  (1,  2)  als  den  „nomine  consolatif,  homme  ä 
m'interesser  aux  affaires  des  jeunes  gens"  bezeichnen.  Er  soll 
Oetaves  erzwungene  Heirat  verhindern  und  steht  vor  dem  Unter- 
nehmen wie  Epidikus  (V.  94)  „uirgis  dorsum  depoliet  meum," 
oder  wie  Scapin  sich  ausdrückt:  „trois  ans  de  galeres  de  plus  ou 
de  moins  ne  sont  pas  pour  arreter  un  noble  cceur"  (I,  7).  Wie 
Epidikus   an  die  Alten  sich  heranmacht   (V.   185): 

Iam  ego  me  conuortam  in  hirudinem  atque 
Eorum  exsugebo  sanguinem  .  .  . 

so  Scapin  (II,  7):  „je  veux  tirer  cet  argent  de  vos  peres." 
Wie  bei  Plautus  die  „fidicina"  von  dem  alten  Periphanes 
gekauft  und  dann  entfernt  werden  soll,  um  den  jungen  Stratip- 
pokles  nicht  mehr  zu  fesseln,  so  beredet  hier  Scapin  Argante, 
Oetaves  Vater,   durch  Geld  die  Heirat  seines  Sohnes  rückgängig 


')  Lotheissen.  I.    S.  271.  —  Ruth.    II,  499.  508. 
-)  Sand,  Masques  etc.    II,  207. 

3)  Ussing.    Hl,  245.     „Molieriua   autem  inter  fallaoias  Masca- 
rilli  in  1'  Etourdi  I.  9  huius  (=  Epidici)  quoque  argumento  usus  est." 
")  Saud  a.  a.  0.    IL  218.  —  Mahrenhtfltz,  Moliere.    S.  50.  333. 


Moliere,  Biecoboni  u.  a.,  Cailhava.  407 

zu  machen;  und  nicht  minder  Geronte,  den  Vater  Le  andres, 
seinen  Sohn,  der  auf  die  Galere  geriet,  loszukaufen,  trotz  des 
bekannten:  .,  que  diable  allait-il  faire  dans  cette  galere?" 
(II,  11),  sodass  die  beiden  betrogenen  Alten  mit  jenen  des 
Plant us   sagen   können   (V.    663): 

Satin'  illic  liomo  ludibrio  nos  uetulos  decrepitos  duos 
Habet  ? 

Durch  das  Armband  erkennt  Argante  in  der  Braut  Le andres 
seine  Tochter:  „c'est  ma  tille  que  je  perdis  ä  Tage  que  vous  dites, " 
genau  wie  Philipp  a  im  Epidikus  ihr  Kind  wieder  findet.  Die 
letzte  List  Scapins,  sich  infolge  eines  herabgefallenen  Hammers 
tötlieh  verletzt  zu  stellen  und  als  Sterbender  Verzeihung  zu  er- 
bitten,  gehört   allerdings  Moliere. 

In  weiterer  Beziehung  stehen  Molieres  ,,  Fourberies  de 
Scapin"   zum   „Phormio"    des  Terenz.1) 

Riccobonis  ..Fourberies  de  Scapin"  sind  nach  des 
Groto  Cieco  di  Hadria  „Emilia"  gearbeitet.  In  Deutsch- 
land haben  Molieres  ..Fourberies  de  Scapin-'  in  „So  prellt 
man  Füchse  oder  Wurst  wieder  Wurst-  von  W.  C.  S.  Mylius 
(Halle  1776)  fortgelebt:  in  England  hatte  Thomas  Otway 
(geb.  3.  März  1651:  gest.  14.  April  1685)  in  ..The  cheats  of 
Scapin,  a  farce"  4t0,  1677,  eine  Übersetzung  von  Molieres 
Stück  gegeben  und  die   Szene  nach  Dover  verlegt.2) 

Nach  seiner  Angabe  hat  Cailhava  in  seinem  Stücke  ..  Le 
mariage  interrompu  - 3)  (1769)  neben  den  Bacchides  den 
Epidikus  benützt. 

Er  sagt  hierüber: 

Le  Mariage  interrompu  est  tire  en  partie  de  l'Epidique  de 
Piaute.     Voici  l'avant-scene  de  la  Piece  latine. 

Stratippocle,  fils  de  Periplianes,  aime  eperduement  une  Courtisanne. 
II  cliarge  Epidique  de  lui  en  procurer  la  jouissance.  Celui-ci  est  fort 
einbarrasse,  lorsque  Periplianes  apprend  que  Acropolistide,  sa  tille  na- 
turelle, est  prisonniere  de  guerre.  II  compte  quarante  miues  ä  son  es- 
clave  Epidique,  &  lui  ordoune  d' aller  delivrer  son  eher  enfant  qu'il  n'a 
jamais  vue.  Epidique  court  acheter  la  Courtisanne  de  sou  jeune  Patron, 
&  la  conduit  au  Vieillard  qui,  croyant  embrasser  sa  fille,  löge  commode- 
ment  chez  lui  la  Maitresse  de  son  fils. 

Le  reste  de  la  Piece  latine  n'a  aueun  rapport  avec  la 
mienne.     Piaute   ne   fait  paroitre  la  Courtisanne  qu'une  seule  fois  sur 


1)  Baudissin.  IV,  S.  XXIV.  —  Dziatzko  zum  Phormio,  S.  14, 
Anm.  3.  —  Mahrenlioltz.  S.  2<jL'  —  Claus.  S.  2.  —  Humbert,  Le 
Phormion  de  Terence  et  les  Fourberies  de  Scapin.     Elberfeld  1859. 

2)  Haliwell.  S.  47.  ("Er  übersetzte  auch  Titus  und  Be"renice 
von  Racine.) 

3)  Auf  S.  .'557—434  des  ersten  Bandes  des  ,,Theätre  de  Cailhava". 
Paris  1781. 


408  YHL.   Epidikus. 

la  scene,  &  le  denouement  ue  nous  apprend  pas  si  eile  reste  ou  non 
dans  l:i  maison  de  Periphanes,  apres  quo  la  fourberie  d'Epidique  est 
decouverte. 

Frontin  hat  die  Rolle  des  Epidikus  übernommen.  Der  alte 
Geizhals  Argante  hat  erfahren,  dass  sein  Sohn  Damis  ein 
Mädchen  —  die  junge  Witwe  Julie  —  bei  sich  habe,  und  Frontin 
bringt   ihm   nun  -bei,   dass  dies  seine   Tochter  sei   (I,   8): 

Votre  fille  Constance, 
Enlevee  ä  vos  soins  de  sa  plus  tendre  eufance. 

Argante   findet   Julie   wirklich   ähnlich  (II,    3): 

Parbleu  .  .  .  ce  sont  nies  traits.     Je  l'aurois  reconnue. 
Sans  que  l'ou  m'eüt  rieu  dit. 

Der  weitere  Verlauf  des  Stückes  entfernt  sich  vom  Original. 
Ein  guter  Teil  ist   den  Bacchides   entnommen: 

Mit  einer  an  Epidikus  erinnernden  Rede  schliefst  Frontin 
den   zweiten  Akt : 

Keine  du  monde  entier,  divine  Fourberie, 
C'est  ä  toi  d'eclairer,  d'echauffer  mon  genie. 

In  einem  Stücke  des  Thomas  Middleton  (geb.  nicht  vor 
1570:  begraben  am  18.  Juli  1628):  „No  {h^j|}  üke  a 
woman's,"1)  findet  Rapp:2)  „Im  Anfange,  wo  zwei  Mädchen 
verwechselt  werden,  wird  man  an  die  feine  Intrigue  des  plauti- 
nischen  Epidikus  erinnert,  die  der  Dichter  vielleicht  hat  nach- 
ahmen wollen." 

In  diesem  Stücke  wird  Grace,  die  heimlich  an  Philip 
Twilight  vermählt  ist,  dem  Vater  desselben  als  seine  einst  ge- 
raubte Tochter  ins  Haus  geführt,  während  sie  in  Wahrheit  die 
Tochter  des  alten  Sunset  ist.  Jane  dagegen,  Sir  Oliver 
Twilights  wirkliche  Tochter,  gilt  als  die  des  Sunset.  Die 
List  hat  für  den  Liebhaber  der  Diener  Savourwit,  wie  Epi- 
dikus, ersonnen.  Savourwit  erzählt  den  Hergang  Philips 
Freund,   Sandfield,   dem  Liebhaber  Jan  es  (S.  9  ff.),: 

Sav.       :T  is  uot  unknown  to  your  ear,  some  ten  years  since, 
My  mistress,  bis  good  mother,  witb  a  daughter 
About  the  age  of  six,  crossing  to  Guernsey, 
Was  taken  by  the  Dunkirks,  sohl  both.  aud  separated. 

4)  The  works  of  Thomas  Middleton,  now  first  collected  .  .  .  by 
the  Kevereud  Alexandre  Dyce.  5  voll.  London  (Luinley)  1840.  Band  V. 
S.  1—133.  Im  Stücke  wird  die  Jahreszahl  1638  genannt;  gedruckt  ist 
es  in  8°  im  Jahre  lG.r>7. 

'-)  Studien.  S.  141. 


Th.  Middleton  u.  a.  409 

As  tlie  last  news  brings  Lot  —  the  first  aud  last 

So  muck  discover'd;  for  iu  uine  years'  space 

No  certain  tidiugs  of  tkeir  life  or  deatk, 

Or  wkat  place  keld  'em.   eartk,  tke  sea,  or  keaven, 

Game  to  tke  old  mau's  ears,  tke  kuigkt  my  master, 

Till  about  five  montks  since  a  letter  came, 

Sent  from  tke  motker,  wkick  related  all 

Tkeir  taking.  sellmg,  sej>aration, 

And  never  meeting;  and  witkal  requir'd 

Six  kundred  crowns  for  ransoni;  wkick  my  old  master 

No  sooner  keard  tke  sound,  but  told  tke  sum, 

Gave  kirn  tke  gold,  and  sent  us  botk  aboard: 

We  landing  by  tke  way  —  kaving  a  care 

To  ligkten  us  of  our  carriage,  because  gold 

Is  suck  a  keavy  metal  —  eas'd  our  pockets 

In  wenckes'  aprons:  women  were  made  to  bear, 

But  for  us  gentlemen  't  is  most  uukindly. 

Sand.    Well,  sir? 

Phil.  A  pure  rogue  still! 

Sav.  Amongst  tke  rest.  sir, 

'T  was  my  young  master's  ckauce  tkere  to  do  at  finely 

Upon  a  sweet  young  gentlewoman,  but  one 

Tkat  would  not  seil  ker  konour  for  tke  Indies, 

Till  a  priest  Struck  tke  bargain,  and  tken  half 

A  crown  desj^atck'd  it; 

To  be  brief,  wedded  ker  and  bedded  ker, 

Brougkt  ker  kome  kitker  to  kis  fatker's  kouse, 

And,  witk  a  fair  tale  of  mine  own  bringing  up, 

Ske  passes  for  kis  sister,  tkat  was  sold. 

Sand.     Let  nie  not  lose  myself  in  wondering  at  tkee! 

But  kow  made  you  your  score  even  for  tke  motker  ? 

Sav.       Pisk,  easily;  we  told  kirn,  kow  ker  fortunes 

Mock'd  us  as  tkey  mock'd  ker;  wken  we  were  o'  tke  sea 

Ske  was  o'  tke  land;  and,  as  report  was  given, 

Wken  we  were  landed,  ske  was  gone  to  keaven. 

So  ke  believes  two  lies  one  error  bred, 

Tke  daugkter  ransom'd,  and  tke  motker  dead. 

Ein  ,,  dutch  merehant"  bringt  die  Sacke  zunächst  zur  Lösung-. 
Sehr  fraglich  erscheint  es,  ob  Middleton  hierbei  an  Plau- 
tus  dachte.  War  dies  wirklich  der  Fall,  so  könnte  den  „dut ein- 
redenden Kaufmann  wohl    auch  der  Poenulus    veranlasst   haben. 

Nie  aufgeführt  wurde  ,.  Epidicus,  a  comedy  translated 
from  Plautus  by  Lawr.  Echard,  with  critical  remarks",  8°,  1694, 
dessen   Szene  in  Athen  spielt.1) 

Einer  italienischen  poetischen  Übersetzung  gedenkt  Arge- 
lati:  „L'Epidico,  commedia  di  Plauto,  tradotta  in  versi  italiani 
sciolti  da  Parmindo;"  aus  dem  Jahre  1749  stammt  jene  von  Rin. 
Angellieri   Alticozzi   (Florenz  4°). 

Die  gerühmte2)  französische  Übersetzung  des  Epidikus  der 
Mad.   Dacier  stammt  von   1683   (Paris   12°). 


')  Haliwell.    S.  87. 

2)  Rapp,  Die  pl.  L.    S.  1331. 


410  VIII.  Epidikus. 

Eine  vollständige  italienische  Bearbeitung-  des  Epi- 
dikus liegt  in  der  „Emilia"  des  Luigi  Groto  Cieco  di 
Hadria1)  vor  (1579),  von  der  Lessing  allerdings  mit  vollem 
Rechte  sagt:2)  „Diese  Nachahmung  hat  ihr  vortreffliches  Urbild 
sehr  schlecht  erreicht."  Die  Titelheldin  spricht  im  Stücke  nicht, 
„vsanza  nnoua  certo  in  una  femina, "   wie  der  Prolog  sagt. 

I.  Akt.  (1.)  Der  Sklave  Chris oforo  beredet  seinen  Herrn 
Polidoro;  er  habe  ihn  niemals  so  melancholisch,  wie  jetzt  ge- 
sehen, und  erfährt  von  ihm,  er  habe  Grund  genug,  traurig  zu 
sein.  Die  Stadt  Nikosia  ist  eingenommen.  Wie  es  auch  sein 
mag,  kann  es  für  ihn  nur  schlimm  sein;  denn  in  der  Stadt 
wohnte  seine  Tochter,  und  im  Heere  der  Sieger  diente  sein  Sohn. 
(2.)  Aus  dem  Monologe  Chris oforos  ersehen  wir,  dass  dieser 
für  den  jungen  Herrn  Aufträge  habe. 

Egli  nel  suo  partir  mi  die  stretto  ordine 
Ch'  io  li  douessi  comprare  questa  giouane, 
Che  quel  Roffian  qui  presso  hauia  da  uendere. 

Nun  hat  er  aber,  obwohl  sein  Vater  sehr  reich  ist,  die 
hierzu  nötigen  Mittel  nicht.  (3.)  Der  Roffiano  „Arpago"  tritt 
auf,   sich  über  sein  Geschäft  beklagend. 

II  uino  e  1'  olio 
Quanto  inueccliiano  piü,  tanto  piü  acquistano 
Di  bontä.     Le  donzelle  come  increspano 
Vn  poco,  nessun  piü  le  uuol 

u.  s.  w.  Chrisoforo  wendet  sich  an  ihn  mit  der  Frage,  ob 
Flavia,  die  sein  Herr  kaufen  Avollte,  noch  zu  haben  sei,  da 
sich  gestern  bereits  ein  Käufer  meldete,  der  versprach,  heute 
mit  dem  Gelde  zu  kommen.  Um  nun  den  Kuppler  für  sich  zu 
gewinnen,  erzählt  ihm  Chrisoforo  eine  Geschichte.  Sein  Herr 
M.   Polidor  Lascari: 

„Ando  con  Mustafa  bascia  giä  passano 
Vent'  auni  in  Cipri"  .  .  . 

In  Nikosia  traf  er  eine  Witwe,  namens  Lucida,  eine  edle 
Perserin,  und  von  ihr  erhielt  er  eine  Tochter  Emilia.  Er 
(Chrisoforo)    sei    nach    Cypern    oft    im    Auftrage    seines   Herrn 


')  La  |  Emilia.  |  Comedia  |  Nova  |  di  Luigi  Groto  ]  Cieco  di  Hadria.  [ 
Recitata  in  Hadria,  il  di  primo  di  |  Marzo  MDLXXIX.  |  La  Doraenica  di 
Carnesciale,  sotto  il  |  Reggimento  del  Clariss.  Signor  |  Lorenzo  Rimondo.  | 
In  Venetia.  |  Appresso  Fabio  &  Agostin  Zopini  Fratelli  1583.  78  fol.  — 
Die  Pariser  Ausg.  von  1609  mit  der  franz.  Übersetzung  nennt  Lessing.  — 
Riccoboni,  Reflexions,  S.  120.  giebt  die  Jahreszahl  1603  an.  —  Ussing. 
ni,  245. 

2)  Beiträge.    S.  49. 


Des  Groto  Cieco  Emilia.  411 

geschickt    worden,    und    ausser    ihm    habe    niemand    das    Mädchen 
gesehen. 

Ma  ue  il  uecchio,  ne  altri  de  suoi  (toltone 

Me)  ha  ueduto  giä  mai  questa  giouane. 

Von  Cypern  zurückgekehrt,  heiratete  Polidoro,  und  von 
seiner  bald  wieder  verstorbenen  Ehefrau  stammt  sein  Sohn 
Polipo.  Dieser  steht  nun  als  Feind  vor  Nikosia,  doch  hat  er 
scheidend  seinem  Sklaven  den  Auftrag  gegeben,  das  Mädchen, 
das  sich  bei  dem  Roffiano  befindet,  ja  nicht  aus  dem  Auge  zu 
lassen.  Um  sie  seinem  Herrn  zu  retten,  will  nun  Chris oforo 
dem  Alten  beibringen, 

Che  ho  ritrouato  qui  in  Costantinopoli 
La  sua  figliuola  in  mau  d'  im  auarissimo 
Mercatante,  da  cui  si  puö  riscuotere. 

Arpago  solle  den  Kaufmann  und  Flavia  das  Mädchen 
spielen.      Er  kenne   beide  nicht  und  werde  alles  glauben: 

che  mi  suol  credere 
Come  noi  Turchi  al  alcorauo. 

Der  Klippler  hat  sich  demnach  als  „hiiomo  di  grau  tranco" 
und  das  Mädchen  als  von  Nikosia  kommend  zu  kleiden;  und  so 
gilt  es  denn,  (4.)  den  alten  Herrn  ..zu  melken".  (5.)  Dieser  tritt 
eben  recht  auf.      Nach  langer  Rede  enthüllt   ihm   Chrisoforo: 

ho  ritrouato  Euiilia, 
Vostra  figliuola,  qui  in  Costantiuopoli 
Iu  mau  d'un  mercatante  che  uuol  ueuderla. 

Er  erzählt  nun  im  weitern  eine  breite  Lügengeschichte,  wie 
das  Mädchen  erfreut  war,  ihn  zu  erblicken,  wie  rührend  es  war, 
da  sie  ihn  umhalste,  wogegen  freilich  Polidoro  einwendet,  wie 
sie  das  konnte,  nachdem  sie  seiner  Schilderung  gemäss  gefesselt 
war,   was  Chrisoforo   sofort  verbessert: 

disse:  abbraccioti 
(Poi  che  uon  posso  con  le  man)  cou  1'  animo. 

Natürlich  muss  sie  losgekauft  werden,  und  zwar  auf  der 
Stelle.  (6.)  Nun  ist  der  ZAveck  erreicht:  ..1'  uccello  e  entrato  al 
fine  in  corgozzo. "  Chrisoforo  ergeht  sich  in  eine  stark  den 
Alten  (Sophokles,  Horaz,  u.  a.)  nachgeahmte  Apostrophe  an  das 
Geld  und  seine  Macht  über  die  Menschen.  Nach  einer  launigen 
Szene  (7.),  zwischen  Chrisoforo  und  Rustica  niassara  tritt 
(8.)  der  Kuppler  auf.  Flavia  schmückt  sieb  zum  Auftreten 
als    Nikosierin,    und    in   der  Schilderung',    die  der   Roffiano    von 


412  VIII.  Epidikus. 

ihrer  Toilette  giebt,  ist  die  Szene  des  Plautus  (F.  219  u.  s.  w.) 
benützt    und    auf  die  italienischen  Damen   jener  Zeit    übertragen: 

Anchor  non  ha  fmito,  e  non  imagino 
Che  anchor  sia  per  fmir  si  tosto;  pettini. 
Specchi,  pezze,  albarelli,  ampolle,  bossoli, 
Spugne.  spillette,  aghi,  casselle,  scattole, 
Schriminali,  zucchette,  ferri,  forbici, 
Che  una  bottega? 

und  so  gebt  es  in  alle  Details  fort,  die  interessant  sind  vom 
kulturgeschichtlichen  Standpunkte,  nicht  minder  als  des  Plautus 
Enthüllungen  über  die  damalige  Damentoilette.  Indessen  ge- 
stalten sie  sich  bei  Groto  sehr  lang,  so  zwar,  dass  Arpago 
selbst  findet,  sie  hätten  jetzt  Besseres  zu  thun,  als  die  Damen 
auszurichten. 

II.  Akt.  (1.)  Fla  via  nimmt  hocherfreut  Abschied  von  dem 
Hause  des  Kupplers.  Chrisoforo  prägt  ihr  ein,  ihre  Rolle  gut 
zu  spielen  und  rekapituliert  ihr  nochmal,  sie  heisse  nun  Emilia, 
ihre  Mutter  Lucida  u.  s.  w.  (2.)  Polidoro  begrüsst  herzlich 
seine  vermeintliche  Tochter ,  und  zu  ihren  Thränen  bemerkt 
Chrisoforo: 

In  uero  hanuo  prontissime 
Gli  auuocati  bugie,  le  donne  lagrime. 

Fla  via  soll  nun  erzählen,  wie  sie  gefangen  wurde,  was  sie 
in  Kürze  auch  thut,  freilich  nicht  ohne  einige  Ungeschicklichkeit. 
So  lässt  sie  den  Vater  von  ihrer  Mutter  Lucida  grüssen,  „si  rac- 
eomanda  a  uoi,  quant'  e  possibile, "  was  diesen  zu  dem  Einwurfe 
veranlasst: 

Come  si  raecornanda  a  me,  se  andandoue 
Prima  di  te  nou  sapea  doue  a  uolgerti 
Hauessi? 

„Lügen  haben  kurze  Beine!"    bemerkt   Chrisoforo. 

Le  bugie  uon  jjossou  correre, 
Hanuo  curte  le  gambe. 

„Und  wie  gebt  es  dem  Mädchen ,  das  mit  dir  erzogen 
wurde?"  fragt  Polidoro.  Auch  hierüber  kömmt  sie  nur  müh- 
sam weg.  Der  Alte  führt  sie  in  sein  Haus  ein  mit  den  Worten: 
„Questa   e  tua;   metti  il  buon  pie  inanzi." 

(3.)  Torpio,  der  Begleiter  und  Waffengefährte  des  jungen 
Herrn,  tritt  auf.  Er  hat  etwas  von  dem  ruhmredigen  „miles"  mit 
seinem  Vorbild  Thesprio  gemeinsam.  Er  begrüsst  Chrisoforo 
und  fragt  nach  seinem  Befinden,  nur  dass  hier  das  plautinische 
„Exemplum  adest"  (F.  7)  des  Thesprio  Chrisoforo  von 
sich    sagen    kann:     „Riguarda    il  soprascritto!"    während    Chriso- 


Des  Groto  Cieco  Emilia,  413 

foro  den  Torpio  mager  und  herabgekommen  findet.  Torpio 
berichtet  von  dem  jungen  Herrn,  der  bereits  in  Konstantinopel 
angekommen  sei.  Er  will  sieb  indessen  seinem  Vater  nicht 
zeigen,  vielmehr  einige  Zeit  bei  seinem  Nachbar  Neofilo  ver- 
bleiben. (4.)  Polipo  erscheint  mit  seinem  Freunde  Neofilo. 
In  endloser  Breite  erzählt  er  von  der  Insel  Cypern  und  ihrem 
Klima,  von  der  Einnahme  von  Nikosia,  eine  lange  Reihe  von 
Einzelnheiten  der  zeitgenössischen  Geschichte,  bis  er  zum  end- 
lichen, den  Zuschauer  interessierenden  Thema  kommt.  Chris  o- 
foro  begrüsst  seinen  Herrn  und  erzählt  ihm  nicht  ohne  Stolz, 
wie  es  ihm  gelang,  den  Vater  zu  täuschen,  sodass  er  Fla  via  los- 
kaufte und  sie  in  sein  Haus  aufnahm.  Allein  der  Erfolg  ist 
nicht  der  gewünschte.  Wie  Stratippokles  „Perdidisti  omnem 
operam!"   (V.   131)  ruft  Polipo: 

Come  il  corbo  hai  perduto  1'  opra  e  1'  olio 
E  hai  fatto  un  error  graue,  anzi  grauissimo 
Non  da  gridarti  sol,  ma  da  punirtene. 

..Und  warum  dies?-'    fragt  Chrisoforo   erstaunt. 

Quia  meo  neque  cara  est  cordi,  neque  placet  ( V.  132) 

lllam  amabam  olim:  nunc  iam  alia  cura  inpendet  pectori  (V.  134) 

Perche  costei  m'  e  uscita  fuor  d'  animo. 

Non  1'  amo  e  non  la  uoglio  piü. 

In  langer  Rede  erzählt  nun  Torpio,  was  bei  Plautus  in 
höchst  wirksamer  Weise  Epidikus  schon  von  Thesprio  erfuhr 
(V.  40),   dass   er  in  Nikosia  ein  Mädchen   erwarb: 

La  cui  ombra  ual  piü  che  tutta  Flavia 

La  quäl  non  sol  uö  riscattar,  ma  prenderla 
Per  nioglie. 

Das  Geld,  sie  zu  kaufen,  hat  Chrisoforo  zu  schaffen  (7.  142): 

Ep.  Die  modo,  unde  auferre  nie  uis?  A  quo  trapezita  pelo? 

Cluter.     Vnde  lubet. 

Chris.      Da  quäl  banco,  o  da  quäl  Zecca  date  ordine 

Poi  ch'  io  uada  a  pigliar  questa  peeunia? 
Pol.         Pigliala  onde  ti  par. 

Der  Kaufmann  wird  jeden  Augenblick  kommen,  um  sein 
Geld  zu  holen. 

Die  wirksame  Rede  des  Epidikus  (V.  84),  die  in  wenigen 
Worten  die  ganze  Lage  schildert  und  noch  dazu  berichtet,  warum 
der  Alte  das  Mädchen  kaufte  (V.  89),  zu  deren  Einführung  Groto 
einen  langen  Akt  verbraucht  hat,  wächst  in  der  Emilia  zu  einem 
ellenlangen  Monolog   von    siebenzig  Versen    heran.      Alles  geht 


414  VE!    Epidikus. 

ins  Breite.  Zur  rechten  sieht  er  zwei  Schwäne:  „ecco  1'  augurio 
buon!"  (V.  180,  liqiiido  exeo  auspicio  foras);  und  nun  an  den 
Alten! 

Pon  man  ai  ferri;  assalta  il  uecchio,  e  castralo 
Con  tal  destrezza  che  non  senta  pungersi. 

(6.)  Fronesio  kommt  zu  seinem  alten  Freunde  Polidoro, 
um  ihn  zu  der  Freude  über  seine  wiedergefundene  Tochter  zu 
beglückwünschen.  Auch  seine  Tochter  ging  bei  der  Plünderung 
der  Stadt  verloren.  Fronesio  preist  Emilias  Schönheit:  er 
hielt  sie  anfänglich  für  eine  neue  Frau  Polidoros.  So  kommen 
sie  auf  das  Thema  der  Wiederverheiratung.  Fronesio  meint  mit 
mit  Apöcides  (V.    165): 

Plerique  omnes  homines,  quos,  quom  nihil  refert,  pudet;  ubi  pudendwnst, 

Ibi  eos  dcserit  pudor,  quom  usus  est,  ut  pudeat  u.  s.  w. 

Dico  adunque  che  molti  si  uergognano 

Di  cose  che  niente  o  poco  importano: 

E  di  cose  che  importan  molto,  mostrano 

Non  uergognarsi  punto. 

Das  denkt  er  von  Polidoro.  Warum  heiratet  er  seine 
Witwe  nicht? 

Che  haueste  in  Cipri,  bella;  ricca,  nobile, 
Gentil  donna  di  Persia. 

Wie  Periphanes:  „Reuereor  filium1-  (F.  171),  meint 
Polidoro:1) 

Son  ancho  poi  per  rispetto  di  Polipo 

Per  non  farlo  sdegnare  e  per  non  metterlo 

In  disperation  che  andasse  in  colera. 

Chris of'oro  macht  sich  bereit,  seine  Arbeit  zu  beginnen,  zum 
Teil  mit  plautini  sehen  Worten  (z.  B.   V.  184): 

„Iam  ego  nie  connortam  in  hirudinem" 

Voglio  mutarmi  in  sanguisuge  e  suggere 
Tanto  sangue  del  uecchio  ch'  io  mi  satij 


>j  Zu  Plautus,  II,  1,  bemerkt  C.  H.  Weise,  I,  340:  Colloquuntur 
duo  senes  de  rebus  suis.  Atque  Periphanes  aperuisse  cogitandus  Apoe- 
cidi  consilium  suum  duceudi  Philippam,  si  inveniri  posset;  metuere 
tarnen  se  de  filio,  ne  is  illud  aegre  ferret.  Igitur  confirmat  eum  Apoe- 
cides.  ■ —  Sed  rem  quod  attinet,  ineptam  esse  totam  scenam,  nee  a  Plauto 
profeetam,  apparet,  sed  interpositam  a  seriori,  ut  locus  esset  Epidico 
introeundi  et  revertendi.  Quomodo  enim  consilium  capere  potuit  Peri- 
phanes ducendi,  quam  ignorabat,  ubi  esset?  Nihil  certe  eiusmodi  comme- 
moratur  Act.  IV,  Seen.  1,  ubi  advenit  Philippa.  Deinde  sequenti  scena 
ab  initio  non  de  suo  aliquo  proposito  loquitur  senex,  sed  de  filio,  quem 
vult  maritum  fieri.  Ipse  autem  neutiquam  ducit  Philrppam.  Denique 
quae  adduntur  facetiae,  ita  sunt  ieiunae  ac  nihili,  ut  a  bono  poe'ta  pro- 
feetae  esse  nequeant,  nisi  dormitante. 


Des  Groto  Cieco  Emilia.  415 

und  (F.  191): 

Age  nunc  tarn  orna  te,  Epidice,  et  palliolum  in  collum  coniice! 

Io  uo  gettarmi  il  mauto  in  collo.  e  fingere 
Di  essere  in  fuga  e  d'  affrettarmi  a  correre. 

Vor  Eile  kann  er  kaum  sprechen,  wie  bei  Plantns,  und  be- 
ginnt dann  zu  erzählen: 

mentr'  io  ritorno,  eccoti 

I  soldati  che  a  schiere  a  schiere  arriuano 

Carchi  di  prede. 
[(T.  205.)  Quia  ego  ire  uidi  milites  plenis  uiis. 

Anna  referunt  et  iumenta  ducunt.] 

Tutte  le  cortigiane  escono  in  habito 

Di  Reine  a  incontrare  e  a  riconoscere 

Gli  amanti  lor  che  da  la  gnerra  redono. 
[  V.  210.    Tum  meretricum  numerus  tantus,    quantum  in  urbe  omni  iuit, 

Opuiam  ornatae  occurrebant  suis  quaeque  amatoribus.] 

Unter  ihnen  war  auch  jene: 

con  cui  Messer  Polipo 
Perde  la  robba,  1'  honor,  se  medesimo. 
[i  r.  216.)    Cum  illa,  quam  tuus  gnatus  annos  multos  deamat,  deperit. 
Ybi  fidemque,  remque,  seque,  teque  properat  perdere.] 

Wie  Plantns  im  Folgenden  eine  Schilderung  des  Anzugs 
dieser  Damen  giebt,  so  greift  auch  Groto  nochmal  zu  diesem 
Thema.      Alle  preisen  die  Eine  glücklich. 

E  1'  una  dice  all'  altra:  0  felicissima 
Questa  nostra  Padrona.     E  perche?  interroga 
L'  altra.    Perche  doman  deue  essere  libera. 
Chi  la  farä?  D  suo  amico  Messer  Polipo. 
f(F239.)    Post  quam  illam  sunt  conspicatae,   quam  tuus  gnatus  deperit: 
„Quam  facile  et  fortunate,  opsecro,  euenit  illi  mulieri. 
Liberare  quam  uolt  amator!"  ■ —  „Quis  is  est?"   inquit  altera. 
Nominat  Stratippoclem. 

So  folgt   Groto  ganz   dem   römischen  Dichter: 

ho  sentito  hora  una  lettera 
Che  egli  le  scrive  u.  s.  w. 
[(F.  247.)    Quia  hodie  allatae  tabellae  sunt  ad  eam  a  Stratippocle], 

-weiss  die  Eine  zu  berichten.  Zwar  hat  Polipo  einen  Rivalen  an 
dem  Kapitän  Fracassa,  aber  er  ist  entschlossen,  sie  zu  kauten 
und  ,.sposarla  poi".  Für  alles  dies  weiss  Chris oforo  nur  Ein 
Mittel.  Polidoro  soll  sich  in  das  Mädchen  verliebt  stellen  und 
sie  vorweg  kaufen.  Weniger  leicht  bereit,  als  Periphanes,  macht 
Polidoro  erst  einige  Einwendungen,  ergiebt  sich  aber  dann  doch 
und  holt  die  gewünschte  Summe. 


416  VIII.  Epidikus. 

III.  Akt.  (1.)  Fla  via  beginnt  mit  einem  endlosen  Monolog. 
Sie  hat  von  Chris  oforo  erfahren,  dass  Po  lipo  sie  nicht  mehr 
liehe.  Indem  er  so  sie  betrügt,  rächt  sich  an  ihr  der  Betrug, 
den  sie  an  seinem  Vater  verübte.  (2.)  Der  Monolog  Chrisoforos 
entspricht  im  allgemeinen  dem  des  Epidikiis  (F.  302,  Nullam  esse 
opinor  ego   ag'rum   in   ag-ro  Attico  u.   s.   w.): 

Io  ho  im  campo  che  mieterlo 
Posso  due  uolte  il  giorno,  e  anclior  ui  restano 
Spiche.     II  borsei  del  padrone  .  .  . 

Freilich  beschleicht  ihn  bange  Furcht,  wie  Epidikus.  —  (3.) 
Chrisoforo  berichtet  Po  lipo  und  Nefilo  seine  Erfolge.  „Wie 
soll  aber,"  fragt  Nefilo,  „Flavia  entfernt  werden?"  —  „Ein 
Pascha,"  fällt  Chrisoforo  ein,  ..wird  sie  für  den  Grossherrn 
selbst  verlangen. " 

Nef.    Egli  dira  cli'  e  sua  figliuola. 

Ghri.  Dicalo ; 

E  grau  Siguor  dira,  che  e  prima  genita 
E  che  nel  suo  serraglio  la  uol  chiudere. 

Für  die  zu  kaufende  und  dem  Alten  zuzuführende  Geliebte 
des  Polipo  wird  sich  eine  Kurtisane  finden  lassen.  Er  hat 
schon  eine  solche  in  Aussieht,  der  er  vorredet,  dass  Polidoro 
sie  liebe.  (4.)  Die  Kurtisane  Erifila  will  zwar  anfänglich  von 
Polidoro  nichts  wissen,  da  er  ihr  zu  alt  ist;  aber  doch  lässt  sie 
sich  auf  Chrisoforos  Anstiften  auf  die  Sache  ein,  und  eben 
recht  naht  (5.)  Polidoro.  Sie  begrüssen  sich.  Von  dem  Knappen 
Vespa  geführt,  erscheint  der  Capitano  Fracassa.  (6.)  Aus 
dem  grosssprecherischen  Miles  zur  ständigen  Bühnenügur  dieses 
Namens  geworden  (s.  S.  103)  und  von  Fronesio  als  der  „ualen- 
tissimo  capitano",  welcher  das  Mädchen  kaufen  will,  vorgestellt, 
führt    er   sich   ganz  als  Pyrgopolinices   ein: 

Io,  messer  Polidor,  beuche  gli  studij 
De  1'  armi  oue  alleuato  son  da  picciolo, 
Anzi  arniati  mio  padre  e  mia  niadre  erauo 
AI  geuerarmi)  poco  si  confacciano 
Con  1'  amor;  pur  per  dimostrarmi  simile 
Del  tutto  a  Marte  che  spesso  la  colera 
E  la  brauura  essala  iu  grembo  a  Venere: 
Per  inio  raro  porto  amo  una  giouane, 
Sprezzando  taute  belle  che  uii  corrouo 
Dietro, 

wozu  der  Knabe  bemerkt:  .,li  corron  dietro  con  le  pertiche. "  Diese 
Siegesgewissheit,  den  Frauen  gegenüber,  ist  ein  Grundzug  des 
Miles  gloriosus  und  seiner  Nachfolger.1) 


')  S.  unter  Miles  gloriosus. 


Des  Groto  Cieco  Emilia.  417 

Fracassa  will  also  Flavia  kaufen.  Polidoro  ist  damit 
einverstanden.  Wie  Periphanes,  so  will  aucli  Polidoro,  „tanti 
e  cinqnanta  piü , "    unter   der  Bedingung : 

che  subito 
La  conduciate  uia  coperta  e  incognita 
Fuor  questo  paese  in  lontanissimo 
Luogo. 
[(  V.  468.)    „Atque  ita  profecto,  ut  eam  ex  hoc  exoneres  agro."] 

Warum  dies?  fragt  Fracassa.  Sollte  ein  Rivale  — ?  Als 
echter  Bramarbas  fährt  er  fort: 

Guai  a  colui  c'  hauesse  audatia 
D'  attrauersarmi  il  passo.     II  niando  subito 
Con  im  pugno  a  staffetta  a  i  regni  stigij. 

0  con  un  calcio  il  getto  a  uolo  ad  ardersi 

1  capegli  a  la  sfera  del  sol. 

Ja  er  übertrifft  Pyrgopolinices  und  seine  Genossen  noch, 
wenn  er  sagt: 

leuami 
Via  quello  sj)ecchio  che  1'  ombra  mia  propria 
Mi  fa  paura 

und  noch  weiter,   da   ihn   Polidoro   fragt,   ob   er  in  Nikosia  viel- 
leicht eine  Witwe  (Lucida)   traf: 

Io  non  attendo  a  donne  in  quelle  furie. 
Attendo  sol  a  far  uolar  per  aria 
Teste,  pie,  gambe.  braccia  e  man  che  paiono 
Passeri  e  stornelli  1'  autunno.  — 

S'  a  femine 
Volessi  att ender,  n'  haurei  troppo:  stannomi 
D'  intorno  a  monti  e  piangendo  mi  pregano 
Ch'  io  le  riceua  ancora  in  quei  pericoli. 
Sol  nel  uedermi  armato  s'  innamorano 
Di  nie.     Ne  so  perche,  ch'  io  a  1'  hör  son  horrido 
Di  sangue,  di  sudor  pieno  e  di  poluere. 

(7.)  Erifila  wird  vorgeführt:  aber  sie  ist  Fracassas  Ge- 
liebte nicht;    er  will  ja  Flavia: 

Tenetemi 
Per  si  sciocco,  ch'  io  habbia  hora  a  conoscere 
La  mia  donna? 

ruft   er  mit   dem   plautinischen  Miles  (F.  478): 

Non  nouisse  me 
Meam  rere  amicam  posse? 

Vergeblich   versichert  Polidoro: 

Dicoui 
Che  questa  e  quella  donna  che  ama  Polrpo 

s'  io  1'  ho  con  miei  proprij 

Denari  compra. 

27 


418  VIII.   Epidikus. 

[( F.  479.)  Haue,  inquam,  filius 

Mens  deperibat  fidiciuam  .... 
Equidem  hercle  argeutum  pro  liac  dedi.] 

Fracassa  wendet  sieb  nun  an  Erifila,  ob  sie  ihn  oder 
Polipo  kenne.  Sie  mxiss  es  verneinen.  ,.Und  wie."  trägt 
Polidoro,    „kam  sie  in  mein  Haus?" 

Come  dunque  capiti 
Iu  casa  mia? 
[(T.  497.)  Quid  tibi  negoti  est  meae  domi  igitur?] 

Ein  Diener  erzählte  ihr,  der  Alte  sei  in  sie  verliebt  und 
wolle  sie  sprechen,  Voll  Zorn  über  Cbrisoforo  eilt  Polidoro 
zum  Roffiano. 

IV.  Akt.  (1.)  Den  vierten  Akt  leitet  eine  entsetzlich  lange 
Rede  Nefilos  ein.  Er  ist  in  die  Geliebte  seines  Freundes  ver- 
liebt; doch  er  will  edel  sein.  Von  ihm  bat  Polipo  nichts  zu  be- 
fürchten. (2.)  Der  Koch  Crapulo  und  sein  Gehilfe  Rigo  be- 
reiten ein  Mahl.  Cbrisoforo  ist  entsetzt  (3.);  der  Kuppler 
hat  alles  ausgeplaudert.  (4.)  Grimmig  fahren  Polidoro  und 
Fronesio  auf  Chrisoforo  los;  es  gelingt  ihm  aber,  beiden  die 
Überzeugung  beizubringen,  dass  sie  sich  von  Fracassa  und 
Erifila  täuschen  liessen,  so  zwar,  dass  ihn  Polidoro  wieder  um 
Vergebung  bittet.  So  geht  es,  sagt  ihm  Chrisoforo;  eher  glaubt 
ihr  allen  Fremden,  als  einem  alten,  treuen  Diener.  Nochmal  ge- 
steht Polidoro: 

Ho  fatto  error;  confessolo, 
E  meae  pento,  homai  taci  e  perdonami. 

Chrisoforo  hat  eben  Auttrag  bekommen,  weitere  Schritte 
zu  thun,  und  geht,  da  tritt  Lucida  mit  ihrem  Dienstmädchen 
Catella  auf.  Sie  klagt  laut,  wie  die  plautinische  Philippa, 
über  ihr  Unglück.  Ihr  Haus  ist  geplündert,  ihre  Tochter  da- 
vongeschleppt.      Sie  sucht  nun  Polidoro: 

Non  e  questa  la  strada  doue  dicono 
Star  messer  Polidoro. 
[( V.  533.)  In  bis  dictust  locis  mihi  habere  Periplianes.] 

Polidoro  hört  seinen  Namen  nennen:  er  betrachtet  die 
Fremde  und  ruft,   wie  bei  Plautus,: 

(  V.  538.)     Per.  Certe  ea  est, 

Quam  in  Epidauro  pauperculam  memini  couprimere. 
Phil.  Plane  hie, 

Ille  est,  qui  mihi  in  Epidauro  primus  pudicitiam  pepulit. 
Polid.    Mi  par  colei  eh'  io  hebbi  in  Cipri,  Lucida 

Mia,  di  cui  generai  la  mia  figlia  unica. 
Luc.      Mi  par  colui  che  m'  hebbe  in  Cipri,  Polido- 

Ro  di  cui  partorij  la  nostra  Emilia. 


Des  Groto  Cieco  Emilia.  419 

(V.  542.)  Quid,  si  adeam? 

Debbo  mettermi 
A  girli  incontro, 

ll.    s.   w.,    ganz   nach   dem  Originale: 

Per.      Salua  sis! 

Phil.  Salutem  accipio  mi  et  meis. 

Pol.       Madonna,  Dio  ui  dia  salute. 

Luc.  Accettolo. 

Er  tröstet  sie  nun,   dass  ihre  Tochter  wohlbehalten  in  seinem 
Hause  sei  (7.  562): 

Domi  nieae  eccam  saluam  et  sanam. 

Vostra  figlia  e  salua.     Dicoui 

Che  nostra  figlia,  che  la  uostra  Emilia 

E  sana  e  salua  e  intatta  e  allegra  e  libera. 

Sofort  will  sie  ihre  Tochter  sehen,   und  Fla  via  tritt  aus  dem 
Hause.      (6.)  Wie  Akropolistis  (7.  569)   ergeht  es  ihr: 

Acr.       Quid  est,  pater,  quod  me  exciuisti  ante  aedis? 

Per.  Vt  matrem  tuam 

Videas,  adeas,  aduenienti  des  salutem  atque  osculum. 
Flav.    Che  uolete,  mio  padre,  che  chiamatomi 

Hauete  qui  sull'  uscio? 
Pol.  Alza  gli  occhi!  Eccoti 

Tua  madre. 

Beide    aber    erkennen  sich  nicht.      Polidoro  meint    anfangs, 
wohl  deshalb,    ,.perch'   ella  ha  fatto  mutation  d'  habito"   (7  576): 

quia  uestitum  atque  ornatum  inmutabilem 
Habet  haec  mulier. 

Umsonst!      Das  geht  Polidoro   nahe,   und  mit  Periphanes 
ruft  er  aus  (7  578): 

Proh  deum  atque  hominum  fidem, 
Quid?  ego  lenocinium  facio?  qui  habeam  alienas  domi, 
Atque  argentum  exgurgitem  domo  prorsum? 
0  Dio  immortal,  da  quanto  in  qua  niutatomi 
Sono  io  roffian,  che  tenga  in  casa  femine 
Straniere,  e  spenda  il  mio  denar  si  prodiga 
Meute     —    —    —    —    —    —    —    —     — 

(V.  580.)  Quid  tu.  (piae  patrem 

Tuom  uocas  me  atque  osculare?  Quid  stas  stupida? 
Tu  che  mi  chiami  per  padre,  e  iutitoli 
Mia  figlia,  perche  stai  hora  si  stupida? 
(7  385.)      Cur  me  igitur  patrem  uocabasy 

Di,  si'aciatella,  di,  perche  mi  chiami  tu 
Dunque  padre  ? 

27* 


420  VIII.   Epidikus. 

Sie  erwidert  ganz  mit  den  Worten  der  fidicina  (F.  585): 

Tua  istaec  culpa  est,  non  mea: 
Non  patrem  ego  te  nominem,  ubi  tuam  me  appelles  filiam? 
Hanc  quoque  etiam,  si  me  appellet  filiam,  matrem  uocem. 

Cotesto  error  fu  proprio 
Vostro;  non  doueu'  io  nominar  padre,  chi 
Nominaua  me  figlia.     Se  mi  nominaua 
Costei  anchor  per  sua  figliuola,  io  subito 
La  chiamerö  per  madre. 

Und  auf  weiteres  Fragen  erklärt  sie  (V.  589): 

Postremo  haec  mea  culpa  non  est:  quae  didici,  dixi  omnia. 

Epidicus  mihi  fuit  magister. 

Questa  non  e  mia  colpa.    Ho  recitato  la 

Mia  lession  come  buona  discepola. 

Fu  mio  maestro  del  tutto  Chrisoforo. 

Alles  Weitere  stimmt  zu  Plautus.      Wie  dort  (F.  599): 

Ne  fle,  mulier,  intro  abi:  habeto  animum  bonum. 
Ego  illanc  reperiam, 

tröstet  hier  Polidoro   die   enttäuschte  Lucida: 

Andate  in  casa  e  state  di  buon  animo, 
Ch'  io  la  ritrouerö  se  fosse  in  India. 

Wehe   aber  dem  Betrüger  Chrisoforo! 

V.  Akt.  (1.)  Polipo  erwartet  mit  Nefilo  sehnlichst  die 
Ankunft  des  Kaufmanns,  der  ihm  Emilia  bringen  soll.  Da 
kömmt  (2.)  Chrisoforo.  Alles  ist  verloren;  er  bittet  seinen 
Herrn  um  fünf  Soldi,  um  sich  einen  Strick  kaufen  zu  können. 
Er  erzählt  nun,  dass  Emilias  Mutter  da  sei.  (3.)  Der  erwartete 
Kaufmann  Barbaro  bringt  Emilia.  Das  Mädchen  hat  ihn  aufge- 
halten   (F.  627): 

L:  indugio  hebbe  origine 

Sol  da  costei,  che  non  puö  si  ben  muouere 

II  passo  delicato. 

Kaum  hat  Chrisoforo  das  Mädchen  gesehen,  als  er  sie  als 
Polidoros   Tochter  erkennt  und  seinem  Herrn  sagt: 

questa  giouane 
Voi  potete  abbracciar  certo  abbracciandola 
Come  sorella,  ma  quaudo  con  animo 
Lasciuo  1'  abbracciate  come  abbracciano 
Gli  amanti  le  lor  donne  non  ui  e  lecito, 

was    freilich    bei    Polipo    nicht    den    angenehmsten  Eindruck    her- 
vorbringt :  , 
Ohime,  sorella,  io  ti  perdo  e  perdendoti 
Ti  trouo;  e  tu  fai  meco  anche  il  medesimo. 


Groto  Cieco.     N.  L.  Lemercier.  421 

(4.)  Fracassa  hat  sich  glücklich  mit  Erifila  zurechtgefunden 
und  sagt  ihr: 

che  ceutomilia 
Volte  ualete  piü  di  lei  (=  Flavia). 

(5.)  Polipo  hat  seine  Liebe  wieder  der  verstossenen  Flavia 
zugewendet,  seit  er  weiss,  dass  Emilia  seine  Schwester  ist. 
Chrisoforo  hält  ihm  erst  entgegen,  wie  er  strengen  Auftrag 
gegeben,  sie  wegzuschaffen,  und  dass  sie  darum  nicht  mehr  hier 
sei.  Erst  als  er  sein  Herzleid  sieht,  widerruft  er  seine  Mitteilung. 
(6.)  Polidoro  und  Fronesio  fallen  über  Chrisoforo  her;  er 
aber  bleibt  standhaft.  „Ich  habe  Emilia  gerettet  und  die  Ge- 
liebte des  jungen  Herrn  freigekauft.  So  wird  es  sich  ergeben; 
man  rufe  Mutter  und  Magd."  (7.)  Noch  immer  grübelt  Nefilo 
über  seine  Liebe.  Da  kömmt  (8.)  Tropio  und  erzählt  ihm  alles, 
was  sich  ereignete,  zunächst  dass  Emilia  Polipos  Schwester  sei. 
Die  letzte  (9.)  Szene  löst  alles  glücklich.  Nefilo  erhält  Emilias 
Hand,   und  Polidoro   erklärt  freudig: 

Et  io  ritrouo  in  im  gioruo  medesimo 

La  moglie,  il  figlio,  la  figliuola,  e  il  genero, 

E  tutto  queslo  ben  uien  da  Chrisoforo, 

sodass  Chrisoforo  gefeiert,   wie  Epidikus,   abtritt. 

Der  Fehler  der  Komödie,  Plautus  gegenüber,  liegt  in  der 
masslosen  Breite  der  Monologe  und  in  dem  gedehnten 
Dialoge.  Einiges  Leben  macht  nur  der  Capitan  Fracassa, 
der,  über  die  Grenzen  des  Miles  im  Epidikus  hinaus,  eine  der 
zahllosen  Nachahmungen  des  Pyrgopolinices  und  Thraso  ist, 
von  denen  später  die  Rede  sein  wird.  Soweit  das  Lustspiel  ganz 
auf  Plautus  beruht,  ist  es  anmutig,  hübsch  und  gewiss  wirkungs- 
voll.     So  unverwüstlich   bleiben    die    klassischen  Spuren! 


Den  Epidikus  des  Plautus  hat  in  Frankreich  Nepo- 
mucene  Louis  Lemercier  zum  Gegenstande  seines  Lustspieles 
„Piaute,  ou  la  comedie  latine,  comedie  en  trois  actes  et  en 
vers"  })  gemacht,  die  zum  erstenmale  am  20.  Januar2)  1808  auf- 
geführt wurde. 

Plautus  und  sein  Leben  ist  eigentlich  der  Hintergrund 
des  ganzen  Lustspiels  (S.  110),  in  welchem  sich  zahlreiche  An- 
klänge an  verschiedene  plautinische  Gestalten  finden.     Man  könnte 


')  A  Paris,  cliez  Leopold  Collin,  libraire.    1808  (136  S.)  mit  einer 
Einleitung:  Opinions  sur  la  comedie  de  Piaute. 

2)  Nach  H.  Lucas  (Hist.  III,  350),  am  20.  Februar. 


422  VHL   Epidikus. 

das  Stück  eine  Kontamination  des  Epidikus  nnd  der  Aulularia 
nennen,  doch  aber  bleibt  der  Epidikus  die  leitende  Idee  des 
ganzen  Lustspiels. 

Nach  einem  einleitenden  Prologe  zwischen  M  er  eure  und 
Thalie  beginnt  Piaute  den  ersten  Akt  mit  Klagen  über  sein 
ärmliches  Leben,  das  ihn  bis  zur  Mühle  verdammte.  Zu  ihm 
tritt  der  junge  Leusippe  und  vertraut  ihm,  dass  er  eine  Sklavin 
liebe,   Pulchrine. 

Un  pirate  insolent  la  tient  sous  sa  tuteile: 

De  parens  qu'elle  ignore  eile  est  nee  en  ces  lieux, 

Mais  illustres,  sans  doute. 

Ihrethalben  wolle  er  von  der  liebenswürdigen  Zelie,  seiner 
früheren  Geliebten,  nichts  mehr  wissen.  In  der  dritten  Szene 
kömmt  Epidique  gelaufen: 

D'avoir  couru  si  fort  je  suis  tout  essouffle. 

Er  bringt   die  freudige  Botschaft: 

Votre  belle,  seigneur,  n'est  plus  chez  le  pirate. 

Sie  ist  bei  Euclion,  dem  Onkel  des  Leusippe  und  Bruder 
seines  Vaters  Daemone.  Der  alte  Euclion  ist  zwar  ein  „veri- 
table  a'ieul  d'Harpagon",  doch  aber  hat  er  das  Mädchen  gekauft. 
Warum?  —   erklärt  Epidique: 

Je  fus  le  messager  qu'envoya  votre  amour. 
Vous  savez  qu'autref'ois  les  brigands  de  Carthage 

Ravirent  sa  fille ')  ä  treize  ans: 
A  l'avare  Euclion  j'ai  feint  que  des  marchands 
De  Thymen  de  son  frere  amenait  ce  eher  gage; 
Que  le  hazard  au  port  nie  l'avait  fait  revoir. 

Er  sei  nun  in  Euclion  gedrungen,  seine  Nichte  loszu- 
kaufen, da  der  eben  auf  Reisen  befindliche  Daemone  ver- 
zweifeln würde: 

Des  qu'au  retour  de  sou  voyage 

Quelque  bruit  lui  fera  savoir 
Que  de  sauver  sa  fille  ayant  eu  le  pouvoir, 
Un  frere  a  tarde  trop  ä  delier  sa  bourse. 

Euclion  selber  berichtet  seinem  Neffen,  dass  seine  Schwester 
gefunden  sei.      Vor  allem  aber: 

ton  devoir 
Est  d'enoager  ton  pere  ä  payer  cette  avance. 


')  Des  Daemoue. 


X.  L.  Lemerciers  Piaute.  423 

Zelie,  der  verschmähten  Geliebten  des  Leusippe,  gelingt 
indessen  eine  List.  Sie  lässt  sich  an  Stelle  Pulchrines  in 
Euclions  Haus  führen: 

Son  valet.  par  des  ruots  se  laissaut  eblouir, 
Sous  un  voile  trompeur  pour  l'esclave  m'a  prise. 

Daemone  ist  zurückgekehrt.  Piaute  führt  ihn  zu  Euclion, 
des  sich  schürzenden  Knotens   sich  freuend: 

Ils  parleront;  et  moi  je  n'aurai  plus  alors 
Qu'ä  fecrire  sous  leur  dictee. 

Im  zweiten  Akte  berichtet  Euclion  seinem  Bruder  Dae- 
mone,  dass  er  seine  Tochter  gekauft  habe: 

Je  me  sens  fortune"  d'avoir  brise  ses  ckaims; 
Et  puisque  tu  consens  ä  reinbourser  rues  frais. 
Je  la  vais  ajmeler  afin  que  tu  l'eumienes. 

Die  Gegenüberstellung  des  Daemone  und  der  Zelie  führt 
zu  der  Szene  des  Plautus,  wo  Philippa  Akropolistis  nicht 
als  ihre  Tochter  anerkennen  kann.  Zelie  entschuldigt  sich,  wie 
Akropolistis: 

Eucl.    Ouais!  vous,  immobile,  expliquez-vous.  Madame: 

Pourquoi  m'appeliez-vous  votre  oncle? 
Zel.  Je  l'ai  du, 

M'entendant  par  vous  meine  appeler  votre  niece; 

Et  de  peur  d'etre  ingrate  euvers  votre  tendresse, 

Mon  sentiment  au  votre  a  par-lä  rej)ondu. 
Eucl.    Pour  votre  pere  ici  pourquoi  preudre  mon  frere, 

Par  qui  votre  mensonge  est  dejä  confondu? 
Zel.       S'il  croit  ue  l'etre  pas,  je  n'y  coutredis  guere: 

Qu'il  ue  soit  plus  charge  de  ce  titre  importuu. 
Eucl.    L'est-il? 
Zel.  Un  autre  ou  lui:  que  sais-je  en  ce  mystere? 

Ainsi  que  tant  d'enfants  je  naquis  de  quelqu'uu ; 

S'il  me  nommait  sa  fille,  alors  du  nom  de  pere 

Moi  je  l'appellerais  sans  aucun  embarras. 
Ce  nom  lui  deplait;  en  ce  cas, 
Je  n'y  tiens  plus;  point  de  colere. 

Sie  wendet  sich  nun  an  Euclion  und  Daemone,  sie  mit 
Leusippe  zu  verheiraten.  Leusippe  tritt  dazu.  Er  glaubt, 
Pul  ehr  ine  zu  sehen.  Dieux!  c'est  Zelie!  Auch  er  muss 
Euclion  versichern,  dass  es  „ta  captive  si  belle-  nicht  ist.  Da 
nun  Epidique  auftritt,  kehren  sich  alle,  und  besonders  auch  der 
enttäuschte  Leusippe,  gegen  ihn.  Epidique  ist  ratlos.  Leu- 
sippe stürzt    auf  ihn    zu: 

C'est  celle 
Chcz  qui.  daus  tou  absence.  allait  Piaute  pour  moi, 


424  VIII.  Bpidikus. 

worauf  Epidique  alles  durchschaut: 

Oh!  sa  ruse  infernale  aura,  trompe  rnon  zele! 
Puis  eile  etait  voilee  .  .  .  Epidique,  ah!  pends-toi. 

Z  e  1  i  e  s  vergebliche  Versuche  ,  das  Herz  ihres  Geliebten 
wieder  zu    gewinnen,   sind  ohne  Beziehung  zum  Epidikus. 

Piaute  berichtet  Leusippe,  dass  noch  einige  Hoffnung  be- 
stehe, Pulchrine  zu  erwerben;  der  patron  du  vaisseau  hat  ihm 
versprochen : 

d'attendre  encor  jusqu'ä  demain; 
Et  Pulchrine  est  ä  vous,  si  la  rancon  arrive. 

Wie  bei  Plautus,  erhält  nun  Epidique  Auftrag,  das 
Geld  zu  schaffen. 

Retiens  ces  seuls  mots:  cherche,  et  trouve,  ou  je  te  tue. 

Va  donc!  tu  periras,  si  tu  n'acquiers  Pulchrine. 

Epidique  findet  keinen  Ausweg.  Wie  so  oft  die  Sklaven 
der  Verliebten  bei  Plautus   jammert  er: 

Je  ne  vois  que  l'ouets  et  tourmeus. 

Mieux  vaut  etre,  je  le  parie, 
Portier  d'enfer,  valet  d'une  furie. 
Que  serviteur  des  fous  et  des  amaus. 

Die  weitere  Entwickelung  des  zweiten  Aktes  berührt  Plau- 
tus nicht. 

Der  dritte  Akt  führt  uns  in  die  Aulularia,  und  Epidique 
wird  zum  Strobilus. 

Epidique  steht  vor  der  Statue  des  Lar.  Alle  Schritte,  die 
er  unternommen  hat,   waren  fruchtlos: 

J'ai  couru  vainement  cliez  tous  les  usuriers, 
Et  n'ai  pu  trouver  une  obole, 

jetzt  will  er  für  seinen    Herrn    sterben;    da    stürzt    er    die    Statue 
des  Lar  um,   und: 

Bons  dieux!  tout  casse  et  tonibe  ...  im  coffre  ...  ah!  que  je  voie  .  .  . 
Sa  chüte  en  a  brise  la  serrure  ...  de  l'or! 
II  est  plein  d'or!  tout  plein!  ...  oh!  cachons  ce  tresor 
Que  la  fortune  ici  m'envoie! 

Sogleich  erwachen  in  ihm  die  Gedanken   des  Strobilus: 

Je  brave  maintenant  mon  patron  despotique! 
Voici  de  quoi,  j'espere,  acquerir  du  preteur 
Le  droit  de  citoyen  dans  cette  republique. 

Je-veux  qu'en  chaque  rue  on  escorte  Epidique; 


N.  L.  Lemerciers  Piaute.  425 

Et,  mesurant  uia  dignite 
A  l'eclat  de  nion  patrimoine, 
Paraitre  dans  notre  cite 
Egal  au  tresorier  du  roi  de  Macedoine. 

Sogar  die  Reminiszenz   an  den  rex  Philippus  (V.   700). 

Piaute  hat  alles  belauscht;  er  lässt  ihn  nicht  mehr  un- 
beobachtet. 

Unterdessen  hat  Euclion  ein  schlimmes   Omen  gehabt. 

J'ai  vu  de  ma  feuetre,  ä  la  gauclie,  im  corbeau 

Precipiter  son  noir  passage; 

Et  daus  l'air  ce  sinistre  oiseau 
Pour  im  homnie  un  peu  riebe  est  d'uu  fächeux  presage. 

Er  entdeckt  den  Diebstahl. 

Diese  Szene  reicht  nicht  im  allerentf erntesten  an 
Plautus  oder  Moliere  hin: 

Qu'est-ce  que  je  vois?  .  .  .  Mille  dieux!  .  .  . 
Mon  coffre-fort!  ma  vie!  ...  au  voleur!  ...  6  quel  crime! 

Piaute  tritt  vor.  ,,Qui  parle  ici?  .  .  .  c'est  toi,  voleur!"  ruft 
ihm  Euclion  zu,  der  sich  überhaupt  an  Piaute  hält.  Schwache 
Imitationen  seiner  Vorgänger  versucht  Lemercier,  wenn  er 
Piaute  für  sich  sagen  lässt: 

Cet  komme  effraye  pour  sou  or 
Est  pour  mon  art  im  vrai  tresor. 

worauf  Euclion  sagt: 

Que  dis-tu  de  tresor ?  voleur!  ton  imposture 
Preteud-elle  nier  que  tu  m'as  pris  le  mien. 

Die  ferneren  Fragen  um  sein  Geld,   von  dem  er  rühmt: 

Je  la  venais  voir  chaque  nuit: 
C'etait  ma  femme,  ma  maitresse, 

kann  ihm  Piaute  beantworten.  Er  will  es  ihm  wieder  schaffen, 
doch  muss  Euclion  auf  seine  Bedingungen  eingehen;  er  muss 
versprechen,  von  seinem  Golde  die  Sklavin  Pulcbrine  los- 
zukaufen. 

Nun  geht  es  wieder   auf  Epidikus   zurück. 

Die  Sklavin  Pulcbrine  entpuppt  sich  als  die  verlorne  Toch- 
ter Eudoxie,  was  ein  Ring  beweist.  Epidique  liefert  den 
Schatz  aus,  derselbe  ist  aber  nicht  bloss  Eigentum  des  Euclion, 
sondern  des  Piaute,  der  aus  einer  geheimen  Öffnung  seine 
teueren  Manuskripte  herausnimmt.  Karthagische  Soldaten  stahlen 
einst  diese  Kasse. 


426  1-^-   -Bacchides. 

Romain,  vous  etiez  donc  de  ces  Carthaginois? 

fragt" Piaute  Euclion.      Dieser  löst  das  Rätsel: 

Nos  soldats  etaient  ä  leur  poursuite; 
Ce  coft're  daus  mes  mains  tomba  pendant  leur  fuite: 
Le  sort  m'en  fit  present. 

Mit   Recht   erwidert  Plaute: 

Par  cette  meme  loi 
Epidique  aurait  pu  juger  cet  or  ä  soi, 

■ 
imd  so  wird  Epidique  losgekauft. 

Leusippe  nimmt  nun,  da  Pul  ehrine  seine  Schwester  ist, 
mit  Zelie  vorlieh,   und  Plaute   verspricht: 

mon  pinceau  va  rendre 
Mou  Avare  plus  vrai  sous  les  traits  d'Eucliou. 

Wer  aus  zwei  so  vortrefflichen  Komödien  kein  wirk- 
sameres Stück  zu  schaffen  wusste,  hätte  hesser  Epidikus 
und  Aulularia  in  ihrem  alten  Gewände  belassen. 


IX.   Bacchides.1) 


Als  den  Inhalt  der  Bacchides  bezeichnet  Les  sing'2)  kurz 
den  Vers  des  Epilogs  (1210):  „Vt  aput  lenones  riuales  filiis 
fierent  patres." 

Es  bieten  nämlich  die  Bacchides,  „nach  Anlage,  wie  Cha- 
rakterzeichnung eines  der  besten  Stücke,"3)  wie  die  Asinaria 
und  der  Mercator,  Vater  und  Sohn  als  Rivalen  bei  einem  öffent- 
lichen Mädchen.  Dem  Dichter  selbst  erscheint  der  Gegenstand 
etwas  heikler  Natur;  denn  der  Sprecher  der  Caterva4)  sagt  selber 
(V.  1209): 

Neque  adeo  haec  facerernus,  ni  antehac  uidissemus  fieri, 
Vt  aput  lenones  etc., 

was  einige  (Rapp  a.  a.  0.)  dahin  erklären,  dass  die  Asinaria  und 
der  Mercator  den  Bacchides  in  der  Aufführung  vorangegangen 


')  Ausgaben  von  F.  Ritschi  (Halle  1835).  — G.  Hermann  (Lpz.  1845). 
Hier  ist  zitiert  nach  Fleckeisen. 

2)  Beiträge,  S.  49. 

3)  Teuf  fei  (G.  d.  r.  L.),  S.  149.     Auch  Binder  (S.  5)  nennt  die  Ko- 
mödie „ein  wirklich  meisterhaftes  Intriguenstück". 

')  Rapp  (Die  pl.  L.),  S.  1692. 


Charakteristik  derselben.  427 

waren.  Wie  die  Asinaria,  so  ist  auch  dieses  Stück  vom  mo- 
ralischen Standpunkte  aus  gerichtet;  höchstens  mag-  es  als  Zeit- 
bild, als  Darstellung-  jener  Sitten  Interesse  bieten.  Doppelt  be- 
denklich ist  auch  hier  gerade  der  Schluss.  Die  beiden 
Alten  treten  nicht  als  Besserer  ihrer  Söhne  auf,  sie  werden  viel- 
mehr selbst,  Philoxenus  leichter,  Nikobulus  nach  einigem 
Widerstände   von   den  Dirnen   umstrickt. 

Das  Stück  ist  mit  einigen  Lücken  auf  uns  gekommen;')  die 
schwache  Nachdichtung,  die  einige  ältere  Ausgaben  enthalten, 
wird  dem  Antonio  Beccadelli  aus  Palermo  zugeschrieben.2) 
Dass  es  eine  Kontamination  sei,  wie  Ladewig  und  Fritzsche 
wollen,   wird  von  wenigen  angenommen. 3) 

Die  Einleitung  des  ersten  Aktes  fehlt.  Die  beiden  Bacchis 
treten  auf.  Nach  witzigen  Reden  und  Gegenreden  gewinnen  sie 
den  jungen  Pistoclerus,   dass   er  gesteht   (V.  92): 

Mulier.  tibi  me  emancupo. 
Tuus  sum,  tibi  dedo  operam, 

und  abgeht,  um  ein  Mahl  zu  bestellen.  Bacchis  I.  glaubt  bereits, 
seiner  so  sicher  zu  sein  (Meus  ille  quidemst,  Ir.  103),  dass  sie 
von  ihm  soviel  erringen  kann,  um  sich  von  dem  miles  Cleo- 
machus,  der  sie  auf  ein  Jahr  erworben  hat,  loskaufen  zu 
können. 

Der  zweite  Akt  führt  uns  den  Pädagogen,  den  Sklaven 
Ludus,  ein;  er  ist  unglücklich  über  die  Streiche  seines  Zöglings 
Pistoclerus;  dieser  jedoch  schenkt  seinen  Vorstellungen  wenig 
Gehör.  In  der  nächsten  Szene  tritt  Chrusalus  auf,  der  eben 
mit  seinem  jungen  Herrn  Mnesilochus  nach  einer  zweijährigen 
Abwesenheit  in  Ephesus  zurückkehrt.  Er  hat  einen  Brief  seines 
Herrn  wegen  Bacchis  IL,  seiner  Geliebten,  an  Pistoclerus  zu 
bestellen.      Dieser  kömmt  eben  aus   dem  Hause  der  Bacchis  und 


')  Teuf  fei  (a.  a.  0.),  S.  149:  Die  Eingangsszenen  sind  zugleich  mit 
dem  Schlüsse  der  Aulularia  zwischen  dem  vierten  und  dem  sechsten 
Jahrhundert  nach  Chr.  verloren  gegangen.  Vgl.  über  den  Inhalt  des 
Verlornen  Ritschi,  Opusc.  II,  292. 

2)  Nach  andern  sollte  Lascaris  in  Messina  die  erste  Szene  des 
ersten  Aktes  gefunden  oder  gar  Petrarka  ergänzt  haben. 

3)  Teuf  fei,  Studien,  S.  256:  „Dass  die  Bacchides  kontaminiert 
seien,  haben  Ladewig  und  Fritzsche  behauptet,  ohne  den  Beweis 
dafür  anzutreten.  Wahrscheinlich  wollen  sie  die  Rolle  des  Ludus  als 
aus  einem  andern  Stück  entnommen  darstellen,  was  um  so  weniger 
schwer  fallen  kann,  da  der  Grundgedanke  derselben  ja  auch  in  den 
Wolken  des  Aristophanes  vorkömmt,  während  doch  sonst  keine  Spur  auf 
Benützung  der  alten  Komödie  durch  Plautus  führt.  Ritschi  ist  auf  diese 
Frage  nicht  eingegangen,  so  allseitig  er  auch  das  Stück  besprochen  hat  ; 
er  mochte  sie  durch  den  Beweis  der  künstlerischen  Einheit,  des  Stückes 
als  von  selbst  erledigt  betrachten." 


428  IX-   Bacchides. 

kann  dem  Sklaven  die  Versicherung  geben,  dass  Bacchis  IL  noch 
fest   an  ihrem  Mnesilochns  hänge   (F.  207): 

„unice  unum  plurumi  pendit," 

und  ihn  „misere  amans  desiderat"  (F.  208).  Alles  wäre  nun 
gilt:  allein  Geld  ist  das  Erste,  „aurost  opus"  (F.  219);  denn  der 
Soldat  ist  bereits  im  Anzug,  und  ihm  stehen  die  nötigen  Mittel 
zu  Gebote.  Sofort  fasst  Chrusalus  den  Entsehluss,  Geld  zu 
schaffen  (F.  232): 

Inde  ego  liodie  aliquam  machinabor  machmam, 
Vt  auruni  ecficiam  amanti  erili  filio. 

Da  naht  der  Vater  Nikobulus,  dem  sein  Sohn  zu  lange 
ferne  bleibt.  Er  erblickt  seinen  Sklaven  Chrusalus,  und  dieser 
erzählt  ihm  eine  lange  Geschichte,  wie  sie  mühsam  zwölfhundert 
Philipper,  ..mille  et  ducentos  Philippos"  (F.  272),  einkassiert,  mit 
Seeräubern  zu  thun  gehabt  und  zuletzt  zur  Sicherheit  die  ganze 
Summe  bei  Theotimus,  dem  Priester  der  ephesischen  Diana, 
„puplieitus"  (F  313),  hinterlegt  hätten.  Der  Alte  entschliesst 
sich  nun,  nach  Ephesus  zu  segeln,  um  das  Geld  einzuheben,  und 
Chrusalus  eilt  dem  jungen  Mnesilochus  entgegen,  um  ihm 
zu  melden,  dass  er  Geld  für  sich  und  seine  Bacchis  erworben 
habe  (F.   366): 

Nunc  ibo:  erili  filio  lianc  fabricam  dabo 
Super  auro  amicaque  eius  iuuenta  Bacchide. 

Am  Schlüsse  des  Aktes  stürzt  Ludus,  entsetzt  über  seinen 
Zögling,  aus  dem  Hause  der  Bacchis,  in  der  Absicht,  die  ganze 
Geschichte  dem  Vater  zu  enthüllen,  um  wenigstens  selber  schuld- 
los zu  sein  (F.   383): 

De  me  hanc  culparu  demolibor  iam  et  seni  faciam  palam  .  .  . 

In  der  ersten  Szene  des  dritten  Aktes  erscheint  Mnesi- 
lochus (cum  pediseqvis),  hocherfreut  über  die  Treue  seines 
Freundes  Pistoclerus,  seine  neugewonnene  Bacchis  und  den 
klugen  Gedanken  seines  Sklaven,  die  eingezogenen  zwölfhundert 
Philipper  für  sich  zu  verwenden.  Da  erblickt  er  Philoxenus, 
den  Vater  des  Pistoclerus,  im  Gespräche  mit  Ludus.  Er 
zieht  sich  zurück,  um  sie  zu  belauschen.  Der  Dialog,  den  beide 
führen,  ist  äusserst  interessant,  einmal,  weil  er  uns  ein  ausführ- 
liches Bild  der  alten  Erziehung  giebt,  andrerseits,  weil  vor  zwei- 
tausend Jahren,  ebenso  wie  heute,  das  „olim"  (F.  438)  alles  galt, 
dem  das  „alii  nunc  sunt  mores"  (F.  437)  entgegensteht. Alles  that 
man   vordem  auch,   gesteht  später  freilich  Philoxenus  (F.  1079): 


Charakteristik  derselben.  429 

—  fui  ego  illa  aetate  et  feci  illa  omnia,  set  more  modesto. 
Duxi  habui  scortum  potaui  edi  donaui:  at  enim  id  raro. 

Die   altrömische   Erziehung-    schildert   Ludus    ausführlich  (7    421 
—434  und  nochmal    7   438—449). 

Mnesilochus  hört  dies  alles  und  glaubt,  sein  Freund  werde 
seinethalben  und  um  seine  Bacchis  getadelt;  er  tritt  vor,  ver- 
nimmt aber  alsbald  zu  seinem  Entsetzen,  dass  Pistoclerus  eine 
Bacchis  aus  Samos  liebe.  Er  hält  sich  für  betrogen  von  dem,  der 
sein   vollstes  Vertrauen    genoss,    und    schwört  erbittert  (7   511): 

Arno  hercle  opinor,  ut  quod  pro  certo  sciam: 
Verum  quam  illa  umquam  de  mea  pecunia 
Ramenta  fiat  plumea  propensior, 
Mendicum  malim  mendicando  uincere! 

Darum  (7.   517): 

Igitur  mi  inani  atque  inopi  subblandibitur 

Tum  quom  nihilo  plus  [ad  suam  rem  illut]  referet, 

Quam  si  ad  sepulcrum  mortuo  dixit  logos. 

So  erstattet  er  seinem  Vater  die  zwölfhundert  Philipper  zu- 
rück, nur  bittet  er  für  den  treuen  Chrusalus  um  Gnade,  der  ja 
für  ihn  so  gehandelt  habe. 

Im  vierten  Akte  kommen  Pistoclerus  und  Mnesi- 
lochus, der  bereits  alles  seinem  Vater  zurückgestellt  und  nur 
schwer  (grauate,  7  532)  für  seinen  Sklaven  Verzeihung  erbeten 
hat,  zusammen.  Nach  einigen  Vorwürfen  erfährt  Mnesilochus, 
dass  Bacchis  eine  gleichnamige  Schwester  habe,  alles  also  völlig 
ausser  Schuld  sei.  Er  eilt  ins  Haus,  um  sich  von  der  Wahrheit 
des  Gesagten  zu  überzeugen. 

Der  Parasit  des  Kleomachus  tritt  auf,  um  anzufragen,  ob 
Bacchis  ihr  Geld  zurückerstatten  wolle.  Pistoclerus  treibt 
ihn  mit  derben  Worten  weiter.  Mnesilochus  bereut  nun  bitter, 
seinem  Vater  so  voreilig  die  Summe  ausgehändigt  zu  haben. 
Pistoclerus  kann  ihn  nicht  trösten,  da  zeigt  sich  der  Helfer  in 
Chrusalus   (7.    639): 

„Tuam  copiam  eccum  uideo  Chrusalum." 

Chrusalus  spricht  noch  begeistert  von  seinem  gelungenen 
Streiche,  da  schaut  er  seinen  Herrn  in  tiefer  Trauer  und  erfährt, 
wie  dieser  allzuunbesonnen  das  schöne  Geld  wieder  verscherzt  habe. 
Nach  kurzer  Beratung  verspricht  er ,  die  Summe  Avieder  zu 
schaffen.  Er  diktiert  seinem  Herrn  einen  Brief  an  seinen  Vater, 
des  Inhalts,  der  Sklave  habe  ihn  hart  geschmäht,  weil  er  das 
Geld  wieder  eingeliefert  habe;  er  möge  auf  seiner  Hut  sein;  ihn 
zwar  nicht  prügeln,   wohl   aber  festnehmen.      Die   beiden  Freunde 


430  IX-  Bacchides. 

treten  bei  den  Bacchides  ein;  Nikobulus,  ohnehin  auf  Chru- 
salus  wegen  seines  Betruges  erzürnt,  kömmt  aus  dem  Hause  und 
erhält  von  dem  Sklaven  den  Brief  seines  Sohnes.  Sogleich  lässt 
er  Chrusalus  fesseln.  Dieser  weist  auf  das  Haus  der  Bacchi- 
des. „Du  hältst  sie  wohl  für  eine  Buhlerin?"  fragt  er  seinen 
Herrn.  —  „„Gewiss.""  —  „0  nein!"  —  „„Wer  ist  sie  dann?"" 
—  „Ex  nie  quidem  hodie  numquam  fies  certior!"  Damit  ist  dem 
Weiteren  in  trefflicher  Weise  vorgebaut.  Kleomachus  tritt 
polternd  auf,  gegen  Mnesilochus  Drohungen  ausstossend.  Nun 
führt  Chrusalus  seinen  Plan  weiter,  indem  er  erklärt,  dass 
Bacchis  die  Ehefrau  des  Kleomachus  sei.  Gerne  will  nun 
Nikobulus,  um  seinen  Sohn  zu  retten,  die  von  dem  Miles  ge- 
forderten zweihundert  Philipper  zahlen.  Chrusalus  bittet,  zu 
Mnesilochus  gehen  zu  dürfen,   um  ihm  Vorwürfe  zu  machen. 

Ein  prächtiger  Monolog  des  Chrusalus,  indem  er  die  Hel- 
denthaten  der  Atriden  mit  seiner  That  vergleicht,  beginnt  den 
fünften  Akt.  Nikobulus  erscheint  und  erhält  durch  Chru- 
salus ein  Schreiben  seines  Sohnes,  in  welchem  er  um  zweihun- 
dert Philipper  bittet,  da  er  der  Frau  des  Kleomachus  dieselben 
eidlich  versprach.  Der  Vater  möge  ihn  vor  diesem  Weibe  retten. 
So  bleiben  dem  Alten,  wie  ihm  der  Sklave  witzig  vorstellt,  zwei 
Dinge  zur  Wahl  übrig  (7.    1042): 

Vel  ut  aurum  perdas,  uel  ut  amator  peieret. 

Und  es  ist  ja  doch  sein  Sohn!  Tuns  est!  (F.  1044.)  Nikobu- 
lus holt  nun  die  zweihundert  Philipper  für  Kleomachus  und 
zweihundert  weitere  für  seinen  Sohn. 

Fit  uasta  Troia,  scindunt  proceres  Pergamum. 
Sciui  ego  iani  duduni  fore  me  exitium  Pergamo. 

(F.  1053)  jubelt  Chrusalus  und  nimmt,  nochdazu  widerstrebend, 
das  Geld  für  Mnesilochus  an,  indessen  Nikobulus  den  Sol- 
daten aufsucht,   um  ihn   auszubezahlen. 

Im  sechsten  Akte  überdenkt  Philoxenus  eben  das  Leben 
seines  Sohnes  und  kömmt  zu  dem  Schlüsse  (F.    1081): 

Neque  placitant  mores  quibus  uideo  gnatis  uolgo  esse  parentis. 

Da  kömmt  Nikobulus  zornentbrannt.  Kleomachus  bat 
ihm  versichert,  dass  Bacchis  seine  Frau  nicht  ist,  vielmehr  eine 
Buhlerin.  Die  beiden  Väter  besprechen  sich  nun  und  rufen  ihre 
Söhne  aus  dem  Hause  der  Bacchides.  Die  beiden  Mädchen  be- 
schimpfen die  alten  Herren  aufs  gröbste,  bald  aber  ist  Philoxenus 
von  ihrer  Schönheit  gewonnen  (F.  1158): 

„Tactus  sum  uehementer  uisco:  cor  [pol  mihi]  stimulo  fbditur," 


Charakteristik  derselben.  43 X 

bald  auch  findet  er  (F.  1164): 

meo  filio  non  sum  iratns 
Neque  te  tuost  aequom  esse  iratum:  si  amant,  sapienter  l'aciunt. 

Nach  längerem  Widerstände  gesteht  endlich  auch  Nikobu- 
lus  (F.   1192): 

Caput  prurit:  perii.  uix  neg'ito, 

und  da  ihm  Philoxenus  zum   Lebensgenüsse  rät  (F   1192): 

Non  tibi  in  rnentemst,  [te]  amabo, 
Si  dum  uiuas  tibi  bene  facias,   pol  id  quidem   esse  hau  perlonginquom, 
Neque  si  hoc  hodie  amissis,  id  post  mortem  euenturum  esse  umquam? 

stimmt  er  leise  bei:  Lubet  et  metuo  (F.  1195).  Den  Schmeichel- 
worten der  Bacchis  erliegt  er  endlich:  Age  iam,  utut  est,  etsist 
dedecori,  patiar  (F.  1201). 

So  sind  die  Alten  ins  Netz  gegangen  (F.    1206): 

Lepide  ipsi  hi  sunt  capti,  suis  qui  filiis  fecere  insidias. 

In  den  beiden  Bacchis  (ambas  Bacchides,  F.  719)  werden 
Hetären  in  ihrem  ganzen  Reize  und  mit  ihrer  ganzen  Verführungs- 
kunst, doch  auch  in  ihrer  sittlichen  Verkommenheit  dargestellt. 
Auf  die  Frage,  wer  dies  Haus  bewohne,  erwidert  Pistoclerus 
begeistert  (F.    115): 

Amor  Voluptas  Venus  Yenustas  Gaudium 
locus  Ludus  Sermo  Suauisauiatio. 

Er  bezeichnet  die  eine  als  Venus,   die  andere  als  Juno  (F.  217): 
Xi  nauctus  Venerem  essem,  haue  Iunouem  ducerem. 

Selbst  Nikobulus  findet  das  Mädchen  (F.  838):  „Ad  mo- 
dum  bella  specie  mulier." 

Allein  richtig  sagt  ihnen  Pistoclerus  (F.  50):  ,,Viscus  me- 
rus  uostrast  blanditia." 

Der  sorgsame  Pädagog  nennt  ihre  Thüre  „ianuam  Orci" 
(F.  368),  ihr  Haus  „omnis  ad  perniciem  instxucta  domus  opime 
atque  opipare"  (F.  373),  und  die  beiden  Schwestern  selbst  in 
einem  trefflichen  Wortspiele  (F.  371): 

Bacchides  non  Bacchides,  set  Bacchae  sunt  acerrumae. 
—    —    sorores,  quae  hominum  sorbent  sauguinem, 

und  den  Umgang  mit  ihnen  „lutulentum  coenuin"  (F.  384).  Jene 
aber,  welche  des  Pistoclerus  Liebe  errang,   schildert  er  (F.  471): 

quae  acerrume  aestuosa  apsorbet,  ubi  quemque  attigit. 


432  IX-  Bacchides. 

Wie  boshaft  die  beiden  Dirnen  sind ,  zeigt  sich  in  der 
letzten  Szene,  wo  sie  mit  ihrem  Spotte  die  beiden  Alten  ver- 
folgen, ihre  weissen  Haare  als  Schafwolle  (F.  1125),  sie  selber 
als  Schafe  mit  Menschenstimmen  (V.  1141,  „humana  nos  uoce 
appellant  oues'')  u.  s.  w.  bezeichnen,  eine  Behandlung,  zu  der 
Philoxenus  allerdings  richtig  bemerkt  (F.    1132): 

Merito  hoc  nobis  fit,  qui  quidem  huc  uenerimus. 

Die  beiden  Freunde,  Pistoclerus  und  Mnesilochus,  wer- 
den wiederholt  als  Jugendgefährten  (meuni  sodalem,  F.  389;  hie 
sodalis  Pistoclero  iam  puer  puero  fuit,  F.  462),  und  ganz  gleich- 
alterig  (triduom  non  interest  aetatis  ut  maior  siet,  F.  463)  ge- 
nannt; darum  überrascht  es,  dass  Mnesilochus  bereits  vor  zwei 
Jahren  (abhinc  biennium,  F.  388)  nach  Ephesus  reiste,  indessen 
Pistoclerus  eben  erst  anfängt,  sich  seinem  Pädagogen  zu  ent- 
winden (F.  139  und  152,  iam  excessit  mi  aetas  ex  magisterio  tuo). 
Nur  nach  dieser  Hinsicht  mögen  wir  dem  Worte  des  Ludus  über 
Mnesilochus  glauben  (F.  464): 

Verum  ingenium  plus  triginta  [huic]  aunis  maius  quam  alterist. 

Hatte  er  doch  auch  früher  schon  seine  Bacchis!    (F.    390.) 
Im    übrigen     sind    sie    beide    gleich    verliebt.      Pistoclerus 
kann  von   seiner  Bacchis  nicht  scheiden  (F.  180): 

„ita  me  uadatum  amore  uinetumque  attines," 

luid  Mnesilochus  liebt    sein    Mädchen    noch,    selbst    als    er  arg- 
wöhnt,  sie  habe  ihn  verraten  (F.  505): 

„Ego  illam  exemplis  plurumis  planeque  amo." 

Dankbar  lohnt  Mnesilochus  die  Dienste  seines  Sklaven; 
nirgend  vergisst  er,  ihn  vor  allem  andern  sicher  zu  stellen;  und 
schön  ist  sein   Grundsatz  (F.  402): 

„Caue  sis  te  superare  seruom  sieris  faciundo  bene." 

Einen  Gegensatz  in  ihren  Anschauungen  zeigen  ziemlich 
lange  die  beiden  Väter.  Philoxenus  hat  als  Vater  Ansichten, 
welche  dem  Pädagogen  sein  Amt  sehr  erschweren  mögen.  Er 
wundert  sich  nicht,  dass  sein  Sohn  sich  an  Dirnen  hänge;  denn  in 
seinem  Alter  that   er  es  ja  auch  (F.  409): 

Minus  mirandumst  illaec  aetas  siquid  illorum  facit, 

Quam  si  non  faciat:  feci  ego  istaec  itidem  in  adulescentia. 


Charakteristik  derselben.  433 

Nur  Eines,   denkt   er,   soll  der  Pädagog  im  Auge  haben  (7  417): 
Dum  caueatur  praeter  aequom  nequid  delinquat,  sine. 

ein  Grundsatz,  den  er  (7  1082)  wiederholt,  selbst  wo  er  mit  dem 
Treiben  seines  Sohnes  nicht  mehr  einverstanden  ist  (7  1076). 
Allein  dem  Mädchen  gegenüber  verliert  er  gar  bald  seinen  Halt, 
und  er  ergiebt  sich  dem  Liebesgenusse,  obwohl  für  ihn  die  Dirne 
umarmen  ..mortem  amplexari1'  (7  1152)  heisst,  und  die  beiden 
Alten  (7  1135): 

Exoluere,  quanti  fixere:  omnis  fructus 
Iam  illis  decidit. 

Nikobulus  ist  um  seinen  Sohn  mehr  besorgt.  In  seiner 
Abwesenheit  grämt   er  sich  um  ihn  (7   237): 

Xam  mens  formidat  animus,  nostrum  tarn  diu 
Ibi  desidere  neque  redire  filium. 

Er  schenkt  seinen  beiden  Briefen  unbedingten  Glauben,  sucht 
ihn  der  Schande  zu  entreissen  und  sein  Wort  einzulösen.  Darum 
ist  sein  Zorn  berechtigt,  da  er  sich  zweimal  betrogen  sieht  (7 
1087  ff.);  er  nennt  sich  ..homo  miser  atque  infortunatus-' 
(7  1106).  Dass  auch  er,  obwohl  nach  längerem  Zaudern,  sich 
den  Dirnen  preisgiebt,  beweist  nur  die  Richtigkeit  der  Schluss- 
verse  (7    1207): 

Hi  senes  nisi  fuissent  nihili  iam  inde  ab  adulescentia, 
Non  hodie  hoc  tantum  flagitium  facerent  canis  capitibus. 

Der  Parasit,  der  herkömmliche  Vermittler  des  Miles,  ist  in 
der  üblichen  Form  gezeichnet.  Es  klingt  wie  ein  Ausdruck  der 
Selbstverachtung,   wenn  er  von  sich  sagt  (7.   573): 

Parasitus  ego  surn  hominis  nequam  atque  inprobi, 
Militis  .  .  . 

Pistoclerus  bringt  ihn  schnell  weiter,  worauf  er  nicht  mehr 
auftritt. 

Auch  der  Miles  Kleomachus  ist  der  bekannte  Soldat  der 
Komödie:  der  Parasit  meldet  bereits  (7.  602):  „sufflatus  ille  huc 
ueniet" :  als  solchen  erweist  er  sich  bei  seinem  prahlerischen  Auf- 
treten (7.   845): 

Non  me  arbitratur  militem,  set  mulierem, 

Qui  jne  meosque  non  queam  defendere. 

Nam  neque  Duellona  mi  umquam  neque  Mars  creduat. 

Ni  illtun  cxauimalem  faxo,  si  conuenero, 

Niue  exheredem  fecero  uitae  suae, 

28 


434  1^-   Bacchides. 

und  wenn   er  droht,   alle  umzubringen   (F.  859): 

Nihil  est  lucri  quod  me  hodie  facere  mauelim 

Quam  illum  cubantem  cum  illa  opprimere,  ambo  ut  necem. 

„Ludus,  der  Pädagog,  ein  Charakter,  den  die  alte  Komödie 
nur  in  diesem  Exemplar  aufzuweisen  hat,  ist  mit  vieler  Vorliebe 
gezeichnet  und  bildet  in  den  drei  ersten  Akten  gewissermassen 
die  Hauptrolle."  ')  Die  Freuden  seines  jugendlichen  Zöglings 
weiss  er  nicht  zu  würdigen;  für  ihn  sind  sie  der  Pfuhl  des 
Lasters.  Er  ist  ein  kalter  Pedant.  Die  Liebe  und  ihre  Genüsse 
sind  für  ihn  „damnosissumi"  (F  117);  er  fragt:  An  deus  est 
ullus  Suauisauiatio ?  (V.  120),  weshalb  ihn  sein  Zögling  ,.bar- 
barus"   nennt  (7.   121): 

hem  quam,  o  Lude,  es  barbarus, 
Quem  ego  sapere  nimio  censui  plus  quam  Thalem. 
I,  stultior  es  barbaro  Poticio, 
Qui  tantus  natu  deorum  nescis  nomina! 

Dem  Jünglinge,  den  er  nach  bester  Überzeugung  heranbilden 
will,   steht  er  ratlos  gegenüber. 

Ibidem  mearu  operam  perdidi  ego,  ubi  tu  tuam: 
Tua  disciplina  nee  mihi  prodest  nee  tibi, 

sagt  ihm  der  Schüler  (F    134).      Lieber  wäre  er  tot,    als  solches 
zu  schauen   (F  150): 

..Yixisse  nimio  satiust  iam  quam  uiuere." 

Nochmal  sehen  wir  ihn,  wie  er  dem  Vater  Philoxenus  und 
seinem  Freunde  sein  Leid  klagt  (F.  484): 

Mihi  diseipulus,  tibi  sodalis  periit,  huice  filius: 

Nam  ego  illum  perisse  dico,  quoi  quidem  periit  pudor. 

Dann  tritt  er  für  immer  ab.  Seine  schönen  Lehren  werden 
nicht  geachtet,  vom  Sohne  nicht  gehört,  vom  Vater  nicht  unter- 
stützt, und  an  die  Stelle  desjenigen,  der  den  verderblichen  Um- 
gang mit  den  Dirnen  nach  allen  Kräften  verhindern  wollte,  tritt 
der  Sklave  Chrusalus,  der  seinen  ganzen  Witz  aufwendet,  den- 
selben zu  fördern  und  möglich  zu  machen.  Auf  ihm  ruht  von 
seinem  ersten  Auftreten  (F.  170)  der  Schwerpunkt;  er  wird  die 
Hauptperson  der  Komödie. 

Chrusalus  ist  einer  jener  Sklaven,  der  für  seinen  Herrn 
alles  unternimmt.     „Opus  est  chruso   Chrusalo"  (F.  240),    ist  seine 


')  Rapp.    S.  1587. 


Charakteristik  derselben.  435 

Devise.  Machinam  macliinari  (F.  232),  fabricam  dare  (F  366), 
ja  auch  etwas  Gefahrvolles  für  seinen  Herrn  zu  übernehmen  (  F.  761), 
ist  er  stets  bereit.  Mag  er  auch  dem  alten  Herrn  ein  ..mordax 
canis"  (F  1146),  ein  Elender,  der  ihn  auszog  (F  1094),  sein, 
für  Mnesilochus  ist  er  stets  ein  Helfer,  eine  copia,  (F.  639).  Quas 
ego  hie  turbas  dabo  (F.  357),  ruft  er  selbst  aus;  auch  Schlägen 
gegenüber  will  er  entschlossen  sein  (F.  365).  „Si  illi  sunt  uirgae 
ruri,  at  mihi  tergum  domist."  Was  Wunder,  wenn  er  sich  seines 
eigenen  Wertes  bewusst  ist,  er,  der  selbst  erfindet  (F.  752,  „mea 
fiducia  opus  conduxi  et  meo  periclo  rem  gero"),  und,  Vergleiche 
zwischen  sich  und  andern  Sklaven  ziehend,  sich  einen  Mann  nennt, 
der  mit  Gold  aufgewogen  werden  soll  und  eine  Statue  verdient 
(F.  640): 

Hunc  liominein  decet  auro  expeudi:   huic   statuam  statui  decet  ex  auro. 

(Vergl.  auch    F.   649). 

Er  führt  den  in  der  Komödie  so  vielfach  aufgestellten   Grund- 
satz durch  (F.   654): 

Nullus  frugi  esse  homo  ***  potest, 

Nisi  qui  et  bene  facere  et  male  tenet. 
Inprobus  sit  cum  inprobis, 
Harpaget  [cum]  furibus, 
Quod  queat.  uorsipellem  esse  hominem  conuenit, 
Pectus  quoi  sapit. 
Bonus  sit  bonis, 
Malus  sit  maus: 
Vt  quaequomque  res  est,  ita  animum  habeat  [usque]. 


Bemerkenswerte  Nachahmungen  oder  Neubearbei- 
tungen der  Bacchides  sind  nicht  nachzuweisen. ')  Obenan 
steht  dem  Alter  nach  Alb  recht  von  Eybes  deutsche  Übertra- 
gung vom  Jahre   1511   (S.    87),   die   ziemlich  getreulich  ist. 

Hie  fahet  an  der  ander  tail  dises  buchs  |  vnd  sagt  von  zwaien 
schwöstern  der  yetwedern  genannt  ist  Bachis,  darumb  die  vber- 
geschrifft  |  dises  Capittels  gestellet  wirt.  Plautus  in  |  Bachide,  wann 
Plautus  der  poet  von  di|sen  zwaien  schwöstern  geschoben  hat. 

Vorerst  heisst  es:  „Die  namen  der  personen  in  diesem  büch- 
lin  werden  genannt   vnd  gemeldet: 


')  Ussing.    II,  370.     Argumentum  huiua  fabulae  etiam  recentiori- 

bus  poetis  placuit.  Iledit  ex  parte  salteni  in  comoedia  italica  Nicolai 
Barbieri  quae  iuscribitur  „ L'inavvertito",  iu  gallica  Quinaultii, 
cui  nomen  L'amant  indiscret,  in  Molierii,  „l'Etourdi",  in  anglica 
Drydenii  Sir  Martin  Marall.  Vid.  Dunlop,  History  of  Roman  lit- 
terature.     I,  pag.   1<>2. 

28* 


436  IX.  Bacchides. 

Am  ersten  so  seind  gemeldt  vnnd  geneut  am  maisten  die 
zwü  scliwöster,  yekliche  genant  Bachis,  von  wölen  dises  püchlin 
seinen  namen  genommen  hat,  wann  alle  geschieht  sein  geschehen 
von  den  selben  zwainen  scliwöster  wegen.  Darnach  ist  ain  vater, 
genannt  Cuntz,  mit  seinem  sun,  genannt  Lentz,  vnd  seines  suns 
schulmaister,  genannt  Goetz.  Darnach  ist  ain  riter,  genannt  Seitz,  mit 
seinem  knecht  Fritz,  die  zwen  altuäter  Vtz  vnd  Cuntz  haltens  gemai- 
nickklich  mitt  ainander,  so  haltens  die  zwen  sün  Entz  vnd  Lentz 
auch  mitainander,  darumb  dass  y  freyen  vnd  pulen  die  obgenannten 
zwu  Schwester,  vnd  thuen  sochs  mit  hilff  vnd  radt  Pentzen  des 
knechts,  so  ist  der  schulmaister  Götz  wider  wertig  seinem  jünger 
Lentzen,  darumb  das  er  ein  puler  ist  vnd  jm  nitt  volgen 
wyll,  der  rytter  Seytz  ist  wider  Entzen,  von  wegen  das  er  jm 
seinen  bulen  entfrembdt  vnd  abgesetzt  hat.  Auss  solchen  mag 
man  dester  ee  kommen  in  verstentnuss  des  gantzen  büchlins,  als 
man  hernach  bass  sehen  vnd  vermereken  wirdt." 

Alsdann  beginnt  nach  dem  Argument  das  Stück  selbst,  wie 
in  den  Menächmen,   mit  ausführlicher  Bühnenweisung,   z.  B. : 

„Hie  hebt  an  das  biechlin,  vnnd  redenn  am  ersten  Bacchis  vnd 
aber  Bachis  die  zwu  scliwöster,  vnd  Lentz  der  jüngling  mitt 
ainander,  als  die  zwu  schwöstern  gedachten,  wie  sy  Lentzen 
wolten  betriegen,   vnd  spricht  die   erst  Bachis  zu  der  andern  also." 

Die  Lücken  des  Anfangs  geben  Eybe  Baum  zu  freieren  Re- 
den. Sein  Utz  ist  Nikobulus,  Kuntz  Philoxenus,  Lentz  Pisto- 
clerus,  Entz  Mnesilochus,  Peutz  Chrusalus,  Götz  Ludus,  Fritz 
der  Parasit. 

Die  ziemlich  wörtliche  Übersetzung  gestaltet  sich  oft  ganz 
lebhaft,   so   z.  B.  in  der  Rede  des  Ludus  (V.   367): 

Pandite  atque  aj^erite  propere  ianuam  hanc  Orci,  opsecro  u.  s.  w. 

Tliut  auf,  thut  auf  (ich  bitt  euch)  die  thür  der  hell  vnd  lass 
mich  hinauss,  wann  warlich  es  ist  nit  anders  hinnen  dann  ain  rechte 
hell,  es  kompt  niymants  herein,  er  sey  dann  gantz  verzweifelt 
vnd  hab  kain  hoffnung  zu  gutten  dingen,  Bachis  vnd  aber  Bachis, 
jr  tragt  säur  frijeht,  jr  gebt  bösen  Ion  (=  V.  371,  Bacchides  non 
Bacchides  u.  s.  w.),  weichet  von  mir,  weicht  hyndan,  ir  saugt  auss 
der  menschen  blut  u.  s.  w.  bis  zum  Schlüsse. 

„Das  ist  nun  die  letst  red  vnd  die  frölich  ist  vnd  die 
schimpflich  ist,  vnd  werden  nu  alle  schach  verzieht  als  sollich 
bücher  sie  vnd  gewonhait  ist,  vnd  als  Vtz  vnd  Kuntz  zornyklich 
anklopfften,  so  kommen  die  zwo  Bachis  herfür  gegangen,  vnd 
spricht  die  erst  also."  Es  folgt  eine  getreue  Übertragung  bis  zu 
den  Schlussworten:  „gott  geh  vns  die  höchste  freyd,  das  ist  das 
ewige  leben.    Amen. "  *) 


')  Nach  der  Ausgabe  von  1537. 


Barbieri.     Pb.  Quinault.  437 

Mit  den  Baccbides  bringt  man  gemeiniglich  in  Zusammen- 
hang die  italienische  Komödie  des  Niccolö  Barbieri  „L'inav- 
vertito"  ')  aus  dem  Jahre  1629  und  Quinaults  „L'amant 
indiscret". 

Philippe  Quinaults  (geb.  1635;  gest.  (26.)  29.  Nov.  1688) 
Lustspiel,  „L'amant  indiscret  ou  le  maltre  etourdi,"2)  wurde 
1654  aufgeführt.  Die  Inhaltsangabe  mag  am  besten  zeigen,  in 
wie  losem  Zusammenhange  es    mit    den    Baccbides    steht. 

I.  Akt.  Cleandre,  der  Liebhaber  Lucresses,  hört  von 
seinem  Diener  Philip  in,  dass  dieselbe  mit  ihrer  Mutter  Li  dam  e 
und  in  Begleitung  eines  „certain  Fanfaron"  eben  in  Paris  ange- 
kommen ist.  Er  verhandelt  mit  dem  Wirte  de  la  Tete-noire, 
Carpalin,  um  im  Hause  seiner  Geliebten  wohnen  zu  können. 
Ebendahin  kömmt  auch  Lisipe,  Cle andres  Freund,  den  er 
lange  nicht  mehr  getroffen  hat.  Lisipe  ist  gleichfalls  der  Ver- 
ehrer von  Lucresse,  und  ihm  verrät  Cleandre,  trotz  des  Ab- 
mahnens  seines  Dieners,  seine  Liebe  zu  Lucresse.  Da  er  erfährt, 
dass  er  sich  blossgestellt  habe,  ist  er  ausser  sich:  sein  Diener 
jedoch  verspricht  ihm: 

Pour  vous  servir  je  veux  faire  im  effort, 
On  remedie  ä  tout,  mais  non  pas  ä  la  mort. 

II.  Akt.  Lisipe  versichert  Lucresse,  dass  er  um  ihre 
Liebe  zu  Cleandre  aus  dessen  eigenem  Munde  wisse,  da  dieser 
öffentlich  damit  prahle.  Schwer  gelingt  es  Philip  in,  die  er- 
bitterte Dame  wieder  für  ihren  Geliebten  umzustimmen.  Lisipe 
aber  berichtet  Philipin,  dass  Cleandre  aus  Freundschaft  für 
ihn  auf  Lucresse  verziehte: 

II  veut  vous  faire  voir  par  ce  prompt  cliangement 
Qu'il  est  meilleur  ami,  qu'il  n'est  discret  amant. 

Unterdessen  kömmt  auf  Philip  ins  Anstiften  der  Wirt  Car- 
palin als  Bauer  verkleidet.  Er  giebt  sich  für  einen  Pächter 
von  Lisipes  Vater  aus,  von  dem  er  berichtet^  er  sei  gestorben. 
Alles  geht  nach  Wunsch.  Lisipe  will  in  einer  Stunde  abreisen, 
da  kömmt  Cleandre  dazu  und  verrät  wieder  alles,  sodass  Phi- 
lip in  auf  eine  neue  List  sinnen  muss.  Cleandre  ist  eben  ,,en 
generosite   .  .  .   sans  egal". 


')  L'Inauertito,  ouero  Scappino  disturbato,  e  Mazzetino 
Trauagliato.  Comedia  di  Nicolö  Barbieri,  detto  Beltrame.  To- 
rino  1629  in  12°  und  Venezia  (appresso  Angelo  Saluadori)  1630  in  12". 
(Allacci  179.) 

2)  Auf  S.  251 — 356  des  ersten  Bandes  von  „Le  theätre  de  mon- 
sieur  Quinault,  contenant  ses  tragedies,  comedies  et  operas.  Noüvelle 
editiou.  Enrichie  de  Figures  en  taille-douce.  A  Paris,  par  la  compagnie 
des  libraires.     1739". 


438  IX.   Bacchicles. 

III.  Akt.  Lisipe  muss  entfernt  werden.  Er  ist  in  Pro- 
zessangelegenheiten  in  Paris.  Rosette,  Lncresses  Mädchen, 
soll  nun  auf  Philip  ins  Rat  die  wichtigsten  Papiere  wegräumen 
und  sagen,  sie  habe  dieselben  vergessen;  mittlerweile  will  Philip  in 
als  valet  in  Lidames  Dienste  treten.  Lisipe  reist  wirklich  ab, 
um  die  nötigen  Dokumente  zu  holen.  Lidame  nimmt  den  um 
eine  Stelle  sich  bewerbenden  Philip  in  gnädig  axif,  da  kömmt 
unseligerweise  wieder  Cleandre  dazu.  Unter  Prügeln  reklamiert 
er  seinen  Diener,  der  doch  nur  seinethalben  in  Lidames  Dienst 
getreten  war,  und  hat  somit  wieder  eine  hübsche  List  zerstört. 
Vergeblich  klagt   er:    „Ah!   que  j'ai  de  malheur!" 

IV.  Akt.  Unter  verschiedenen  anderen  Ränken  wird  auch 
ausgeheckt,  dass  der  Wirt,  als  reicher  Kaufmann  gekleidet,  als 
Bruder  der  Frau  Lidame  eingeführt  werden  soll.  Auch  diese 
List  gelingt  anfänglich.  Carpalin  stellt  sich  als  jenen  Bruder 
vor,  der  eines  Duelles  halber  aus  Auxerre  vor  vielen  Jahren  in 
die  neue  Welt  flüchten  musste.  Er  begrüsst  seine  Schwester,  und 
..Lidame  est  un  peu  sötte-'  und  glaubt  ihm  alles.  So  verlangt 
er,  seine  Nichte  zu  sehen.  Nachts  soll  Cleandre  ein  Stelldichein 
mit  Lucresse  haben;  gerät  aber  an  Lidame,  die  auf  diese  Weise 
alles  erfährt  und  dem  Liebhaber  statt  eines  Kusses  eine  tüchtige 
Ohrfeige  giebt. 

V.  Akt.  Noch  immer  spinnt  Philip  in  unermüdlich  seine 
Intriguen  weiter,  welche,  wie  jedesmal,  sein  Herr  zu  nichte  macht. 
Am  Schlüsse  stellt  sich  Cleandre  selbst  als  den  Bräutigam  des 
Mädchens  vor,  das  vorher  schon  seiner  Mutter  seine  Leidenschaft 
gestanden  hat.  Carpalin  als  Bruder  ist  eben  daran,  die  Sache 
günstig  zu  schlichten,  wird  aber  wieder  von  Cleandre  in  seinen 
Plänen  gekreuzt,  der  ihn  als  den  Wirt,  bei  dem  er  wohnt, 
entdeckt.  Alle  gestehen  ihre  List,  und  das  Stück  schliesst  mit 
der  Doppelhochzeit  des  Cleandre  mit  Lucresse  und  des  Phili- 
pin mit  Rosette.      „La  comedie  est  faite;   il  n'est  plus  indiscret." 

Die  Berührungspunkte  der  Komödie1)  des  Quinault 
mit  den  Bacchides  sind  schwer  ausfindig  zu  machen. 
Dass  ein  Herr  die  List  seines  Dieners  voreilig  zu  nichte  macht, 
mag  einmal  angehen;  fünf  Akte  hindurch  dürfte  er  die  Geduld 
selbst  des  treuesten  Sklaven  erschöpfen.  Sollte  dies  die  einzige 
Ähnlichkeit  beider  Lustspiele   sein? 

Bei  Plautus  hat  Mnesilochus  an  seinen  Freund  Pisto- 
clerus  vor  zwei  Jahren  geschrieben  (V.  388  ff.),  er  möge  ihm 
seine  Bacchis  ausfindig  machen.  Er  ist  voll  des  Dankes  gegen 
den  aufopfernden  Freund  und  hört  ungläubig  aus  Ludus' 
Mund  (V.   474)  die  Anklage  gegen  seinen  Freund.     Hier  sind  die 


')  S.  Mahrenholtz,  Moliere,  S.  70.  71. 


Drydens  Sir  Martin  Mar -All. 


439 


Leiden  Freunde    wirklich    Rivalen.      Flüchtig    erinnert    V.   534    an 
Quinault: 

Estne  hie  mens  sodalis? 

Est-ce-vous,  eher  Lisipe,  que  je  vois?   Ne  m'abuse-je  point? 

Noch  in  derselben  Szene  überzeugt  sich  Mnesilochus  von 
der  wahren  Gesinnung  seines  Freundes:  hier  glaubt  Lisipe  an 
das  Opfer  seines  Freundes,  ja  er  bittet  ihn  sogar,  über  die  Ge- 
liebte zu  wachen. 

Somit  sind  wohl  äusserst  wenige  Anhaltspunkte 
gegeben,  um  anzunehmen,  dass  Quinault  die  Bacchides  im 
Auge  hatte,   als   er  seinen   „amant  indiscret"    schrieb. 

Völlig  mit  Quinault  übereinstimmend,  ist  John  Drydens 
Lustspiel:    „Sir  Martin  Mar-All,    or  the  feign'd  innocence."  J) 

Der  gewandte  Diener  Philip  in  ist  hier  Warner.  Die  Be- 
gegnung der  beiden  Rivalen,  des  kentischen  Ritters  Sir  John 
SwalloAv  und  des  Sir  Martin  Mar-All  (Cleandre-Lisipe), 
sowie  Warners  Verlegenheiten  mit  seinem  Herrn,  ist  ganz  wie 
bei   Quinault. 

Eine  Szene  möge  die  Gleichheit  und  Verschiedenheit  beider 
Stücke  beleuchten. 


Lis.     Est-elle  de  Paris? 

Phil,  (ä  part)  Ah! 

Cle.    Non,  eile  est  d'Auxerre. 

Phil,  (ä  part)  C'est  son  rival! 

Lis.     C'est  lä  que  j'ai  certaine  terre. 
M'apprendrez  vous,  comment? 


Cle.  J'etois  dedans  Auxerre  &  dans 
un  Temple  un  jour. 

Phil,  (bas  ä  Cleandre)  Monsieur, 
que  pensez-vous  d'en  user  de  la 
sorte. 

Cle.  (ä  Philipiu)  C'est  un  de  mes 
amis. 

Phil,  (bas)  II  n'importe. 

CIL  (bas)  II  n'importe  (ä  Philipin). 
Quand  je  vis  cet  objet  si  charmaut 

et  si  beau, 
Que  je  dois  l'adorer  jusques  dans 

le  tombeau. 


Sir  John.    Is  she  of  Town  or  Coun- 

try? 
Wartier.     How  's  this?   (aside.) 
Sir  Marl.  She  is  of  Kent  near  Can- 

terbury. 
Warner.     What    does    he    mean? 

This  is  bis  Rival.     (aside.) 
Sir  John.    Near      Canterbury     say 

you?    I  have  a  small  Estate  lies 

there  abouts,  and  niore  Concerne- 

ments  than  one  besides. 
Sir  Marl.  I  '11  teil  you  then,  being 

at  Canterbury,  it  was  my  Portune 

once  in  the  Cathedral-Church.  — 
Warner.     What  do  you  mean,  Sir, 

to   instrust   this   Man   with   your 

Affairs? 
Sir  Marl.   Trust  him?   why;   he   's 

a  Friend  of  mine. 
Warner.     No  matter  for  that;  hark 

you  a  Word,  Sir. 
Sir  Marl.   Pr'y  thee,  leave  fooling 

—  and  as  I  was  saying  —  I  was 

iu   the  Church,  when  I  first  saw 

this  Fair  one. 


')  Auf  S.  87 — IGT  des  zweiten  Bandes  von  „The  dramatick  works 
of  John  Dryden.  Esq.  London  (printed  for  Jacob  Tonson  in  the 
Strand)  1785". 


440 


IX.   Bacchides. 


Lis.    Son  nom? 

Phil,  (bas  ä  Cleandre)  Gardez-vous 

bieu! 
Cle.    On  la  nomine  Lucresse. 

Phil.  (bas)  Hd,  Monsieur! 

Lis.     C'est  aussi  le  noin  de  ma  mai- 

tresse. 
Cle.     Un  de  ses  gans  tomba,  j'allais 
lui  presenter. 
Et  lui  fit  compliinent. 


Phil,  (bas)   II   va   tout    lui   conter, 
u.   s.  w. 


Sir  John.  Her  name,  Sir,  I  beseech 
you? 

Warner.  For  Heav'n's  sake.  Sir, 
have  a  Care ! 

Sir  Marl.  Thou  art  such  a  Cox- 
conib.  —  Her  Name  's  Millisent. 

Warner.  Now  the  Pox  take  you! 
Sir,  what  do  yo  mean? 

Sir  John.  Millisent,  say  you?  That 
:s  the  Name  of  my  Mistress. 

Sir  Marl.  Lord!  what  Luck  is  that 
now!  well,  Sir,  it  happen'd  one 
of  her  Gloves  feil  down,  I  stoop'd 
to  take  it  up ;  and  in  the  stooping 
made  her  a  Compliment. 

Warner.  The  Devil  cannot  hold 
him:  now  will  this  thick-skull'd 
Master  of  mine  teil  the  whole 
Story  to  his  Bival,  u.  s.  w. 


Ganz  in  der  gleichen  Weise,  mit  wenig  Zuthaten,  wie  sie  das 
veränderte  Publikum  natürlich  erforderlich  machte,  meist  etwas 
breiter,  verläuft  das  englische  Stück,  das  ebensowenig,  wie 
das    französische,    in    direkter   Beziehung  zu  Plautus   steht.1) 

Anklänge  an  die  Bacchides  finden  sich  auch-)  in  Cail- 
havas  Lustspiel:  „Le  mariage  interrompu",  3)  das  zum  ersten 
Male  auf  dem  Theätre  de  la  Nation  am  10.  April  1769  aufge- 
führt wurde.4)    (S.   72.) 

Der  Dichter  sagt  hierüber  selbst: 

J'ai  encore  mis  ä  contribution  les  Bacchides  .  .  .  &je  me  feli- 
cite  de  devoir  ä  la  Piece  latine  une  scene  que  je  puis  dire  excellente, 
puisqu'elle  ne  m'appartient  pas. 

Dans  la  comedie  que  je  viens  de  citer,  Chrisale  favorise  les  amours 
de  son  jeune  Maitre,  et  lui  remet  une  somme  considerable  qu'il  a  en- 
levee  ä  son  vieux  Patron.  Le  jeune  bomme,  pique  contre  sa  Maitresse, 
qu'il  croit  infidelle,  rend  l'argent  ä  son  pere ,  &  voit,  un  instant  apres, 
qu'il  en  a  le  plus  grand  besoin.  H  s'adresse  ä  l'adroit  Chrisale:  celui-ci, 
decourage,  ne  veut  jilus  secourir:  mais  bientot  il  se  laisse  toucher;  il 
ordonne  ä  son  jeune  Maitre  de  prendre  des  tablettes,  &  lui  dicte  ä  peu 


')  Walter  Scott  in  seinen  „Memoirs  of  John  Dry den",  Paris 
1826  (I,  99),  urteilt  über  das  Stück:  This  was  originally  a  translation  of 
„L'Etourdi"  of  Moliere  executed  by  the  Duke  of  Newcastle,  famous  for 
his  loyalty,  and  his  skill  in  horsemanship. 

Dryden  availed  himself  of  the  noble  translator's  permission  to  im- 
prove  and  bring  „Sir  Martin  Mar -all"  forward  for  his  own  benefit  .  .  . 
Sir  Martin  Mar-all  was  printed  anonymously  in  1668.  It  did  not  appear 
with  Dryden's  name  until  1697.  Der  Schauspieler  Nokes  schuf  sich  mit 
Mar-all  eine  Glanzrolle.     (Vgl.  Cibber's  Apology,  pag.  86.) 

2)  I,  104.  E.  Sommer.  Cailhava  qui  a  tire  son  „Mariage  in- 
terrompu" en  partie  des  Bacchis  et  en  partie  de  l'Epidicus. 

3)  Auf  S.  357 — 434  des  ersten  Bandes  des  „Theätre  de  Cail- 
hava".    Paris  1781. 

4)  Hipp.  Lucas.     Hist.  III.  337. 


('ailhava.     Domenichi.  441 

pres  cette  lettre:  Salut  ä  mon  pere.  Chrisale  nie  gronde  sans  cesse, 
parce  que  je  vous  ai  rendu  votre  argent.  Je  vous  avertis  de  prendre 
garde  aux  trarnes  quil  ourdit  pour  rattraper  cette  somme  &  ine  pro- 
curer  le  plaisir  de  la  depenser  avec  des  Courtisannes  &c.  &c. 

•  Je  defie  qu'un  fourbe  ait  janiais  mis  en  usage  un  ressort  plus  co- 
mique.  &  en  nieme  temps  plus  attaehant.  C'est  dommage  que  l'ecrit  ne 
reparoisse  plus,  &  que  l'intrigue  n'en  fasse  plus  usage,  apres  l'avoir  dicte 
avec  tant  d'empliase.  J'ai  täclie  de  transporter  sur  notre  Theätre  les 
f>eaute"s  de  la  Scene  latine :  j'ai  ose  davantage .  j''ai  täclie  d'en  tirer  un 
plus  graud  parti  que  Piaute,  &  de  la  denouer,  en  la  rendant  utile  ä 
l'intrigue. 

In  der  siebenten  Szene  des  zweiten  Aktes  spielt  die  den 

Bacchides    entnommene   Szene.      Front  in,   der  Diener    des    Da- 

mis,   diktiert  hier  den  Brief  an  seines  Herrn  Vater: 

Mon  pere.  Apres  avoir  le  malheur  de  vous  deplaire  je  n:ose  pa- 
roitre  ä  vos  yeux;  mais  je  crois  devoir  vous  avertir  de  ne  pas  ajouter 
foi  ä  ce  que  Frontin  pourra  vous  dire  .  .  .  Xon  content  de  vous  avoir 
dejä  trompe,  il  veut  s'excuser  aupres  de  vous  en  vous  trompant  encore 
.  .  .  C'est  un  fourbe,  un  scelerat,  un  traitre. 

In  der  nächsten  Szene  (III,  1)  macht  dann  Ar  gante  (der  Vater) 
Frontin  denselben  Vorhalt,   wie  Nikobulns  dem   Chrusalus. 

Wichtiger  für  die  spätere  Komödie  sind  die  Bac- 
chides durch  die  Figur  des  Pädagogen  Ludus  gewor- 
den (vgl.  S.  102),  der  als  dottore  Bolognese  u.  s.  w.  spielt 
und  das  Urbild  des  Hofmeisters  in  tausend  Ängsten  (wie  in 
Giov.  Girauds  [1776 — 1834]  ,,L'  aio  nell'  imbarrazzo"1)  der 
Hofmeister  Gregorio)  und  aller  pedantischen  Mentoren  ge- 
worden  ist. 

Eine  italienische  Bearbeitung  der  Bacchides,  die  auch 
gespielt  wurde,-)  liegt  vor  in  ,.Le  due  cortigiane"  des  Lodo- 
vico  Domenichi3)  (in  Prosa),  Florenz  1563,  8°  (Venedig  1620, 
1626,  12°);  irrtümlich  schreibt  Argelati4)  dieselbe  dem  Lo- 
dovico  Dolce  zu.  (In  Fiorenza  a  stanza  di  Giorgio  Mares- 
cotti  1563.) 

Der  Prolog  des  Lustspieles  von  Domenichi,5)  den  Sileno, 
der    Erzieher    des  Bakchus,    auf  einem    Esel6)    spricht,    thut    des 


')  Deutsch  von  Theod.  Hell.     Draniat.  Vergissmeinnicht,  2.  Bdch. 
1J)  Tiraboschi.    VIT,  1294. 

3)  Eiccoboni.    I,  151.  —   Sulzer.     III.  705k- 

4)  Argelati.     HI,  235. 

5)  Le  Dve  |  Cortigiane.  |  Comedia  |  Di  M.  Lodouico  Domenichi.  |  AI 
Signor  Luca  Sorgo  |  Geutilhuumo  Ragugeo.  |  In  Venetia,  1  Appresso  Fran- 
cesco Franceschini  15G7.  (44  fol.)  —  Die  Widmung  trägt  das  Datum: 
12.  Februar  1563.  Florenz.  —  Das  Stück  wurde  ins  Französische  über- 
setzt von  Hier ö me  d'Avost  de  la  Val. — Vgl.  Riccoboni,  Reflexions 
S.  119.  „Les  deux  courtisannes."  nach  Beauchamps  (Recherches 
II,  56)  nicht  gedruckt. 

6)  Nach  einem  unechten  Prologe  der  sieht  bei  Rapp  (Die  pl.  L.. 
S.  1590)  findet.    (Vgl.  ebenda  S.  1586.) 


442  IX.   Baccbides. 

Plautus  und  seiner  Ba coli i des  Erwähnung:  Cohii,  ehe  prima  la 
compose  in  Greco,  la  chiamö  le  Euantide.  Plauto  che  la  fece 
Latina,  la  intitolö  le  Bacchide,  e  il  nostro,  che  1'  ha  ridotta  in 
Toseana,   la  domanda  LE  DVE   COETIGIANE. 

I.  Akt.  (1.)  Livio  ist  in  eine  Buhlerin,  Isahella,  verlieht. 
Veranlassung  dazu  gab  ihm  sein  Freund  Mario,  der,  von  seinem 
Vater  zur  Einziehung  von  Geldern  nach  Spanien  geschickt,  ihm 
die  Obhut  über  seine  Geliebte,  die  Zwillingsschwester  Isabellas, 
die  den  gleichen  Namen  führt,  übertragen  hat.  Noch  sucht  ihn 
sein  Hofmeister  M.  Cinthio  abzuhalten;  allein  (2.)  die  beiden 
Isabella  vermögen  mehr,  als  der  an  lateinischen  Phrasen  reiche 
Pedant.  (3.)  Wie  Ludus,  macht  Cinthio  nochmal  den  Versuch, 
seinen  Zögling  zu  retten,  so  ziemlich  mit  den  Worten  des  Origi- 
nales: Egli  e  im  pezzo,  eh'  io  uengo  tacito  dietro  al  le  tue  uesti- 
gia  per  intendere  &  scrutare  quel  che  tu  pensi  di  fare,  con  1'  esserti 
tanto  lasciuamente  adornato  &  eonpto  ....  Et  doue  capessi  tu  la 
uia  con  tanta  pompa.     (F.   109): 

Iam  dudum,  Pistoclere.  tacitus  te  sequor 
Inspectans  quas  tu  res  hoc  ornatu  geras. 

Quo  nunc  capessis  ted  hiuc  aduorsa  uia 
Cum  tanta  pompa  V 

Mit  Übergelrang  der  Berufung  auf  Lykurgus  (F.  111),  zi- 
tiert Cinthio  einen  Vers  Ovids:  .,Sint  procul  a  nobis  hiuenes 
ut  femin a  compti  u.  s.  w.  Auf  des  Pädagogen  weitere  Frage: 
Et  quid  negotii,  che  negotio  ti  sospinge?  chi  habita,  chi  tiene 
il  domicilio  costä?  (F.  114:  Quid,  huc?  quis  istic  habitat?)  ver- 
setzt Livio  die  Worte  des  Pistoclerus  (F.  115):  ,,L'  amore,  il 
diletto,  uenere,  la  piaceuolezza,  il  gaudio,  il  gioco,  il  riso,  &  gli 
altri  suoi  fratelli." 

Die  Szene  verläuft  fast  wörtlich  nach  Plautus  mit  wenig 
Änderungen,  w eiche  die  lateinischen  Brocken  des  Cinthio  ver- 
ursachen oder  einige  nicht  mehr  verständliche  Anspielungen. *) 
Mit  den  jammernden  Worten:  Per  Deum  uerum,  che  tu  hai  fatto 
xxn  cattiuo  furto  alla  etä  tua,  quando  hai  tennete  celate  coteste 
sceleraggini  a  me,    e   a  tuo   padre   (==   F.  166): 

Edepol  fecisti  furtum  in  aetatem  malum, 
Quom  istaec  flagitia  me  celauisti  et  patrem, 

eilt  Cinthio   ab. 


»)  Z.  B.  (F.  110):  • 

hem  quam,  o  Lude,  es  barbarus, 

Quem  ego  sapere  nimio  censui  plus  quam  Thalem. 

I,  stultior  es  barbaro  Poticio. 

doue  io  credetti  giä,  che  fuste  piu  dotto  che  Orando. 


Lodovico  Donienichi.  443 

IL  Akt.  (1.)  Vespa,  der  Diener  des  Mario,  der  hier  die 
Rolle  des  Chrusalus  spielt,  tritt  auf.  Seine  Begrüssung  an 
das  Vaterland  entspricht  genau  jener  seines  Vorhildes  (F.  170),  nur 
kömmt  er  von  Spanien,  nicht  von  Ephesus,  und  sein  Grass  gilt 
nicht  Apollo,  sondern:  Saluto  te  ancora,  M.  San  Mazzo,  il 
cpuale  hahiti  uicino  alle  nostre  case,  e  humilmente  ti  riuerisco, 
pregandoti  a  farsi,  e  in  modo  che  il  mio  padron  uecchio  non  mi 
troui,  fin  che  io  non  habbia  ueduto  &  fauellato  con  Liuio,  compagno 
di  Mario  mio  giouane  padrone,  a  cui  esso  Mario  scrisse  giä  una 
lettera,  per  conto  della  sua  innamorata,  was  den  Versen  des  Ori- 
ginales  (7.    172): 

Saluto  te,  uicine  Apollo,  qui  aedibus 
Propinquos  nostris  adcolis,  ueneroque  te 
Ne  Nicobulum  me  sinas  nostruni  senem 
Prius  conuenire  quam  sodalem  uiderim 
Mnesilochi  Pistoclerum,  quem  ad  epistulam 
Mnesilochus  misit  super  amica  Bacchide 

entspricht.  (2.)  Vespa  trifft  Livio,  er  erfährt,  was  dieser  bis- 
her für  seinen  Freund  thun  konnte,  und  dass  der  Capitan  ge- 
fährliche Pläne  habe.  Das  Zusammentreffen  des  alten  Lattantio, 
des  Vaters  Marios,  mit  Vespa  (3.),  dessen  Erzählung  von 
dem  Gelde  und  ihren  Schicksalen  stimmt  wörtlich    zu  Plautus. 

III.  Akt.  Den  dritten  Akt  eröffnet  die  Klage  des  Päda- 
gogen (F.  368,  Pandite  atque  aperite  propere  ianuam  hanc  Orci, 
opsecro).  Mit  Dante  kann  er  von  dem  Hause  der  Buhlerinnen 
sagen:  Lasciate  ogni  speranza,  o  voi  che  entrate.  Den  Wort- 
Witz  des  Chrusalus  (F.  371,  Bacchides  non  Bacchides,  set 
Bacchae  sunt  acerrumae)  sucht  er  umschreibend  zu  geben:  „Le 
cortigiane  non  sono  cortegiane,  ne  cortesi,  ma  scorticatrici 
pessime  &  peste  della  incauta  iuuentudine. "  Es  folgen  in  ge- 
nauem Anschlüsse  an  Plautus  der  Monolog  des  Mario  (2.), 
die  Klage  Cinthios  gegen  Livio  bei  dem  Vater  Lattantio  (3.), 
wobei  Mario  zu  Zweifeln  über  seinen  Freund  kommen  muss, 
denen  er  dann  (4.)  Ausdruck  verleiht  (F.  500).  Die  ersten  Sze- 
nen des  vierten  Aktes  bei  Plautus,  das  Auftreten  des  Livio 
(5.)  und  sein  Zusammentreffen  mit  Mario,  den  er  für  einen  Ver- 
räter hält,   sind  noch  zum  dritten  Akte  geschlagen. 

IV.  Akt.  (1.)  Der  Parasit  Godenzo  tritt  auf:  Io  son 
parasito,  lecca  piatti,  &  cagnotto  d'  un  Capitano  Spagnuolo.  Mit 
ihm  trifft  Livio  (2.)  zusammen.  Die  Unterredung  Livios  mit 
Mario  (3.),  die  Hilfe,  die  Vespa  bringt  (4.),  sein  Selbstgespräch 
(5.),  sowie  Vespas  Zusammentreffen  mit  Lattantio  (6.,  7.),  ist 
nur  Übersetzung  aus  Plautus.  Cleomachus  wird  durch  den 
Capitan  Martin  Alonso  di  Flor  es  tan,  der  Spanisch  spricht, 
vertreten.      (8.)  Domenichi  hält   sich   strenge    ans    Original:    nur 


444  X.    Mostellaria. 

reicht  der  vierte  Akt  bis  Vers  1087  und  schliesst  mit  Filippos 
(=  Philoxenus)  Monolog  ab. 

Der  fünfte  Akt  umfasst  in  wörtlicher  Übersetzung: 
den  Rest;  die  letzten  Worte  der  Caterua  spricht  eine  Isabella. 

Was  die  angeblichen  Due  Cortigiane  des  Dolce  betrifft, 
so  erklärt  Argelati,')  er  habe  sie  selbst  gesehen.  „Libro 
veduto  da  noi  nella  Biblioteca  de'  P.  P.  della  Compagnia  di 
Gesü,  di  S.  Lucia,  in  Bologna,"  und  sagt  ferner:  „Neil' Argomento 
poscia  si  spiega  essere  questa  una  Traduzione  della  Bachilide 
(sie!)  di  Plauto,  cosi  =  Colui  che  prima  la  compose  in  Greco  la 
chiamö  Evantide,  poscia  Plauto,  che  la  fece  Latina  la  chiamö 
Bachilide,  ed  il  nostro  che  1'  ä  tradotta  in  Italiano,  la  domanda  le 
due  Cortigiane." 

Allacci2)  nennt  das  Stück  nicht;  ich  konnte  es  nicht  fin- 
den. Es  ist  vielmehr  ein  Irrtum  Argelatis,  da  Widmung  und 
Einleitung  der  dem  Dolce  zugeschriebenen  Komödie  sich  bei 
Domenichi   finden.3) 


X.   Mostellaria.4) 

Es  ist  ein  ungeheuer  heiteres  Lustspiel,  „ein  Stück  von  sehr 
korrekter  Anlage,  durch  die  Mannigfaltigkeit  gut  gezeichneter 
Charaktere  hervorragend,"5)  das  uns  Plautus  unter  dem  Namen 
Mostellaria  (Geistergeschichte)  vorführt. 

Ludos  ego  liodie  uiuo  praesenti  huic  seni 
Faciain:  quod  credo  mortuo  numquam  fore, 

verkündet   (V.  427)   der   Sklave   Tranio. 


>)  A.  a.  0.     S.  235.     Anm.  f. 

2)  A.  a.  0.     S.  448  u.  449. 

3)  Ob  und  in  wie  weit  einige  ähnlich  betitelte  Stücke,  z.  B.  die 
Corteggiana  des  Ambrosio  Passerotta  1638  (Allacci,  88),  1'  astuta 
Corteggiana  des  Giulio  Cesare  Sorrentiuo  1631  (Allacci,  42),  u.  a., 
mit  den  Bacchides  vielleicht  zusammenhängen,  konnte  ich  nicht  er- 
mitteln. —  Les  courtisannes  ou  Tdcole  des  moeurs,  Comedie  par 
l'auteur  de  la  comedie  des  philosophes  (Paris  1775),  gehört  nicht  hierher. 

4)  Ausgaben:  Traduction  de  la  Comedie  de  Piaute  intitulee  Mostel- 
laria. Avec  le  texte  revu  sur  plusieurs  manuscrits  et  sur  les  meilleures 
editions.  Versailles,  R.J.Jacob.  An  XI.  213  pagg.  —  A.  Lorenz  (Ber- 
lin 1866);  W.  Bamsay,  London  1869  (udgivet  af  S.  Bugge,  Christ iania 
1873).  —  Hier  ist  zitiert  nach  der  Ausg.  von  Frd.  Ritschi  (Bonnae  1852). 

-  Deutsche    Übersetzung   von   G.  G.  S.  Köpke  (Berlin  1809):   Rost 
1824.     Progr,  52  S. 

5)  Teuf  fei  (G.  d.  r.  L.),  S.  149. 


Charakteristik  derselben.  445 

Optumas  frustrationes  dederis  in  comoediis, 

wiederholt   er  (F.  1152)   seinem  Herrn. 

Der  erste  Akt  führt  uns  in  das  Haus  des  Theivropides. 
Dieser  weilt  seit  drei  Jahren  in  Ägypten.  Sein  Sohn  Philo- 
1  ach  es  führt  seitdem  ein  überaus  lockeres  Leben.  Das  Stück 
eröffnen  die  beiden  Sklaven  des  Theuropides,  Grumio  und 
Tranio,  zwei  Namen,  welche  in  Shakespeares  „Taming  of  a 
shrew:<  wiederkehren  und  Rapp1)  zu  der  Idee  führen,  „dass 
auch  ein  Plautus  auf  dem  Schreibtisch  des  jungen  studierenden 
Shakespeare  gelegen  haben  mag.-'  Grumio  macht  seinem  Mit- 
sklaven Tranio  heftige  Vorwürfe,  dass  er  den  jungen  Herrn  ver- 
führe und  mit  ihm  Hab  und  Gut  durchbringe,  weshalb  er  ihn 
(F.   3)    „erilis  pernieies-'    nennt. 

Phil ola che s  tritt  auf,  und  in  einem  langen  Monologe  giebt 
er  uns  ein  Bild  von  sich  selbst.  Er  ist  ein  Haus,  das  der  Bau- 
meister gut  gebaut  hat.  Liederlichkeit  aber  hat  an  den  Grund- 
festen desselben  gerüttelt,   und  nun  ist  es  arg  erschüttert. 

Atipie  ea  haut  est  fabri  culpa,  set  magna  pars 
Moreni  nunc  induxerunt:  si  quid  nummo  sarciri  potest, 
Vsque  mantant,  neque  id  faciunt.  donicum 
Parietes  ruont :  tum  aedificant  aedis  totas  denuo. 

(F.   114)  u.  s.  f. 

Philematium  und  ihre  Magd  Scapha  treten  ein.  Philo - 
lach  es  hat  das  Mädchen  losgekauft,  und  sie  schmückt  sich  nun, 
ihm  recht  zu  gefallen,  und  zwar  ihm  allein.  Scapha  will  zwar 
in  ihr  den  Glauben  bestärken,  dass  ihr  Philolaches  ihre  Treue 
niemals  durch  Beständigkeit  seiner  Liebe  lohnen  werde:  allein  sie 
will  es  nicht  glauben.  Philematium  in  ihrem  Verhältnisse  zu 
Scapha  ist  nach  dieser  Szene  von  Rapp2)  mit  Marianne  in 
ihren  Beziehungen  zur  alten  Sibylle  in  Goethes  Wilhelm 
Meister  zusammengebracht  worden.  Nachdem  Philolaches 
lange  das  reizende  Gespräch  seines  Mädchens  mit  angehört  und 
zum  Teil  sich  der  alten  Scapha  gefreut,  zum  Teil  ihre  Rede 
unlieb  aufgenommen  hat.  tritt  er  vor  und  begrüsst  sie.  Ein 
Mahl  wird  aufgetragen,  zu  welchem  sich  ein  zweites,  allerdings 
ungleich  leidenschaftlicheres  Liebespaar  gesellt,  der  völlig  be- 
trunkene  Callidamates  und   seine   Buhlerin   Delphiuni. 

Noch  liegen  die  beiden  Paare  angeheitert  zu  Tische,  da  naht 
am  Beginne  des  zweiten  Aktes  Tranio  mit  der  Verhängnis* 
vollen  Botschaft  ( F.   350): 


')  Die  pl.  L.,  S.  510.  —  Vgl.  auch  hier  S.  78. 
2)  A.  a.  0.,  S.  509. 


446  X.   Mostellaria. 

Occidit  spes  nostra:  nusquam  stabulumst  confidentiae. 
Nee  Salus  nobis  saluti  iam  esse,  si  cupiat,  jiotest : 
Ita  mali  moeroris  montem  maxumum  ad  portum  modo 
Conspicatus  sum  — 

mit  wenig"  Worten,  der  alte  Herr  ist  zurückgekehrt,  „erus  adue- 
nit  peregre. "  Tranio  hat  ihn  selber  gesehen.  Nun  ist  Tranio 
und  alle  verloren.  Mühsam  weckt  man  den  trunkenen  Callida- 
mates,  der  nicht  gehen  will  und  zu  allem  noch  immer  ruft: 
„ualeat  pater!"  (F  374)  ,.iube  eum  abire  rursum!"  (F  377) 
„iam  pol  ego  oeeidam  patrem!"  (F  384)  ■ —  ein  treffliches  Bild 
eines  Berauschten  und  Schlaftrunkenen.  Alles  ist  entsetzt;  da 
erklärt  Tranio,  helfen  zu  wollen.  Die  beiden  Mädchen  werden 
ins  Haus  geschickt,  nach  ihnen  Philolaches  mit  dem  Auftrage, 
sich  drinnen  völlig  ruhig  zu  verhalten  und  auf  keinerlei  Klopfen 
zu   öffnen. 

Froh,  das  Land  begrüssen  zu  können,  steht  Theuropides 
vor  der  Schwelle   seines  Hauses  in  pathetischer  Eede   (F  431): 

Habeo,  Neptune.  gratiani  magnam  tibi, 
Quoniam  amisisti  nie  a  te  uix  uiuom  modo. 

Nach  drei   Jahren   sieht  er  die  Heimat  wieder  (F.   441): 
Credo,  expeetatus  ueniam  familiaribus. 

Da  bemerkt   er  die   Thür  verschlossen  (F.   444): 
Set  quid  hoc?  occlusa  ianuast  interdius. 

Er  will  pochen,  da  tritt  ihm  Tranio  entgegen.  Mit  allen 
Gebärden  des  Entsetzens  hält  er  ihn  zurück,  sich  seinem  Hause 
zu  nahen,  und  erzählt  ihm,  dass  dasselbe  seit  etwa  sieben  Mo- 
naten unbewohnt  stehe.  Dem  Philolaches  sei  nachts  ein  Geist 
erschienen  (F.  490):  „Ait  uenisse  illum  in  somnis  ad  se  mortuom," 
und  habe  ihm  gesagt   (F.   497): 

Ego  transmarinus  liospes  sum  Diapontius. 
Hie  liabito:  dedita  haec  mihist  habitatio: 
Nam  me  Ackeruntem  reeipere  Orcus  noluit. 
Quia  praemature  uita  careo.  per  fidem 
Deceptus  sum:  hospes  me  hie  necauit,  isque  me 
Defodit  insepultum  clam  in  hisce  aedibus, 
Scelestus,  auri  causa,  nunc  tu  hie  emigra: 
Scelestae  haec  aedes,  impiast  habitatio. 

Anfänglich   verliert   Theuropides   die  Besinnung  nicht. 

Nihil  ego  formido:  pax  mihist  cum  mortuis, 

meint  er  (F.  514);  endlich  aber  zieht  er  doch  ab,  den  Herkules 
anrufend. 


Charakteristik  derselben.  447 

Im  dritten  Akte  bestürmt  der  Wucherer  (danista)  den 
Sklaven  Tranio  eben  um  die  fälligen  Zinsen  seines  dem  jungen 
Herrn  gegebenen  Darlehens,  als  unglücklicherweise  Theuro- 
pides  dazukömmt.  Nun  findet  Tranio  keinen  andern  Ausweg 
mehr,  als  dem  alten  Herrn  zu  erzählen,  sein  Sohn  Philolaches 
habe,  um  den  Geistern  zu  entgehen,  ein  neues  Haus  spott- 
billig erstanden  und  schulde  an  dasselbe  noch  vier  und  vierzig 
Minen,  „et  sors  et  faenus"  (V.  631).  Theuropides  ist  hocher- 
freut über  den  günstigen  Handel,  und  dass  der  Sohn  dem  Vater 
so  sehr  gleiche   (V.   638): 

Euge.  Philolaches 
Patrissat:  iam  homo  in  rnercatura  uortitur. 

Gerne  lässt  er  sich  herbei,  die  Forderung  des  danista 
abzugleichen;  nun  will  er  aber  auch  von  dem  neu  gekauften 
Hause  hören.  „Qua  in  regione  istas  aedis  emit  filius?"  (V.  659.) 
In  seiner  Verlegenheit  kann  Tranio  nur  erwidern  (V.    669): 

de  uicino  hoc  proxumo 
Tuus  emit  aedis  filius. 

Er  will  sofort  das  Haus  besichtigen. 

At  hie  sunt  mulieres: 
Videndumst  primuni,  utrum  eae  uelintne  an  non  uelint, 

wirft  (V.  680)  Tranio  ein.  Wieder  ist  es  Theuropides  zu- 
frieden, da  naht  der  Besitzer  des  Hauses,  der  Nachbar  Simo, 
der  eben  seiner  „dotata  uxor  atque  anus"  ( V.  703)  aus  dem 
Wege  gehen  will.  Tranio  zieht  ihn  beiseite  und  vertraut  ihm 
kurz,  der  alte  Theuropides  wolle  seinen  Sohn  verheiraten,  sein 
Haus  erweitern  und  deshalb  das  Innere  von  Simos  Haus  näher 
besehen.  Gerne  gestattet  es  der  freundliche  Nachbar,  nicht  ohne 
ein  paarmal  Theuropides  durch  Redensarten  von  „seinem"  Hause 
stutzig  zu  machen. 

Qualibet  perambula  aedis  oppido  tamquam  tuas, 

erlaubt  ihm  Simo  (V.  809).  „Tamquam?"  fragt  Theuropides 
betroffen.  Tranio  aber  flüstert  ihm  zu,  der  Kummer  wegen  des 
vorteilhaften  Kaufes  nage  ihm  noch  am  Herzen;  er  möge  ihn 
nicht  kränken.  „Noli  facere  mentionem  te  emisse  has!"  [V.  813). 
Nach  kurzer  Zeit  kommen  Tranio  und  Theuropides,  letzterer 
hocherfreut  über  den  günstigen  Kauf  seines  Sohnes,  aus  dem 
Hause  zurück. 

Im  vierten  Akte  erscheint  Phaniscus,  der  Sklave  des 
Callidamates;  er  hat  eine  Botschaft  an  seinen  Herrn.  Nach 
einigen  Reden  zwischen   ihm    und    einem    andern    Sklaven    kömmt 


448  X.   Mostellaria. 

Theuropides  eben  recht,  um  zu  sehen,  wie  Phaniscus  an  der 
Thüre  seines  verhexten  Hauses  pocht.  Voll  Besorgnis  stürzt  er 
auf  ihn  zu,  „quid  istas  aedis  frangitis?"  (V.  939).  „Erus  hie 
noster  potat, "  erwidert  Phaniscus.  „Unmöglich!  Das  Haus  ist 
unbewohnt.-'  „Erras  peruorse,  pater, •'  lächelt  Phaniscus  (F.  952). 
„Seit  sechs  Monaten  ist  alles  leer,"  versichert  der  Alte  und  muss 
nun  als  Antwort  hören  ("F.   956): 

heri  et  nudiustertius, 
Quartus,  quintus,  sextus  usque,  postquam  peregre  hinc  eius  pater 
Abiit,  numquam  hie  triduoni  unum  desitumst  potarier. 
—     —     Triduom  unum  haut  intermissum  hie  bibi, 
Scorta  duci,  pergraecari,  fidicinas,  tibicinas 
Conduci. 

„Und  wer  hat  das  gethan?-'  „Philolaches,  der  Sohn  des 
Theuropides. •'  Um  dreissig  Talente  hat  er  Philematium  ge- 
kauft; alles  geht  von   Tranio   aus   (V.   983): 

Vnus  istic  seruos  est  sacerrumus, 
Tranio:  is  uel  Herculi  conterere  quaestum  possiet. 
Edepol  ne  me  eius  patris  nunc  misere  miseret:  qui  quom  istaec  seiet 
Facta  ita,  amburet  ei  misero  corculum  carbunculus. 

Dazu  kömmt  noch  Simo,  xxnd  so  klärt  sich  auch  die  Ge- 
schichte mit  dem  Hauskauf  als  eine  Lüge  auf.  Aufs  höchste  er- 
bost,  geht  Theuropides   ab. 

Den  fünften  Akt  eröffnet  Tranio s  Selbstgespräch;  er  hat 
durch  den  Garten  die  Zecher  hinausgelassen  und  steht  nun  allein. 
Theuropides  kömmt  auf  ihn  zu,  anscheinend  ruhig.  Da  aber 
Tranio  Schlimmes  ahnt,  so  eilt  er  auf  einen  Strassenaltar  (F. 
1094:  „Ego  interim  aram  haue  oecupabo"),  um  „als  Vorsitzender 
das  Verhör  zu  leiten-'. 

„Hie  ergo  tibi  praesidebo,  ne  interbitat  quaestio.:< 

(V.  1096.)  Unterdessen  hat  Callidamates  seinen  Rausch  aus- 
geschlafen (edormiui  crapulam,  V.  1122)  und  tritt  als  Abgesandter 
des  Philolaches  auf,  um  den  Vater  zu  beschwichtigen.  Dies 
gelingt  ihm  auf  eigene  Art.  Er  gesteht  alle  Streiche  des  Sohnes 
zu;   aber   (V.    1158): 

Scis  solere  illanc  aetatem  tali  ludo  ludere, 

und  früher  schon  (V.  1139)  hatte  Tranio  seine  Verteidigung 
dahin  gerichtet: 

Fateor  potauisse,  amicam  liberasse  absente  te, 

Faenori  argentum  sumpsisse:  id  esse  absumptum  p'raedico. 

Numqüid  aliut  fecit,  nisi  quod  summis  gnati  generibus? 


Charakteristik  derselben.  449 

ferner  wollen  alle  zusammen  den  Schaden  tragen  (F.    1160): 

Faenus.  sortem  sumptumque  omnem,  qui  amica  emptast,  omnia 
Nos  dabimus,  nos  conferemus,  nostro  sumptu,  non  tuo. 

Der  Alte  will  alles  verzeihen,  wenn  es  den  Sohn  reut  (F  1164): 

Immo  me  praesente  amato,  bibito,  facito,  quod  lubet; 
Si  hoc  pudet,  fecisse  sumptum,  supplici  iam  habeo  satis, 

worauf  sich  Tran  io  darauf  beruft,  dass  er  es  auch  bereue.  Erst  nach 
längeren  Bitten  des  Callidamates  geht  der  Sklave  straffrei  aus.1) 
Die  Figuren  des  Stückes  sind  ihrer  Mehrzahl  nach  gut  ge- 
zeichnet und  ihre  Charaktere  wohl  durchgeführt.  Der  alte  Theu- 
ropides,  der  noch  als  Greis  die  Last  dreijähriger  Geschäftsreisen 
auf  sich  nimmt,  ist  ein  echter  Kaufmann.  Seine  merkantilen  An- 
schauungen entwickelt   er  (F.  799): 

Sibi  quisque  ruri  metit  —  — 

Lucri  quicquid  est,  id  domum  trahere  oportet. 

Schlau  sucht  er,  den  Sklaven  zu  fangen,  .,docte  atque  astu" 
(F.  1069). 

Sein  Sohn  Philolaches  wird  nachdrücklich  als  früher  von 
vorzüglichen  Sitten  geschildert.  „Adtdescentem  optumum, "  nennt 
ihn  (F.    21)   Grumio. 

Quo  nemo  adaeque  iuuentute  ex  omni  Attica 
Antehac  est  liabitus  parcus  nee  magis  continens 

(F.  30).      „Video  corruptum  ita  ex  adulescente  optumo"  (F.  84). 
Philolaches   selbst  sagt   es  von  sich  (F.    137): 

Venit  ignauia:  ea  mihi  tempestas  fuit, 
Quae  mi  aduentu  suo  grandinem,  imbrem  attulit. 
Haec  uereeundiam  mi  et  uirtutis  modum 
Deturbauit  detexitqne  de  me  ilico. 


Nunc  simul  res.  fides,  fama,  uirtus,  decus 
Deseruerunt:  ego  sum  in  usu  factus  nimio  nequior. 

Mit  Reue  misst  er  sich  selber  die  Schuld  zu  (F.  149): 

Cor  dolet,  quoni  scio  ut  nunc  sum  atque  ut  füi : 
Quo  neque  industrior  de  iuuentute  erat 


Nunc,  postquam  nihili  sum,  id  uero  meopte  ingenio  repperi. 
Er  versteht   es  aber,   ein   flottes  Haus   zu   führen. 


')  Sulz  er,  Theorie  etc.,  I,  227a,  tadelt  an  der  Mostellaria  aller- 
dings „eine  so  unvollständige  Auflösung,  dass  das  Ende  davon  ganz  ab- 
geschmackt wird". 

29 


450  X.   Mostellaria. 

Musice  hercle  agitis  aetatem  ita  ut  uos  decet: 
Viuo  et  uictu,  piscatu  probo,  electili 
Vitam  Colitis, 

rühmt  Simo   Tranio   gegenüber  (F    729). 

Seine  Geliebte   Philematium  hat  ihn  zunächst  verdorben. 

Haec  illast  tempestas  mea,  mihi  quae  modestiam  omnem 
Detexit  tectus  qua  fui, 

gesteht  er  bei  ihrem  Anblick  (Y.  162).  Es  ist  ein  kokettes,  be- 
rechnendes Mädchen:  „Volo  me  placere  Philolachi"  (F  167),  sagt 
sie  und  verwendet  unendliche  Sorge  auf  ihren  Putz.  Sie  hat 
eine  gute  Erziehung-  genossen.  „Tarn  catam,  tarn  doctam  et 
bene  educatam"  (F  186),  nennt  sie  Scapha.  Philolaches,  der 
sie  losgekauft  hat,  bleibt  sie  ewig  dankbar  (F  204,  214),  trotz 
der  schlimmen  Lehren,  die  ihr  die  alte  Scapha  giebt,  welche 
den  Grundsatz  vertritt,  den  wir  im  Munde  der  lena  öfter  zu 
hören  bekommen  (F.    190): 

Matronae,  non  meretricis  est,  unuru  inseruire  amantem. 

Der  gelungenen,  so  naturgetreuen  Gestalt  des  Callidamates 
ist  bereits  Erwähnung  geschehen.  Er  ist  der  liebste  Freund  des 
Philolaches  (gnati  sodalis,  F.  1120.  Omnium  primum  sodalem 
me  esse  scis  gnato  tuo,  F.  1154),  dem  neben  der  Liebe  der 
Trunk  am  Herzen  liegt.  „Da  illi  quod  bibat!"  ist  sein  letzter 
Ruf  (F.   344),   da   er  berauscht  fortgetragen  wird. 

Der  Vertreter  des  „genus  quod  improbissumumst':  (F.  623), 
der  Wucherer,   der  Mann  der  schlechtesten  Zunft  (F.    657): 

Nulluni  edepol  hodie  genus  est  hominum  taetrius 
Nee  minus  bono  cum  iure,  quam  danisticum, 

ist  eine  Art  Vorbild  des  Shylock.  Wie  dieser  ruft  „I'U  have  my 
bound",   so   der  danista  (F.    602): 

Cedo  faenus,  redde  faenus,  faenus  reddite. 
Daturin'  estis  faenus  actutum  mihi? 
Daturne  faenus? 

Der  seiner  ehelichen  Pflichten  müde  Simo  begegnet,  zum 
Teile  mit  Anklängen  an  die  Asinaria  (F.  872  ff.),  in  späteren 
Komödien   öfter. 

Noch  bleiben  die  beiden  Sklaven,   Grumio   und  Tranio. 

Grumio  ist  der  ehrliche,  derbe  Bauer,  während  Tranio 
den  Städter  spielt. 

Tu  urbanus  uero  scurra,  deliciae  popli,  , 
Rus  mihi  tu  obieetas? 


G.  Berrardos  Mustellaria.  451 

hält  er  Tranios  Spott  entgegen  ( F.  15).  Tranio  wird  vonGrumio 
richtig  charakterisiert  als  der  Verführer  des  jungen  Herrn,  der 
Verschwender  des  anvertrauten  Vermögens.  Nochmal  später  zeich- 
net ihn  Phaniscus  als  den  Ruin  des  Hauses.  Sein  Grundsatz, 
üherall  die  Frechheit  vorzukehren,  wo  es  nicht  anders  geht,  ist  in 
F.  1042   ausgesprochen: 

Qui  honio  timidus  erit  in  rebus  dubiis,  nauci  non  erit. 
Atque  equidem,  quid  id  esse  dicam  uerbum  nauci,  nescio. 

Er  freilich  misst  seine  Thaten  mit  anderm  Masse.  Wie  die 
plautinischen  Sklaven  sich  ähnlich  öfter  rühmen,  so  darf  er  von 
sich  sagen  (F.    775): 

Alexandrum  magnum  atque  Agathoclem  aiuut  maxumas 
Duo  res  gessisse:  quid  mihi  fiet  tertio, 
Qui  solus  facio  facinora  inmortalia? 


Die  Bearbeitungen  der  Mostellaria  durch  spätere 
Dichter    sind    ziemlich    zahlreiche    und   meist   gelungene. 

Im  Jahre  1501 1)  spielte  man  die  Mostellaria  in  Italien 
in  Berrardos2)  klassischer  Bearbeitung.  In  hübschen  Tei^zinen 
geschrieben  und  von  einem  argumento  eingeleitet,  hält  sich  die 
Übersetzung  zwar  streng  an  den  Urtext,  wird  aber,  was  die 
natürliche  Folge  des  Reimes  ist,  vielfach  breiter  und  begnügt 
sich  meist  damit,  den  Gedanken  paraphrasiert  wieder 
zu  geben.      So   werden  z.   B.   die  Eingangsverse : 

Exi  e  colina  sis  foras,  mastigia, 

Qui  mi  inter  patinas  exhibes  argutias. 

Egredere,  erilis  pernicies,  ex  aedibus; 

bei  Berrardo: 

Seime  presto  fora  de  cusina, 

Asiuo  proprio  da  botte  e  bastone, 

Che  altro  che  quel  nou  chiama  la  tua  schina. 

Non  mi  dar  noia  tra  i  piate  poltrone 

Nesci  de  queste  case  presto  fora, 

Disfatione,  e  rouina  del  patrone. 

Hier  ist  der  alte  Herr  erst  zwei  Jahre  vom  Hause  weg 
(gegen    F.    79,   440),   und  Grumios  Wunsch  (F.  77)  lautet  hier: 


')  Tiraboschi.    VI,  878. 

-)  Mvstellaria,  |  Comedia  di  Plavto  |  intitulata  la  Mustellaria  dal 
latino  al  |  uolgare  tradotta  per  Geroniinn  !  Berardo  nobile  ferrarese,  I  & 
con  ogni  diligentia  corretta  &  nuoua[mente  stampata  1530.  <>7  fol. 
(Vignette:  Plautus.)  Nach  fol.  157.  „Stampato  in  ^iuegia  per  Nicolo  di 
Aristotile  detto  Zoppino  MDXXX.  —  Argelati.     III.  233. 

'29* 


452  2L  Mostellaria. 

Quanto  posso  ui  prego,  oh  immortal  Dei, 
Che  facciate  che  T  uecchio  quäl  e  abseilte 
Giä  son  due  anni  sei  conto  ben  fei  .  .  . 

ii.  s.  w.  So  ist  wesentlich  erweitert  V.  157,  wo  Phile- 
matium,  die  hier  Philocomasia  heisst,  von  ihrem  kalten 
Bade  spricht: 

lam  pridem  ecastor  frigida  non  laui  magis  lubenter, 
Nee  quod  nie  melius,  mea  Scapha,  rear  esse  defteatam. 
Scapha  per  Dio  che  giä  piü  tempo  e  hormai 

Che  de  uoglia  raeglior  quanto  son  hora 

D'  acqua  fresca  cosi  non  mi  lauai, 
Ch'  io  fusse  tanto  d'  ogni  affanno  fora 

E  quieta  fusse  piü  la  mente  mia 

Ne  che  piü  sana  nie  sentisse  anchora. 

Diese  Szene  schliesst  den  ersten  Akt  ab  mit  Philocomasias 
Worten   an  Philolaco: 

Andiamo  in  casa,  o  dolee  anima  mia, 
E  li  in  piacer  insieme  si  staremo, 
Insino  ch'  el  mangiare  in  ordin  sia 

E  poi  qui  innanzi  apparecchiar  faremo. 

Der  zweite  Akt  führt  uns  das  Gastmahl  vor,  an  welchem 
der  Parasit  Callidamante  und  seine  Geliebte  Delphia  Anteil 
nehmen.  Die  Worte  Philematiums  {V.  308,  Age  aecumbe 
igitur  n.  s.  w.)  beginnen  denselben.  Verschiedenes  hat  Berrardo 
beigefügt,  was  das  Original  nicht  bot,  so  z.  B.  Scaphas  Worte 
an  Philocomasia: 

Ben  ua  poi  distentando  il  mantile, 
Impara  che  ogni  di  uai  piü  ingrossando. 

Die  Anordnung  ist  eine  durchaus  andere.  Philoco- 
masia bringt  eben  einen  Toast  aus: 

In  questo  mezzo  da  la  tazza  intorno 

A  Delphia  prima  e  da  poi  beua  ogniuno. 
E  Dio  faccia  che  questo  e  ogni  altro  giorno 

Ciascun  de  nui  sia  de  ogni  mal  digiuno, 

'  als  Tranio  die  Schreckensnachricht  von  der  Ankunft  des  Alten 
bringt.  Die  Szene  verläuft  so  ziemlich,  wie  bei  Plautus.  Der 
betrunkene  Parasit  Callidamante  meint: 

Se  gli  e  tornato,  lo  mantegna  Dio 
Sano  e  prospero,  adempia  ogni  sua  spene, 
Parmi  hauer  fatto  hormai  1'  ufficio  mio. 

Die  Worte  des  plautinischen  puer  (V.  420): 


Gr.  Berrardos  Mustellaria.  453 

Erus  te  iussit  maxunio 
Opere  orare,  ut  patrem  aliquo  apsterreres  modo, 

Ne  introiret  aedis, 

übernimmt  hier  Philocomasia: 

Philolaco  a  pregar  ti  manda  assai 

Che  in  alcuu  modo  il  padre  intrar  non  lassi, 

Se  non  desidri  darli  pene  e  guai. 

Das  Weitere  nimmt  Tranio  auf  sich.  Die  Ankunft  des 
Teropide  ist  nach  dem  Originale;  ebenso  im  grossen  Ganzen  die 
Erzählung-  vom  Geisterspuke.  Aus  dem  einfachen  „Hercules, 
te  ego  inuoco"    (V.   528)  wird  hier: 

Hercule,  Hercule  io  te  inuoco  a  tutte  1'  höre, 

Hercul,  te  chiamo  per  aiuto  mio; 
Hercul,  uogli  guardarmi  da  dolore, 

wozu  Tranio   bemerkt: 

Et  Hercule  inuocar  uoglio  anchora  io, 

Che  hoggi  a  te  uecchio  dia  tutti  i  gran  mali 
Che  altro  ch'  el  tuo  morir  hör  non  desio, 

das  einfache  {V.  529)  „Et  ego,  tibi  hodie  ut  det,  senex,  magnum 
malum"  (um  V.  442)  verstärkend.  Mit  der  Klage  des  Alten  schliesst 
der  zweite  Akt. 

Der  danista  beginnt,  wie  bei  Plautus  [V.  532),  den 
dritten  Akt.  Dem  Alten  wird  vorgelogen  (V.  649),  dass  die 
vierzig  Minen  dienten: 

per  ara 
De  certe  case  quäle  esso  ha  comprate. 

Es  folgt  die  Szene  mit  Simon,  undTranios  Monolog  (F.  775): 

E  glie  gran  fama  de ')  Alessandro  magno 
E  de  Agatocle  che  ferno  gran  fatti 
Et  io  pel  terzo  a  lor  sero  compagno, 

schliesst  den  dritten  Akt  ab. 

Teropide  leitet  den  vierten  Akt  mit  einigen  bei  Plautus 
nicht  stehenden  Worten  ein.   Das  heus  Theuropides  (F.784),  hier: 

Teropide,  o  Teropide,  mio  buono 

Lui  non  risponde  e  pur  il  uo  chiamando, 

führt  wieder  auf  das  Original  hinüber.  Eine  lange  Rede  Tranios 
schliesst  die  Szene.      Ihr  Grundgedanke  ist: 

Pur  spiero  al  mio  patron  la  beffa  intiera 
Fare  e  non  mi  uoglio  disperare, 
Che  troppo  e  stolto  1'  huom  che  se  despiera. 

E  ne  gli  inganni  mei  uoglio  sperare. 

')  Orig.  che. 


454  X-  Mostellaria. 

Dannisco  (=  Phaniscus)  fuhrt  die  Katastrophe  herbei. 
Vorerst  aber  ist  eine  kleine  Szene  eingeschoben ,  in  welcher 
Tranio  mit  Dannisco  scharf  aneinandergerät,  wohl  um  die 
spätere  Schilderung  des  „seruo  ribaldo  e  discortese"  noch 
mehr  zu  motivieren.  Teropide  will  sich  volle  Gewissheit  bei  Si- 
mon holen. 

„Da  lui  saprö  se  rouinar  debbo  in  tutto." 

Den  fünften  Akt  beginnt  Teropide,  der  Simon  er- 
wartet, mit  einer  langen  Rede.  Tranio  hat  neuen  Mut  gefasst 
(7.  1041): 

L'  huom  che  in  le  cose  dubbie  e  perigliose 
L'  animo  perde,  e  si  mette  timore 
Non  ual  per  certo  un  uil  gussio  de  nose. 

Teropide  mit  seinen  lorarii  fasst  ihn,  Callidamante 
vermittelt  glücklich,  sodass  Tranio  zufrieden  mit  den  Worten 
schliessen  kann: 

0  spettator,  la  fabula  e  finita, 

Se  quella  u'  e  piacciuta  assai  me  piace. 
Hormai  ui  lascio  e  con  uui  sempre  unita 

Sia  sanitä,  piacer,  concordia  e  pace. 

Manche  sogenannte  Nachahmung  ist  weniger  frei 
gehalten,  als  diese  Übersetzung,  in  welcher  zunächst 
nur  die  Gedanken  des  Originales  festgehalten  sind. 
Diese  freien  Bearbeitungen  des  Berrardo,  deren  Hauptwert  in 
ihrer  geschmeidigen  Form  liegt,  haben  in  Italien  wesentlich 
zur  Popularisierung  der  plautinischen  Lustspiele  bei- 
getragen. 

Einen  Schritt  weiter,  d.  h.  zur  Lokalisierung  des  The- 
mas, ging  Ercole  Bentivoglio1)  mit  seinem  Lustspiele  „I  fan- 
tasmi  ".2) 

Seinem  Prologe  nach  ist  Ercole  Bentivoglio  ein  glühender 
Verehrer  der  Antike.  Er  beginnt  seine  nach  dieser  Seite  hin 
äusserst  interessante  Dichtung: 

Diasi  pur  uanto  questa  nostra  etate 
D'  ingegno  e  di  saper,  sia  pur  superba 
Et  stiasi  nel  suo  error,  ne  la  sua  uana 
Persuasion  ch'  io  dirö  sempremai 
Ch'  i  nostri  antiqui  für  tanto  ingegnosi 
In  ogni  studio  loro  &  tanto  bene 
Seppero  dire  &  far,  che  noi  rnoderni 


')  Gest.  1572.  —  Ginguene.  VI,  294.  —  Ruth.  II,  587.  —  Klein. 
IV,  848.  —  Ussing.     HI,   199.  —  Lorenz  zum  Miles  gloriosus,  S.  274. 

2)  I  Fantasmi.  |  Comedia  |  del  S.  Hercole  |  Bentivoglio.  |  In  Vi- 
negia.     Appresso  Gabriel,  Giolito  de  Ferrari.   1545.    38  fol. 


Erc.  Beutivoglios  I  fautasmi.  455 

Non  sappiam  dir,  ne  far  perfettamente 

Alcuna  cosa,  se  dietro  a  i  famosi 

Vestigi  lor  non  ci  sforziain  di  gire: 

Che  come  uno  scultore,  im  dipintore 

Non  poträ  mai  dipingere  o  sculpire 

Figura  onde  habbia  honor,  se  pria  non  uede 

Et  le  sculture  &  le  pitture  antique 

Di  cui  tolga  il  model,  cosi  ancbor  noi 

Non  possiam  fare  alcuna  cosa  bella, 

Se  questa  antiquitä  per  nostro  specchio 

Non  ci  mettiamo  inanzi. 

Onde  1'  autore 
A  ciö  pensando,  &  che  Terentio  &  Plauto 
Für  grandi  imitatori  (perche  1'  uno 
Epicarmo  imitö,  1'  altro  Menandroj 
E  che  troppa  sarebbe  presontione, 
Troppo  espressa  ignoranza,  s'  anchor  egli 
Non  fusse  imitator  di  questa  sacra 
Antiquitate,  ha  questa  sua  comedia 
Fatta  a  Imitation  ä'  una  di  Plauto. 
Spero  ui  piacerä  che  tutta  e  piena 
Di  uarij  giuochi  &  di  passion  d'  aniore: 
II  nome  e  de  la  favola  i  fantasmi. 

I.  Akt.  Die  erste  Szene  scliliesst  sich  genau  an  Plautus 
an.  Der  „castaldo"  Gobbo  (=  Grumio)  ist  erzürnt  über  Negro 
(=  Tranio),  der  seinen  jungen  Herrn  völlig  zu  gründe  richtet. 
Negro  tritt  aus  dem  Hause,   wie  Tranio   (V.   6): 

Quid  tibi  malum  hie  ante  aedis  claniitatiost? 
C  hai  tu  nel  capo,  bestia,  che  si  forte 
T"  odo  gridar  dinanzi  a  queste  porte? 

,,0,"  meint  Gobbo,  „kömmt  der  alte  Herr  je  wieder  aus 
dem  heiligen  Lande  zurück,  ,oue  per  sua  diuotion  e  gito, '  dann 
wird  es  schnell  anders  werden."  Als  er  schied,  hatte  er  den 
Knaben  und  das  Haus  dem  Diener  Negro  übergeben  (V.   30): 

Non  era  in  questa  terra  il  piü  gentile, 
II  piü  discreto  giouine  di  Fuluio; 

jetzt   aber  ist   er: 

per  colpa  tua,  Negro,  il  maggiore 
Puttanier  d'  esta  terra. 

Negro  schilt  ihn  zwar  den  Kuhhirten:  Gobbo  jedoch  er- 
widert ihm  fein: 

An/i  pastor  di  uacche 
Sete  uoi  che  pascete  le  puttane: 
Le  mie  almen  di  poco  son  contente, 
Le  uostre  insatiabili  &  dannose. 

Doch  wird  er  fortgeprügelt,  und  sein  Wunsch  ist  nur,  der 
alte    Herr     möge    recht     bald     aus     Jerusalem     wiederkehren.    — 


456  X.   Mostellaria. 

Negro  berichtet  in  einem  Monologe  von  Fulvios  Liebe  und 
giebt  sich  der  Hoffnung-  hin ,  der  Alte  werde  sobald  nicht 
kommen.  —  Der  Parasit  Apitio  tritt  auf:  er  wird  treffend  be- 
schrieben : 

Questo  e  colui  che  dieci  fegatelli 

Trangugia  in  duo  bocconi,  &  mangia  al  pasto 

Quattro  libbre  di  carne  &  dieci  pani; 

E  tre  sordelle  piene  di  minestra 

E  quaranta  bicchier'  uota  di  uino. 

Das  Leben  des  jungen  Herrn  ist  so  ganz  nach  dem  Sinne 
des  Parasiten.  ,.Non  uiue  ahnen  come  facea  suo  padre,u  der  spar- 
sam und  nüchtern  war.  —  Ein  launiges  Gespräch  des  Sklaven 
Ricci o  mit  dem  Koche  Ruffio,  welche  beide  die  Tische  in  die 
kühle  Halle  schleppen,   beendet  den  Akt. 

II.  Akt.  Lavinia  hat  sich  gebadet  und  geschmückt,  wie 
Philematium.  Heute  will  sie  schön  sein.  Wie  Philematium 
(V.  166,   Contempla  amabo   u.  s.  w.),   sagt  sie  zu  Lucia: 

Ma  contemplami  im  poco:  &  dimmi  s'  io 
Ti  piaccio  in  questa  ueste? 

Ebenso  lautet  Lucias  Antwort  später,  wie  jene  Scaphas 
(V.  173,    „Virtute  formae  id  euenit,  te  ut  deceat  quicquid  habeas"): 

Si  grande  e  la  belta  uostra.  Lauiuia, 

E  tante  gratie  u'  hauno  date  i  Cieli, 

Che  tutto  quel  che  ui  mottete  intorno 

V  adorna,  &  gratia,  &  leggiadra  n'  accresce. 

Lavinia  schmückt  sich  noch,  was  ihr  Lucia  verweist,  die 
ihr,  wie  Scapha  Philematium,  Ratschläge  aller  Art  giebt,  so 
auch  den,  sich  nicht  mit  einem  Manne  allein  zu  begnügen:  ,,N'  a 
duo,   ne  a  tre,   ne  a  dodici,   ne  a  uenti!" 

Das  können  die  reichen  Mädchen   thun,   die  armen,   wie   wir: 

Non  niertan  riprension,  se  a  questo  e  a  quello 
Fanno  piacer,  per  sosteutar  la  uita. 

Indessen  will  Lavinia  keine  öffentliche  Dirne  sein,  und  zwar 
aus  eigenartigen  Gründen. 

Lau.     Oltre  1'  infamia,  il  sottoporsi  a  tanti 
Nou  e  di  grau  pericolo  e  di  danno? 

Luc.     Che  pericolo?  che  danno? 

Lau.  De  la  uita: 

Luc.     E  come  de  la  uita? 

Lau.  Facilmente 

Pigliassi  'l  mal  francesco. 

Luc.  Facilmente 

Hoggi  1'  acqua  del  legno  ne  risana. 


Erc.  Bentivoglios  I  fantasnii.  457 

Dies  Gespräch,  dem  Riccio  mit  spöttischen  Seitenbemer- 
kungen zugehört  hat,  unterbricht  die  Ankunft  Fulvios,  der  mit 
Apitio  und  Flaminio  zum  Mahle  kömmt.  Nach  herzlichem 
Empfange  spricht  man  vom  Abendessen  und  will  sich  eben  zur 
Tafel  setzen,    da  stürzt   Negro   herein.      Siam    rouinati!   (V.    350). 

Noch  lebhafter,  als  bei  P lau tus ,  berichtet  er,  messer  B  a  s  i  1  i  o , 
der  Vater,   sei  zurückgekommen  und  bereits   in  Ferrara. 

Neg.      L'  hö  uisto: 

Füll).  Con  quegli  occhi? 

Neg.      Con  questi  occhi. 

Apitio  teilt,  wie  Callidamates,  die  allgemeine  Bestürzung 
nicht.  Er  geht  nicht,  ehe  er  nicht  gegessen  hat.  Negro  fasst 
einen  Entschluss: 

Io  uoglio  far  in  modo  che  non  solo 
Non  entri  'n  questa  casa  questo  uecchio, 
Ma  che  jmr  non  ardisca  di  toccarla. 
(F. 389:)    Satin'  habes,  si  ego  aduenienteni  ita  patrem  faciam  tuum, 

Non  modo  ne  intro  eat,  uerum  etiam  ut  fugiat  longe  ab  aedibus? 

Das  Haus  soll  verschlossen  werden. 

Chiudete  tutte  quante  le  finestre 

Che  guardan  su  la  strada  &  State  cheti: 

E  non  fate  alcun  strepito  — 

—     —    —     —     —     —     ne  sia 

Chi  risponda  di  uoi,  quando  a  la  porta 
II  uecchio  picchierä. 
(F. 400:)   Omnium  primam  dum  haec  aedes  iam  face  occlusae  sient. 
Intus  ernte  muttire  quemquam  siueris.  — 


Neu  quisquum  responset,  quando  hasce  aedis  indtabit  senex. 

Nach  diesen  Anordnungen  tritt  Negro  zurück.  („Concedam 
a  foribus  huc,"    7.  429): 

io  uoglio  star  nascosto 
Cola  dietro  ä  quel  canto  insin  che  giunga. 

III.  Akt.  Basilio  (==  Theuropides)  dankt  Gott,  dem  Meere 
entkommen  zu  sein,  wobei  Negro  (wie  Tranio)  seine  Bemer- 
kungen macht. 

Bas.     0  con  che  desiderio  i  miei  di  casa 

Mi  debbon  aspettare:  o  che  allegrezza 

Hauran  come  mi  veggono. 
Neg.  Allegrezza 

Haurian'  udendo  che  tu  fussi  morto.') 
Bas.  Donde  proccede 

Che  le  porte  son  chiuse.     Ecci  nessuno?2) 

Aprite!  oh  lä!  nessun  risponde;  aprite. 


J)   V.  440. 

2)   V.  444  u.  s.  w. 


458  X.  Mostellaria. 

Neff.    Qual  e  qüest'  luiom  che  cosi  s'  avicina 

A  queste  nostro  porte? 
Bas.  Se  la  uista 

De  gli  occhi  non  m'  inganna  quello  e  '1  Negro, 

Mio  famiglio;  glie  desso. 

Basilio   ist  noch  freundlicher    als  Theuropides. 

I'  ti  abbraccio  &  ti  bacio,  perche,  Negro, 
T'  hebbi  come  figliuol  sempre  mai  caro. 

Länger  und  herzlicher,  als  bei  Plautus,  verweilt  er  erst 
hei  Nachfragen  um  seinen  Sohn,  sein  Haus  u.  s.  w.  Er  hört, 
dass  Fulvio  auf  dem  Lande  sei.  „Warum  aber  pochte  ich  ver- 
geblich ans  Haus?" 

Bas.     Quasi  ruppi  &  gittai  1'  uscio  a  terra.1) 
Neg.    Ahime,  patron,  che  e  quel  che  u'  odo  dire? 

Voi  dunque  hauete  tocche  quelle  porte? 
Bas.    Perche  ragion  non  doueu'  io  toccarle? 

Noch  weit  mehr,   als  Tranio,  klagt  Negro  über  diese  Kühnheit. 
Fateui  '1  segno  de  la  santa  croce! 

Erst  blickt  er,  wie  Tranio,  vorsichtig  um  sich,  ob  niemand 
kusche  (V.  472): 

Tra.  Circumspicedum,  numquis  est, 

Sermonem  nostrum  qui  aucupet. 
Theur.  Tutuni  probest. 

Tra.        Circumspice  etiara. 

Theur.  Nemost:  loquere  nunc  iam! 

Neg.        Ma  guardate,  patron,  prima  d'  iutorno 

Se  persona  uedete  che  n'  ascolte. 
Bas.        Persona  non  appar  per  questa  strada. 
Neg.        Voltateui  di  nuouo:  appar  alcuno? 
Bas.         Tu  puoi  iucominciar  sicuramente. 

Dann    beginnt    er   unter    allerlei  Zeremonien  seine  Erzählung 

(7.  470): 

Son  otto  mesi  homai  che  'n  questa  casa 
Non  habita  persona. 

Nicht  um  alles  möchte  Negro  hier  eine  einzige  Nacht  schlafen, 

Perch'  ella  e  tutta  piena  di  fantasmi, 
Di  Spirti,  di  Diauoli  infernali. 

In  langer  Rede  erzählt  nun  Negro,  wie  Fulvio  eines  Nachts 
wie    verzweifelt   davon    rannte,    mit    dem    Bemerken,    nach   neun 


')    V.  454  u.  s.  w. 


Erc.  Bentivoglios  I  fantasmi.  459 

Tagen  wolle  er  ihm  den  Grund  hiervon  angehen.  Negro  selber 
sei  im  Hause  gehlieben,  da  sei  an  sein  Bett  ein  Geist  getreten 
mit   den  Worten: 

Hör  odi  quel  ch'  anchor  a  Fuluio  hö  detto: 
Non  mettete  mai  piu  qua  dentro  il  piede: 
Ch'  io  non  ui  lascierö  riposar  mai 
Giorno  ne  notte:  ch'  io  son  qui  sepolto. 
Et  starui  mi  conuiene  eternamente. 

Das  Weitere  stimmt  wieder  zu  Plautus.     (V.  500:  per 
fidem  ff.): 

Fui  da  un  falso  amico 
Albergato  una  uolta  in  questa  casa, 
II  quäl  m'  uccise  su  la  mezza  notte 
Quando  dormiuo  i  &  tolsemi  i  danari 


E  poi  mi  sepeli  sotto  la  scala. 


Xegros  Bericht  hat  den  gewünschten  Erfolg.  Da  kömmt 
Orafo  mit  einem  von  Fulvio  verpfändeten  Ring,  um  dessen  Er- 
lös Lavinia  zwei  seidene  Kleider  erhielt.  „Woher  sind  die 
Ringe?  Wie  konnte  Fulvio  es  wagen,  die  Kassette  zu  er- 
brechen?-' fragt  der  Alte.  Negro  aber  hat  die  Lüge  bereit.  In 
einer  sehr  langen  Rede,  die  das  kurze  Wort  Tranios  „Aedis  filius 
tuus  emit"  (V.  636)  ersetzt,  berichtet  Negro,  dass  Fulvio  ein 
Haus   erstand : 

una  miglior'  in  questa  terra 
Xon  potreste  trouar. 

..Wo  ist  es?"  „„An  der  Ecke  linker  Hand."-'  Ohne  Brille 
kann  Basilio  nicht  sehen.  „Wem  gehörte  es?"  „..Dem 
Schneider  Lucchino.""  „Ma  uoglio  ire  a  uederla"  (=  V.  674: 
Cupio  hercle  inspicere  hasce  aedis).  „  „Man  muss  doch  den  Schnei- 
der erst  in  Kenntnis  setzen.""  Basilio  macht  erst  einen  Be- 
such. Indessen  sich  Negro  über  die  Dummheit  seines  Herrn 
wundert: 

0  Dio,  come  e  possibile  che  tanta 

Semplicitä,  tanta  sciocchezza  regni 

In  intelletto  human! 

kömmt  der  Schneider  Lucchino.  „Glie  desso"  (F.  687,  pro- 
greditur  ipsus). 

Negro  teilt  ihm,  mit  Beziehung  darauf,  dass  Fulvio  und 
Lavinia  seine  gute  alte  Kundschaft  seien,  mit,  er  möge  auf  die 
Pläne  des  Alten  eingehen  und  sein  Haus  für  ihn  bereit  halten, 
was   er  gerne  thut. 

IV.  Akt.  Nicht  so  gefällig  ist  des  Schneiders  Weib  Mar- 
ffherita.      Sie  ist  wegen  des  ihrem  Hause  zugedachten  Besuches 


460  X.    Mostellaria. 

mit  ihrem  Gatten  bös    in  Streit  gekommen,     wobei    sie    ihm    alles 

Mögliche  vorwirft : 

se  non  u'  hauessi 
Data  si  bella  dote,  non  sareste 
Vn  int'elice,  un  pouer  farsettaio 
Senza  bottega,  senz'  alcun  famiglio? 

Basilio  kömmt  mit  Negro,  um  das  Haus  in  Augenschein 
zu  nehmen. 

Vedete,  come  e  tutto  mesto  in  uisto, 
Perch'  e  di  questa  uendita  pentito. 
(V.  796.    Set  ut  maestus  est,  hasce  se  uendidisse.) 

Indessen  Lucchino  den  alten  Basilio  ins  Haus  einführt, 
bleibt  Negro  aussen  mit  einem  etwas  seltsamen  Monolog  (nach 
V.  775).  Wenn  Davus  und  Sosia  von  den  alten  Schriftstellern 
erhoben  werden : 

Non  merto  anch'  io  che  7  Bembo  ö  Paulo  Giouio 
In  crouica  mi  ponga? 

u.  s.  w.  Basilio  wird  durch  das  Haus  geführt:  da  er  aber  er- 
klärt, er  wolle  den  Rest  der  Kaufsumme  morgen  erlegen,  staunt 
Lucchino.  Er  weiss  von  nichts;  ja  die  Schneidersfrau  will  ihn 
mit  Schlägen  vor  die  Thüre  jagen,  wenn  nicht  der  Schneider  sein 
Alter  als  Milderungsgrund  vorschützen  würde.  Das  hat  Basilio 
tief  erschüttert.      Er  dachte,   in  Frieden  zu  leben,   aber: 

Tra  gli  spiriti  infernali  e  tra  li  barri 
In  paura  &  in  liti  hoggi  mi  trouo. 

Diese  Szene  ist  eine  glückliche  Erfindung  Benti- 
voglios;  die  Idee,  dem  Nachbarn  ein  böses  Weib  zu  ge- 
ben,  ist  ein  wirksamer  Gedanke. 

Die  Lösung  ruht  aber  wieder  auf  Plautus.  Der  Sklave 
Groppo  (=  Phaniscus)  will  seinen  Herrn  Apitio  holen;  er  klopft 
ans  Haus,  und  gutmütig  belehrt  ihn  (wie  Theuropides,  V.  949 ) 
Basilio: 

che  questa  casa  e  uota  &  che  nessuno 
V  habita  dentro. 

„Wie?"  ruft  Groppo.  „Wohnt  nicht  Fulvio  drinnen."  Er 
kömmt  auf  den  Gedanken  des  Phaniscus  (V.  952,  senex  hie 
elleborosust  certe):  „Questo  uecchio  farnetica."  Auf  seine  weitere 
Frage:  „E  chi  e  cotesto  Fuluio?"  erfährt  er  von  dem  heiteren  Le- 
ben seines  Sohnes: 

La  sua  cantina  par  San  Pier  di  Roma 
Quel  di  che  si  dmiostra  il  uolto  santo, 
Tanta  grau  srente  ui  concorre  a  bere. 


Erc.  Beritivoglios  I  fantasmi.  461 

Er  hat  den  Ring  seines  Vaters  versetzt,  seiner  Geliebten 
zwei  teuere  Kleider  geschafft,  u.  dgl.  Doch  trägt  er  nicht  alle 
Schuld  allein. 

E  cagion  d'  ogni  male  im  suo  famiglio 
Che  Negro  ha  noine. 

(nach  V.  983).  Basilio  bedauert,  diesem  jemals  sein  Ver- 
trauen geschenkt  zu  haben;  doch  will  er  sich  gebührend  an 
ihm  rächen. 

V.  Akt.  Basilio  hat  den  sbirro  Gr  äff  agnin  o  zu  Hilfe 
geholt  und  lauert  mit  ihm  auf  Negro.  Negro  erzählt,  wie 
durch  seinen  Beistand  Lavinia  rückwärts  entkam,  und  wie  es 
nun  Zeit  sei,   auch  die  übrigen  Zecher  baldigst  auszulassen. 

Questi  sono  gli  spirti  &  li  fantasmi 
Ch'  eran  in  casa  mia! 

ruft  Basilio,    der    ihn  belauscht    und  mit    den  Häschern  vortritt, 

die   Negro    fassen    und    abführen.      In    diesem  Augenblicke   ver- 

lässt    Fulvio    mit   Fl  am  in  io    das    Haus.      Basilio    hält    seinem 

Sohne    eine    ernste    Strafpredigt.      Fulvio    gesteht    seinen   Irrtum 

ein  und  verspricht, 

d'  esserui  quel  figliuolo  ubidiente 
Per  1'  auenir  che  disidrate  uoi. 

Basilio  spricht  seine  Meinung  aus.  Er  war  Kaufmann,  und 
als  solcher  glücklich:  auch  sein  Sohn  soll  es  wieder  werden.  Er 
will  ihm  Geld  und  alles  Nötige  dazu  geben:  seine  Defizite  sind 
ja  gering,  „a  paragon  di  quel  di  ch'  io  temeuo. "  Er  verspricht, 
alles  für  ihn  zu  bezahlen.  Auch  Negro  soll  auf  Fulvios  in- 
ständige Bitten  losgelassen  Averden,  weshalb  er  ihn  zum  Podestä 
schickt:  und  morgen  will  Basilio  auch  dem  Schneider  abbitten, 
den  er,  ohne  es  zu  wollen,  beleidigte.  Lavin ias  geschieht,  wie 
im  Original,  keine  Erwähnung,  was  bei  der  Modernisierung  des 
Stoffes   etwas  befremdet. 

Die  heitere  Komödie  ist  fast  ganz  plautinisch  und  in  reiner 
Sprache  und  fliessenden  Versen  abgefasst. 


Eine  Anzahl  Stücke,  welche  zum  Teil  die  Mostellaria 
berühren,  sind  bereits  an  anderer  Stelle  abgefertigt  worden,  so 
die  von  einigen1)  hierher  gezählte  Komödie  Lariveys  .,  Les 
Esprits;'.    (S.  286.) 


')  Ussing.    III.  299. 


462  X.   Mostellaria. 

Eine  seltsame  Reminiszenz  der  Mostella ria  auf  französi- 
schem Boden  findet  sich  in  dem  Lustspiel  „Le  comedien 
poete"')  des  Montfleury,2)  das  1674  privilegiert  wurde.3) 
Über  das  Stück  selbst  heisst  es  in  der  bezeichneten  Ausgabe 
(I,  31):  „Cette  com^die  est  d'une  composition  singuliere.  Le 
premier  acte  fait  une  piece  separee  qui  n'a  aucun  rapport  au 
titre  du  comedien  poete  et  est  suivi  d'une  scene  qui  fruit  ce 
meine  prologue  et  qui  annonce  une  piece  en  quatre  actes  en 
vers,  dont  le  sujet  n'a  aucun  rapport  avec  la  premiere,  mais 
qui  a  donne  le  titre  general  de  comedien  poete  parce  qu'il  est 
annonce  que  c'est  une  piece  faite  par  un  comedien.  Le  premier 
acte  separ6  a  et6  imprime  in  12.  sous  le  titre  ,Le  garcon  sans 
conduite'  suivant  la  copie  imprimee  ä  Paris  (Troyes)  1698.  II 
y  a  quelques  additions  dans  la  premiere  scene  du  prologue  qui 
ne  sont  point  dans  la  premiere  edition.  La  scene  qui  est  entre 
un  acteur  et  un  poete  se  passe  entre  Dämon  et  Crispin  son 
valet,  et  l'addition  roule  sur  une  plaisanterie  contre  les  cocus 
tiree  de  la  suite  du  prologue  qui  est  totalement  retranchee  et 
sur  une  plaisanterie  contre  les  procureurs  Substitute  a  Celle  qui 
est  dans  la  meme  suite  du  prologue  contre  les  medecins.  Les 
quatre  derniers  actes  ont  ete  imprimes  separement  ä  Caen  in 
12.  Jacques  Godes,  1700,  sous  ce  titre:  ,Les  Amans  infortunes 
et  contens.'  En  1732  les  comediens  la  representerent  sous  le 
titre  de   ,La  Sceur  ridicule'. 

Auf  Plautus  bezüglich  ist  also  nur  der  erste  Akt 
des  Stückes  (S.  1 — 34).  Im  Prolog  (S.  5)  sagt  der  Dichter: 
„J'ai  tire  l'idöe  de  cette  piece  de  Mostellaria  de 
Piaute,  que  lui-meme,  ä  ce  que  l'on  tient,  avoit  tiree  du  Phasma 
de   Menandre."4) 

(1.)  Geronte,  der  Onkel  des  jungen  Dämon,  sieht  mit 
Entsetzen,  welche  Wirtschaft  der  Junge  in  Abwesenheit  seines 
Vaters,  des  alten  Dämon,  führt.  Er  kann  es  nicht  länger 
mehr  mit  ansehen.  Der  Diener  Dämons,  Crispin,  erzählt  die 
Einzelnheiten : 


')  S.  1— 122  im  dritten  Bande  des  „Theätre  de  messienrs  de  Mont- 
fleury, pere  et  fils.  Nouvelle  e'dition.  Paris  1739."  (Par  la  compagnie  des 
libraires.)     Vgl.  Parfaict,  Histoire  du  theätre  francois     Bd.  XI.    S.  330. 

2)  Der  Vater  Zacliarie  Jacob,  mit  dem  Theaternamen  Mont- 
fleury, ist  geb.  am  Ende  des  16.  oder  Anfang  des  17.  Jahrhunderts,  gest. 
im  Dezember  1667,  während  der  Vorstellung  von  Racines  Andromaque, 
wo  er  den  Orest  spielte.  Sein  Sohn  Antoine  Jacob  Montfleury, 
geb.  1640;  gest.  11.  Oktober  1685  (a.  a.  0.  I,  2). 

3)  A.  a.  0.  I,  31.  Elle  fut  representee  sur  le  theätre  de  l'hotel  de 
Bourgogne. 

'')  Wohl  das  (Pdöfia  des  Philemon.  Ritschi,  Parerg.  159.  272.  431. 
—  Teuf  fei,  G.  d.  r.  L.     S.  149. 


Montfleurys  Le  Coinedien  Poete.  463 

„Mon  maitre  est  amoureux  d'un  objet  dont  l'esprit 

Aime  avec  passion  les  vers,  la  sj^niphonie, 

Les  machines,  les  vols,  les  danses,  l'karmonie; 

II  est  en  un  mot  tellement  entete 

Que  depuis  quelques  jours  sa  prodigalite 

Pour  regaler  l'ohjet,  dont  il  est  idolätre, 

Daus  notre  grande  salle  a  fait  uu  theätre, 

Pour  donner  le  plaisir  d'un  spectacle  eclatant 

Ce  soir  aux  convies,  en  machine  s'entend,, 

On  a  pris  pour  sujet  dans  les  exploits  d'Enee, 

Sa  descente  aux  enfers,  c'est  une  grande  idee." 

Das  ganze  Haus  ist  in  ein  Theater  umgewandelt  worden: 

Le  theätre  s'y  voit  change  de  vingt  facons, 
Les  cliamps  Elisiens,  les  spectres,  les  demons  — 


Et  vous  pourrez  enfin  y  voir  ä  tous  momens 
Abimer  quelque  diable  au  son  des  instrumens. 

Durch  diese  reiche  Inszenierung  hat  sich  Dämon  völlig 
ruiniert  und  ist  während  der  drei  Jahre,  wo  sein  Vater  ab- 
wesend ist  und  für  tot  geglaubt  wird,  ganz  heruntergekommen. 
(2.)  Um  Lays,    „la  galante'1,   und  seine  Parasiten  zu  bewirten, 

Depuis  un  an  au  plus 
Mon  maitre  a  depense  plus  de  vingt  mille  ecus. 

(3.)  Einer  der  Hauptparasiten  ist  d' Argentbref;  ihm  folgt 
(4.)  Lays,  als  Diana  gekleidet,  mit  einem  Gefolge  von  Mädchen, 
die  als  Jägerinnen  auftreten.  Alles  schwelgt  in  Freude,  da  (5.) 
kömmt  Cr  ispin  bestürzt:  „Tout  est  perdu!  Votre  pere  vient 
d'arriver. "      Dämon  verlässt  sich  auf  seinen  Diener: 

Repare  ce  malheur  par  quelque  trait  d'esprit. 
Au  secours  de  ton  maitre  appelle  l'artifice, 
Taut  de  fois  au  besoin  tu  m'as  rendu  Service, 
Ton  esprit 

u.  s.  w.    (6.)  Nach  kurzem  Besinnen  übernimmt  Cr  ispin  die  Sache. 
(7.)  Vater  Dämon  tritt  auf,    „sauve  des  perils  d'un  penible 
voyage".      Es  folgt  eine  Szene,   wie  bei  Plautus. 

Dam.     Que  tous  mes  gens  auront  m'ayant  tant  attendu, 

De  plaisir  ä  me  voir. 
.  Crisp.  Oui,  de  te  voir  pendu. 

Dam.     Mais  voici  ma  maison  ou  le  ciel  me  renvoie, 

La  lärme  ;\  cet  aspect  nie  vient  ä  l'ceil  de  joie. 

Que  mon  fils  de  mes  soins  cherira  le  succes. 
Crisp.    Oui  da,  comme  un  clieut  la  perte  d'un  proces. 

Crispin  tritt  vor  und  bogrüsst  seinen  Herrn.  Dieser  will 
zur  Thüre,  um  hineinzugehen.  Wieder  folgt  ein  Dialog,  wie 
bei  Plautus. 


464  X.   Mostellaria. 

Dam.  Heurte,  et  me  fais  ouvrir. 

Crisp.    Quoi? 

Dam.  La  porte. 

Crisp.  La  porte?  Ah!  Si  je  m'y  hazarde  .  .  . 

Dam.     Heurte,  dis-je. 

Crisp.  Moi?  Peste  que  je  n'ai  garde. 

Dam.     Pourquoi? 

Crisp.  Si  l'on  ine  voit  approcher  de  dix  pas  ... 

Dam.     II  faut  heurter. 

Crisp.  Monsieur,  ne  vous  y  jouez  pas. 

Endlich  rückt   er  mit  der   Geschichte  heraus: 

Sur  votre  bail  le  diable  a  mis  enchere, 
Monsieur,  et  fait  chez  vous  son  sabat  ordinaire. 
Cent  diables  transplantes  lä-dedans  en  huit  jours, 
Nous  ont  fait  deserter,  ils  nous  faisoient  des  tours: 
Tantöt  quelqu'un  de  ceux  qui  nous  livroient  la  guerre 
Nous  trainait  par  les  pieds  la  face  contre  terre, 
Tantöt  tout  le  logis  nous  paroissoit  en  feu; 
Quelquesfois  le  bäton  meme  jouoit  son  jeu. 

Der  Alte  jedoch  will  an  den  Teufelsspuk  nicht  recht  glauben. 
Er  hat  im  Hause  seine  beiden  „coffres-forts"  und  lässt  sich  durch 
nichts  abhalten  einzutreten.  Er  pocht  an  die  Thüre,  da  springt 
sie  auf,  sodass  Dämon  halb  hineinfällt.  Er  erblickt  das 
Theater,  das  einen  geöffneten  Höllenschlund  vorstellt,  und  auf 
dem  einige  Teufel  umherspringen. 

Ah  Crispin,  je  me  vois  ä  deux  doigts  de  ma  perte, 

Quel  nombre  de  demons  habite  nia  niaison! 

Ah  ciel,  je  suis  perdu.     Crispin  avoit  raison. 

La  parole  me  nianque  et  tout  nion  sang  se  glace. 

Den  auf  ihn  zustürzenden   Teufeln  ruft  er  zu: 

Quartier,  messieurs,  quartier! 

De  la  cave  au  grenier  ce  logis  est  change. 

Die   Teufel  umkreisen  ihn,   einer  aber  redet  ihn  an: 

Ne  crains  rien, 
Mais  il  faut  t'eloigner  d'un  logis  oü  la  flamme 
Te  peut  nuire. 

Dämons  erste  Frage  gilt  wieder  seinen  ..coffres-forts".  Die 
Teufel  ergreifen  ihn,   um  ihn  zu  denselben  zu  führen. 

Dem.     Tes  coffres-forts?  vien,  vien;  nous  allons  t'y  conduire. 

Dam.     N'en  prenez  pas  la  peine. 

Autre  dem.  On  veut  te  contenter. 

Auf  Maschinen  fliegt  er  mit  ihnen  zur  Höhe  unter  dem  Rufe: 
Ah!  le  diable  m'emporte,  et  nie  va  tourmenter. 


Regnards  Le  retour  irnprevu.  465 

Damit  endet  die  alberne  Posse,  die  nicht  wert  ist,  mit 
der  Mostellaria  in  Beziehung  gebracht  zu  werden,  und 
die  .,suite  du  prologue"  führt  auf  das  eigentliche  Stück  hinüber. 
Nach  des  Verfassers  Angabe  ist  die  Idee  Plautus  ent- 
nommen; doch  ist  sie  seltsam  ausgesponnen,  ohne  Anspruch 
auf  Witz,  einfach  kein  Stück.  Dämon  kömmt  nicht  mehr;  es 
ist.  also  nur  ein  plumper  Scherz   ohne  jegliche  Kunst. 

Moliere  war  wohl  mit  Recht  ein  Kritiker  des  Vaters 
Montfieury,  in  dessen  Fusstapfen  der  Sohn  trat.  Solche  Gegner 
fand  Moliere! 

Eine  geschickte  Nachahmung  und  Modernisierung  der  plau- 
tinisehen  Mostellaria  ist  Regnards  (S.  69  ff.)  „Le  retour  irn- 
prevu"1) (1700).  „Wer  des  Regnard  seine  unvermutete 
Wiederkunft  gelesen  hat,  der  hat  von  diesem  Stücke  eine  glück- 
liche Nachahmung  gelesen,-'    urteilt  Lessing.-) 

(1.)  Die  alte  Madame  Bertrand  spricht  dem  Kammer- 
mädchen Lisette  gegenüber  ihre  ernste  Missbilligung  des  Ver- 
haltens ihrer  Nichte  Lucile  aus,  und  da  sie  hört,  dass  sie  sich 
fest  entschlossen  habe,  Clitandre  zu  heiraten,  geht  sie  noch 
mehr  empört  ab.  (2.)  Merlin,  Clitandres  Diener,  ein  echter 
Tranio,  bespricht  sich  mit  Lisette  über  den  gleichen  Gegen- 
stand. Er  findet,  dass  er,  strenge  genommen,  nicht  für  die 
Heirat  seines  Herrn  sein  dürfe,  denn  „l'amour  rend  liberal,  le 
mariage  corrige  l'amour".  Jetzt  aber  treibe  es  Clitandre 
doch  zu  bunt.  Auch  heute  ist  grosse  Gasterei.  „Trois  garcons 
de  la  Guerbois  viennent  d'  arriver  avec  tont  leur  attirail  de 
cuisine;  Canel,  le  fameux  Canel,  marchoit  a  leur  tete:  l'illustre 
Forel  a  envoye  six  douzaines  de  vin  de  Champagne."  (3.) 
Clitandre  schickt  Lisette  nach  Lucile;  unterdessen  findet  ein 
ernstes  Gespräch  zwischen  Merlin  und  Clitandre  statt.  (4.) 
Merlin  fragt  ihn,  was  er,  falls  er  verheiratet  wäre,  tliun  wollte, 
wenn  sein  Vater,  der  nun  ein  Jahr  Handel  in  Spanien  trieb, 
plötzlich  zurückkäme.  Zudem  steht  es  mit  den  Finanzen  sehr 
schlimm.  Alle  Pachtzinse  sind  im  vorneherein  eingenommen; 
zwei  grosse  Gemälde,  für  welche  der  Alte  zweitausend  Thaler 
als  viel  zu  geringe  Zahlung  ausgeschlagen  hatte,  sind  um  zwei- 
hundert Louisd'or  verkauft  worden;  gerichtliche  Klagen,  besonders 
seitens  des  Ms.  Andre,  eines  ungeduldigen  Gläubigers,  sind 
eingelaufen,    „et  il  ne  seroit   pas  plaisant  que   le  jour  de  la  nöce 


1)  Le  retour  imprevu.  Comedie  en  prose,  et  en  an  Acte  Ee- 
presentee  pour  la  premidre  töis  le  jeudi  11  levrier  1700.  Enthalten  auf 
S.  89 — 133  des  dritten  Bandes  der  Oeuvres  de  M.  Regnard.  Nouvclle 
edition.  Paris  (Bördelet)  1750.  und  auf  S.  590 — töK  des  ersteu  Bandes 
der  Oeuvres  completes  de  Regnard.     Paris  (DelaHäysJ  1854. 

2)  Beiträge.    S.  49. 

30 


466  X-  Mostellaria. 

il  \ous  t'it  coucher  au  Chätelet".  Sogar  die  Wälder  sind  abge- 
schlagen „sous  pretexte  d'avoir  de  la  vue".  Merlin  weiss 
nun  kein  Mittel  mehr.  Allerdings  sollte  der  Alte  einmal  zurück- 
kehren —  „entre  nous  ce  n'est  pas  un  grand  genie  que 
Monsieur  votre  pere:  je  Tai  mene  autrefois  par  le  nez,  comme 
vous   savez,  je  lui  fais   accroire  ce  que  je  veux". 

(5.)  Luciles  Ankunft  unterbricht  das  Gespräch.  Nur  die 
zuversichtliche  Hoffnung  auf  eine  baldige  Ehe  rechtfertigt  ihre 
Schritte.  Im  Verlaufe  schlägt  sich  der  Parasit  (6.),  „le  marquis, " 
zur  Gesellschaft.  (7.)  Merlin  meldet,  dass  das  Souper  bereit 
sei,  (8.)  er  wünscht  nur:  „fasse  le  ciel  que  cela  dure  longtemps!" 
Da  naht  (9.)  Jacquinet,  der  Diener  des  alten  Herrn,  dessen 
Auftreten  einen  grossen  Schrecken  verursacht.  Der  Herr  ist  zu- 
rückgekehrt. Jacquinet  findet  seinen  Kameraden  Merlin  etwas 
betreten.  Merlin  will  übrigens,  schnell  besonnen,  Jacquinet 
mithelfen  lassen.  Er  schickt  ihn  zu  seinem  Herrn,  der  drinnen 
soupiert.  „Dis-lui  qu'il  se  tienne  en  repos  &  toi  commence  par 
t'enivrer  et  tu  t'iras  coucher:  bon  soir!"  Diesem  Auftrage 
kömmt  Jacquinet  gerne  nach.  Und  nun  gilt  es  Geistesgegen- 
wart. (10.)  „Un  pere  qui  revient  en  imprornptu  d'un  long 
vovage,  un  fils  dans  la  debauche,  sa  maison  en  desordre,  pleine 
de  cuisiniers,  les  apprets  dune  nöce  prochaine.  il  faut  se  tirer 
d'embarras. " 

(10.)  Geronte  tritt  auf,  froh  wie  der  plautinische  Theuro- 
pides,  die  Heimat  und  sein  Haus  begrüssen  zu  können.  Es 
folgen   die   bekannten   Szenen. 

Ger.       Je  crois  que    mon  fils  sera  bien  sensible  au  plaisir  de  me  re- 

voir  en  bonne  saute. 
Merl.     Xous  le  serions  bien  davantage  ä  celui  de  te  savoir  encore  bien 

loin  d'ici. 

Endlich  begrüsst  Merlin  den  Alten,  schon  auf  das  Folgende 
anspielend:  ..Suis-je  bien  eveille?  Est-ce  un  spectre  .  .  .?"  und 
dann:  ..Mais  vraiment  c'est  Monsieur  Geronte  lui-meme,  ou 
c'est  le  diable  sous  sa  figure. "  Geronte  erkundigt  sich  um 
seinen  Sohn.  „Hat  er  gut  gewirtschaftet  ?  Mes  deniers  ont-ils 
bien  profite  entre  ses  mains?"  Ausweichend  antwortet  ihm  Merlin: 
..II  a  mis  vos  affaires  dans  un  etat  dont  vous  serez  etonne  sur 
ma  parole."  Eben  preist  Merlin  Clitandres  gewaltige  Spar- 
samkeit, da  kömmt  (12.)  M.  Andre,  der  ungestüme  Gläubiger, 
der  den  jungen  Herrn  morgen  „coffrer"  lassen  wird,  wofern  er 
nicht  heute  noch  bezahlt.  Geronte  mischt  sich  in  die  Unter- 
handlung und  erfährt,  dass  sein  Sohn  diesem  Andre  zweitausend 
Tlialer  schulde,  wobei  Andre  den  jungen  Herrn  in  ungünstigster 
Weise  schildert.     „Autant  le  fils  est  joueur,   depensier  et  prodigue, 


Begnards  Le  retour  imprevu.  467 

autant  le  pere  a,  ce  qu'on  dit,  est  im  vilain,  im  ladre,  im  fesse- 
Matthieu;"  und  dann  „ee  n'est  pas  de  vous  dont  je  veux  parier, 
c'est  du  pere  de  Clitandre,  qui  est  im  sot,  im  imbecille".  Merlin 
beschwichtigt  den  stutzig-  gewordeneu  Alten,  indem  er  ihm 
sagt:  „Vous  serez  charme  de  Monsieur  votre  fils;  il  a  achete  une 
maison  de  dix-mille  ecus  .  .  .  qui  en  vaut  plus  de  quinze. "  Auf 
diese  Mitteilung  hin  erklärt  sich  der  Vater  bereit,  morgen  die 
Summe  an  Andre  zu  bezahlen.  (13.)  Nun  ergiebt  sich  natürlich 
die  Frage  des  Theuropides  (V.  659,  Qua  in  regione  ff.):  „Dans 
quel  endroit  de  la  ville  mon  fils  a-t-il  achete  cette  maison?"  In 
steigender  Verlegenheit  halt  Merlin  den  Alten  hin.  „Da  hinten  .  .  . 
lä  dans   cette   autre  nie   ..." 

Ger.       Je  ne  saurois  voir  cela  d'ici  .  .  . 
Merl.     Ce  n'est  pas  ma  faute  .  .  . 

Endlich  bezeichnet  er  ihm  das  Haus  der  Madame  Bertrand. 
„Und  warum  verkaufte  sie  ihr  Haus?"  „,,I1  lui  est  survenu  im 
grand  malheur:  eile  est  devenue  folle. ""  Ihr  Sohn,  ein  Ver- 
schwender, hat  das  Haus  um  die  Hälfte  des  Wertes  verschleudert. 
„Sie  hatte  doch  keinen  Sohn  — ,"  wirft  Geronte  ein.  „II  faut 
donc  que  ce  soit  la  fille, "  erwidert  Merlin  unerschrocken.  Nun 
will  Geronte  in  sein  Haus  eintreten.  Merlin,  in  höchster  Ver- 
wirrung, will  ihn  zurückhalten,  und  da  er  sich  nicht  anders  mehr 
helfen  kann,  sagt  er:  „Le  diable  s'en  est  empare,  Monsieur;  il 
nous  a  fallu  deloger  ä  demi-terme. "  Anfänglich  will  Geronte 
nicht  daran  glauben,  bald  aber  bricht  er  in  die  Worte  aus:  „Ah, 
je  suis  perdii;  j'ai  cache  en  terre  im  sac  de  cuire  oü  il  y  a 
vingt  mille  francs!"  Das  ist  genug  für  Merlin.  Er  lässt  sich 
Ort  und  Stelle  näher  beschreiben.  Geronte  zweifelt  noch  immer 
an  der  Richtigkeit  der  Erzählung,  neigt  sich  aber  doch  mehr 
zum  Glauben.      Zweifelnd  geht,  er  von  dannen. 

(14.)  Lisette  erfährt  durch  Merlin  von  Gerontes  ver- 
grabenem Schatze.  Alsbald  (157)  kömmt  Geronte  zurück;  er 
hat  sich  die  Sache  wohl  überlegt  und  will  nun  seine  Ballen  in 
das  neu  angekaufte  Haus  schaffen  lassen.  Merlin  bringt  ihm 
bei,  dass  Madame  Bertrand  noch  in  demselben  wohne.  „Elle 
sc  met  dans  une  fureur  epouvantable  quand  on  lui  parle  de  cette 
maison;  c'est  la  sa  plus  grande  folie,  voyez-vous."  Indessen 
kömmt  Madame  Bertrand  selbst.  (16.)  Merlin  zieht  sie  bei- 
seite und  sagt  ihr  nun  von  Geronte  gleichfalls:  „II  est  reveiiu 
fou;  son  vaisseau  a  peri,  il  a  bü  de  l'eau  salee  an  peu  plus 
que  de  raison."  So  sind  beide  auf  einander  vorbereitet,  und 
finden  beide  gar  bald  das  Gesagte  bestätigt.  „11  a  quelque 
chose  dY'gare  dans  la  vüe!"  meint  Madame  Berfrand.  „Comme 
sa    physionomie   est   changee.      Elle    a   les    yeux    bagards,"    findet 


468  X;    Mostellaria. 

( I  ('■  r  o  n  t  e.  Er  beginnt  nun ,  dass  er  seine  Ballen  bei  ibr  ein- 
stellen werde.  „Der  Ärmste!-'  sagt  Madame  Berti- and.  „II  ne 
se  souvient  que  son  vaisseau  a  peri;  quelle  pitie!"  Allmählich  indes 
überzeugt  sich  Geronte,  dass  sie  nicht  gar  zu  schlimm  daran  sei, 
und  so  kömmt  er  auf  den  Hausverkauf'  zu  sprechen.  Madame 
Bertrand  wird  heftig,  nicht  minder  Geronte;  Merlin  sieht  be- 
reits nimmer  ein,  „comment  je  me  tirerai  de  cette  affaire. "  (17.) 
Die  Lösung  führt  der  betrunkene  Marquis  herbei.  Geronte 
sieht  ihn  aus  dem  Hause  wanken.  „Merlin,  qu'est-ce  que  cela 
veut  dire?"  fragt  er.  „Les  diables  de  chez  vous  sont  im  peu 
ivrognes,  ils  se  plaisent  dans  la  cave.  •'  Der  Marquis  wird  ge- 
schwätzig. Von  ihm  erfährt  Geronte,  welch  lustiges  Leben 
sein  Sohn  führe,  dass  die  schönen  Tapeten  verkauft,  die  Gemälde 
veräussert  seien,  welche  den  Raub  der  Sabinerinnen  darstellten. 
.,11  y  avait  lä  une  immodeste  Sabine,  decolletee. "  Auch  Madame 
Bertrand  kömmt  zurück  mit  Klagen  über  Clitandre,  der  ihre 
Nichte  verführe.  Da  erblickt  Geronte  seinen  Sohn  und  Lisette 
mit  seinem  ledernen  Geldsacke.  (19.)  Clitandre  tritt  seinem 
Vater  mit  der  vollen  Wahrheit  entgegen.  Er  wolle  Lucile 
heiraten.  „Consentez  ä  ce  mariage,  je  vous  prie,  on  vous 
rendra  votre  argent,  et  je  promets  que  vous  serez  content  de 
moi  dans  la  suite. u  M.  Bertrand  verspricht,  im  Falle  der  Verehe- 
lichung ihrer  Nichte,  ihr  eine  anständige  Aussteuer  zu  geben.  Der 
Alte  glaubt  noch  immer,  sie  stehe  unter  Kuratel.  „Pouvez-vous 
donner  quelque  chose;  et  n'etes-vous  pas  intredite?"  Merlin 
erklärt:  „Elle  ne  Test  que  de  ma  facon."  „Quoi?  la  maison .  ..." 
zaudert  Geronte.  „Tout  cela  part  de  lä, •'  beschwichtigt  ihn 
Merlin. 

Dem  Alten  ist  es  zunächst  um  das  Geld  zu  thun.  Man 
könnte  sogar  an  die  Aulularia  erinnert  werden.  Wie  Moli  er  es 
Harpagon,  ruft  Geronte:  „Qu'on  me  rende  mon  argent!"  und 
giebt  sich  hierauf  mit  allem  zufrieden.  „C'est  le  moyen  de  vous 
einpecher  de  faire  pis. " 

Hinsichtlich  der  Lösung  des  Plautus,  gegenüber  jener  bei 
Regnard,  urteilt  der  Herausgeber  der  Werke  Regnards  (Paris 
1854  S.  592): 

Ce  denoument  nous  parait  moins  heureux  que  celui  de  Regnard. 
La  facilite  de  Theuropides  est  peu  vraisemblable ,  et  la  presence  d'un 
debauche  pris  de  vin,  et  aecompagne  de  courtisanes,  nous  seniblait  plutöt 
exciter  la  colere  du  vieillard,  que  propre  ä  menager  une  reconciliation. 
La  presence  et  le  discours  du  marquis  ne  produisent  pas,  ä  beaueoup 
pres,  le  nieme  efFet  dans  la  piece  de  Regnard.  L'incident  du  sac  de 
vingt  mille  francs  prepare  le  denoument  d'une  maniere  plus  adroite  et 
plus  naturelle:  le  caractere  du  vieillard  y  est  mieux  soutenu;  et  il  est 
jilus  vraisemblable  qu'il  pardonne  ä  son  fils,  dans  l'espoir  de  recouvrer 
son  argent,  qu'il  ne  l'est  qu'il  se  rende  aux  persuasions  d'un  de  ses  com- 
pagnous  de  debauche. 


Heywoods  The  English  Traveller.  4(39 

Regnard  hat  bei  der  Modernisierung  seines  Stückes  den 
Schwerpunkt  der  komischen  Handlung  auf  den  Haus  verkauf 
gelegt:  die  Geistergeschichte  seiher  spielt  nur  eine  gan^z 
untergeordnete  Rolle.  Die  Hauptfigur  ist  Merlin,  wie  hei 
Plautus  Tranio,  in  der  That  ein  Diener,  von  dem  man  mit 
dem  Marquis  sagen  darf  (Sz.  6):  „Ce  coquin-la  vaut  vingt  mille 
livres  de  rente  comme  im  soü  ä  un  enfant  de  famille." 

Auch  die  deutsche  Bühne  hat  die  Mostellaria  in  Regnards 
Bearbeitung  aufgenommen.  „Die  unvermutete  Wiederkunft" 
findet  sich  im  ersten  Teile  No.  5  der  „  Theatralischen  Werke" 
1757.1)  Früher  schon  (1749)  erschien  „Die  unvermutete 
Wiederkunft".  Lustspiel  aus  dem  Französischen  des  Regnard, 
übersetzt  von  A.   W.   Hamburg-.2) 

Möglicherweise  beruht  auf  Regnard  die  Oper  „Le  Retour 
inattendu",  Text  von  Bernard  Valville,  Musik  von  Gaveaux, 
die  am  28.  März  1802  im  Theätre  Feydeau  gespielt  wurde.3) 
Eine  französische  Übersetzung  der  Mostellaria  lieferte  1803 
Dotteville. 


In  England  hat  Thomas  Hey  wo  od  (S.  78),  der  über- 
haupt Plautus  wohl  kannte,  fast  wörtlich  in  seine  Tragi- 
komödie „The  English  Traveller"4)  die  Mostellaria  über- 
tragen,  und   zwar  in  der  Episode  mit   dem  jungen  Lionel.'') 

In  der  Einleitung  (S.  105)  heisst  es:  „Of  ,The  English 
Traveller'  the  story  of  Young  Lionel  and  Reignald,  as  has 
heen  observed  by  Langbaine,  is  st  ölen  from  the  Mortellaria 
(so  zweimal!)  of  Plautus;  ant  it  is  certain  that  a  considerahle 
part  of  the  play  is  so  closely  copied  from  that  per  form  an  ce, 
that  it  ought  not  to  have  been  done  without  acknoledgement. 
But  our  poet  in  this  only  followed  the  example  of  some  other 
and  greater  poets   than  himself. " 


')  Gottsched,  Nöth.  Vorrath.    II,  293. 

2)  Gödeke,  Grdrss.    I.  Bd.    S.  547. 

3)  Clement,  Diction.  lyr.    S.  572. 

4)  The  English  Traveller,  a  tragi-comedy  by  Thomas  Heywood, 
auf  S.  109 — 218  des  sechsten  Bandes  der  Old  Plays;  heing  a  con- 
tinuation  of  Dodsley's  collection,  with  notes  critical  and  explanatoi'y. 
London  (Rodwell  and  Martin)  1816.  —  Der  erste  Druck  ist  von  1633  in  4". 

5)  Rapp,  Studien,  S.  49.  „Plautus1  Mostellaria  auf  eigentümliche 
Art  nachgebildet,  nicht  etwa  wie  Moliere  die  antiken  Motive  verändert, 
sondern  völlig  das  Stück  frei  übersetzt,  an  einer  Stelle  im  zweiten  Akt. 
wo  ein  besoffenes  Mahl  geschildert  wird,  die  griechische  Fabel  in  ihrem 
eigensten  Sinue  aufs  genialste  weiter  geführt .  dann  aber  dem  ganzen 
antiken  Stoffe  eine  zweite  Fabel  untergelegt,  die  völlig  modern  und  auf 
ein  psychologisch-moralisches  Problem  gestellt  ist."  —  Dunlop.  Hist.  of 
Rom.  litt,    I,  209.  —  Ussing.    III.  299. 


470  X.    Mostellaria. 

Ohne  auf  den  Inhalt  der  ganzen  an  Personen  reichen  Tragi- 
komödie einzugehen,  in  welcher  sehr  gediegene  Figuren,  wie  der 
alte  Wincot  und  sein  junges  Weih,  spielen,  holen  wir  hier  nur 
jene   Episoden   heraus,   welche  mit  Plautus  zusammenhängen. 

Drei  Jahre  schon  ist  der  alte  Lionel  von  Hause  abwesend; 
dem  jungen  Lionel,  „a  riotous  Citizen,"  dient  Reignald,  „a 
parasitical  servingman. "      Er  sagt  (S.    119): 

two  years  already 
Are  past  of  our  great  empire,  ancl  we  now 
Write  anno  tertio. 

Vorderhand  spielt  er: 

the  mighty  lord  and  seneschal 
Of  this  great  house  and  Castle. 

Lionel  vergleicht  in  seinem  ersten  Monologe  (S.  123),  wie 
Philolaches  (F.  85,  Reeordatus  multum  sum  ff. ),  den 
Menschen  mit   einem  neuen  Hause: 

To  what  may  young  men  best  compare  themselves? 

Better  to  what  than  to  a  house  new  built? 

The  fabric  strong.  the  Chambers  well  contriv'd, 

Polisli'd  within.  without  well  beautify'd; 

When  all  that  gaze  upon  the  edifice, 

Do  not  alone  commend  the  workman's  craft. 

But  either  make  it  their  fair  precedent 

By  which  to  build  another,  or  at  least 

Wish  there  to  inhabit. 

u.    s.    w.    nach  Plautus. 

Blanda,  seine  Geliebte,  ,.a  prostitute, •'  tritt  mit  der  Kupp- 
lerin Scapha,  „a  bawd,-'  auf.  Sie  will  ihren  Geliebten  bezaubern. 
Wie  Philema tium  fragt  sie:  „And  how  doth  this  tire  become 
me?"    Lionel   erblickt   sie.      (V.    162,   Haec  illast  ff.): 

Oh.  here  's  that  hail-shower,  tempest,  storm.  and  gast. 
That  shatter'd  hath  this  building;  let  in  last. 
Intemperance,  appetite  to  vice,  with  al, 
Neglect  of  every  goodness;  thus  I  see 
Now  I  am  sinking  in  mine  own  disease. 

Blanda  ist  besorgt  (wie  Philema  tium  V.  166  ff.)  um  den 
Effekt  ihrer  Toilette: 

And  how  this  gown?  I  prithee  view  me  well, 
And  speak  with  thy  best  judgment. 

Scaphas  Antwort  gefällt  Lionel.  Mit  Philolaches  |  V.  174) 
sagt   er: 

And  I  '11  for  that  reward  thee! 


Heywoods  The  English  Traveller.  471 

Übereinstimmend  mit  dem  Original  lauten  Scaphas  Lehren, 
die  sie  Blanda  erteilt.  Diese  will  nur  Einem  treu  bleiben; 
Scapha  aber  sucht  sie  zu  überzeigen,  „to  affect  one  and  despise 
all  other  beeomes  the  precise  matron,  not  the  prostitute.  (V.  190, 
Matronae  ff.)  Sie  spricht  von  der  Verschwendung,  und  Lionel 
schwört   ihr,    wie  Philolaches,    (V.  237): 

In  te  hercle  certumst  principe,  ut  sim  parcus,  experiri : 

Nam  neque  C'les  quicquam  neque  bibes  apui  nie  his  decem  diebns. 

My  parsimony  shall  begin  in  thee 

And  instantly;  for  from  this  hour  I  vow 

That  thou  not  more  shalt  drink  lipon  my  cost, 

Nor  taste  the  smallest  fragment  from  my  board. 

Bald  gesellen  sich  Rioter,  „a  spendthrift, "  und  two  gallants 
dazu.  Scapha  wird,  wie  Lionel  drohte,  wegen  ihres  Rates  an 
Blanda  vom  Mahle  ausgeschlossen.  „Drink  from  dry  Springs, 
from  empty  knapsacks  feed!il   lautet   ihr  Verdammungsurteil. 

Trefflich  wird  im  zweiten  Akte  (S.  142)  das  trunkene 
Gelage  mit  einem  wilden  Seesturm   verglichen. 

we  had  a  stormy  night  on  't  .  .  . 
Now  't  is  a  calm. 

Vor  allem  Rioter  ist  stark  betrunken,  wie  Callidamates. 
Da   eilt  Reignald  herbei  mit  der  vernichtenden  Meldung: 

Your  father,  sir  —   ... 

He  is,  —  oh,  I  want  breath  .  .  . 

Landed  —  and  at  land. 
Lion.     Who  saw  him? 
Reuj.    I  —  these  eyes. 
Lion.     0  heaven,  what  shall  I  do  then? 

genau  nach    V.  366  ff. 

Umsonst  will   man  Rioter  wieder  nüchtern  machen. 

Lion.    Arise,  I  say! 

My  father  's  come  from  sea. 
Riot.     If  he  be  come,  bid  him  be  gone  agaiu. 

ganz   nach    V.   376. 

Wie  Tranio,   übernimmt  es  Reignald,   Hilfe  zu  schaffen. 

Der  alte  Lionel,  „dressed  as  a  Merchant,"  tritt  auf.  Statt 
des  Dankes  an  Neptun,  den  Theuropides  spricht,  wendet  er  sich 
an  die  Matrosen.     Er  wird  die  See  nicht  mehr  betreten.    (F.  442.) 

Old  Lion.     And  now  it  mach  rejoiceth  me,  to  t  hink 

What  a  tnost  sudden  welcome  I  shall  bring 
Both  to  my  friends  and  private  family. 
Reig.     Oh  bat  how  much  more  welcome  had  he  been 
That  had  brought  certain  tidings  <d'  tliy  death. 


472  X.  Mostellaria. 

Er  findet  alles  stille  und  verschlossen;  da  pocht  er.  Reig- 
nald  begrüsst   ihn:    alsdann   folgt   das   bekannte   Zwiegespräch. 

Reig.     Did  your  hand  touch  that  hammer? 
Old  Lion.    Why;  who  's  eise? 

Reig.     But  are  you  sure,  you  toucli'd  it? 
<>Ll  Lion,     How  eise,  I  prithee,  could  I  have  made  this  noise? 

Reiq.     You  touch" d  it  then? 
Old  Lion.    I  teil  thee  yet  I  did. 

Reig.     Oh,  for  the  love  I  bear  you. 

Oh,  nie  most  miserable!  you  for  your  own  sake 
Of  all  alive  most  wretched.  did  you  touch  it  ? 
Old  Lion.     Why.  say  I  did. 

Noch  länger  als  Tranio  hält  er  den  alten  Lionel  hin; 
dann  flüstert   er  ihm  zu: 

First  look  about,  beware  that  no  man  hear; 
Command  these  to  remove. 

Lionel   erfüllt  den  Wunsch,    um   nun  zu  hören: 

0  sir,  this  house  is  growne  prodigious. 
Fatal,  disasterous  unto  you  and  yours. 

Es  folgt  die  Geschichte  von  dem  ermordeten  Gastfreunde. 
Nur  eilige  Flucht   kann  retten. 

Old  Lion.     Fly  whither?  Why  dost  thou  not  fly  too? 

Reig'.     What  need  I  fear?   The  ghost  and  I  am  friends, 

versetzt  hier  Reignald  doppelsinnig,  statt  des  ,.  pax  mihi  st  cum 
mortuis"    des  Theuropides   (V.   513). 

Wie  Theuropides  den  Herkules  anruft  (F  528),  so  eilt 
Lionel  ab  mit   dem  Rufe:    ,.Some  blessed  powers  guard  me!" 

Der  dritte  Akt  führt  (S.  162)  die  Episode  weiter.  Von 
einer  Seite  kömmt  ein  „Usurer  and  bis  man",  von  der  andern  der 
alte  Lionel  mit  seinem  Diener.  Wir  erfahren  von  Reignald, 
dass  sein  Herr  tief  verschuldet  sei  und  dem  usurer  noch  ,.prin- 
cipal  and  use"  schulde.  Reignald  spricht  erst  mit  Lionel. 
Dieser  hat  den  früheren  Besitzer  des  Haiises  aufgesucht,  der  von 
einem  Morde   nichts   wissen   will   (F.    553): 

Tran.  Etiam  fatetur  de  hospite? 
Theur.  Immo  pernegat. 

Tran.  Negat  ? 

Theur.  Negat.  inquam. 

Reig.  Did  he  confess  the  murder? 

Old  Lion.  No  such  thing:  most  stiffly  he  denies  it. 

Der  Wucherer  wendet   sich   nun  an   Reignald  (F.   566): 


Heywoods  The  English  Traveller.  473 

Hie  ad  me  it.  saluos  sum  : 
Spes  est  de  urgente-. 
After  so  many  frivolous  delays 
There  's  now  sonie  hope. 

Er  fordert  seine  fünfhundert  Pfund.  Der  Alte  hört  den 
Namen  seines   Sohnes  nennen  (F.    615): 

Quid  illic  est?  quid  illic  petit? 
Quid  Philolacltctem  gnatum  conpellat  meum 
Sic  et  praesenli  tibi  facti  conuitium? 
Quid  Uli  debetur? 

—     —     in  which  language 
He  names  my  son,  and  thus  upbraideth  thee; 
What  is  't  you  owe  this  man? 

Er  erfährt  von  der  Schuld,  Reignald  beruhigt  ihn  aber 
sofort : 

\Yith  this  sum  joined  to  the  rest, 
Your  son  has  purchased  both  land  and  houses. 

Das  nötigt   ihm  das  Lob  ab: 

Blessiug  on  him! 

That  he  is  grown  so  thrifty! 

Gerne  sagt  er  die  Bezahlung  zu.  Nun  will  er  aber  auch 
das  Haus  beschrieben  wissen  und  hört  dabei: 

't  is  this  house 
That  next  adjoins  to  yours. 

„My  neighbour  Ricot's?"  fragt  er.  Nun  will  er  es  auch  sofort 
besehen,  und  nur  durch  die  bekannte  Ausrede  (F.  680)  vermag 
ihn  Reignald    abzuhalten. 

Old  Lion.     Prithee  knock, 

And  call  the  master  or  the  servant  on  't. 
Reig.    The  house  is  füll  of  womeu : 

To  take  them  improvided,  were  disgrace. 

Den  vierten  Akt  beginnt  wieder  die  plautinische 
Episode.  Reignald  ist  bei  Ricot:  er  erzählt  ihm,  dass  seine 
schönste  Zeit  vorüber  sei,  da  der  alte  Herr  wieder  hierhergekommen. 
Lionel  wünsche   sein   Haus  zu  besichtigen: 

't  is  suppos'd 
He  hath  latc  found  a  wife  out  for  Ins  son, 

und  will  das  seinige  erweitern.  Wie  Tranio  (F.  775),  rühmt 
Reignald  seine  Thaten,  indem  er  sich  mit  Alexander  und  Aga- 
thokles,    und  was   ihm  ja   möglich   ist,    noch   mit    Cäsar   vergleicht: 


474  X.   Mostellaria. 

Great  Alexander,  and  Aarathocles, 
Caesar  and  olhers,  have  been  famed,  they  say, 
And  magnified  for  high  facinorous  deads; 
Why  claim  not  I  an  equal  place  with  them? 

Unterdessen  besucht  Lionel  seinen  Nachbar  Ricot.  Im  Gespräche 
mit  diesem  ergeben  sich  allerdings  einige  seltsame  Worte.  So 
lädt  ihn  Ricot    ein   (7.    809): 

Enter  boldly, 
With  as  much  freedom.  as  it  were  your  own. 
Old  Lion.     As  it  were  mine?  why,  Reignald,  is  it  not? 
Reig.     Lord,  sir,  that  in  extremity  of  grief 

You  '11  add  nnto  vcxation:  see  you  not 
How  sad  he  's  on  the  sudden. 

Von  Heywood  eingefügt  sind  die  wenigen  Verse  (S.  192), 
in  welchen  der  alte  Lionel  mit  dem  früheren  Besitzer  seines 
Hauses  spricht,   der  ihn  seiner  Unschuld  versichert. 

Die  Katastrophe  leitet  der  Clown  ein,  welchen  Lionel  an 
seinem  verhexten   Hanse  pochen   sieht,   und  zu  dem  er  sagt: 

In  vain  thou  thunder'st  at  these  silent  doors, 
Where  no  man  dwells  to  auswer,  saving  ghosts, 
Furies  and  sprites  .  .  . 

Dazu  kömmt  noch  der  alte  Diener  Robin,  der  seinen  Herrn 
begrüsst  und  genau  und  wahrheitsgetreu  über  alle  Vorgänge 
während  Lionels  Abwesenheit  Bericht  erstattet.  Wie  Phanis- 
cus,    erzählt   er: 

here  they  feast, 
Dice,  drink,  and  drab;  the  Company  they  keep, 
Cheaters  and  roaring  lads,  and  these  attendeel 
By  bawds  and  queans:  your  son  has  got  a  strumpet, 
On  whom  he  spends  all  that  your  sparing  left, 
And  here  they  keep  court;  to  whose  damned  abuses 
Reignald  gives  all  encouragement. 

Was  noch  aufzuklären  ist,  vollendet  Ricot.  —  Reignald 
wird  in  ein  scharfes  Verhör  genommen;  da  naht  der  junge  Lionel 
und  bittet  in  langer  Rede  reumütig  seinen  Vater  um  Verzeihung, 
welche   ihm   dieser  auch  sofort  gewährt: 

See.  what  f'athers  are ! 

That  can  three  years  offences  (foul  ones  too) 

Thus  in  a  minute  pardon  .  .  . 

Rise  in  ray  new  adoption! 

und   auch   auf  Reignald   ausdehnt. 

Wo  Lionel,  Vater  und  Sohn,  im  fünften  Akte  noch  auf- 
treten, geschieht  es  ohne  Beziehung  auf  diese  Vorgänge;  viel- 
mehr entscheidet  sich  die  Geschichte  von  Wincots  Weib  und 
mit  ihr  die  Entlarvung  Dalavels,  mit  welcher  das  Stück  endet, 
das  an  der  Mostellaria   des  Plautus  grossen  Anteil   hat. 


H.  Fieldings  The  intriguing  chambermaid.  475 

In  Henry  Fieldings  (S.  79)  .,The  intriguing  cham- 
bermaid" ' )  ist  nach  Rapp2)  ..des  Piatitas  Mostellaria  ziem- 
lich wohl  englisiert".  Ohne  Zweifel  ist  in  dem  Instigen  Stücke, 
das  Fielding  dem  englischen  Publikum  vorführt,  und  das  eine 
ziemliche  Reihe  ansprechender  Arietten  enthält,  vieles  der  Mo- 
stellaria entnommen,  allein  Fielding  arbeitete  entschieden 
nach  Regnards  ..Retour  imprevu".  so  vor  allem  in  der 
Szene,  wo  Herr  Goodall  und  Frau  Highman  sich  begegnen 
und  sich  gegenseitig  wegen  ihres  bedauernswerten  Zustandes 
schonen  wollen.      Dort   ist  mehreres  völlig  gleich.3) 

Die  Rolle  des  rettenden  Tranio  hat  hier  das  gewandte 
Dienstmädchen   Lettice  übernommen. 

Vater  Goodall  ist  auf  Reisen.  In  der  Zwischenzeit  führt  der 
Sohn  Valentine  ein  heiteres  Leben.  Er  hat  bereits  vieles  von 
dem  väterlichen  Besitze  verkauft  and  reichlich  Schulden  zusammen- 
gezogen: er  wird  allseitig  von  seinen  Gläubigern  gepeinigt,  ja 
seine  Bedienten  haben  sogar  den  Diener  der  Justiz,  Slap,  der 
ihn  amtlich  in  Schuldforderungsangelegenheiten  besuchte ,  die 
Stiege  hinabgeworfen.  —  Valentine  ist  in  Charlotte,  die 
Nichte  der  Frau  Highman,  verliebt  und  hat  auch  des  Mädchens 
Gegenliebe,    obwohl    dasselbe    den  alten  Oldcastle   heiraten  soll. 

Der  Beginn  des  zweiten  Akts  zeigt  uns  ein  eben  beendetes 
Gelage:  man  will  zum  Tanze  schreiten,  da  kömmt  die  Schreckens- 
botschaft, der  alte  Goodall  sei  da.  Wie  Philolaches  sich  Tra- 
nio  überlässt    (F.    406): 

In  tuam  custodelam  meque  et  spes  meas  trado,  Tranio, 

so  hofft  Valentine  auf  Lettice:  ..I  must  trust  to  the  contri- 
vance  of  thy  brain,  or  I  am  andone."  Dem  „Habeo,  Neptune, 
gratiam"  (F.  431)  des  Theuropides  entspricht  Goodalls  Ein- 
trittswort: .. Heaven  be  praised,  I  am  once  more  arrived."  Lettice 
tritt  ihm  entgegen.  Auch  er  meint  (nach  F.  441):  :.I  cannot 
help  thinking,  how  pleased  my  son  will  be  to  see  nie  retarned, " 
worauf  Lettice  (nach  F.  442 1  erwidert:  ..He  would  be  much 
more  pleased  to  liear  you  w.ere  at  the  Cape  of  Good  Hope  yet," 
allerdings  etwas  höflicher,  als  Tranio.  Goodall  meint,  sein 
Sohn  müsse  bereits  ein  hübsches  Sümmchen  beisammen  haben; 
„if  he   followed   my   advice,    he   must    have   amasscd  a  vast   stim   of 


_')  Auf  S.  982—991  der  Work8  of  Fielding.  London  1840.  — 
The  intriguing  Chambermaid  by  Henry  Fielding:  a  comedy  of  two 
acts.    As  it  was  acted  at  the  Theatre-Boya]  Drury-Lane  1733. 

-)  Studien.    S.  168. 

3)  Ussing.  III.  299.  Hunc  (Kegnardl  derivata  est  fabula  Fiel- 
dingii  Anefli:  ..The  intriffuine  chambermaid." 


476  X.  Mostellaria. 

money."  Kaum  hat  er  dies  ausgesprochen,  kömmt  Security,  ,.a 
rogue  of  a  usurer, "  der  danista  des  Plautus.  Er  hat  an 
Valentine  tausend  Pfund  zu  fordern.  Lettice  erzählt  nun  dem 
bereits  stutzig  gewordenen  Vater  die  Geschichte  von  dem  Haus- 
kaufe. „Yes,  Sir,  he  has  hought  a  house  of  the  price  of  two 
thousand  pounds,  which  every  one  says,  is  worth  more  than  four; 
and  this  he  could  not  have  done  without  borrowing  these  thou- 
sand pounds."  —  „Und  welches  Haus?  In  what  part  of  the  town?" 

—  Halbgezwungen  sagt  sie  nun,  da  Goodall  meint:  „There  is 
no  good  house  in  that  street  as  I  remember,    but  Mrs.  Highman's." 

—  „„That  's  the  very  house!""  „Wie  konnte  die  Frau  das 
Haus  veräussern?"  „„She  is  out  of  her  senses. ""  Nun  ent- 
wickelt sich,  genau  wie  bei  Regnard,  erst  nachdem  Good  all 
sich  über  Mrs.  Highmans  Narrheit  verwundert  hat,  jene  Szene, 
welche  bei  Plautus  vorangeht.  Goodall  will  in  sein  Haus 
eintreten.  Da  erfährt  er:  „Tour  -dear  house  .  .  .  within  these  six 
months1)  .  .  .  has  been  haunted,  sir,  with  the  most  terrible 
apparitions  that  were  ever  heard  or  beheld.  You  'd  think,  the 
devil  himself  had  taken  possession  of  it.  Nay,  I  believe  lie  hath 
too:  all  the  Avild  noises  in  the  universe,  the  squeaking  of  pigs, 
the  grinding  of  knives,  the  whetting  of  saws,  the  whistling  of 
winds,  the  roaring  of  seas,  the  hooting  of  owls,  the  howling  of 
wolves,  the  braying  of  asses,  the  squalling  of  children,  and  the 
scolding  of  wives,  all  put  together,  make  not  so  hideous  a  con- 
cert.  This  I  myself  have  heard:  nay,  and  I  have  seen  such 
sights!  One  with  about  twenty  heads,  and  a  hundred  eyes,  and 
mouths,  and  noses  in  each. "  Deshalb  also,  da  „your  house  is 
haunted  by  a  whole  legion  of  devils",  musste  der  Sohn  das  Haus 
der  Frau  Highman  kaufen.  Die  so  hübsche  Schilderung  des 
Geisterspukes  bei  Plautus  hat  Fiel  ding  durch  diese  possenhafte 
Erzählung  ersetzt.  Wir  hören  nur  eine  Reminiszenz  an  das  Ori- 
ginal, „they  teil  me,  before  you  bought  the  house,  there  was  a 
murder  committed  in  it." 

Die  Szene  mit  Simo  wegen  des  Hauskaufes  ist  dagegen 
nach  Regnards  Vorgang  trefflich  modernisiert.  Frau  Highman 
tritt  auf;  sie  muss  infolge  ihres  Zustandes  schonend  behandelt 
werden.  Sowie  aber  Lettice  Herrn  Goodall  in  Kenntnis  ge- 
setzt hat,  dass  es  mit  Frau  Highmans  Verstand  nicht  richtig  sei, 
so  bringt  sie  auch  dieser  bei,  dass  ihr  Herr  irrsinnig  ist.  ,.We 
are  going  to  shut  him  up  in  a  mad-house  with  all  expedition." 
Lange  weichen  beide  einander  schonend  und  nachgiebig  aus. 
Erst  die  Dazwischenkunft  Slaps  mit  Konstablern  u.  s.  w.  belehrt 
den    Vater    Goodall,    dass    er    von    Lettice   missbraucht  worden 


')    V.  470.     Quia  Septem  menses  sunt  .  .  . 


Holbergs  Huus-Spögelse.  477 

sei.  Er  sprengt  die  Parasitengesellschaft  in  seinem  Hanse  in  iro- 
nischer Weise:  „I  am  very  glad  that  my  son  has  ruined  himself  in 
so  good  a  Company;  that  when  I  disinherit  him,  he  can't  fail  of 
heing  provided  for.-'  Zuletzt  endet  natürlich  alles  nach  dem 
Wunsche  der  Beteiligten.  Valentine  erhält  Charlotte,  und 
Oldcastle  zieht  ah:  „For  her  sake  I  '11  never  make  love  any 
woman    again. " 


Der  ..dänische  Plautus",  Lndvig  Holherg  (S.  82),  hat 
in  seinem  Hausgespenst1)  eine  gelungene  und  stellenweise 
wörtliche  Bearbeitung  der  Mostellaria  gegeben.  Zugleich 
hat  er  in  dieser  Komödie  den  Versuch  eines  Lustspieles  ohne 
Liebesszenen  und  Weiberintriguen  und  ohne  Schauspie- 
lerinnen gemacht.2) 

I.  Akt.  (1.)  Arv,  ein  Knecht  vom  Meierhofe,  ist  in  die 
Stadt  gekommen,  wo  Leander,  der  Sohn  seines  abwesenden 
Herrn  Jeronimus,  übel  Avirtschaftet.  „Ach!  ach!"  klagt  er  über 
den  Zustand,  „naar  jeg  tänker  paa  hvorledes  den  gamle  mand 
vi!  blive  til  mode,  naar  han  engang  fra  sin  udenlands  reyse 
kommer  tilbage  och  vil  finde  sin  sön  at  väre  forfalden  til  yderste 
liderlighed,  og  see  sit  huus  ödelagt."  Auf  sein  Klopfen  giesst 
Henrich,  der  Diener  des  jungen  Herrn,  einen  Nachttopf  auf 
ihn  herab.  Arv  jammert,  dass  es  nicht  einmal  reines  Wasser 
sei.  ..Ach!  ach!  det  er  mare  ikke  reent  vand!"  Henrich  geht 
überhaupt  schlimm  mit  ihm  um,  besonders  da  er  erfährt,  dass 
Arv  Geld  für  den  Meierhof'  brauche.  (2.)  Arv  kann  diesen  Zu- 
stand nicht  genug  beklagen:  „0  du  u-lyksalige  Jeronimus!  hvor 
vil  du  blive  til  mode,  naar  du  ved  diu  hiemkomst  finder  dit  huus 
udi  saadan  forvirrelse,  din  eeneste  sön  at  väre  forfalden  til  yderste 
liderlighed,  dine  midier  skammeligen  fordöyede,  og  din  gaard  paa 
landet  saaledes  forfalden,  att  den  ikke  kand  i  stand  sattes  igien." 
:;.  Jesper,  der  Verwalter  des  Meierhofes,  kömmt  zu  Arv:  er 
muss  Geld  für  das  Gut  haben.  Erst  auf  sein  Pochen  tritt  (4.) 
Henrich  aus  dem  Hause.  „Herr  Leander,"  sagt  er,  „ist  selber 
verschuldet,  besonders  bei  dem  Juden  Ephraim."  Zur  Erklärung 
zählt  ihm  Henrich  auf,  was  Leander  für  seine  Damen  und 
Parasiten  brauche.  Zu  ihnen  gesellt  sich  (5.)  der  Jude,  dem  nun 
um  seine   fünfhundert   Reichsthaler  bangt.      Henrich   meint    zwar, 


')  Huus-Spögelse,  eller  Abracadabra.  Comoedie  adi  tre 
acter  uden  Actricer,  auf  S.  91—178  des  sechsten  Bandes  von  Ludvig 
Holbergs  Comedier  udgivne  for  det  Holbergske  Samfund  at  F.  L.  Lie- 
benberg.    Kjöbenhavu  1  *.">:.'. 

2)  Robert  Prutz,  Ludwig  H.lberg  (Stuttg.  1857).     S.  169. 


478  ^L   Mostellaria. 

„her  staaer  ogsaa  folk  som  skal  liave  penge.  Nu  er  det  spörs- 
maal  hvem  man  först  skal  Letale,  eilten  Christne  Mennesker, 
eller  en  jode,  som  har  forraad  vor  HErre. "  (6.)  Octavius,  der 
Callidamates  des  Stückes,  wird  von  Leander  fort  Degleitet;  er 
hat  das  Weinglas  in  der  Hand.  Die  Musikanten  im  Hause  spielen 
auf,  und  Octavius  tanzt  mit  den  übrigen  hinaus,  sodass  (7.)  Hen- 
rich und  Leander  allein  bleiben.  Letzterer  macht  sich  ernste 
Gedanken.  Wenn  nun  sein  Vater  von  Deutschland,  wo  er  einen 
Prozess  betreibt,  zurückkäme?  „Ei  was!  In  Deutschland  dauern 
alle  Prozesse  ewig.  Alle  processer  i  Tydskland  ere  evige!" 
tröstet  ihn  Henrich.  Doch  macht  sich  Leander  bittere  Vor- 
würfe. »Jeg  holdtes  for  min  faders  bortreyse  for  en  af  de  skik- 
keligste  og  sedeligste  personer  her  i  staden.  Nu  derimod  anseer 
man  mig  som  exempel  paa  liderlighed. -  Zum  Teil  kommt  bei 
Plautus  auch  Philolaches  zu  dieser  Selbsterkenntnis, 
zum  Teil  urteilt  Grumio  so  über  ihn.  Henrich  redet  dies 
alles  seinem  Herrn  aus,  und  bald  noch  mehr  (8.)  Octavius,  der 
ihm  berichtet,  dass  ihn  diesen  Nachmittag  zwei  Mädchen,  Jomfru 
Helene   og  Lucretia,   besuchen   wollen. 

II.   Akt.       (1.)     Henrich    kommt    entsetzt.       Wie    Tranio 

(7.  355): 

Qui  hodie  sese  excruciari  meam  uicem  possit  pati? 

wendet  er  sich  an  das  Publikum,  ob  ihm  niemand  seinen  Rücken 
leihen  will.  „Vil  ingen  af  jer,  I  got  folk,  laane  mig  jer  rygg  kun 
paa  et  par  timmers  tid?"  Die  folgende  (2.)  Szene  spielt 
ganz  nach  Plautus.  Leander  kommt,  ein  wenig,  Octavius 
aber  stark  angetrunken. 

Hen.  Herre ! 

Leanl.  Hvad  vil  du? 

Hen.  Jeg  og  I 

Leand.  Hvad  jeg  og  I?  Hvad  vil  det  sige? 

Hen.  Vi  ere  begge  om  en  hals. 

Leanl.  Hvi  saa? 

Hen.  Jer  far  er  kommen  liiem. 

Leander  wird  dadurch  ernüchtert,  Octavius  aber  muss 
fortgetragen  werden.  Schneller  als  Tranio  bei  Plautus,  ist 
Henrich  zur  Hilfeleistung  entschlossen.  Er  rät  seinem  Herrn: 
„I  skal  gaae  ind,  og  med  jer  selskab  holde  jer  gandske  stille 
saa  at  det  skal  synes  ligesom  huuset  er  ganske  tomt.  Og  hvis 
den  gamle  banker  paa  porten,  skal  ingen  svare, "   wie  im  Originale. 

(3.)  Jeronimus  in  Reisekleidern  tritt  auf.  Auch  er  glaubt, 
erwünscht  zu  kommen.  Aber  seinem:  „Jeg  er  vis  paa  at  jeg  bliver 
min  sön  og  mine  huusfolk  velkommen, "  erwidert  Henrich  (mit 
Tranio):    „Enhver,  som  havde  bragt  os  tidende  om  din  död,   vilde 


Holbergs  Huus-Spögelse.  479 

dog  väre  os  meere  velkommen. "    Die  weitere  Szene  entwickelt  sich 
nach  Plant  us. 

Hen.    Hvem  er  det  som  vil  ind  uti  vor  liuus? 
Jer.     Der  ser  jeg  jo  min  Tiener  Henrich. 

Hol    Der  ser  jeg  jo  min  herre  Jeronimus.     Ach,  jeg  gläder  mig  ved 
herrens  lykkelige  tilbagekomst. 

u.  s.  w.     Ihr  habt  wirklich  geklopft?     Das  ist  entsetzlich!    „I  har 
da   styrtet  os  udi  en  stör  u-lykke." 

Jer.     Hvem  har  jeg  styrtet  i  u-lykke?  (Quem  mortalem?    V.  462.) 
Hen.    Jer  selv  med  jer  heele  familie. 

Henrich  erzählt  nun,  wie  seit  sieben  Monaten  niemand  mehr 
den  Fuss  in  dies  Haus  gesetzt  habe.  Ja  Alexander  Magnus  hätte 
sich  dessen  geweigert.  Er  versichert  sich,  ob  niemand  ihn  be- 
lausche: dann  sagt  er  es  heraus:  „dette  huus  er  befänget. "  Ei- 
beschreibt nun  die  Geschichte  von  dem  hier  vollbrachten  Morde. 
Der  Getötete  erschien  Leander  und  sagte  ihm:  „Jeg  er  en  mand 
fran  Aalborg,  som  verteil  her  i  huus  et  har  myrdet,  for  at  be- 
mägtige  sig  min  penge.  Huuset  er  derfor  vanhelligt  og  ingen 
ärlig  mand  bör  boe  her."  Da  ruft  Octavius  drinnen  nach 
einem  Glase  Rheinwein.  ..Was  ist  das?"  fragt  Jeronimus. 
„Der  Teufel  ist  durstig.  Wir  mussten  ihm  stets  eine  Kanne  Wein 
in  den  Gang  setzen,  die  immer  morgens  wieder  leer  war.-  Je- 
rominus  bemerkt,  obwohl  er  sich  fürchtet,  Henrichs  steigende 
Verlegenheit.  Wie  Theuropides  (F.  512,  Quid  tute  teeuni 
loqueris?  V.  518,  Quae  res  te  agitat,  Tranio?  Quicum  istaec 
loquere?),  fragt  er:  ..Hvad  er  det  du  taler  ved  dig  selv?-  worauf 
Henrich  mit  Tranio  (V.  512,  Apscede  ab  ianua:  fuge,  opsecro, 
hercle)  erwidert:  ,.Gak  fra  dörren,  herre,  jeg  beger  jer  ved  alt 
det  som  helligt  er,  gak  fra  dörren  og  tag  flukten,"  Mährend  er 
nach  innen  ruft  (V.  515,  Non  me  appellabis,  si  sapis  u.  s.  f.): 
„Raab  ikke  paa  mit  navn,  herre!  jeg  har  intet  ont  giort,  det  er 
ikke  jeg  som  har  banket  paa  dörren."  Wieder  schreit  Octavius, 
und  Jeronimus  fürchtet  bereits,  der  Teufel  möchte  heraus- 
kommen. Sie  fallen  auf  die  Knie  und  rufen  dreimal:  Abracadabra! 
Da  kömmt  (4.)  der  Jude,  ,.og  det  udi  den  allerubelevligste  tid" 
I  V.  573,  Numquam  potuisti  mihi  magis  opportunus  aduen[ire  quam] 
aduenis).  Henrich  bittet  ihn  zu  schweigen:  „Raab  ikke  saaledes" 
(V.  576,  ne  [clama  nimis]);  oder  in  zwei  Stunden  wieder  zu 
kommen.      Da   mischt   sieh   .Jeronimus  in   die  Unterhandlung. 

./(■/'.     Hvortil  ere  de  penge  anvendte? 
Hen.    Msr.  Leander  har  kiöbi  et  huus. 
Lean.  Et  huus  siger  du? 
Hen.    Ja  vist.  et  huus. 

Jer.     Det    er   artigt    nok   nt    han    i    min  fravärelse  haar  daaet   sig  til 
kiöbmandskab. 


480  X;   Mostellaria. 

Er  hat  das  Haus  sehr  billig  („for  et  röverkiöb")  erworben. 
Es  kostet  sechstausend  Reichsthaler.  Jeronimus  erklärt  sich 
nun  bereit,  morgen  die  fünfhundert  schuldigen  Thaler  an  den 
Juden  zu  bezahlen.  Selbstverständlich  erkundigt  er  sich  nun  um 
das  Haus.  Nach  einigem  Zögern  nennt  Henrich  das  gegenüber- 
liegende des  Herrn  Leonard.  „Ich  möchte  es  gerne  sehen. 
,,Jeg  har  nok  lyst  at  besee  huuset  strax;  bank  paa  dörren!"  (V. 
677,  Iterum  ad  unum  saxum  nie  fluctus  ferunt).  „„Atter  en 
nye  u-likke!""  Er  redet  sich  auf  die  dort  wohnenden  Frauen- 
zimmer aus.  „Jeg  saae  nyeligen  nogle  fremmede  fruentimmer  at 
gaae  derind,  det  bliver  vel  best  at  töve  lidt  indtil  de  gaae  bort." 
Mit  dem  Einwurfe  zufrieden,  geht  Jeronimus  zu  dem  Manne, 
von  dem  er  das  verhexte  Haus  kaufte.  Ganz  erwünscht  für 
Henrich  kömmt  (5.)  Leonard.  Ihm  vertraut  Henrich,  dass 
sein  Herr  zurückgekehrt  sei.  „Da  will  ich  dir  meinen  Rücken 
nicht  leihen!  Saa  vil  jeg  ikke  laane  min  rygg,"  ahnt  Leonard. 
„„Er  hat  von  unserm  Treiben  nichts  erfahren,  und  Leonard  wird 
uns  auch  nicht  verraten.  Er  will  seinen  Sohn  verheiraten  und 
ein  neues  Haus  nach  dem  Muster  des  Leonard' sehen  Hauses 
bauen.""  Deshalb  möchte  er  das  Innere  desselben  besehen,  was 
Leonard  gerne  zugiebt.  Er  macht  sogar  dem  beizutretenden 
Jeronimus  selbst  das  Anerbieten,  hineinzugehen,  „som  det  künde 
väre  hans  eget. "  Dies  ungeschickte  „taniquam  tuas"  (  V.  809) 
nötigt  Henrich  zu  einer  Erklärung:  „Ey  lad  ham  kun  snakke 
hvad  han  vil.  Han  fortryder  nok  paa  kiöbet,  men  nix  er  det 
for  silde.  Kand  ikke  herren  see  hvilket  fortredeligt  ansigt 
han  har." 

Jcr.     Ja,  jeg  seer  det. 

Ben.    Derl'or   er   det  best  at  herren  holder  sig  fra  at  tale  om  kiöbet 

saa  vidt  som  mneligt. 
Jer.     Jeg  begriber  det. 

Henrich  weist  ihn  nun,  wie  Tranio,  auf  allerlei  Einzeln- 
heiten hin.  Endlich,  nach  verschiedenen  Bedenklichkeiten,  findet 
Jeronimus,  dass  der  Ofen  hier  nicht  gut  stehe  und  entfernt 
Averden  müsse,  was  alles  Leonardo  nicht  begreift.  Dennoch  ge- 
lingt es  Henrich,  der  bald  dort,  bald  hier  vermittelnd  steht,  sie 
in  gutem  Einvernehmen  auseinander  zu  bringen.  (7.)  Jeronimus 
freut  sich  seines  Kaufes  und  der  billigen  Kaufsumme  und  will 
die  Restsumme  sofort  bezahlen.  Henrich  will  sie  gerne  über- 
bringen, der  Alte  aber  will  es  selber  thun.  (8.)  Henrichs  Plan 
ist  nun,  dem  Herrn  die  zweitausend  Dukaten,  die  er  heimbrachte, 
abzujagen.  „Jeg  maae  affiloutere  ham  de  2000  ducater."  Damit 
wäre  Leander  geholfen.  Darum  heim  und  die  Betrunkenen  aus 
dem  Hause  geschafft! 


Holbergs  Huus-Spögelse.  481 

III.  Akt.  (1.)  Während  der  Alte  seine  Geschäfte  berech- 
net, kömmt  ans  dem  Hanse  Henrich  als  Gespenst.  ,,Bist  du 
es,"  brummt  er,  ..der  jüngst  meine  Ruhe  störte?''  Mit  dem  Rufe 
Abracadabra  wirft  sich  Jeronimus  auf  die  Knie.  Dein  Abra- 
cadabra  wird  dir  diesmal  nichts  helfen!  Her  zu  mir!-'  „Diu  Abraca- 
dabra vil  ikke  hielpe  dig  denne  gang."  Nach  vielem  Bitten  lässt 
sich  der  Geist  mit  zweitausend  Dukaten  abfinden.  (2.)  Jeroni- 
mus jammert  trostlos;  da  sieht  er  (3.)  einen  Lakai  an  die  Thüre 
seines  Hauses  pochen.  Selbst  bitter  für  diesen  Frevel  gestraft, 
will  er  den  Verwegnen  warnen,  dass  hier  seit  sieben  Monaten 
der  Teufel  hause.  „Udi  7  samfälde  maaneder  har  her  ikke  en 
siäl  väret"  (V.  954);  der  Lakai  aber  sagt  ihm,  dass  hier  sein 
Herr  Octavius  mit  Helene  und  Lucretia  zeche,  und  dass  es 
bei  Leander  stets  lustig  hergehe.  „Hvilken  Leander?'-  (Qui 
Philolaches?  V.  961.)  ,, Leander,  Hr.  Jeronimi  sön."  Das 
macht  auf  Jeronimus  einen  tiefen  Eindruck.  (4.)  Zu  Jeroni- 
mus gesellt  sich  Leonard.  Er  soll  den  Rest  von  fünftausend 
fünfhundert  Thalern  in  Empfang  nehmen.  Er  weiss  jedoch  nichts 
davon.  So  wird  Jeronimus  über  alles,  und  zunächst  auch  über 
das  verhexte  Haus,  aufgeklärt.  „Her  har  jo  väret  giästebud, 
lystighed  og  spil  den  heele  uge  igiennem."  Henrich  war  es, 
der  ihn  bat,  Jeronimus  in  sein  Haus  einzulassen.  Das  thut 
dem  Alten  weh.  Mit  Theuropides  (7.  1030,  1033)  ruft  er 
aus:  „Ach  jeg  elendige  gamle  mand!  jeg  er  färdig  at  döe  af 
sorrig  og  forbittrelse;  tili  jeg  seer  mig  paa  eengang  baade  öde- 
lagt  og  forhaanet."  Nur  Rache  an  Henrich  ist  noch  seine  Auf- 
gabe. (5.)  Unterdessen  haben  Jesper  und  Arv  von  ihres 
Herrn  Ankunft  gehört.  (6.)  Jeronimus  begrüsst  sie  und  ver- 
nimmt von  dem  weinenden  Arv,  dass  sie  auf  dem  Meierhofe  ge- 
pfändet wurden.  Von  der  Stadt  hätten  sie  nie  Geld  erhalten, 
im  Gegenteile,  noch  heute  früh  sei  er  schändlich  behandelt  wor- 
den. (7.)  Henrich  tritt  auf.  Sofort  wird  er  auf  Jeronimus' 
Befehl  von  Jesper  und  Arv  gefesselt.  Vergeblich  fleht  er  alle 
an,  für  ihn  Fürbitte  zu  leisten.  (8.)  Wie  Callidamates,  zeigt 
sich  nun  Octavius  zur  Versöhnung,  ,,at  stille  harn  tilfreds,"  und 
bald  auch  (9.)  Leander,  ,,som  den  forlorne  sön,"  der  unter 
Thränen  um  Verzeihung  bittet.  Auch  Leonard  tritt  für  ihn 
ein.  Alle  versprechen  das  Beste  für  die  Zukunft.  Henrich 
aber  verteidigt  sich  in  längerer  Rede,  eine  Art  Epidikus,  dass 
er  alles  nur  für  seinen  Herrn  unternommen  habe,  sodass  er  frei- 
gesprochen werden  und  beide  Teile  die  Kosten  tragen  müssen. 
Auch  die  Übrigen  nehmen  sich  seiner  warm  an,  worauf  er  los- 
gebunden wird.  Nur  Arv  verlangt  eine  Genugthuung,  welche  ihm 
Henrich  gewährt.  Auch  er  darf  ihn  mit  Wasser  begiessen;  er 
gestattet  ihm,   „at  slaae  en  potte  vand  over  mit  hovet  igien." 

31 


482  X.   Mostellaria. 

Henrich  hat  das  letzte  Wort,  ,.til  spectatores. "  Man  ersehe 
ans  dieser  Komödie,  dass  auch  ohne  Frauenzimmer  etwas  zustande 
kommen  könne.  ,, Ellers  lärer  man  af  denne  comoedie,  hvorudi 
ingen  actricer  have  väret,  at  mange  vigtige  ting  kand  forrettes 
uden  fruentimmerets  hielp." 

Holberg  hat  das  plautinische  Stück  zunächst  lokali- 
siert, die  Frauenrollen  gestrichen,  einiges  gekürzt  oder  ver- 
längert, sonst  aber,  vornehmlich  im  zweiten  Akt,  Plautus 
fast  wörtlich  wiedergegeben. ')  Aus  Regnards  „retour  impi-evu" 
ist  gewiss  weniger   entnommen,   als  Prutz2)  glaubt. 


So  manches  Stück,  welches  mit  Plautus  in  Verbin- 
dung gebracht  wird,  hat,  ausser  der  üblichen,  der  Antike 
sich  nähernden  äusseren  Form,  nichts  mit  der  Mostel- 
laria  zu  schaffen,  so  z.  B.  die  öfter  genannte3)  Cassaria  des 
Ariosto4)  (1502  gespielt).  Wenn  man  den  Kern  der  Mostel- 
laria nimmt,  so  hat  die  Cassaria  mit  demselben  soviel  wie 
nichts  gemeinsam;  mehr  mit  dem  Pönulus.  Dass  ein  Sohn 
(Erofilo)  die  Abwesenheit  seines  Vaters  benützt,  um  einem  Kuppler 
seine  Geliebte  abzujagen,  und  hierbei  von  seinem  Diener  unter- 
stützt wird,  der  als  Ersatz  für  Bargeld  eine  bei  dem  Alten  (Criso- 
bolo)  als  Depositum  hinterlegte  ,,cassa"  von  überaus  feiner  Arbeit 
dem  Kuppler  überlässt,  dass  der  Vater  unerwartet  zurückkehrt  und 
ihm  vorgemacht  wird,  die  „cassa"  sei  gestohlen  worden,  dass  der 
Kuppler  dann  als  Dieb  verdächtigt  und  sogar  zur  Flucht  getrie- 
ben wird,  indem  mau  ihm  vorredet,  die  Polizei  sei  ihm  wegen 
seines  Diebstahles  auf  der  Spur,  und  er  werde  sich  nicht  mehr 
reinigen  können  —  das  alles  bietet  zwar  hinsichtlich  der  hier 
handelnden  Personen  mancherlei  Berührungspunkte  mit    der 


')  Ussing.  ITT,  299.  Sed  ante  omnes  coruniemorandus  est  Hol- 
bergius  nostras,  cuius  fabula  perquam  ridicula  quae  Abracadabra  in- 
scribitur,  ex  Mostellaria  expressa  est,  omissis  tarnen  et  adulescentis 
querimoniis  et  feminaruni  personis,  quarum  apud  PI  au  tum  non  parva 
festivitas  et  elegantia  est. 

2)  L.  Holberg.  S.  205.  „Einzelne  Szenen  sind  auch  aus  Regnards 
,le  retour  imprevu'  entnommen,  die  aber  freilich  selbst  nur  eine  Nach- 
ahmung von  Plautus'  Mostellaria  ist.  Einen  Auszug  des  letzt- 
genannten Stückes  nebst  Nachweis,  wie  es  von  Holberg  benützt  wor- 
den, hat  Rahbek  VI,  540  ff.  gegeben." 

3)  Steinhoff,  Das  Fortleben  des  Plautus.    S.  20. 

A)  Klein.    IV,  646.    Wie  hoch  die  Cassaria  geschätzt  wurde,  zei- 
gen Cecchis  Worte  in  seinem  Prologe  zu  I  Rivali: 
E  '1  divino  Ariosto  anco,  a  chi  cedono 
Greci,  Latini,  e  Toscan  tutti  i  comici 
Nella  Cassaria. 


Ariosto,  Cecchi  u.  a.  483 

antiken  Komödie,1)  nirgend  aber  in  der  Oassaria  findet  sich 
eine  direkte  Nachahmung  eines  bestimmten  Stückes,  am  aller- 
wenigsten der  Mostellaria:  weit  eher  noch  des  Pönulus.  Am 
ehesten  vielleicht  noch  erinnert  an  dieselbe  Fulcios  Schilderung 
•der  Damentoilette  (V,  3),  welche,  in  ähnlicher  Weise  bei  vielen 
italienischen  Bearbeitern  verwertet,   vielleicht  hier  ihre  Quelle  bat. 

An  Ariostos  Cassaria  schliesst  sich  inhaltlich  „la  Fabrizia" 
•des  Dolce  an.2) 

Cecchis  „I  Sciämiti"  wird  mit  der  Mo  st eil  aria  zusammen- 
gebracht;3) der  Berührungspunkte  der  Aridosia  u.  a.  wurde 
bereits  gedacht. 

Bei  einer  Reihe  von  Stücken,  welche  ein  öfter  wiederkehren- 
des Motiv  verwerten,  ist  es  unmöglich,  woferne  uns  nicht  der 
Autor  selber  eine  Andeutung  über  seine  Quelle  giebt, 
aus  der  er  schöpfte,  ihm  nachzuweisen,  dass  gerade  diese  oder 
jene  Arbeit  eines  Vorgängei*s  ihn  beeinflusste.  Ein  liederlicher 
Sohn,  der  sein  Gut  vergeudet  und  mitten  in  seinem  Lasterleben 
durch  die  unerwartete  Rückkunft  seines  Vaters,  den  er  ferne 
glaubte,  gestört  wird,  den  dann  die  Schlauheit  seines  Dieners  auf 
einige  Zeit  vor  der  Katastrophe  bewahrt,  indem  dieser  dem  Alten 
vormacht,  sein  Haus  sei  der  Aufenthalt  böser  Geister,  das  ist 
zAveifellos  —  wie  es  immer  auch  lokalisiert  und  nationali- 
siert sein  mag  — -  die  Mostellaria  des  Plautus.  Wenn 
aber,  wie  in  Addisons  „Gespenst  mit  der  Trommel",  ein 
Freier  unter  der  Form  eines  Gespenstes  eine  reiche  Dame, 
deren  Gemahl  man  für  tot  hält,  sich  erringen  will  und  dann  von 
dem  zurückkehrenden  Ehegatten  vertrieben  wird,  so  ist  das 
wohl  kein  Zug  von  Plautus:  oder  aber  die  Nachahmungen 
der  Mostellaria  in  allen  Litteraturen  zählen  nach  Legionen. 
Dann  ist  Boildieus  (1775  —  1834)  „Weisse  Dame"  (10.  Okt. 
1825),  vielmehr  Eugene  Scribes  (1791—1861)  hierzu  ge- 
schriebener Text,  nicht  minder  eine  Mostellaria;  dann  sind 
Szenen  aus  Martin  Schleichs  (1827  —  1882)  Volksstück  „Die 
letzte  Hexe",  in  welchem  dem  Ratsherrn  Hainstöckel  bös 
mitgespielt  wird,  auch  auf  diesem  Boden  gewachsen,  ja  selbst 
Don  Carlos,  der  als  Geist  Karls  V.  wandelt  (V,  6  und  V,  9), 
und  Philipp,  der  „lüstern"  ist,  „ein  Wort  mit  diesem  Geist  zu 
reden,"  dürfte  nicht  vergessen  werden.  Kurz,  die  Stücke, 
welche  an  Plautus'  Mostellaria  anknüpften,  würden  nach 
tausenden  zählen. 


')  Insoferne  urteilt  Ruth  (11,523)  richtig:  „Die  Cassaria  ist  ganz 
dem  Plautus  nachgeahmt,  nur  einige  Szenen  sind  dem  Terenz  ent- 
lehnt und  diese  wieder  im  Stil  des  Plautus  gehalten." 

2)  Prölss.    I,  2;  126. 

3)  Klein,  a.  a.  0.    637. 

31* 


484  X.   Mostellaria. 

Doch  führt  man  Addisons  Laistspiel  und  die  französische 
Bearbeitung  desselben  durch  Destouches  fast  allgemein1)  als 
auf  der  Mostellaria  beruhend  auf;  Lessing  allerdings  nicht, 
dem  eine  solche  Beziehung  am  allerwenigsten  entgangen  wäre. 
Eine  kurze  Analyse  des  vielgenannten  Stückes  „The  drummer; 
or  the  haunted-house"2)  mag  zeigen,  wie  weit  dasselbe 
von  Plautus  absteht. 

I.  Akt.  Die  Dienerschaft  der  Lady  Truman  ist  in  Auf- 
regung. Ein  Gespenst  mit  einer  Trommel,  ganz  dem  Herrn,  von 
welchem  man  glaubt,  dass  er  vor  vierzehn  Monaten  auf  dem 
Schlachtfelde  geblieben  sei,  ähnlich,  belästigt  das  Haus.  Alsbald 
aber  werden  wir  durch  ein  Gespräch  Abigals,  des  Kammer- 
mädchens der  Lady,  und  des  Fantome  (mit  einer  Trommel) 
belehrt,  wer  der  Geist  ist.  Er  hat  Abigal  tausend  Pfund  für 
ihre  Unterstützung  versprochen.  Auf  diese  Weise  will  Fantome 
der  Lady,  die  von  Freiern,  besonders  von  einem  gewissen  Tinsel 
nicht  ganz  erfolglos,  umringt  ist,  stets  nahe  bleiben  und  sich  ihre 
Hand  sichern.  —  Von  der  Lady  selbst  hören  wir,  dass  zwar 
Tinsel s  Witz  ihr  fad  sei;  aber  „a  discreet  woman  might  reform 
him".  Tinsel  führt  sich  auch  als  einen  unangenehmen  Men- 
schen ein.  Bezeichnend  für  seine  Zeit  ist,  dass  er  sich  nicht  als 
„atheist",  sondern  als  Freidenker  ausgiebt.  „I  'm  a  free- 
thinker. "  Seine  schön  ausgemalten  Pläne  für  die  Zukunft 
zeigen,   wie  er  es  auf  das  Geld  der  Lady  zunächst  abgesehen  hat. 

II.  Akt.  Der  treue,  aber  äusserst  pedantische  Verwalter 
Vellum,  eine  gelungene  Gestalt,  hat  einen  Brief  von  seinem 
Herrn  erhalten;  er  weilt  gegenwärtig  in  den  Niederlanden;  die 
Kunde    von    seinem    Tode    war    falsch.      Vielmehr    wird    er    dem- 


')  Ussing.  III,  299.  Etiam  Destouches  propter  „Le  tambour 
nocturne"  hie  commemorari  posse  ait  Bonnet  in  Jahrbücher  für  Philol. 
u.  Pädagogik  (Lpz.  1875),  Bd.  CXI,  p.  885.  —  An  dieser  Stelle  führt 
M.  Bonnet  an,  dass  „le  tresor  cachd"  des  Destouches  irrig  als 
eine  Nachahmung  der  Mostellaria  gelte,  während  er  eine  solche  des 
Trinummus  sei,  und  fährt  weiter:  „Es  giebt  übrigens,  worauf  mich  ein 
Kollege  aufmerksam  macht,  allerdings  ein  Stück  von  Destouches  mit 
einem  aus  der  Mostellaria  entlehnten  Motiv.  Dies  heisst  le  tam- 
bour nocturne."  (Oeuvres.  Paris  1774.  tom.  V.)  —  Ebenso  Fuhr- 
man.  111,51.  „Addison  hat  es  in  seinem  Gespenst  mit  der  Trummel . . . 
und  Destouches   in   seinem  Gespenst   mit   der  Trommel  nachgeahmt." 

2)  The  drummer;  or  the  haunted-house:  a  comedy.  London  (ohne 
Datum,  printed  for  the  Company  of  booksellers.  Addisons  Cato  für  die 
gleiche  Gesellschaft  gedruckt  mit  gleichem  Papier,  Druck  und  Format 
ist  von  1730.  —  S.  1 — 29  enthält  eine  Preface  to  the  first  edition  von 
R.  Steele,  die  bemerkt,  dass  mehrere  Meinungen  dahin  gingen,  „that  the 
scenes  were  written  very  much  after  Moliere's  manner,"  und  einen  Brief 
Steeles  an  Congreve,  in  welchem  Addison  dies  Stück  vindiziert  wird; 
ferner  einen  Prolog.  S.  29  —  98  enthält  das  Lustspiel;  99.  100  einen 
Epilog. 


Addissons  The   drummer.  485 

nächst  als  ein  ,.old  man  with  a  grey  beard  in  a  black  coat",  als 
„conjurer"  sich  zu  Hause  einfinden.  Schon  in  der  nächsten 
Szene  tritt  er  als  Nekrornant  auf  und  zieht  V  eil  um  in  sein 
Vertrauen.  Was  er  von  seiner  Gemahlin  hört,  stimmt  ihn  nicht 
gerade  fröhlich,  obwohl  Vellum  in  seiner  pedantischen  Art  sich 
köstlich  seiner  Gebieterin  annimmt.  Es  gilt  vor  allem,  dem  Ge- 
spenste  auf  die  Spur  zu  kommen.  George  Truman  vermutet 
richtig,  dass  Abigal  dahinterstecke.  An  sie  soll  sich  Vellum 
machen;  dieser  glaubt  selber  an  seinen  Erfolg.  —  Die  Lady  er- 
innert sich  mit  grosser  Liebe  ihres  Gatten.  Abigal  ermangelt 
nicht,  ihr  Tinsel  im  ungünstigsten  Lichte  darzustellen.  Das 
Hauspersonal  hofft  alles  Gute  von  dem   Geisterbeschwörer. 

III.  Akt.  Vellum  hat  dem  verkleideten  „conjurer"  Erlaub- 
nis zum  Zutritt  bei  der  Lady  erholt,  und  so  steht  George 
seiner  Gattin  gegenüber,  welche  Tinsel  den  Auftrag  erteilt 
hat,  mit  dem  conjurer  zu  verhandeln.  Dieser  letztere  verfährt 
nicht  sehr  rücksichtsvoll  mit  seinem  Rivalen:  „You  are  a  coxcomb, 
by  all  the  rules  of  physiognomy:  But  let  that  be  a  secret  be- 
tween  you  and  me. "  —  Den  Akt  schliesst  Vellums  ganz  ge- 
lungene Liebeserklärung  an  Abigal,  bei  welcher  er  ohne  Mühe 
seinen  Zweck  erreicht. 

IV.  Akt.  Fantome  erfährt  durch  Abigal,  dass  es  ihm 
nun  an  den  Hals  gehe;  er  versichert  sie  neuerdings  einer  Be- 
lohnung von  tausend  Pfund  für  ihre  Beihilfe.  Während  Tinsel 
wieder  mit  seinen  teils  geckenhaften,  teils  egoistischen  Reden  die 
Lady  belästigt,  erscheint  das  Gespenst  mit  der  Trommel.  Die  Lady 
fällt  in  Ohnmacht,  Tinsel  auf  die  Knie:  „Have  compassion  on  my 
youth,  and  consider  I  am  but  a  coxcomb."  Fantome  weist  ihm  die 
Thüre,   und  gerne  vollzieht  er  den  Befehl. 

V.  Akt.  Der  Zauberer  versetzt  alle  Anwesenden  in  unge- 
heueres Erstaunen.  Er  weiss  ihre  Namen,  kennt  ihre  Verhält- 
nisse ganz  genau  und  ist  überall  aufs  Beste  beraten.  Indessen 
er  nun  mit  dem  Geiste  fertig  werden  will,  soll  Vellum  die  Lady 
vorbereiten  „for  the  reception  of  her  real  husband".  Diese 
hat  noch  eine  Unterredung  mit  dem  Zauberer,  wobei  sie  ihn  er- 
sucht, „to  treat  this  appearement  gently.  It  has  the  resemblance 
of  my  deceased  busband;  if  there  be  any  indiscover'd  secret,  any 
thing  that  troubles  bis  rest,  learn  it  of  bim."  Dies  veranlasst  den 
vermeintlichen  Zauberer  zu  genaueren  Erhebungen.  Er  erfährt 
von  der  Dame,  dass  sie,  ihrem  ersten  Gatten  treu,  Tinsel  ver- 
achte. „My  heart  is  now  at  ease,"  jubelt  George,  „she  is  the 
same  dear  woman  I  left  her."  —  Da  George  allein  ist,  naht 
das  Gespenst.  Truman  tritt  ihm  kalt  entgegen.  ,.Don  't  play 
the  fool!"  Deine  tausend  Pfund  werden  ihre  Wirkung  verfehlen. 
Da  verspricht  Fantome,   in  der  Annahme,   Abigal  habe  ihn  ver- 


486  X.   Mostellaria. 

raten,  dem  Beschwörer  mehr.  —  „I  '11  make  them  up  twenty!"  — 
Nach  kurzer  Entfernung  tritt  Trum  an  in  seiner  wirklichen  Ge- 
stalt auf.  Entsetzt  läuft  Fantome  unter  Zurücklassung-  seiner 
Trommel  davon.  —  Freudig1  begrüsst  die  Lady  ihren  Gatten,  und 
dieser  vereint  Abigal  und  Vellum,  indem  er  ihnen  die  tausend 
Pfund   ausbezahlt. 

Dies  Addisons  Lustspiel.  „Destouches,"  um  mit  Lessing- 
(Hamb.  Dram.,  17.  Stück)  zu  sprechen,  „der  in  England  persön- 
lichen Umgang  mit  Addison  gehabt  hatte,  zog  das  Lustspiel 
desselben  über  einen  noch  französischeren  Leisten"  in  seinem  „Le 
tambour  nocturne,  ou  le  mari  devin",  comedie  angloise 
accommodee  au  theätre  francais,   en  prose. ') 

Destouches  (S.  71)  schliesst  sich  genau  an  Addison  an. 
Er  sagt,  „que  celui-ci  n'est  point  de  mon  invention  &  que  c'est 
plus  une  traduction  libre  qu'une  invention  de  mon  es- 
prit."  Er  Avollte  nur  diese  Komödie,  die  nach  seiner  Meinung- 
unter  allen  englischen  der  französischen  am  nächsten  komme,  für 
seine  Bühne  einrichten.  So  ist  George  Truman  zum  Baron, 
das  Gespenst  mit  der  Trommel  zu  Leandre,  Tinsel  zum  Mar- 
quis, Vellum  zum  Intendanten  Pince  und  Abigal  zur  Madame 
Catau  geworden. 

Lessing  urteilt  (a.  a.  0.),  dass  in  Destouches'  „Umar- 
beitung" „wirklich  vieles  feiner  und  natürlicher ,  aber  auch 
manches  kälter  und  kraftloser  geworden"    ist. 

Die  deutsche  Bearbeitung  des  Stückes  hat  Frau  L.  A.  V.  Gott- 
sched hergestellt.  Sie  hat  nach  Lessings  Worten  „das  englische 
Original  mit  zur  Hand  genommen  und  manchen  guten  Einfall 
wieder  daraus  hergestellt." 

Das  Gespenst  mit  der  Trummel  oder  der  wahrsagende 
Ehemann.  Ein  Lustspiel  des  Herrn  Addisons,  nach  dem  Fran- 
zösischen des  Herrn  Destouches  übersetzt,  findet  sich  auf 
S.  231 — 342  des  zweiten  Teiles  von  „Die  deutsche  Schau- 
bühne nach  den  Pegeln  der  alten  Griechen  und  Römer", 
hrsg.   von  I.   C.    Gottscheden.     Neue  Auflage.    Lpz.  1746. 

Baron  und  Baronessin  sind  geblieben.  Tinsel  ist  zum  Herrn 
von  Windhausen,  der  Trommler  zum  Herrn  Liebhold, 
Vellum  zum  Herrn  Schulwitz,  Abigal  zur  Jungfer  Salome 
geworden,  eine  Freiheit,  welche  sich  die  Übersetzerin  nahm,  „um 
dem  Stücke  dadurch  eine  desto  mehrere  Anmuth  bey  uns  zu 
geben"  (Vorrede).  In  manchem  ging  sie  auf  das  Original  zu- 
rück,   doch    aber   hat    sie    sich    „lieber   nach  dieser  Verbesserung, 


')  Auf  S.  9—118  des  dritten  Bandes  der  Oeuvres  de  Monsieur 
Destouches,  de  l'academie  francaise.  Nouvelle  edition.  (A  la  Haye,  chez. 
Benjamin  Gibert  1752.) 


Destouches  und  die  Mostellaria.  487 

als  nach  dem  Grundtexte  richten  wollen,''  und  so  ist  manche  fran- 
zösische Bemerkung,  wie  z.  B.  Pinces  Schlusswort,  „que  vous  trou- 
viez  cette  nuit  aussi  delicieuse  que  la  premiere  nuit  de  vos  noces, " 
das  im  Englischen  sich  nicht  findet,    ins  Deutsche   übergegangen. 

Auch  als  Oper  ist  Addisons  Lustspiel  öfter  über  die 
Bühne  gegangen. 

Clement  verzeichnet:  „II  Tamburo  notturno-'  von  Paisiello, 
Neapel  1773;')  „Le  Tambour  enchante,  •'  Musik  von  Schack, 
Wien  1798;2)  „Das  Gespenst  mit  der  Trommel,-'  Oper  von  Ditters, 
gespielt  in  Öls  im  Jahre  1794;  „Das  Gespenst  mit  der  Trommel," 
Musik  von  Grätz,   in  München  gegen  das  Jahr   1800  gespielt.3) 

Ob  hierher  die  Oper  „L'Apparition-'  von  Germain  Dela- 
vigne,  Musik  von  M.  Benoist  (1848),  wo  Clara  de  Torellas 
den  Geist  spielt;4)  ferner  Michele  Carafas  Oper:  „II  fan- 
tasma"  (1802),  und  „Le  fantöme"  von  Gyrowetz  (gegen 
1842)5)  gehören,   ist  zweifelhaft. 

Nochmal  soll  Destouches  nach  einigen6)  die  Mostellaria 
vor  Augen  gehabt  haben  in  seinem  Lustspiele  „Le  Dissipateur 
ou  1'Honnete-Friponne-',7)  doch  ist  diese  Annahme 
schwer  haltbar.  Hier  wird  der  unsinnige  Verschwender  Cleon 
von  seinem  Onkel  Geronte  überrascht  (III,  3).  Pasquin,  sein 
Diener,  und  Finette,  die  Zofe  seiner  Geliebten,  Julie,  suchen 
dem  alten  Herrn  das  denkbar  günstigste  Bild  des  jungen  Tauge- 
nichts zu  entwerfen.  Er  studiert,  sagt  Pasquin,  Tag  und 
Nacht.  „Ma  foi,  c'est  im  neveu  qui  vaut  son  pesant  dor,  •'  rühmt 
Finette.  „Son  menage  ä  present  va  jusqu'ä  l'avarice, "  berichtet 
Pasquin,  ganz  wie  Tranio  dem  Theuropides.  Drinnen  aber 
hält   Cleon   ein  Gelage. 

Da  nun  der  Alte  ins  Haus  eintreten  will,  hält  ihn  Pasquin  ab. 

Ger.       II  faut  que  toute  ä  l'heure 

Je  l'embrasse. 
Pasq.     (l'arretant).     Ah,  monsieur,  n'entrez  pas! 
Ger.  Et  pourquoi  pas? 

Pasq.     (embarrasse).   Demandez  ä  Fiuette ;  eile  scait  mieux  que  moi  .  .  . 


')  Clement,  Dict,  lyr.,  S.  64C. 

2j  A.  a.  0. 

3)  A.  a.  0.    S.  316. 

-1)  A.  a.  0.    S.  40. 

5)  A.  a.  0.    S.  271. 

°)  Sommer.  (Les  coniedies  de  Plante  etc.)  II.  116.  Destouches 
en  (d.i.  aus  der  Mostellaria)  a  tire  parti,  lorsque  dans  son  Dissipateur 
le  neveu  fait  accroire  ä  son  oncle  que  le  bruit  des  verres  et  des  assiettes 
est  celui  d'un  dispute  de  savants,  avi'C  lesquels  il  s'est  enferm^.  La  se 
borne  l'imitation  de  Destouches. 

7)  Representee  ä  Munich  en  1756.  —  Chez  Jean  Jaques  Vötter,  Im- 
primeur  de  la  cour,  &  des  Etats  de  Baviere.     ^28  pag.^ 


4gg  X.  Mostellaria. 

/■)'//.       Monsieur,  c'est  qu'il  s'est  fait  uue  etrange  habitude  .  .  . 
IVndanl  toutes  les  nuits  .  .  .  il  s'applique  ä  l'etude, 
Et  ne  s'endort  jamais  .  .  .  qu'apres  qu'il  a  dine. 

Allein  Geronte  lässt  sich  nicht  abtreiben.   Man  soll  ihn  nur  wecken. 

Fiit.      Auriez  vous  bieu  le  cceur 

D'interrompre  sou  somrne? 
Ger.  Oui. 

Pasq.  Souffrez  qu'on  vous  dise. 

Qu'uu  reveil  eu  sursaut  .  .  . 
Ger.  Tarare. 

Pasq.  La  surprise 

Peut  le  rendre  malade;  atteudez  ä  ce  soir. 

Während  Pasquin  geht,  um,  wie  er  vorgiebt,  den  Schla- 
fenden zu  wecken,  fragt  Geronte:  „Mais  j'entends  un  grand  buit! 
Que  veut  dire  ceci?"  worauf  Finette  berichtet,  dass  eine  gelehrte 
Versammlung  abgehalten  wird.  In  gewisser  Beziehung  den  be- 
trunkenen Callidamates  spielt  der  Baron,  der  so  wenig  auf 
Pas  quin  und  Finettes  Lügen  eingeht,  dass  ihn  diese  als  ver- 
rückt hinstellen,  ein  Zug,  den  wir  aus  Regnard  und  Fielding 
kennen,   und  der  schon  im  plautinischen  Simo  angedeutet  vorliegt. 

Pasq.     Gardez-vous  d'ecouter  ce  qu'il  dit. 

Depuis  deux  ou  trois  mois  il  a  perdu  l'esprit. 
Ger.       Tout  de  bon? 
Cle'on.    Oui,  mon  oncle,  ä  toute  heure  il  s'egare, 

Et  daus  ce  moment-ci,  son  acces  se  declare. 
Fi ii.       Quaud  ou  le  contredit,  il  devieut  furieux. 

u  S-  W-  —  Dass  Destoucb.es,  um  diese  Szenen  zu  schrei- 
ben, die  Mostellaria  des  Plautus  vor  Augen  haben  musste, 
ist   schwer  zu  glauben. 

Noch  wird  von  Fl  ö  gel,1)  Fuhr  man2)  und  Rapp3)  Ben 
Jonsons  Lustspiel  ,.The  Alchemist",4)  das  zuerst  1610  auf- 
geführt wurde,  mit  der  Mostellaria  in  Zusammenhang  gebracht. 
,.Die  Situation,"  sagt  Rapp  (a.  a.  0.),  „ist  übrigens  aus  Plau- 
tus' Mostellaria  entlehnt  und  in  London  lokalisiert  .  .  .  Die 
Katastrophe  durch  die  Ankunft  des  Londoner  Bürgers,  wie  in  der 
Mostellaria."  Dryden  hält  den  Alchemist  für  ein  Plagiat  des 
Albumazar,  wodurch  die  innere  Beziehung  beider  Stücke  zu 
Plautus  hergestellt  wäre. 

Der  Alchemist,  in  welchem  uns  an  Sir  Epicure  Mammon 
eine  Art  Falstaff   entgegentritt,    mag,    da   ja    Ben  Jonson  ein 

■)  Gesch.  d.  k.  Litt.    LU,  217. 

2)  Handbuch.  III,  51.  „Auch  Jonsons  Alchemist  ist  zum  Teil 
darnach  kopiert." 

3)  Studien.    S.  230. 

«)  S.  1 — 193  des  vierten  Bandes  der  Aus«',  von  Gifford.  Auch 
abgedruckt  S.  177—277  im  500.  Band  der  Collection  of  British  Authors. 
Tauchuitz  Edition.     Lpz.  1860. 


Ben  Jcmsons  Alchemist.  489 

gründlicher  Kenner  der  Alten  war  und  ihrer  an  zahlreichen 
Stellen  seiner  Lustspiele  gedenkt,  das  eine  oder  andere  Plaut us 
schulden:  eine  Nachahmung  der  Mostellaria  ist  er  nicht. 
Der  Inhalt  in  nachstehendem  Akrostichon  spricht  am  besten  für 
diese  Behauptung. 

The  Sickness  bot,  a  Master  quit,  for  fear, 
Hin  house  in  Town,  and  left  one  Servant  there. 
Ease  bim  corrupted.  and  gave  means  to  know 
A  Cbeater  and  his  Punk;  who,  now  brougbt  low, 
Zeaving  tbeir  narrow  Practice,  were  become 
Cos'ners  at  large;  and  only  wanting  some 
Bouse  to  set  up,  with  him  they  bere  contraet. 
j^acb  for  a  Share,  and  all  begin  to  act: 
./JAich  Company  tbey  draw,  and  much  abuse, 
in  casting  Figures,  telling  Fortunes,  News. 
Selling  of  Flies,  flat  Bawd'ry,  with  the  Stone, 
Till  it,  and  they,  and  all  in  Fume  are  gone. 

Durch  Suhtle  und  seine  Genossen,  Face  und  Dol  Com- 
mon, wird  die  Dummheit  der  Menschen,  welche  an  den  ver- 
meintlichen Alehemisten  und  seine  Wunderleistungen  glauben, 
solange  ausgenützt,  bis  endlich  der  ganze  Missbrauch  aufgedeckt 
wird,  da  der  Besitzer  des  Hauses,  Love-Wit,  zurückkehrt.  Er 
hört,  wie  lebhaft  es  in  seinem  Hause  während  seiner  Abwesen- 
heit zuging,  von  den  Nachbarn  (V,  1),  welche  ihm  die  wunder- 
barsten Dinge  erzählen.  Auf  sein  Klopfen  wird  ihm  nicht 
geantwortet: 

Tbis  's  stränge!  tbat  none  will  answer. 

Face  ist  der  erste,   der  hervortritt. 

Face.     Good  Sir,  come  from  tbe  Door! 

Lov.       Why?  wbat  's  tbe  matter? 

Face.    Yet  farther,  you  are  to  near  yet. 

Lov.      F  the  Name  of  Wonder!  What  means  the  Fellow? 

Face.     The  House,  Sir,  bas  been  visited. 

Lov.      Wbat?  with  the  Plague?  stand  thou  tben  farther? 

Face.     No,  Sir,  I  bad  it  not, 

Lov.       YVho  had  it  then?  I  left 

None  eise  but  thee,  i'  the  House! 
Face.     Yes,  Sir,  my  Fellow, 

Tbe  Cat  that  kept  the  Buttery,  had  it  on  her. 

A  Week  before  I  spied  it:  but  I  got  her 

Convey'd  awayj  i'  the  Night.    And  so  I  sbut 

The  Eouse  up  for  a  Month. 

u.  s.  f.,   ohne  weitere  Anklänge   an   die   Mostellaria. 

Ob  das  bei  Moralin  (I,  54)  genannte  Stück  „La  fantasma" 
des  Don  Ramon  de  la  Cruz,  Cano  y  Olmedilla  (geb.  1731; 
gest.  am  Ende  des  achtzehnten  Jahrhunderts),  zur  Mostellaria 
gehört,   vermag  ich   nicht   zu  bestimmen. 


490  XL    Menächmi. 


XL    Menächmi.1) 


Die  Menächmi,  eine  Komödie,  welche  mit  wenigen  andern 
in  die  frühere  Zeit  des  Dichters  fällt,2)  werden  von  neueren 
Herausgebern  anders  eingeteilt,  als  es  die  älteren  thaten.  Rapp3) 
giebt  das  Lustspiel  in  sechs  Akten,  wie  es  auch  Köpke  abge- 
teilt hatte,  unter  Berufung  auf  den  Miles  glorios us,  Brix  in 
fünf  Akten,  indem  er  den  vierten  Akt  mit  Vers  881  abschliesst 
und  dies  damit  motiviert,  dass  der  Dichter  „dem  in  der  nächsten 
Szene  auftretenden  senex,  der  V.  875  erklärt  hatte,  den  Arzt 
holen  zu  wollen, 4)  für  den  Gang  hin  und  zurück,  für  das  lange 
Warten  auf  den  Arzt  und  für  die  Besprechung  mit  demselben 
mehr  Zeit  lassen  muss,  als  die  fünf  (oder  sechs?)  von  Menäch- 
mus  gesprochenen  Verse  brauchen."5) 

Das  Stück  leitet  das  Auftreten  des  Parasiten  Peniculus 
ein;  er  erwartet  den  in  Epidamnus  ansässigen  Menächmus, 
um,  wie  früher  oft,  mit  ihm  ein  Mahl  einzunehmen.  Menäch- 
mus tritt  eben  aus  dem  Hause  und  richtet  an  seine  Frau  noch 
einige  scheltende  Worte,  da  ihn  ihre  allerdings  nicht  unbegrün- 
dete Eifersucht  überallhin  verfolge.  Er  wendet  sich  nach  der 
Wohnung  seiner  Geliebten,  der  Buhlerin  Erotium.  Dieser 
schenkt  er  einen  Mantel,  den  er  eben  aus  dem  Kasten  seiner 
Frau  entwendet  hat,  und  fordert  sie  auf,  für  ihn  und  den  Para- 
siten ein  Mahl  bereiten  zu  lassen.  Indessen  Erotium  ihren  Koch 
Cylindrus  zum  Einkaufe  abschickt,  begeben  sich  Menächmus 
und  der  Parasit  auf  das  Forum. 

Der  zweite  Akt  führt  Menächmus  IL  aus  Syrakus  ein, 
der  mit  seinem  Diener  M essen io  eben  hier  gelandet  ist.  Die 
Stadt  Epidamnus  steht    in  keinem  guten  Rufe  (F.   259): 


')  Ausgaben:  J.  Hildyard  (Cantabr.  1840);  Geppert  I Berlin  1845) ; 
W.  Wagner  (Cambd.  1878);  J.  Brix  (Lpz.,  3.  Aufl.  1880);  J.  Vahlen 
(Berlin  1880).  Hier  ist  nach  Brix  zitiert.  —  De  Menaechmis  Plaut iua 
retractata  libellus.     Scripsit  P.  E.  Sonnenburg  (Bonn  1882). 

2)  Vgl.  Brix,  S.  5.  Aus  V.  407  u.  s.  w.  (Non  ego  te  —  Hierost) 
haben  W  indisch  mann  und  Vissering  die  Zeit  bestimmen  wollen.  — 
Stiefel  (Über  die  Menächmen  des  Plautus,  Blätter  für  das  bair.  Gym- 
nasialwesen, XV.  Bd.  [1879],  S.  309—318)  hält  die  Verse  für  eingeschoben. 
Vgl.  A.  Spengel,  T.  M.  Plautus,  S.  55  und  178. 

3)  Die  pl.  L.,  S.  315. 

4)  Eibo  atque  arcessam  medicum  iam  quantum  potest. 

5)  S.  73,  Anm.  zu  881.  Vgl.  A.  Spengel,  Die  Akteinteilung  der 
Komödien  des  Plautus.  München  1877.  Über  die  sonstige  Einteilung 
und  ihre  Gründe  siehe  bei  Brix,  S.  3,  Anm.  2. 


Charakteristik  derselben.  491 

Nam  itast  haec  hominum  natio:  in  Epidamnieis 

Voluptarii  atque  potatorea  maxurnei; 

Turn  sycophantae  et  palpatores  plurimei 

In  urbe  hac  habitant:  turn  meretrices  midieres 

Nusquam  perhibentur  blandiores  gentium. 

Propterea  huic  urbei  nomen  Epidamno  inditumst, 

Quia  nemo  ferme  sine  damno  huc  deuortitur.1) 

Jalire  lang-  hat  er  allenthalben  die  Spiir  seines  Zwillings- 
bruders  gesucht,  der  verloren  ist;  sodass  es  dem  Sklaven  Mes- 
senio  eine  derartig  aussichtslose  Bemühung  erscheint,   dass  er  ihm 

erwidert  (7  248): 

In  scirpo  nodum  quaeris.2) 

Während  ihres  Gespräches  naht  der  Koch  Cylindrus,  der 
Menächmus  aus  Syrakus  für  Menächmus  aus  Epidamnus 
hält  und  sich  mit  ihm  und  Messenio  in  ein  Gespräch  einlässt. 
Der  Syrakusaner  Menächmus  ist  erstaunt,  sich  von  allen  bei 
seinem  Namen  angesprochen  zu  hören ,  allein ,  da  er  von  allem 
Übrigen  nichts  versteht,  sowie  auch  Cylindrus  ihn  nicht  be- 
greifen kann,  hält  er  den  Burschen  für  toll.  Dieser  hat  unter- 
dessen Erotium  bereits  mitgeteilt,  dass  ihr  Geliebter  vor  der 
Thüre  stehe.  Sie  eilt  heraus,  ruft  den  staunenden  Fremden  zu 
sich,  der  mit  ihr  geht,  obwohl  er  einsieht,  dass  die  Einladung 
nicht  ihm  gelten  kann.  Erotium  giebt  ihm  den  Mantel  mit 
der  Bitte,  denselben  bei  dem  Goldsticker  umändern  zu  lassen, 
damit  seine  Frau  ihn  nicht  mehr  als  den  ihrigen  erkenne.  Me- 
nächmus II.  schickt  seinen  Sklaven  Messenio  ins  Wirts- 
haus, mit  dem  Auftrage,  ihn  „ante  solem  occasunr'  (7  437) 
wieder  abzuholen. 

In  der  ersten  Szene  des  dritten  Aktes  tritt  der  Parasit 
Peniculus  klagend  auf.  Er  hat  auf  dem  Forum  Menächmus  I. 
verloren   oder  glaubt  vielmehr   (7   449): 

Menaechmus  se  subterduxit  mihi 
Atque  abiit  ad  amicam,  credo,  neque  me  uoluit  ducere. 

In  diesem  Augenblicke  tritt  Menächmus  IL  aus  Eiotiums 
Haus,  den  Mantel  in  der  Hand  tragend.  Mit  Entsetzen  erblickt 
ihn  der  Parasit.  Alle  seine  Befürchtungen  sind  zur  Wahrheit 
geworden  (7  469): 

Salur  nunc  loquitur  de  me  et  de  parti  mea: 
Pallam  ad  plirygionem  fert  confecio  prandio 
Vinoque  expoto,  parasito  excluso  foras. 


')  Später   sieht   sich  Menächmus  IL    selbst    gezwungen,    diesen   Ort 
als  „loci  lenonii"  ( V.  552)  zu  bezeichnen. 

2)  Ebenso  bei  Terenz  Andria,  7  941,  „nodum  in  scirpo  quaeris". 


492  XI.    Menächmi. 

Er  schwört  ihm  Rache  für  den  schändlichen  Betrug.  Me- 
nächmus  II.  versteht  natürlich  seine  Rede  nicht.  Da  Menäch- 
mus  gehen  will,  kömmt  Erotiums  Magd  und  überbringt  ihm  im 
Auftrage  ihrer  Herrin  eine  goldene  Armspange  (spinter),  damit 
er  sie  zugleich  mit  dem  Mantel  ausbessern  lasse.  Menächmus  II. 
nimmt   auch  dies  in  der  Absicht   (V.   549): 

Vt,  quantum  possint,  quique  liceant,  ueneant. 

Unterdessen  hat  der  Parasit  seine  Rache  für  das  verlorene 
Mahl  vollzogen.  Er  hat  die  Frau  des  Menächmus  von  Epi- 
damnus  in  alle  Streiche  ihres  Gatten  eingeweiht.  Menäch- 
mus I.  tritt  auf,  und  seine  Frau  begegnet  ihm  in  heftigster 
Weise.  Der  Mantel  muss  zurückgestellt  werden,  ausserdem  soll 
ihm  das  Haus  verschlossen  bleiben  (V.   662): 

Nam  domum  numquam  introd  ibis,  nisi  feres  pallam  simul. 

Menächmus  I.  klopft  dann  an  Erotiums  Thüre;  sie  tritt 
aus  dem  Hause  heraus,  und  nun  beginnt  natürlich  ein  neues 
Missverständnis,  da  sie  behauptet,  Menächmus  den  Mantel,  um 
dessen  Rückgabe  gegen  einen  doppelt  schöneren  (F.  680,  „bis 
tanto  pluris  pallam")  er  sie  inständig  bittet,  gleichzeitig  mit  der 
Spange  übergeben  zu  haben.  Völlig  im  Unklaren  und  von  beiden 
abgewiesen,   geht  Menächmus  I.   ab   (F.   698): 

Nunc  ego  sum  exclusissumus : 
Neque  domi  neque  apud  amicam  mihi  iam  quidquam  creditur. 

Der  vierte  Akt  bringt  Menächmus  IL  und  die  Frau 
seines  Zwillingsbruders  zusammen.  Er  trägt  noch  den  Mantel 
um  den  Arm  gelegt,  und  da  er  auf  die  begründeten  Vorwürfe 
der  Frau  nichts  anderes  zu  erwidern  weiss,  als  von  „fabulae"  (F. 
724)  und  Thorheiten,  ruft  diese,  aufs  Äusserste  gebracht,  ihren 
alten  Vater.  Der  Greis  stellt  sich  anfänglich  auf  die  Seite  seines 
vermeintlichen  Schwiegersohnes  und  ergreift  Partei  gegen  seine 
Tochter.  Da  aber  Menächmus  IL  erklärt,  er  habe  die  Frau 
nie  gesehen  und  sei  niemals  in  diesem  Hause  gewesen,  kann  er 
nichts  anderes  annehmen,  als  der  Mann  sei  irrsinnig.  Auf  diese 
Idee  geht  Menächmus  IL   sofort  ein   (F.    832): 

Quid  mihi  meliust  quam  ut,  quando  illi  me  insauire  praedicant, 
Egomet  me  adsimulem  insanire,  ut  illos  a  me  apsterream  r1 

und  stellt  sich  rasend.  Er  spricht  allerlei  wirres  Zeug  und 
droht,  alle  zu  erschlagen.  Dies  thut  seine  Wirkung.  Die  Frau 
eilt     ab,     der     Alte    läuft    nach    einem    Arzte:     unterdessen    ent- 


Charakteristik  derselben.  493 

kömmt  Menächmiis  IL   mit  der  witzigen  Aj>ostrophe  an  die  Zu- 
schauer (7   880): 

Vosque  omnis  quaeso,  si  senex  reuenerit, 
Ne  me  indicetis,  qua  platea  hinc  aufugerim. 

Im  fünften  Akte  sehen  wir  den  alten  Vater  sehnsüchtig 
auf  den  Arzt  warten,  was  ihm  Gelegenheit  giebt,  einige  pole- 
mische Worte  gegen  die  Arzte1)  einzuflechten ;  den  hier  auftreten- 
den tadelt  er  als  „multilocum,  gloriosum,  insulsum,  inutilem."2) 
Der  Arzt  erscheint  und  verspricht  alsbaldige  Heilung.  Ahnungs- 
los kömmt  Menächmiis  I.  des  Weges.  Der  Arzt  wendet  sich 
an  ihn,  wird  aber  derb  abgewiesen,  sodass  er  nach  vier  Männern 
schickt,  welche  ihn  zu  weiterer  Beobachtung  zu  ihm  bringen 
sollen.  (Ad  me  face  uti  deferatur.  .  .  .  Ibi  meo  arbitrato  potero 
curare  hominem,  7  948).  Da  eben  Menächmiis  I.  fortgebracht 
werden  soll,  tritt  Messenio  auf,  der  den  Befehl  erhalten  hatte, 
seinen  Herrn  bei  Erotium  abzuholen.  Er  sieht,  wie  ihm  die 
Fremden  Gewalt  anthun,  und  thatkräftig,  wie  er  ist,  gelingt  es 
ihm,  Menächmiis  I.,  den  er  für  seinen  Herrn  hält,  zu  befreien. 
Messenio  erbittet  sich  von  seinem  hocherfreuten  Gebieter  die 
Freilassung,  die  ihm  dieser  auch  mit  den  zweideutigen  Worten 
gewährt  (7.  1031): 

Mea  quidem  hercle  causa  liber  esto  atque  ito  quo  uoles, 

nachdem  er  ihm  bereits  vorher  erklärt  hatte,   dass  er  sein  Eigen- 
tum nicht  sei   (7   1027): 

Per  Iouem  adiuro  patrem, 
Med  erum  tuom  non  esse. 

Messenio  überliefert  ihm  den  Geldbeutel,  den  Menäch- 
miis I.    annimmt,   worauf  er  den  Sklaven  weiterschickt  (7.  1045): 

Ne  tum,  quando  sanus  factus  sit,  a  me  argentum  petat. 

Alsdann  begiebt  sich  Menächmiis  I.  zu  Erotium,  um 
nochmal  den  Versuch  zu  wagen,  von  ihr  den  Mantel  zurückzu- 
erhalten. 

Im  selben  Augenblicke,  wo  Menächmiis  I.  sich  entfernt, 
tritt  Menächmiis  II.  mit  Messenio  ein.3)  Er  weiss  natürlich 
weder  von  der  Freilassung  des  Sklaven,  noch  von  Messenio s 
rettender    That    ein    Wort.      So    bat    die    Verwirrung    ihren  Höhe- 


')  So  ist  auch  hierin  Plautus  ein  Vorbild  Molieres.    (Vgl.  S.  310.) 

2)  Vgl.  bei  Brix  S.  73,  kam.  zu    V.  885. 

3)  A.  Spengel,  Akteinteilung,  S.  19. 


494  XI-   Menächmi. 

punkt  erreicht,  da  jene  beiden,  die  bisher  noch  zusammen- 
wirkten, gleichfalls  sich  nicht  mehr  erkennen.  Da  erscheint  Me- 
nü chmus  I. ,  und  so  stehen  sich  die  beiden  Brüder  gegenüber. 
Einen  Augenblick  schwankt  Messenio  noch  in  dieser  Szene,  die 
vielfach  an  den  Amphitruo  erinnert,  wer  wirklich  sein  Herr 
sei.  Kurze  Zeit  hält  er  sogar  den  Epidamner  dafür.  Bald 
aber  löst  sich  der  Knoten  durch  die  Erklärungen,  welche  uns 
schon  der  Prolog  (F.  16  —  75)  im  voraus  gab.  Beide  Me- 
nächmi sind  Zwillingssöhne  eines  Kaufmanns  in  Syrakus.  Als 
die  Jungen  ins  achte  Jahr  gingen  (F  24,  postquain  iam  pueri 
septuennes  sunt,  und  V.  1116),  fuhr  der  Vater  mit  einem  der- 
selben, Menächmus,  auf  den  Jahrmarkt  von  Tarent;  der 
andere,  Sosikles,  blieb  bei  der  Mutter.  Im  Gedränge  verlor 
der  Vater  den  Knaben;  ein  Kaufmann  aus  Epidamnus  nahm 
ihn  mit  sich;  wenige  Tage  nachher  starb  der  Vater  aus  Gram 
noch  zu  Tarent.  Als  der  Gross  vater  in  Syrakus  dies  gehört 
hatte,  nannte  er  von  nun  an  den  andern  Zwilling,  Sosikles,  mit 
dem  Namen  des  verlornen  Enkels  Menächmus.  Menächmus 
aus  Epidamnus  kehrt  mit  seinem  Bruder  in  seine  Vaterstadt 
Syrakus  zurück,  Messenio  erhält  zum  zweiten  Male  die  Frei- 
heit und  ruft  die  Auktion  der  Güter  des  Menächmus  aus  Epi- 
damnus aus,  ehe  er  geht,  wobei  auch  seine  Ehefrau  zum  Ver- 
kaufe ausgeboten  wird ,  wenn  auch  mit  wenig  Hoffnung  auf 
günstigen  Erlös;  dies  in  einem  allerdings  angestrittenen  Verse 
(V.    1160): 

Venibit  uxor  quoque  etiaru,  si  quis  emptor  uenerit. 
[Vix  credo  auctione  tota  capiet  quinquagensies.] ') 

Mit  einer  bei  Plautus  öfter  vorkommenden  Apostrophe  des 
zuletzt  sprechenden   Schauspielers  an  das  Publikum  (F.   1162): 

Nunc,  spectatores,  ualete  et  nobis  clare  applaudite, 

die  hier  Messenio   zufällt,   schliesst  das  Lustspiel. 

Die  plautinische  Komödie  bietet  uns  also  eine  achtmalige 
Verwechslung,  und  zwar:  II,  274,  Menächmus  aus  Syra- 
kus und  Cylindrus;  II,  357,  Menächmus  aus  Syrakus  und 
Erotium;  II,  469,  Menächmus  aus  Syrakus  und  Peniculus; 
H,  524,  Menächmus  aus  Syrakus  und  die  ancilla  Erotiums; 
IV,  705,  Menächmus  aus  Syrakus  mit  der  Frau  des  Me- 
nächmus aus  Epidamnus;  IV,  810,  Menächmus  aus  Syra- 
kus   mit  dem    senex;    V,    1003,   Menächmus    aus    Epidamnus 


l)  Schwabe  in  Fleckeisens  Jahrbüchern   für  klassische  Philologie. 
1872.    S.  418. 


Charakteristik  derselben.  495 

mit  Messenio;  V,  1070,  Menächmus  aus  Epidamnus  mit 
Messenio. 

Der  Prolog,  welcher  dem  Stücke  vorangeht,  wird  in  seiner 
heutigen  Form  als  unecht  erklärt.  Ausführlich  behandelt  die 
reiche  Litteratur  hierüber  Dziatzko  in  Fleckeisens  Jahrbüchern 
f.  kl.  Philol.  1873.  ')  P.  Langen'2)  glaubt,  als  echt  zu  halten 
V.  1—6;  17—21;  24—42;  50;  57—61.  Dagegen  sprechen 
Dziatzko  und  Brix.  Ritschis  Vorwürfe3)  gegen  die  Prologe 
zu  den  meisten  Stücken,  „geschwätzige  Breite,  frostige  Witz- 
hascherei,  Ergehen  in  trivialen  Reflexionen,"  treffen  vornehmlich 
auch  diesen  Prolog.4) 

Formell  ist  stets  auf  den   Widerspruch  von    V.  5: 

Nunc  argumentum  accipite  atque  animum  aduortite: 
Quam  potero  in  uerba  conferam  paucissuma, 

mit    V.  14 — 16  hingewiesen   worden: 

Nunc  argumentum  uobis  demensum  dabo, 

Non  rnodio  neque  trimodio,  uerum  ipso  horreo: 

Tanta  ad  narrandum  argumentum  adesl  benignitas.h) 

Die  früher  geltende  gewöhnliche  Annahme,   zu  welcher    V.    12: 

Non  atticissat:  uerum  sicelissat  tarnen, 

(im  Zusammenhang  mit  Hör.  Ep.  II,  1;  58)  verleitete,  dass  das 
Stück  dem  Griechischen  des  Epicharmos  nachgedichtet  sei,6) 
gilt  seit  Ladewigs  Nachweisen7)  nicht  mehr.  Ziemlich  nahe 
legt  derselbe  Gelehrte  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  das  Stück 
nach  den  Jidv^ioi  des  Poseidippos  gedichtet  sei,  indem  er 
sich  auf  Athenaeus  XIV,  p.  658  F,  beruft:  ovde  yaQ  av  evQOi 
rig  vfAtov  öovlov  rtva  [idyeiQov  Iv  xcjfMpdltjc ,  Ttlrjv  Ttaqa 
TIoG£i6l7tttw  [iovm.     Teuffei8)    findet    diese    Annahme    „sehr 


')  Vgl.  auch  Brix,  S.  92. 

2)  Commentatio  de  Menaechmorum  fabulae  Plautinae  prologo. 
Münster  1873. 

3)  Parerg.    I.    S.  236.  —  Teuf  fei,  Studien,  S.  256. 

4)  Teuffei,  Studien,  S.  263—265.  „Der  Prolog  zu  den  Menächmi 
ist  eine  Vereinigung  sämtlicher  schlechten  Witze,  die  bei  den  verschie- 
denen Aufführungen  des  Stückes  von  den  verschiedenen  Theaterdirek- 
toren oder  Prologschreibern  gemacht  worden  sind."  —  Solche  Witze 
sind  z.  B.    V.  3.  51—55. 

5)  Vgl.  Ladewig,  Philolog.    I,  278  ff 

6)  Rapp,  Die  pl.  L.,  S.  315.  437.  —  Binder,  S.  25. 

7)  Über  den  Kanon  des  Volc.  Sed.,  S.  19—26.  —  Philologus.  I, 
S.  288. 

8)  Gesch.  d.  r.  L.,  S.  150. 


496  XI«   Menächmi. 

zweifelhaft"  und  von  „wenig  Sicherheit'',1)  vmd  auch  Stiefel2) 
ist  dagegen. 

Trotz  seiner  griechischen  Quelle  hat  indessen  Plautus  seinen 
Stoff  ganz  romantisiert  und  gerade  in  dieser  Komödie  einige  treff- 
liche Lokalreflexionen  (wie  z.  B.  über  das  Klientenwesen,  F  570, 
die  Komitien,    F   451   und  ähnliches)   eingeflochten. 3) 

Wie  im  Amphitruo  die  Ähnlichkeit  der  beiden  Amphitruo 

und   Sosia,    so    ist  es  hier  jene  der  Zwillingsbrüder,    welche  Ur- 

sache  komischer  Verwicklungen  wird."      Schon  als  Knaben  waren 

die  (7.18):  •   •    , 

v-  '  gemim  duo 

Ita  forma  simili  pueri,  uti  mater  sua 

Non  internosse  posset  quae  mammam  dabat, 

Neque  adeo  mater  ipsa,  quae  illos  pepererat. 

Messenio  nennt  den  Menächmus  von  Epidamnus  (F.  1062): 
„speculum  tuom, "  und  dann:  „Tuast  imago:  tarn  consimilist  quam 
potest,"    worauf  Menächmus  aus  Syrakus  erwidert: 

Pol  profecto  haud  est  dissimilis,  meam  quom  formam  noscito. 

Sie    gleichen   sich,    wie   ein  Wassertropfen  dem  andern  (F.  1088): 

Nam  liominem  hominis  similiorem  numquam  uidi  ego  alterum, 
Neque  aqua  aquae  neque  lactest  lactis,  mihi  crede,  usquam  similius, 
Quam  hie  tuist  tuque  huius  autem, 

sodass  der  Vorwurf  der  Un Wahrscheinlichkeit  des  Stückes 
kaum  haltbar  ist.4)  Bei  dieser  Ähnlichkeit  der  beiden  Brüder 
musste  dem  Zuschauer  das  Verständnis  des  Stückes  erleichtert 
werden.5)  Deshalb  nahm  Dziatzko6)  die  Notwendigkeit  eines 
Argumentums  an,  umsomehr,  als  der  Ort  der  Handlung  erst  F.  231, 
und  hier  nur  flüchtig, :  „Sedquaeso,  quamobrem  nunc  Epidamnum 
uenimus?"    erwähnt  wird. 

Nicht  alle  Personen  sind  in  gleicher  Weise  im  Detail  durch- 
geführt. Der  in  Epidamnus  ansässige  Menächmus  ist  wohl 
etwas  von  den  leichten  Sitten  seiner  Vaterstadt  berührt.  Er  ist 
ein  heiterer  Gesellschafter.  Der  Parasit  nennt  ihn  „homo  lepi- 
dissumus"  (F.  148)  und  „hilarissumus"  (F.  149),  einen  Mann,  der 
als  wackerer  Wirt  seinen  Leuten  nicht  nur  das  Essen  gönnt,  son- 
dern sie  förmlich  dazu  heranzieht  (F.    98): 

Nam  illic  homo  homones  non  alit,  uerom  educat 
Recreatque;  nullus  melius  medicinam  facit. 


')  Studien,  S.  2G3. 

2)  A.  a.  0.,  S.  310.  311. 

3)  Brix.  S.  9. 

4)  Stiefel,  a.  a.  0.,  S.  317. 

5)  Vgl.  Amphitruo,  S.  120. 
«)  A.  a.  0.,  S.  839. 


Charakteristik   derselben.  497 

Mit  der  Ehe  freilich  nimmt  er  es  nicht  strenge.  Er  ist  bei  der 
Bnhlerin  Erotinm  zu  Hause,  dort  hat  er  seine  Wohnung  aufge- 
schlagen.     Erotium  begrüsst    ihn  (F.   361): 

Animule  mi,  mihi  mira  uidentur 

Te  hie  stare  foris,  fores  quoi  pateant 

Magis,  quam  domus  tua,  domus  quom  haec  tua  sit. 

Die  Buhleriii  lebt  von  seiner  Freigebigkeit  (V.  358,  „Qui 
mi  est  usui  et  plurumum  prodest."  F.  372,  „Nam  ecastor  solus 
bene  factis  tuis  me  florentem  facis. ")  Ihm  graut  vor  seiner 
Gattin  (F.  191).  „Vt  ego  uxorem,  mea  uoluptas,  ubi  te 
aspicio,  odi  male,"  ruft  er  aus,  wenn  er  die  Geliebte  sieht.  Er  ist 
ausgelassen,   so  wie  seine  Frau  weg  ist  (F.   318): 

Quam  uis  ridiculus  est,  ubi  uxor  non  adest 

sagt  Cylindrus.  Er  fühlt  sich  am  seligsten,  da  sie  ihn  aus 
ihrem  Hause  ausschliesst  (F.  668): 

Male  mi  uxor  sese  fecisse  censet,  quom  exclusit  foras: 
Quasi  uou  habeam,  quo  intro  mittar,  aliura  meliorem  locum. 
Si  tibi  displiceo,  patiundum :  at  placuero  huic  Erotio. 
Quae  me  non  exeludet  ab  se,  sed  apud  se  oecludet  domi. 

So  stiehlt  er  seiner  Frau  Spangen  und  Mantel  (F.  200,  531),  um 
sie  seiner  Geliebten  zu  bringen,  und  nur  allzuberechtigt  erscheint 
die  Klage,    in  welche  seine  Ehefrau  ausbricht   (F.   559): 

Egone  hie  me  patiar  esse  in  matrimonio, 
Vbi  uir  conpilet  clanculum,  quiequid  domist 
Atque  hinc  ad  amicam  deferat? 

Das  Opfer  der  Verwechslungen  wird  Menächmus  aus  Syra- 
kus:  so  sehen  wir  weniger  in  sein  Inneres,  weil  er  ununter- 
brochen in  die  Irrtümer  verstrickt  ist,  in  welche  ihn  die  Ähnlich- 
keit mit  seinem  Bruder  bringt.  Sein  ernstes  Streben,  die  Spur 
seines  teueren  Bruders  zu  finden  (F.  232),  das  er  nie  aufgeben 
wird,    (F.   246): 

Verum  aliter  uiuos  uumquam  clesistam  exsequi: 
Ego  illum  scio  quam  carus  sit  cordi  meo, 

lässt  uns  in  ihm  einen  entschiedenen  Mann  vermuten.  Er  selber 
nennt  sich  reizbar  (F.  270):  „Ego  autem  homo  iraeundus,  animi 
perditi".  Wohl  kaum  soll  ein  schmutziger  Charakter  damit  ange- 
zeigt werden,  dass  er  das  ihm  von  Erotium  Gebotene  an- 
nimmt, um  es,  wie  er  sagt,  zu  verkaufen  (F.  549).  Es  soll  mit 
diesen  Worten  gewiss  nur  eine  komische  Wirkung  erzielt  werden, 

32 


498  XL   Menäcmni. 

sowie  ja  auch  Menächmus  aus  Epidamnus  das  ihm  vou  Mes- 
se nio  gebotene  Geld  sofort  nimmt  (V.  1045),  um  es  nicht  mehr 
verlieren  zu  müssen.  Die  Liebe  zu  seinem  Bruder  bricht  bei 
Menächmus  aus  Syrakus  lebhaft  durch,  so  wie  er  ihn  als  solchen 
erkennt  (F  1124:  „Signa  adgnoui:  contineri  quin  complectar  non 
queo"):  und  er  ist  es  auch,  der  den  Wiedergefundenen  veranlasst, 
in  die  Heimat  zurückzukehren  (F    1151): 

Quoniam  haec  euenerunt  nobis,  frater,  ex  sententia, 
In  patriam  redeamus  ambo. 

Die  Frau  des  Menächmus  aus  Epidamnus  tritt  nur  einige- 
male  auf;  ihr  Gatte  nennt  sie  böse  „mala"  {V.  137).  Die  Vor- 
würfe jedoch,   die  er  ihr  (F  110  ff.)  macht: 

Ni  mala,  ni  stulta  sis,  ni  indomita 
Inposque  animi,  quod  uiro  esse  odio 
Videas,  tute  tibi  odio  habeas 

u.  s.  w.,  finden  wir  wohl  an  der  Frau  begreiflich,  da  wir  kaum 
Grund  haben,  sein  „nimiuin  ego  te  habui  delicatam"  (F.  121) 
aufs  Wort   zu  glauben. 

Erotium  ist  das  Muster  der  Hetäre.  Ihr  Name  (Iqlotiov)  ') 
„Liebchen"  entspricht  der  von  ihr  entworfenen  Schilderung  und 
ihrem  Gewerbe.  Menächmus  I.  preist  ihre  Schönheit  über- 
schwänglich   (F.    183): 

eapse  eccam  exit.  ah,  solem  uide, 
Satin  ut  occaecatust  prae  huius  corporis  candoribus? 

Sie  ist  für  ihn  voll  zarter  Liebenswürdigkeit  („animemei, "  F.  185; 
„animule  mi,"  F.  361),  allein  zunächst  in  gewinnsüchtiger 
Absicht.  Der  Parasit  bezeichnet  die  Art  ihrer  Liebe  zu  Me- 
nächmus in  trefflicher  Weise   (F.  195): 

Meretrix  tautisper  blanditur,  dum  illud  quod  rapiat  uidet. 
Nam  si  amabas,  iam  oportebat  nasum  abreptum  mordicus, 

ganz   so,   wie  auch  Messenio  von  diesen  Leuten  sagt: 

V.  377.    Nam  ita  sunt  hie  meretrices:  omnes  elecebrae  argentariae. 
V.  437.     Nou  tu  istas  meretrices  nouisti,  ere, 

die   er   (F.  442)  mit  einer  ,,nauis  praedatoria"  vergleicht. 

Der  Sklave  des  Menächmus  aus  Syrakus,  Messenio, 
so  genannt  nach  seiner  Herkunft  aus  Messenien,    ist  ein  heiterer 


')  Brix,  S.  13. 


Charakteristik  derselben.  499 

Gefährte  seines  Herrn.  Obwohl  ihn  dieser  einen  Weiberfreund 
nennt  (7.   269): 

Tu  amator  magnus  mulierum  es,  Messenio, 
ist  er  doch  gerade  diesen  gegenüber  sehr  vorsichtig. 

Ne  feceris. 
Periisti,  si  intrassis  intra  limen ! 

ruft  er  (7.  414)  seinem  Herrn  zu,  der  bei  Erotium  eintreten  will. 
Überall    bestimmt    ihn    die  Liebe  zu  seinem  Herrn.      Er  ent- 
wirft   ein   Bild    eines    treuen    Sklaven1)    und    stellt   sich    selbst    als 
einen  solchen  hin  in   dem   canticum  (7   966 — 985): 

Spectamen  bono  seruo  id  est,  qui  rem  erilem 

Procurat,  uidet,  collocat,  cogitatque, 
Vt  absente  ero  rem  eri  diligenter 

Tutetur,  quam  si  ipse  adsit,  aut  rectius. 
Tergum  quam  gulam,  crura  quam  uentrem  oportet 

Potiora  esse,  quoi  cor  modeste  situmst. 

Recordetur  id, 
Qui  nihili  sunt,  quid  is  preti 

Detur  ab  suis  eris, 
Ignauis,  inprobis  uiris. 

Verbera,  conpedes, 
Molae,  lassitudo,  t'ames,  frigus  durum: 
Haec  pretia  sunt  ignauiae.  id  ego  malum  male  metuo. 

u.  s.  w.  bis  7  987.  Energisch  verteidigt  er  seinen  Herrn  gegen  die 
lorarii,  und  auch  als  Freigelassener  will  er  noch  Diener  und  Ge- 
fährte des  Menächmus  bleiben  und  bittet  ihn  darum  nach  jener 
vermeintlichen   Freilassung   (7.    1034): 

Sed,  patrone,  te  opsecro, 
Ne  minus  nunc  inperes  mihi,  quam  quom  tuos  seruos  fui. 
Apud  ted  habitabo  et,  quando  ibis,  una  tecum  ibo  domum. 

Er  ist  es,  dem  zuerst  der  Gedanke  kömmt,  dass  dies  die  beiden 
Zwillingsbrüder  sein  könnten,  und  der  ihre  Annäherung  und  die 
Lösung  der   Komödie   herbeiführt   (7.   1081): 

Di  inmortales,  spem  insperatam  date  mihi,  quam  suspicor, 
Nam  nisi  nie  animus  lallit,  hi  sunt  gemini  germani  duo: 
Nam  et  patriam  et  patrem  conmemorant  pariter  qui  fuernrl  sibi. 
Seuocabo  erum. 

So    ist    Messenio     eine    der    bedeutungsvollsten    Persönlich- 
keiten  des   Stückes. 


')  Dazu  ist   zu   vergleichen:   Aulul.,    V.  582;   Mostellaria,   u. 

Das  Gegenteil  iu  Bacehides  S.    I.'llt'f. 

32* 


500  XL   Menächmi. 

Der  Koch  Cylindrus1)  füllt  nur  einige  Szenen  aus.  Er  ist 
nach  Teuffels2)  Auffassung  der  Sklave  Erotiums. 

Hinsichtlich  des  ehelichen  Verhältnisses  des  Menächnius 
gieht  uns  der  alte  Vater  den  Schlüssel  zum  richtigen  Verständ- 
nisse, sodass  wir  es  nicht  nach  unsern  heutigen  Anschauungen 
heniessen  dürfen.  Der  Alte  findet  den  Umgang  seines  Schwieger- 
sohnes mit  Erotium  seiner  Tochter  gegenüber  entschuldbar.  Da 
sie  ihm  klagt,  dass  ihr  Mann  ein  Mädchen  in  der  Nachbarschaft 
habe  (F.  790,  „At  enim  ille  hinc  amat  rneretricem  ex  proxuino"). 
erwidert  er  ihr: 

Sane  sapit: 
Atque  ob  istanc  industriam  etiam  faxo  amabit  amplius, 

und  weiter  dann  (F.    792): 

Tua  quiclem  ille  causa  potabit  minus, 
Si  illic,  siue  alibi  lubebit?  quae  haec  malum  inpuclentiast? 
Vna  opera  prohibere,  ad  cenam  ne  promittat,  postules, 
Neue  quemquam  accipiat  alienum  apud  se.  seruirin  tibi 
Postulas  uiros?  dare  unad  opera  pensum  postules, 
Inter  ancillas  sedere  iubeas,  lanam  carere. 

Mag  auch  Brix3)  recht  haben:  „Mit  sane  sapit  spricht  er 
nicht  seine  wahre  Meinung  aus,  sondern  er  will  nur  der  Tochter 
den  Daumen  aufs  Auge  drücken'',  so  ganz  unbegreiflich  erscheint 
ihm  die  Handlungsweise  seines  Schwiegersohnes  nicht. 

Quotieus  monstraui  tibi,  uiro  ut  morem  geras? 
Quid  ille  faciat,  ne  id  obserues,  quo  eat,  quid  rerum  gerat, 

wiederholt   er   ihr  (Y.   789). 

Bei  ihm  zeigt  sich  (z.  B.  in  seinem  Eingangscanticum  Y. 
753  ff.)  das  geschwätzige  Alter,  sodass  er  selber  (F  760)  befürch- 
tet,   „nimis   longus   sermost." 

Seine  Anschauungen  über  das  eheliche  Verhältnis  ermangeln 
jenes  feineren  Sinnes,  welcher  der  Komödie  in  derartigen  Dingen 
überhaupt  fehlt.  Auch  als  die  Brüder  sich  als  solche  erkennen  und 
ihre  gegenseitige  Freude  äussern,  nimmt  niemand  von  der  Familie 
(wie  etwa  in  Shakespeares  Comedy  of  Errors),  weder  der 
Alte,   noch  die  Frau,   Anteil. 

Die  treffliche  Figur  der  alten  Komödie,  der  Parasit,  trägt 
auch    in    diesem    Stücke    vieles    zur   Hebung"    der   Heiterkeit  bei. 


')  Nach  A.  Spengel,  Latein.  Komödie  S.  27,  gleichbedeutend  mit 
Nudelholz.  Vgl.  das  Wortspiel  V.  301.  Seu  tu  Culindrus  seu  Co- 
lindru's,  perieris  (s.  Schwabe,  Fleckeisen,  Jahrbücher  1872,  S.  413  ff.) 

2)  Studien,  S.  263. 

3)  S.  67. 


Charakteristik  derselben.  50 1 

Peniculus,1)  ein  Name,  den  Plantus  selbst  gemacht  hat,  etwa 
„Kehrwisch"  oder  „Schwamm",2)  und  der  in  der  Komödie 
selbst  mehrmals  Veranlassung1  zu  Witzen  und  Wortspielen  wird, 3) 
ist  das  Muster  eines  Schmarotzers.4)  An  fremder  Kost  erzogen,5) 
ist  er  über  dreissig  Jahre  alt  geworden  (V.  446,  „plus  triginta 
natns  annis  ego  sum").  Er  isst  für  acht  nach  den  glaubwürdigen 
Aussagen  des  Koches  (F.  224:  „nam  parasitus  octo  homonum 
munus  facile  fungitur"),  sodass  mit  ihm  bei  Tische  zusammen- 
kommen Menächmus  als  ein  „Fallen  in  einen  Hinterhalt"  bezeich- 
nen kann  (F  140:  „Peru,  in  insidias  deueni").  Die  Speisen  des 
Mahles  sind  für  ihn  alles;  er  heisst  sie,  wie  andere  ihre  Familien- 
angehörigen, seine  „cari"  (F.  105).  Er  versteht  sich  aber  auch 
trefflich  auf  die  Kunst  des  Speisens  (vgl.  F.  209 — 214).  Seine 
Hauptfertigkeit  besteht  darin,  ein  Mahl  tot  zu  machen;  „facere 
fundus  prandio"  (F.  491).  Seine  Anschauungen  über  das  Essen 
legt  er  eingehend  bei  seinem  ersten  Auftreten  dar;  mit  Speisen 
allein  kann  man  Leute  fesseln,  nicht  mit  Ketten  und  Banden 
(F.    87): 

Quem  tu  adseruare  recte,  ne  aufugiat,  uoles, 

Esca  atque  potione  uinciri  decet. 

Er  hat  seinen  Namen  mit  Recht  zu  tragen ,  „ideo  quia 
mensam,  quando  edo,  detergeo"  (F.  79).  Schon  nach  dem  Ge- 
rüche vermag  er  die  Dinge  zu  beurteilen. 

Ecquid  tu  de  odore  possis,  si  quid  forte  olfeceris, 
Facere  coniecturam  ? 

fragt  ihn  Menächmus  I.  (F.  163),  was  er  bejaht.  Als  einem 
Menschen,  der  nichts  zu  verlieren  hat  (F.  665,  „nihil  est,  quod  per- 
dam,  domi"),  ist  ihm  der  Aufenthalt  da,  wo  es  eben  etwas  absetzt; 
derjenige  ist  sein  guter  Geist  („genius, "  F.  142),  der  ihm  ein 
Mahl  zukommen  lässt;  gegen  den  Vorwurf,  dass  er  ,, extra  nume- 
rum"  (F.  185)  komme,  ist  er  nicht  empfindlich;  denn  sein  Grund- 
satz ist  (F.    154): 

Non  pergo  hercle  uero,  nisi  scio  qua  gratia, 
d.  h.,   wenn  ich   nicht  voraussehe,    was    ich  davon  habe,    thue   ich 


')  Vgl.  Lessing,  Eamb.  Dramat.     Neunzigstes  Stück. 

2)  Brix  9  und  13;  Binder  117:  Spengel  a.  a.  0.,  S.  26. 

3)  Z.  B.    V.  286.     Peniculum  tuom  eceum  in  uidulo  saluom   lein. 

V.  391.     Quis  istest  Peniculus?  qui  extergentur  baxeae? 

4)  S.  bei  Geppert  Einleitung   über  die  Charakterrolle  des  Para- 
siten der  Menächmen. 

5)  Menächmus  I.  kanu  von  ihm  sagen    /'.  905: 

Meo  eibo  et  sumptu  educatust. 


502  XL  Menächmi. 

keinen  Schritt;  ein  Zug,  den  Rapp')  eine  „rührende  Harmonie  der 
Parasitenmaske  mit  unserm  Staherl"   nennt. 

Das  Urteil  üher  die  Menächmen  des  Plantus,  ein  Stück,  das 
durch  einige  hübsche  cantica  besonderes  Leben  gewinnt, '-)  ist  im 
allgemeinen  stets  ein  sehr  günstiges  gewesen.  Zwar  nennt 
es  Hertz berg  sehr  mittelmässig,  und  C.  H.  Weise3)  spricht  es 
dem  Plautus  wegen  der  Mängel  und  Schwächen  ab;  Rapp4) 
dagegen  hebt  hervor:  „In  der  Einfachheit  der  Exposition,  in  dem 
gehaltenen  Ebenmasse  der  Entwickelung,  wie  in  dem  genialen, 
leichtfertigen  Abschluss  hat  er  gewiss  Vorbilder,  aber  keine  Nach- 
folger gehabt,"  und  Teuf  fei5)  nennt  es  „wohl  das  gelungenste  der 
plautinischen  Stücke".  Wie  Schlegel6)  diese  einfach  heitere  Ko- 
mödie   ein    „wildes    Intriguenstück"    nennen  kann,   ist  unklar. 

„Ein  Mantel  (palla), "  sagt  Stiefel7),  „neben  der  Zwillings- 
ähnlichkeit ist  es,  der  mit  immer  sich  steigerndem  Interesse  die 
ganze  Maschinerie  des  Stückes  in  Bewegung  setzt.  Zudem  herrscht 
die  vollständigste  Einheit  der  Handlung,  des  Ortes  und  der  Zeit. 
Keine  überflüssige  Person  greift  in  das  Spiel  ein."  .  .  .  „Einige 
Szenen  könnten  besser  motiviert  sein.  Besonders  misslungen  aber 
ist  der  Schluss.  Einmal  ist  es  unnatürlich,  dass  Menächmus- 
Sosikles,  der  den  Bruder  sucht,  denselben  gar  nicht  erkennen 
will,  sodass  der  Sklave  Messenio  ihm  erst  zu  Hilfe  kommen 
muss,  ferner  ist  überhaupt  der  Schluss  zu  matt  im  Vergleich  zur 
Lebendigkeit  der  vorhergehenden  Szenen,  was  besonders  auffällt, 
wenn  man  die  verschiedenen  Nachbildungen  des  Lustspiels  hierin 
gegen  dasselbe  hält.  Nicht  nur  bei  Shakespeare  und  Reg- 
nard, sondern  auch  bei  jenen,  die  sich  sklavisch  dem  Plau- 
tus anschlössen,  wie  der  Franzose  Rotrou  (1631)  und  der 
Spanier  Timoneda  (1559),  findet  die  Wiedererkennung  der  Brü- 
der im  Beisein  aller  Personen  statt,  wodurch  ein  effektvoller 
Schluss  gewonnen  wird.  Bei  Plautus  ist  schon  in  der  vorletzten 
Szene  eine  gewisse  Abspannung  und  Ermüdung  bemerklich,  und 
es  macht  daher  die  Katastrophe  unwillkürlich  den  Eindruck,  nicht 
als  ob  sie  sich  mit  Notwendigkeit  ergebe,  sondern  als  sei  sie  nur 
herbeigeführt  worden,   um  dem   Stücke   ein  Ende  zu  machen." 

Die  grosse  Freude,  welche  das  Altertum  an  der 
Aufführung  der  plautinischen  Menächmi  hatte,  und  welche: 
eine  Stelle  des  Prologes  beweist  (V.  45): 


')  D.  pl.  L ,  S.  329. 

'-)  Ritschi,  de  cantico  Menaechmorurn  Plauti.     1851. 
3i  Komöd.  des  Plautus,  kritisch  uach  Inhalt  etc.,  S.   121. 
■'•)  A.  a.  0.,  S.  437  u.  440. 

5)  Gesch.  d.  r.  Litt.,  S.  150. 

6)  Vorlesungen. 

")  A.  a.  0.,  S.  314.  315. 


Menechmos  eines  spanischen  Anonymus.  503 

Propterea  illius  nonien  (sc.  Menächmi)  memini  facilius, 
Quia  illum  clamore  uidi  flagitarier, 

hat  sich  den  folgenden  Jahrhunderten  mitgeteilt.  Zahl- 
lose Imitationen  derselben  liegen  vor:  ja  die  „Zahl  der 
Nachbildungen  ist  Legion-'  nach  Stiefels  Bemerkung.1) 
Vor  allein  Italien  freute  sich  der  Menächmenaufführungen. 2) 
Zwar  wurde  die  ganze  Komödie  des  Plautus  nicht  immer 
nachgeahmt,  wohl  aber  ist  es  das  Motiv  der  ähnlichen  Zwillinge, 
Brüder,  Schwestern,  Bruder  und  Schwester,  dem  wir  zu 
unzähligen  Malen  begegnen,  und  das  die  seltsamsten  Gestalten 
angenommen  hat.  Sie  alle  aufzuzählen,  wäre  unmöglich, 
vielleicht   auch   ohne  besonderen  Wert.3) 


Von  spanischen  Bearbeitungen  der  Menächmen  kam  die 
erste  gedruckte  Übersetzung  1555  zu  Antwerpen  heraus:  „La 
comedia  de  Plauto  intitulada:  Menechmos4)  traducida  en 
lengua  castellana.  En  Anvers,  en  Casa  de  Martin  Nucio  MDLV. 
Con  Preuilegio  Imperial".5)  Die  Überarbeitung,  deren  stilistische 
Reinheit  Moratin  rühmt,6)  erschien  gleichzeitig  mit  dem  Milite 
glorioso.  Der  Verfasser  ist  unbekannt;  einige  vermuten  als 
solchen  den  Arcediano  von  Sepulveda,  Gonzalo  Perez,  den 
Sekretär  Philipp  IL  und  Vater  des  Antonio  Perez,  was  kaum 
möglich  ist,  da.  der  anonyme  Übersetzer  gerade  diesem  seine 
Arbeit  in  dem  am  Ende  stehenden  ,.Ad  Dominum  Gonsaluum 
Perez,    traductoris  tetrastichoir'    gewidmet  hat.7)      Einzelne  Män- 


A.  a.  0.,  S.  310. 

2)  Ussing.  m,  383.  Kenatis  autem  in  Italia  litteris  multos  haec 
iäbula  amatores  habuit  saepiusque  eam  vel  ipsam  rettulerunt  vel  imi- 
tati  sunt  et  in  suum  usum  converterunt  poetae.  Ferrarae  Plauti  Me- 
nächmi a.  1486  italice  uersa  acta  esse  traditur  (Ruth,  II,  115);  iterumque 
1501.  Menechino  di  Plauto  mutato  nomine  in  similitudinem  personae 
Mediolani  usitatae.     (cf.  Burckhardt,  Kultur  der  Renaissance,  p.  315.) 

3)  AVenig  Neues  und  Beachtenswertes  enthält  der  Artikel:  „Nyere 
Digteres  Bearbeidelser  af  Plautus'  Menaechmi  afEmilQ-igaa 
auf  S.  126 — 158  des  ersten  Bandes  der  „Nordisk  Tidskrift  for  Fi- 
lologi  og  Pädagogik.  Xy  Räkke.  Kjöbenhavn  (Otto  Scliwartz's  For- 
lag)  1874." 

4)  Menechmos  iinCatälogo  S.5G5.  —  In  derBibl.  de  aut.  M  e  aecmös. 

5)  Biblioteca  di-  autnri's  cspanoles.  Tomo  scgundo.  Madrid  (Ri- 
vadeneyra)  1840.  S.  200,  No.  87.  —  Barrera  y  Leirado,  Catälogo 
bibliogr.,  S.  565. 

(i)  En  estas  dos  traducciones  merecen  alabanza  el  lenguaje  y  el  estilo. 
(A.   a.  di 

'<  Bibliot.  de  aut.  esp.  II,  2(><>:  ,.  Iguorase  hasta  ahora  quien 
tue  el  traductor  de  estas  dos  piezas,  y  solo  se  infiere  por  la  dedicatoria 
de  ellas  al  secretarin  (inn/alu  I'i'rez.  <|iic  sc  hallalia  en  Lila  empleado 
en  la  real  Hacieuda."  —  Vgl.  auch  Barrera.  Catälogo,  S.  565. 


504  XL   Menächmi. 

gel  des  Buches  mögen  wohl  auf  Kosten  der  schlechten  Plautus- 
ausgaben  zu  setzen  sein. J) 

Auf  den  anonymen  Übersetzer  folgte  die  Bearbeitung  der 
Menächmen  des  Juan  de   Timoneda.  -) 

Juan  de  Timoneda3)  aus  Valencia  schrieb  neben  zahl- 
reichen Werken  im  Jahre  1559  seine  „Comedia  de  los  Menec- 
mos,  puesta  en  gracioso  estilo  y  elegantes  sentencias  (Valencia)."4) 
Das  Stück  rechtfertigt  Moratins  Urteil  kaum.5)  Demselben  geht 
ein  Introito  voran.  Cupido  und  die  drei  Hirten  Ginebro, 
Climaco  und  Claudino  haben  in  die  Lage  einzuführen  und  den 
Inhalt  der  Komödie  zu  erzählen,  „lo  que  os  encomendö  el  autor 
al  entrar  de  la  puerta, "  wie  ihnen  Cupido  aufträgt.  Climaco 
berichtet  denn,  dass  eine  „comedia  de  Plaut o,  llamada  de  los 
Menemnos",6)  aufgeführt  werden  soll. 

Claudino.  Sabrän  vuestras  reverencias  que  en  la  ciudad  de  Sevilla  hobo 
un  rico  mercader  llamado  Menemno,  el  cual  tenia  dos  liijos,  nas- 
cidos  de  un  parto;  eran  tan  semejantes  en  la  forma  y  gesto  que 
muchas  veces  la  misma  madre  que  los  habia  parido  tomaba  al  im 
por  el  otro.     (Plaut  .    V.  17 — 21.) 

Ginebro.  Viuo  acaso  que  siendo  estos  dos  hermanos  de  edad  de  quince 
anos  cargö  el  padre  una  nave  de  muchas  mercaderias  para  Levante. 
y  llevando  consigo  uno  de  sus  hijos  llamado  Menemno,  se  partiö 
dejando  el  otro  con  su  madre  Claudia.     ( V.  24.) 

Climaco.  Siendo  embarcado  fuele  la  fortuna  tan  contraria  que  tres  dias 
y  tres  noches  corriö  por  la  tempestuosa  mar  sin  saber  adonde  iban. 
y  a  la  flu  vino  ä  dar  en  una  pena  de  la  isla  Conejera,  adonde  to- 
dos  perecieron,  escepto  el  hijo  Menemno,  el  cual  abrazado  con  una 
tabla  vino  ä  tomar  tierra  en  el  cabo  de  Cullera. 


')  Ibid.:  „Si  en  la  traduccion  de  estas  comedias  se  advierte  ä  las 
veces  error  de  inteligencia  en  algunos  pasajes,  omisiones  en  otros,  es- 
presiones  que  i^ertenecen  ä  varias  personas  en  boca  de  una  sola,  debe 
considerarse  cuäles  serian  los  exemplares  latinos  que  pudo  teuer  presen- 
tes  el  traductor.  Ya  se  ha  dicho  en  otra  ocasion,  cuan  viciados  fueron 
las  ediciones  de  Plauto  durante  el  siglo  XVI. 

2)  Schack.  I,  236.  —  Bibl.  de  aut.  esp.  II,  S.  201,  Xo.  95.  — 
Ticknor.     I,  455.  —  Barrera,  Catäl.     S.  393.  564. 

3)  Über  Timonedas  Geburtsjahr  heisst  es  bei  Barrera  (Catäl., 
S.  391),  es  sei  gegen  1490  anzunehmen.  (Podemos  fijar  la  epoca  de  su 
nacimiento  häcia  los  anos  de  1490.)  Xach  S.  396  lebte  er  im  Jahre  1597 
noch  (??),  was  Ticknor  (I,  454),  gestützt  auf  Ximeno,  Escritores  de 
Valencia,  I,  72,  und  Fuster,  Biblioteca  Valenciana,  I,  161,  angiebt. 

*)  Bibliot.  de  aut.   esp.    II,  S.  291—305. 

ä)  Ibid.,  S.  201.  Timoneda  tradujo  libremente  en  prosa  esta 
comedia  de  Plauto;  suprimiö  con  inteligencia  dos  personajes  poco  ne- 
cesarios,  variö  el  prölogo,  quitö  los  soliloquios  inütiles  de  Peniculo  en 
el  primer  acto .  y  en  el  tercer  el  de  Menecmo  casado  en  el  cuarto  y  el 
de  Mesenio  en  el  quiuto.  Diö  muy  oportunamente  mayor  estension  ä 
algunas  escenas,  ä  otras  mas  naturalidad,  mejorö  el  desenlace  y  conservö 
en  toda  la  pieza  la  gracia  y  lijereza  cömica  del  autor  latino.  Precede  ä 
la  comedia  un  prölogo  en  que  hablan  el  Dios  Cupido  y  tres  pastores. 

fi)  Bibliot.  de  aut.  esp.  hat  stets  Menemnos;  Barrera  dagegen 
S.  393  u.  5l>4  Menecmos. 


Timonedas  Menecnios.  505 

Bei  Plaut ns  ist  es  anders:  dort  wird  der  Knabe  im  Gedränge 
eines  Festes  bei  Tarent  verloren. 

Claudino.  El  desdichado  mancebo  vinose  ä  Valencia,  adonde  asentö  por 
criado  de  Casandro,  mercader  de  mucho  trato  y  viudo,  el  cual  te- 
niendo  no  mas  de  una  hija  ä  cabo  de  tiempo  la  casö  con  el  en 
pago  de  sus  buenos  servicios. 

Gincbro.  La  desventurada  madre,  sabiendo  en  Sevilla  las  tristes  nuevaa 
y  oreyendo  ser  todo  perescido,  puso  nombre  Menemuo  al  bijo  que 
le  quedaba  por  el  amor  que  tenia  a  hijo  y  marido  ya  defuntos. 

Climaco.  De  manera,  seiiores,  que  ambos  ä  dos  bermanos  (porque  mejor 
lo  entendais)  se  llamaban  Menernnos. 

Ginebro.  Muerta  la  madre,  el  Menemno  sevillano  certificado  por  im 
adevino  que  su  bermario  era  vivo  y  que  estaba  eu  Espana  deter- 
mino  de  ir  ä  buscallo  con  im  esclavo  suyo ,  y  ä  cabo  de  tiempo 
aporto  en  Valencia  adonde  por  sus  medios  se  vernan  ä  conoscer. 
como  aqui  claramente  verän  los  que  atender  quisieren. 

Das  Stück  umfasst  dreizehn  Szenen. 

1.  Szene.  Ein  verblasstes  Gespräch  des  Menemno  easado 
mit  Talega,  der  hier  die  Rolle  des  herrlichen  Peniculus  spielt, 
eröffnet  das  Stück.  Die  Szene  ist  vielfach  gekürzt,  dann  an  ge- 
wissen Stellen  wieder  sehr  breit  getreten,  z.  B.  wo  Menemno 
den  Mantel  seiner  Frau  aufweist: 

Men.  Mirala  bien! 

Tal.  Mirola.     ;0  que  linda  color  tiene! 

Men.  jY  que  olor!  si  lo  sintieses. 

Tal.  jQue  olor!   Veamos:  ä  tres  cosas  buele. 

Men.  ;  Como  ä  tres  ? 

Tal.  Dejämela  tornar  ä  oler.    Veamos. 

Men.  cjA  que  huele? 

Tal.  A  burto  lo  primero,  pues  la  hurtaste  ä  tu  mujer. 

Men.  ;Lo  seguudo? 

Tal.  A  puta,  pues  se  la  ha  de  vestir  Dorotea.') 

Men.  ;Y  lo  tercero? 

Tal.  Lo  tercero  huele  ä  linda  comida.  pues  por  su   respeto   bemos   de 
comer. 

Nach    V.    170  ff: 

Men.    Agedum,  odorare   baue   quam  ego  babeo  pallam;    quid  ölet?   ap- 
stines  ? 

Pen.  Ölet. 

Men.     Quid  igitur?  quid  ölet?  respoude. 

Pen.  Furtum,  scortum,  praudium. 

2.  Szene.  Audacia,  des  Menemno  Frau,  ist  ihrem  Gatten 
nachgeeilt.  Sie  macht  ihm  Vorhalt  Doroteas  halber.  Er  aber  er- 
widert ihr:  ,,Pues  vocea  cuanto  quisieres,  que  por  darte  mas  enojo 
ire  ä  cenar  y  ;i  tomar  mis  placeres  con  la  que  dices  que  conosces." 


')  Die  Erotium  dos  Plaut us. 


506  XL    Menächmi. 

3.  Szene.  Audacias  Vater,  Casandro,  kömmt  herzu.  Er 
stellt  sieh  zwar  nicht  gerade  auf  die  Seite  seiner  Tochter,  giebt 
aber  seinem  Schwiegersohn  doch  allerlei  Lehren;  er  möge  sich 
erinnern,  „de  quien  fuiste  por  tu  desdicha  y  de  quien  eres  por  mi 
causa  y  como  de  perdido  te  hice  ganado  y  de  siervo  libre,  casan- 
dote  con  mi  ünica  y  amada  hija,  con  la  cual  llevaste  linaje,  her- 
mosura,  virtud  y  mucho   dinero." 

4.  Szene.  Sobald  der  Alte  fort  ist,  verfügt  sich  Menemno 
zu  Dorotea.  Zwar  warnt  ihn  Talega  vor  der  Unbeständigkeit 
solcher  Liebe;  „et  est  impossible  que  la  que  es  acostumbrada  de 
sotometerse  ä  muchos  por  fuerza  ame  a  ninguno  de  grado. "  Auf 
Talegas  Klopfen  zeigt  sich  Dorotea  vor  dem  Hause.  „Ay, 
entranas  mias!-'  begrüsst  sie  ihn  {V.  185,  „anime  mei'').  Me- 
nemno überreicht  ihr  den  Mantel:  „Rosa  y  vida  mia,  son  tus 
vestidos  y  los  despojos  de  la  loca  de  mi  mujer,"  sagt  er,  was 
matt  klingt  gegen  die  p  1  au tini sehen  Verse,  200  ff.;  Dorotea 
soll  ein  kleines  Mahl  bereiten,  worauf  sich  besonders  Talega  freut, 
der  mehrfach  Wortwitze  mit  seinem  Namen  (=  kleiner  Sack)  zum 
besten  giebt. 

5.  Szene.  Der  fremde  Menemno  mit  seinem  Sklaven 
Tronchon  tritt  auf.  Seine-  Rede:  „Hagote  saber,  Tronchon,  que 
la  mayor  alegria  que  sienten  los  navegantes  es  cuando  de  lejos 
sobre  las  maritimas  ondas  deseubren  la  tierra,"  entspricht  dem 
plautinischen  (V.  227): 

Voluptas  nullast  uauitis.  Messenio. 

Maior  meo  animo  quam  si  quam  ex  alto  proeul 

Terram  conspiciunt, 

und  dem   entsprechend: 

Tronch.    Y   mayor  si   la  tierra   que   deseubren  fuese   suya.     Mas  dime, 
Senor,   yo   te    soplico:    ^k   que   respeto  6  causa,   habiendo  rodeado 
todas  las  islas  del  mar  venimos  ä  desembarcar  ä  Valencia? 
Mtii.  Necio;  <;no  sabes  tu  que  voy  buscando  ä  mi  hermano? 

Mess.         Maior,  uou  dicam  dolo, 

Si  adueniens  terram  uideas,  quae  fuerit  tua. 
Sed  quaeso,  quamobrem  nunc  Epidamnum  uenimus? 
An  quasi  mare  omnis  circumimus  insulas  '■ 
Men,  Fratrem  quaesitum  geminum  germanum  meum. 

Das  Folgende  gestaltet  sich  wieder  unendlich  breit  und 
weicht  von  PI  au  tus  stark  ab,  besonders  die  Schilderung,  die 
Tronchon  von  Valencia  und   seinen  Bewohnern  giebt. 

6.  Szene.  Dorotea  tritt  aus  ihrem  Hause.  Sie  spricht 
den  fremden  Menemno,  „el  omnis  homo  de  mi  casa, ■'  an  und 
spielt  im  allgemeinen  die  Rolle,  wie  Cylindrus  bei  Plautus. 
Wie  bei  diesem,  wird  im  Spanischen  talega  Gegenstand  des 
Missverständnisses. 


Timouedas   Menecnios.  507 

Vor.  ;  Que  es  de  Talega? 

Tronch.     Mirad  si  estä  informada  ya  de  la  talega  de  la  ropa  que  viene. 

/=  V.  287).  In  aller  Kürze,  meist  nur  angedeutet,  sind  noch  einige 
Motive  ans  Plautus  verwertet,  so  die  Geschichte  mit  dem  Mantel, 
worauf  Menemno   ins  Hans  eintritt. 

7.  Szene.  Casandro  redet  seiner  Tochter  ernsthaft  zu,  sich 
mit  ihrem  Gatten  hesser  zu  vertragen.  Kaum  sind  sie  weg,  so 
kömmt  (8.  Szene)  der  fremde  Menemno  aus  dem  Hause  Doro- 
teas.  Talega  tritt  ihm  entgegen.  Er  sieht  ihn  mit  dem  Mantel, 
den  er  am  Arme  trägt,  um  ihn  beim  Schneider  Chi  Hon  umändern 
zu  lassen,  und  hegrüsst  ihn.  Menemno  kennt  ihn  natürlich 
nicht,  da  ruft  Talega  Dorotea.  Von  ihr  hört  er,  dass  bereits 
gespeist  sei,  und  schwer  verletzt  beschliesst  er,  sich  zu  rächen. 
..Mas  para  esta  que  yo  haga  de  manera  que  le  haga  mal  pro- 
vecho  ä  Dorotea  la  saya  y  a  Menemno  la  comida  que  yo  lo  dire 
ä  mi   sehora, "    etwa  nach    V.  517: 

Numquam  edepol  quisquam  me  exorabit,  quin  tuae 
Vxori  rem  omnem  iam,  ut  siet  gesta,  eloquar. 
Omnes  in  te  istaec  recident  contumeliae. 
Faxo  haud  inultus  prandium  comedereis. 

9.  Szene.  Etwas  verspätet  findet  sich  auch  der  verheiratete 
Menemno  ein.  Er  pocht  an  Doroteas  Thüre.  Diese  wundert 
sich,  dass  er  schon  wieder  zurückgekehrt  sei.  „^Diste  ya  la  saya 
ä  Chillon  el  sastre  y  el  diamante  al  platero?"  lautet  ihre  Frage. 
Er  weiss  von  Mantel  und  Diamant  nichts,  worüber  Dorotea  sich 
sehr  erzürnt.  „De  essa  maniera  te  piensas  alzar  con  la  saya  y 
el  diamante,"'    ruft  sie   ihm    zu,    wie   Erotium  Argwohn    hegend 

(V.   685): 

Video,  quam  rem  agis : 
Quae  conmisi,  ut  me  defrudes,  ad  eam  rem  adfeetas  uiam. 

Da  kömmt  auch  noch  Frau  Audacia  dazu,  die  gleichfalls 
wegen  des  Mantels,  von  Talega  wacker  unterstützt,  sich  in  argen 
Vorwürfen  gegen  ihren   Gatten   ergeht. 

10.  Szene.  Der  fremde  Menemno  (M.  mancebo)  sucht  er- 
folglos allenthalben  seinen  Sklaven.  Unterdessen  hat  Audacia 
ihren  Vater  gerufen.  Sie  will  von  ihrem  Gatten  geschieden  sein 
(nach  V.  783  ff.).  „^Cömo  se  puede  sufrir,  senor  padre,  que  este 
vo  casada  con  un  tal  hombre  como  este?"  —  „;Descäsate!"  meint 
der  Alte,  worauf  Talega  in  seinem  säubern  Latein,  mit  welchem 
die  Komödie  überhaupt  untermischt  ist,  erwidert:  „Eso  non  po- 
test  fieri,  senor;  porque  col  Deus  conjungit  homo  non  sepalat." 
Menemno  weiss  von  allem  nichts,  und  da  sie  ihn  für  toll 
erklären,  nimmt  er  den  Spass  an.  ..Pues  estos  dicen  que  soy 
loco  mejor  sera   fingir    locura  por   echarlos  de  mi"    (V.  832).      Er 


508  XI    Menächmi. 

beginnt  nun  mit  Auslassung-  anderer  plautinischer  Reden:  „Si  sf, 
Apolo  yo  bare  lo  que  mandas  que  &  esta  mujer  y  ä  Talega  les 
d('  i-on  esta  mi  espada  mil  cuchilladas"  u.  s.  w.  Alles  fusst  auf 
Plautus,  doch  mit  starken  Kürzungen  und  Änderungen. 
Oasandro   läuft  nach  einem  Arzte,    die   andern   suchen  das  Weite. 

11.  Szene.  Während  eben  der  ansässige  Menächmus  klagt 
(wie  bei  Plautus,  V.  899),  dass  ihm  Talega  den  ganzen  Tag 
verdorben  habe,  naht  der  Arzt  Averroi s  mit  seinem  Diener 
Lazarillo.  Er  unterhält  sich  erst  mit  dem  letzteren,  der  mit 
lateinischen  Floskeln  um  sich  wirft;  dann  spricht  Casandro 
über  den  Diener;  alsdann  berichtet  der  Arzt  von  seinen  Thaten: 
„He  curado  una  pierna  al  Dios  Esculapio  y  he  concertado  un  brazo 
ä  Baco."  Nach  langem,  albernem  Gerede  wendet  er  sich  erst  an 
Menemno.  Auch  in  dieser  Szene  ist  wenig  von  dem  plauti- 
nischen  Witze  zu  finden;  wohl  aber  ein  endloser  Wortschwall  mit 
lateinischen  Phrasen.  Endlich  ruft  Menemno  um  Hilfe.  „;0 
ciudadanos!    ;o   amigos  mios!    ;Socorredme!" 

12.  Szene.  Tronchon  eilt  herbei  und  kömmt  ihm  zu  Hilfe. 
Menemno  giebt  ihm  auf  seine  Bitten  die  Freiheit  wie  im  Origi- 
nale. ,.Por  Ventura  eres  tu  mi  esclavo  para  que  te  haga  libre 
6  conözeote"  (7.  1031).  „Digo  que  te  doy  por  libre  y  que  te 
tengo  en  cuenta  de  humano. "  Die  Sache  löst  sich  durch  das 
Auftreten  des  Menemno  mancebo,  der  sich  um  einen  „esclavo 
estranjero"  erkundigt.  Tronchon  macht  seine  Freiheitsrechte 
geltend;  sein  Herr  weiss  jedoch  nichts  davon.  Die  beiden  Me- 
nemno s   erkennen  sich  als  Zwillingsbrüder. 

13.  Szene.  Ebenso  löst  sich  das  Stück  für  die  übrigen 
günstig.  Audacia  und  Talega  werden  zufriedengestellt  und 
mit  dem   Gesänge: 

Enhorabuena  vengais  vos. 
Hermano  mio, 

Pues  ä  pesares  hoy  entre  nos 
Dais  desvio. 

endigt  die  Komödie. 

Man  kann  das  Ganze  kaum  eine  Übersetzung  nennen. 
Es  sind  nur  in  dreizehn  Szenen  die  Hauptpunkte  des  plauti- 
nischen  Stückes  gegeben.  Auf  denselben  lastet  die  den  Spaniern 
eigene  Breite,  die  herkömmliche  Ausführlichkeit  in  Nebendingen, 
die  eine  Kürzung  anderer  gelungener  Szenen,  eine  Unterdrückung 
gerade  der  feinsten  Witze  nötig  macht.  Es  ist  eine  Art 
Inhaltsangabe  des  plautinischen  Stückes  und  als  solche  nicht 
immer  am  geschicktesten  g  macht,  obwohl  die  Sprache  leicht 
dahinfliesst.  Für  die  Darstellung,  an  die  übrigens  kaum 
gedacht  wurde,  mag  dies  Stück  immerhin  geeigneter  sein, 
als  z.  B.   Olivas  Amphitruo;   doch  lag  viel  auch  schon  im  Stoffe. 


Italienische  Übersetzungen.  509 

Eine  Bemerkung  Rapps1)  über  D.  Pedro  Calcleron  de 
la  Barcas  (geb.  17.  Jan.  1600;  gest.  25.  Mai  1681)  „Hombre 
pobre  todo  es  trazas"  mag,  ob  auch  nicht  direkt  auf  Plau- 
tus  bezüglich,  hier  stehen.  „Der  Spanier  hat  gewiss  sehr  sinn- 
reich die  griechischen  Menächmen  dadurch  auf  den  Kopf  ge- 
stellt, dass  ein  Liebhaber  bei  zwei  verschiedenen  Damen  zwei 
verschiedene  Männer  spielt.1'  —  Ahnlich  dem  ist  im  Englischen 
Colley  Cibbers  „The  double  gallant:  or  the  sick  lady's  eure". 
(Dramatick  works.   London  1760.   4  Bd.) 


Von  allen  Ländern  Europas  hat  sich  Italien  am 
meisten  des  Stoffes  der  plautinischen  Menächmi  be- 
mächtigt. Zahllos  sind  die  Bearbeitungen  derselben: 
ott  bis  zur  Unkenntlichkeit  entstellt,  treten  sie  auf  die 
Bühne;  doch  aber  lässt  sich  der  Faden  festhalten,  der 
von  Plautus  zu  den  zahlreichen  Spielarten  der  Zwillings- 
brüder führt.-) 

Einzelner  Menächmenauiführungen  ist  bereits  (S.  50  ff.)  Er- 
wähnung geschehen.  Im  Jahre  1501  war  in  Ferrara  wieder 
eine  solche.  Der  Diario  Ferrarese3)  macht  daraus  den  Me- 
nechino,  in  der  Meinung,  es  sei  dies  die  Mailänder  Lokalmaske 
des  Meneking. 

Eine  Übersetzung  wird  dem  Herzog  Ercole  I.  zugeschrie- 
ben:4) ein  weiteres  Manuskript,  ..I  Menecmi  di  Plauto,  tra- 
dotti  in  versi  volgari  da  Giovanni  Falugi  e  dedicati  a  Ippo- 
lito  de  Medier',  nennt  Argelati5)  als  Codex  der  Bibliothek 
Magliabecchi  (num.  CLXVII).  —  Aus  dem  Jahre  1528  stammt  die 
,,Comedia  di  Plauto,  novamente  tradotta,  intitolata  Menechmi 
molto  piacevola  e  ridiculosa."  In  Venezia.  Per  Girolamo  Pentio 
da  Lecco  ad  istanza  di  Christophoro  detto  Stampano.  Sie  ist 
abwechselnd  in  terza,  quarta  und  ottava  rima  gehalten.  —  Im  Jahre 
1530  erschien  die  Übertragung:  „Comedia  di  Plauto,  intitolata 
Menechmi  dal  Latino  in  lingua  volgare  tradotta  et  con  somma 
diligentia  corretta." 


')  Studien,  S.  177.  —  Ebenso  Rapp  (Spanisches  Theater  I,  18): 
„Es  war  ein  schöner  Gedanke,  die  Menächmenfabel  unizukehren,  dass 
einer  für  zwei  gilt." 

2)  S.  die  vortreffliche  Abhandlung  von  Stiefel,  „Die  Menächmi 
des  Plautus  im  italienischen  Drama"  auf  S.  340 — 357  des  fünf- 
zehnten Bandes  (1879.  Heft  8)  der  Blätter  für  das  bairische  Gymnasial- 
wesen, deren  Resultate  hier  dankbarst   verwertet   wurden. 

3)  Muratori,  Script,  rer.  ital.    XXIV.    Col.  393. 

4)  Argelati.    III,  234. 

5)  Ebenda. 


J5J0  XL    Menächmi. 

Viel  späteren  Datums  sind  „GH  Omodolfi';,  Commedia 
cavata  da  Plauto  da  Nicolö  Griffo  da  Valcapraja:  al  signor 
Carpa  Rettore  della  Sapienza  Veeeliia  etc.  In  Perugia  pel  Co- 
stantini   1739;   eine  Art  Überarbeitung  des  Originales.1) 

Die  erste  freie  Nachahmung  der  plautiniscben  Me- 
nächmenfabel  entbält  die  Calandria  (Calandra)  des  Kardi- 
nals Bibbiena2)  (1470 — 1520),  welche,  aus  dem  Ende  des  fünf- 
zehnten oder  dem  Anfange  des  secliszelmten  Jahrhunderts  stammend, 
wahrscheinlich  zuerst  in  Urbino  im  Jahre  1508  aufgeführt 
wurde.  Lange  hat  man  das  Stück  als  die  erste  italienische  Ko- 
mödie  bezeichnet.3) 

Über  das  Verhältnis  zu  Plautus  berichtet  der  Prologo  Fol- 
gendes: „De'  quali  (=  spettatori)  se  fia  chi  dirä  (che  dica,  Asg. 
1561),  lo  Autore  essere  gran  ladro  di  Plauto:  lasciamo 
stare  che  a  Plauto  staria  molto  bene  lo  essere  rubato  per  tenere 
il  moccicone  le  cose  sue  senza  una  chiave,  senza  una  custodia 
al  mondo:  ma  lo  Autore  giura  alla  croce  di  Dio  che  non  gli  ha 
furato  questo  (faccendo  uno  scoppio  con  le  dita),  e  vuole  stare  a 
paragone.  E  che  ciö  sia  vero,  dice  che  si  cerchi  quanto  ha  Plauto, 
e  troverrassi  che  niente  gli  manca  di  quello  che  aver  suole.  E 
se  cosi  e,  a  Plauto  non  e  suto  rubato  nulla  del  suo,  perö  non 
sia  chi  ladro  imputi  lo  Autore.  Et  se  pure  alcuno  ostinato 
ciö  ardisce,  sia  pregato  almeno  di  non  vituperarlo  accusandolo 
al  Bargello ,  ma  vada  a  dirlo  segretamente  nell'  orecchio  a 
Plauto. " 

I.  Akt.  (1.)  Der  Diener  Fessenio  führt  uns  in  die  Situation 
ein.  Li  dio,  sein  Herr,  sucht  seit  langer  Zeit  seine  im  Türken- 
kriege  verloren  gegangene  Zwillingsschwester  Santilla,    die  ihm 


')  Argelati,  a.  a.  0.  e.  Giacinto  Vincioli  e  l'autore  di  questa  com- 
media, la  quäle  per  non  essere  una  mera  traduzione  de'  Menecmi  di 
Plauto,  onde  e  tratta,  perciö  si  dice  cavata  da  Plauto.  II  prologo  e  in 
versi,  ma  la  commedia  e  in  prosa.  La  data  della  Lettera  al  Rettore 
della  Sapienza  vecchia  e  12  giugno  1725. 

2)  La  Calandria.  Commedia  di  Messer  Bernardo  Divizio  da 
Bibbiena.  Die  mir  vorliegende  Ausgabe  ist  nach  dem  Schlussworte 
„lo  stampatore  al  leggitore"  von  Florenz,  den  24.  Januar  17i0,  datiert. 
—  Eine  weitere  von  mir  benützte  Ausgabe  ist:  Calandra,  |  Comedia  di 
M.  |  Bernardo  Di  vitio  da  |  Bibiena.  |  Di  nvovo  ricorretta  |  e  ristampata. 
In  Venetia  appresso  |  Francesco  Rampazetto.  1561.  (46  fol.)  --  Nach 
Cantü  (storia  della  lett.,  S.  472)  ist  die  erste  Auflage  von  1513,  nach 
Apostolo  Zeno  von  1521,  nach  Quadrio  von  1524. 

3)  Ginguene,  VI,  pag.  IL  chap.  22,  pag.  181.  —  Sismondi,  Litt, 
du  midi.  II,  82.  —  Ruth.  II,  494.  499.  519.  —  Klein.  IV,  392.  —  Vgl. 
„Le  Commedie  d'  Ariosto  ed.  Tortoli",  pag.  XXXIX.  Tortoli  nennt 
die  Calandria  „pregievolissima  per  la  grazia,  naturalezza  e  vivacitä 
del  dialogo,  ma  piü  libera  che  a  im  prelato  romano  non  si  conveniva; 
non  e  peraltro  ne  di  tempo  ne  di  merito  la  prima  commedia 
italiana." 


Bibbieuas  Calandria.  511 

„di  volto,  di  persona,  di  parlare,  di  modo"  so  ähnlich  ist,  dass 
selbst,  die  Amme  die  Kinder  nicht  unterscheiden  konnte.  Während 
seines  Aufenthaltes  in  Rom  hat  sich  Lidio  in  Fnlvia,  die 
Frau  des  Calandro,  von  dessen  Thorheit  schon  der  Prolog 
berichtet  (,.si  sciocco  che  forse  difficil  vi  fia  di  credere  che  Na- 
tura iiomo  si  sciocco  creasse  giammai"),  verliebt.  Oft  hat  sie  ihn 
am  hellen  Tage,  als  Weib  verkleidet,  unter  dem  Namen  seiner 
Schwester,  Santilla,  bei  sich  aufgenommen;  doch  hält  es  Lidio 
jetzt  für  geratener,  sich  zurückzuziehen.  Fulvia  merkt  die  Ab- 
nahme seiner  Liebe  und  ist  trostlos  darüber:  „ricorre  a  maliastre, 
ad  incantatrici,  a  negromanti,  che  ricuperare  le  facciano  lo  amante 
suo,  come  se  perduto  1'  avesse."  (2.)  Lidio  mit  seinem  pre- 
cettore  Polinico  tritt  auf.  Dieser  Hofmeister  ist  der  wohl- 
bekannte Ludus  der  Bacchides  (S.  441).  Wie  dieser  (7. 
109  ff.),  jammert  er  laut  über  seinen  auf  Abwege  geratenen 
Zögling.  ,,E  certo,  e'  non  mi  saria  mai  caduto  nell'  animo,  Lidio, 
che  tu  a  questo  venissi,  che  drieto  andando  a'  vani  innamora- 
menti  sprezzatore  d'  ogni  virtü  se'  diventato,  ma  di  tutto  do 
causa  a  quella  buona  creatura  di  Fessenio."  Ganz  wie  in  den 
Bacchides  füllen  die  Szene  die  Liebesseufzer  Lidio s,  die  Mo- 
ralsentenzen Polini  cos  und  Fessenios  kühne  Witze.  Nach 
dem  Abgange  des  Präzeptors  (3.)  teilt  Fessenio  seinem  Herrn 
mit,  dass  der  alte  Calandro,  der  ihn  in  weiblicher  Kleidung 
gesehen  hat,  in  ihn  verliebt  sei,  ,.credendo  che  tu  sia  donna. " 
Ferner  hören  wir  von  der  unglaublichen  Dummheit  Calandros, 
der,  wie  Fessenio  es  ausdrückt,  nur  Heu  zu  fressen  brauchte, 
um  ein  Ochs  zu  sein.  Er  glaubt  in  seiner  Beschränktheit,  „che 
quante  lo  vedono,  subito  si  innamorino  di  lui,  come  se  altro  piü 
bei  fante  di  lui  non  si  trovasse  in  questa  terra.  In  fine,  come 
il  vulgo  usa  dire,  se  mangiasse  fieno,  sai-ebbe  un  bue."  (4.)  Ca- 
landro kömmt  zu  Fessenio,  um  sich  nach  seiner  geliebten 
Santilla  zu  erkundigen.  Fessenio  giebt  ihm  die  günstigsten 
Aussichten  auf  ihr  Entgegenkommen.  Gleich  darauf  bringt  (5.) 
Samia,  Fulvias  Magd,  Kunde  von  ihrer  Herrin.  Sie  hat  sich 
entschlossen,  ihren  Geliebten  sich  durch  Zauberkräfte  zu  erhalten. 
Die  Magd  ist  sehr  charakteristisch;  sie  verwechselt  alle  seltneren 
Ausdrücke.  Dem  hinzutretenden  Nekromanten  Ruffo  (6.). 
übermittelt  sie  den  Wunsch  ihrer  Gebieterin.  Dieser  wundert 
sich  zwar,  dass  auch  Fulvia  so  thöricht  sei,  dennoch  aber  be- 
giebt  er  sich  sogleich  zu  ihr.  (7.)  In  einer  äusserst  gelungenen 
Szene  erfährt  Calandro  durch  Fessenio,  dass  sein  Wunsch  hin- 
sichtlich San  tili  as  sieb  erfüllen  werde.  Aach  der  Nekromant 
bat  seinen  Auftrag  von  Fulvia  erhalten.  Ihn  zu  erfüllen,  wird 
ihm  leicht;  denn  sein  Landsmann  Lidio,  ein  Grieche  wie  er. 
sowie   dessen  Diener  Fannio   sind  ihm  wohlbekannt.      Sie  wohnen 


512  XL   Menächmi. 

im  Hause  dos   florentmischen   Kaufmannes   Perillo,    zu   welchem 
er  sogleich  geht. 

II.  Akt.  (1.)  Santilla,  als  Mann  gekleidet,  hilft  durch 
ihre  Einleitung  dem  Verständnisse  der  Zuschauer  nach.  Seit 
ihre  Vaterstadt  Modone  (in  Griechenland)  von  den  Türken  zer- 
stört und  verbrannt  wurde,  hat  sie  zu  ihrem  Schutze  die  männ- 
liche Kleidung  und  den  Namen  Lidio  nicht  mehr  abgelegt. 
Diese  Verkleidung  gereichte  ihr  zum  grössten  Glücke,  denn:  „ne 
il  Turco  di  cui  eravamo  schiavi,  ci  aria  venduti,  ne  forse  Perillo 
riscossici,  se  saputo  avesse  che  io  femmina  fussi. "  Perillo,  welcher 
sie  loskaufte,  liebt  sie  als  treuen  Diener,  ja  er  hat  sogar  vor,  ihr 
seine  einzige  Tochter,  Virginia,  zur  Frau  zu  geben.  Darüber 
will  sie  sich  eben  mit  Fannio  besprechen,  als  sie  (2.)  von  Samia 
unterbrochen  wird.  Santilla  kennt  die  Magd  natürlich  nicht, 
diese  aber  spricht  sie  zu  ihrer  Verwunderung  als  Lidio  an. 
Nach  kurzer  Zeit  kömmt  auch  (3.)  der  Nekromant  Ruffo.  Er 
erzählt  der  staunenden  Santilla,  dass  Fulvia  sterblich  in  ihn 
verliebt  sei;  sie  möge  dieselbe  besuchen  und  zwar  in  weiblicher 
Kleidung,  denn  sie  will  „che  lo  spirito  ti  costringa  andarvi  in 
forma  di  donna,"  worauf  Santilla  eingeht.  Auch  Fannio  (4.) 
rät  ihr  dazu,  da  sie  so  einen  Tag  lang  nicht  zu  finden  sei.  (5.) 
Fulvia  erkundigt  sich  bei  Fessenio  um  Lidio.  Da  dieser  ihr 
mitteilt,  Lidio  wolle  abreisen,  um  weiter  nach  seiner  Schwester 
Santilla  zu  forschen,  lässt  sie  ihn  bitten,  nicht  zu  gehen.  Sie  will 
selber  das  Mädchen  in  ganz  Italien  suchen  lassen,  und,  wenn  es 
gelingt,  es  aufzufinden,  ihm  ihren  Sohn  Fl  amini  o  als  Gatten 
geben.  Fessenio  verspricht,  das  Seinige  bei  seinem  Herrn  zu 
thun,  und  hofft,  ihn  bestimmen  zu  können,  da  Lidio  „non  meno 
lo  desidera".  (6.)  Fessenio  macht  Calandro,  der  wieder  Pro- 
ben unglaublicher  Dummheit  giebt,  Hoffnung  auf  Santillas 
Gegenliebe.  (7.)  Samia  schildert  den  Gemütszustand  der  leiden- 
schaftlichen Fulvia.  (8.)  Auch  Santilla  ist  trostlos  wegen 
ihrer  bevorstehenden  Hochzeit  mit  Virginia.  Fannio  beruhigt 
sie  in  ihren  bangen  Befürchtungen;  es  werde  sich  alles  gut 
fügen.  (9.)  Calandro  wird  von  Fessenio  auf  alles  Weitere 
vorbereitet  und  verabschiedet  (10.)  sich  bei  seiner  Gattin,  um  in 
die  Stadt   zu  gehen. 

III.  Akt.  Die  drei  ersten  Szenen  sind  weitere  Belege  für 
Calandros  Unverstand.  Fulvia  verrät  in  langer  Rede  ihre 
heftige  Leidenschaft  zu  Lidio.  Auch  sie  hat  ihre  Kleidung  ge- 
wechselt, um  als  Mann  ihrem  Geliebten  folgen  zu  können.  Ihre 
Liebesglut  hat  sich  auch  auf  ihre  Dienerin  Samia  übergetragen. 
..La  padrona  m'  insegna  che  auch'  io  mi  dia  bei  tempo;"  so  ruft 
sie  ihren  Lusco.  Nach  einigen  Szenen  berichtet  Samia  (14.) 
Fulvia  ihre  Erfolge  bei    Lidio;    er  wolle  von  ihr  nichts  wissen. 


Bibbienas  Calandria.  513 

Bei  Fulvias  Unglück  hat  Samia  den  einzigen  Trost:  „forse  lo 
spirito  lo  moverä;"  und  alsbald  kömmt  auch  der  Xekromant  mit 
guter  Nachricht;  ihm  folgt  Santilla  in  Lidios  Kleidung,  um 
Pul  via  aufrichtig  besorgt.  Samia  kann  dies  nicht  begreifen. 
..Dinanzi  non  poteva  costui  sentire  ricordarla,  e  or  mi  vuol  far 
credere  che  altro  bene  non  ha  che  lei!"  Mit  guten  Aussichten 
für  alle  endet  der  Akt. 

IV.  Akt.  (1.)  Pulvia  befiehlt  Samia,  sofort  den  Nekro- 
manten  zu  holen.  (2.)  Dieser  ist  sogleich  zur  Hand,  und  Fulvia 
empfängt  ihn  mit  lauten  Klagen.  Hier  muss  ein  Irrtum  im  Ge- 
schlechte vorliegen.  ,,Tutto  1'  ho  maneggiato  e  toeco  .  .  .  io  non 
tanto  la  privazion  del  mio  diletto  piango  quanto  il  danno  suo, 
che  per  me  privo  si  truova  di  quel  che  piü  si  brama."  Nun, 
meint  der  Xekromant,  das  war  ein  Missverständnis  des  Geistes. 
Der  Geist  hat  zu  viel  gethan  und  ..per  piü  compiutamente  ser- 
virti,  e  nel  sesso  e  nell'  abito  di  donna  ha  mandato  a  te  lo  amante 
tuo-.  Indessen,  ..chi  femmina  1'  ha  fatto,  ancor  maschio  puö  ri- 
farlo.-'  Fulvia  hat  sich  nun  fest  und  entschieden  zu  erklären, 
was  sie  verlange,  worauf  sie  wünscht,  einmal  „la  prima  cosa  che 
se  gli  renda  il  coltel  della  guaina  niia"  und  dann  „che  in  abito 
non  in  sesso  da  donna  torni  a  me".  In  diesem  lasziven  Tone, 
ja  noch  derber,  geht  es  weiter.  Ruffo  verspricht,  es  werde  alles 
sich  zur  Befriedigung  lösen.  Um  dem  Geiste  Kredit  zu  verschaffen, 
will  nun  Fannio,  da  ja  das  Zimmer  finster  ist,  an  Lidios  (San- 
tillas)  Stelle  zu  Fulvia  kommen.  Ein  Brief  des  Nekromanten 
erklärt  Fulvia,  „che  allo  amante  tuo  rimetterä  presto  il  ramo." 
Er  brenne  vor  Begierde  nach  ihr.  „Mandali  denari  spesso,  e  cosi 
allo  spirito,   per  farlo  a  te  grato  e  a  me  felice.-' 

V.  Akt.  (1.)  Unmittelbar  nach  Empfang  dieses  Briefes  ent- 
sandte Fulvia,  zu  jedem  Opfer  bereit,  eine  Börse  mit  Dukaten. 
Da  Samia  dieselbe  abliefern  will,  findet  sie  zwei  Lidio  vor  sich, 
die  nicht  zu  unterscheiden  sind.  „Non  e  aleuno  si  simile  a  se 
stesso,  ne  la  neve  alla  neve,  ne  1'  uovo  all'  novo,  come  e  1'  uno 
all'  altro  di  costoro. "  Das  hat  wieder  der  Geist  gethan!  Es  ist 
nur  eine  „trama  diabolica,  cosi  condotta  da  quello  spirito  male- 
detto!"  Fulvia  wird  übrigens  den  ihrigen  zu  erkennen  wissen. 
(2.)  Fessenio  sucht  seinen  Herrn  und  findet  Santilla,  die  er 
\uv  denselben  ansieht.  Er  nennt  sich  ihren  Diener  u.  s.  w.  Sie 
versteht  das  alles  nicht,  bis  (3.)  Fannio  dazu  kömmt  und  als- 
bald Lidio,  der  wieder  zu  Pulvia  geht,  indessen  Fannio  und 
Fessenio  sich  erkennen.  (4.)  Samia  eilt  in  Verzweiflung  her- 
bei. Calandros  Brüder  haben  Lidio  bei  der  Frau  des  Alten 
gefunden  und  sogleich  nach  ihm  geschickt.  Fessenio  bestimmt. 
Santilla,  um  die  Ehre  ihres  Bruders  zu  rette»!,  durch  das  Fenster 
rieh  dorthin  zu  begeben.     So   wird  Lidio  frei,  und  als  Calandro 

33 


514  XI.    Menächmi. 

wütend  das  Haus  durchsucht,  findet  er  —  ein  Weib,  „che  e  una 
fanciulla,  tutti  si  sono  rasserenati,  tenendo  Fulvia  la  piü  pu- 
dica   donna  del  mondo."   (!) 

Die  letzte  (12.)  Szene  gehört  der  Freude  des  Wiederfinden!?. 
Nochmal  findet  Fessenio,  er  habe  niemals  „uomo  ad  uomo  si- 
mile,  come  e  1'  uno  all'  altro  di  voi"  gesehen.  Diese  Ähnlichkeit, 
meint  S  an  tili  a,  soll  nun  ausgenützt  werden.  Lidio  soll  die 
Tochter  des  Perillus,  die  ihm  zugedacht  war,  heiraten.  Mit 
reichen  Lobsprüchen  auf  Italien  endet  das  Lustspiel.  Sie  werden 
hier  glücklich  leben;  ,.tanto  meglio,  quanto  Italia  e  piu  degna 
della  Grecia,  quanto  Roma  e  .piii  nobil  che  Modone."  Mit  dem 
,,Valete  [et  plaudite]"  Fessenios  schliesst  das  Stück. 

Man  kann  die  Calandria  keine  direkte  Nachahmung 
der  Menächmen  nennen;  dass  sie  aber  auf  dem  Boden 
des  römischen  Lustspiels  erwuchs,  ist  selbst  ohne  die 
eigenen  Zugeständnisse  des  Autors  ebenso  wenig  be- 
streitbar, als  es  klar  ist,  dass  der  plautinische  Messenio  den 
italienischen  Fessenio  veranlasst  hat.  Der  weitere  Schritt,  den 
der  Dichter  der  Calandria  gewagt  hat,  ist  der,  dass  Lidio 
statt  eines  Zwillingsbruders  eine  Schwester  hat,  und 
darin  lag  schon  ein  Stück  der  Laszivitäten  der  Hand- 
lung begründet,  obwohl  sich  dieselben  nicht  unter  jeder  Feder 
so  üppig  entfaltet  hätten,  als  es  jene  des  Kirchenhirten  Divizio 
zustande  brachte. 

Der  Erfolg  der  Calandria  muss  ein  gewaltiger  gewesen  sein, 
und  hätte  es  der  Kardinal  ein  wenig  strenger  mit  Anstand  und 
Sitte  genommen,  so  müsste  man  denselben  als  nach  allen  Seiten 
hin  berechtigt  erklären.  Sie  wurde  auch  im  Auslande,  z.  B.  1569 
am  Hofe  zu  München,   gespielt. ') 

Stiefel2)  urteilt  über  die  Calandria  in  ihrem  Verhältnisse 
zu  den  Menächmen  wie  folgt:  „Wenn  wir  unsre  Betrachtungen 
über  die  Calandria  kurz  zusammenfassen,  so  ergiebt  sich  als 
Resultat,  dass  unser  Dichter  den  PI  au  tu  s  sehr  geschickt  benützt 
hat,  sodass  ihm  weder  der  Vorwurf  eines  Plagiators,  noch  der 
eines  sklavischen  Nachahmers  gemacht  werden  kann.  In  ge- 
wandter Benützung  des  plautinischen  Ähnlichkeitsmotives  und 
durch  Herbeiziehung  eines  wesentlich  modernen  Elements  —  der 
Novelle  -  -  hat  er  eine  Komödie  geschaffen,  die  das  Lob  der 
Originalität  neben  dem  der  geistvollen  Komik  mit  vollem  Rechte 
für  sich  in  Anspruch  nehmen  darf." 

Die  Geschichte  der  Menächmen  zieht  immer  weitere 
Kreise.      Sie   entfernt   sich  von   ihrem    Urbilde,    hat    aber 


')  Prölss.    I,  2.  101. 
2)  A.  a.  0.     S.  344. 


Buonfanti  da  Bibbiena.  515 

-doch  in  ihm  ihre  Quelle.  Freilich  wird  eine  Reihe  der 
nun  folgenden  Stücke  nicht  direkt  aus  Plautus,  sondern 
aus  Bibbienas  näherliegender  Bearbeitung')  geflossen 
sein   und   darum   vom   Originale  immer  weiter  abkommen. 

Ausdrücklieh  wehrt  sich  gegen  den  Vorwurf,  die  Calandria 
benützt  zu  haben,  Messer  Pietro  Buonfanti  da  Bibbiena  in 
seinem  Lustspiele  „Errori  incogniti",2)  indem  er  im  Pro  log  o 
(p.  6)  sagt:  „Mi  rimane  sol  (come  faccio)  a  pregarui  .  .  .  che  non 
vogliate  dire  (come  talvolta  alcuni  sogliono)  costui  che  ha  compilata 
questa  sua  comedia  ha  rubato  quello  che  in  essa  e  di  buono  (se  ce 
n'  e)  dalla  Calandra,  dall'  Amor  costante,  da  gl'  Ingiusti  sdegni,  ö 
da  altre  belle  Comedie. " 

Das  alberne,  unendlich  lang  gedehnte  Stück  berührt  nur 
im  Anfange  und  am   Schlüsse  die  Menächmenfabel. 

In  der  ersten  Szene  des  ersten  Aktes  erzählt  Messer 
Cassandro  seinem  Diener  Zanni  seine  Erlebnisse,  „per  allegge- 
rire  alquanto  il  dolore  che  nel  petto  mio  tengo  ascoso. "  Die 
Szene  spielt  in  Neapel,  Cassandro  aber  ist  in  Genua  geboren. 
Streitigkeiten  zwangen  ihn  zur  Flucht.  Er  änderte  seinen  Na- 
men Ostilio  in  Cassandro  und  seine  beiden  Kinder,  Obietto 
und  Fl  amini  a,  taufte  er  in  Porfirio  und  Eugen  ia  um.  Was 
ihn  am  meisten  schmerzt,  ist  der  Umstand,  dass  er  bei  seiner 
eiligen  Flucht  seinen  Bruder  Bindinello  über  nichts  mehr  in 
Kenntnis  setzen  konnte.  Sein  Zwillingsbruder,  „il  qxial  nacque 
meco  ad  vn  medesimo  parto,  e  tempo:  e  mi  somigliaua  tanto,  che 
quelli  ancora,  che  haueuano  stretta  pratica  con  noi:  spesse  volte 
s'  ingannauano, "  ist,  wie  er  hörte,  bald  darauf  zu  Genua  an  der 
Pest  gestorben. 

Nun  folgen  fünf  Akte,  welche  mit  der  Einleitung  nicht  im 
geringsten  Zusammenhange  stehen.  Einige  Szenen  erinnern 
uns,  wenn  auch  in  dezentester  Weise,  an  Casina  und  Asinaria. 
Der  alte  Cassandro  fühlt  zu  den  übrigen  Leiden  und  Drang- 
salen auch  noch  eine  „nuoua  passion  che  '1  cuor  mi  tormenta", 
er  ist  verliebt  in  Filomena,  dasselbe  Mädchen,  nach  welchem 
sein  Sohn  Porfirio  strebt.  Filomena,  die  Tochter  Camillos 
und  Schwester  Perseos,  ist  aber  in  den  spanischen  Capitano 
Mondragone,  eine  Art  Miles,3)  dem  sein  Diener  Hernandiglio 


')  So  z.  B.  Ag.  Firenzuolas  „la  Trinuzia".     Ruth.     IT,  583. 

2j  Errori  |  Incogniti.  |  Comedia  |  Di  Messer  Pietro  |  Buonfanti  da 
Bibbiena.  |  In  Firenze.  |  Appresso  Giorgio  Marescotti.  1587.  |  Con  Licenza 
de'Superiori.    I4'2pag.  (Das  Letzte  Blatt  trägt  die  Jahreszahl  MDLXXXVL) 

—  Allacci,  S    117,  zitiert    1.">SS. 

3)  Confortina  sagt  ihm  S.  02:  „Se  uoi  mi  promettete  di  uolerui 
innamorare  di  Filomena  mia  padrona,  e  lasciare  taute  Reine  che 
•uoi  dite  che  son  guaste  di   uoi"   u.  8.  w. 

33* 


516  XI.   Menächmi. 

zur  Seite  steht,  verliebt  und  lässt  ilim  durch  ihre  Zofe  Confor- 
tina  fünfundzwanzig  Scudi  mit  ihrer  Liebeserklärung  überbringen. 
Eugen ia,  Cassandros  Tochter  und  Schwester  Porfirios,  wird 
von  Perseo,  Camillos  Sohn,  zur  Elie  verlangt.  Sie  ist  aber 
in  einen  Deutschen,  II  Signor  Tedesco,  der  Italienisch  rade- 
bricht, verliebt  und  lässt  ihm  durch  ihr  Mädchen  Betuzza  einen 
Diamant  für  seine  Liebe  bieten.  Es  kömmt  zu  allerlei  Verklei- 
dungen und  Irrungen,  bei  welchen  es  den  jeweiligen  Liebhabern 
schlecht  ergeht;  Cassandro  kömmt  schon  frühe  (III,  5)  darauf, 
wie  thöricht  die  Liebe  der  Alten  ist,  und  giebt  sie  auf,  da  er 
erfährt,  dass  sein  Sohn  in  Filomena  verliebt  sei.  So  wickelt  sich 
die  Geschichte  in  endlosen  Reden,  meist  ohne  strengen  Zusammen- 
hang und  ohne  jede  Beziehung  auf  die  Zwillinge,  ab;  da  erscheint 
in  der  fünften  Szene  des  fünften  Aktes  Bindinello  mit  seinem 
Diener  Girometto  und  tritt  im  Hause  seines  Bruders  ein.  Bald 
nach  ihm  kömmt  Cassandro.  Porfirio  hat  unterdessen  Bindi- 
nello für  seinen  Vater  gehalten;  auch  Zanni  kann  die  beiden 
nicht  unterscheiden.  „A  mi  quest  mi  par  mesier  Casader,  e  quest 
mi  par  vi  midem  mesier  Casader:  a  voi?  guarda  vn  po  meio  ah, 
ah,  vu,  vu,  sil  nie  padru,  e  vn  si  qualche  spirito  maligno."  Und 
je  länger  er  beide  betrachtet,  um  so  weniger  kann  er  sie  aus- 
einanderhalten. „Quant  piu  '1  mir  plu  me  par  elo. "  Endlich  löst 
Bindinello  die  Zweifel:  „Or  e  tempo  orama  de  leuä  le  maraueie 
e  chiarir  dubio,  o  fre  caro  Ostilio. "  Er  erzählt  nun  im  Ferneren 
seine  Erlebnisse.  „Non  ha  vn  mese,  che  vn  huomo  straniero 
venne  a  Genoua,  e  vedendoini,  disse,  corae  e  possibile  che  cosi  presto 
siate  venuto  da  Napoli  (gentil'  huomo  mio)  auanti  di  me,  essendo 
io  venuto   in  poste,    e   con  gran    diligenza. " 

Zum  Schlüsse  stellt  es  sich  heraus,  dass  Filomena  und 
Perseo  Camillos  Kinder  nicht  sind,  sondern  von  ihm  gekaufte 
Sklaven,  und  Cassandro  umarmt  in  ihnen  seine  zwei  Kinder, 
Perinetto  und  Emilia,  die  er  im  Meere  begraben  glaubte. 
Porfirio  endet  die  Intrigue.  „Che  cosa  nefandissima  e  che  i 
fratelli  prendano  per  ispose  le  sorelle  proprie  loro, "  man  muss 
um  andere  Bräutigame  umsehen;  Emilia  soll  den  Herrn  Mondra- 
gone,  Flamini a  den  Deutschen  heiraten;  Zanni  erhält  Ber- 
tiizzas  Hand  u.  s.  w. 

Mit  der  ganzen  Fabel  des  Stückes,  wenn  man,  strenge 
genommen,  von  einer  solchen  sprechen  kann,  haben  die  Me- 
nächmi wenig  zu  tliun,  Die  Zwillingsbrüder  und  ihre  Ähn- 
lichkeit, die  nur  zu  einer,  und  will  man  Zanni  rechnen,  zu  zwei 
Verwechslungen  führt,  beeinflusst  nur  die  letzten  Szenen  des 
Stückes;  die  übrigen  bauen  sich  ganz  unabhängig  von  dieser 
Geschichte,  die  auch  nur  Episode  ist,  auf.  Ein  Stück  Selbst- 
erkenntnis verraten  die  Worte  Filipellos,  des  Dieners  Camillos,: 


Gl'  Ingannati.     Les  Abusez.  517 

..vi  pregherö  ad  hauerne  scusa,   se  o  per  lunghezza  o  per  altro 
ui  hauessimo  dispiaeiuto. u 

In  die  Jahre  1527 — 1531  fällt  die  Komödie  Gl'  Ingannati, 
verfasst  von  einem  nicht  bekannten  Mitgliede  der  Akademie  der 
Intronati  zu  Siena. ')  Hier  ist  es  die  Plünderung-  Roms  (1527), 
welche  zwei  einander  völlig-  ähnliche  Zwillingsgeschwister, 
Fabrizio  und  Lelia,  trennt.  Lelia  ist  im  Hause  ihres  Vaters 
geblieben,  da  sie  aber  gezwungen  wird,  den  alten  Gherardo  zu 
heiraten,  ergreift  sie  in  männlichen  Kleidern  die  Flucht  und  dient 
als  Page  einem  edlen  Römer,  Flaminio,  den  sie  längst  liebt,  der 
aber  ihre  Liebe  nicht  erwidert.  In  seinem  Dienste  hat  sie  haupt- 
sächlich den  Liebesboten  zwischen  ihm  und  Gherardos  Tochter, 
Isabella,  zu  machen,  erregt  aber  selbst  Isabellas  Liebe  in 
hohem  Grade.  Unterdessen  ist  auch  Fabrizio  angekommen,  und 
seine  Ähnlichkeit  mit  seiner  Schwester  führt  zu  zahlreichen  Ver- 
wechslungen,  endlich  aber  auch  zur  Lösung. 

Wenige  Jahre  nach  ihremErscheinen(1537)  wanderte  die  Komödie 
auf  französischen  Boden  durch  die  Übersetzung  a-ou  Charles 
E  s  t  i  e  n  n  e  -)  unter  dem  Namen  „ L  e  s  A b  u  s  e  z  " .  Von  dem  Stücke  sagt 
die  Einleitungsepistel  des  Übersetzers:  „toutesfois  en  lisant  i'espere 
que  la  trouuerez  teile  que  si  Terence  mesme  l'eust  composee  en  Ita- 
lien,   ä  peine  mieulx  l'eust  il  sceu  dicter,    inuenter  ou  desduyre. " 

Die  hohe  litterargeschichtliche  Bedeutung  des  ita- 
lienischen Stückes  und  seiner  französischen  Übersetzung- 
mag  eine  Analyse  desselben  wohl  rechtfertigen. 


')  Neben  manchem  andern  Stücke  hat  auch  Francesco  d' Ambras 
(-}•  1559)  Lustspiel  „II  furto"  Berührungspunkte  mit  den  Ingannati. 
{II  |  Fvrto,  |  Comedia  |  di  |  M.  Francesco  |  d'  Ambra  cittadino,  e  |  Acca- 
demico  Fiorentino.  |  Nuouamente  data  in  luce.  |  In  Fiorenza.  |  Appresso 
i  Givnti.  |  1560.  44  fol.)  Vgl.  Prölss.  I,  2.134.  —  Die  Komödie  Gl' In- 
gannati ist  meist  zusammengedruckt  mit  einem  Gedichte  II  Sacri- 
fizio  d'  Amore. 

2)  Comedie,  ä    |  LA  MANIERE  |  des  anciens,  &  de  |  pareille  matiere 
intitulee,  Les  |  Abusez.  | 

Comjaosee  premierement  en  langue  |  Tuscane,  par  les  professeurs 
de  l'aca  demie  vulgaire  Senoise,  nommez  Intronati:  &  depuis  traduicte 
en  nostre  |  langaige  Francoys,  par  Charles  Estienne.  |  —  Auec  priuilege. 

—  On  les  vencl  ä  Paris  en  la  rue  neuiüe  nostre  |  danie  ä  l'enseigne  du 
Faulcheur;  deuaant  |  saincte  Geneuiefue  des  Ardens.  |  Das  Privileg  isl 
vom  29.  Oktober  1540.  Der  Druck  wurde  geschlossen  am  26.Dezember  1540. 
Er  umfasst  83  fol.  in  12°  mit  vielen  Bildern,  welche  vor  jeder  Szene 
die  Personen  darstellen;  dazu  l'1  Seiten  Einleitung  und  Prolog.  —  Beau  - 
champs,  Recherohes  (I,  156),  nennt  Ausg.  von  1543  (Lyon)  und  I5f)'i 
(Paris).  —  Fälschlich  bezeichnen  Klein  (IV.  74;»).  Prölss  (1,2.  138)  und 
Ward  (I,  404)  als  Übersetzer  der  Abusez  den  Francoia  Juste  den 
Drucker)  und  1543  als  Datum.  —  Über  die  Quelle  sagt  Beauchamps 
(1.  c):  „Le  sujet  de  cette  piece  est  prise  mot  ä  nmi  des  histöires  tra- 
gique  du  Bändel,  traduite  par  Belleforest,   to.  4.  bist.  59  feuil.  202. 

—  Estienne  hat  auch  dieAndria  des  Terenz  (1540)  in  Prosa  übersetzt. 


518  XL    Menächmi. 

I.  Akt.  (1.)  Der  alte  Gerard  Foyani  will  Lelia,  die 
Tochter  des  alten  Virginio,  heiraten,  womit  dieser  völlig  ein- 
verstanden ist;  (2.)  weniger  kann  ihre  Amme  Clemence  diese 
Heirat  hilligen.  (3.)  Lelia  hat  sich  in  Pagenkleidern  gesteckt; 
.,de  tont  cecy  est  cause  l'amour  que  ie  porte  ä  cest  ingrat,  ä  ce 
cruel  de  Flamminio. "  In  einer  langen  Szene  erzählt  sie  der 
überraschten  Amme,  dass  sie  Flamminios  Diener,  unter  dem  Na- 
men Fabio,  geworden  sei,  und  dass  ihr  Herr,  den  sie  seit  lange 
lieht,  sein  Herz  Isabella  Foyani  geschenkt  habe  und  sie  oft 
zu  ihr  mit  Liebesbriefen  sende;  diese  jedoch  „s'est  si  estrange- 
ment  amourachee  de  moy  qu'elle  me  faict  les  plus  grandes  ca- 
resses  du  monde. "  (4.)  Der  alte  Gerard  will  sich  verjüngen 
aus  Liebe  zu  Lelia;  sein  Diener  Spela  soll  ihm  ,.vne  boete  de 
ciuette"  holen;  „car  ie  vueil  maintenant  entrer  en  amoureuse  vie. " 
(5.)  Unterdessen  hat  der  alte  Virginio  seine  Tochter  Lelia  durch" 
Scatissa  aus  dem  Kloster,  wo  sie  bisher  lebte,  holen  lassen;  allein 
sie  war  dort   nicht  mehr  zu  finden. 

IL  Akt.  (1.)  Flamminio  wundert  sich,  dass  die  spröde 
Isabella,  die  doch  von  ihm  nichts  wissen  wolle,  seinen  Pagen 
(Lelia)  stets  annehme.  Lelia  versichert  ihn,  er  habe  von  Isa- 
bella nichts  zu  hoffen,  doch  aber  schickt  er  sie  wieder  zu  ihr. 
(2.)  Von  Pasquette,  Isabellas  Dienerin,  erfährt  Fabio  (Lelia) 
allerlei  über  Isabellas  Seelenstimmung.  „Elle  pleure,  eile  se 
consume,  eile  se  destruyt,  pource  qu'a  ce  matin  tu  n'as  pas  point 
passe"  par  deuant  notre  maison."  Pasquette  hält  ihr  ihren 
Stolz  strenge  vor.  (3.)  Crivello,  Flamminios  Diener,  ist  er- 
bittert, dass  Fabio  sich  die  Gunst  seines  Herrn  in  so  reichem 
Masse  erworben  habe.  Ohnehin  auf  ihn  eifersüchtig,  wird  er  (5.) 
Zeuge,  wie  Isabella  denselben  küsst.  (6.)  Da  Fabio  (Lelia) 
seinem  Herrn  Kunde  bringt  von  Isabellas  fortgesetzter  Kälte, 
glaubt  Flamminio,  sie  habe  von  seiner  früheren  Liebe  zu  Lelia 
erfahren  und  wolle  ihn  deshalb  nicht.  Die  arme  Lelia  muss 
nun  Worte  hören,  die  sie  beinahe  vernichten.  Sie  soll  wissen, 
„que  i'ay  bonne  intention  de  luy  donner  en  brief  ä  cognoistre 
que  ie  l'ayme  plus  que  Lelia  &  que  i'ay  Lelia  en  grand  hayne, 
&  ne  scauroye  plus  ouyr  parier  d'elle. "  Ja  schwören  will  er,, 
nie  mehr  dahin  zu  gehen,  wo  er  von  ihr  hören  oder  sie  sehen 
könnte.  Die  tief  ergriffene  Lelia  wird  fast  ohnmächtig  und 
macht  in  verzweiflungsvollen  Worten  ihrem  Schmerze  Luft.  (7.) 
Crivello  schildert  seinem  Herrn,  was  er  gesehen  habe.  Zweimal 
haben  sich  Fabio  und  Isabella  geküsst,  und  auch  Scatissa  sei 
Zeuge  gewesen. 

III.  Akt.  (1.)  Fabrizio,  Virginios  Sohn,  mit  seinem 
Hofmeister  (pedagogue)  und  seinem  Diener  Stragualcia,  tritt 
auf.       Der     Pädagog     zeigt     ihm     die     Sehenswürdigkeiten    von 


Ch.  Estiennes  Les  Abusez.  519 

Modena.  (2.)  Eine  gelungene,  fast  moderne  Szene  spielen 
die  beiden  Modeneser  Wirte,  Laise  und  Brouillon,  die  beide 
mit  der  aufdringlichsten  Empfehlung  ihrer  Gasthöfe  die  neu  An- 
gekommenen belästigen.  (3.)  Virginio  schilt  die  Amme  Gie- 
men ce  wegen  der  Flucht  seiner  Tochter;  diese  jedoch  ist  um 
ihre  Verteidigung  nicht  verlegen:  der  alte  Mann  sei  keine  Partie 
für  das  junge  Fräulein.  (4.)  Der  Wirt  Brouillon,  bei  dem 
Fabrizio  abstieg,  vertraut  ihm,  wie  ähnlich  er  einem  hier  be- 
dienstet:en  Pagen  sehe:  „Croyez  que  si  ce  n'estoit  que  ie  vous 
av  veu  vestir  ces  habitz,  i'eusse  iure  que  vous  feussiez  vng 
ieune  gars,  paige  d'un  gentilhomine  de  ceste  ville,  lequel  va 
ainsi  vestu  de  blanc  comme  vous:  &  vous  ressemble  si  bien  du 
tout  en  tont  qu'il  n'y  a  quasi  rien  ä  dire  des  deux. "  Von 
nun  an  beginnen  die  Verwechslungen.  (5.)  Pasquette, 
Isabellas  Kammermädchen,  hält  Fabrizio  für  den  Pagen,  und  er 
verspricht,  da  er  denkt,  es  werde  irgend  ein  Spass  daraus  werden, 
auf  ein  gegebenes  Zeichen  in  Isabellas  Haus  zu  treten;  doch 
will  er  alle  Vorsicht  gebrauchen,  „car  il  seroit  bien  possible  que 
ceste  cy  feust  seruante  de  quelque  Cortisane  &  me  pense  ioncher 
de  quelque  escu."  (6.)  Indessen  Virginio  und  Gerard  sich 
über  Lelia  besprechen,  kömmt  (7.)  Fabrizio.  Virginio  hält 
ihn  für  seine  Tochter,  wirft  ihm  sein  unweibliches  Betragen 
vor  und  lockt  ihn  endlich  ins  Haus,  nachdem  Gerard  ihm  mehr- 
fach vorgestellt  hat,   dass  er  seine  Frau  werden  soll. 

IV.  Akt.  (1.)  Der  Pädagog,  der  in  üblicher  Weise  meist 
in  lateinischen  Phrasen  spricht,  schimpft  den  Diener  Stragualcia 
heftig,  weil  er  den  jungen  Herrn  verloren  habe.  (2.)  Der  mit 
Gerard  auftretende  Virginio  erkennt  den  Hofmeister  seines 
Sohnes,  Pierre  de  pagliarici,  und,  Schlimmes  ahnend,  fragt  er  ihn 
ängstlich,  wo  sein  Sohn  getötet  Avorden  sei.  Der  Pädagog 
tröstet  ihn:  „Votre  filz  est  encore  viuant  &  en  bonne  sante,  Dieu 
mercy,"  und  erzählt  dann,  wie  der  Junge,  bei  der  Plünderung 
Eoms  von  dem  Kapitän  Hortye  gefangen,  ihm  wieder  entkom- 
men .sei  und  sich  hier  „ä  l'hostelerie  du  Sot"  befinde;  auch 
Stragualcia  gesellt  sich  dazu  (3.)  Lelia  (als  Fabio  gekleidet) 
erfährt  von  Gerard,  dass  ihr  Bruder  zurückgekehrt  sei  (4.)  In 
höchst  derber  Weise  berichtet  Pasquette  (5.),  dass  die  beiden 
Alten,  „sotz  comme  oysons,-'  um  jeden  Preis  behaupteten,  Fa- 
brizio, den  sie  für  den  Pagen  hielten,  sei  ein  Mädchen,  und  ihn 
zu  Isabella  sperrten.  Pasquette,  die  als  Wächterin  den 
Schlüssel  erhielt,  sali  sie  bald  kosend  und  wollte  sich  nun  Ge- 
wissheit verschaffen  „si  c'etait  masle  ou  femelle;  car  ma  mais- 
tresse vous  l'auoit  desia  empoigne  gentenient  &  VOVLS  l'auoit  couchc 
a  la  renuerse  sur  le  litt  &  m'appelloit  que  ie  luv  aydasse,  ce 
pendant   qu'elle  luy  tiendroit  les  mains  ....  Mamye  ie  le  vous 


520  XI    Menäehmi. 

destach e  par  deuant:  &  tout  soubdain,  voicy  sortir  vng  gros,  ie 
ne  scay  quoi  qui  nie  vieut  frapper  si  grand  coup  sur  les  mains, 
floe,  &  moy  deuant:  ie  ne  scay  pas  bonnement,  cy  cestoit  vng 
pillon  oxi  vne  carotte,  ou  bien  quelque  autre  chose  semblable: 
mais  oit  ce  que  ce  soit,  ie  puis  bien  asscurer  que  ee  n'est  point 
herbe  qui  aye  sentu  la  gresle. "  (6.)  Gerard  ist  sehr  erbittert 
über  Pasquette,  dass  sie  die  vermeintliche  Lelia  habe  ent- 
wischen lassen:  er  erhalt  aber  die  Versicherung-,  dass  dieselbe  noch 
zu  Hause  eingesperrt  sei.  (7.)  In  höchster  Aufregung  stellt 
Flamminio  Pasquette  wegen  seines  Pagen  Fabio  zu  Rede.  Er 
will  ihn  erstechen,  wo  er  ihn  findet.  Aber  auch  Gerard  greift 
sie  wegen  seiner  Tochter  Isabella  an.  ,.Je  Tay  veu  monte  sur  le 
ventre  de  ma  fille. "  Er  sah,  dass  es  ein  Mann  sei,  denn,  da  er 
rasch  die  Thüre  öffnete,  fand  der  Page  keine  Zeit  mehr,  ,,de  se 
couurir;  ie  dy  moy  que  cest  vng  masle,  &  qui  en  a  assez,  pour 
en  faire  deux  aultres."  (8.)  In  noch  heftigeren  Worten  greift 
Gerard   Virginio   an,   den   er  für  einen  Betrüger  hält. 

V.  Akt.  (1.)  Während  Virginio  und  sein  Gefolge  mit  Ge- 
walt Lelia  aus  Gerards  Haus  holen,  tritt  ihnen  dieser  ent- 
gegen: „Le  plus  etranger  cas  que  iamais  fut.  Je  te  pry,  entre, 
entre!"  Es  klärt  sich  auf,  dass  Fabrizio  nicht  Lelia  ist.  In 
gleicher  Weise  werden  die  übrigen  Beteiligten  in  den  folgenden 
Szenen  unterrichtet  und  zufrieden  gestellt,  sodass  am  Schlüsse  des 
heiteren  Stückes  Stragualcia  die  Zuschauer  auffordern  kann: 
„vous,   Intronati,   faictes  signe   d'alegresse. " 

Ist  schon  der  Vorwurf  des  Stückes  ein  schlüpfriger,  so  sind 
es,  wie  die  wenigen  Beispiele ,  die  nicht  umgangen  werden 
konnten,  zeigen  mögen,  die  Worte  noch  weit  mehr.  Indessen 
ist  der  Knoten  hübsch  geschürzt  und  das  Lustspiel  geschickt 
gemacht;  so  hat  z.  B.  der  in  der  Calandria  wenig'  motivierte 
Pädagog    hier  wirklich  eine  Aufgabe   als  Mitspieler. 

Freilich  den  Menächmen  stehen  die  Ingannati  bereits 
ferner,  als  die  Calandria,  da  die  Irrtümer  der  Personen 
schon  mehr  nebensächliche  Dinge  geworden  sind:  aber 
litterarhistorisch  sind  ,.Gli  Ingannati"  und  ,.Los  Abusez" 
hoch  interessant  geworden;  denn  diese  Komödie  „rief  nicht  nur, 
gleich  ihrem  Vorbilde,  eine  Anzahl  von  direkten  mehr  oder  minder 
freien  Nachbildungen  hervor,  sondern  sie  ist  auch  das  erste 
Stück,  in  welchem  ein  als  Page  verkleidetes  Mädchen 
dem  ungetreuen  Geliebten  dient,  ein  Sujet,  womit  alsbald 
das  Drama  und   die   Novelle  Europas  überschüttet  werden."1) 

In   manchen   Stücken  an    „Gl'  Inffannati"    des  Sienesischen 


'    Sl  iefel,  a.  a.  0.,  S.  346. 


G.  B.  della  Portas  Olimpia.  521 

Akademikers  der  Intronati  erinnert  das  Lustspiel  „L'Olimpia"  ') 
des  Giov.  Battista  della  Porta.  In  der  ersten  Szene  des 
ersten  Aktes  erfahren  wir  von  Olimpias  Amme,  dass  ihr 
Fräulein  während  ihres  Aufenthaltes  in  Salerno  sich  in  einen  ge- 
wissen  Lampridio  verliebte,  dass  ihre  Mutter  Sennia  aber  jetzt 
das  Mädchen  an  einen  Capitano  verheiraten  wolle.  Mastica, 
der  Parasit,  ist  derjenige,  auf  dem  alle  Hoffnung  beruht,  er  ist 
„ministro  del  tutto".  Sennia  hatte  von  ihrem  Gatten  Theo- 
dosio  zwei  Kinder,  einen  Sohn,  Eugenio,  und  eine  Tochter, 
Olimpia.  Theodosio  nahm  einst  scherzend  Eugenio  in  die 
Arme  und  ging  mit  ihm  nach  seinem  Landhause  in  Paulisippo 
lustwandeln.  Dort  wurden  beide  nachts  von  türkischen  Korsaren 
geraubt.  Sennia  hat  seitdem  nichts  mehr  von  beiden  gehört, 
nur  träumt  ihr  jede  Nacht,  sie  seien  zurückgekehrt.  Mastica 
gerät  nun  auf  die  Idee,  Lampridio  solle  als  Eugenio  zurück- 
kehren und  von  des  Vaters  Tod  berichten.  So  kann  er  die 
Heirat  Olimpias  mit  dem  Capitano  verschieben  und  unbeobachtet 
bei   Olimpia  sein. 

Lampridio  verkleidet  sich  als  Türke,  der  Capitano  Tra- 
silogo  hat  aber  von  der  ganzen  Sache  Kunde  erhalten.  Lam- 
pridio wird  von  Sennia  freundlichst  aufgenommen,  doch  gilt 
seine  Begrüssung  vornehmlich  Olimpia,  sodass  Sennia  bemerkt: 
„Quante   carezze  ti  fa,   Olimpia,    il   tuo  fratello"    (III,   3). 

Mit  dem  vierten  Akte  jedoch  treten  die  wirklichen  Türken- 
sklaven auf,  der  alte  Theodosio  und  sein  Sohn  Eugenio. 
Der  Pedant  Protodidascalo  bringt  die  Schreckenskunde,  dass 
Filastorgo,  Lampridios  Vater,  eben  gelandet  sei.  Theo- 
dosio und  Eugenio  werden  von  Sennia  nicht  aufgenommen, 
ebenao  thut  Lampridio,  als  ob  er  seinen  Vater  nicht  kennen 
v'lcde.  Theodosio  und  Eugenio  wenden  sich  an  das  Gericht; 
der  capitano  di  birri  jedoch,  der  Spanisch  spricht  und  ausgesandt 
ist,  um  Lampridio  zu  verhaften,  lässt  sich  \;on  letzterein  überreden, 
dass  Theodosio  und  Eugenio  die  Betrüger  seien  und  veranlasst 
ihre   Festnehmung. 

Mit  dem  Beginne  des  fünften  Aktes  berichtet  Lalio. 
Sennias  Page,  seiner  Gebieterin,  was  er  durch  das  Schlüsselloch 
sehen  konnte.  Lampridio  (Eugenio)  und  Olimpia  liessen  ihrer 
Liebe  freies  Spiel.  Lalios  Schilderung  ist  wesentlich  dezenter 
als  das,  was  wir  in  den  Ingannati  hören.  „Dana  qiialche 
occhiatina,  per  le  fissure,  e  per  lo  bueo  della  chiaue,  quando 
apersero,  staua  Olimpia  auampata  di  foco  in  faccia,  »■  s'  aecomo- 
daua  i  capelli,    &  ini   dimandö   di  voi,    &  dicendole,   che  non  1'  haue 


')  Nuovamente  poste  in  luce  &  con  diligenza  eorrette.    In  Vineg  i 
1597.     (65  fol.) 


522  XL    Meuächmi. 

vista  se  non  io,  giurö,  clie  se  dieeua  alcuna  cosa  cli  questo  fatto, 
m'  vcciderebbe. " 

Auf  diese  Nachricht  hin  verzichtet  der  Kapitän  Trasilogo 
auf  Olimpias  Hand,  und  die  Komödie  endet  mit  dem  allge- 
meinen Wiederfinden. 

Ohne  Zweifel  hatte  della  Porta  das  Lustspiel  „Gli  Ingan- 
nati"  im  Auge.  Die  Verwechslungen  beruhen  indes  nicht 
auf  der  Ähnlichkeit  der  Personen. 

Mannigfache  Ähnlichkeit  mit  diesem  Stücke  hat  auch  della 
Portas  bereits  (S.   388)   erwähnte   Komödie   „La  Fantesca". 

Nicht  hierher  gehörig,  aber  in  vielen  Äusserlichkeiten,  z.  B.  in 
den  Beziehungen  zu  den  Türken,  ähnlich  ist  Giov.  Francesco 
Loredanos  Komödie  „la  Turca".1)  Hier  treffen  wir  fast  das 
ganze  Stück  hindurch  die  beiden,  den  Türken  entkommenen 
Brüder  Aiace  und  Tutio  in  weiblicher  Kleidung  und  als  Die- 
nerinnen, während  ihre  beiden  Bräute,  die  Schwestern  Briseida 
und  Hersilia,  gleichfalls  der  türkischen  Sklaverei  entronnen, 
Männertracht  anlegten. 

Das  Motiv  von  dem  Mädchen,  das  in  Pagenkleidern  dem 
Geliebten  dient,  findet  sich  (nebst  vielen  andern  Stücken)  auch 
in  Andrea  Calmos  Lustspiel  „11  Travaglia" 2).  Hier  ist  es 
Ersilia,  die  unter  dem  Namen  „11  Travaglia"  ihrem  Geliebten 
Camillo  dient  und  Zeuge  sein  muss,  wie  dieser  sich  in  leiden- 
schaftlicher Liebe  zu  Lionora  verzehrt.  Dabei  spielt  der  ver- 
kleidete Türke  Arpago,  Proculos  entlaufener  Sklave.  — 
Ferner  erinnern  uns  der  Vater  Colophonio  und  sein  Sohn  Po- 
licreto  als  Rivalen  um  Lionoras  Liebe  an  ein  anderes  be- 
kanntes Thema. 

Die  ganze  Geschichte  des  als  Page  verkleideten  Mädchens 
bildet  eine  Episode  in  der  berühmten  „La  Diana  enamorada" 
(1542)  des  Jorge  de  Montemayor  (geb.  vor  1520;  gest. 
1561); 3)  sie  ist  die  Grundlage  eines  Stückes  des  Goldschlägers 
Lope  de  Rueda  (geboren  zu  Sevilla  gegen  die  zweite  Dekade 
des    sechszehnten    Jahrhunderts;     gestorben    zu    Cordoba    gegen 


')  La  Tvrca.  Comedia  del  S.  Gio.  Francesco  Loredano.  Di 
nuouo  posta  in  luce.  In  Vinegia  1597.  (Alla  libreria  della  Speranza.) 
(64  fol.) 

2)  II  Travaglia,  |  Comedia  |  di  M.  Andrea  Calmo.  |  Nuouamente  uenuta 
in  luce  molto  piaceuole,  &  |  di  uarie  lingue  adornata,  sotto  beljlissima 
inuentione.  |  AI  modo  che  la  fo  |  presentata  dal  detto  Autore,  nella  | 
Cittä  di  Vinegia.  |  Con  Gratia,  &  Priuilegio.  |  Tn  Vinegia,  appresso  Ste- 
fano di  Alessi,  alla  libraria  |  del  Caualetto,  in  cale  dalla  Bissa,  al  ponte 
de  |  San  Lio.    1556.    (92  fol.) 

•')  Simrock,  Die  Quellen  des  Shakespeare  (Bonn  1870).  11,95—122. 


Lope  de  Ruedas.     Los  Enganos.  523 

1566: l)  „Los  Enganos-'  -)  (auch  Los  E  n  g  a  ü  a  d  o  s).  3)  Es  „  enthält 
die  Geschichte  der  Tochter  des  Virginio,  welche  dem  Kloster, 
wo  sie  erzogen  werden  sollte,  entlaufen  war,  und  hei  Marcello 
dient,  der  einst  ihr  Liehhaber  gewesen  und  sie  verlassen  hatte, 
weil  er  glaubte,  von  ihr  schlecht  behandelt  zu  sein.  Clavela,. 
die  Dame,  der  Marcello  jetzt  den  Hof  macht,  verliebt  sich  in  den 
schönen  Diener .  .  .,  wodurch  verschiedene  Auftritte  und  Verhältnisse 
voll  Wirkung  herbeigeführt  werden.  Ein  Zwillingsbruder  der  als 
Diener  verkleideten  Dame  kehrt  nach  langer  Abwesenheit  wieder 
heim  und  sieht  ihr  so  ähnlich,  dass  er,  wie  ein  zweiter  Sosia,. 
bei  seinem  ersten  Auftreten  grosse  Verwirrung  und  Unruhe  her- 
vorbringt, darnach  aber  Clavela  heiratet  und  seine  Schwester 
ihrem   ersten  Liebhaber  übergiebt.  "  *) 

Damit  hängt  auch  zusammen  die  Komödie  Medora,  in 
welcher  die  Ähnlichkeit  einer  als  Kind  von  Zigeunern  geraubten 
Dame  mit  der  Heldin  zur  Entdeckung  führt,  dass  diese  ihre 
Zwillingsschwester  ist.  5) 

Auf  demselben  Boden  steht  ein  dem  Calderon  de  la 
Barca6)  zugeschriebenes  Stück,  ..La  Espanola  en  Florencia",7) 
und  das  vollendetste  aller  Stücke  dieser  Art,  Shakespeares 
..Twelfth-Night:  or,  What  you  will'',8)  wo  es  wieder  die 
Geschwister   „both  born   in   an  hour"    (II,    1)  sind. 


')  Nach  Barrera,  Catäl.,  S.  34G.  —  Klein.    IX.  141. 

2)  Die  erste  Ausg.  der  Schauspiele  des  Lope  de  Rueda  ist  von 
1567.  (Valencia  en  casa  de  Joan.  Mey.)  Der  zweite  Teil  (las  segundas 
dos  coniedias),  welcher  Medora  und  los  Enganados  enthält,  hat  die  Zensur 
vom  17.  Oktober  1567.     (Ticknor.    II,  786.) 

3)  Barrera  zitiert  (S.  346)  „los  Enganados".  —  Vgl.  Ticknors 
Sujjplementband  von  Adolf  Wolf,  S.  75. 

*)  Ticknor.    I,  448.  —  Klein.    IX,  158.  159. 

5)  Ticknor,  a.  a.  0.,  S.  448.  —  Klein.    IX,  162.  163. 

6)  S.  Barrera,  Catäl.,  548.  —  Schack.    I,  122. 

7)  Enthalten  im  12.  Teile  der  „Comedias  escogidas  de  los  mejores 
Ingeniös  de  la  Espana;  impressa  en  Madrid". 

8)  Shakespeare's  Twelfth-Night:  or,  what  you  will.  Heraus- 
gegeben von  Delius.  Elberfeld  lS'JO.  S.  II  und  V.  —  Die  Ingannati 
gaben  den  Stoff  zu  einer  englischen  Novelle,  die  zuerst  1581  erschien 
ah  „Riebe  his  Farewell  to  Militarie  profession" :  conteining  verie  plea- 
saunt  discourses  fit  for  a  peacable  tyme.  Gathered  together  for  the  onely 
delight  of  the  courteous  Gentlewoman  bothe  of  England  and  Irelande, 
For  whose  onely  pleasure  thei  were  collected  together.  And  unto  whoni 
they  are  directed  and  dedicated  by  Bernabe  Riche,  Gentleman."  Dort 
dient  Silla  (IL  Novelle)  „in  the  habite  of  a  manne"  ihrem  Geliebten 
Apolonius,  der  sie  dann  „in  requital  of  her  love"  heiratet.  —  Nach  dem 
Tagebuche  des  John  Manningham,  des  Mitglieds  der  Juristeninnung 
des  „Middle  Temple"  in  London,  hätte  Shakespeare  die  ital.  Lustspiele 
Gl'  Inganni  und  Gli  [ngannati  benutzt.  Manningham  vermerkt 
unterm  2.  Februar  1601:  „AI  our  feast,  we  had  a  Play  called  Twelve 
Night:  or  what  you  will.  Much  like  the  „Comedy  of  Errors,  or 
Menechmi   in  Plaut us";   but  most  like  and   neere  to   that   in  Italian 


524  XL    Menäehmi. 

Auf  dem  Shakespeareschen  Stücke  beruht  die  deutsche 
Komödie  ,.Tugend  und  Liebesstreit",  ein  Freudenspiel;  sie 
wurde  ..an  der  Durchlauchtigsten  Fürstin  und  Frauen,  Frauen 
Christinen,  Herzöginn  zu  Braunschweig  und  Lüneburg,  ge- 
borenen Landgrätinn  zu  Hessen,  Fürstinn  zn  Hirsfeld,  Gräffinn  zu 
Catzenellenbogen,  Dicz,  Ziegenhein,  Nidda  und  Schaumburg,  den 
30.  Weinmonats  1G77  eingetretenen  dreissigsten  Geburts-Tage  auf 
gnädigsten  befehl  von  dero  Hoff-Musikanten,  in  dero  neuerbauten 
Freud-  und  Traner-Spielen  Saal,  und  dessen  neuer  Schaubühne, 
aufgeführt  und  vorgestellt,  in  dem  Fürstlichen  Residentzschln^ 
Bevern."  !) 

Silla,  die  Tochter  des  Königs  von  Cypern,  folgt  in  Manns- 
kleidern dem  Herzog  Apolonius  von  Venedig  und  wird  sein 
Page.  Als  solcher  hat  sie  an  Madam  Aggalanta,  Fräulein  von 
Aragonien,  die  Geliebte  des  Herzogs,  Botschaften  zu  über- 
bringen. Sillas  Bruder,  Silvius,  ist  unterdessen  seiner  Schwester 
nachgezogen,  und  es  folgen  zwischen  ihm  und  dem  Mädchen,  das 
sich  gleichfalls  Silvius  nennt,  eine  Reihe  von  Szenen,  die  an  die 
Menäehmi  erinnern.  Silla  erhielt  dreihundert  Dukaten,  die  nun 
von  Silvius  gefordert  werden,  und  ähnliches.  Aggalanta  hat 
sich  in  Silla  verliebt.  Von  dieser  abgewiesen,  findet  sie  bei 
Silvius  natürlich   ein  geneigtes  Ohr. 

Es  ist  Shakespeares  „T weif th -Night"  mit  unverkenn- 
baren Anklängen  an  das  Wintermärchen,  doch  aber  kannte 
der  Dichter,  wie  die  Namen  zeigen,  die  Novelle  von  Bar- 
nabe Riebe. 

Neben  novellistischer  Verwendung2)  wurde  der  Stoff  in 
Italien  bühnenmässig  bearbeitet  in  dem  Lustspiele  „Gl'  In- 
ganni",  das  N.  S.  —  Nicolo  Secco  (Secchi)  —  zum  Verfasser 
hat,  1547  aufgeführt  und  1562  gedruckt  wurde.  Die  Ver- 
wechslungen sind  nicht  mehr  Gegenstand  der  Komödie, 
gehören  vielmehr  der  Vorgeschichte  derselben  an.3) 


called  Ingauni.  A  good  practice  in  it  to  make  the  Steward  believe  liis 
Lady  widdowe  was  in  love  with  him,  by  counterfayting  a  letter  as  l'rom 
bis  Lady  in  generali  termes,  telling  him  what  she  liked  best"  u.  s.  w.  — 
Klein.  IV,  804  ff.  —  Si  in  rock.  Die  Quellen  des  Shakespeare  (1870). 
II,  123 — 150.  —  Shakespeare  Manual  by  F.  Gr.  Fleay  (London  1876', 
S.  28. 

')  „Geschichte  des  Theaters  zu  Braunschweig."  Eine  kunstgeschicht- 
liche Skizze  von  Adolf  Glaser.  Braunschweig  (Neuhoff  &  Co.)  1861. 
S.  21—30. 

'-')  Bandello  in  II,  36.  —  Giraldi  Cinthio  in  Hecatomiti.  V,  8, 
eine  Novelle,  die  auch  Shakespeare  zur  Comedy  ofErrors  benützte. 

1  i  Gl'  Inganni,  |  Comedia  |  del  Signor  N.  S.  |  Recitata  in  Milano 
1'  anno  lr>47  dinanzi  |  alla  Maestä  del  Re  Filippo.  |  Nuovaineute  ristam- 
pata,  |  &  con  somma  diligenza  corretta.  |  In  Venetia,  i  Appresso  Bernardo 
Giuuti,  e  Fratelli,  |  1582.     56  fol.  —  Eiue  Ausgabe  von  Florenz  (Giunti 


N.  Secchis  Gl'  Inganni.  525 

Der  genuesische  Kaufmann  Anselmo  reist  mit  seiner  Frau 
und  seinen  Zwillingskindern,  Fortunato  und  Ginevra,  die 
gleichfalls  Knabenkleider  trägt ,  nach  der  Levante.  Korsaren 
kapern  das  Schiff  und  verkaufen  Anselmo  nach  Anatolien. 
Fortunato  kommt  nach  Neapel  zur  Courtisane  Dorotea;  die 
Frau  und  Ginevra  zu  Massimo  Caraccioli  in  derselben  Stadt. 
Nach  dem  Tode  der  Mutter  verblieb  Ginevra  (unter  dem  Na- 
men Ruberto)  in  Verkehr  mit  seiner  Schwester.  Caracciolis 
Sohn,  Gostanzo,  ist  in  Dorotea  verliebt,  seine  Tochter  Portia 
aber  in  die  verkleidete  Ginevra,  für  welche  Fortunato  eintritt, 
von  seiner  Ähnlichkeit  mit  ihr  unterstützt.  Nun  glüht  aber  Ginevra 
in  Liebe  zu  Gostanzo,  dessen  Liebesboten  sie  bei  Dorotea  zu 
machen,  bisher  gezwungen  ist.  Die  Folgen  der  Liebe  Portias 
zeigen  sich  alsbald.      Sie  gebiert   einen  Knaben.      Unterdessen  hat 


lö62  in  8°)  zitiert:  „Ancien  th^ätre  francois,"  BandV,  Introd. XX.  — 
Eine  andere  Komödie  Secchis:  „L'interesse"  (Venetia,  Franc.  Ziletti, 
1581),  trägt  den  Namen  Nicolö  Secchi.  -  Der  Argomento  der  Ko- 
mödie Gl'  Inganni  sagt:  „Anselmo  Mercante  Genouese,  che  traffica 
per  Leuante,  nauendo  in  Genoua  lasciata  di  se  grauida  la  moglie,  n'  hebbe 
due  figliuoli,  vn  maschio  chiamato  Fortunato,  &  vna  femina  c'  hebbe 
norne  Gineura;  poi  ch'  hebbe  portato  quattro  anni  il  desiderio  della 
moglie,  &  figliuoli  tornö  per  reuederli  a  casa,  &  volendo  partir  seco  li 
meno;  &  per  che  fussero  piu  nelle  barche  espediti,  1'  uno  e  1'  altro  per 
maggior  commoditä  vestiti  d'  im'  habito  corto;  si  che  la  femina  an- 
ch'ella  parea  maschio:  e  nel  passare  in  Soria  fu  rubato  da'  Corsari,  &  egli 
condotto  nella  Natolia,  do.ue  quatordici  anni  e  sempre  stato  schiaui.  I 
figliuoli  hebbero  altra  uentura:  perche  il  maschio  fu  diuerse  volte  ven- 
duto:  ma  ultimamente  qui  in  questa  Cittä,  che  per  hoggi  sarä  Napoli. 
(S:  hora  serue  a  Dorotea  Cortigiana.  che  stä  lä  in  quell'  usciolino.  La 
madre,  &  Gineura  doppo  uarij  accidenti  furono  comperate  da  M.  Mas- 
simo Caraccioli,  c'  habita  dou'  e  quell'  uscio;  ma  per  consiglio  della 
madre,  la  quäl  sei  anni  fa  mori,  Gineura  si  ha  mutato  il  nome,  &  s'  e 
lätta  dimaudar  Ruberto,  &  come  la  madre  mentre  fu  in  vita  le  per- 
suase,  si  e  sempre  fatto  tener  maschio  parendole  con  questa  via  di  poter 
meglio  la  sua  castitä  guardare.  Fortunato,  e  Ruberto  per  relation  della 
madre  si  conoscono  per  fratello,  &  sorella,  M.  Massimo  ha  un  figliuolo, 
che  si  chiama  Gostanzo,  &  una  figliuola,  che  si  dimanda  Portia. 
Gostanzo  e  innamorato  di  Dorotea  Cortigiana  patrona  di  Fortunato. 
Portia  sua  sorella  e  innamorata  di  Ruberto  ancor  che  sia  femina,  perche 
1'  ha  sempre  tenuto  per  maschio.  Ruberto  femina,  non  sapendo  come 
satisfar  a  le  uoglie  di  Portia,  ch'  ogni  hör  la  molestaua.  ha  la  notte 
in  stio  scambio  messo  in  casa  aleuua  uolta  il  fratello  Fortunato;  il 
quäle  ha  lasciata  grauida  Portia  &  stä  d'  hora  in  hora  per  partorire. 
Da  1'  altra  parte  Ruberto  come  femina,  e  acceso  dell'  amor  del  suo 
patron  Gostanzo,  ha  dopio  affanno,  uno  dell'  amor,  che  lo  martella, 
1'  altro,  che  la  grauidanza  di  Portia  nun  si  scuopra.  Massimo  padre  di 
Portia,  !■  di  ( fosl  anzo  si  h  aueduto  della  grauidanza  della  figliuola,  &  ha 
maudato  a  Genoua  a  ricercar  della  parcntela  di  Ruberto,  perche  sc  la 
troua  ignobile  &  iudegno  dell'  esser  marito  della  figliuola,  (die  egli 
pensa  esser  di  lui  grauida  In  vupl  far  morire.  Ma  per  quel  (die  io  ho 
inteso  hoggi  il  padre  de  due  gemelli,  (die  si  e  riscattato  dalle  man  de' 
Turchi,  deue  esser  tornato  col  messo,  e  penso  ch'  ogni  cosa  s'  aecomo- 
darä  .  .  ."    -    Klein.    IV.  801. 


526  XL   Menäehmi. 

Dorotea  als  echte  Courtisane  den  Capitano  und  Medico  gleich- 
massig-  mit  ihrer  Liebe  beglückt,  was  Gostanzo  erfährt,  der 
nun  die  treue  Ginevra  heiratet.  Auch  der  Vater  Anselmo  hat 
die,  Freiheit  erlangt  und  seine  Anwesenheit  erhöht  die  allgemeine 
Freude.  —  Das  Stück  Secchis  hat  Larivey  in  seinem  Lust- 
spiele   „Les   tromperies"    (1611)   fast  wörtlich  benützt.1) 

Ein  weiteres  Lustspiel,  „Gl'Inganni,"  hat  den  Curzio 
Gonzaga2)  zum  Verfasser;  ein  drittes  endlich,  mit  dem  gleichen 
Titel  von  Domenico  Cornacchini  (Venedig  1650),  beruht  auf 
einer    Novelle    des    Giraldi    Cinthio    (Hecat.   V,    8),    wobei    es 


')  Les  Tromperies  erschien  lfill  a  Troyes  chez  Pierre  Chevillot. 
Das  Stück  findet  sich  auf  S.  5  -  10(3  des  siebenten  Bandes  des  „Ancien 
t  heätre  francois"  (Paris,  P.Jannet,  1856).  Das  Stück  ist  (nach  „Ancien 
theätre  franQ.",  Bd.  V.,  Introd.  XX)  „traduite  ä  peu  pres  litteralement" 
nach  Secchi.  Die  Inhaltsangabe  mag  die  geringen  Unterschiede  beider 
Komödien  darthun.  „Anselme,  marchant  d'Orleans,  voyant  les  troubles 
s'allumer  en  France,  delibere  se  retirer  en  Italic,  laissant  en  la  garde 
d'une  bonne  vieille  (car  sa  femme  estoit  decede'e)  deux  siens  enfans,  l'un 
masle,  appelle  Fortunat,  aage  environ  de  huict  ans,  et  une  fille  nom- 
mee  Genievre,  de  l'aage  de  sept  ans.  Mais,  passant  par  la  Bourgongne, 
il  fut  arreste  prisonnier  par  les  Huguenots,  qui  le  tindrent  plus  de  dix- 
huict  mois.  Depuis,  sorty  de  leurs  mains,  et  pensant  continuer  son 
voyage,  retomba  en  d'autres,  oü  il  demeura  plus  d'un  an.  Eutin,  eschappe, 
alla  ä  Rome,  oü  il  sejourna  quelques  annees;  mais,  oyant  dire  que  l'on 
vouloit  tenir  les  Estats  en  France,  et  esperant  que  par  la  conclusion 
d'iceux  les  troubles  prendroieut  fin,  delibera  retourner  en  sa  maison; 
toutesfois,  en  chemin  il  fut  derechef  arreste  prisonnier  des  ennemis,  qui 
Tont  tenu  jusques  ä  present.  Durant  ces  prisons  et  voyages,  la  vieille 
-qui  avoit  les  enfans  en  garde  delibera  les  mener  ä  Paris,  pensant  qu'il 
y  seroient  plus  seurement,  et,  pour  ce  faire,  les  habilla  tous  deux  d'un 
court  vestement,  de  facon  que  ce  fussent  deux  garcons.  Et  d'avantage, 
afin  de  mieux  conserver  la  pudicite  de  sa  fille,  luy  changea  son  nom, 
et  l'appella  Robert,  lui  recommandant  celer  sa  condition.  En  ces  entre- 
faites,  la  vieille  meurt.  Les  enfans,  ne  pouvant  plus  vivre  ä  Paris,  tant 
faute  de  cognoissance  qu'ä  cause  de  la  famine  qui  y  estoit,  viennent  en 
la  ville  de  Troyes  en  Champagne,  oü  Fortunat  de  fortune  entra  au  Ser- 
vice de  Dorothee,  courtisanne,  et  Robert  se  mit  ä  servir  Severin. 
Ce  Severin  a  un  fils  appelle  Constant  et  une  fille  nomee  Suzanne. 
Constant  est  amoureux  de  Dorothee,  maistresse  de  Fortunat,  et  Suzanne, 
sa  soeur,  de  Robert,  la  tenant  pour  masle. 

Robert,  ne  sachant  satisfaire  ä  la  volonte  de  Suzanne,  qui  la  mo- 
lestoit  ä  toute  heure,  met  en  une  nuict  en  son  lieu  son  frere  Fortunat 
en  la  chambre  de  Suzanne,  qui  lors  la  baisa  si  estroitemeut  qu'elle  en 
est  grosse,  et  maintenant  preste  ä  accoucher.  D'autre  part,  Robert,  fille, 
allume  en  l'amour  de  son  maistre  Constant,  souffre  double  ennuy,  l'un 
pour  l'amour  qui  le  martelle,  l'autre  craig'uant  qu'on  ne  descouvre  que 
Suzanne  a  le  piain.  Severin,  pere  de  la  fille  grosse,  s'en  apercoit,  en- 
voye  ä  Orleans  s'informer  de  la  parente  de  Robert,  afin  que,  s'il  n'est 
trouve  digne  d'espouser  sa  fille,  qu'il  pense  estre  grosse  de  son  fait,  de 
le  faire  mourir.  Mais,  ä  ce  que  je  vien  d'ouyr  dire,  le  pere  de  Fortunat 
et  de  Robert  est  venu  avec  le  messager,  et  pense  que  tout  se  portera 
bien  .  .  . 

-)  Riccoboni.  Hist.  du  theätre  ital.,  S.  164.  —  Quadrio,  stc- 
ria,  V.  93. 


Sforza  d'  Oddi.     Trissino.  527 

dem  Dichter  keineswegs  gelang,  dramatisches  Lehen  in  dem  Stücke 
zu  entfalten. 

Noch  eine  indirekte  Frucht  der  Menächmi  ist  Sforza 
d'  Oddis  Lustspiel  „La  Prigione  d'Amore"  (1592)  insofern, 
als  es  an  die  Calandria  anknüpft.  Auch  hier  sind  die  Zwillinge 
Bruder  und  Schwester.  Die  letztere  ist  in  den  Freund  ihres 
Bruders  verlieht,  was  diesen  veranlasst,  gegen  den  Befehl  seines 
Herrn,  des  Herzogs  von  Ferrara,  dieselbe  vor  einer  verabscheuten 
Heirat  mit  einem  Kapitän  zu  retten.  Diesen  Edelmut  hat  er  mit 
Gefängnishaft  zu  bezahlen,  ja  er  soll  sogar  den  Tod  erleiden. 
Der  Liebhaber  entsagt  auf  seine  Geliebte,  und,  während  sein 
Freund  verreist,  um  die  Schwester  zu  holen,  bleibt  er  für  ihn  im 
Gefängnisse  zurück.  Seine  Geliebte  aber  weiss  durch  ihre  tau- 
schende Ähnlichkeit  mit  ihrem  Bruder  alle,  sogar  ihren  Geliebten, 
zu  hintergehen,   indem  sie  sich  für  denselben  ausgiebt. 

Sforza  d'  Oddi1)  —  degli  Oddi  —  aus  Perugia  (gest. 
1(310)  war  eine  besonderer  Verehrer  und  Nachahmer  des  Plau- 
tus,  dessen  Rotrou  rühmend  Erwähnung  thut.  2)  Sehliesst  er  sich 
auch  in  diesem  Stücke  nicht  enge  an  die  Menächmen  an,  so 
dankt  er  doch  zwei  Figuren,  den  Kapitän  Belero fönte  Scaro- 
bombardon  und  den  Parasiten  Spazza,   dem  römischen  Vorbilde. 

Eine  genaue  Wiedergabe  der  plautinischen  Menächmi 
ist  Trissinos  (1478— 1550)  Komödie:  „I  Simillimi"  (1547/48). 3) 

In  einem  Widmungsschreiben  an  den  Kardinal  Farne se 
(S.  328)  sagt  er:  „Ne  la  commedia  ho  voluto  servare  il  modo  di 
Aristofane  cioe  de  la  Commedia  antica.  La  onde  avendo  tolto 
una  festiva  invenzione  da  Plauto,  vi  ho  mutati  i  nomi ,  et  ag- 
giuntevi  persone,  et  in  qualche  parte  cambiato  1'  ordine,  et  appresso 
introduttovi  il  Coro,  e  cosi  avendola  al  modo  mio  racconcia,  voglio 
mandarla  con  questo   abito  nuovo  in  luce. " 


•)  Ginguene.  VI,  pag.  305.  309.  —  Ruth.  II,  595.  —  Allacci 
führt  (pag.  484)  drei  Komödien  von  ihm  an.  , 

2)  Vgl.  M.  Guizot,  Corneille  et  son  temps.  Etüde  litteraire.  Paris 
(Didier)  1873,  pag.  381.  „Les  poetes  dramatiques  de  l'antiquite  etaient 
traduits  et  Sforza  d'Oddi,  auteur  italien,  dont  Rotrou  a  imite  une 
come'die  (la  Ciarice)  et  qu'il  vante  pour  ses  imitations  de  Piaute 
(voyez  la  preface  de  Ciarice)  pourrait  bien  l'avoir  aide  dans  celle  des 
Sosies  et  des  Menechmes."  Die  von  Guizot  augeführte  Stelle  in  der 
Vorrede  (Au  lecteur)  zur  Ciarice  (IV,  343)  lautet:  „Je  ferois  tort  ä  l'au- 
teur  italien  Sforza  d'Oddi,  si  je  derobois  a  sa  reputation  la  gloire  de 
cet  ouvrage.  Je  n'en  suis  que  le  traducteur,  non  plus  que  des  pieces 
de  Piaute  que  ce  docte  homme  a  parfaitement  imitees.  Es 
folgt  alsdann  ein  langes  Loh  des  Plautus.  Später  (S.  341)  nennt  er 
Sforza  nochmal  „un  des  plus  rares  esprits  d'Italie". 

:!)  I  Simillimi,  Commedia  di  Gio.  Giorgio  Trissino  stellt  auf 
S.  325—348  des  ersten  Bandes  von  „Tutte  le  opere  diGiov an  Giorgio 
Trissino  geutiluomo  Vicentino  uon  piü  raccolte."  (In  Verona,  presso 
Jacopo  Vallarsi  1729.) 


528  XL    Menächmi. 

Das  Stück  ist  nicht  in  Akte  geteilt. ') 

Simillimo  Salvidio  und  sein  Diener  Consalvo  kommen 
in  Palermo  an.  Das  Stück  beginnt  also  mit  dem  zweiten 
Akte  des  Plautus  (V.   227): 

II  diletto  maggior  de  i  naviganti 
AI  mio  parer,  Consalvo,  e  di  trovarsi 
Vicini  al  porto  e  risguardar  la  terra. 

Consalvo  fragt  um  den  Grund  ihres  Hierseins  und  erhält 
erst  die  Antwort,  der  Sklave  habe  niemals  die  Geheimnisse  seines 
Herrn  zu  erforschen,   dann  aber  erfährt  er  denselben  doch. 

Sim.  Salv.     II  padre  mio,  ch'  Emporio  era  nomato, 
Figliuol  di  Filocriso  da  Trieste, 
Com'  hai  piu  volte  udito  ricordarlo, 
Ebbe  de  la  sua  moglie  in  un  portato 
Due  figli  maschi,  1'  un  de'  quai  son  io 
Che  fui  chiamato  al  fönte  del  battesmo 
Salvidio. 

Consalvo.  Che  dicete?  Ho  sempre  udito 

Simillimo  chiamarvi  da  le  genti. 

Sim.  Salv.     Ascolta  che  udirai  tutta  la  cosa. 

L'  altro  figliuol  Simillimo  era  detto, 
Che  venne  dopo  me  dal  matern'  alvo, 
E  fu  cosi  nomato  da  mio  padre, 
Perche  avea  meco  una  sembianza  istessa. 
E  tanta  ch'  un  per  1'  altro  era  pigliato 
Fin  da  la  madre,  con  soave  errore, 
E  da  la  balia  che  ci  dava  il  latte. 

Einst  ging  der  Vater  mit  dem  siebenjährigen  Zwillingsbruder 
auf  den  Jahrmarkt  von  Lanzano:  der  andere  blieb  bei  der 
Mutter  zu  Hatise.  Der  Vater  verlor  dort  den  einen  Sohn.  Ver- 
geblich suchte  er  ihn  neun  Tage;  bald  starb  er  aus  Gram,  und 
der  Grossvater  nannte  den  andern,  wie  den  geraubten,  Simil- 
limo. Alles  Einzelne  ist  nur  Übersetzung  aus  Plautus, 
z.  B.   (7.  239): 

sei  acn/n,  credo,  quaerercs, 

Acum  innen  isses,  sei  appareret,  iam  diu. 

Hominem  inier  uiuos  quaerilamus  mortuom: 

Nam  inuenissemus  iam  diu,  sei  uiueret. 

E  veramente  se  cercaste  un  ago 

Per  terra,  un  ago  areste  omai  trovato. 

Ma  noi  tra  vivi  andiam  cercando  un  morto: 

Che  s'  ei  vivesse,  omai  sarebbe  apparso. 

Garifilo,  der  Koch  Cylindrus,  tritt  mit  Folchetto,  dem 
Diener  des  Simillimo  rubbato,  auf.  Was  bei  Plautus  in  Szene 
war,     die    Geschichte    mit     dem    Kleide,     sowie    einige    Familien- 


*)  Ebensowenig  die  Sofonisba  desselben  Dichters. 


Trissinos  Simillimi.  529 

geschienten,  erfahren  wir  liier  von  Folclietto.  Folclietto  sieht 
Simillimo  Salvidio  und  begrüsst  ihn  mit  der  Frage,  was  der 
Parasit  mache,  „il  quäle  per  dieci  compagni  puö  contarsi"  (V. 
223).  Simillimo  versteht  ihn  natürlich  nicht.  Garifilo  aber 
behauptet,    ihn  wohl  zu  kennen: 

Ov'  io  vi  vidi? 
Qui  ne  la  casa  d'  Ericina,  vostra 
Dilettissima  amante  e  rnia  patrona. 

Das  Weitere  stimmt  alles  wörtlich  zu  Plautus,  so 
z.  B.  Consalvos  Warnung  vor  den  ,,cortigiane"  von  Palermo 
(7.  339): 

Mandano  i  servi  e  le  fantesche  al  porto 

E  come  un  forestiero  entro  v'  arriva. 

S'  informan  de  la  patria,  e  del  suo  nome 

u.  s.  w. ;  sogar  das  Wortspiel  Cylindrus  (F.  295)  ist  in  ,, Garifilo 
o  Garofilo,  che  siate,"  nachgeahmt.  Alsbald  kömmt  auch  Ericina 
(Erotium)  ,,conla  faccia  polita"  aus  dem  Hause  mit  ihrer  Weisung 
an  die  Magd  Frosina: 

acconcia  il  letto 
Ben  profirmato  di  soavi  odori 
Che  la  mondizia  e  1'  esca  de  gli  amauti, 

genau  nach    F.   353  ff. 

Nur  hin  und  wieder  findet  sich  eine  Stelle  lokalisiert,  wie 
wenn  sie   Triest  bezeichnet  als 

suggetta  a  la  gran  casa  d'  Austria 
Di  cui  Ferando,  ch'  e  Re  de'  Komani, 
E  Carlo  Quinto,  Imperador  di  Koma, 
Hanno  il  dominio  a  nostra  etade. 

Simillimo  Salvidio  tritt  bei  Eric  in  a  ein.  —  Es  folgt  ein 
ganz   antik  gehaltener  Chor  über  die  Liebe. 

Scovoletto,  der  Parasit,  führt  sich  ein  mit  der  ersten 
Szene  des  Plautus: 

La  gioventü  mi  chiama  Scovoletto 

Per  sopra  nome,  perch'  io  mangio  bene 
E  netto  come  un  scovolo  i  taglieri 

(F.  78).  Simillimo  Salvidio  tritt  aus  dem  Hause  mit  dem  Kleide; 
der  Parasit  erblickt  ihn.  Es  ist  ein  Sprung  bis  zu  V.  470  der 
plautinischerj   Komödie.      Er  merkt: 

11  pasto  e  fatto  ei  e  bevuto  il  vino 
Et  liau  serrato  Scovoletto  fuori 

(F.  470).  Ericinas  Magd  bringt  noch  das  Geschmeide;  alles  ist 
nur  nach   Plautus   übersetzt.      Wieder  fällt  ein   Chor  ein. 

34 


530 


XI.    Menächmi. 


Alcsia,  die  Frau  des  Simillimo  vubbato,  hat  von  Sco- 
voletto  alles  erfahren.  Ihr  Gatte  tritt  auf.  Der  Monolog  bei 
l'lautus  (7.  570,  „Vt  hoc  utiinur"  u.  s.  w.)  ist  hier  gegen  die 
Advokaten  gerichtet: 

0  maledette  sian  tutte  le  liti, 

Tutti  i  garbugli,  e  tutti  gli  Avvocati. 
Nati  a  ruina  de  1'  uraane  genti, 
Che  si  nurriscon  de  gli  altrui  discouci. 
Difendendo  i  ribaldi  con  gran  cura 
Et  opprimendo  i  buoui. 

Der  Schluss  jedoch  geht  wieder  auf  Plautus  über. 

Simillimo  will  von  Ericina  den  Mantel  wieder,  worüber 
sie  sich  sehr  erzürnt. 

Alles  beruht  auf  dem  Originale,  obwohl  sich  der  Imitator 
das  hübsche  „nunc  ego  sum  exclusissumus"  (F.  680)  hat  ent- 
gehen lassen.    —  Das  Chorlied  geht   wieder  über  die   Liebe: 

Quel  che  dipinse  prirnamente  Amore. 
E  fecelo  im  fanciul  con  due  grand'  ali, 
Con  1'  arco  in  mano,  e  le  saette  al  fianco 
Volse  mostrarci  apertamente  i  mali 

u.  s.  w.  —  Simillimo  Salvidios  Unterredung  mit  Alesia,  das 
Herankommen  ihres  Vaters  Peloro,  Simillimos  verstellter  Wahn- 
sinn ist  alles  nach  Plautus,  nur  auf  das  witzige  Wort  an  die  Zu- 
schauer: „Vosque  omnis  quaeso"  (V.  880)  hat  Trissino  verzichtet. 
—   Der  Chor  handelt  von  dem  Gedanken: 

0  che  partito  duro, 

Veder  il  male  e  non  saper  schivarlo 

E  sempre  aver  dentr'  al  suo  cuore  un  tarlo. 

Dorino,  der  Diener  Peloros,  hat  den  Arzt  Sosandro  ge- 
holt. Seine  Worte  zählen  zu  den  wenigen  von  Trissino  einge- 
fügten,  die  aber  charakteristisch  genug  sind. 

Son  stato  a  ricercar  questo  maestro 
AI  Speciale,  il  quäl  m'  ha  poi  mandato 
A  casa  d'  un,  ch'  aveva  il  mal  francioso, 
Che  gli  avea  quasi  divorato  il  membro. 

Ein  Zug,  von  dem  glücklicherweise  das  Altertum  nichts 
wusste.  Consalvo  kömmt  gelegen  dem  Simillimo  rubbato  zu 
Hilfe  und  erhält  von  ihm  die  Freiheit.  Nach  dem  Monologe  des 
Simillimo   rubbato: 

Grau  meraviglie  certo  iu  questo  giorno 
Mi  sono  occorse 

(nach  V.  1041),   hebt  der  Chor  an,  der  bis  zu  Odipus  hinansteigt. 


Fireuzuolas  I  Luculi.  531 

Die  Lösung*  erfolgt  nach  dem  Originale.  Die  letzten 
Worte  des  plautinischen  Messenio  (V.  1157)  hat  hier  noch  Si- 
millimo   rubhato: 

venderö  prima 
Fra  sette  giorni  prossimi  i'uturi 
Tutta  la  roba  mia,  eh'  io  mi  ritruovo 
Dentr'  a  Palermo,  e  torueremo  insieme 
Giojosi,  e  lieti  ne  la  patria  nostra. 

Der  Schlusschor  behandelt  das  Thema: 

Quante  vane  contese,  e  quanti  inganni 
Recan  le  simigliauze  de  le  cose, 
Che  la  natura,  e  Dio  tengono  ascose. 

Das  ..nunc,  spectatores,  ualete"  u.  s.  w.  wird  um- 
schrieben: 

0  spettatori,  poi  ch'  avete  udita 

Questa  Commedia,  alcun  di  voi  non  pose 
Le  palme,  e  lodi  quel  che  la  compose. 

Wie  der  Inhalt  zeigt,  haben  wir  es  hier  mit  einer  ein- 
fachen Paraphrase  des  Originales  zu  thun,  die  nur  hin  und 
wieder  über  einer  notwendigen  Lokalisierung  und  Modernisierung 
auf  ein  paar  Verse  des  plautinischen  Textes  vergisst.  Scharf 
urteilt  darum  Giulio  Antimaco  in  seiner  Neuausgabe  der  „Si- 
millimi"  (Milano  1863.  Biblioteca  rara):  „Diresti  ch'  egli  e 
il  vampir o  di  Plauto.  Gli  sugge  tutto  il  sangue,  e  lo  lascia 
•cadavere.  Ha  calzato  il  socco  e  non  sa  moversi  per  la  scena." 
Und  auch  Ruth  (II,  588)  ist  der  Ansicht,  Trissino  habe  die 
„Lebhaftigkeit  und  komische  Kraft  des  plautinischen  Lustspiels 
aus  dem  seinigen"   weggelassen. 

Eine  nicht  minder  sklavische  Nachahmung  der  Me- 
nächmi  ist  die  Komödie  „I  Lucidi"  des  Agnolo  Firen- 
zuola. a) 

Der  Prolog  fehlt. 

I.  Akt.  (1.)  Sparecchia,  der  Peniculus,  tritt,  wie  bei 
Plautus,  auf:  „A  mi  fu  posto  questo  nome  Sparecchia,  percioche 
quando  i  mi  metto  intorno  ä  iinii  tauola  i  la  sparecchio  in  modo 
ehe  non  accade,  che  la  fante  la  sparecchia  ältrimenti."  Die  Szene 
ist  wesentlich  erweitert  und  zeitgemäss  gemacht.  (2.)  Lucido 
Tolto  tritt  auf  in  Streit  mit  seiner  Frau,  einer  „femina  de! 
diauolo",   namens  Fiammetta.     Was  bei  Plautus  nur  angedeu- 


')  I  Lvcidi  Comedia  j  di   Messer  Agnolo  |  Firenzvola.  ]  Pioren'tino 
1549.    Nach  fol.  44  steht:  tri  Fiorenza  apresso  Bernardo  Giunti  MDXLIX. 

—  Eiue  weitere    mir  zu  Gebote  stehende  Ausyal>e    ist    von  Firenze   1552. 
(Giunti,  44  fol.) 

3 1  : 


532  XL   Menächmi. 

tct  ist  (F.  110  ff.),  spielt  hier  auf  der  Bülme,  da  Fiammetta 
ihrem  Ehegemahl  gehörig  hinausgiebt,  bis  sie  abtritt.  Ihren  Weg- 
gang begrüsst  Lucido  Tolto  freudigst:  ,,ch'  io  gli  ho  earpito  su 
i| liest, -i  aesta,  senza  che  la  se  ne  sia  aceorta,  la  quäle  uo  portare 
alla  mia  signora"  (V.  134).  Von  hier  geht  es  wieder  auf 
Plautus  über.  (3.)  Sparecchia  hat  an  die  Thüre  der  Signora 
Cortigiana  —  Rosa  —  gepocht.  Das  Mädchen  ist  etwas  ver- 
liebter und  um  einiges  idealer,  als  sein  Vorbild.  „A  me  basta 
hauer  te  &  ne  altro  bramo  che  te,  e  tutto  tengo  e  posseggo, 
quando  ho  te,  anima  mia,"  sagt  sie,  was  freilich  Sparecchia 
kommentiert.  Lucido  Tolto  bestellt  bei  Rosa  ein  Abendessen, 
und  (4.^  Gratugia,  der  Koch,  rüstet  das  Mahl  zunächst  für 
den  Parasiten.  „Lo  Sparecchia  sparecchia  per  otto  al  sicuro" 
(7.  224). 

II.  Akt.  (1.)  Lucido  Folchetto  und  sein  Diener  Betto  treten 
auf:  alles  schliesst  sich  ans  Original  an.  Lucido  Folchetto  kam 
„cereando  d'  un  mio  fratello,  non  solo  d'  un  medesimo  padre  &  di 
una  medesima  madre,  nato  meco  in  un  medesimo  parto"  (V.  234). 
Bei  Plautus  (V.  235)  sucht  er  bereits  sechs  Jahre,  hier  drei. 
Wie  Messenio  seinen  Herrn  vor  Epidamnus  warnt,  so  warnt 
Betto  den  seinigen  vor  Bologna.  (2.)  Mit  Gratugia  kömmt 
es  zur  ersten  Verwechslung,  der  alsbald  mit  Betto  (3.)  eine 
weitere,  und  mit  der  Cortigiana  (4.)  eine  dritte •  folgt.  „Delle 
due  cose  e  una:  o  questa  donna  e  pazza  ol'e  imbriaca"  (V.  373), 
meint  Lucido  Fo4chetto,  geht  aber  doch  mit  ihr  ins  Haus, 
was  Betto  zu  einer  verzweifelten  Apostrophe  (wie  Messenio) 
veranlasst. 

III.  Akt.  (1.)  Sparecchias  Monolog:  „Io  ho  piü  di  trenta 
anni  parecchi  u.  s.  w.,"  nach  V.  446,  beginnt  den  Akt,  wie  bei 
Plautiis.  (2.)  Lucido  Folchetto  trifft  mit  dem  erzürnten 
Sparecchia  zusammen  in  einer  Szene,  die  etwas  erweitert  ist. 
(3.)  Die  Magd  der  Cortigiana  bittet  Lucido  Folchetto,  das 
Geschmeide  ihrer  Herrin  zum  Goldschmied  zu  tragen,  was  er 
übernimmt.  Die  nächste  (4.)  Szene  ist  sehr  gedehnt  im  Ver- 
gleiche zu  Plautus  geworden;  sie  enthält  Lucido  Folchettos 
Monolog,  der  (wie  bei  Brix)  noch  zum  dritten  Akte  geschlagen 
ist.  (5.)  Fiammetta  ist  im  Gespräche  mit  dem  Parasiten,  der 
sie   aus   Rache  gegen  ihren  Mann  aufredet, 

IV.  Akt.  (1.)  Lucido  Tolto  beginnt  mit  einem  Selbstge- 
spräch, das  im  allgemeinen  V.  570  u.  s.  w.  enthält,  und  das  zum 
Teile  Frau  Fiammetta  mit  Sparecchia  belauscht.  Im  Fol- 
genden handelt  es  sich  zunächst  um  den  entwendeten  Mantel, 
wobei  der  Dialog  bald  erweitert,  bald  um  manch  witziges  Wort 
des  Originales  verkümmert  ist.  Ebenso  ist  (2.)  Lueido  Toltos 
Monolog  arg  ins  Breite  gewachsen,    ohne  Neues   zu  bringen.    (3.) 


Cecchis  La  Moglie.  533 

Die  Cortigiana,  über  den  verlorenen  Mantel  böse,  sperrt  Lucido 
Tolto  vor  ibr  Haus  hinaus.  (4.)  Fiammetta  dagegen  trifft  Lu- 
cido Folchetto  mit  dem  Mantel  am  Arme.  Sie  erregt  sich  bei  der 
Begegnung  heftig  und  lässt  durch  ihren  Diener  Biagino  ihren 
A  ater  holen.  Diesem  Befehle  an  den  Sklaven,  der  hier  auftritt 
(5.),  zufolge  kömmt  (6.)  Cornelio,  der  alte  Vater.  Durch  er- 
heuchelten Irrsinn  macht  sich  Lucido  Folchetto  frei,  ohne 
jedoch  den  Witz   des  Plautus   (F.    880)  zu  verwerten. 

V.  Akt.  (1.)  Der  Diener  Biagino  eröffnet  den  Akt  mit 
der  Rede,  welche  im  Originale  der  senex  hat  (F.  882,  „Lumbi 
sedendod"  ff.).  Er  hat  den  Arzt  geholt.  (2.)  Cornelio  und  der 
Ar/t  tritt  auf,  und  dieser  macht  sich  (3.)  an  Lucido  Tolto.  Ein 
Monolog  Bettos  (4.)  entspricht  Plautus,  F.  966  sqq.  (5.)  Cor- 
nelio mit  vier  Facchini  will  Lucido  Tolto  fesseln  lassen,  Betto 
befreit  ihn.  (6.)  Lucido  Folchetto  kömmt  mit  Betto  zusam- 
men: (7.)  Lucido  Tolto  kömmt  dazu.  Sie  erkennen  sich  als 
Söhne  des  Agabito  und  der  Lucretia  aus  Palermo. 

Zum  Schlüsse  kömmt  folgende  Licentia,  eine  Art  Kritik 
des   Originales: 

Spettatori  non  ui  partite  anchora;  stentate  im  poco  di  gratia,  che 
hörne  uiene  il  buono.  la  Comedia  non  e  fornita,  che  i  nostri  Lucidi  si 
uoglion  portare  piu  da  gentil  huoniini  che  i  Menemi  di  Plauto,  e  mostrare 
che  gli  hanno  molto  niigliore  conscientia  i  giouani  dal  di  doggi  che 
quelli  del  tempo  antico;  la  prima  cosa  noi  uogliamo  rimandare  una 
uesta  alla  Signora  bella,  e  nuoua,  e  le  altre  sue  hagaglie,  e  anche  an- 
darui  una  sera  a  cena  tutti  quanti  inanzi  che  passi  questo  Carnouale, 
e  con  questo  che  ui  sta  lo  Sparecchia,  e  darengli  tanto  da  mangiare,  che 
ristori  la  perdita  del  desinare  di  stamattina.  Io  gli  uoglio  portar  dieci 
scudi  che  gli  ordini  a  modo  suo.  quelli  scortesi  di  que  Menemi  non 
usarono  alcuna  di  queste  gentileze,  che  lasciaron  la  pouera  Signora  in 
asso  senza  renderle  niente,  e  quel  pouero  Peniculo  dovette  digrignare 
che  non  lo  chiamarono  a  nulla.  Si  che  se  uoi  aspettate  insino  a  domani- 
dassera  egli  usciran  tutti  fuora,  e  andranno  doue  io  ui  ho  detto,  e  se 
uoi  non  uolete  asj)ettare,  tal  ne  sia  di  uoi,  che  per  hoggi  la  festa  e  fi- 
nita, qui  non  si  ha  a  uedere  altro,  se  uoi  non  siete  stati  a  uostro  modo, 
uostro  danno,  non  ci  fuste  uenuti,  che  chi  fa  quel  che  sa,  non  e  tenuto 
a  far  piu.  io  ui  ricordo  che  son  fanciugli.  a  Dio  a  ristorarui  un'  altra  uolta. 

Gegenüber  allen  diesen  zum  Teile  oft  recht  wert- 
losen Übertragungen  der  Menächmen  hat  eine  feine  Neu- 
bearbeitung derselben,  das  Lustspiel  ..La  Moglie"  des 
Cecchi,1)   Anspruch   auf  volle  Anerkennung. 

Der  Prologo  vergleicht  „La  dote"  desselben  Autors,  eine, 
Nachahmung  des  „Trinummus",  die  im  vorigen  Karneval  ge- 
geben wurde,  mit  dieser  Komödie  und  fahrt  dann  weiter:  „Ho 
ueduto  11110   tra  uoi,   che  ha  ghighiato   e  detto  guarti  Plauto,   che 


')  La  Moglie,  |  Comedia  |  di   Giovan    Maria  |  Gechi  (sie)  fioreu  tino. 
In  Vinegia  appresso  Gabriel  Giolito   de  Ferrari  e  fratelh  .MDL.    43  ibl. 


,-,;',. |  XL   Menächmi. 

sara?  hör  oltre  e  xiisi  corifessa  che  i  duoi  Menegini  di  Plauto  sono 
diuentati  duoi   Alfonso   nostri."  l) 

Cecchis  „La  Moglie",  die  später  (Ven.  1585)  von  dem 
Dichter  auch  in  versi  sciolti  hearbeitet  erschien,  ist  eine  Kon- 
tamination der  „Andria"  des  Terenz,  der  „Menäehmi" 
und  des  ,,Trinummns"  des  Plautus.  Die  ersten  zwei 
Akte   sind   vornehmlich  der  Andria  nachgebildet. 

I.  Akt.  (1.)  Ridolfo,  der  Pamphilus  des  Terenz,  ist 
im  Gespräche  mit  seinem  Diener  Füligno,  dem  Davus  der 
Andria;  er  führt  in  breiter  Rede  den  Zuschauer  in  die  läge 
ein.  Wider  Willen  seines  Vaters  Cambio  (Simo  des  Terenz) 
ist  er  heimlich  verheiratet  und  hat  seine  Frau  bei  seinem  Freunde 
und  Nachbarn  Alfonso,  dessen  Schwester  sie  ist,  verborgen. 
Die  Frau  hat  eine  bewegte  Vergangenheit  hinter  sich.  In  ihrer 
Jugend  geraubt  und  von  den  Ihrigen  getrennt,  ward  sie  an  eine 
Frau  in  Rangia  verkauft,  welche  sie  aufzog,  und  von  welcher 
sie  Ridolfo  loskaufte.  Sie  gab  ihm  das  Mädchen  nur  unter  der 
Bedingung  ab,  „se  giä  non  la  rendeua  a'  suoi  6  non  la  maritasse 
conueneuolm ente. "  Beides  geschah.  Alfonso s  Frau,  die  von  allen 
Geheimnissen  nichts  weiss,  fängt  indessen  bereits  an,  auf  die 
Fremde  eifersüchtig  zu  werden.  (2.)  Auch  Alfonso  weiss 
sich  nicht  mehr  zu  behelfen.  Die  Schwester  unter  diesen  Um- 
ständen länger  bei  sich  im  Hause  zu  halten,  ist  ihm  unmöglich. 
Auch  darf  seine  Frau  durchaus  nicht  erfahren,  dass  er  ihr  eine 
Mitgift  geben  will.  Fuligno  weiss  dafür  eine  Aushilfe.  Irgend 
ein  Unbekannter  soll  den  Onkel  Alberto  Spinola  spielen  und 
dem  Mädchen  die  Aussteuer,  als  von  ihm  kommend,  spenden.  (3.) 
Mittlerweile  hat  der  alte  Cambio  die  Wahrnehmung  gemacht, 
dass  sein  Sohn  irgend  eine  Liebe  am  Herzen  habe.  Er  vertraut 
seinem  Diener  Valenz o  an,  wie  er  ihn  erproben  wolle.  Er 
thut,  als  habe  er  vor,  seinen  Sohn  an  die  Tochter  seines  Freun- 
des Pandolfo  (des  terentianischen  dir  eines)  zu  verehelichen. 
„Io  lo  fmgo  ad  effetto  di  chiarirmi  d'  un  dubbio."  Die  Sache 
habe    aber   keine    Bedeutung    mehr.      ,,Cotesto    tutto    era    uero   & 


*)  Dieses  Berufen  auf  Plautus  und  Terenz  geschah  stets  mit 
Selbstbewusstsein.  Vgl.  Commedie  di  Ariosto  ed.  Tortoli  XLIX.  Dort 
heisst  es: 

Egli  ha  tolto  da  Planta 
LT  argomento  in  gran  parte  della  fauola; 
E  vi  protesta  che  farä  il  simile 
Sempre  in  tutte  le  sue,  perche  il  medesimo 
Ved'  egli  che  hanno  fatto  li  piü  nobili 
Comici  che  ui  sieno; 

und  im  Prolog  zu  den  Dissimili:  ein  che  ci  ha  in  questa  commedia  di 
buono  1'  ha  imitato  da  Terenzio  seguendo  in  ciö  la  opinione  di  quelli 
maestri  migliori,  delli  quali  egli  desidera  d'  es6er  diseepolo. 


Cecchis  La  Moglie.  535 

haueuamo  Pandolfo  &  io  conchiuso  il  tutto,  se  non  che  Pandolfo  dalla 
sera  alla  mattina  (quel  che  fasse  la  cagione  non  so)  si  rimosse  dal  si  al 
no  &  mi  lieentiö,  uedi  a  rotta  senza  allegar  di  cio  cagione  alcuna." 

II.  Akt.  (1.)  Ridolfo  klagt  über  seine  bevorstehende 
Heirat.  Fuligno  jedoch  stellt  ihm  die  Sache  ganz  anders  dar. 
In  Pandolfos  Hanse  denke  niemand  ernstlich  an  die  Ver- 
ehelichiing  der  Tochter.  ,,I  dico  che  iioi  denete  tenere  per  fon- 
damento  certo  &  stabile  che  Pandolfo  non  solo  non  acconsente  a 
queste  nozze,  ma  che  le  sono  cosi  da  nostro  padre  finte  che  egli 
non  ne  sa  nulla"  n.  s.  f.  Er  möge  sich  darum  in  alles  fügen, 
ja  sogar  einen  Ehekontrakt  unterzeichnen,  wenn  dies  gefordert 
werden  sollte.  (2.)  Demgemäss  erklärt  Ridolfo  seinem  Vater 
gegenüber,  dass  er  die  Braut  heiraten  wolle.  (3.)  Ricciard 0, 
Alfonsos  Zwillingsbruder,  tritt  mit  seinem  Diener  Minuccio 
auf.  Er  kommt  von  Siena  unter  dem  Namen  Alfonso.  Infolge 
eines  Ereignisses  dortselbst  ging  er  sogleich  und  nahm  nur  einiges 
Silberzeug  mit  sich.  Deshalb  wurde  er  nun  hier  am  Zollhause 
wegen  Defraudation  angehalten.  (4.)  Ridolfo  ist  der  erste,  der 
ihn  erblickt  und  als  Alfonso  begrüsst.  Er  hört  von  ihm,  dass 
er  zum  Zollhause  gehe  und  will  ihm  vorher  eilig  Mitteilung 
von  allem,  was  er  unterdessen  erfuhr,  machen.  Mit  der  Hochzeit 
mit  Pandolfos  Tochter  sei  es  nichts.  „Che  Zio,  che  nozze  dite  uoi 
o  che  Pandolfo?  uoi  credete  forse  menanni  per  il  naso;  io  ui  dico  &  ui 
replico  che  per  ogni  mezzo  che  sera  possibile,  io  uoglio  cercar  di 
rihauere  le  mie  argenterie,"  erwidert  ihm  Ricciardo  derb.  Da 
Ricciardo  sich  als  einen  Fremden  erweist,  kennt  Ridolfo  seinen 
Irrtum  ein.  ..Perdonatemi,  io  ui  ho  colto  in  cambio,  e  mi  sa  male 
gentil  huomo  di  hauerui  tenuto  a  disagio, "  entschuldigt  ersieh,  eilt 
aber  sogleich  zu  Alfonso,   um  ihm  Bericht   zu  erstatten. 

III.  Akt.  (1.)  Cambio  wendet  sich  nun  geradenwegs  an 
Pandolfo,  indem  er  ihm  seinen  Sohn  als  Eidam  anträgt.  Pan- 
dolfo verhält  sich  ausweichend,  dann  aber  spricht  er  sich  offen 
aus:  „Creditu,  Cambio,  eh'  io  non  sappia  che  egli  bazica  costi  in 
casa  cotesto  Sanese  .  .  .  Et  che  quella  Raugea  e  sua  cosa,  &  che 
per  insino  a  Raugia ,  horsu  e  basta. "  Dennoch  scheiden  sie 
nicht  gerade  uneins  hinsichtlich  der  Heirat.  (2.)  Valenzo  kann 
Beinen  Herrn  nicht  begreifen;  gestern  noch  war  er  gegen  die 
Verheiratung,  heute  sieht  er  ihn  mit  Pandolfo  einig.  Aber 
auch  Fnligno  macht  sich  bittere  Vorwürfe.  ..Costoro  sono 
d"  aecordo,  il  parentado  e  fatto  e  Ridolfo  scoperto  c  rouinato,  e 
tutto  per  consiglio  mio."  Sogleich  will  er  zu  seinem  Herrn, 
gerät  jedoch  an  (4.)  Ricciardo,  dem  gerade  eine  serva.  namens 
seiner  Frau,  Vorstellungen  macht.  Er  will  von  nichts  wissen;  er 
habe  keine  krau.  Während  ihm  die  Magd  noch  heftig  zusetzt, 
spricht  ihn  Fuligno  an.     Auch  ihn  keimt  er  nicht.    ..Fuligno."   — 


536  XI.    Menüchmi. 

„„Qual  Fuligno?""  —  „II  servidore  di  Ridolfo,  vostro  cognato. " 
Fuligno  sieht  seinen  Irrtum  ein  und  geht;  da  naht  (5.)  Ma- 
donna Margherita,  Alfonsos  Frau.  Er  erklärt,  sie  nie  ge- 
sehen zu  haben;  da  wird  die  Magd  (Lucia)  nach  dem  Oheim 
Bartolo  gesendet.  Ricciardo  kann  dies  alles  nicht  recht  he- 
greifen. „Come  puö  essere  che  io  somigli  tanto  il  marito  di 
costei  che  da  lui  ella  non  mi  riconosca. "  (6.)  Wie  der  plauti- 
nische  Vater,  so  stellt  sich  auch  der  alte  Bartolo  anfänglich  auf 
die  Seite  des  Mannes.  „Margherita,  tu  sei  troppo  superba,  e 
non  regerebbe  teco  presso  ch'  io  nol  dissi. "  Allein  Marghe- 
rita besteht  darauf,  dass  die  Raugea  aus  dem  Hause  müsse. 
Umsonst  wartet  Ricciardo  auf  seinen  Diener  Minuccio;  er  eilt 
zur  dogana.  (7.)  Bartolo  giebt  der  Dienerschaft,  die  er  zu- 
sammengerufen hat,  Auftrag,  Alfonso  wohl  zu  überwachen  und 
nach  einem  Arzte  zu  schicken. 

IV,  Akt.  (1.)  Fuligno  macht  Alfonso  den  Vorschlag, 
seiner  Frau  und  allen  Beteiligten  offen  zu  erklären,  dass  Raugea 
seine  Schwester  sei;  er  brauche  ihr  ja  die  versprochene  Mitgift 
nicht  auszubezahlen.  Dies  letztere  weist  Alfonso  mit  Entrüstung 
zurück.  Hinsichtlich  der  Mitgift  werde  ja  Nibbio  und  sein 
Diener  Noce  in  ihrer  Verkleidung  als  Alberto  aushelfen.  Al- 
fonso hat  auf  Fulignos  Pläne  nicht  allzugrosses  Vertrauen. 
Er  meint:  „Per  fidarsi  troppo  nelle  astutie  di  costui,  Ridolfo  ha 
quasi  rouinato  se  e  altri. "  (2.)  Die  Magd  giebt  ihren  Gedanken 
Ausdruck,  wie  vernünftig  einst  Alfonso  war,  und  wie  er  jetzt  zum 
Narren  geworden  sei.  Daran  kann  nur  seine  Frau  die  Schuld 
tragen,  „questo  diavolo  della  moglie  che  sempre  lo  tribola. "  (3.) 
Durch  die  Bedienten  erfahren  wir,  wie  schwer  es  gelang,  den 
vermeintlichen  Narren  zu  bewältigen.  „Io  me  ne  sentiro, "  sagt 
Nizzo,  „a  questo  braccio  qualehe  giorno,  e  quel  poueraccio  del 
Corbo  ha  un  pie  rotto  e  un'  occhio  pesto."  Richtig  ahnt  er: 
„Pazzisonloro,  che  egliein  ceruello  benissimo."  (4.)  Ein  Kaufmann 
von  Siena  bietet  Ricciardo  Geld  und  Wohnung  an,  doch  dieser 
will  bei  seinem  alten  Wirte  bleiben;  zudem  erwartet  er  jeden 
Augenblick  Albertos  Ankunft,  der  ihm  Meldung  machen,  wie 
sein  Prozess  mit  seinem  Gegner  verlief,  und  ihm  Bargeld  bringen 
wird.  Statt  des  erwarteten  Alberto  kömmt  jedoch  (5.)  der  Arzt. 
Mit  Hilfe  seiner  Diener  und  des  Fornaio  wird  Ricciardo  gefesselt 
und,  mit  Stricken  gebunden,  abgeführt.  (6.)  Nibbio,  als  Alberto 
Spinola,  tritt  mit  seinem  Diener  N o c e  auf  (7).  An  ihn  gerät  (8.) 
Ricciardo.  Da  er  sich  als  Alberto  Spinola  vorstellt,  wird  Ric- 
ciardo sehr  grob,  und  Nibbio  kann  nicht  begreifen,  was  indessen 
vorging.      Er  berichtet  (9.)  Fuligno   die  ganze  Geschichte. 

V.  Akt.  (1.)  Fuligno  richtet  einen  Boten  ab,  was  er  zu 
sagen  habe.      (2.)  Pandolfo    tritt    auf  und  erfährt   auf  eigentüm- 


Cecclm  La  Moglie.  537 

liehe  Art  alles,  was  er  nach  Fuligno  s  Plan  wissen  soll,  indem 
der  Bote  immer  laut,  sodass  Pandolfo  es  hören  muss,  das  sagt, 
was  ihm  Fuligno  leise  vorspricht.  Der  Hauptinhalt  ist,  dass 
Ridolfo  bereits  heimlich  verheiratet  sei  und  nun  Pandolfos 
Tochter  nicht  nehmen  könne.  Pandolfo  stellt  sofort  Fuligno 
zu  Rede,  dieser  giebt  sich  zum  Scheine  alle  Mühe,  ihn  umzu- 
stimmen, doch  gelingt  es  ihm  nicht.  Der  Alte  ist  fest  ent- 
schlossen, seine  Tochter  nicht  aufzuopfern.  (3.)  Alberto  Spi- 
nola  ist  mit  seinem  Diener  Mosca  angekommen.  Er  hat  gehört, 
dass  Alfonso  hier  Haus  und  Weib  habe,  und  meint  selbst,  es 
sei  besser  für  ihn,  hier  zu  bleiben.  (4.)  Alfonso  tritt  aus  dem 
Hause.  Er  entlässt  den  Arzt  mit  den  Worten:  „II  poco  aecorgi- 
mento  loro  ha  dato  a  uoi  questo  disagio  e  a  me  questo  fastidio. " 
Alberto  erblickt  Alfonso;  er  wundert  sich  über  seine  Kleidung 
imd  glaubt,  er  wolle  ihn  nicht  kennen.  Alberto  klärt  die  Lage, 
und  auf  Alton sos  Frage :  „ 0  quäl  altro  Alfonso  haueste  uoi  giamai ? " 
erwidert  Alberto:  „II  tuo  fratello  Riceiardo,  il  quäle  credendo 
hauerti  perduto ,  io  chiamo  Alfonso."  Also  ganz  wie  bei  Plau- 
tus.  Alberto  geht  mit  Alfonso  ins  Haus.  Mosca  bleibt  zurück 
und  findet  (5.)  Riceiardo.     Es  folgen  einige  Verwechslungen. 

Noch  immer  (8.)  sucht  Cambio  Pandolfo  zu  beschwich- 
tigen, da  treten  Ridolfo  und  Fuligno  (9.)  auf.  Ihr  Zwiege- 
spräch bringt  Cambio  ins  Klare:  alsbald  gesteht  auch  Ridolfo 
dem  Vater  seine  geheime  Verehelichung;  doch  versichert  er  ihn, 
„che  ella  ha  buonissima  dote, "  und  dass  sie  auch  sonst  ein  vor- 
treffliches Mädchen  sei.  Nun  ist  die  Reihe  an  Pandolfo,  den 
jammernden  Vater  Cambio  zu  beruhigen.  Nur  aus  Rücksichten 
auf  ihre  alte  Freundschaft  habe  er  seine  Tochter  seinem  Sohne 
zugestanden;  denn  ein  gewisser  Alessandro  Rustichelli  werbe 
ernstlich  um  dieselbe. 

(10.)  Alberto  Spinolas  Auftreten  entscheidet  das  Ganze.  Er 
begrüsst  Pandolfo  als  seinen  Schwager  und  erklärt,  dass  Al- 
fonso sein  Sohn,  Ridolfo s  Frau  seine  Tochter  sei,  die  beide 
tot  geglaubt  wurden.  Cambio  zweifelt  noch;  Pandolfo  sei  ja 
ein  Florentiner.  Dieser  jedoch  giebt  eine  weitere  Erklärung.  Er 
sei  in  seiner  Jugend  aus  Florenz  verbannt  worden,  weil  er  einen 
jungen  Edelmann  aus  Bologna  getötet  habe.  Nach  Ägypten  ge- 
zogen, habe  er  Vaterland  und  Namen  geändert  und  sich  Silvano 
de'  Silvani  aus  Siena  genannt.  Dort  habe  er  Albertos 
Schwester  geheiratet  und  mit  ihr  drei  Kinder  gezeugt.  Auf 
einer  Seereise  sei  er  gefangen  worden,  jedoch  wieder  nach  Spa- 
nien entkommen.  Von  dem  Tode  seiner  Frau  benachrichtigt, 
habe  er  eine  /.weite  Frau  geehlichl  und  von  ihr  die  Tochter  er- 
halten, welche  Ridolfo  zugedachl  war.  indessen  ..in  cielo  era 
fatto  che  Ridolfo  doxiesse  essere  mio  ffenero".      Nach  solcher  Lö- 


538  XI.  Menächmi. 

sung  muss  man  allerdings  mit  Fuligno  sagen:  „0  Dio,  qnanto 
subito,  uario  c  non  niai  aspettato  esito  lia  hauuto  qnesta  cosa: 
come  di  tanti  trauagli  siamo  noi  uenuti  in  sicnro  porto.  Hör  fia 
contento  Ridolfo,  e  Alessandro  con  non  minore  contento  di  Cambio 
&  di  Pandolfo." 

]\Iit  besonderer  Geschicklichkeit,  wenn  auch  vielleicht 
oft  mit  allzugvosser  Ängstlichkeit  in  der  Nachahmung, 
hat  Cecchi  Terenz  und  Plautus  kontaminiert.  Es  lässt  sich 
nicht  leugnen,  dass  den  eigentlichen  Inhalt  des  Lustspiels  das 
Thema  der  Andria  bildet,  und  dass  die  Menächmi  nur  Episode 
sind.  Von  beiden  Dichtern  jedoch  ist  alles  in  gewandter  Weise 
verwertet.  Von  Terenz  ist  nur  eine  Episode  der  Andria  — 
die  Szenen  Charinus-Byrria  —  weggehlieben;  dagegen  ist  die 
Lösung,  das  Geständnis  des  Sohnes  („Ego  nie  amare  haue  fateor" 
u.  s.  w. ,  Ter.  Andr.  V.  896),  die  Erklärung  Albertos,  der  den 
Crito  des  Terenz  spielt,  ganz  aus  der  Andria.  Die  Momente 
aus  den  Menächmen  kommen  alle  zu  wirksamer  Geltung,  ja  es 
spielt  noch  eine  weitere,  ganz  effektvolle  Szene  aus  dem  Trinummus 
herüber,  indem  irgend  ein  Unbekannter  den  fernen  Onkel  spielen 
und  die  Aussteuer  überreichen  soll.  Ganz  natürlich  erscheint  der 
ganze  Vorgang  bei  Cecchi  darum,  weil  fast  alle  Auftreten- 
den sofort  ahnen,  dass  hier  eine  Verwechslung  vorliege 
und  sie  an  eine  unrechte  Persönlichkeit  geraten  sind, 
wornach  sie  ihre  weiteren  Schritte  einrichten,  und  die 
Irrung  nur  da  festgehalten  wird,  wo  sie  eine  komische  Wirkung 
oder  einen  bühnentechnischen  Zweck  haben  soll,  wie  bei  dem 
Auftreten  des  Arztes.  Eine  Wirkung  hat  sich  indessen  der  Dichter 
entgehen  lassen.  Die  beiden  so  ähnlichen  Zwillinge  stehen 
sich  nie  gegenüber.3) 


')  Riccoboni,  II,  252,  urteilt:  Cecclii  a  pense  de  faire  une  seule  co- 
medie  des  Menechmes  de  Piaute  et  de  l'Andrienne  de  Terence  enles  joignant 
ensemble  et  de  l'appeler  la  Moglie  .  .  .  Le  Cecchi  dans  cette  belle  Comedie 
de  la  Moglie  .  .  .  a  imagine  une  grande  facilitepour  la  vraisemblance  dans 
les  situations  des  Menechmes.  Les  Aucieus  dans  cette  piece  n'avoient  pas  be- 
soin  du  secours  dont  ont  besoin  les  Modernes.  Les  deux  freres  doivent  se 
ressembler  au  point  de  tromper  les  acteurs  de  la  pißce.  Cette  necessite 
parmi  les  Latins  ne  souffroit  point  de  difficulte,  tous  les  Acteurs  etaient 
masques  et  deux  masques  pareils  faisoient  la  ressemblance  parfaite  des 
deux  Menechmes.  Aujourd'hui  nous  somnies  bien  embarasses;  les  deux 
Menechmes  ne  se  ressemblent  jamais  et  le  plus  souvent  il  y  a  une  teile 
difference  entre  les  deux  que  toute  la  piece  devient  ridicule.  Cecchi 
par  deux  mots  d'avertissement  au  lecteur  dit  que  dans  la  piece  les  deux 
freres  peuvent  etre  representes  par  le  meme  acteur  qui  a  tout  le  tems 
de  changer  d'habit.  Voihl  une  grande  difficulte  de  levee  j>ar  rapport 
ä  la  vraisemblance.  —  Dies  ist  der  Grund,  warum  in  den  späteren  Be- 
arbeitungen fast  nie  mehr  die  Zwillinge  nebeneinanderstellen, 
was  (selbst  eine  neuere  ähnliche  Idee  (Girofle-Girofläy nicht  ausge- 
nommen) die  Komik  abschwächt. 


Pietro  Aretinos  Lo  Hipocrito.  539 

Sprachlich  hat  das  Stück  seinen  Erfolg  durch  die  Aner- 
kennung der  Accademia  de  IIa  Crusca  gefunden,  die  es  in  den 
Kanon  aufnahm:  eine  andere  nicht  minder  hohe  muss  man  ihm 
ausserdem  zugestehen;  es  ist  eine  sittlich  unanfechtbare  Komö- 
die, die  reinste  der  Menächmennac  libildungen.  Nach  den 
Proben,  die  uns  bis  jetzt  vorlagen,  ist  dies  gewiss  nicht  das 
letzte  Lob. 

Eine  Menächmengeschichte  bildet  eine  der  hauptsäch- 
lichsten Episoden  in  des  berüchtigten  Pietro  Aretino  Lustspiel 
„Lo  Hipocrito",1)  und  zwar  ist  auf  ihr  eine  ganze  Reihe  von 
Verwechslungen  aufgebaut.  Der  alte  Liseo  hat  einen  Zwillings- 
bruder, Britio.  Lassen  wir  ihn  selbst  berichten  (I,  3):  „Naequi 
insieme  con  uno  altro  maschio,  uenne  la  guerra  in  cjuesta 
patria  che  non  ha  mai  conosciuto  pace,  &  riempitasi  di  soldati, 
secondo  che  piu  uolte  mi  ha  conto  mia  madre,  il  fratellin,  che 
ella  partori  con  meco,  le  fn  tolto  di  collo,  mentre  dormendo 
io  ne  la  culla  suggeua  le  poppe  (mi  era  scordato);  egli  si  chia- 
maua  Britio.  Liseo  ist  aber  nicht  so  edel  wie  der  plautinische 
Monlichmus,  im  Gegenteile  befürchtet  er  Britios  Wiederkehr, 
da  er  mit  ihm  sein  Erbgut  zu  teilen  hätte.  „Quel  che  poi  se 
ne  sia  suto,"  fährt  er  fort,  „io  non  lo  so.  E  per  ch'  io  mi  son 
cacciato  in  fantasia,  che  sia  uiuo,  mi  tengo  disfatto,  perche 
a  dirlo  al  uostro  secreto  sarei  rouinato  hauendo  a  diuider  seco 
la  robba." 

Noch  im  ersten  Akte  aber  tritt  Britio  mit  seinem  Diener 
Tan  furo  auf  und  erzählt  seine  Geschichte.  Ein  gewisser  Ro- 
dalosso  erzog  ihn  und  sagte  ihm  nur,  dass  er  von  Mailand 
stamme  und  Britio  heisse.  Er  starb  zu  Neapel  und  hinterliess 
ihm  sein  ganzes  Vermögen,  worauf  Britio  sich  nach  Mailand 
begab,  um  vielleicht  noch  jemand  von  seiner  Familie  zu  finden. 
Kaum  ist  er  hier  angelangt,  so  beginnen  die  Verwechslungen 
mit  seinem  Bruder  Liseo,  ganz  wie  in  den  Menächmi  des 
Plautus. 

Der  Diener  Liseos,  Malanotte,  hält  ihn  für  seinen  Herrn, 
ja  sogar  Maia,  Liseos  Frau,  sieht  ihn  für  ihren  Mann  an  und 
händigt  ihm,  ähnlich  wie  in  den  Menächmi,  Perlen  und  Kette 
ihrer  Tochter  Tansilla  aus.  Britio  kann  sich  dies  alles  nicht 
erklären,  aber  er  nimmt  die  Kleinode  an.  „perche  chi  ricusa  le 
nentnro   e   suenturato." 


')  Lo  Hipocrito  |  Comedia  |  di  Messer  Pietro  |  Aretino.  ]  AI  Magna- 
nimo  Duca  di  |  M.  D.  Vrbino  XLII.  Ohne  Paginierung  und  Angabe  des 
Druckorts  (Venedig  bei  Ag.  Bindoni  >"\<-v  Gahr.  (liolito  de  Ferrari), 
dagegen  mit  dem  zweifachen  Bilde  des  „göttlichen  Aretiners"  in 
der  bekannten  Manier. 


540  XI.   Menächmi. 

Die  Verwechslungen  setzen  sieh  fort;  Tansilla  ist  unglück- 
lich, ihr  Geschmeide  nicht  zu  erhalten;  Liseo  weiss  natürlich 
nichts  davon.  Eine  weitere  Szene  folgt,  in  welcher  Hipocrito 
mit  Britio  spricht,  in  dem  er  Liseo  vermutet,  worauf  er  dann 
Liseo  diesem  natürlich  unverständliche  Vorwürfe  üher  sein  eben 
an  den  Tag  gelegtes  Benehmen  macht. 

Die  Geschichte  mit  den  Perlen  beschäftigt  hauptsächlich 
alle   zumeist   (II): 

Liseo.  Dove  me  hai  tu  dato  le  perle,  e  la  catena? 

Mala.  Ne  la  strada,  in  presentia  di  costor  dua. 

Perdelgiorno.  E  la  uerita,  padrone. 

Liseo.  Voi  ne  tramentite  per  mille  arcicanne  de  la  gola 

u.  s.  w.  —  Der  dritte  Akt  bringt  neue  Verwicklungen.  Zefiro, 
der  Liebhaber  Annettas,  einer  Tochter  Liseos,  wendet  sich 
irrigerweise  an  Britio.  Dieser  will  keine  Stunde  mehr  hier 
bleiben.  So  setzen  sich  die  Verwechslungen  fort.  Selbst 
Tanfuro  hält  Liseo  für  seinen  Herrn  Britio,  bis  endlich  im 
vierten  Akte  die  beiden  Brüder  einander  gegenüberstehen.  Alles, 
selbst  die  Sprache,    ist  an  beiden  völlig  gleich. 

Liseo.      A  fe,  che  s'  io  non  fasse  io,  giurarei  di  esser  costui. 
Britio.     Sto  a  uedere,  se  la  presuntione  sua  uorra  esser  me. 

Tanfuro  und  Eguardabasso  verwechsehr  ihre  Herren, 
indem  ersterer  mit  Liseo,  letzterer  mit  Britio  abgeht,  was  aber 
sofort  weitere  Verwirrungen  verursacht. 

Die  Irrtümer  sind  in  diesem  Stücke  zahlreicher,  als 
in  den  Menächmen.  Ob  aber  die  letzteren  den  Aretino  zu 
seiner  Komödie  direkt  veranlasst  haben,  muss  zum  mindesten 
dahingestellt  bleiben. 

Eine  niederländische  Übersetzung  des  „Hipocrito"  — 
„Den  Schyn-Heyligh"  --  lieferte  P.  C.  Hooft.1)  Doch  wollte 
er  sich  nicht  zu  dei-selben  bekennen,  suchte  vielmehr  Brederoo 
als  Verfasser  derselben  auszugeben. 

Die  Liste  der  Menächmennachbildungen  zu  erschö- 
pfen, ist  eine  Unmöglichkeit;  nicht  minder  unmöglich 
ist  es,  die  hier  und  dort  als  solche  genannten  Stücke 
sich  zu  verschaffen.'-)  Kiccoboni  (II,  252)  sagt:  „Les  come- 
diens  qui  pendant  un  siecle  en  commencant  en  1550  jusqu'en 
1650  dans  leurs   comedies  jouees   ä   Timpromptu  ont  fait  usage 


')  Jonokbloet,  II,  57. 

-)  Dem  Titel  nach  könnten  z.  B.  hierher  Beziehung  haben  an 
italienischen  Stücken:  Gio.  Batt.  della  Porta,  Gli  duoi  fratelli 
rivali,  1601    (Allacci   105);   Eusebio  Lucchetti  da  Ciuitä   nuova, 


Flarninio  Scala.  541 

de  tont  ce  qu'il  y  avait  de  meilleur  parmi  les  bonnes  comedies 
ecrites  qu'on  jonoit  ä  l'impromptu,  n'ont  point  neglige  celle-ci; 
eile  nous  reste  encore  sons  le  titre  des  deux  Lelio  et  des  deux 
Arlequins,  et  eile  a  e4e  aussi  heureuse  en  France  qu'elle  Fest 
en  Italic  Dans  cette  comedie  qui  n'est  que  les  MenecLmes  de 
Piaute  un  seul  acteur  represente  les  deux  freres:  011  y  ajoute  les 
deux  valets  qui  sont  deux  jumeaux:  comme  les  maitres  et  les  deux 
valets  sont  joues  par  Arlequin  qui  joue  les  deux  freres  aussi  bien 
que  l'acteur  serieux. " 

Einige  Winke  über  diese  Darstellungen  „a  l'impromptu", 
dieser  Stegreif komödie  oder  „com media  dell'  arte",  entnehmen 
•wir  den  Sammlungen  des  bekannten  Flaminio  Scala1)  in  seinem 
„Teatro  delleFauole  rappresentatiue"  (vgl.  S.  400).  Massen- 
haft2) wurden  Menächmen  gespielt;  ihrer  drei  enthält  auch 
das  ebengenannte  Werk.  Wir  dürfen  die  Inhaltsangabe  nicht 
vorenthalten. 

Seite  1:  Giornata  Prima.  ..Li  duo  Vecchi  Gemelli." 
Comedia. 

Argomento:  Furono  gia,  in  Veuetia  duo  fratelli  gemelli 
nomati  V  uno  Pantalone  de'  Bisognosi,  il  quäle  hebbe  un  figlio 
Flauio  nominato;  e  1'  altro  Tofano  Bisognosi,  il  quäle  parimente 
hebbe  un  figlio  Oratio  chiamato.  Erauo  quei  duo  fratelli  mer- 
canti  ricchissimi  e  negotiauano  con  Naui  per  Soria  et  per  1'  altre 
parti  di  Leuante.  Auuenne,  che  essendo  li  duo  fratelli  sopra 
d'  una  Naue  per  Alessandria  d'  Egitto  furono  da  Corsari  fatti 
schiaui  e  venduti  in  terra,  ad  un  Mercante  turco  il  quäle  alla 
volta  di  Persia  li  condusse:  Rimasero  i  figli  Flauio,  et  Oratio  di 
etä  di  dodici  anni  ogn'  uno  d'  essi,  al  gouerno  delle  loro  madri; 
e  per  grau  diligenza  che  si  potessero  usare  mai  non  poterono 
de'  Padri  loro  Lauer  noua  alcuna:  la  onde  presero  per  partito  di 
leuarsi  dalla  patria,  et  attendere  alla  mercatura  et  al  negotio,  in 
Fiorenza,  e  cosi  standosene  soprauenne  loro  il  contagio,  nel  quäle 
delle  madri  loro  priui  rimasero;  per  la  quäl  cosa  cessato  il  male 
a# Fiorenza  si    trasf erirono ,    per    la    quäle  andata,   e  füora  d'   ogni 


Le  tlue  sorelle  rivali,  1G0Ü  (Allacci  104);  Francesco  Lupi  Pisano, 
De  «lue  sorelle,  1625  (Allacci  104);  an  französischen:  Frangois  le 
Metel,  sieur  de  Boisrobert  (gest.  1662),  Les  trois  Orontes  ou  les 
trois  semblables.  Comedie  en  5  actes  en  vers  1653.  (Beauchamps. 
11.  134:)  Scudery,  Lydamon  et  Lydias  ou  la  Ressemblance ,  fcragi- 
comedie  16'29.  (H.  Lucas,  Hist.  III);  au  holländischen:  De  gelyke 
Tweelingen,  ein  Stück  der  Kuustyciiossruscluift  (IS  r.Ihd.i.  (Jonckbloet 
II,  41S.)  —  Gustave  Desnoireterres   erwähnt    (Epicuriens  ei   lettre's 

1879.    S.  184)  eine   22.  März  1731  aufgeführte  Komödie  „Les  deux 

jumelles". 

')  Riccoboni,  pag.  40. 

2)  Napoli  Signorelli,  Storia  critica  de'  teatri.    II,  77. 


542  XL   Menächmi. 

loro  speranza  hebbero  nuoua  di  Soria,  come  im  ricco  mercante 
Armeno  haueua  in  Persia  riscattato  duo  schiani  fratelli,  e  che  gli 
conduceua  ä  Fiorenza  hauendo  il  detto  mercante  in  detta  cittä  ä 
trattäre  delli  suoi  negotij.  Capito  finalmente  il  detto  mercante 
Armeno,  co'  suddetti  schiani,  i  qnali  dopo  molti  gratiosi  auueni- 
menti  cagionati  per  loro  gran  simiglianza  riconoscono  i  propri  figli, 
i  qnali  con  due  hellissime  vedone  s'  accompagnano,  e  co  i  padri 
loro   viuono   poi  vita  lieta,   e  contenta. 

Seite  50:  Giornata  XVII.  „Li  duo  Capitani  simili.'- 
Comedia. 

Argomento:  Habitana  in  Roma  un  certo  Dottore,  il  quäle 
oltre,  che  era  di  nobile  famiglia,  ancora  de'  beni  di  fortuna  era 
dotato.  Di  lni  eredi  altri  non  haueua,  che  una  sola  figlia,  la 
detta  Isabella,  quella  prima  della  sua  morte  desiderando  ueder 
maritata  ad  un  Capitano,  con  cui  credeuasi  d'  hauerla  benissimo 
appoggiata  la  diede;  ma  diuerso  fü  1'  effetto.  Era  nato  ad  un 
medesimo  parto  col  Capitano  un  suo  fratello,  il  quäle  per  la  simi- 
glianza difficilmente  da  lni  si  poteua  discernere:  Venne  in  quel 
mezzo  desiderio  al  Capitano  di  riueder  il  fratello  essendo  gran 
tempo,  che  non  s'  erano  ueduti,  et  intendendo  ä  Napoli  trouarsi, 
fatto  pure  anch'  egli  Capitano  abbandonando  la  moglie  ä  Napoli 
si  trasferi,  doue  non  hauendo  certezza,  in  Sicilia,  indi  a  Malta 
passö,  e  per  lo  spatio  di  sei  anni  senza  tornar  a  Roma  ritornossi: 
doue  gionto  ncl  medesimo  giorno  il  cercato  fratello  ancor  lni 
gionse,  per  la  cui  somiglianza  interuenne  quello,  che  la  Comedia 
anderä  dimostrando. 

Seite  88:    Giornata  XXX.      „Li   finti   Serui."      Comedia. 

Argomento:  Era  in  Genoua  un  ricco,  et  honorato  merca- 
dante  chiamato  Leone  Adorni,  il  quäle  godeua  uita  felicissima, 
si  per  le  sue  ricchezze,  com'  ancora  per  lo  contento  di  duo  figli, 
che  gli  erano  rimasi  della  morta  consorte,  1'  uno  maschio  nomato 
Cinthio,  e  1'  altra  femina  Isabella  nomata:  Auuenne,  in  quel 
tempo,  che  Isabella  s'  innamorö  d'  un  nobilissimo  giouane  fore- 
stiero,  che  nella  casa  del  padre,  per  passaggio  alloggiaua;  il  quäle 
partendosi  poi  per  suoi  affari  alla  sua  patria  di  Fiorenza  si  ri- 
dusse.  Allbora  Isabella  non  potendo  piu  sopportare  1'  amoroso 
tormento,  ne  la  insopportabil  lontananza  dell'  amante  suo  si  risolse 
di  scoprirsi  ad  un  suo  fratello  nomato  Cinthio,  il  quäle  piu  per 
curiosita,  che  per  sano  giuditio  consigliö  la  sorella,  che  in  habito 
da  huomo  si  ponesse  e  seco  a  Fiorenza  se  ne  andasse,  il  che 
successe:  et  arriuati  a  Fiorenza  si  posero  ad  osseruare  il  loro  ne- 
gotio,  et  tei'minato  il  tutto,  Isabella  per  seruo  si  pose  in  casa 
1' amante  suo,  e  Cinthio  con  altro  si  diede  ä  nuoua  seruitude: 
Occorse  che  la  sorella  dell'  amante  de  Isabella  credendo  la  huomo, 
di  lei  fieramente  s'  accese,   e  Cinthio  della  detta  amante  di  sua  so- 


Ruzzantes  Anconitana.  543 

rella  innamorandosi  con  piaceuole  inganno  hebbe  et  ottenne:  il  die 
saputosi  poi,  furono  dal  padre  consolati  facendo  acquisto  ogn'  uuo 
della  cosa   amata. 

Dieser  letzte  Komödienstoff  ist  eine  direkte  Anknüpfung  an 
die  „Inganni"  des  Secco,  deren  es  nach  dem  Gesagten  zahllose 
o-iebt  —  Auch  die  „Anconitana"  des  Angelo  Beolco  Ruzzante  (S.  246) 
steht  damit  in  Beziehung,   wie  ihr  Argomento   beweist. 

Tancredi,  e  Theodoro,  giouani  Siciliani,  &  Isotta  —  donna 
di  Gaietta  che  sotto  habito  di  huomo  si  fa  chiamare  Gis- 
mondo,  furono  presi  tntti  tre  da  corsali:  &  venduti  ad  vn  Moro; 
dipoi  da  vno  mercante  Venetiano  riscattati,  &  condotti  a  Vinegia, 
con  promessa  di  non  mai  da  lui  partirsi,  se  intieramente  non 
era  da  loro  i  suoi  danari  sodisfatto,  li  quali  haueano  in  Sicilia 
mandati  a  togliere.  Et  perche  erano  tntti  tre  di  virtü  gentilis- 
sime  vestiti,  vennero  in  questa  Citta ,  fatti  suoi  auisi  di  aeconci- 
arsi  per  mezo  delle  virtü  loro,  a'  seruigi  di  aleuna  valorosa  donna, 
da  quella  trahendo  li  denari  per  sodisfare  al  mercante.  Et 
mentre  questi  tre  giouani  raecontano  le  virtü  sue  ad  una  Corti- 
giana  chiamata  Doralice,  che  ad  vna  fenestra  dimoraua:  auenne 
che  vna  bellissima  donna,  moglie  di  vno  ricchissimo  vecchio  giä 
Sensale  stato  chiamato  Sier  Tbomao  inamorossi  di  questo 
Gismondo,  credendolo  huomo  &  induce  il  vecchio  marito  suo 
a  riscuoterlo:  il  quäl'  amando  sconciamente  Doralice,  mentre  che 
per  mezo  di  vn  suo  famiglio  detto  Ruzante,  che  altresi  in  vna 
fantesca  di  Doralice  feruentemente  e  innamorato  cerca  di  venire 
all'  ultimo  amoroso  diletto,  auenne  che  Gineura  donna  vecloua  An- 
conitana, veduto  Gismondo  in  Ancona  &  falsamente  credendolo 
huomo  del  suo  amore  ardentissimamente  restö  presa,  &  con  vna 
sua  sola  fante  Gitta  chiamata,  in  habito  di  huomo  ambedue  son 
venute  in  questa  Citta  per  ritrouarlo,  &  dopo  lunghi  ragionamenti 
&  aeeidenti  amorosi,  venne  a  ritrouar  quella  esser  una  sua  sorella 
otto  anni  peregrina  andata,  &  da  lei  per  morta  pianta.  Ultima- 
mente  si  maritano.  Isotta  prende  per  sposo  Tancredi  e  Gineura 
Tbeodoro,  tratti  di  seruitü  da  certi  gentilhuomini  Padouani,  &  ä 
godersi  tornano  nella  loro  patria.  Sier  Thomao,  &  il  famiglio 
suo  Ruzante,  ordina  con  Doralice,  &  Besä  fante  il  modo  di 
godersi  questa  sera  insieme,  vanno  ad  una  villa  non  guari  lontana. 

Eine  Reminiszenz  der  Menächmi  lässt  sich  auch  am  Schlüsse 
der  XXV.  Giornata  (S.  71),  „La  Gelosa  Isabella,"  in  den  Ver- 
wechslungen mit  Fabritio   finden.1) 

Ähnlicher  Art  ist  mit  andern  wohl  auch  das  vmi  Beauchamps 
(Rech.   III,    122)    zitierte    Stück    der    neuen     italienischen    Bühne: 

')  Scala,  a.  a.  0. 


544  XI-    Menächmi. 

„La  figlia  creduta  maschio,"  frz.  „La  fille  crue  gar<jon", 
Com&lie  en  trois  actes  pav  Lelio. 

Mehr  noch  auf  der  Ähnlichkeit  der  Geschwister  beruht  der 
Stoff  der  (92  fol.)  langen  Komödie  „La  Cingana".  Comedia  di 
Gigio  Arthemio  Giancarli  Rhodigino.  (In  Vinegia  appresso  di 
Agostino  Bindoni  1550.)  Auch  hier  sind  es  „doi  figliuoli  ad  vn 
parto,  T  im  maschio,  1'  altro  femina.  Tanto  simil  d'  effi- 
gie,   quanto   sappia  o   possa  far  la  natura"    u.  s.  w. 

Zahllos  sind  die  Titel  der  Werke,  die  auf  eine 
Verwechslung  zweier  sich  ähnlich  sehender  Geschwister 
hinweisen.  „I  Fratelli  Simili"  des  Giambattista  (de  la) 
Porta  (1614);  *)  „Gli  Schiaui  gemelli"  des  Francesco  To- 
retti  (1623);2)  „Le  due  Sorelle  simili"  des  Giambattista 
Pianelli  (1633);3)  „I  duo  Lelii  Simili"  des  Giamb.  An- 
dreini (1622);4)  „La  Somiglianza"  des  Nicolo  Amenta 
(1706);5)  die  „due  Francesche"  des  Bernard.  d'  Azzi;6)  „I 
quattro  Simili"  von  Sebast.  Chiesa;  vielleicht.  (?)  „Gli 
Errori"  des  Giacomo  Cenci  u.  a.  ruhen  auf  der  Menäch- 
menidee. 

Eine  Art  Gegenstück  zu  dieser  Form  der  Menächmen 
bildet  das  Lustspiel  „Les  Intrigues  Amoureuses"  (1666)  des 
Gabriel  Gilbert  (1610— 1680). 7)  (S.  101.)  Dort  ist  es  eine 
einzige  Person,  die  bald  als  Mann,  bald  als  Weib  gekleidet, 
die  Verwirrung   hervorruft.  8) 

Noch  führt  uns  der  Titel  eines  Lustspieles  des  Carlo  Gol- 
doni:  „I  due  gemelli  Veneziani,  commedia  in  tre  atti  in 
prosa",9)  auf  die  Menächmen.  Indessen  steht  es  weit 
von  Plautus  ab.  Goldoni10)  nennt  als  Veranlassung  zur  Ab- 
fassung dieses  Stückes  die  passende  Persönlichkeit  des  Schau- 
spielers   Dar  bes. 


')  Prölss.    I,  2.  144. 

2)  Stiefel,  a.  a.  0.    S.  352. 

3)  Riccoboni.    I,  152. 

J)  Fuhr  mau.  III,  52.  —  Beaucliamps,  Rech.  III,  124. 

5)  Ibid. 

u)  Fuhr  man.    III,  52. 

7)  Auf  S.  7 — 57  des  zweiten  Baudes  vou  Fournel,  Les  contem- 
poraius  de  Moliere.  —  Beauchamps,  Rech.  II,  169. 

8)  Ebenda,  S.  5.  La  piece  ...  est  fondee  sur  une  idee  conti- aire 
ä  celle  des  Meuechmes  et  des  autres  comedies  du  meine  genre,  oü 
deux  personnages  qui  se  ressemblent,  ordinairement  deux  jumeaux,  sont 
pris  pour  im  seul,  tandis  qu'ici  c'est  une  seule  personne  qui  se  fait  passer 
pour  deux,  s'habillant  tantot  en  fille  et  tantöt  en  garcon. 

9)  Enthalten  auf  S.  273— 400  des  vierten  Bandes  derScelta  delle 
Commedie  di  Carlo  Goldoni  .  .  .  unite  insieme  da  J.  G.  di  Fraporta. 
3.  Ausg.  (Lpz.,  Breitkopf,  1790). 

10)  Memorie.    II,  1. 


Goldonis  I  due  Gemelli.  545 

I.  Akt.  Rosaura,  die  vermeintliche  Tochter  des  bologne- 
sischen  Advokaten  dottore  Balanzoni  in  Verona,  schmückt  sich 
zum  Empfange  ihres  Bräutigams,  des  Zanetto  Bisognosi,  „figlio 
di  quel  famoso  mercante  Veneziano  che  chiamavasi  Pantalone,  il 
quäle  e  stato  allevato  a  Bergamo  da  suo  zio  Steffanello  ed  e  uno 
de'  piü  ricchi  mercanti  di  Lombardia. "  (1.)  Brighella  meldet 
seine  Ankunft;  erklärt  aber  Rosaura  auf  ihre  Frage:  „egli  mi 
par  molto  semplice.  Non  sapeva  nemmeno  da  che  banda  smon- 
tar  da  cavallo."  Zugleich  erfahren  wir  von  seinem  Ausseren  (4.): 
..AI  viso  egli  somiglia  tutto  a  un  certo  suo  fratello  gemello,  che 
ha  nome  Tonino,  il  quäle  sta  sempre  a  Venezia,  dove  ho  avuto 
occasione  di  conoscerlo;  ma  se  gli  somiglia  nel  viso,  non  gli  so- 
miglia nel  resto,  perche  quello  e  spiritoso  e  disinvolto,  e  questo 
pare  uno  sciocco  impertinente."  Alsbald  (6.)  tritt  Zanetto  auf; 
da  er  Rosaura  umarmen  will,  giebt  sie  ihm  eine  Ohrfeige. 
Pancrazio,  der  schurkische  Freund  und  Parasit  des  Doktors, 
ist  der  erste,  dem  Rosaura  den  Eindruck  mitteilt,  den  Zanetto 
auf  sie  machte.  (8.)  Zwar  sagt  sie:  „II  signor  Zanetto  non  mi 
dispiace,  e  se  non  fosse  cosi  sfacciato,  forse,  forse  ..."  Pan- 
crazio jedoch  hat  andere  Gedanken.  Er  will  selbst  Rosauras 
Hand.  Dazu  ist  ihm  kein  Mittel  zu  verächtlich;  denn  „oggidi 
chi  sa  piü  fingere,  sa  meglio  vivere,  e  per  esser  saggio,  basta 
parerlo".  (9.)  Beatrice  erwartet  seit  sechs  Tagen  ihren  Bräuti- 
gam Tonino  aus  Verona  und  will  nun  nach  Venedig  zurück- 
kehren. Lelio,  der  Neffe  des  Doktors,  belästigt  mit  seiner  Zu- 
dringlichkeit Beatrice.  Beatricens  Begleiter,  Florindo,  der 
gleichfalls  heimlich  nach  ihrem  Besitze  strebt,  obwohl  er  als  To- 
ninos  Freund  gilt,  kann  sich  seiner  nicht  mit  Erfolg  erwehren. 
Zur  rechten  Zeit  kömmt  ihm  Tonino  zu  Hilfe  und  entwaffnet 
Lelio.  Tonino  hat  indessen  Grund,  hier  nicht  erkannt  werden 
zu  wollen.  Er  nimmt  den  Namen  Zanetto  an,  seines  ihm  äusserst 
ähnlichen  Bruders,  „che  ha  questo  nome  ed  egli  mi  somiglia 
tutto.  Se  mi  vedono,  mi  crederanno  lui,  e  cosi  sfuggiro  qualche 
pericolo."  Mit  Toninos  Ankunft  in  Verona  beginnen  die 
Verwirrungen.  Lelio,  noch  gekränkt  über  seine  Niederlage, 
trifft  Zanetto,  den  er  für  Tonino  hält.  Im  Gegensatze  zu 
seinem  vorigen  Auftreten  benimmt  sich  jedoch  sein  Gegner  dies- 
mal sehr  feige.  (16.)  Der  hinzugekommene  Florindo  begreift 
dieses  Benehmen  gleichfalls  nicht.  Endlich  findet  auch  Beatrice 
(19.)  Zanetto  und  hält  ihn  für  ihren  Bräutigam.  Sie  kann  seine 
Reden  nicht  verstehen.  „0  egli  e  impazzito  o  e  stato  di  nie 
sinistramente  informato. " 

II.  Akt.  Zanettos  Diener,  Arlecchino,  trifft  mit  Tonino 
zusammen;  er  giebt  ihm  Geld  und  Gepäck;  Tonino  weiss  von 
nichts,    nimmt   es    aber    an.      „Non  vi    conosco,"    ist   sein    letztes 

35 


546  XL   Meuächmi. 

Wort.  Unmittelbar  darauf  spricht  ihn  Colombina,  Rosauras 
Mädchen,  an;  „la  inia  padrone  le  vorebbe  parlare."  Auch  der 
dottore  empfängt  ihn  als  Zanetto;  sein  Benehmen  freilich  ist 
derartig,  dass  Colombina  findet,  „che  questo  signor  Zanetto  sia 
poco  innamorato  della  signora  Rosaura."  Er  wird  zu  Rosaura 
geführt.  Sie  gefällt  ihm,  und  er  überreicht  ihr  einige  Schmuck- 
gegenstände, die  er  von  Arlecchino  erhielt.  Unterdessen  ist 
Arlecchino  wieder  mit  seinem  Herrn  Zanetto  zusammengeraten, 
der  dringend  von  ihm  den  Schmuck  (le  gioje)  verlangt.  Da  er 
ihn  nicht  hat,  lässt  er  ihn  verhaften.  Beatrice  wirft  sich  Za- 
netto zu  Füssen;  er  möge  sie  nicht  Verstössen,  „che  siete  1'  unico 
oggetto  de'  miei  pensieri."  Zanetto  kömmt  ihr  aufs  höflichste 
entgegen.  Zu  seinem  grossen  Entsetzen  sieht  Florindo,  der  als 
falscher  Freund  Beatrice  ihrem  Geliebten  bisher  ferne  zu  halten 
wusste,  dass  sich  beide  gefunden  haben.  Bald  aber  beginnt  Za- 
netto von  seiner  Braut,  der  Tochter  des  dottore,  zu  sprechen, 
was  Beatrice  neuerdings  beunruhigt.  Unterdessen  belauscht 
Ton  in  o  den  ganzen  Vorgang.  Er  versichert  Beatrice  seiner 
Treue  und  Liebe  und  geht  mit  ihr  ab. 

III.  Akt.  Pancrazio  hat  von  Tonino  den  Rest  der 
Schmuckgegenstände  Za nettos  erhalten,  „acciö  scoprendosi  il 
padrone  gliele  possiate  restituire. "  Er  will  sie  nun  an  den 
Goldschmied  Tiburzio  verkaufen.  Zanetto  sieht  seinen  Schmuck 
in  Pancrazios  Händen,  der  ihn  von  ihm  selbst  erhalten  haben 
will.  Zanetto  stellt  dies  natürlich  in  Abrede.  Alsbald  aber 
giebt  Tonino,  der  um  das  Gleiche  befragt  wird,  zu,  die  Kleinodien 
an  Pancrazio  ausgehändigt  zu  haben.  Zugleich  kann  er  den 
auftretenden  Arlecchino  als  denjenigen  bezeichnen,  der  ihm  das 
Geschmeide  aufdrängte.  Brighella  kann  Tonino  nur  mehr  als 
einen  „matto  solenne"  erklären.  „La  pazzia  si  e  resa  univer- 
sale," meint  Pancrazio.  Nach  mancherlei  Szenen  der  Ver- 
wechslung löst  sich  die  ganze  Verwirrung.  Rosaura  ist  nicht 
die  Tochter  des  dottore.  „Confesso, "  sagt  er,  „Rosaura  non 
esser  figlia  mia,  ma  essere  una  bambina  incognita,  trovata  da  un 
pellegrino. "  Tonino  erkennt  in  ihr  seine  Schwester  Fl  am  mi- 
ni a.  Sie  heiratet  Lelio,  während  Beatrice  Tonin os  Hand  er- 
hält. Pancrazio  hat  Zanetto,  den  er  für  seinen  Rivalen  um 
Rosauras  Liebe  hielt,  vergiftet  und  tötet  sich  selbst  mit  dem 
Reste  des  Giftes,  der  sich  im  Glase  noch  befindet.  Sterbend  ge- 
steht er  alles  und   endet  mit  einer  Moralpredigt. 

Das  Stück  leidet  an  grossen  und  greifbaren  Schwächen; 
dass  die  doppelte  Vergiftung  nicht  zur  Komödie  passt,  hat  Gol- 
doni  selbst  gefühlt;   doch  aber  hat  er  sie  gewagt.') 


»)  Mem'orie.    II,  1. 


Goldonis  I  due   Gemelli.  547 

Uns  interessiert  zunächst  Goldonis  Verhältnis  zu 
Plautus,  wenn  ein  solches  überhaupt  vorliegt.  Rapp 
sagt:1)  ,. Durch  welches  Medium  Goldoni  unsere  Fabel  zuge- 
kommen ist,  ist  uns  nicht  bekannt."  Die  „Menechmes"  des 
Regnard  kannte  er,  und  von  ihnen  mag  der  Zug  stammen,  wie 
Arlecchino  dem  Tonino  die  gioje  und  die  valigia  übergiebt, 
wie  dort  Valentin  den  unrichtigen  Koffer  bringt.  Ferner  be- 
bemerkt Rapp,  „dass  Goldoni  die  französische  Bearbeitung 
{Regnards)  gelesen,  scheint  uns  darum  wahrscheinlich-,  weil  er 
auf  den  Irrweg  kam,  dass  der  eine  Bruder  schon  im  Anfange  des 
Stückes  seinen  Zwillingsbruder  als  lebend  erwähnt,  während  er 
doch  im  Verlauf  wieder  glücklich  genug  ist,  solches  rein  zu  ver- 
gessen und  bei  den  nächst  gelegenen  Anzeichen  nicht  wieder  auf 
diese  Vermutung  zurückfällt ,  bis  der  Stoff  ganz  erschöpft  und 
verbraucht  ist. "  -) 

Über  das  Verhältnis  Goldonis  zu  Plautus  äussert  sich 
Stiefel3)  zusammenfassend:  „An  Plautus  erinnert  in  der  An- 
lage des  Stückes  fast  nichts.  Von  ihm  sind  ausser  der 
Hauptidee,  die  auch  aus  zweiter  oder  dritter  Hand  kommen 
konnte,  höchstens  einige  Nebenmotive  herzuleiten.  So  die  Eifer- 
sucht, welche  die  Ähnlichkeit  der  Brüder  bei  beiden  Heldinnen, 
Beatrice  und  Rosaura,  bewirkt,  die  Juwelen  (gioje),  die  gleich 
der  palla  Irrtümer  erzeugen;  desgleichen  der  Goldschmied 
(orefice)  mit  dem  Unterschiede,  dass  er  bei  Plautus  nur  erwähnt 
wird,  hier  aber  (wie  bei  Shakespeare)  wirklich  auftritt.  Die 
Hetzrolle  des  Parasiten  ist  auf  den  Schurken  Pancrazio 
übergegangen.  Alles  dies  ist  derart  verarbeitet,  dass  die  Quelle 
kaum  mehr  erkenntlich  ist.  Vielleicht  geht  man  auch  zu  weit, 
wenn  man  die  dritte  Szene  des  zweiten  Aktes,  in  welcher  Co- 
lombina  (die  Dienerin  der  Rosaura)  auf  Tonino  stösst  und 
ihn,  im  Glauben,  er  sei  Zanetto,  anspricht  und  auf- 
fordert, er  solle  ins  Haus  kommen,  auf  die  bekannte 
Szene  bei  Plautus  zurückführt,  in  welcher  Culindrus 
den  reisenden  Menächmus  anredet;  desgleichen  dürfte 
die  zehnte  Szene  des  zweiten  Aktes,  woselbst  Rosaura 
heraustritt,  um  Tonino  als  ihren  künftigen  ,sposo'  ins 
Haus  zu  geleiten,  auf  die  köstliche  Unterredung  zwi- 
schen Erotium  und  Menächmus-Sosikles  (Men.  II,  3)  zu- 
rückweisen." 

Immerhin  mag  man  jedoch  annehmen,  dass  Goldoni  seine 
„I  due  gemelli  Veneziani"  schrieb,    ohne   die   plautinischen 


')  Die  pl.  L.,  S.  444. 

2)  A.  a.  0.,  S.  445.  —  Vgl.  auch  liier  S.  561. 

3)  A.  a.  0.,  S.  354. 

35  '■ 


548  -^1-    Menächmi. 

Menächmi  zu  kennen  oder  je  gelesen  zu  haben,  da  ja  der 
Stoft'  und  die  Menächmenfabel  in  liunderten  von  concetti  oder 
canevasi  vorlag,  nach  denen  der  so  fruchtbare  Theaterdichter 
gearbeitet  haben   konnte. 

Die  „due  gemelli  Veneziani"  des  Goldoni  sind  wiederum 
Gegenstand  der  Nachahmung,  besonders  bei  den  Franzosen, 
geworden. 

Collalto,  der  Pantalone  des  Theätre  italien  in  Paris, 
dichtete  nach  Goldoni  eine  nicht  ganz  wertlose  Posse,  welche  den 
Titel  führt:  „Les  trois  jumeaux  Venitiens".  Diese  wurde 
im  Jahre  1778  von  C.  F.  von  Bonin  deutsch  bearbeitet  und 
hielt  sich  lange  auf  der  deutschen  Bühne.  Goldonis  Zwillinge 
waren  schon  1756  deutsch  erschienen:  „Die  zwey  Zwillinge", 
eine  von  dem  berühmten  Advocaten  zu  Venedig,  Sign.  Carlo 
Goldoni,  verfertigte  Comödie,  aus  dem  Italiänischen  desselben 
übersetzt  Aron  Heubein.1) 

Ebenfalls  aus  Goldoni  schöpfte  der  französische  Fabeldichter 
Jean  Pierre  Claris  de  Florian  (1755  — 1794)  seine  im  Jahre 
1782  erschienene  Komödie  „Les  jumeaux  de  Bergame",  zu 
welcher  Desauguers  die  Musik  schrieb.2) 

Florians  „Les  jumeaux  de  Bergame",3)  eine  Komödie  in 
Prosa,  die  zum  erstenmal  e  von  den  italienischen  Komödianten 
am  6.  August  1782  aufgeführt  wurde,  ist  ein  hübscher  Einakter. 
Den  in  Paris  ansässigen  Arie  quin  verfolgt  Nerine  mit  ihrer  Liebe 
(1.),  sein  Herz  gehört  jedoch  Rosette,  die  er  morgen  heiraten 
soll.  (2.)  Arlequin  hat  noch  einen  Bruder,  dessen  Ankunft  er 
erwartet,  und  wir  erfahren  bereits,  dass  er  froh  sei,  „qu'il  ne 
soit  pas  encore  arrive;  car  tu  aurois  fort  bien  pu  l'epouser  ä  ma 
place,  sans  t'en  douter."  (3.)  Arlequin  Cadet  ist  in  Paris 
angekommen;  aber  er  weiss  die  Adresse  seines  Bruders  nicht.  So 
klopft  er  an  Rosettes  Haus,  die  ihm  in  aller  Eile  ihr  Porträt 
schenkt,  das  eben  fertig  wurde,  (5.)  und  eine  Börse  mit  Geld. 
Indessen  Arlequin  Cadet  über  den  seltsamen  Vorfall  spricht  (7.), 
eilt  Nerine  auf  ihn  zu  (8.),  nimmt  ihm  die  eben  erhaltenen  Ge- 
schenke und  kühlt  unsanft  ihre  Eifersucht  an  ihm.  Unmittelbar 
darauf  klopft  der  Pariser  Arlequin  an  Rosettes  Thüre.  Er 
weiss  von  Bild  und  Geld  nichts.  Während  er  noch  über  die 
eigentümliche  Geschichte  nachdenkt  (12.),  kömmt  Arlequin  Ca- 
det und  bringt  Rosette  ein  Ständchen.  Entsetzt  hört  der  an- 
sässige  Arlequin    ihrem   Liebesgespräche    zu    und    treibt    seiuen 


')  Gottsched,  Nöth.  Vorr.    II,  288. 

2)  Clement,  Dict,  lyr.,  S.  206.  329. 

3)  Auf  S.  77—121   des  dritten  Bänclchens  von  „Theätre  de  M.  de 
Florian.     Seconde  Edition.    A  Geneve  1787". 


Eotrous  Les  Menechmes.  549 

Bruder  mit  Prügeln  weiter.  (14.)  Rosette  eilt  aus  dem  Hause, 
um  zu  sehen,  ob  ihrem  Geliebten  nichts  zustiess,  dieser  aber  ist 
über  ihre  Treulosigkeit  aufs  höchste  erregt.  Nerine  gesellt  sich 
dazu;  einige  Zeit  dauert  im  Finstern  die  Verwirrung,  bis  Lichter 
herbeigebracht  werden  und  sich  die  Sache  löst.  „Ils  sont  deux!" 
ruft  Nerine  befriedigt.  „Tant  mieux!"  Doch  in  einem  Hause 
wollen  sie  nicht  mehr  wohnen.  „II  pourroit, "  meint  Arie  quin, 
„arriver  des  meprises  de  plus  grande  consequence  que  celle  d'au- 
jourd'hui. " 

Zahlreich  sind  die  Opern  und  Operetten  in  Italien  und 
Frankreich,  welche  mit  diesem  Stoffe  zusammenhängen,  so  z.  B. 
„I  due  gemelli"  von  Tritto  1783;  „I  due  gemelli"  von 
Guglielmi  1787;  „I  due  gemelli"  von  Niccolini  1808;  von 
Gagliardi   1831  u.  s.  w.i) 


Unter  den  Franzosen  hat  Rotrou,  der  bekannte  Verehrer 
der  plautinischen  Muse,  sich  die  Menächmen  angeeignet.  Er 
hat  das  Stück  in  der  ihm  üblichen  Weise  bearbeitet,  grossen- 
teils  mit  der  ihm  eigenen  Sj:>racbgewandtheit  nur  übersetzt  und 
umschrieben,  was  der  Inhalt  seiner  „Menechmes"2)  (1636) 
zeigen  wird. 

I.  Akt.      (1.)  Der  Parasit  Ergaste  vertritt  den  plautinischen 

Peniculus. 

Me  plaigne  qui  voudra,  ma  pauurete  me  piaist, 
Je  la  voy  d'vn  bon  ceil  toute  affreuse  qu'elle  est, 

beginnt  er  und  ergeht  sich  in  einer  längeren  Rede  über  die  Vor- 
züge der  Armut  gegenüber  dem  Reichtum,  bis  er  auf  den  Ge- 
dankengang des  Peniculus  im  Originale  (V.  79  ff.,  „Homines 
captiuos  qui  catenis  uinciunt"   u.  s.  w.)  übergeht: 

Les  ckaisnes  tiennent  mal  vn  captif  en  seruage. 

(2.)  Menechme  rauy  tritt  auf,  wie  bei  Plautus,  einige 
"Worte  ins  Haus  an  seine  Frau  richtend.  Glücklich  hat  er  sie 
zurückgetrieben,  um  nun  seine  Liebste  zu  besuchen,  welcher  er 
alles  geopfert  hat: 


')  Clement,  Dict.  lyr.,  S.  206.  329. 

2)  Les  |  Menechmes  |  Comedie  |  de  Rotrov.  |  A  Paris,  |  Chez  An- 
thoine  de  Sommaville,  au  |  Palais,  dans  la  petite  Salle,  ä  l'Escu  de 
Prance.  |  1636.  Avec  privilege  dv  Roy.  —  108  Seiten,  nebst  sechs  Seiten 
Titel,  Widmung  Rotrous  an  den  Grafen  de  Belin  und  Privileg.  — Vgl. 
Paul  Stapf  er,  Shakespeare  et  l'Antiquite  (Paris  18711).    I,  126. 


550  25X    Menäclimi. 

lies  biens  scmt  epuisez  des  dons  que  ie  luy  porte, 

Et  ie  luy  vais  encor  offrir  ce  diamant, 

Que  ma  femme  entre  tous  prisoit  vniquement. 

Die  diamantene  Haarnadel  vertritt  hier  die  Stelle  der  palla. 
des  Plautus. 

(3.)  Die  Erotie  des  Rotrou  hat  nichts  von  der  Heiterkeit 
und  liebevollen  Hingabe  ihres  Vorbildes.  Ihre  Rede  ist  mehr 
kokett: 

Si  vous  ne  reseruez  vne  voix  si  feconde, 

Vous  me  rendrez,  Monsieur,  la  plus  vaine  du  monde, 

erwidert  sie  zunächst  auf  Menechmes  Sehmeichelreden.  Er 
widmet  ihr  den  Edelstein: 

ce  poingon  qui  vous  est  dedie 
Aura  l'heur  de  seruir  ä  ce  poil  delie, 
Et  ie  m'estimeray  le  plus  heureux  du  rctonde 
De  le  voir  tous  les  iours  sous  cette  tresse  blonde. 

Sie  nimmt  das  Geschmeide: 

Puisque  vous  l'ordonnez,  il  faut  que  ie  le  porte. 

Alsdann  wird  eine  Tafel  vereinbart,  zu  welcher  sich  der  Pa- 
rasit gleichfalls  einlädt,  und  zu  deren  Herstellung  der  Koch  Ci- 
lindre  (4.)  Auftrag  erhält.  Wie  Culindrus  (V.  224),  berechnet 
auch   er  den  Parasiten  auf  acht  Gäste: 

Qui  tout  seul  disne  autant  que  huict  mangeurs  d'elite. 

II.  Akt.  (1.)  Menechme-Sosicle  begrüsst  mit  seinem  va- 
let  Messenie  das  Land.  Die  Szene  stimmt  zu  Plautus 
vollständig.  (2.)  Cilindre  erblickt  Menechme-Sosicle  und 
lädt  ihn  sofort  ein,  indem  er  nach  dem  Parasiten  fragt,  wobei 
freilich  der  Witz  mit  seinem  Namen  (V.  286)  verloren  geht. 
Einige  Verstellungen,  Kürzungen  und  Erweiterungen  einzelner 
Gedanken     sind     in     dieser    Szene     vorgenommen    worden.       Der 

Vers  303: 

Non  scis  quis  ego  sim,  qui  tibi  saepissume 
Cyathisso  apud  nos,  quando  potas? 

ist  hier  an  den  Anfang    ihrer  Begegnung  getreten: 

J'ay  cent  fois  eu  riionneur  de  vous  verser  ä  boire, 

sonst  aber  entspricht  alles  dem  Originale.  (3.)  Eroties: 
Erscheinung  wirkt  auf  den  französischen  Menechme  ungleich 
zündender  als  auf  den  römischen.  Sowie  Menechme  ihrer  an- 
sichtig wird,   ruft   er  aus: 


Eotrous  Les  Menechmes.  551 

Dieux,  le  Diuin  objet,  ie  me  rends,  Messenie, 
Et  ne  puis  resister  ä  sa  force  infinie, 

worauf  Messenie,   der  bei  Plautus  sehr  kalt  bleibt,   versetzt: 

II  est  vray,  qu'elle  est  belle. 
Während  sich  Menechmes  Begeisterung  steigert: 

Que  son  visage  est  doux,  que  son  discours  me  piaist! 

wird  Messenie  besonnener  und  berechnet  mit   dem  plautinischen 

Messenio  (7.  384): 

Oboluit  marsuppium 
Huic  istuc,  qnod  habes. 

Ce  n'est  qu'ä  votre  argent  qu'elle  tend  ses  appas. 

Das  Weitere  hält  sich  genau  an  das  Original,  nur 
dass  an  Stelle  des  Mantels  Erotie  hier  den  poincon  (die  Haar- 
nadel )  überreicht : 

Cet  agreable  gage 
S'il  estoit  emaille  me  plairoit  d'auantage, 

auf  dass   ihn   Menechme   besorge.     Messenie   ahnt    Schlimmes. 
Leicht  wäre   es  möglich, 

Que  pour  le  plaisir  d'vn  repas  seulement 

II  uous  eust  mis  au  poiut  de  ieusner  louguement. 

III.  Akt.  (1.)  Ergaste,  den  Menechme-Sosicle  nicht 
zur  Tafel  geladen  hat,  sinnt  auf  Eache.  In  seiner  lebendigen 
Phantasie  stellt  er  sich  die  Freuden  des  Mahles  vor  Augen,  von 
dem  für  ihn  wohl  nichts  mehr  übrig  bleibt: 

Ha,  que  leur  entretien  maintenant  a  de  charmes! 

(2.)  Begeistert  tritt  Menechme-Sosicle  aus  Eroties  Haus 
vom  Mahle  weg.  Alles  an  ihr  hat  ihn  hingerissen.  Mit  ernsten 
Vorwürfen  stellt  sich  ihm  Ergaste  in  den  Weg.  Menechme- 
Sosicle  behauptet,  ihn  nie  gesehen  zu  haben.  Rachedürstend 
entfernt  sich  der  Parasit: 

Tu  te  repentiras  de  m'avoir  fait  ieusner, 

Et  tu  te  souvicudras  d*vu  semblable  disner. 

Mit  Übergehung  der  in  V.  524 —  559  enthaltenen  Szene  tritt 
(3.)  Orazic,  die  Prall  des  ansässigen  Menechme,  auf  mit  lauten 
Klagen  über  ihren  ungetreuen  Gatten.  Ihr  zur  Seite  steht  Er- 
gaste (4.),  ihren  Zorn  immer  mehr  reizend  und  vor  allem  immer 
auf  den    „poincon"    hinweisend: 


552  XI.   Menäclimi. 

Que  cliacun  estimoit  &  de  qui  la  parure 
Adjoütoit  tant  de  gräce  ä  vostrc  cheuelure, 

und   der  nun  so  unwürdig   verschenkt  wurde. 

(5.)  Menechme  rauy  kommt  in  einem  Selbstgespräche, 
wobei  jedoch  der  erste  feine  Teil  bei  Plautus,  die  politische 
Seite  (F.  570 — 596),  nur  ganz  oberflächlich  gestreift  wird.  Die 
Zwistesszene,  von  Ergaste  geschürt,  verläuft  nach  Plautus. 
Hinsichtlich  des  „poincon"  drückt  sich  Menechme  rauy  ent- 
schiedener aus,   als  der   plautinische  Ehegatte: 

Erotie  en  veut  vn  de  la  mesme.  facon, 

Et  renuoira  le  tien  au  plus  tard  dans  vne  lieure, 

freilich  in  der  Hoffnung,  das  Kleinod  von  Erotie  wieder  zu  er- 
halten. (6.)  Da  Orazie  ihn  verlassen  hat,  wendet  sich  Me- 
nechme  an   Erotie,    um   den    „poincon"   wieder   zu  bekommen: 

Je  vous  en  promets  vn,  plus  exquis  &  plus  rare. 

Erotie  nimmt  dies  aber  sehr  beleidigt  hin  und  lässt  ihn  als 
„exclusissumus"   (F.   698)  stehen. 

Ou  me  ferme  la  porte  en  quelque  part  que  i'aille, 

jammert  er  mit  dem  plautinischen  Menächmus. 

IV.  Akt.  (1.)  Menechme-Sosicle  trifft  mit  Orazie  zu- 
sammen. Sie  schickt  ihren  Diener  Decie  —  den  Decio  des 
Originales  (F  731)  —  um  ihren  Vater;  der  vieillard  (2.)  naht 
alsbald.  Er  verhält  sich  bei  seinem  ersten  Erscheinen  ganz  wie 
sein  Vorbild  und  erteilt  der  Tochter  guten  Rat;  sie  möge  ihrem 
Manne  willfahren.  Menechme-Sosicle  stellt  sich  wahnwitzig 
und  spricht  so: 

Me  dois-je  contenter  de  ces  rares  effets? 

La  sorciere  est  en.  fuitte,  &  ses  Deinons  defaicts. 

Ce  Caualier  arme  nuit  encor  ä  ma  gloire, 

II  faut  que  sa  defaitte  ackeue  ma  victoire. 

Der  Alte  eilt  bestürzt  um  den  Arzt  (3.);  dieser  kömmt  auch 
sofort  (4),  wird  aber  an  den  unterdessen  auftretenden  (5.)  Me- 
nechme rauy  gewiesen.  Diesen  befreit  (6.)  Messenie  gewalt- 
sam und  erhält  zum  Danke  von  ihm  seine  Freilassung:  „Sois  libre, 
j'y  consens!" 

V.  Akt.  (1.)  Von  allen  Vorfällen,  vornehmlich  von  Mes- 
se nies  Freilassung,  weiss  Menechme-Sosicle  natürlich  nichts. 
Er  geht  mit  Messenie  zu  Erotie.  —  Die  nächstfolgende 
(2.)  Szene  zwischen  Menechme-Sosicle  und  Erotie  hat 
Rotrou  eingelegt. 


Rotrous  Les  Menechmes.  553 

Menechme  naht  liebeskrank  und  sentimental;  Erotie  fragt 
zunächst    um    ihren    Schmuck    und    erhält    die    tröstliche  Antwort: 

II  est  cliez  vn  orpheure,  &  des  demain  i'espere 
De  le  voir  dans  ce  poil. 

Befriedigt    tritt    sie   mit    ihm    ins    Haus,    vor   welchem   Messenie 
murrend  stehen  bleibt: 

II  va  cueillir  les  fruits  ou  son  desir  le  porte, 
Durant  que  ie  m'amuse  ä  garder  cette  porte. 

Die  dritte  Szene  führt  zwei  Personen  zusammen,  die  allen 
Grund  zur  Klage  haben,  die  durch  die  Untreue  ihres  Gatten  ge- 
kränkte Orazie  und  den  von  Hunger  gepeinigten  Parasiten, 
der  von  sich  sagen  kann: 

Je  suis  le  ieusne  mesme  &  la  rnesme  abstinence. 

Ergaste  zeigt  Orazie  die  Wohnung  Eroties.  (4.)  Noch- 
mal führt  der  Dichter  eine  Irrungsszene  vor,  indem  er  (5.)  den 
Sklaven  Messenie  mit  Orazie  zusammenbringt,  der  sich  stand- 
haft als  den  Diener  Menechmes  ausgiebt  und  ihr  erwidert: 

Je  parle  de  Menechme,  «Sc  non  de  vostre  epous. 

Eine  neue  Verwechslung  hat  das  Auftreten  des  Me- 
nechme-Sosicle  mit  Erotie  zur  Folge  (6.),  da  Orazie  er- 
bittert gegen  ihre  Nebenbuhlerin  Erotie  loszieht;  erst  mit  dem 
Erscheinen  (7.)  des  Menechme  rauy  klärt  sich  die  Lage;  ihm 
folgen  der  Alte,  der  Arzt  und  Knechte.  Messenie  ist  entsetzt 
über  die    Zwillingsbrüder. 

Que  voyez-vous,  mes  yeux!  ö  prodige!  ö  merueille! 
Je  doute  si  ie  vis,  ie  doute  si  ie  veille! 
Mon  maitre  est  en  deux  lieux. 

Die  Erkennungsszene  und  damit  die  Lösung  ergiebt  sich  von 
selbst.  Menechme-Sosicle  heiratet,  dem  modernen  Zuge 
folgend,  Erotie;  Messenie  erhält  die  Freiheit  und  der  Pa- 
rasit,  was  sein  höchster  Wunsch  war,    —    ein  Souper. 

Si  la  soif  ce  matin  m'a  faict  verser  des  larincs, 
Qu'elle  me  va  ce  soir  faire  verser  de  viu, 

ist  seine  Befriedigung. 

Nur  im  fünften  Akte  hat  sich  liotrou  gestattet, 
vom  Originale  sich  etwas  weiter  zu  entfernen  und  es 
um    einige    Verwechslungen    zu    erweitern.      Ausserdem 


554  XL  Menächmi. 

hält  er  sich  ganz  an  Plautus,  nur  sucht  er  das  Verhält- 
nis des  Menechme-Sosicle  von  Anfang  an  so  darzu- 
stellen, dass  aus  der  Liehe  der  beiden  am  Schlüsse  eine 
Ehe  werden  kann. 

Kaum  zu  den  direkten,  jedenfalls  zu  den  misslunge- 
nen  Nachdichtungen  der  Menächmi  zählt  Boursaults  •) 
Lustspiel  „Les  Nicandres,  ou  les  menteurs,  qui  ne  men- 
tent  point"2)  (1664). 

I.  Akt.  Hipolite  (Parisienne)  ist  sterblich  in  Nie  andre  I. 
verliebt  und  macht  ihm,  da  er  mit  seinem  Diener  Ragotin  auf- 
tritt, nachdem  dieser  sich  entfernt  hat,  in  Gegenwart  ihres  Kam- 
mermädchens Ja  einte  mehr  als  naiv  selber  diese  Erklärung. 
Dieser,  obgleich  sehr  von  ihr  begeistert,  kann  ihr  nichts  Be- 
stimmtes erwidern.  Wir  hören  den  seltsamen  Grund:  Er  hat 
seinem  Bruder  einen   „serment   solennel"    geschworen. 

Depuis  plus  de  six  ans  je  voyage; 
Mais  en  nous  separant  nous  jurämes  tous  cteux 
De  jamais  ä  l'Hymen  ne  contraindre  nos  vceux, 
Que  de  Tun  ou  de  l'autre  une  bouche  fidelle 
De  la  mort  ou  la  vie  eut  appris  la  uouvelle. 
Voyez  donc  ä  mon  sort  quelle  peine  se  Joint, 
Je  le  cherclie,  il  me  cherche,  &  nous  ne  trouvons  point. 
Je  ne  puis  deviner  quel  endroit  le  recelle: 
Et  pour  comble  de  maux  je  vous  trouve  si  belle. 

Dies  kann  natürlich  Hipolite  nicht  glauben.  —  Kaum  ist 
Nicandre  I.  fort,  so  tritt  Ismene,  die  Geliebte  des  Nican- 
dre  IL,  „vetue  en  honime,"  auf.  Sie  hat  eben  Nicandre  I. 
gesehen  und  ihn  für  den  ihrigen  gehalten.  Die  Bühnenweisung 
sagt  nämlich  seltsam  genug:  „Freres  gemeaux,  qui  se  ressemblent 
si  fort  qu'on  les  prend  ä  tous  momens  Fun  pour  l'autre  &  qui 
se  rencontrent  fortuitement  ä  Paris  sans  que  l'un  ni  l'autre  le 
seache  oü  ils  s'habillent  par  hazard  (!!)  tous  deux  d'une  meine 
facon."  Ja  einte  entdeckt  sogleich,  dass  sie  ein  verkleidetes 
Mädchen  vor  sich  hat,   und  Ismene  gesteht:    - 

II  est  vrai,  je  la  suis 
Et  ce  que  vous  aime  est  ce  que  je  poursuis 
L'infidelle  Nicandre, 


J)  Edme  Boursault  ist  anfangs  Oktober  1G38  geboren  und  am 
15.  .September  1701  gestorben.  Er  war  einer  der  berüchtigten  klein- 
lichen Gegner  Moli  er  e  s,  gegen  welchen  er  „1  e  portrait  du  peintre 
ou  la  critique  de  l'Ecole  des  Fem  nies"  mit  einer  schneidigen 
Preface  schrieb. 

2)  Auf  S.  127 — 232  des  ersten  Bandes  vou  „Theätre  de  feu 
Mousieur  Boursault".  Nouvelle  editiön  Paris  (Pierre  Eibou)  1725. 
—  Dieses  sein  fünfaktiges  Stück  zog  er  später  selbst  in  drei  Akte 
zusammen.  Doch  war  diese  Neubearbeitung  bei  Ausgabe  seiner  Werke  im 
Jahre  1725  nicht  aufzufinden.  —  Vgl.  Beauchamps,  Keckerches,  IT, 232. 


E.  Boursaults  Les  Nicandres.  5o5 

den  sie  in  Lyon  hatte  kennen  lernen,  und  der  von  ihrem  Vater 
ihre  Hand  erhielt.  Damit  ist  für  Hipolite  das  Rätsel  seines  Be- 
nehmens  gelöst. 

Nicandre  II.  tritt  auf.  Mit  Spott,  empfängt  ihn  Hipolite. 
..Nun  ist  der  Bruder  gefunden;  er  sieht  Ihnen  ganz  ähnlich!" 
Xicandre  II.  kann  nur   Destätigen: 

II  est  vrai  que  tous  deux  nous  avons  meines  traits, 
J'ai  la  voix,  le  visage,  &  la  taille,  de  meine 
J'ai  l'humeur  .  .  . 

Sie  spricht  auch  von  seiner  Ismen e  und  überschüttet  ihn  mit 
Vorwürfen,  worauf  er  nur  versichert,  er  werde  Ismenen  sein 
Wort  halten,  sowie  sein  Bruder  gefunden  sei.  Seine  schwär- 
merische Liehe  zu  Ismene  erregt  natürlich  Hipolite  in  noch 
höherem  Grade.  Vergeblich  versichert  er  Crispin,  seinem  Die- 
ner,   er  kenne  die  Dame  nicht;  dieser  findet: 

A  la  premiere  vüe  eile  est  bien  familiere 
Des  soüflets  tout  d'abord. 

Ragotin  ist  von  seiner  Konnnission  zurückgekehrt  und  stattet 
Nicandre  IL  Bericht  ab,  der  von  allem  nichts  versteht.  Doch 
folgt  er  ihm   als   seinem  Herrn. 

II.  Akt.  Ismene  macht  Nicandre  I.  Vorwürfe  wegen  seines 
Verhaltens.  Er  sei  von. Lyon  plötzlich  abgereist  u.  s.  w.  Er  weiss 
von  nichts.  Sie  entdeckt  sich  als  seine  Ismene;  er  kennt  sie  nicht. 
—  Unterdessen  erbittet  sich  Nicandre  I.  eine  Unterredung  mit  Hi- 
polite, welche  Jacinte  gerne  vermittelt.  —  Crispin  ist  zurück- 
gekommen und  setzt  ihn  von  seinen  Erfolgen  in  Kenntnis.  Er 
begreift  wieder  nichts;  kann  indes  nur  erklären,  dass  er  Nicandre 
heisse,  und  giebt  ihm,  ehe  er  abgeht,  eine  Ohrfeige.  —  Heiter 
tritt  Nicandre  IL  auf  und  begrüsst  seinen  Diener,  der  noch 
seine  Wange  hält,  sodass  Nicandre  IL  vermutet,  er  leide  an 
Zahnschmerzen.  Crispin  gerät  darüber  in  Wut.  Dazu  kömmt 
Jacinte  mit  Hipolite.  Sie  will  ihn  seinem  Wunsche  gemäss 
noch  einmal  sprechen.  Nicandre  IL  versichert  indessen,  dass  er 
für  Ismene  entbrannt  sei;  durchaus  nicht  könne  er  sich  erinnern, 
jemals  nach  Hipolite  verlangt  oder  eine  Unterredung  mit  ihr 
angestrebt  zu  haben.  Hipolite  kömmt  in  hohe  Aufregung,  bei 
welcher  Gelegenheit  Crispin  wieder  eine  Ohrfeige  von  Jacinte 
erhält.  —  Zuletzt  kömmt  auch  noch  Hipolites  Vater,  Isidorc, 
„un  homme  scavant" : 

Ma  geniture,  aurois-tu  forligne? 
Dieux  des  scavans,  l'une  et  l'autre  soüpire! 

Er  soll  den   Verräter   zurechtweisen. 


556  XL  Menächmi. 

III.  Akt.     Ismen e  hat  sich   heimlich   an  den  Kommissur 

«i'i'w -endet  und  ihm  alles  entdeckt.  Nicandre  IL  soll  verhaftet 
werden,  aber  mit  aller  Schonung',  bittet  sie.  Der  Kommissär 
verspricht  dies  mit  ,.qninze  on  seize  archers"  auszuführen.  — 
Ragotin,  der  in  Ismen  es  Dienste  getreten  ist,  soll  an  Ni- 
candre IL  eine  Karte  besorgen.  Da  kömmt  eben  Nicandre  I. 
und  treibt,  nachdem  er  die  Karte  gelesen  hat,  Ragotin  davon. 
Nicandre  I.  will  nun  Verabredetermassen  zu  Hipolite,  wird 
jedoch  von  ihr  abgewiesen;  dagegen  trifft  er  Ismenes  Vater, 
Eutrope,  der  ihn  nicht  mehr  von  der  Stelle  lässt.  Der  alte 
Isidore  hat  kaum  Eutropes  Stimme  gehört,  als  er  aus  dem  Hause 
stürzt,   und  so   fasst  auf  jeder  Seite  einer  Nicandre  I.  am  Arme. 

Quoi!  de  l'un  et  de  l'autre  eprouver  la  fureur. 
D'un  courroux  si  bizarre  apprenez-moi  la  cause; 
Soit  ä  vous,  soit  ä  vous  ai-je  fait  quelque  chose? 

Während  dieser  Szene  erkennen  sich  Isidore  imd  Eutrope 
als  alte  Freunde,  und  indessen  sie  unter  Freudenthränen  sich 
umarmen,  entflieht  Nicandre  I.  ins  Haus  der  Hipolite.  Cris- 
pin  beladen,  stolpert  über  die  beiden  Alten.  Nicandre  IL  tritt 
auf;  kaum  aber  hat  er  Eutrope  erblickt,  als  er  eiligst  die  Flucht 
ergreift,   und  zwar  gleichfalls  in  Hipolites  Haus. 

Eutrope   erkennt  Crispin  und  hegt  Verdacht: 

II  nous  a  fait  tomber  pour  faire  fui're  son  niaitre. 

Er  will  ihn  ins  Gefängnis  stecken  lassen.  Vorerst  aber  muss  er 
Nachricht  von  seiner  Tochter  haben: 

Peut-etre  est-elle  grosse,  &  je  seais  le  ruoyen. 

Crispin  wird  grob  und  der  Wache  als  Gefangener  übergeben. 

IV.  Akt.  Nicandre  I.  hat  Hipolite  wiederum  gewonnen. 
Sie  möge  nur  ihren  Vater  für  ihn  günstig  stimmen,  so  werde 
alles  gut  werden.  Indem  er  von  ihr  scheidet,  stösst  er  auf 
Crispin,  der  ihm  seine  Verhaftung  erzählt.  Nicandre  I.  meint, 
er  möge  sich  auf  ihn  verlassen,  er  werde  alles  in  Ordnung  brin- 
gen; auch  Hipolite  sei  wieder  beschwichtigt;  in  einer  Stunde 
erwarte  er  ihn.  Da  tritt  Nicandre  IL  aus  dem  Hause,  und  die 
alten  Missverständnisse  beginnen  aufs  neue.  Er  will  von  Liebe  zu 
Hipolite  nichts  wissen: 

Je  veux  vous  obeir,  j'y  mets  toute  ma  gloire, 
Mais  .  .  . 

So  eilt  er  ab.  Hipolite,  neuerdings  entsetzt,  schickt  ihm  Ja- 
cinte  nach,  die  ihn  festnehmen  lassen  soll.  Unterdessen  entdeckt 
sich  Ismene  ihrem  Vater. 


E.  le  Nobles  Les  deux  Arlequins.  557 

V.  Akt.  Wir  treffen  Nie  andre  IL  im  Gefängnishofe;  bei 
ihm  ist  Crispin.  Ismene  spricht  mit  Cr  ispin.  Sie  will  wissen, 
ob  Nicandre  Reue  fühlt.  Darum  will  sie  ihn  sehen,  und  auf 
C'rispins  Rufen  erscheint  Nicandre  I.  hinter  einem  vergitterten 
Fenster.  Er  wird  herabgeführt;  erkennt  aber  Ismene  nicht  als 
seine  Geliebte,  mit  welcher  er,  wie  ihm  Crispin  vergeblich  ins 
Gedächtnis  rufen  will,  zu  Lyon  ein  Verhältnis  anknüpfte.  Er 
will  von  gar  nichts  mehr  wissen.  Ismene  geht  verzweifelnd, 
um  ihren  Vater  zu  holen.  —  Auch  Ja  einte  kömmt  zu  Crispin, 
um  über  Nicandre  etwas  zu  hören,  allein  Crispin  meint,  er 
sei  ein  Narr  geworden:  „il  en  est  parbleu  ftra. "  Noch  folgen 
einige  Verwechslungen,  wieder  zwischen  Hipolite  und  Ni- 
candre IL,  bis  endlich  die  beiden  Brüder  einander  gegenüber- 
stehen und  alles  fröhlich  endet  mit  den  Worten  Crispins: 

Faites  qu'en  tous  lieux  on  vous  loue  en  ce  point 
Qu'on  vous  a  erü  menteurs,  &  vous  ne  mentiez  point. 

Das  Stück  zählt  wohl  zu  den  albernsten,  die  man 
sich  denken  kann.  Zwei  Mädchen,  wie  sie  aufdringlicher 
nicht  gedacht  werden  können,  fünf  Akte  mit  Verwechslungen 
>rcts  der  gleichen  Personen  —  Hipolite,  Ismene,  Nican- 
dre I.  und  IL  — ,  keinerlei  Episode  von  Bedeutung  zur  Belebung 
des  Ganzen,  dabei  die  wichtige  Rolle,  welche  die  willkürlichen 
Verhaftungen  spielen,  das  alles  giebt  gewiss  kein  fesselndes  Lust- 
spiel. Auch  die  Sprache  ist  wenig  gefällig  und  sticht  stark  ab 
von  der .  Grazie  der  Zeitgenossen  Boursaults. 

An  die  Menächmi  schliesst  sich  das  Stück  wenig  an; 
es  ist  nur  die  Grundidee  der  ähnlichen  und  infolge  da- 
von verwechselten  Brüder  denselben  entlehnt. 

Man  möchte  glauben,  dass  ein  Dichter,  der  einen  Plautus 
zum  Vorbild  hat,  wenn  ihn  diese  Idee  reizte,  an  seinem  Modell 
etwas  Besseres  hätte  lernen  können,  als  Boursault  zustande 
brachte. 

Die  Idee  der  Menächmen1)  liegt  dem  dreiaktigen  Lust- 
spiele des  Eustache  le  Noble  Tendiere  (geb.  1643;  gest. 
13.  Januar  171 1)'2)  „Les  deux  Arlequins"3)  zu  gründe,  das 
zum  erstenmale  am  26.  September  1691  von  den  „comediens 
Italiens  du  Roy"    im  Hotel  de  Bourgogne  gespielt  Avurde. 


l)  E.  Sommer,  Piaute.     I,  373. 

-)  Nach  Beauchamps,  Ilecherches,  III,  117. 

3)  Enthalten  auf  S.  269—340  dea  dritten  Bandes  von  „Le  theätre 
italien  de  Gherardi,  ou  le  recucil  de  toutes  les  Comedies  «St  Scenes 
Francoises  joüees  par  les  Comediens  Italiens  du  Roy,  pendaut  tout  le 
temps  qu'ils  ont  ete  au  Service  de  sa  Majeste.  Amsterdam  (Adr.  Braak- 
manj  1701. 


558  ^1-   Meuächmi. 

Der  ältere  Arie  quin  ist  Diener  des  greisen  Geronte,  der 
sich  um  die  Hand  der  jugendlichen  Isabelle  bewirbt.  Seine 
Geliebte  ist  Colombine,  Isabellas  Kammermädchen.  Mit  dem 
zweiten  Akte  tritt  Arlequins  jüngerer  Bruder,  der  eben  von 
Italien  zurückgekehrte  Arie  quin  (eadet)  auf.  Pierrot  (pa'isan) 
ist  der  erste,  der  ihm  begegnet  und  ihn  mit  seinem  Namen  begrüsst, 
was  zu  seiner  Verwunderung  den  ersten  Anlass  giebt  (II,   4). 

Arl.        Ma  surprise,  Pierrot,  est  a  la  tienne  egale, 

Et  dans  Paris  jamais  l'on  ne  ni'a  vü. 
Pierr.     Vezi  vela  pourtant  diablement  bien  connu. 
Arl.        Que  je  sois  ecrase  si  jamais  de  ma  vie 
En  ces  lieux  j'avois  mis  le  pie, 
Et  si  de  ce  pas  je  ne  viens  d'Italie. 

Allerdings  gedenkt  er  schon  seines  älteren  Bruders,  „l'honneur 
du  sang  des  Sbroufadels",  der  schon  länger  an  den  Ufern  der 
Seine  weilt.  Hatte  er  eben .  erst  an  Stelle  seines  Bruders  von 
Marinette,  Isabelles  zweiter  Zofe,  eine  Ohrfeige  bekommen, 
so  wird  er  jetzt  von  Piquelard,  dem  plautinischen  Culindrus, 
zur  Tafel  bei  Colombine  geladen.  Er  wundert  sich  über  dieses 
neue  Abenteuer;  denn  auch  Piquelard  weiss  seinen  Namen;  „ce 
faquin  sc,ait  mon  nom!"  Er  wundert  sich,  wie  Menächmus, 
über  die  Pariser  Sitten.  „L'on  est  bien  ruse  dans  Paris!"  meint  er, 
und  Colombines  Liebesanträge  nimmt  er  mit  grosser  Vorsicht  auf. 

Je  suis  un  etranger,  mais  non  pas  une  bete; 
Et  je  meprise  un  cceur  coquet 
Qui  se  jette  ä  tous  ä  la  tete. 

Colombine  zeigt  ihm  ein  Juwelenkästchen,  das  Geronte 
für  ihre  Herrin  Isabella  ihr  überreicht  hat;  er  soll  es  seinem 
Herrn  Geronte  zurückerstatten.  Arlequin  versteht  zwar  von 
alle  dem  nichts,  nimmt  aber  doch  die  Juwelen  an.  An  Stelle 
des  jüngeren  Arlequin  kömmt  (II,  D)  sein  Bruder.  Er  weiss 
natürlich  von  dem  Vorgefallenen  nichts  und  kann  sich  auch  der 
ausgehändigten  Juwelen  nicht  erinnern.  Nach  einigen  Stanzen 
(imitees  de  Celles  du  Cid)  trifft  er  mit  seinem  Bruder  zusammen, 
den  er  für  dessen  Schatten  hält. 

Arl.  (cad.)  C'est  l'ombre  de  mon  frere 

Qui  scait  que  je  suis  arrive. 

Mit  dem  dritten  Akte  erzählt  Colombine  dem  alten  Ge- 
ronte, dass  Arlequin  von  den  Pretiosen  nichts  mehr  wissen  wolle. 
Arlequin  mit  dem  Schmuckkästchen  tritt  auf.  Gekrönte  beobachtet 
ihn  und  stellt  ihn  zu  Rede.    Arlequin  tritt  ihm  energisch  entgegen: 

Je  m'appelle,  il  est  vrai,  le  Seiguenr  Arlequin. 
Mais  au  diable  si  de  ma  vie 
Je  vous  ai  ui  vü,  ui  parle, 
Ny  si  jamais  j'en  eu  envie. 


Reguards  Les  Menechmes.  559 

Geronte  gerät  in  Zorn  und  trifft  bald  hierauf  mit  seinem 
wirklichen  Diener  zusammen,   der  alles  leugnet: 

Moi  je  vous  ai  vole,  moi  je  vous  ai  battu. 
Ah  c'est  trop  insulter  im  komme  de  vertu! 

Umsonst!  er  will  ihn  verhaften  lassen.  Arlequin  (ame)  jedoch 
treibt  den  Kommissär  mit  Schlägen  weiter. 

Endlich  (III,  14)  löst  sich  das  Miss  Verständnis.  Colombine 
erblickt  beide  Arlequins. 

Mais  que  vois-je,  Madame?   Arlequin  est  double, 
L'oeuf  ä  l'ceuf  n'est  pas  plus  semblable. 

Wer  ist  der  richtige? 

Ils  sont  de  chair  &  d'os,  meme  corps,  meines  yeux. 

Meme  nez  camard,  meme  panse, 
L'un  des  deux  est  un  diable,  ou  tous  deux  sout  jumeaux. 

Beide  Brüder  erkennen  sieb. 

Arl.     (cad.)  Oh  non,  mou  frere  s'est  fait  peudre. 

Arl.     Deux  fois  je  Tai  risque,  mais  de  tous  les  deux  sauts 

Galammeut  j'ai  scü  ine  defeudre. 
Arl.     (cad.)  Cher  aine,  c'est  donc  toy? 
Arl.  C'est  donc  toy,  cber  Cadet? 

Die  „deux  Arlequins"  sind  zwar  weither  von  römischem 
Boden  auf  die  italienische  Szene  nach  Paris  verpflanzt,  haben 
aber  einige  Züge  des  Originales,  so  die  Geschichte  mit  dem 
Schmuckkästchen  und  einiges  andere  bis  auf  den  Wortlaut 
beibehalten. 

Jedenfalls  eine  Ausdehnung  dieses  Stückes  sind:  „Les 
quatre  semblables,  ou  les  deux  Lelio,  &  les  deux  Arle- 
quins," eine  dreiaktige,  am  5.  März  1733  gespielte  Komödie 
des  Pierre  Biancolelli  (1680—1734)') 

Ganz  auf  Plautus  beruht  das  Lustspiel  Jean  Francois 
Regnards  „Les  Menechmes,  ou  les  jumeaux."  Comedie  en 
vers  et  en  cinq  actes,  precedee  d'un  Prologue  en  vers  libres. 
Representee  pour  la  premiere  fois,  le  vendredi  4  Decembre  1705. 2) 

Dem  Stücke  geht  eine  Epistre  ä  Monsieur  Despreaux 
voran;     dann     folgt     ein     Prolog,     durchgeführt     von     Apoll  on, 


')  Beauchamps,  Recherche*.  V,  134.  —  Vergleiche  ebenda  (V, 
124)  „Li  duc  Leli  e  due  Arlichini,"  eiue  dreiaktige  Komödie  and 
vielleicht  hierher  gehörig (V,  126)  „Li  gemelli,  o  la  prigion  d'amore" 
in  fünf  Akten.     (Vgl.  oben  S.  527.) 

-)  Auf  S.  231—336  des  dritten  Bandes  der  „Oeuvres  de  M.  Reg- 
nard".    Nouvellc  tJditiou.     Paris  (Bördelet)  1750. 


560  XL    Menächmi. 

Mercure  und  Piaute.  Die  Szene  spielt  auf  dem  Pavnass. 
M  er  eure  hat  neben  seinen  vielen  Beschäftigungen  sich  auch  des 
Pariser   Theaters   angenommen : 

Les  Spectacles,  la  Comedie 
Me  dounent  ä  Paris  quelque  oecupation; 
Je  les  ai  pris  sous  ma  protection. 

Er  braucht  nun  ein  komisches  Stück;  aber  seitdem  la  Par- 
que  meurtriere: 

Enleva  le  fameux  Moliere 

ist  es  nichts  mehr  mit  dem  komischen  Theater.  Da  wird  Plau- 
tus  von  Apollo  berufen.  Er  erscheint,  will  jedoch  anfänglich 
nichts  mehr  wissen.  Seine  Komödien  haben  ihm  nicht  einmal 
das  Leben  verdient,  und  so  kann  er  Apollo  gegenüber  wohl  ver- 
sichern: 

Et  si  j'avois  ä  reprendre  naissance, 

J'aimerois  mieux  etre  portier 

D'un  Traitant  ou  d'un  Sous-fermier 

Que  mignon  de  Votre  Excellence. 

Er  befürchtet,  dass  seine  Stücke  heutigentags  nicht  mehr 
gefallen  würden;  da  erinnert  sich  Apollo,  dass  in  diesen  Ta- 
gen erst: 

Un  Auteur,  qui  par  fois  erre  dans  ces  detours 

Me  fit  voir  un  sujet  qu'on  nomme 

Les  Menechmes,  qu'il  dit  avoir  tire  de  vous 

Et  qui  fut  applaudie  dans  Rome. 

„Das  verhält  sich  allerdings  so",  versetzt  Piaute.     Dieses  Stück 

Divertit  autrefois  un  peuple  difficile. 

Et  peut-etre  aura-t-il  meme  sort  ä  Paris. 

Damit  zufrieden  scheidet  man  vom  Parnass,  und  die  Szene 
wird   ein  öffentlicher  Platz  in  Paris. 

I.  Akt.  (1.)  Le  chevalier  Menechme  erwartet  seinen 
Diener  Valentin,  der  nach  langem  Zögern  mit  dem  Gepäcke  (2.) 
eintrifft.  Nach  allerlei  Vorwürfen  über  seinen  vei-derblichen  Hang 
zum  Trinken  und  Spielen,  wobei  er  indes  seinen  Herrn  gehörig 
hinausbezahlt,  kommt  die  Rede  auf  den  Koffer,  welcher  nicht  der 
richtige  zu  sein  scheint. 

De  la  mienne  eile  n'a  ni  l'air,  ni  la  fagon, 

meint  der  Chevalier;  dennoch  aber  trägt  er  die  Adresse:  „A 
Monsieur  Menechme,  ä  present  ä  Paris."  Da  der  Schlüssel 
nicht  passt,  lässt  der  Chevalier  den  Koffer  erbrechen;  in  dem- 
selben findet  er  aber  nur  fremde  Effekten,  Briefe  u.  a.  nicht  ihm 


Kegnards  Les  Menechmes.  561 

Gehöriges.  Der  Chevalier  erzählt  alsdann  seine  Jugendge- 
schichte.  Geboren  hei  Peronne,  sei  er  mit  fünfzehn  Jahren  zur 
Armee  gegangen.  Sein  einziger  Zwillingsbruder  sei  bei  einem 
reichen,  geizigen  Onkel  zurückgeblieben:  die  Mutter  sei  bereits 
bei  der  Geburt  der  Zwillinge  gestorben. 

Noüs  uou-i  ressemblions,  mais  si  parfaitement, 
Que  les  yeux  les  plus  fins  s'y  trompoient  aisemeut. 
Et  notre  pere  meine,  en  comniengant  ä  croitre, 
Nous  attachoit  im  signe  afm  de  nous  connoitre. 

Unter  den  Briefen  in  dem  erbrochenen  Koffer  befindet  sich 
auch  einer  des  Notars  Robert  in,  in  welchem  er  dem  Besitzer 
des  Koffers  mitteilt,  dass  ihm  sein  Onkel  testamentarisch  sechzig- 
tausend  Thaler  (ecus)  hinterliess,  und  dass  er  nun  die  Heirat  mit 
Isabelle,  die  ganz  nach  dem  Willen  ihres  Vaters  sei,  eingehen 
könne.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  der  glück- 
liche Besitzer  des  Koffers  sein  Bruder  ist   — 

Un  frere  qui  recoit  tous  ces  biens  qu'on  lui  laisse 
Et  qui  vient  enlever  encore  votre  maitresse, 

wie  Valentin  sagt.  Nun  gilt  es,  die  Sache  zu  hintertreiben. 
Vor  allem  macht  sich  der  Chevalier  an  die  Tante  Isabel  las, 
die  alte  Araminte,  die  in  ihn  verliebt  ist  und  eben  recht  (3.) 
mit  ihrer  Zofe  Finette  kömmt.  Er  macht  ihr  stark  den  Hof, 
und  Finette  findet  (4.),  dass  auch  „son  valet  Valentin  n'est  pas 
mal  fait  aussi".  (5.)  Nach  dem  Abgänge  .  des  Chevalier  Me- 
nechme  tritt  A  ramint  es  Bruder,  Demophon,  auf,  der  ihr 
mitteilt,  dass  seine  Tochter  heiraten  soll,  und  nach  einem  Wort- 
kriege über  ihr  Alter  („cinquante  ans"),  das  Araminte  nicht 
zugeben  will,  (6.)  sich  aufmacht,  den  Notar  Robertin  zu  be- 
suchen. 

II.  Akt.  (1.)  Valentin  hat  den  Bruder  des  Chevalier 
Menechme  entdeckt.      Er  schildert  ihn: 

Le  visage  et  les  traits,  Fair  et  le  tou  de  voix 

Ce  n'est  qu'uu,  je  m'y  suis  trompe  plus  d'une  fois; 

dennoch  aber: 

Son  esprit,  il  est  vrai,  a'esl  pas  semblable  au  vötre. 
II  est  brusque,  impoli,  son  humeur  est  tont  autre. 
On  voit  bieu  qu'il  n'a  pas  goüte  l'air  de  Paris, 
Et  c'est  im  i'ranc  Picard  qui  tient  de  son  pays. 

Dies  gab  Goldoni  den  Grundriss  zu  seinen  beiden 
Brüdern  Zanetto  und  Tonino.      (Vgl.  S.  545.   Z.   7  v.  o.)    — 

36 


562  XL   Menächmi. 

Valentin  rät  nun,  die  Ähnlichkeit  mit  dem  Bruder  zu  be- 
nutzen, heim  Notar  das  Geld  und  heim  Vater  die  Tochter  zu 
holen.      Zwar  erwidert  der  Chevalier: 

J'ai  de  tromper  mon  frdre  an  fond  quelque  scrupule; 

allein  er  tröstet  sich,  er  könne  ja  später  das  Geld  mit  seinem 
Bruder  wieder  teilen,  und  von  Isahelle  kann  er  ohnehin  sagen, 
„qu'elle  ne  me  voit  pas  avec  indifferenee. "  Er  hat  sich  also, 
gleich  seinem  Bruder,   in  Trauerkleider  zu  werfen: 

II  faut  etre  vetu  comme  l'est  votre  frere; 
II  porte  le  grand  deuil,  son  linge  est  etile, 
Un  bandrier  noue  d'un  crepe  entortille; 
Sa  perruque  de  peu  differe  de  la  vötre. 

Unterdessen  hat  sich  schon  hei  der  ersten  Begegnung  Va- 
lentin als  Diener  des  zweiten  Meliechme  anwerben  lassen  und 
ist  von  ihm  als  solcher  gedungen  worden.  • —  (2.)  Menechme  II. 
tritt  auf;  er  klagt  seinem  Diener  Valentin  gegenüber  wegen  des 
Lärmens  und  des  unruhigen  Lebens  in  Paris.  Sein  Koffer  sei 
gegen  einen  andern  wertlosen  vertauscht  worden.  „Des  billets 
doux  de  femmes  y  sont  pour  toutes  hardes."  Er  erzählt  alsdann, 
wie  er  in  Paris  sei,  um  seehzigtausend  Thaler  einzuziehen,  da 
sein  Bruder  seit  fast  zwanzig  Jahren  verstorben  sei.  Valentin 
solle  ihn  nun  erst  zu  Demophon  und  alsdann  zu  dem  Notar 
Robertin  führen.  Da  tritt  (3.)  Finette  auf.  Sie  hält  Me- 
nechme IL  für  den  Chevalier  und  fragt  ihn,  warum  er  Trauer- 
kleider angelegt  habe.  Menechme  findet  dies  etwas  seltsam; 
allein  Valentin  sagt  ihm,  nicht  ohne  Reminiszenz  an  den 
plautinischen  Messenio,   von  den  Pariser  Damen: 

C'est  Thumeur  du  pays;  et  saus  beaucoup  d'instance 
Avec  les  Etrangers  elles  fönt  connoissance. 

Finette  fährt  nun  weiter.  Ihre  Herrin  sei  arg  in  ihn  verliebt; 
er  könne  sie  sofort  heiraten.  Wie  der  plautinische  Menächmus, 
staunt  auch  der  französische,  wie  Finette  seinen  Namen  wisse. 
Er  versichert,  sie  nie  gesehen  zu  haben.  Trotzdem  wird  er  von 
Finette  namens  ihres  Fräuleins  zu  Tische  geladen.  Auf  des 
Kammermädchens  Frage,  was  es  denn  mit  seinem  Herrn  sei,  ant- 
wortet ihr  Valentin: 

Depuis  un  certain  tems  il  est  assez  sujet 
A  des  distractions  dont  tu  peux  voir  l'effet. 

(4.)  Valentin  weiss  nun  nach  Finettes  Abgang  dem  Me- 
nechme  beizubringen,    dass    die    Person  wohl  um    sein   Geld  ge- 


Eeguards  Les  Menechmes.  553 

wusst  habe  und  ihn  darum  zu  sich  locken  wollte.  (5.)  Mittler- 
weile hat  Finette  Ar  am  inte  geholt,  die  nun  von  Menechme 
das  Gleiche  hört.  Er  wird  immer  unhöflicher,  ja  er  nennt  beide 
zu  ihrem  Entsetzen  „des  ereatures".  Finette  jammert,  er  sei 
verhext.  Nun  da  sie  fort  sind  (6.),  möchte  Menechme  seine 
Braut  sehen:  ..Un  clesir  curieux  plus  que  l'amour  me  presse." 
(7.)  Nach  alledem  hat  Valentin  reichlichen  Stoff  gesammelt,  um 
seinen  wirklichen  Herrn  davon  zu  unterrichten. 

III.    Akt.      (1.)    Der    Chevalier    in    Trauer    gleicht    völlig 
seinem  Bruder: 

Rien  n'est  plus  surprenant ;  et  votre  ressemblance 

Avec  votre  jumeau  passe  la  vraissemblance. 

Vous  et  lui  ce  n'est  qu'un;  etant  vetu  de  deuil 

II  n'est  komme  ä  present  dont  vous  ne  trompiez  l'ceil, 

so  zwar,   dass  ihm  der  Diener  ein  Zeichen  an  den  Hut  steckt,   um 
ihn  nicht    zu   verwechseln.      Der  Notar   ist  bereits  getäuscht  wor- 
den.     In    einer    Stunde    kann    er    sein    Geld    dort    abholen.      Nun 
kömmt   auch  (3.)  Demophon;  Valentin  stellt  ihn  seinem  Herrn 
vor  und  wird    dann    abgeschickt,    um   Menechme  IL   von    einem 
Gange  zum  Notar  abzuhalten.      (4.)  Demophon  hat  seine  Toch- 
ter geholt.      Diese  erklärt   zwar    zuerst,    sie    wolle  nicht  heiraten, 
da    sie    aber    in    dem    ihr  bestimmten  Bräutigam    ihren   Geliebten, 
den  Chevalier,   erkennt,   ist  sie  sofort  für  die  Ehe,   eine  Sinnes- 
änderung ,     welche    der    Alte     dem     Einflüsse     seiner    väterlichen 
Autorität    zuschreibt.      Zum    Verhängnisse    gesellt    sich    (5.)  Ara- 
minte    dazu,    die   sogleich    dem    Chevalier    mit    Vorwürfen    ent- 
gegentritt.     Demophon    nimmt    seinen    künftigen    Schwiegersohn 
in    Schutz:    dieser    geht:    Araminte    jedoch    erklärt:     ,.Je    veux 
l'epouser  en  depit  de  la  Alle."      (6.)  Der  Vorfall  ist  Demophon 
recht    unlieb.       Unglücklicherweise     kömmt    (7.)    Menechme    H. 
des  Weges.      Da  er  von  allen  Vorgängen  nichts  weiss,    erregt  er 
allenthalben    Anstoss.        Demophon    meint:      „Cet    homme    dans 
l'abord    me    paroissoit    plus    sage;"     Isabelle    findet:     „Je    ne    le 
connois   plus;    son    esprit   s'est    trouble."      Sie  scheidet  sehr  unbe- 
friedigt  von   ihm.      Auch  Demophon  (8.)    kömmt    mit    ihm    nicht 
ganz  zurecht;  Menechme  IL  selber  ist  von  seiner  Braut  nicht  sehr 
erbaut.      (9.)  Da  er  eben  gehen  will,   begegnet  ihm  der  Kaufmann 
Coquelet,    der  ihn  als  alten  Bekannten  begrüsst.      (10.)  Er   hat 
gegen  ihn  einen  Schuldhafterlass,    eine  Gerichtsentscheidung   „par 
Corps",     wolle    aber   als    guter    Mann,     ..benin    creancier, "    die    Exe- 
kution   verschieben.      Valentin    will    vermitteln.       Er    sag(    Co- 
quelet heimlich,     sein    Eerr    sei  nicht    ganz,    bei    Sinnen.      In   der 
Schlacht    habe    er,    an    der  Kanone    stehend,    sein    Gehirn    erregt. 
Allein  Menechmes  Benehmen  vereitelt  alles.    Er  zerreisst  wütend 

36 


564  XI.   Menächmi. 

die  ihm  dargebotene  Rechnung,  worauf  sich  Coquelet  zürnend 
imd  drohend  entfernt.  (11-)  Da  Menechme  zum  Notar  will, 
versichert  ihm  Valentin,  dass  er  jetzt  nicht  zu  Hause  sei. 
Brummend  über  alles  Erlebte:  „Tont  est  devenu  fou,  je  crois, 
dans  cette  ville,"  entfernt  sich  Menechme  IL;  Valentin  aber 
(12.)  freut  sich  des  bisherigen  Erfolges  und  hofft  „servir  utilement 
la  fortune  et  l'amour". 

IV.  Akt.  (1.)  Valentin  wacht,  damit  niemand  das  Haus 
des  Notars  betritt.  Zu  ihm  kommt  (2.)  Fi  nette,  die  den  Cheva- 
lier sucht,  um  Briefe  und  Bild  ihres  Fräuleins  von  ihm  zurück- 
zuverlangen. Valentin  sagt  ihr,  sie  hätten  nun  einen  Onkel 
beerbt  und  verfolgten  gleichfalls  höhere  Zwecke.  (3.)  Me- 
nechme IL  ist  aufgetreten.  Finette  giebt  ihm  im  Auftrage 
ihrer  Gebieterin  sein  Bild  und  seine  Briefe  zurück,  was  ihn  in 
gewaltiges  Erstaunen  versetzt.  Er  kann  schwören,  dass  er  sich 
nie  habe  malen  lassen:  „Je  ne  nie  suis  jamais  ni  fait  graver  ni 
peindre."  Trotzdem  aber  hat  das  Bild  sprechende  Ähnlichkeit 
mit  ihm.  Während  Menechme  IL  noch  mit  Valentin  spricht  (4.), 
tritt  der  Marquis,  ein  Gascogner,  auf  (5.),  der  von  Menechme 
sechshundert  ihm  geliehene  Louisd'or  zurückverlangt.  Da  Me- 
nechme IL  hiervon  nichts  zu  wissen  behauptet,  fühlt  sich  der 
aufschneiderische  Marquis  veranlasst,  ihn  zum  Zweikampf  heraus- 
zufordern. Menechme  erschreckt,  bietet  ihm  sechzig  Louisd'or, 
die  er  eben  zur  Hand  hat.  Der  Marquis  entfernt  sich  mit  dem 
Ausdrucke  der  Verachtung: 

Ne  lu'approchez  jamais  que  de  loin  .  .  .  Plus  d'affaire 
Je  serois  degrade  de  noblesse  chez  nous, 
Si  j'etois  accoste  d'un  lache  tel  que  vous. 

Endlich  kann  Menechme  zum  Notar  gehen.  Für  niemand 
hat  er  mehr  etwas  anderes  als  Argwohn,  indessen  sich  Valen- 
tin seiner  Streiche  freut  (7). 

Der  Chevalier  hat  das  Geld  eingezogen;  er  ist  ausser  sich 
voll  Jubel  (8).  Von  Valentin  erfährt  Isabelle  die  Ursache  der 
ganzen  Verwirrung : 

Mais  sachez  que  monsieur  en  ces  lieux  a  son  frere, 
Frere  jümeau,  semblable  et  d'habits  et  de  traits, 

sie  wird   auf  sein  Zeichen  an  seinem  Hute  hingewiesen: 

Pour  ne  nous  plus  tromper,  regardez  ce  sigual; 
II  doit  dans  l'embarras  vous  servir  de  fanal. 

V.  Akt.  (1.)  Finette  hetzt  Araminte,  den  Chevalier 
nicht  loszulassen.  Er  hat  ihr  die  Ehe  versprochen:  „Vous  avez 
sa  promesse,  il  faut  qu'il  l'accomplisse. "  Auch  ihrem  Bruder 
Demophon  gegenüber  (2.)    macht  Araminte   ihre  Rechte  nach- 


Begnards  Les  Menechrnes.  565 

haltig  geltend.  In  der  Zwischenzeit  hat  Meneelime  II.  vergeb- 
lich den  Notar  gesucht  (3.),  aber  in  Paris  lauter  Bekannte,  und 
zwar  nicht  immer  die  angenehmsten,  gefunden.  Ar  am  inte  lässt 
ihn  hart  an  und  zeigt  ihm  sein  Eheversprechen ,  das  er  ihr 
schriftlich  gab.  Dazu  kömmt  auch  der  Notar  (4.),  der  eben  an 
Menechme  IL  sein  Geld  ausbezahlt  haben  will.  Der  neu  auf- 
tretende Valentin  (5.)  kann  dies  nur  bestätigen,  was  Me- 
nechme II.  aufs  höchste  erbittert.  Alle  stürmen  auf  ihn  gleich- 
massig  ein,  bis  (6.)  endlich  der  Chevalier  die  Geschichte  löst. 
Isabelle  kennt  das  Zeichen  auf  dem  Hute  und  wählt  ihn  als 
Gatten,  Araminte  nimmt  Menechme  II.,  Finette  Valentin. 
Alles  Übrige  wird  zur  Zufriedenheit  geschlichtet. 

Es  bedarf  kaum  eines  Beweises,  wenn  man  nur  den  Inhalt 
gelesen  hat,  dass  Regnards  Lustspiel  tief  unter  dem  Origi- 
nal steht.  Für  den  Zuschauer  bietet  es  keine  Täuschung; 
dieselbe  betrifft  nur  ein  Paar  Mitspielende.  Der  Bediente 
ist  niemals  in  Zweifel  über  seinen  Herrn,  das  Zeichen  am  Hut 
(ähnlich  dem  Amphitruo,  S.  120)  kömmt  auch  der  Geliebten 
zu  Hilfe.  Regnard  hat  alles  gethan,  um  sein  Stück  glaub- 
würdig zu  machen,  und  darin  liegt  der  geringere  Erfolg 
desselben.  Hier  ist  alles  Intrigue  des  schlauen  Dieners,  der 
alle  Personen  wie  Marionetten  leitet  und  alle  Szenen  herbeiführt, 
der  beiden  Menächmen  dient,  beide  wohl  unterscheidet.  Seinen 
Anordnungen  folgt  das  gesamte  Publikum,  selbst  nie  getäuscht, 
nie  in  Zweifel  über  die  Persönlichkeit,  während  bei  Plautus 
stets  beim  ersten  Auftreten  auch  der  Zuschauer  erst  aus  dem 
Zusammenhange  entnehmen  muss,  welcher  Menächmus  vor  ihm 
stehe  und  darum  stets  die  Komödie  der  Irrungen  mitspielt.  Von 
dem  Humor  des  Plautus  Regnard  gegenüber  soll  gar 
nicht  die  Rede  sein. 

Schwach  muss  der  Erfolg  dieser  Menächmen  gewesen  sein, 
in  denen  zwar  fast  jede  plautinische  Figur  genau  verwertet  ist, 
die  aber  doch  mit  dem  Originale  keinen  Vergleich  dulden.  Hart 
urteilt  darum  Rapp1)  über  die  Komödie  ab,  die  indessen  vielfach 
übersetzt  wurde. 2) 


')  Die  pl.  Lustsp.,  S.  443.  —  Vgl.  Sommer,  Les  comedies  de  Piaute 
traduites  etc.  (I,  374):  „En  dounant  aux  deux  Ereres  des  caracteres  en- 
tiörement  oppose"s  il  (Regnard)  ;i  e*te  vraiment  createur." 

-)  Ids  Deutsche  17;")7.  Die  Menechmer  oder  die  Zwillings- 
brüder, eiu  Schauspiel  aus  dem  Französischen  des  Herrn  Begnards. 
Nebst  eiuer  Zueignungsschrift  an  den  Verfasser  des  gelehrten  Artikels 
im  Hamburg.  Correspondenten  und  einer  kurzen  Abhandlung  vom  Ge- 
schmacke  der  Deutschen  in  der  theatr.  Dichtkunst  und  einem  Xaehs]>iel 
„Die  Klatschen"  betitelt,  Bresslau  (8°)  1757.  Gottsched.  II,  294.  Gö- 
deke,  Gd.  S.  547.  —  Ferner  im  2.  Teil  No.  3.  B"egnard,  sämmtliche 
theatr.  Werke:   Die   Menächmer  oder   die   Zwillinge.     Berlin  8°.     1757. 


566  XI.   Menächmi. 

Zutreffend  ist  auch,  was  Paul  8 tapfer1)  über  das  Stück 
Regnards  äussert:  .,Ce  qu'il  y  a  de  plus  interessant  a  noter  dans 
les  Menechmes  de  Regnard  au  point  de  vue  d'une  etude  de 
litterature  comparee  c'est  la  degenerescence  de  l'amour  fraternel 
et  generalement  de  tous  les  sentiments  lionorables  de  la  nature  hu- 
maine  dans  le  monde  de  d'escrocs  et  de  sacripants  qui  fournit  aux 
successeurs  de  Moli  er  e  les  heros  preferes  de  leur  theatre."  Mit 
Recht  sagt  er  von  dem  Chevalier:  „Le  che  valier  Menechme  n'est 
quun  chevalier  d'industrie  qui  s'entend  avec  son  valet  pour  duper 
Menechme  son  frere." 

Noch  sind  die  französischen  Menächmen  nicht  erschöpft,  oh 
sie  auch  nicht  direkt  an  Plautus  hinstreifen. 

Von  Frc.  Cailhava2)  werden  „Les  Menechmes  grecs" 
angeführt.  3) 

Am  13.  Dezember  1785  Hess  Charles  de  Montenoy  Pa- 
lissot  (1730 — 1814)  sein  Lustspiel  „Clerval  et  Cleon,  ou  les 
nouveaux  Menechmes"4)  in  fünf  Akten  aufführen.  Der  „Avis 
des  Editeurs"  sagt  von  demselben:  „Cette  comedie  qui  n'a  rien 
de  commun,  ni  pour  les  caracteres  ni  pour  l'intrigue, 
avec  la  comedie  des  Menechmes  est  fondee  comme  eile  sur 
la  ressemblance  parfaite  de  deux  personnages.  Pour  rendre  cette 
ressemblance  vraisemblable  aux  yeux,  l'auteur  avait  combin^  son 
sujet  de  maniere  que  les  deux  personnages  ne  paraissant  jamais 
ensemble,  tm  seul  et  meine  acteur,  sous  des  habits  differens  put 
remplir  ä  la  fois  les  deux  röles.  On  sait  que  chez  les  Grecs  et 
chez  les  Romains  ä  la  faveur  des  masques  antiques,  deux  acteurs 
pouvaient  representer  avec  illusioii,  ou  les  deux  Sosies,  ou  les  deux 
Menechmes;  mais  on  conenit  a  peine  comment,  sur  nos  theätres 
modernes,  le  public  a  pu  s'aecoutumer  a  voir  representer  ces  per- 
sonnages par  des  acteurs  qui,  loin  d'avoir  entre  eux  aueune  ressem- 
blance, ne  presentaient  aux  yeux  que  la  disparite  la  plus  absurde 
et  la  plus  choquante.  L'innovation  de  l'auteur  etait  donc  un  moyen 
heureux  qui  m^me  a  ete  tente  depuis  avec  succes  dans  la  Comedie 
des  Trois  Jumeaux  Venitiens."      (Vgl.   S.   538   u.   594.) 

Von  den  plautinischen  Menächmen  hat  Palissot 
allerdings    nichts    verwertet,     als    die    Idee    zweier    ähn- 


')  Shakespeare  et  l'Antiquite.     (Paris  1879.)     I,  136. 

2)  Sein  Theatre.    Paris  1781.     2  Bde. 

_3)  Nach  Dunlop  (Hist,  I,  185)  bei  Ussing.  III,  383.  —  Die  zwei- 
bändige Ausgabe  seiner  Lustspiele  (Paris  1781)  enthält  dieselben  nicht; 
auch  thut  er  in  seinen  geschwätzigen  Memo ir es  historiques  sur  nies 
pieces  derselben  keinerlei  Erwähnung.  Wohl  aber  führt  H.  Lucas 
(DU)  dieselben  als  im  Jahre  1791  gespielt  auf. 

4)  Auf  Seite  229 — 361  des  ersten  Bandes  der  „Oeuvres  de  M.  Pa- 
lissot, Lecteur  de  S.  A.  S.  Msr.  le  Duc  d'Orleans".  Nouvelle  edition. 
Paris  (imprimerie  de  Monsieur)  1788. 


Palissot.    Picard.  567 

liclier  Menschen,  die  bei  Plantus  Zwillingsbrüder,  liier 
einander  durchaus  fremde  Leute  sind.  Um  die  Glaub- 
würdigkeit also,  die  bei  Plautus  schon  von  einigen  augefochten 
wird,  steht  es  liier  weit  schlimmer.  Noch  unwahrschein- 
licher wird  die  Sache  durch  die  Handlung  des  Stückes  selbst. 

Clerval,  der  treue  Liebhaber  Lucilies,  hat  mit  dem  Ver- 
lobten dieser  Dame,  Cleon,  eine  solche  Ähnlichkeit,  dass  ihn 
alle  für  diesen  halten,  die  Geliebte  nicht  ausgenommen.  (!)  Cleon 
ist  ein  unsauberer  Rivale.  Er  hat  während  seines  Brautstandes 
mit  Lucilie  eine  andere  Liebe  gepflegt,  hat  Schulden  in  grosser 
Anzahl  zusammengebracht  und  überhaupt  ein  schlechtes  Leben 
geführt.  Durch  eine  arge  Indiskretion  ist  Fron tin,  Clervals 
Diener,  in  den  Besitz  der  Briefschaften  Cleons  gekommen  und  hat 
so  Einsicht  in   seine  Verhältnisse  gewonnen. 

Mon  maitre  aurait  des  scrupules;  mais  bon! 
Tous  les  moyens  sont  egaux  quand  on  airne, 
C'est  mon  avis.     (II,  1.) 

Clerval  gilt  infolge  seiner  Ähnlichkeit  überall  für  Cleon. 

Dorimon,  der  künftige  Schwiegervater,  begrüsst  ihn  zuerst 
als  Cleon  (I,  4),  ihm  folgt  Clitandre,  Dorimons  Neffe,  in  der 
gleichen  Täuschung  (II,  2).  Dies  führt  verschiedene  Verwechs- 
lungen mit  sich,  die  sich  steigern,  da  (III,  6)  Pas  quin,  Cleons 
Diener,  erklärt,  sein  Herr  sei  in  Nemours  und  nicht  in  Paris. 
Während  Clerval  neben  verschiedenen  Unannehmlichkeiten  auch 
Händel  mit  dem  Marquis  bekömmt  (IV,  4),  der  ihm  energisch 
erklärt : 

Vous  vous  donnez  pour  im  autre,  monsieur. 

L'expedient  vous  fait  beaucoup  d'honneur. 

II  est  tres-neuf  et  j'aime  vous  entendre, 

tritt  (IV,  9)  Cleon  auf.  Sein  Diener  Pasquin  hat  vorher  mit 
Clerval  verhandelt  und  gerät  nun  bei  seinem  wirklichen  Herrn 
in  den  Verdacht,  betrunken  zu  sein.  Clerval  und  der  Marquis 
schlagen  sich,  wobei  der  erstere  verwundet  wird.  Zum  Schlüsse 
erhält   Clerval  die  Hand  Lucilies. 

Die  Idee  der  beiden  ähnlichen  Bewerber  ist,  wie  be- 
merkt, den  Menächmen  entnommen;  zu  Frontins  Be- 
nützung der  Briefe  und  Papiere  eines  Fremden  gab 
vielleicht  die  ähnliche,  doch  diskretere  Szene  bei  Reg- 
nard Veranlassung.  Das  Stück  leidet  an  grossen  Unwahr- 
scheinlichkeiten  und  bietet  nicht  einmal   viel    Humor. 

„Encore  des  Menechmes"  war  Picards  (17G9  — 1828) 
Stück  betitelt,  «las  (im  März  1803)  F.  Schiller  als  ..Der  Neffe 
als   Onkel-    auf  die  deutsche  Bühne   brachte. 


568  XI.  Menächmi. 

Die  englische  Litteratur  hat  durch  Shakespeares  „Co- 
medy  of  Errors"  die  Menäehmen  des  Plautus  unter  ihre 
klassischen   Lustspiele  erhalten.1) 

Welche  Quellen  Shakespeare  benutzt  hat,  ist  Gegenstand 
erregten  Streites  geworden.  Diejenigen,  welche  hartnäckig  be- 
haupten, dass  Shakespeare  nicht  im  stände  war,  ein  Stück 
des  Plaut us  im  Urtexte  zu  lesen,  wie  dies  vornehmlich  Ulrici 
thut,  sind  um  die  Quelle  der  Shakespeareschen  „Comedy  of 
Errors'-  in  Verlegenheit,  denn  das  Stück  gehört  der  Jugendzeit 
des  grossen  Dichters  an, 2)  wird  von  einzelnen  (wie  z.  B.  von 
Richard  Simpson)  schon  bis  1585  oder  1586  zurückdatiert, 
während  die  erste  englische  Übersetzung  der  Menächmi  von 
W.  W.  —  man  nimmt  William  Warner,  den  Dichter  von 
„Albion's  England",   an —   erst   1595   im  Drucke  erschien.3) 

Man  weiss  ferner,  dass  ein  Stück,  „The  Historie  of  Er- 
ror",4) am  Neujahrstag  1577  in  Hampton-Court  und  1583  am 
Tage  Epiphanie  in  Windsor  gespielt  wurde.  Da  wir  aber 
diese  Komödie  nicht  mehr  besitzen,  so  ist  alles,  was  auf  ihren 
Inhalt  Bezug  hat,  in  das  Gebiet  der  Hypothese  zu  verweisen,  so 
nahe  es  übrigens  auch  liegt,  eine  Beziehung  des  In- 
haltes der  „Historie  of  Error"  zur  „Comedy  of  Errors" 
anzunehmen,  um  so  mehr,  wenn  man  in  Erwägung  zieht,  in 
welcher  Weise  Shakespeare  fremde  Stoffe  sich  aneignete  und 
anzupassen  wusste. 

Einen  geschickten  Ausweg,  falls  man  nicht  in  der  „Historie 
of  Error"  die  Menäehmen  annehmen  zu  dürfen  glaubt,5)  hat 
Herrn.  Isaac6)  gefunden,  indem  er,  gestützt  auf  ein  Wort  der 
Vorrede7)  des  W.   W.,   nachweist,    dass    Shakespeare  die  Über- 


')  W.  Claus,  Über  die  Menäehmen  des  Plautus  und  ihre  Nach- 
bildungen besonders  durch  Shakespeare.  Stettin  1864.  —  Fritz,  Die 
Menäehmen  und  die  Comedy  of  Errors.  Mitterburg  1874.  —  H.  Isaac, 
Shakespeares  Comedy  of  Errors  und  die  Menäehmen  des  Plautus 
auf  S.  1 — 29  des  70.  Bandes  von  Herrigs  Archiv  (Braunsch.  1883). 

2)  Nach  Purnivall  1589  (?),  nach  Dowden  1591;  nach  Tieck  1593. 

3)  Menaechmi.  A  pleasant  and  fine  coneeited  Comoedie,  taken 
out  of  the  most  excellent  wittie  Poet  Plautus.  Chosen  purposely  from 
out  the  rest,  at  least  harmefull,  and  yet  most  delightfull.  Written  in 
English,  by  W.  W.  London,  Printed  by  Tho.  Creede  1595.  —  Vgl.  Far- 
mer, Essay  on  the  learning  of  Shakespeare,  S.  33. 

4)  Halliwell,  p.  87.  The  Historie  of  Error,  showen  at  Hampton 
Court  on  Newyeres  daie  and  night,  enacted  by  the  Children  of  Powles. 
Revels'  Account  1576.  1577. 

5)  Collier,  History  of  English  dram.  Poetry  III,  62,  nennt  das  Stück: 
„an  adaptation  of  the  Menaechmi." 

c)  A.  a.  0.,  S.  2. 

7)  „The  writer  hereof  (loving  Headers)  having  diverse  of  this  Poettes 
Comedies  Englished.  for  the  use  and  delight  of  his  private 
friends,   who   in  Plautus   owne   words   are   not   able'to  under- 


Menächmi  by  W.  W.  569 

tragung  des  Plautus  als  Manuskript  wohl  kannte,  und  dass  die- 
selbe in  befreundeten  Kreisen  lange  bekannt  war,  da  der  Über- 
setzer nach  seinem  eigenen  in  derselben  Vorrede  ausgesprochenen 
Geständnisse  nur  schwer  zur  Drucklegung-  eines  nicht  genugsam 
durchgefeilten  Werkes  veranlasst  werden  konnte. *) 

Die  Personen  der  Übersetzung  von  W.  W.  stimmen  zu 
Plautus:  Peniculus  a  Parasite;  Meneehmus  the  Citizen;  Me- 
nechmus  the  Traveller;  Erotium;  Cylindrus;  Messenio  ser- 
yant  to  Meneehmus  the  Traveller,-  Ancilla,  Erotiums  mayd; 
Muli  er,  the  Wife  of  Meneehmus  the  Citizen;  Senex;  Medicus. 
Der  Ort  der  Handlung  bleibt  Epidamnum,  eine  Form,  die  auch 
Shakespeare  öfter  zitiert,  obwohl  er  die  Handlung  nach  Ephe- 
sus  verlegt. 

Über  das  Verhältnis  dieser  ziemlich  genauen  Übersetzung 
des  Plautus2)  zu  Shakespeares  „Comedy  of  Errors"  urteilt 
H.  Isaac3)  nach  genauer  Vergleichung  beider  Stücke:  ..Die 
Charaktere  der  Hauptpersonen  stimmen  in  beiden  Stücken  durch- 
aus nicht  überein,  die  Bedeutung  mehrerer  Figuren  für  die  Ent- 
wickelung  des  Ganzen  ist  eine  verschiedene,  die  Anlage  hat  bei 
Shakespeare  den  Vorteil  einer  breiteren  Basis. " 4) 

G.  Fleay  äussert  sich5)  über  Shakespeares  Stück  und 
seine    Vorgänger:     „There    is    a    translation    of  this    comedy    (der 


stand  the  in:  I  have  prevailed  so  far  with  liim  as  to  let  this  one  go 
farther  abroad,  for  a  publike  recreation  and  delight  to  all  those  that 
affect  the  diverse  sorts  of  bookes  compiled  iu  this  kiud,  whereof  (in  my 
judgernent)  in  harmlesse  mirth  and  quicknesse  of  fine  coneeit,  the  most 
of  them  come  far  short  of  this." 

')  „And  although  I  forced  him  very  loath  and  unwilling  to  hazard 
this  to  the  curious  view  of  envious  detraction  being  (as  he  teils  mee) 
neither  so  exactly  written  as  it  may  carry  any  name  of  a 
Translation,  nor  such  libertie  therein  used  as  that  he  would 
notoriously  varie  from  the  Poets  owne  Order:  yet  this  is  only 
a  matter  of  merriment,  and  the  litle  alteration  therof,  can  breede  no 
detriment  of  irnportance;  I  have  overruled  him  so  farre,  as  to  let  this 
be  offred  to  your  curteous  aeeeptance." 

2)  Hai li well,  S.  168.  This  is  only  a  translation  from  Plautus. 
and  is,  in  some  place,  a  stricte  one;  though  in  not  a  few  the  author  is 
only  imitated  and  in  many  abridged.  The  translator  has  becn  supposed 
to  be  "William  Warner.  It  is  reprinted  in  Six  Old  Plays  published  by 
J.  Nichols.   8°.   1779.    vol.  I.     In  the  runing- title  it  is  called  Meneehmus. 

3)  A.  a.  0.,  S.  28. 

•')  Vgl.  War  ton.  IV,  323.  Collier.  III,  62  ff.  Ward.  S.  145.  — 
Man  vgl.  auch  sowohl  hierüber  als  we^-en  des  Verhältnisses  Shake- 
speares zu  Plautus  in  Bodenstedts  deutscher  Übersetzung  (29.  Bänd- 
chen, übersetzt  von  Georg  Herwegh  1870)  die  Einleitung  und  einiges 
in  den  Noten,  S.  74 — 78. 

5)  Shakespeare  Manual  by  F.  G.  Fleay,  London  (Macmillan 
1876),  S.  24.  —  Vgl.  Max  Koch,  Shakespeare  (Stuttg.  1885),  S.  156.  — 
Paul  Stapfer,  Shakespeare  ei  l'Ant  iquite.  Paris  (Sandoz  ei  Fischbacher) 
1879.  I.  S.  124— 138;  VI.    „La  Comedie  des  Meprises."    S.  auch  ebenda  1.89. 


570  XI-   Menächmi. 

plautmischen  Menächmi)  by  W[illiam]  Wfarner]  1595.  Frora  the 
last  line  of  the  prologue  to  tliis  ,Much  pleasant  error  ere  they 
meet  together'  Shakespeare  mar  have  takeu  his  title;  but  the 
tbundation  of  the  play  was  probably  not  this  translation,  bat 
,The  Historie  of  Error  shewn  at  Hampton  Court  on  New  Yere' 
daie  at  night  (1576 — 7)  enacted  by  the  Children  of  Pawles.'  Yet 
Warner's  play  was  entered  at  Stationer's  Hall  10  June  1594,  and 
the  printer's  advertissement  states  it  had  been  circulated  for  some 
time  in  MS." 

Shakespeares  Bearbeitung'  der  Menächmenfabel  ist  so 
allbekannt,  dass  es  gestattet  sein  wird,  sich  über  dieselbe  kürzer 
zu  fassen.      Der  Inhalt  ist   auf  fünf  Akte  verteilt,   wie  folgt: 

I.  Akt.  (1.)  Ageon,  ein  Kaufmann  aus  Syrakus,  ist  in 
Ephesus  gelandet  und  damit  dem  Tode  verfallen;  denn  das  Gesetz 
befiehlt: 

If  auy  born  at  Ephesus  be  seen 

At  any  Syracusian  marts  and  fairs; 

Again:  if  any  Syracusian  born, 

Come  to  the  bay  of  Ephesus,  he  dies, 

His  goods  confiscate  to  the  duke's  dispose, 

Unless  a  thousand  marks  be  levied, 

To  quit  the  penalty  and  to  ransom  him. 

Dies  wurde  verfügt  infolge  schwerer  Vergehen,  welche  der 
Herzog  von  Syrakus  an  ephesischen  Kaufleuten  verübte.  Tau- 
send Mark  kann  der  alte  Ageon  nicht  aufbringen.  Er  erzählt 
nun  dem  Herzog  Solinus  von  Ephesus  seine  Geschichte.  Er 
stammt  aus  Syrakus.  In  Handelsgeschäften  reiste  er  einst  nach 
Epidamnus:  da  er  dort  schon  fast  sechs  Monate  weilte,  fasste 
seine  Frau  den  Entschluss,  ihm  nachzufahren.  Alsbald  nach  ihrer 
Ankunft  gebar  sie  dort   Zwillinge, 

the  one  so  like  the  other 
As  could  not  be  distiuguish'd  but  by  names. 

In  demselben  Gasthause  gebar  zur  selben  Stunde  ein  armes  Weib 
gleichfalls  zwei  Knaben,  „male  twines  both  alike;"  diese  kaufte 
Ageon  und  zog*  sie  gross.  Die  Heimfahrt  wurde  verhängnisvoll. 
Kaum  eine  Meile  von  Epidamnus  litten  sie  Schiffbruch.  Die 
Mutter  mit  einem  Sohn  und  einem  der  gekauften  Knaben  wurde 
von  Ageon  getrennt.  Sowie  der  bei  dein  Vater  verbliebene 
Sohn  achtzehn  Jahre  alt  war,  zog  er  mit  seinem  Sklaven  in.  die 
Ferne,  um  den  vor  Jahren  verlornen  Bruder  zu  suchen.  Der  Herzog, 
gerührt  über  Ageons  Schicksale,  gewährt  ihm  einen  Tag  Frist,  um 
die  Summe  aufzubringen. 

(2.)  Der  gleichfalls  soeben  angekommene  Antipholus  aus 
Syrakus  wird  von  einem  Kaufmann  gewarnt,  seine  Vaterstadt 
nicht   anzugeben,   da  dies  gefahrvoll  wäre;   er  giebt  sich  für  einen 


Shakespeares  Comedy  of  Errors.  571 

Mann  von  Epidamnus  ans.  Dromio,  sein  Sklave,  wird  mit  dem 
Gelde  in  den  Gasthof  zum  Centauren  vorangeschickt.  Kaum  ist 
er  fort,  als  Dromio  (von  Ephesus)  auf  Antipholus  losstürzt, 
er  möge  sofort  nach  Hause  gehen,  das  Essen  werde  kalt  und  seine 
Frau  darüber  heiss.  Sie  können  sich  nicht  verstehen,  da  Dromio 
von  keinem  Gelde  weiss.  Antipholus  glaubt,  der  Sklave  sei  ge- 
prellt worden,  denn  Ephesus  steht  hier  in  dem  schlimmen  Rufe, 
wie   bei  Plan. tu s  Epidamnus: 

They  say  tliis  town  is  füll  of  cozenage, 
As,  nimble  jugglers  that  deceive  the  eye, 
Dark-working  sorcerers  that  change  the  mind 
Soul-killing  witches  that  deform  the  body 
Disguised  ckeaters,  prating  mountebanks, 
And  many  suck-like  liberties  of  sin. 

Er  geht  nach  seinem  Gasthofe. 

II.  Akt.  (1.)  Adriana,  die  Frau  des  Antipholus  (von 
Ephesus),  ist  im  Gespräche  mit  ihrer  Schwester  Luciana.  Sie 
erweist  sich  als  ein  herrisches,  emanzipiertes  Weib.  Ihr  Zorn 
steigert  sich,  da  Dromio  (aus  Ephesus)  berichtet,  wie  er  ihren 
Mann  gefunden    habe. 

„I  know,  quoth  he,  no  house,  no  wife,  no  mistress." 

Sie  sendet  ihn  nochmals  ab;  umsonst  versucht  ihre  sanfte 
Schwester  Luciana,  sie  zu  beruhigen.  —  (2.)  Antipholus  (aus 
Syrakus)  hat  im  Gasthofe  alles  richtig  gefunden.  Dromio  (von 
Syrakus)  versichert  ihm,  von  allem,  was  er  da  höre,  nichts  zu  ver- 
stehen. Während  er  noch  mit  Dromio  streitet,  kömmt  Adriana 
und  hält  ihm  eine  lange  Strafpredigt.     Er  kann  ihr  nur  erwidern: 

Plead  you  to  nie,  fair  dame?  I  know  you  not: 

In  Ephesus  I  am  but  two  hours  old. 

As  stränge  unto  your  town  as  to  your  talk, 

und  auch  Dromio  (aus  Syrakus)  kann  nur  bestätigen:  „I  never 
saw  her  tili  this  time  ...  I  never  spake  with  her  in  all  my 
life."  Ohne  etwas  von  alledem  zu  begreifen,  folgt  Antipho- 
lus (von  Syrakus)  der  Einladung  zu  Tische,  indessen  Dromio 
Auftrag  erhält,  vor  dem  Thore  Wache  zu  stehen  und  niemand 
einzulassen. 

III.  Akt.  (1.)  Antipholus  (von  Ephesus)  mit  seinem 
Diener  Dromio  (von  Ephesus)  eilt  heim;  er  will  keine  Zeit 
versäumen,    um   seine   Frau   nicht    zu   reizen. 

My  wife  is  shrewish,  when  I  keep  not  hours. 

Dromio  (von  Ephesus)  spricht  immer  von  der  schlechten 
Laune,     in    welcher    er    eben    seinen    Herrn    auf  dein    Marktplatze 


572  XI-    Meiiüchmi. 

fand,  wovon  Antipholus  (aus  Ephesus)  nichts  weiss.  Die 
nun  folgende  Szene  gehört  dem  Amphitmo.  Dromio  von 
Svnikus  hütet  (wie  Merkur  als  Sosia)  von  innen  das  Haus. 
Der  Besitzer  desselben  und  sein  Diener  werden  unter  argen  Be- 
schimpfungen auf  ihr  Pochen  hin  abgewiesen,  ja  selbst  des  Anti- 
pholus  Frau  lässt   sich  vernehmen: 

Your  wife,  sir  knave!  go  get  you  from  the  door. 

Auf  des  Kaufmanns  Balthasar  Zureden  steht  Antipholus  (von 
Ephesus)  von  der  vorgehabten  Gewaltthat  ab.  Er  weiss  anderswo 
ein  Mittagsessen  zu  finden. 

I  know  a  wenck  of  excellent  discourse 
Pretty  and  witty,  wild  and  yet,  too,  gentle: 
Tliere  will  we  dine. 

Ihr  will  er  auch  seiner  Frau  zum  Trotze  eine  goldene  Kette 
schenken,  welche  der  Goldschmied  Angel o  in  Arbeit  hatte  und 
nun  ins  Stachelschwein  („to   the  Porpentine")  bringen  soll. 

(2.)  Unterdessen  hat  Antipholus  (von  Syrakus)  sich  in 
Luciana  verliebt  und  macht  ihr  eine  feurige  Liebeserklärung: 

Thee  will  I  love  and  with  thee  lead  my  life: 
Thou  hast  not  husband  yet  nor  I  no  wife. 
Give  me  thy  band. 

Stets  Aveist  ihn  Luciana  an  ihre  Schwester.  —  Die  Liebesszene 
unterbricht  Dromio  (aus  Syrakus).  Er  ist  ausser  sich.  Ein 
Weib  will  ihn  haben;  er  soll  sich  mit  ihr  verlobt  haben.1)  Und 
welches  Weib!  ,.A  very  reverent  body:  ay,  such  a  one  as  a 
man  may  not  speak  of  without  he  say:  Sir-reverence !  .  .  .  the 
kitchen-wench  and  all  grease  .  .  .  swart  like  my  shoe  .  .  .  this 
drudge  or  diviner."  —  Antipholus  (von  Syrakus)  ist  ent- 
schlossen abzureisen: 

There  's  none  but  witches  do  inhabit  here; 
And  therefore  't  is  high  time  that  I  were  hence. 

Noch  tritt  der  Goldschmied  Angel o  mit  der  Kette  auf,  die 
er  Antipholus  (aus  Syrakus)  aufnötigt,  ohne  Bezahlung  dafür 
sofort   anzunehmen.      Dieser  hat  seinen  festen   Entschluss    gefasst: 

I  '11  to  the  mart  and  there  for  Dromio  stay: 
If  any  sliip  put  out.  tuen  straight  away. 


l)  Wie  sehr  erinnert  dies  an  einige  Amphitruobearbeitungen  und 
zeigt  zugleich,  wie,  ganz  unabhängig  von  einander,  verschie- 
dene Dichter  zu  gleichen  Szenen  kommen  können. 


Shakespeares  Comedy  of  Errors.  573 

IV.  Akt.  (1.)  Antipholus  (aus  Ephesus)  trifft  mit  dem 
Goldschmied  zusammen.  Dieser  will  die  Kette  an  ihn  abgeliefert 
haben;  nach  einigen  Auseinandersetzungen  lässt  er  Antipholus 
verhaften.  Dromio  (von  Syrakus)  kömmt  mit  der  Meldung, 
ein  Schiff  nach  Epidamnus  sei  bereit.  Antipholus  (aus  Ephe- 
sus) versteht  dies  nicht;  er  schickt  ihn  vielmehr  nach  Hause  zu 
seiner  Frau  um  eine  Börse  Gold.  Schweren  Herzens  folgt  Dro- 
mio  (von   Syrakus);  denn  das  ist  ja  dort, 

Where  Dowsabel  did  claim  me  for  her  husband. 

2.)  Luciana  teilt  ihrer  Schwester  von  Antipholus'  Liebes- 
bewerbung mit;  da  kommt  Dromio  (von  Syrakus)  um  das  Geld, 
das  ihm  Adriana  sofort  aushändigt. 

3.)  Antipholus  (von  Syrakus)  kann  nicht  begreifen,  wie 
es  komme,   dass  ihn  jedermann  kenne: 

There  's  not  a  man  I  meet  but  doth  salute  me 
As  if  I  were  their  well-acquainted  friend. 
And  every  one  doth  call  me  by  my  name. 

Während  er  so  seinen  Gedanken  nachhängt ,  bringt  ihm 
Dromio  (von  Syrakus)  den  Beutel  mit  Gold.  Er  versteht  nichts 
von  allem;  „here  we  wander  in  illusions, "  ist  seine  einzige  Er- 
klärung; dazu  kömmt  noch  die  Buhlerin,  bei  der  er  gespeist  und 
von  der  er  einen  Ring  erhalten  haben  soll. 

4.)  Antipholus  (von  Ephesus)  wartet  sehnsüchtig  auf  das 
Lösegeld,  an  dessen  Stelle  ihm  aber  Dromio  (von  Ephesus) 
einen  Strick  bringt.  Adriana  wendet  sich  an  den  Schulmeister 
und  Teufelsbeschwörer  Pinch,  eine  Gestalt,  die  uns  aus  der  ita- 
lienischen Komödie  wohl  bekannt  ist.1)  Antipholus  und  Dro- 
mio werden  gebunden  und  abgeführt.  Adriana  tritt  vermittelnd 
ein.  —  Antipholus  und  Dromio  (von  Syrakus)  haben  sich 
mit  dem  Degen  Weg  gebahnt  und  wollen  sofort  die  Stadt  ver- 
lassen. 

V.  Akt.  Die  Szene  spielt  vor  einem  Kloster  („a  Priory"). 
Antipholus  und  Dromio  (von  Syrakus)  kommen  mit  Angel o 
und  einem  Kaufmann  in  Streit.  Adriana  hält  sie  auf.  „He 
is  mad!"  ruft  sie  seinem  Gegner  zu,  worauf  Antipholus  und 
Dromio   sich  in  die  Abtei    flüchten.      Die    Äbtissin    tritt    auf  und 


')  Antipholus  (aus  Ephesus)  schilderl    ihn  (V,  1): 

Alung  with  thein 
They  brought  one  Pinch,  a  hungry,  lean-faced  villain, 
A  mere  anatomy,  a  mounte-bank, 
A  threadbari'  ju Linier,  and   a  furtune-teller, 
A  needy,  hollow-eyed,  sharp-looking  wretch, 
A  Living  dead-man. 


574  XI.   Menächmi. 

hält  Adriana  eine  lange  Rede  über  die  Pflichten  des  Weibes; 
denn  nur  ihr  Betragen  habe  den  Mann  geisteszerrüttet  gemacht. 
Eben  naht  Ageon  auf  seinem  letzten  Gange.  Der  Herzog  fragt, 
ob  kein  Freund  für  ihn  die  Summe  zahlen  Avolle ,  da  fordert 
Adriana  Gerechtigkeit  gegen  die  Äbtissin.  Wir  erfahren  eben, 
dass  Antipholus  im  Kloster  den  Beschwörer  Pinch  übel  zuge- 
richtet habe,  da  tritt  Antipholus  (von  Ephesus)  und  Dromio 
(von  Ephesus)  auf.  Ageon  erkennt  sie  sofort.  Antipholus 
fordert  gleichfalls  vom  Herzog  Gerechtigkeit.  Indessen  die  Äbtis- 
sin Antipholus  und  Dromio  (von  Syrakus)  aus  dem  Kloster 
holt,  spricht  Ageon  Antipholus  (von  Ephesus)  an,  der  ihn 
natürlich  nicht  kennt.  Die  Gegenüberstellung  der  beiden  Zwil- 
lingspaare löst  alsbald  die  Verwirrung.  Adriana  glaubt  zwei 
Gatten  zu  sehen;  der  Herzog  findet:  „One  of  these  men  is  Ge- 
nius to  the  other."  Ohne  besondere  Mühe  findet  Ägeon  in  den 
beiden  Antipholus  seine  zwei  Söhne  und  in  der  Äbtissin  seine 
Frau  Emilia. 

Viele  Züge  des  Shakespeareschen  Lustspiels,  des 
einzigen  Stückes  Shakespeares,  „das  ein  rein  klassisches  ferti- 
ges Vorbild  zur  Grundlage  hat",1)  sind  direkt  aus  der  plau- 
tini sehen  Komödie  entnommen;  andere  etwas  modernisiert; 
der  medicus  ist  der  italienischen  Sitte  gemäss  zum  conjurer 
geworden,  dessen  Diagnose  nach  dem  Berichte  des  Antipholus 
(von  Ephesus)   zu  der  seines  Vorbildes  stimmt: 

gazing  in  mine  eyes,  feeling  my  pulse, 
And  with  no  face,  as  't  were,  outfacing  me 
Cried  out,  I  was  possess'd. 

Eine  treffliche  Charakteristik  des  Shakespeareschen  Lust- 
spiels giebt  K.  K.  Hense2):  „Wie  Terenz  in  seiner  Andria 
zwei  Lustspiele  des  Menander,  die  Andria  und  Perinthia,  be- 
nutzte und  zusammenflocht  („contaminatio"),  so  hat  Shakespeare 
dasselbe  in  der  Komödie  der  Irrungen  gethan.  Zu  der  Haupt- 
handlung, welche  in  den  Menächmen  des  Plautus  vorlag,  fügte 
er  das  Motiv  der  Zwillingssklaven  hinzu,3)  welches  er  dem  Ara- 
phitruo  des  Plautus  entlehnte.  [Hierauf  hat  meines  Wissens 
M.  Rapp,  Gesch.  des  griech.  Schauspiels,  Tübingen  1862,  p.  342, 


>)  Claus,  a.  a.  0.,  S.  1. 

2)  Shakespeare,  Untersuchungen  und  Studien  von  Dr.  Karl  Kon  - 
rad  Hense.    Halle  a  S.  (Waisenhaus)  1884,  S.  377. 

3)  Freilich  haben  die  Zwillingssklaven  nicht  alle  Kri- 
tiker befriedigt.  Gervinus  (Shakespeare  I,  236)  findet  sie  unnatür- 
lich; Sinirock  (Quellen  des  Shakespeare  II,  316)  dagegen 'vortrefflich 
und  ganz  sagengeniäss. 


Shakespeares  Comedy  of  Errors.  575 

zurrst  aufmerksam  gemacht.1)  Vgl.  ausserdem  P.  Wislicenus, 
,Zwei  neuentdeckte  Shakespearequellen'  in  der  Wochenschrift:  ,Die 
Li  tteratur,'  Lpz.  1874,  No.  1  und  3  und  im  , Jahrbuch  der 
deutschen  Shakespearegesellschaft'  XIV.].  Kritiker  wie  M.  Rapp 
imd  Gr.  Rümelin  sind  von  der  Polymythie  in  der  Komödie  der 
Irrungen  wenig  angesprochen.  Plautus  werde  weniger  über- 
troffen,  als  überboten.  Die  Handlung  werde  durch  Shakespeare 
noch  viel  unwahrscheinlicher.  Das  letztere  ist  nicht  zu  bestreiten. 
Dennoch  ist  die  Komödie  der  Irrungen  als  polymythisches  Drama 
sehr  beachtenswert.  Der  noch  jugendliche  Dichter  begnügte 
sich  nicht,  durch  Vermehrung  der  Irrungen  das  possenhafte  Ele- 
ment des  lustigen  Dramas  gesteigert  zu  haben;  durch  Polymythie 
befriedigte  er  die  Bedürfnisse  des  Herzens,  welchen  das  sittlich 
flache  Drama  des  Plautus  nicht  gerecht  wird.  Er  gab  dem  Zer- 
würfnisse zwischen  Antipholus  (von  Ephesus)  und  der  Adriana  tie- 
fere Motive,  als  er  bei  Plautus  fand,  und  stellte  ihnen  ein  Ver- 
hältnis der  Liebe  Lucianas  und  des  Antipholus  (von  Syrakus)  zur 
Seite,  welches  eben  so  phantasiereich  als  gemütvoll  anmutig  ist. 
und  in  dem  Charakter  der  Luciana  das  Gegenbild  sittlicher  Be- 
sonnenheit und  Mässigung  gegen  den  leidenschaftlichen  Sinn  der 
Adriana  aufstellt.  Mit  dem  Zuge  der  Wiedererkennung,  der  in 
dem  antiken  Drama  so  häufig  ist ,  bereicherte  Shakespeare  in 
gemütvoll  sittlicher  Weise  die  Komödie  der  Irrungen  dadurch, 
dass  auch  die  Eltern  der  Brüder,  Ageon  und  Emilia,  sich  wieder 
finden  und  Ageon  aus  den  Stürmen  der  Todesgefahr  in  den  Hafen 
eines  vielfachen  Familienglückes  geführt  wird." 

Claus2)  wirft  einen  Blick  auf  die  verschiedenen  Bearbeiter 
mit  diesen  Worten:  „Bei  Plautus,  der  sich  aller  Charakter- 
schilderung von  vornherein  begiebt  (?),  ist  das  künstliche  Gewebe 
zu  einem  Mechanismus  verschrumpft,  der  zuweilen  in  eine  piece 
ä  tiroir  auszuarten  droht.  Ahnlich  muss  es  bei  Rotrou  sein,  des 
Plautus  getreuestem  Nachfolger.  Regnard  hat  eine  Abwechslung 
dadurch  hineingebracht,  dass  die,  beiden  Brüder  heterogene  Cha- 
raktere darstellen.  Eigentümlich  hierbei  ist  ihm ,  dass  er  das, 
was  Ulrici  das  phantastische  Element  der  Komödie  nennt,  in  sub- 
jektives   Intrigueuspiel    umgesetzt    hat ,     indem    der    eine    Bruder 


')  Vgl.  jedoch  auch  Bodenstedt:  Shakespeares  sämtliche  Werke, 

eingeleitet  und  übersetzt  von  A.  W.  Schlegel.  Frd.  Bodenstedt  u.  a.. 
illustriert  von  John  Gilbert.  (Stuttgart,  Hallberger.)  I.  Bd.,  S.  412b, 
Anm.  —  Sollte  etwa  der  doppelte  Sosius  (sie!!)  in  dem  Amphitruo 
des  Plautus  die  Idee  zu  den  beiden  Dromios  in  der  „Comedy  of  Errors" 
geliefert  haben?  Gab  es  eine  englische  Übersetzung  von  diesem  Stücke ? 
oder  hat  Shakespeare  das  Original  gelesen?  Verstand  rv  vielleicW  ebenso 
wohl  Lateinisch  wie  Italienisch?  —  31a.\  Koch,  Shakespeare  (Stuttg. 
1885),  S.  156. 

2)  A.  a.  0..  S.  10. 


576  KL  Menächmi. 

gleich  zu  Anfang1  des  ersten  Aktes  den  andern  herausfindet  und 
überlistet.  Shakespeare  dagegen,  der  die  Charakteristik  am  gründ- 
lichsten durchgeführt,  hat  auch  das  Wesen  der  Fabel  am  schärf- 
sten erkannt,   wie  sein  Titel  erweist." 

Hinsichtlich  eines  Vergleiches  zwischen  Shakespeare  und 
Plaut us  äussert  sich  Paul  S tapfer:1)  „Si  l'idee  venait  ä  quel- 
qu'un  de  rapprocher  Piaute  et  Shakespeare  ce  ne  pourrait 
etre  que  pour  les  bizarreries  ou  les  faiblesses  qui  se  melent  ä  leur 
comique  parce  que  chez  Tun  et  chez  l'autre  l'esprit  est  surtout 
dans  les  mots  et  que  le  hasard  joue  dans  la  conduite  de  leurs 
pieces  un  röle  preponderant.  II  n'y  aurait  donc  point  de 
base  solide  pour  une  comparaison  du  poete  anglais  avec 
les  grands  comiques  anciens." 

Im  Jahre  1819  wurde  die  „Comedy  of  Errors-'  als  Oper 
mit  Musik  von  Bishop  in  Coventgarden  aufgeführt.2) 

Anklänge  an  die  Menächmen  des  Plautus  findet  Rapp3)  in 
dem  Lustspiele  „She  Wou'd,  and  She  Wou'd  Not.  Or 
the  Kind  Impostor"  des  poeta  laureatus4)  Colley  Cibber5) 
(geb.  zu  London,  den  6.  November  1671;  gest.  am  11.  Dezember 
1757.)  Indessen  hat  das  Stück  keine  bewusste,  kaum 
eine  unbewusste  Beziehung  zu  Plautus. 

Hipolita  verfolgt  in  männlicher  Tracht  ihren  Liebhaber 
Don  Philip,  von  welchem  sie  hört,  dass  er  Rosara,  Don  Ma- 
nuels Tochter,  heiraten  soll.  Allein  Rosara  ist  in  Octavio, 
Hipolitas  Bruder,  verliebt,  und  auch  Philips  Herz  gehört  im 
Grunde  Hipolita.  Durch  List  gelangt  Hipolita  in  den  Besitz 
des  Gepäcks  des  Don  Philip,  sodass  sie,  durch  Belege  und 
Papiere  gestützt,  sich  für  diesen  ausgeben  kann,  indessen  Don 
Philip  als  Betrüger  behandelt  wird.  Dies  ist  vielleicht  das 
einzige  Motiv  aus  den  Menächmen.  Doch  fällt  die  Ähn- 
lichkeit weg.  Hipolita  wird  sogar  mit  Rosara  vermählt; 
der  Schluss   aber  führt  eine  zufriedenstellende  Lösung  herbei. 

Noch  unendlich  weit  hat  Rapp6)  die  Menächmen  ver- 
zweigen wollen.  Zu  Farquhars  Stück:  „The  Twin  Rivals," 
bemerkt   er:    „Das  allermerkwürdiffste  ist,    dass    dieses    Stück    aus 


Shakespeare  et  PAntiquite.     Paris  1879.     II,  342. 
Clement,  Dictionnaire  lyrique,  S.  171.  —  Eine  deutsche  Bearbei- 
tung der  Shakespeareschen  Komödie  sind  „Die  Irrungen"  nach  Shake- 
speare (Frankfurt  1777)  von  Gust.  Fried.  Willi.  Grossmann  (1746 — 
1796).    (Gödeke.    II,  643.) 
3)  Studien,  S.  175. 
'<)  Seit  1730. 

5)  Auf  Seite  293 — 397  des  ersten  Bandes  von  „The  dramatic  works 
of  Colley  Cibber  Esq.  in  four  volumes".     London  1760. 

6)  Studien,    S.  257.    —    Über   Shakespeares    „Beide    Veroneser" 
vgl.  Simrock,  Die  Quellen  des  Shakespeare  (1870)  II,  155  ff. 


Albrecht  von  Eybe.  577 

den  plautinischen  Menächmen  hervorgegangen  ist.  Ans  dem 
leichtsinnigsten  griechischen  Lustspiele  ist  in  vierter  Hand  das 
schauderhafte  Räuberstück  geworden.  Von  dem  vermutlichen 
griechischen  Urbild  des  Epicharmos  (aus  Syrakus),  das  uns  aber 
nur  im  lateinischen  Plautus  erhalten  ist,  gehen  also  von  der 
englischen  Bühne  aus  Ableger  in  zwei  entgegengesetzte  Familien 
auseinander,  eine  reine  komische  und  eine  elegisch  tragische.  Die 
erste  beginnt  Shakespeare  mit  der  ,Comedy  of  Errors'; 
ihm  folgt  Regnard  mit  den  ,jumeaux'  und  Goldoni  mit  den 
, gemelli  Veneziani',  während  aus  Farquhars  ,The  Twin 
Rivals'  das  Voltairesche  ,L'enfant  prodigue'  und  die 
Schillerschen  , Räuber'  abfliessen." 

Dieser  etwas  sehr  kühnen  Kombination  tritt  Steinhoff1)  mit 
einigen  Daten  entgegen.  Was  zunächst  Farquhar  betrifft,  so 
hat  er  den  Stoff  seines  Dramas  aus  Longueville  entnommen; 
Voltaire  in  seinem  ,,  Enfant  prodigue"  steht  aiif  Regnard2); 
das  Brüderpaar  der  ..Räuber"  aber  ist  mehrfach  anderweitig 
zu   finden. 


Dem  deutschen  Übersetzer  der  „Bacchides",  Albrecht 
von  Eybe  (S.  435),  verdanken  wir  auch  eine  Bearbeitung  der 
„Menächmi."      Dieselbe  leitet  ein  Prologus  ein. 

Prologus,  ain  vorred  inn  den  ersten  thayl  |  dises  buchs.  Der 
da  sagt  von  den  Comedien  PJauti  des  poeten  in  Menechmo. 

Wie  die  Alten  will  auch  er  eine  „Vorred  und  ermanung" 
geben:  „der  kriechisch  kayser  lasst  euch  allen  gebieten  zu  schwei- 
gen  vnd  zu  hören  vnd  mit  gutem  mut  nieder  zu  sitzen,  jr  seyt 
hungerig  oder  gesötigt  herkommen,  wer  geessen  vnd  getrunken 
hatt,  ist  weiss  gewesst,  ob  jm  die  sunn  auff  die  glatzen  scheynen 
würde  vnd  wer  noch  nüchtern  ist,  der  werd  gesetigt  mit  diser 
fabeln  vnd  mit  worten,  wann  ain  yeder  hören  wirt  das  jm  lustig 
zu  essen  ist"   .  .  .   u.  s.  w. 

Hierauf  folgt  das  „Argument  vnd  die  materi",  hierauf 
das  Stück,  dessen  Personen  Eybe  erst  durchaus  zu  deutschen 
umgestaltet  hat.  Der  Vater  der  Menächmi,  Moschus  (V.  407: 
Non  ego  te  noui  Menaechmum,  Moscho  prognatum  patre?),  heisst 
Kuntz;  Menächmus-Sosicles  Lutz  der  recht;  Menächmus,  sein 
Bruder,  Lutz  der  Frömbd;  Messenio  ist  zum  Fritz,  Erotium  zur 
Barb,  die  Ancilla  zur  Ness,  die  Frau  zur  Geut,  der  Vater 
zum  Klais  geworden;  der  Parasit  Peniculus  tritt  als  Hayntz  auf. 


')  A.  a.  0.,  S.  18,  Anm.  nach  Hallbauer,  Life  and  Works  of  Far- 
quhar.     Holzminden  1880,  pag  33  u.  s.  w. 

2)  Die  Brüder  Euphemon  und  Fierenfat  haben  gewiss  hierher 
keine  Beziehung. 

37 


578  XL   Menächmi. 

Jede  Szene  leitet  ein  kurzer  Inhalt  ein,  so  z.  B.  die 
erste:  „Dise  erste  red  diser  Comedien  Plauti  wird  also  eingefüret. 
Lutz  der  recht,  der  allso  verloren  warde  in  der  statt  Tarento, 
was  üher  flüssig  milt  vnd  verthon,  darumh  ergah  sich  zu  ihm  ein 
knecht,  genannt  Hayntz,  von  essens  vnnd  trinckens  wegen,  der  redt 
also  mit  jm  selhs: 

„Haintz  ist  mein  nam ,  die  Schüssel  vnd  kraussen  kan  ich 
lär  machen  vnd  auffraunien  was  auff  dem  tisch  beleyhet  u.  s.  w. 
his  V.  108  (Sed  aperitur  ostium  etc.):  Nun  sihe  ich  sein  thür 
auff  geen  vnd  jn  herauss  schreyten,   ich  wil  mit  im  reden." 

Lutz,  der  recht:  Haussfraw,  wann  du  nit  wärst  ain  böses 
vnuernunfftigs  weih,  so  solstu  dir  hillich  geuallen  lassen  was  dem 
mann  gefiel,  vnd  thun,  was  er  wölt  u.  s.  w.  Überall  ist  die  Er- 
klärung oder  Bühnenweisung  mit  angegeben.  Haintz  sähe  Lutzen 
auss  dem  hauss  geen  mit  dem  mantel  vnd  sprach  zu  jm  (F.  139: 
Heus  adulescens  etc.):  Hörst  du  Jüngling,  Avas  tails  mag  ich  an 
disem  raub  gehaben.  Lutz  erschrack  vnd  sprach,  nun  bin  ich  ver- 
dorben, ich  bin  verkauft  vnd  verrathen.  Haintz  furcht  dir  nit,  dir  sol 
von  mir  geholffen  sein,  ich  bin  Heintz  den  du  wol  kenst  ain  guter 
gesell.    Haintz  Got  grüss  dich  auch  mein  herr  vnd  mein  eerneerer. 

Die  Szene  schliesst  sich  genau  an  Plautus  an.  Barb, 
Lutz,  Haintz  und  der  Koch,  der  keinen  Namen  führt;  Lutz 
der  Frömbd  und  Fritz,  sein  Knecht.  Sie  begrüssen  das  Land, 
wie  bei  Plautus  (F.  226):  „Fritz,  es  ist  für  war  nit  grössere 
freud  noch  wollust,  dann  so  die  leyt  lange  zeyt  auff  dem  mör 
gefaren  seind  das  sy  ansichtig  werden  das  erdtreich,  vnd  vorauss 
dz  lannd  da  sy  seind  dahaymen. "  Ness,  die  Magd  bringt  Lutz 
dem  Fremden  die  Effekten  Barbs;  Geut,  die  Hausfraw,  wird  von 
Haintz  aufgestachelt.  Klais,  Geutens  Vater,  legt  sich  ins 
Mittel.      Weniges  ist  breiter  als  bei  Plautus  geworden. 

Fritz  hat  das  letzte  Wort:  „Da  hab  ich  nit  angedacht 
Lutz  der  recht  schrey  mit  solchen  Worten  vber  ach  tag  so  wyl 
lutz  verkauften  was  er  hat,  hauss  vnd  hoff,  wyssen  vnd  äcker, 
knecht  vnd  magd  wer  mer  geben  wil  sol  es  haben,  er  wil  auch 
verkauften  sein  hausfrauwen  Geytenn  leichter  dann  er  sy  gehabt 
hat.      aber  ich  besorg  das  kain  kaufmann  zu  dem  wayb   sey." 

Statt  des  „Nunc,  spectatores,  ualete  et  nobis  clare 
applaudite"  (F.  1162)  heisst  es  hier:  „Doch  wil  ich  sy  ee  vmb 
nichten  geben  durch  gottes  willen,  der  mag  mir  geben  den  ewi- 
gen Ion,   der  vns  allen  wyderfare.      Amen.  " 

Hyn  endet  der  erst  thayll.  Vnd  fahet  an  der  ander.  Das 
Stück  umfasst  in  der  Ausgabe  von  1537  drei  und  vierzig  Seiten 
mit  zehn  Bildern. x) 


*)  Nach  der  Ausg.  von  1537  ist  hier  zitiert. 


Haus  Sachs.  579 

Eybes  Übersetzungen  des  Plautus  nehmen  in  der  deut- 
schen Litteratur  eine  ehrenvolle  Stellung  ein.  Cholevius1) 
rühmt  an  Eybe:  „Seine  Sprache  ist  nicht  nur  verständlich,  son- 
dern allenthalben  sicher  und  lebhaft.  Sie  atmet  den  frohen  Mut 
der  Komödie.  Er  beherrscht  seinen  Dichter.  Nirgend  in  dem 
Grade  abhängig,  dass  er  Bedenken  trüge,  was  nur  dem  Römer 
verständlich  war,  fortzulassen,  ist  er  in  seinen  Zusätzen  und  Än- 
derungen auch  höchst  bescheiden.  Man  kann  sich  nicht  genug 
daran  erfreuen,  mit  welcher  Feinheit  er  den  Volksdialekt  des 
Plautus  nachbildet.  Für  jene  Peniculus,  Menaechmi,  Sosicles, 
Erotium,  die  damals  die  deutsche  Zunge  kaum  aussprach,  hat  ei- 
sernen Heyntz,  seinen  Lutz  den  Fremden  und  Lutz  den  Rechten, 
die  Barbe  u.  s.  w.  Immer  sind  ihre  Bilder  aus  dem  Volksleben 
zur  Hand;  er  weiss  mit  ihnen  die  fremden  Phrasen  zu  ersetzen, 
er  streut  sie  ein,   auch  wo   sie  Plautus  nicht  hat." 

Vom  17.  Tag  Januari  anno  salutis  1548  sind  die  Menäeh- 
men  des  Hans  Sachs  datiert.  Ein  comedi  Plauti  mit  10 
personen,  heyst  Monechmo  unnd  hat  5  actus.2)  Die  Per- 
sonen sind:  der  ehrnholdt,  Lutz  der  ehman,  Heintz  sein  knecht, 
Lutz  der  frembd,  Fritz  sein  knecht,  Rosina  die  schön  bulerin; 
Gred  ihr  köchin,  Faustina,  Lutzen  eheweib;  Quirinus,  ihr  alter 
vatter:  Ypocras,  der  artzt.  Der  ehrnholdt  führt  ins  Stück  ein. 
Man  ist  versammelt: 

Zu  hören  die  schön  comedi 

Plauti,  welche  der  alt  poet 

In  Monechmo  beueuueu  thet, 

Wie  in  der  stat  Syracusa 

In  dem  köngreich  Sicilia 

Ein  reicher  kaufiman  weit  erkannt 

Der  Miser  Niger  ward  geneut. 

Dem  wurden  zwen  Zwilling  geborn, 

Zwen  schöner  söne,  welche  worn 

Beid  Lutzen  mit  dem  nam  genant. 

Ir  kein  man  vor  dem  andern  kant, 

So  gleich  waren  sie  von  jjerson, 

Mit  red,  geberd,  lassen  und  thou. 

Als  die  alt  wurden  siben  jar, 

Da  füre  gen  Tkarinhtum  gar 

Ir  vater,  nam  den  ein  kuabn  mit, 

Zu  sehen  auch  der  kaufleut  sit. 

Nun  hilt  man  zu  Tharent  ein  spil, 

Da  sach  zu  volckes  also  vil. 

Da  wurd  der  vatter  von  dem  jungen 

Son  auff  dem  platz  frey  ab-gedrungen 

Und  also  von  dem  knaben  kam. 

Den  knaben  ein  frembder  kauffman  nam, 


')  Geschichte  der  deutschen  Poesie.    I,  285. 

2)  Auf  Seite  98  — 124  im  siebenten  Bande  von  Hans  Sachs, 
herausgegeben  von  Adelbert  von  Keller.  1873.  (Band  115  der  Bi- 
bliothek des  litter  arischen  Vereins  in  Stuttgart.) 

37* 


580  IX.   Menäckrui. 

Fürt  in  gen  Epidamum  klug, 
In  an  eins  kindes  stat  auff-zug, 
Ein  erben  all  seins  guts  ein-setzt 
Und  in  verkeyrat  auck  zu-letzt. 
Nock  er  ein  grosser  buler  war. 
Nun  sucket  in  fast  auff  secks  jar 
Sein  bruder  zu  wasser  und  land, 
Der  in  zu  Epidamum  fand. 
An  als  gefer  in  dieser  stat 
Sick  zwiscken  in  begeben  bat 
So  wunderbar  irrung  zu  end, 
Weil  man  kein  vor  dem  andern  kent 
Und  ein  für  den  andern  ansack, 
Wie  ir  verneinen  werd  kernack. 

Summarisch,  wie  der  Prolog,  in  welchem,  wenn  auch  in  brei- 
ter Form,  nur  die  Hauptdaten  gegeben  werden,  ist  das  ganze 
Stück  gehalten. 

I.  Akt.  Heintz,  des  veiheyraten  Lutzeii  knecht  zu  Epi- 
damo,  geht  ein.  In  sechzehn  Versen  thut  er  die  Rede  des  Peni- 
cnlxis  (V.  77 — 109)  ab.     Er  rühmt  die  Güte  seines  Herrn: 

Er  ist  mild,  zerlick  und  kostfrey 
Mit  gastung,  spil  und  bulerey. 

Der  letzte  Vers  des  Penicnliis  (F.  109)  schliesst  auch 
seine  Rede: 

Dort  gebt  mein  junckkerr  gleick  kerauss. 

Lutz,  der  verkeyrat,  geht  ein.  Er  ruft  seinem  Knecht, 
Heintz,   zu: 

Wann  ker,  Heintz?  wolauff  gek  mit  mir! 

Heut  wollen  pancketieren  wir 

Bey  Fraw  Rosina  disen  tag. 

Meins  weibes  mantel  ich  kie  trag. 

Den  wil  ick  zum  newen  jar  ir  sckencken. 

Heintz  klopft  an  Rosinas  Thür,  wie  der  Parasit  hei 
Erotium.      Sie  tritt  heraus: 

0  du  mein  trost,  gek  bald  kerein! 
Ick  kabe  neckten  gewartet  dein 

u.  s.  av.    Wie  Penicuhis  (F.  195),  bemerkt  hierauf  Heintz  (wider 

sich  selhs): 

Rosina  hat  den  mantel  ersckmeckt, 
Wiewol  mein  Juncker  in  tregt  versteckt. 

Gred,  die  Köchin,  erhält  Auftrag  zu  einem  guten  Mahl. 
Als  sie  hört,  dass  Heintz  dabei  sei,  berechnet  sie  ihn,  wie  Cy- 
lindrus  (F.  224),   mehrfach,   doch  nur  für  sieben: 

So  kauff  ick  ein  auff  neune  sckleckt. 
Heintz  frist  als  vil  als  ander  siben. 


Hans  Sachs.  581 

Lutz,  der  frembd,  kombt  mit  seinem  knecbt.  Sechs 
Jahr  und  drei  Tag  reist  er  ,.auff  wasser  und  landt"  nach  seinem 
Bruder.  Fritz  warnt  ihn,  ganz  wie  Messenio  (7  264),  vor 
Epidamnus : 

Wie  das  volck  so  vertrogen  sey 

Und  geh  umb  mit  vil  zauberey. 

Die  Köchin  geht  ein,  sieht  Lutzen  und  meint,  es  sey  sein 
Bruder.  Er  versteht  ihre  Anrede  nicht,  sie  aber  erwidert  ihm  mit 
Cylindrus   (7  303): 

Ey,  junckher,  solt  ich  euch  nit  kennen? 
Es  scheint  kein  tag  von  himel  rauss, 
Ir  seid  in  meiner  frawen  hauss. 

Da  er  auf  ihre  Einladung  nicht  eintritt,  ruft  Gred  ihre  Frau. 
Diese  lädt   ihn  ein: 

Lutz,  mein  hertz-lieb  kombt  doch  herein! 

Er  wundert  sich,  woher  sie  ihn  kennen  mag  (7.  383):  Fritz 
warnt  ihn  (7.  384): 

Es  ist  ein  schönes  frewlein  zart. 
Secht,  das  der  beute]  sey  verwart! 

Lutz  schickt  Fritz  in  die  Herberge;  er  selber  tritt  bei  Ro- 
sina ein.      „Fritz  geht  mit  sehn  reitwetschger  auch  ab.': 

II.  Akt.  Heintz  hat  Lutz  im  Gedränge  verloren.  Er 
vermutet  bereits: 

er  hab  sich  von  mir  gestoln 
Sei  gangen  heimlich  unverholn 
Zu  seiner  Bosina,  ess  das  mal, 

da  sieht  er  Lutz,  den  fremden,  aus  Rosinas  Haus  treten. 
Er  trägt  den  Mantel,  den  er  dem  „seidesticker"  bringen  soll, 
„mit  berlein  in  zu  sticken." 

Heintz  hält  sich  für  gefoppt.  Da  Lutz  behauptet,  ihn 
nicht  zu  kennen,   geht  er  drohend  ab: 

Bey  meiner  seel,  so  wil  ich  gan 
Und  wil  es  ewer  frawen  sagen, 
Das  ir  den  mantel  habt  ausstragen. 

Gred  überreicht  Lutz  „ein  gülden  häfftlein'-,  das  er  an  den 
Mantel  nähen  lassen  soll.  Lutz  ist  hocherfreut.  Nur  will  er 
eiligst  jetzt  zu  Schifte  gehen: 

Auff  das  man  mir  nit  wider  nem 
Den  mantel  und  mich  mit  beschem, 
^ren  man  kern  auff  den  rechten  smuidt. 


0  wer  wir  bey  den  schiffen  dauss! 


"582  XI.   Menächmi. 

III.  Akt.  Faust ina  wird  von  Heintz  gegen  ihren  Mann 
aufgewiegelt;  er  erzählt  ihr,  wie  er  bekränzt1)  aus  Rosinas 
Haus  kam  mit  dem  Mantel  am  Arme.  Sein  Kranz  liegt  noch  auf 
dem  Boden. 

Ey  das  er  liab  saut  Veits  dantz! 
Hat  sieb  der  esel  krönen  lassen? 

ruft  Faustina,  da  erblickt  sie  Lutz,  den  Ehemann.  Sogleich 
fährt  sie  gegen  ihn  los,  und  zwar  in  ganz  anderer  Weise,  als  ihr 
plautinisches  Vorbild. 

Ich  schlag  dir  zän  in  hals  hinein. 
0  solt  ich  mein  mut  an  dir  küln, 

droht  sie  ihm,   worauf  ihr  der  Gatte   erwidert: 

Wo  du  nit  schweyst,  werd  ich  dich  knüln 
Und  bey  den  zöpffen  dich  umb-ziehen. 
Ich  hab  dein  mantel  hingelihen 
Der  Rosina  und  nit  verschenckt. 

Sie  treibt  ihn  jedoch  energisch  weiter: 

Du  unflat,  das  du  werst  gehenckt! 
So  lauff  bald  zu  deim  schlepsack  nider 
Und  bring  mir  meinen  mantel  wider! 
On  mantel  komb  mir  nit  ins  hauss! 
Bringstu  in  nit,  so  bleib  auch  hauss! 

Lutz  versucht  nun,  von  Rosina  den  Mantel  zu  bekommen. 
Wie  Menächmus  (F.  680),  verspricht  er:  „Ich  wil  dir  vil  ein 
bessern  kauffen. "  Sie  aber  glaubt,  „das  ir  mich  driegen  wölt." 
Umsonst;  auch  sie  lässt  ihn  nicht  mehr  ins  Haus,  und  wie  sein 
Vorbild  (V.  700:  „Ibo  et  consulam  hanc  rem  amicos,  quid 
faciundum  censeant,")  sagt  er: 

Nun  wil  ich  gehn,  eh  es  wirt  spat, 
Bey  guten  gsellen  suchen  rhat, 
Wie  ich  verkwent  mein  ubelthat. 

IV.  Akt.  Lutz,  der  frembd,  trifft  mit  Faustina  zusammen: 

Den  mantel  tregt  er  an  dem  arm. 
Mit  hon  wil  ich  im  machen  warm. 
Bringstu  den  mantel,  du  loser  man? 

Sie  droht  ihm  mit  ihrem  Vater,  der  sogleich  kommt,  aber  ohne 
die  vielen  Worte,  wie  der  plautinische  senex,  sich  sofort  gegen 
seinen   „aiden"   erklärt.     Lutz  schwört  bei  Gott: 

Das  ich  diss  weib  und  dich  vorab 
Mein  lebtag  vor  nie  gsehen  hab. 


J)   V.  463.     Menaechmus  cum  Corona  exit  foras. 


Hans  Sachs.  583 

Da  Quirinus  glaubt,  er  sei  nicht  recht  hei  Sinnen,  stellt 
sich  Lutz   „grewliclr'    und  ruft: 

Ey,  weich  von  mir,  du  böser  geist! 
Oder  ich  kratz  dir  anss  dein  äugen. 

Quirinus  hält  ihn  für  „wüttig  und  winnig"  und  schickt  um 
den  Arzt: 

Dass  er  mein  aidn  mit  stricken  bindt 
Und  kelff  im.     Er  ist  unbesindt. 

Lutz  läuft  davon. 

Die  Polemik  gegen  den  Arzt  hat  sich  bei  Hans  Sachs  be- 
deutend  erweitert..     Heintz  sagt  uns: 

Dort  kombt  der  artzet  Ypocras, 
Der  lang  ein  bawren-bscheisser  was. 
Er  hat  lang  wurmsam  umb-tragen. 
Eins  mals  klagt  ich  mich  in  dem  magen; 
Er  thet  mir  ein  bürkatzen  machen. 
Wie  hub  sich  in  meim  bauch  ein  krachen 
Und  riss  mich  in  dem  leib  so  übel! 
Trieb  mich  wol  neun  mal  auff  den  kübel. 
Ich  macht  im  hauss  ein  gross  gestenck. 
Seint,  wenn  ich  der  bürkatzen  denck, 
Ich  seiner  artzney  nit  mehr  beger. 

Zu  dem  Arzte  kömmt  Lutz,  der  ehman,  der  Heintz  „das 
darmgicht"  wünscht,  weil  er  ihm  alles  dies  verursachte.  Er  lässt 
den  Arzt  hart  an: 

Du  landts-bscheisser  im  langen  rock! 

Wie  der  Medicus   (V.   948),   verlangt  auch  Ypocras: 

Ich  wil  in  binden  mit  den  stricken, 
Das  man  in  heim  trag  in  mein  hauss; 
So  kan  ich  etwas  richten  auss. 

Während  sie  ihn  „nach  der  leng  auff  ein  forbanck"  legen, 
kommt  Fritz.  „Er  zuckt  vom  Leder "  und  befreit  Lutz,  wofür 
er  die  Freiheit  erbittet.  Lutz  kennt  ihn  nicht,  da  er  aber 
darauf   besteht,   sagt  er: 

Nun  sey  den  Sachen,  wie  im  sey! 
So  sey  quitlos  von  meinem  dienst! 
Lauft',  wo  du  ein  andern  herrn  finst! 

V.  Akt.  Lutz,  der  f'rembd,  und  Fritz  treffen  zxisam- 
men.  Der  Herr  weiss  nichts  von  der  Freilassung;  eine  weitere 
Verwirrung  schneidet  jedoch  die  Ankunft  des  ansässigen  Lutz  ab. 


584  XI.    Menächmi. 

Junckher!  acli  Gott  vom  hiniel  reich. 
Wie  sieht,  euch  diser  mensch  so  gleich, 
Wie  wenn  er  ewer  bruder  wer! 
ruft  Fritz  aus. 

Lutz,   der  ehman,    erklärt  auf  Fritzens  Fragen: 

Ein  stat,  Syracusa  genant, 

In  Sicilia  ward  ich  geborn 

Ein  zwilling,  ward  darnach  verlorn 

Sibenjärig  in  Tarentum, 

Da  mich  ein  reicher  kauffmann  num 

Bracht  mich  her  gen  Epidamo, 

Zu  eim  erben  einsetzt  also, 

Da  ich  mir  nahm  ein  ehlich  weib. 

Sitz  und  alhie  mein  zeit  vertreyb. 

Weit  ausführlicher,  als  im  Originale,  erzählt  Lutz,  der. 
frembd,  was  ihm  mit  dem  Mantel,  mit  Faustina,  mit  dem  Arzte 
widerfuhr.  Lutz,  der  ehman,  bittet  noch  um  die  Freiheit 
Fritzens.      Sie  gehen  ins  Haus: 

Das  man  das  nachtmal  auch  empfach, 
Weil  durch  Jovem  das  heil  geschach. 

Der  „ehrnholdt"  schliesst.  Aus  dem  Lustspiele  sei  ersichtlich: 

Wie   Plautus,  der  berümbt  poet, 
Uns  so  klerlich  vorbilden  thet 
Disen  handel  der  bulerey 
Sam  es  also  geschehen  sey 
Nit  bulerey  damit  zu  lehren, 
Sondern  solchem  laster  zu  wehren 

u.  s.  w.     Ausser  der   Ehe  ist  kein  Heil: 

Das  ehlich  lieb  und  trew  auffwachs 

Im  ehling  standt,  das  wünscht  Hanns  Sachs. 

Über  die  litterarische  Fehde  des  Jon.  Bitner  bei  diesem 
Versuche  des  Hans  Sachs,  Plautus  zu  popularisieren,  war 
bereits  die  Rede  (S.  93).  —  Im  engsten  Anschlüsse  an  das  Original 
hat  Hans  Sachs  doch  ein  wirklich  deutsches  Spiel  vollendet,  dem 
es   an  Erfolg  nicht    fehlen  konnte. 

Nochmal  zu  den  Menächmi  griff  später  Jacob  Ayrer  in 
seiner  „Comedia  von  zweyen  Brüdern  auss  Syracusa,  die 
lang  einander  nicht  gesehen  betten,  vnnd  aber  von  Ge- 
stalt vnd  Person  einander  so  ehnlich  wahren,  das  man 
allenthalben  einen  vor  den  andern  ansähe."  ')  Mit  14 
Personen,   vnd  hat  5  Actus. 


>)  Auf  Seite  2133—2176   des   dritten  Bandes  von   „Ayrers  Dra- 
men",  herausgegeben  von   Adelbert   von  Keller.     1865.    '(Band    78 


Jacob  Ayrer.  585 

Die  Personen  des  Stückes  sind:  Peniculns,  ein  Fiichs- 
schwentzer;  Enucles,  der  verheürat;  Thasa,  das  Bulweib; 
Phileman  oder  Enucles  von  Siracusa;  Jahn  Panser,  sein 
Knecht;  Patronus,  der  Schiffpatron;  Servus,  ein  ander  Knecht: 
Hospes,  der  Wirt;  Cellarius,  der  Keiner;  Cochleus,  der 
Koch;  Leonora,  dess  Enucles  Weib;  Ancilla,  der  Thasa  jhr 
Magd;  Socerus,  der  Leonora  Vatter;  Medicus,  der  Doctor; 
Dieterich,    ein  Knecht. 

I.  Akt.  Peniculus,  der  Fuchsschwentzer,  geht  an  einem 
Stecken.      In  seiner  Jugend  ging  es    ihm  wohl: 

Jetzt  so  mir  gebt  das  Alter  au 
Vnd  ich  kan  nimmer  possen  reissen, 
Die  Junckern  mich  von  sich  abweisen, 
Das  mir  dardurch  jetzt  vil  geht  ab. 
Laug  ich  nicht s  guts  gefressen  hab. 
Mich  hungert  das  der  Bauch  mir  kracht. 

Da  erblickt   er  Enucles,   der  einen  schönen  Mantel  trägt: 

Alhie  hab  ich  der  Frauen  mein 

Gestoln  jhr  allerschönstes  kleid. 

Das  sieht  sie  nicht  mehr,  auff  meiu  Eydt! 

Ich  will  es  meiner  Thasa  bringen, 

Sie  damit  zu  meiner  Lieb  zwingen, 

Ynd  will  mich  als  balt  zu  jhr  laden. 

Wie  bei  Plautus  (V.  139),  glaubt  sich  Enucles,  da  er 
Peniculus  sieht,  verraten;  dieser  stellt  sich  aber  vor:  „Vor  Jarn 
da  warn  wir  gut  geselln. "  Enucles  sagt  ihm  sein  Vorhaben:  da 
tritt  Thasa  mit  Ancilla  auf.  Sie  empfängt  Enucles,  Peni- 
culus aber  nimmt   sie   ei'st  auf,   da  Enucles  verspricht: 

Was  er  verthut,  das  wil  ich  zaln, 
Wie  auch  vor  thet  zu  mehr  maln. 

Er  zahlt  zwei  Thaler  und  will  „für  drey  Person  ein  gutes 
mal".  Thasa  giebt  das  Kleid,  das  ihr  Enucles  eben  brachte, 
der  Ancilla.  Diese  aber  warnt  sie  vor  des  Enucles  Frau.  ..Sie 
dörfft  euchs  wol  von  dem  halss  reissen."  Dies  bringt  Thasa  auf 
den  Gedanken,   es  ändern  zu  lassen: 

Das  Kleidt  inuss  werden  änderst  gemacht, 

Alles  zerteilet  und  zertrennt, 

Das  es  des  Junckern  Weib  nit  kenndt. 


der  Bibliothek  des  Litter  arischen  Vereins  in  Stuttgart.)  —  Das 
Stück  ist  auch  enthalten  (als  No.  27)  im  Opus  theatricum,  dreisig 
ausbündtige  schöne  Ooinodien  und  Tran'üdien  etc.  von  J.  Ayrer.  Nürn- 
berg 1618.     (Kehrein.    I,  145.  146.) 


586  XI-   Menächmi. 

Der  Koch  tritt  auf,  tun  Befehle  entgegen  zu  nehmen.  Da 
er  hört,  dass  Peniculus  Gast  ist,  meint  er:  „Peniculus  frist 
so  vil  als  jhr  acht."  Nochmal  rät  Ancilla,  das  Kleid  nicht  so 
zu  tragen: 

darumb  ists  vil  besser, 
Das  mans  änderst  ferb  und  zertrenn, 
Das  nur  des  Junckern  Weib  nit  kenn, 
Dann  sie  gar  ein  böses  maul  hat. 

Sie  gehen  ab.  Phileman  oder  Enucles  (von  Syracusa), 
der  frembt,  geht  ein  mit  dem  Schiff -Patron  vnd  Jahn  P  ans  er, 
sein  leib-Knecht,  Servio,  eim  andern  Knecht,  vnd  etlichen  stum- 
men Personen,  tragen  alle  bündel,  als  stiegen  sie  erst  aus  einem 
Schiff.      Phileman  beginnt: 

Gott  sey  lob,  das  wir  allesandt 
Sind  wider  ankommen  zu  Land! 
Nun  ist  es  schon  das  sechste  Jar, 
Das  ich  meinem  Bruder  nach  fahr 
Vnd  jhn  doch  nirgents  finden  kan. 
Noch  will  ich  nicht  lasen  davon, 
Auch  nicht  wider  kommen  zu  hauss, 
Bis  ich  jhn  hab  gespüret  auss, 
Gott  geb,  was  mir  geschech  darummen. 

Da  kömmt  Cocleus,  der  Koch,  und  die  bekannte  Szene. 
Phileman  staunt,  dass  Cocleus  seinen  Namen  weiss  und  ihn 
zu  seiner  Frau  lädt: 

Darumb  ich  zu  dem  gloch  bist  hab 
Vnd  will  je  sehen,  was  das  sey. 

Jahn  P  ans  er  warnt  ihn: 

Juncker,  ich  sags  euch  auff  mein  treu, 
Das  es  in  diser  grosen  Statt 
Gar  vil  falsch  vnd  lose  Leüt  hat. 
Geht  jhr  hin,  so  seid  jhr  verlorn. 

Auch  der  Schiffspatron  rät  ihm  zu  bleiben;  er  aber  sagt: 

Nein  ich  will  kein  gelt  geben  auss. 
Drumb,  Jahn,  nimb  du  den  Beutl  zu  dir 

und  geht  mit   Cocleus  ah. 

II.  Akt.  Der  zweite  Akt  gehört  Ayrer  vollständig. 
Jahn  Panser,  der  Schiffspatron,  und  Servus  kehren  hei 
dem  Wirte  Hospes  zu,  wo  sie  zechen  und  jeder  ein  langes  Lied 
singt.  Der  Kellner  Cellarius  holt  Instrumente,  „ein  Eost,  ein 
Hafen  mit  kochlöffeln,  Riebeisen,  Geigen,  vnd  was  man  haben 
kan,   machen   eins    zusammen,    Juchtzen,     Sauffen. ''      Endlich  ver- 


Jacob  Ayrer.  587 

langt  Cellarius  die  Zeche,  „drei  gülden''.  Sie  verwundern  sich. 
Jahn  kömmt  auf  den  Gedanken: 

Das  rnan  jetzt  der  blinden  Kuh  spil. 
Der  Kellner  sey  die  blinde  Kuh! 

Sie  „binden  dem  Cellarius  die  äugen  zu,  drehen  jhn  drey 
mal  herumb".  Alle  machen  sich  davon;  Jahn  sagt  noch  im 
Hinausgehen: 

Nun  fang  ein,  wer  die  zech  zahm  soll! 

Der  Kellner  fängt  den  unterdessen  eingetretenen  Wirt 
und  fordert  von  ihm  die  Zeche,  der  Wirt  aber  „schlegt  jhn 
wohl  ab". 

III.  Akt.  Der  dritte  Akt  geht  wieder  auf  Plautus  (7.  446) 
über  und  zwar  auf  die  Klagen  des  Peniculus  um  das  versäumte 
Mahl: 

Enuclern  hab  ich  im  gedreng 

Auff  dem  Rathhauss  in  des  Volcks  meng 

Vor  meim  angsicht  alsbalt  verlohrn, 

Als  wenn  er  wer  vnsichtbar  worn. 

Seine  Motive,  warum  er  nicht  an  Thasas  Thüre  klopft,  giebt 
er  damit: 

So  darff  ich  auch  nicht  klopfen  an, 
Dann  die  Thasa  ist  mir  nicht  gut. 
Weiss  wol  das  sie  mir  nicht  aufftkut, 
Wenn  mich  der  Juncker  nicht  führt  hinein, 

ein  Grund,  der  sich  bei  Plautus  nicht  findet,  dem  aber  hier  in 
den  ersten  Szenen  bereits  vorgebaut  ist.  Peniculus  fasst  nun 
den  Entschluss,    sich  zu  rächen: 

es  sol  jm  werden  eindrenckt, 
Das  er  mich  umb  die  Malzeit  bracht, 
Vnd  ich  sol  wol  werden  bedacht 
Von  seim  Weib,  das  ich  jr  solchs  sag 
Das  ich  zu  fressen  kauften  mag. 

Mit  diesen  Worten  geht  er;  er  sieht  also  nicht,  wie  Peni- 
culus bei  Plautus,  den  aus  dem  Hause  tretenden  Menächmus 
(Phileman).  Vielmehr  ist  die  plautinische  Szene  mit  der  Ancilla 
vorgerückt.  Cocleus  bringt  eine  Kette  und  richtet  den  Auftrag 
seiner  Herrin   aus: 

Darumb  solt  jhr  drauss  lassen  machen 
Zwei  Armbender,  die  jhr  wol  wist. 

Jetzt  erst  kömmt  Peniculus  zurück  und  schimpft  mit 
Phileman,     der    weder    ihn    kennt,    noch    verheiratet    sein    will. 


588  *  XL  Menächmi. 

Pliileman  geht  lachend  ab:  da  „kompt  Enucles"  vom  Rathause; 
Ayrer  springt  also  auf  V.  570.  Die  lange  Eede  des  Me- 
näehmus  I.  ist  in  zwölf  Versen  abgethan.  V.  570 — 598,  in 
welchen  zunächst  von  römischen  Verhältnissen1)  die  Sprache 
ist.   heissen  hier  ganz  allgemein: 

Jetzt  gehe  ich  erst  von  dem  Rahthauss, 
Bin  gar  zu  lang  gewesen  auss. 

Enucles  bedauert,  den  Parasiten  verloren  zu  haben,  was 
Menächmus  I.    nicht  thut: 

Hab  den  Peniculum  verlorn, 
Der  wird  das  essen  versaumbt  han. 
Ach,  wie  wird  der  alt  fresser  than, 
Wenn  er  geht  hindr  der  Malzeit  hin! 
Daran  ich  zwar  vnschuldig  bin, 
Dieweil  der  hendl  ein  gantzen  hauffen 
Drohen  fast  alle  stund  für  lauften. 

Die  folgende  Szene  hat  Ayrer  hier  eingeschoben. 
Im  Originale  steht  sie  an  dieser  Stelle  nicht.  Jahn  P  ans  er 
begrüsst  Enucles  und  erzählt  ihm,  wie  sie  gegessen  und  ge- 
trunken : 

Darnach  gespilt  der  blinden  khu, 
Den  Wirth  betrogen  umb  die  zech. 

Auch  händigt  er  ihm  den  Beutel  ein.  Die  ganze  Szene  ist 
sehr  kurz  gehalten.  Enucles  nimmt  das  Geld,  „jedoch  nur  bis 
auff  weitern  bscheid"  und  gänzlich  unaufgefordert  spricht  er  Jahn 
Panser   frei: 

Ich  will  dich  frey  sprechen  darumben 

Vnd  solst  fort  nicht  Leibeygen  sein. 

Alsdann  tritt  er  ins  Haus.  Unmittelbar  darauf  „kompt  Plii- 
leman,  tregt   das  Kleid  vnd  Ketten  vnd  sagt  zu  Jahnnen": 

Was  Teuffls  machstu  auff  der  Gassen, 
Das  du  mich  so  gar  thust  verlassen? 

Jahn  versteht  dies  nicht;  er  hat  eben  den  Beutel  abgeliefert 
und  die  Freiheit  erhalten,  was  alles  Phil  ein  an  für  eitles  Gerede 
hält.  Die  Ankunft  der  Leonora  mit  dem  Peniculo  unterbricht 
eine  weitere  Auseinandersetzung.  Sie  „sieht  gar  zornig  auss"  und 
schilt  ihren  Mann  Ehebrecher: 

Du  loser,  Ebbrecherischer  Mann, 
Was  gehn  dich  meine  Kleider  an 
Ynd  mein  Ketten,  die  du  in  ecken 
Verbulst  mit  andern  losen  Secken? 


')  Vgl.  Teuf  fei,  Studien,  S.  268—273. 


Jacob  Ayrer.  589 

Er  kennt  sie  nicht.  Leonora  schickt  den  Peniculus  um 
ihren  Vater.  Socerus  kommt  sofort.  Er  begrüsst  seinen  „Eyden" 
und  kehrt  sich  vorwurfsvoll  zu  seiner  Tochter: 

Ey  Tochter,  Tochter,  es  ist  nicht  fein, 
Das  du  deini  Mann  thust  die  vnehr. 
Mich  bedunckt,  du  eyfferst  zu  sehr. 

Selbst  auf  die  weiteren  Klagen  Leonoras  bleibt  er  liebens- 
würdig gegen  seinen  Schwiegersohn;  da  aber  Phileman  stets 
behauptet,  die  Frau  nicht  zu  kennen,  glaubt  er:  „Fürwar,  er  ist 
der  Sinn  beraubt."  Auf  diesen  Gedanken  geht  Phileman 
sofort  ein : 

Die  leut  werden  mir  noth  an  than. 

Auff  das  ich  nur  vor  jhn  mög  bleiben 

Vnd  ich  sie  von  mir  mög  abtreiben, 

Will  ich  mich  gar  vnsinnig  stelin 

Vnd  sehen,  was  si  als  dann  wölln. 

„Er  wirft  als  von  sich,  was  er  bey  jhm  hat,  stellt  sich  nerrisch, 
ziecht  vom  leder,  schlegt  vmbsich."  Alle  entfliehen,  zum  Teil  selbst, 
zum  Teil  treibt  er  sie,   wie  den  Alten,   mit  Schlägen  von  dannen. 

IV.  Akt.  Phileman  kann  sich  über  all  das  nicht  genug 
wundern.     Sein  Gedanke: 

Glaub  das  die  Frau  vnd  der  alt  Mann 
Mich  sehen  für  ein  andern  an 


Nun  west  ich  gar  gern,  was  doch  der 

Für  ein  Kerl  oder  Person  wehr, 

Für  den  man  mich  doch  thut  ansehen, 

ist  ein  sehr  naheliegender.  Der  Arzt  kann  mit  Fragen  bei  Phi- 
leman nichts  erreichen,  so  wendet  er  sich  an  den  Schwieger- 
vater mit  dem  Wunsche: 

Wenn  jhr  jhn  liest  in  mein  Hauss  führn, 
So  wolt  ich  jhn  noch  bass  probirn, 
Sehen  ob  jhm  zu  helffen  wehr. 

Der  Arzt  schickt  nun  „drey  starcke  Knecht",  und  es  „lauften 
Dieterich  vnd  sunsten  noch  zwen  stummer  knecht  ein".  Er  „zeucht 
vom   leder" : 

Wer  mich  angreifft,  sag  ich  vorhin. 
Das  ich  stoss  mein  Rappir  durch  jhn. 

..In  dem  laufft  Jahn  Paus  er  mit  Servo,  vnd  wen  er  haben 
mag,  ein  vnd  schnüren  die  drey  Kerl  von  dem  platz  ab."  Nach- 
dem P  ans  er  so  Phileman  gerettet  hat,  verlangt  letzterer  seinen 
Geldbeutel: 

Ich  kan  euch  den  nicht  geben  zwey  mal. 

Ich  hab  euch  den  zugestelt  vor  langen. 


590  XI.   Menächmi. 

Da  tritt  Enucles  ein.  Jahn  geht  sogleich  auf  ihn  los. 
Enucles  gieht  zu,  die  Börse  erhalten  und  Jahn  freigesprochen 
zu  nahen:  Phileman  erinnert  Jahn  an  ihre  Ankunft;  und 
Jahn  weiss  nun  nicht,  wer  eigentlich  sein  Herr  ist.  Er  geht 
von  einer  Seite  zur  andern  und  fragt  jeden.  Beide  heissen 
Enucles,   heide  sind  von  Syracusa.      Jahn  hekreuzt  sich: 

Mein  lieber  Gott  wöll  mich  bewahrn! 
Die  sacli  macht  mich  zu  einem  tohrn. 
Seind  denn  jhr  zwen  auss  einem  woru? 

Die  Erkennungsszene  geht  sehr  schnell  vor  sich.  Jahn  Pan- 
ser  sagt   zu  Phileman: 

Hört!  der  soll  wol  eur  Bruder  sein, 
Dieweil  er  eben  heist,  wie  jhr, 
Vnd  hat  lauter  angezeiget  mir, 
Das  er  von  Syracusa  sey, 

worauf  Phileman  versetzt: 

Ach  Gott,  so  merck  ich  schon  dabey, 
Er  ist  mein  Bruder  bey  meim  Eyd. 

Nach  wenigen  gewechselten  Worten  erkennen  sich  Enucles 
und  Phileman  als  Brüder.  —  Thasa  berät  sich  mit  Ancilla, 
was  zu  thun  sei.  Sie  sieht  ein,  dass  ihr  Gast  trotz  aller  Ähn- 
lichkeit Enucles  nicht  war: 

Nun  hett  ich  je  geschworn,  das  der 
Gast  mein  Enucles  gewesen  wer. 
Sonst  hett  ich  mich  zu  jhm  nicht  Beth, 
Auch  die  dieng  jhm  nicht  geben  hett. 

Der  Koch  wird  Rettung  wissen. 

V.  Akt.  Der  fünfte  Akt  ist  wieder  Ayrers  Arbeit. 
Enucles  und  Phileman  treten  auf.  Vorerst  bittet  Enucles, 
die  Angelegenheit  mit  Thasa  zu  bereinigen. 

Hastu  nun  was  guts  bracht  davon, 
Das  ich  dir  denn  wol  gönnen  will. 

Er  solle  die  Sache  auf  sich  nehmen.  Sein  Verhältnis  zu 
Thasa   sucht   er  zu   beschönigen: 

Ich  hett  mit  meinem  Weib  offt  streit 
Von  wegen  jhres  losen  Guts. 
Die  macht  mir  vil  Creutz  vnd  vnmuths. 
Weil  ich  jhr  nichts  hett  zugebracht. 
Damit  hats  mich  so  zornig  gmacht, 
Das  ich  nicht  thet.  was  mir  g-ebürt. 


Jacob  Ayrer.  591 

Phil  ein  an  soll  nun  thun,  als  habe  er  mit  dem  allen  Leo- 
nora nur  prüfen  ■wollen.  Sie  habe  ihren  Mann  mit  Eifersucht  ge- 
plagt, er  wollte  sie  davon  überzeugen  und  ihr  die  Gegenstände 
mit  guten  Lehren  zurückgeben.  So  kömmt  es  auch;  so  zwar, 
dass  Leonora,  da  sie  ihr  Kleid  wieder  im  Kasten  findet,  ihrem 
Manne  zu  Füssen  fällt  und  ihn  um   Vergebung  bittet: 

Ach  du  mein  hertzenliebster  Mann, 
"Wie  bin  ich  so  schendlich  bethört! 
Die  falschen  zungen  hab  ich  gehört, 
Vnd  glaubet  jhrem  bloseu  lallen, 
Dess  bin  ich  in  gross  Torheit  gefallen, 
Vnd  bitt,  du  wolst  mir  das  vergeben 

u.  s.  w.    —   In  gleicher  Weise   wendet   sie  sich  an  den  Schwager, 
indem  sie   auf  die  Knie  sinkt: 

Ach,  günstiger  Schwager,  ich  hab 
Euch  warhafft  vnrecht  gethan, 
Euch  angsehn  für  meinen  Mann, 
Weil  ich  meinen  schmuck  hab  gekend. 

Von  Phile  man  muss  sie  sich  noch  lange  Predigten  über 
den  Argwohn,  der  doch  so  sehr  berechtigt  war,  gefallen  lassen, 
wie  Adriana  in  der  ,,Comedy  of  Errors"  von  der  Äbtissin. 
Aber  sie  ist  völlig  geheilt: 

Herr  Schwager,  ich  will  die  zeit  meins  lebens 
Meim  Hausswirtt  nicht  böss  mehr  zutrauen, 
Mich  halten,  wie  einer  frummen  Frauen 
Wol  ansteht,  will  jhn  liebn  und  ehrn 
Vnd  mit  euch  in  eur  heimet  kehrn 
Vnd  alles  thun,  was  euch  gefeit. 

Jahn  bittet  um  seine  Freilassung.  Er  hat  das  letzte  Wort 
und   rekapituliert   die  ganze   Geschichte: 

Der  Fuchsschwentzer  Peniculus 

Jetzund  mit  spot  abziehen  muss 

Vnd  hat  mit  seiner  falschen  goschen 

Nichts,  denn  nur  ein  leres  Stro,  gedroschen. 

Thasa,  das  vnverschembte  Weib, 

Hat  hergelijen  jhren  leib 

Eim  frembden,  den  sie  nicht  hat  keudt. 

Der  hat  jhr  die  Ketten  entweudt 

Vnd  auch  der  Leonora  kleidt. 

Der  Zuschauer  möge  das  Gute  der  Komödie  behalten,  das 
Schlechte   verachten. 

AVer  ohrn  hat  zu  hörn,  der  hör 
Vnd  habt  euch  das  zu  einer  lehr. 


592  XI-   Menächmi. 

Jakob  Ayrer  hat  die  plautinische  Komödie  freier 
behandelt,  als  Hans  Sachs,  der  in  kerniger,  kurzer  Sprache 
die  Gedanken  des  Originales  knapp  wiedergiebt,  meist  ohne  ein 
Wort  Zuthat.  Bei  Ayrer  ist  die  Sache  etwas  ins  Breite  ge- 
wachsen. Es  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  er  das  eine  oder 
andere  zu  motivieren  suchte,  dass  es  ihm  aber  meist  nicht  sehr 
gut  gelang.1)  Die  ganze  Vorgeschichte  der  Zwillinge, 
welche  den  Zuschauer  unter  allen  Umständen  interessieren  muss, 
ist  weder  in  einem  Prologe,  noch  auch  bei  der  Erken- 
nungsszene angebracht  worden.  Sie  liegt  in  den  einfachen 
Worten  des    Enucles: 

Meinen  Vatter  man  nennen  thet 
Den  Enuclem  Pliileman. 
Nur  ein  eintzigen  Bruder  ich  han, 
Der  wird  als  wie  mein  Vatter  gnendt. 

Trunk  und  Prügel  machen  einen  Teil  der  deutschen  Bear- 
beitungen  aus. 

Eine  deutsche  Übersetzung  der  Menächmi  lieferte  17G6 
G.  Leo  Lipsius. 

Maximilian  von  Klingers  „Zwillinge*'  haben  mit  der 
Menächmenfabel  nichts   gemeinsam. 

Den  Namen  der  Menächmen  hat  Helferich  Peter  Sturz-) 
(1736 — 1779),  doch  ohne  weitere  Beziehung,3)  für  seine  paro- 
distische  Zeitschrift  gewählt. 

Nicht  ohne  jede  Beziehung  zur  Menächmenfabel  sind 
Adam  Gottlob  Oehlenschlägers  (1779 — 1850)  „Die  Dril- 
lingbrüder von   Damask",4)  mit  Musik  von  Kuhlau.      Es  ist 


*)  Gervinus.  III,  153.  „Weder  weiss  Ayrer  eine  Intrigue  zu  ver- 
folgen, noch  eine  komische  Situation  zu  behaupten,  wie  z.  B.  in  den 
Menächmen,  wo  das  so  leicht  war,  noch  einen  Charakter  zu  zeichnen. 
Nur  die  Versuche  zu  diesem  letzteren  sind  da,  obwohl  so  wenig  ge- 
lungen." 

2)  H.  Peter  Sturz.  Von  Dr.  Max  Koch.  (München  1879.)  S.  70. 
„Die  Menechmen  oder  zwey  Wochenschriften  von  gleicher  Statur  in  vier 
Aufzügen.  Mit  einer  Liste  von  Druckfehlern  und  einem  Titel,  vielleicht 
auch  mit  einer  Vorrede  versehen  und  des  Spasses  wegen  dem  publico 
preis  gegeben." 

3)  Irrtümlich  hat  man  (z.  B.  Küttner,  Charaktere  teutscher  Dichter 
und  Prosaisten.  Berlin  1781.  1,467 — 470)  von  einem  Menächmenstücke 
des  Sturz  gesprochen.     (S.  Koch,  ebenda.) 

4)  Auf  S.  7 — 160  des  dreizehnten  Bändchens  von  „Adam  Oehlen- 
schlägers Werke.  Zum  zweiten  Male  gesammelt,  vermehrt  und  ver- 
bessert. Breslau  (Joseph  Max)  1839".  —  Der  dänische  Originaltext: 
Trillingbrödrene  fra  Damask,  erschien  zum  ersten  Male  gedruckt 
im  September  1830;  dann  im  fünften  Bande  der  Digtervärke  (1845) 
u.  ö. ;  ferner  auf  S.  89 — 224  des  sechszehnten  Teiles  von  Oehlen- 
schlägers „Poetiske  Skrifter".  Udgivne  af  F.  L.  Liebenberg. 
Kjöbenhavn  1860.     (Nach  diesem  ist  hier  zitiert.) 


Oelilenschlägers  Drillingsbrüder.  593 

die  Geschiclite  der  drei  Messerschmiede,  Ibad,  Syahuk  und 
Babekan. 

Doch  Drillinge  wir  geboren  sind.     War  das  nicht  zu  weit  getrieben? 

Alle  glichen  wir  uns  so  sehr,  als  wie  drei  Krallen  der  Pfote, 

Als  wie  drei  Tropfen  im  blauen  Meer,  als  wie  drei  Erbsen  der  Schote? ') 

(S.  14.)  Sie  wurden  als  Knaben  viel  geneckt  ob  ihrer  Ähnlich- 
keit, und  der  gereizte  Bruder  Babekan  warf  einen  spottenden 
Knaben  mit  einem  Stein  zu  Tode.  Mit  eigener  Gefahr  retteten 
die  andern  das  Leben  des  Bruders.      Endlich  trennten  sie  sich. 

„Babekan  schlug  uns  selbst  die  Trennung  vor, 
Die  Ähnlichkeit,  sagt  er,  wird  stets  uns  schaden, 
Sie  macht  uns  zum  Gespött  nur,  zum  Gelächter, 
Wo  wir  uns  zeigen."-) 

(S.  16.)  Unterdes  hat  Babekan  eine  reiche  Heirat  in  Bagdad 
gemacht.  Die  arm  gebliebenen  Brüder  suchen  ihn  darum  auf. 
Ihre  Ähnlichkeit  mit  dem  ansässigen  Babekan  führt  nun  zu 
allerlei  Verwechslungen.  Vorerst  lässt  Ibad  von  einem  Wirte 
seinem  Hunger  abhelfen.  Von  diesem,  der  ihn  natürlich  für  Ba- 
bekan hält,  erfährt  er  allerlei  über  seinen  Bruder  und  auch,  dass 
dieser  seine  beiden  Drillingsbrüder  für  tot  ausgab. 

Im   zweiten  Akte  stehen  sich  die  drei  Brüder  gegenüber. 

.  .  .  dieselbe  Höbe,  selbe  Länge, 
Für  alle  drei  im  Durchschnitt  selbe  Dicke.3) 

(S.  47.)  Babekan  hat  wenig  Freude  an  dem  Wiedersehen: 
hatte  ja  schon  Ibrahim,  der  Karawanenführer,  und  nun  auch 
der  Wirt   an  ihn  Forderungen  gestellt;   auch  befürchtet  er: 

„Wenn  ihr  vielleicht  bei  meiner  Frau  in  meiner 
Abwesenheit  auch  meine  Rolle  spieltet." 

(S.  56.) 4)  Er  giebt  jedem  fünf  Zechinen  und  einen  Rock,  um  sie 
loszuwerden. 


')  (S.    95.)  Hau  havde  ventet  endnu  en  dreng,  men  hustruen  bragte 
liain  trende. 
Og  ganske  lignede  da  saa  särt  det  ene  foster  det  andet, 
Som  bonner  tre  i  en  knäkket  ert,  og  som  tre  draaber  i 
vandet. 

2)  (S.    97.)   Han  foreslog  os  der  skilsmissen  strax. 

„Vor  liighed,"  sagde  han,  „vil  stedse  skade, 
I  »en  er  os  kun  fci]  skam,  og  \  äkker  latter." 

3)  (S.  124.)  samme  längde,  samme  dröide, 

I  Ig  i'u  kaliber  for  oa  tre. 

4)  (S.  132.)  I  fald 

I  kom  til  Lira,  gav  jer  ml  for  mig  — 

38 


594  XI.   Menächmi. 

Im  dritten  Akte  begegnet  Ibad  der  Gattin  Babekans. 
Er  lässt  sieb  von  ihr  zweihundert  Goldstücke  holen  und  küsst  sie 
als  ihr  Mann,  da  naht  auch  Syab.uk,  und  es  folgt  eine  Szene, 
die  an  Amphitruo    erinnert. 

Ibad.         Nein,  sie  ist  mein  und  keines  andern  Weib! 
Syahuk.    Nein!  mein  ist  Lira,  mein,  und  soll  es  bleiben. 
Lira.         Ich  Unglücksel'ge ! 
Ibad.  Lass'  sie  selber  richten. 

Sag,  süsse  Lira,  bist  du  nicht  die  mein'ge? 
Syahuk.    Bist  du  uicht  die  mein'ge,  boldes  Engelskind? 
Lira.         Nein,  keiner  von  Euch  beiden  ist  Babekan; 

Zwei  Zaub'rer  seid  ihr.1) 

Alsbald  löst  Syahuk  die  Irrung. 

Babekan  findet   es  für  nötig,   seine  Frau  vor  seinen  Brüdern 

zu  warnen;   denn 

sie  sind  in  Bagdad  hier 
Und  sehen  mir  so  «ähnlich,  wie  das  Huhn 
Dem  eignen  Ei.2) 

(S.  72.)  Nur  auf  die  Losung  „Wein  und  Zechinen"  darf  sie  ihn 
einlassen.  Ibad  hat  sie  belauscht  und  findet  Einlass.  Alle 
weiteren,  zum  Teil  unterhaltlichen,  zum  Teil  recht  albernen3)  Ver- 
wechslungen haben  auf  die  Menächmen  keinerlei  Bezug  mehr, 
selbst  wenn  man  die  hier  besprochenen,  dem  Wirte  und  der  Gattin 
gegenüber  sich  ereignenden  hierher  beziehen  will,  wozu  indessen 
nichts  zwingt. 


')  (S.  138.)   S.    Nei,  hun  er  min,  og  hun  skal  blive  min. 
L.  Jeg  ulyksalige ! 
I.  Lad  hende  dömme 

Imellem  os!  Siig,  elskelige  Lira! 

Est  du  ei  min? 
S.  Est  du  ei  min,  min  engel? 

L.  Nei,  ingen,  ingen  af  jer  er  Babekan. 

To  troldmänd  er  I. 

2)  (S.  145.)  de  leve  her  i  Bagdad, 

Og  ligne  mig,  som  ägget  ligner  honen. 

3)  Wiederholt  schreibt  Ohlenschläg er  den  Misserfolg  des  Stückes 
der  Schwierigkeit  zu,  drei  so  ähnliche  Schauspieler  zu  finden.  So 
Oehlenschlägers  „Levnet  fortalt  af  kam  selv"  (1831)  II,  354.  „Eor- 
nemmelig  for  den  umuligheds  skyld,  at  finde  tre  skuespillere,  der  lignede 
hinanden  nok  til  ikke  hvert  öieblik  at  forstyrre  illusionen,"  und  Oehlen- 
schlägers Erindr.  (1851)  IV,  47.  „Trillingbrödrene  giorde  ikke  den 
lykke,  det  fortiente.  Det  kom  fornemmelig  af  den  vanskeligked,  at  faae 
tre  skuespillere  til  at  ligne  hverandre  saaledes,  at  det  blev  naturligt, 
man  tog  den  ene  for  den  anden.  Man  vilde  og  künde  ingen  masker 
bruge."     (Vgl.  das  S.  538  u.  566  Gesagte.) 


595 


XII.  Miles  gloriosus.1) 

Der  Gestalt  des  grosssprecherischen  Soldaten,  der  sich 
seiner  Heldenthaten  rühmt,  der  Abgott  aller  Weiber  zu  sein 
glaubt  und  um  sein  Mädchen  betrogen  wird,  begegnen  wir  bei 
Plaütus  ziemlich  oft.  Tritt  er  nicht  auf  als  handelnde  Person, 
wie  im  Pönulus,  Truculentus,  den  Bacchides,  so  wird  doch 
seiner  öfter  gedacht. 

In  diesem  Stücke  nun  ist  der  prahlerische  Maulheld 
zur  Hauptperson  und  zum  alleinigen  Vorwurfe  eines 
Lustspieles  geworden,  das,  wie  Lessing  sagt,2)  ,. genugsam 
wegen  des  von  alten  und  neuen  Poeten  so  oft  nachgeahmten 
Charakters  eines  grosssprecherischen  Soldaten  bekannt"  ist. 
Teuffei3)  bezeichnet  das  Stück  als  eine  „stark  aufgetragene 
Zeichnung  eines  Bramarbas,  nicht  ohne  Gedehntheiten  und  Un- 
wahrscheinlichkeiten ,  doch  im  ganzen  wohl  angelegt  und  heiter 
ausgeführt. " 

Was  den  Titel  betrifft,  so  hat  Lessing4)  denselben  als  „Glo- 


')  Danz  (Wimariae  1804);  Linde  mann  (Leipz.  1827);  Vallauri 
(Torino  1855);  A.  Lorenz  (Berlin  1869):  J.  Brix  (Lpz.  1875);  R.  J.  Ty- 
rell  (London  1881).     Hier  ist  zitiert  nach  Fleckeisen. 

2)  Beiträge,  S.  50. 

3)  Gesch.  der  röm.  Litt'.,  S.  150. 

4)  Hamburg.  Dramat.  Einundzwanzigstes  Stück.  „Ein  Titel 
muss  kein  Küchenzettel  sein.  Je  weniger  er  von  dem  Inhalte  verrät. 
desto  besser  ist  er.  Dichter  und  Zuschauer  finden  ihre  Rechnung  dabei, 
und  die  Alten  haben  ihren  Komödien  selten  andere  als  nichtsbedeutende 
Titel  gegeben.  Ich  kenne  kaum  drei  oder  vier,  die  den  Hauptcharakter 
anzeigten  oder  etwas  von  der  Intrigue  verrieten.  Hierunter  gehört  des 
Plautus  .Miles  gloriosus'.  Wie  kommt  es,  dass  man  noch  nicht  ange- 
merkt, dass  dieser  Titel  dem  Plautus  nur  zur  Hälfte  gehören  kann? 
Plautus  nannte  sein  Stück  bloss  ,Gloriosus';  so  wie  er  ein  anderes  ,Tru- 
culentus'  überschrieb.  , Miles'  muss  der  Zusatz  eines  Grammatikers  sein. 
Es  ist  wahr,  der  Prahler,  den  Plautus  schildert,  ist  ein  Soldat;  aber 
seine  Prahlereien  beziehen  sich  nicht  bloss  auf  seinen  Stand  und  seine 
kriegerische  Thaten.  Er  ist  in  dem  Punkte  der  Liebe  ebenso  gross- 
sprecherisch;  er  rühmt  sich,  nicht  allein  der  tapferste,  sondern  auch  der 
schrillste  und  liebenswürdigste  Mann  zu  sein.  Beides  kann  in  dem  Worte 
.(.loriosiis-  liegen;  aber  sobald  man  .Miles' hinzufügt,  wird  das  , gloriosus' 
nur  auf  das  erstere  eingeschränkt.  Vielleicht  hat  den  Grammatiker,  der 
diesen  Zu-aiz  machte,  eine  Stelle  des  Cicero  (De  officiis  I,  38)  verführt  ; 
aber  hier  hätte  ihm  Plautus  selbst  mehr  als  Cicero  gelten  sollen.  Plautus 
selbst  sagt: 

ALAZON  Graece  huic  nomen  est  Comoediae, 
Id  nos  Latinc  GLORIOS VM  dicimus, 

und  in  der  Stelle  des  Cicero  ist  es  noch  gar  nicht  ausgemacht,  dass  eben 

das  Stück  des  Plautus  gemeint  sei.  Der  Charakter  eines  grossspreche- 
rischen Soldaten  kam  in  mehreren  Stücken  vor.  Cicero  kann  ebenso 
wohl  auf  den  Thraso  des  Tcrenz  gezielt   haben.'' 

38* 


596  XII.    Miles  gloriosus. 

riosus"  mit  Auslassung  der  Bezeichnung  Miles  gefordert',  was 
Fleckeisen1)  iintersützt.  Als  Original  der  plautinischen  Komö- 
die gilt  der  iJla^tor  eines  unbekannten  griecliisclien  Dichters, 
während  die  Eingangsszene  dem  K6la§  des  Menander  oder 
dem  -Jt()rtGtT£iyr:g  des  Diphilos  entnommen  sein  soll.2) 

Den  ersten  Akt  leitet  der  Soldat  Pyrgopolinices,  der 
Türmebezwinger,  ein.  Ihm  zur  Seite  steht  sein  Parasit  Arto- 
trogus,  Brockenschröter,3)  Brockenschnapper,  wie  ihn  Binder 
nennt,  der  die  Heldenthaten  seines  Herrn  und  seine  Schönheit 
in  den  Himmel  hebt.  Pyrgopolinices  ist  eben  beschäftigt, 
die  dem  Könige  Seleukus  versprochene  Rekrutierung  durchzu- 
führen  (  V.   75): 

Nam  rex  Seleucus  me  opere  orauit  maxumo 

Vt  sibi  latrones  cogerem  et  conscriberem. 

[Ei]  rei  hunc  diem  mihi  operam  decretumst  dars. 

Den  zweiten  Akt  beginnt  Paläst rio,  der  Sklave  des  Sol- 
daten, mit  einer  Art  von  Prolog.  Von  ihm  erfahren  wir,  dass  wir 
uns  in  Ephesus  befinden.  Paläst  rio  hatte  früher  einen  andern 
Herrn  in  Athen.  Dieser  wurde  von  Staatswegen  nach  Nau- 
paktus     gesandt.        Unterdessen      kam     Pyrgopolinices     nach 


x)  Ehe  in.  Mus.  XIV,  628.  —  Vgl.  dagegen  für  den  vollen  Titel, 
wie  er  überliefert  ist,  W.  Hertzberg,  Übersetzung  S.  356;  A.  Riese 
im  Rhein.  Mus.  XXII,  303. 

2)  Teuffei,  Studien,  S.  273.  „Der  Prolog  des  , Miles  gloriosus' 
(II,  1,  8  f.)  enthält  die  Angabe:  'AXa£,d>v  graece  huic  nomen  est  comoe- 
diae,  id  nos  latine  Gloriosum  dichnus.  Die  Weglassung  des  Namens 
des  griechischen  Dichters  und  der  etwas  schwankende  Ausdruck,  der  an 
sich  auch  die  Auuahme  blosser  Abstraktion  aus  dem  lateinischen  Titel 
zuliesse,  könnte  Bedenken  erregen,  wenn  der  Prolog  nicht  sonst  manche 
unverwerfliche  und  wertvolle  Angaben  enthielte.  Die  Stellung  dieses 
Prologes  weist  allerdings  darauf  hin,  dass  es  mit  der  Eingangsszene  eine 
besondere  Bewandtnis  habe,  wenngleich  der  Vorwurf  der  ,Verbindnngs- 
losigkeit'  nicht  ganz  gegründet  scheint;  vgl.  I,  1,  72  ff.  mit  IV,  1,  2  ff. 
Ob  nun  aber  jene  aus  dem  Kolax  des  Menander  genommen  ist,  wie 
W.  A.  Becker  meinte,  oder  aus  dem  ÄiQtjGiTtlyjjq  des  Diphilus,  wie 
Ritschi  vermutete,  wird  sich  schwer  entscheiden  lassen;  für  das  erste 
spräche,  dass  das,  was  den  Eingang  von  dem  Folgenden  unterscheidet, 
die  Rolle  des  Parasiten  ist;  für  das  zweite  der  Name  des  Miles  Pyrgo- 
polinices." 

:i)  Lessing,  Hanib.  Dram.  Neunzigstes  Stück:  „Von  ihrem  ersten 
Ursprung  an,  das  ist,  sobald  sich  die  jambischen  Dichter  von  dem  Be- 
sondern zu  dem  Allgemeinen  erhoben,  sobald  aus  der  beleidigenden 
Satire  die  unterrichtende  Komödie  entstand,  suchte  man  jenes  Allge- 
meine durch  die  Namen  selbst  anzudeuten.  Der  grosssprecherische,  feige 
Soldat  hiess  nicht  wie  dieser  oder  jener  Anführer  aus  diesem  oder  jenem 
Stamme,  er  hiess  Pyrgopolinices,  Hauptmann  Mauerbrecher.  Der 
elende  Schmarutzer.  der  diesem  um  das  Maul  ging,  hiess  nicht  wie  ein 
gewisser  armer  Schlucker  in  der  Stadt;  er  hiess  Artotrogus,  Brocken- 
schröter." 


Charakteristik  desselben.  597 

Athen,  sah  die  Geliebte  des  eben  in  Naupaktus  weilenden 
Jünglings,  gewann  ihre  Mutter  für  sich  und  entführte  gegen 
ihren  Willen  die  Tochter  nach  Ephesus.  Kaum  hatte  Pa- 
lästrio  dies  alles  gesehen,  als  er  ein  Schiff  nahm,  um  zu  seinem 
Herrn  zu  segeln  und  ihm  Mitteilung  von  dem  Geschehenen  zu 
machen.  Aber  Seeräuber  nahmen  ihn  gefangen  und  verkauften 
ihn,  und  so  wurde  er  Sklave  des  Pyrgopolinices.  Bei  diesem 
fand  er  die  Geliebte  seines  früheren  Herrn;  sie  nickte  ihm  zu, 
damit  er  schwiege;  zu  gelegener  Zeit  jedoch  erzählte  sie  ihm,  dass 
sie  den  Krieger  hasse  und  nur  nach  ihrem  ersten  Geliebten  heisse 
Sehnsucht  fühle.  Dies  schrieb  der  Sklave  sogleich  seinem  früheren 
Herrn,  ein  Kaufmann  übermittelte  ihm  den  Brief,  und  sofort  eilte 
der  junge  Mann  nach  Athen,  wo  er  bei  dem  Nachbarn  des 
Pyrgopolinices  Quartier  nahm.  Palästrio  hat  die  Wände 
beider  Häuser  an  einer  Stelle  durchbrochen,  und  so  können  jetzt 
die  Liebenden  ungehindert  beisammen  sein. 

Periplecomenus,  der  Nachbar  des  Pyrgopolinices,  tritt 
auf,  zankend,  dass  einer  von  den  Leuten  des  Soldaten  vom 
Dache  aus  in  seine  Behausung  geblickt  habe,  als  er  hinaufstieg, 
einen  entsprungenen  Affen  zu  fangen.  Dieser  sah  nämlich,  wie 
sein  Gastfreund  Pleusicles  und  Philocomasium,  die  Geliebte 
des  Pyrgopolinices,  sich  herzten  und  küssten.  Palästrio,  dem 
dies  sehr  unlieb  kömmt,  denkt  nach,  was  sich  noch  machen  lasse, 
und  „et  dulice  et  comoedice"  (F.  213)  findet  er  den  Ausweg. 
Er  will  dem  Soldaten,  seinem  Herrn,  vormachen,  Philoco- 
masium habe  noch  eine  Zwillingsschwester,  „tarn  similem  quam 
lacte  lactist"  (F.  240).  Diese  sei  eben  „cum  amatore  aliquo  suo- 
angekommen  und  im  Hause  des  Periplecomenus  abgestiegen. 
Periplecomenus  nimmt  es  auf  sich,  hiervon  Philocomasium 
zu  verständigen,    und  geht  ab. 

Der  Hüter  Philo comasiums,  der  Sklave  Sceledrus,  er- 
scheint; er  berichtet  seinem  „conseruos",  was  er  heute  von  Philo- 
comasium gesehen  habe,  und  wie  er  es  seinem  Herrn  mitteilen 
müsse.  Palästrio  versichert  ihm,  sie  sei  im  Hause  des  Sol- 
daten; Sceledrus  stellt  sich  vor  die  Thüre,  und  zu  seiner  Über- 
raschung tritt  Philocomasium  aus  derselben  und  erzählt  freudig-, 
dass  ihre  Schwester  aus  Athen  angekommen  sei,  sodass  Scele- 
drus bereits  an  seinen  Irrtum  glaubt  und  seinen  Herrn  zu 
fürchten  beginnt,  ob  er  sich  auch  doch  noch  immer  einredet: 
„Non  uidi  eam,  etsi  uidi"  (V.  407).  Nach  kurzer  Abwesen- 
heit tritt  Philocomasium  aus  dem  Hause  des  Periplecome- 
nus, zu  welchem  sie  ja  durch  die  durchbrochene  Wand  Zugang 
hat.  Sceledrus  ruft  sie  an:  ,.uiti  probrique  plena"  (F.  423); 
sie  aber  thut,  als  kenne  sie  ihn  nicht,  und  sagt,  sie  sei  eben 
von  Athen  hierher  gelangt.      Palästrio   stellt   sich   schlauerweise 


598  XH-    Miles  gloriosus. 

gleichfalls,  als  halte  er  sie  für  das  Mädchen  seines  Herrn;  er 
schickt  den  Seeledrns  ins  Hans,  dieser  aber  kömmt  sogleich 
wieder  mit  der  Meldung,  sie  sei  wirklich  zu  Hanse,  ..in  lecto 
cuhat"  (V.  470).  Seeledrns  ist  froh,  dass  er  seinen  Herrn 
nicht  mit  einer  voreiligen  Anzeige  bedient  habe.  Palästrio 
geht,  worauf  Peripleeomenns  den  Sklaven  Seele d ms  noch 
scharf  anspricht,  wie  er  sich  habe  beikommen  lassen  können,  eine 
fremde  Dame  zu  beleidigen.  Er  bringt  ihn  zu  einer  demütigen 
Abbitte  (F.  541): 

Meae  [ut]  inscitiae 
Et  meae  stultitiae  ignoscas.  nunc  ilomum  scio 
Me  fuisse  exeordem,  caecum.  incogitabilem, 

und  (F.  547): 

Meruisse  nie  equidem  maxumum  fateor  malum 
Et  tuae  fecisse  nie  hospitae  aio  iniuriam. 

Im  dritten  Akte  tritt  Palästrio  mit  Pleusicles  und 
Periplecomenus  auf.  Pleusicles  bedauert,  dass  er  den  alten 
Herrn  mit  seinen  Liebesabenteuern  behellige;  es  entspinnt  sich 
ein  längeres,  äusserst  hübsches  Gespräch,  in  welchem  der  joviale, 
gutmütige  Charakter  des  alten  Hagestolz  Periplecomenus  in 
trefflicher  Weise  entwickelt  wird.  Periplecomenus  soll  Pa- 
lästrio seinen  Ring  anvertrauen.  Er  soll  ein  Weib  herbei- 
schaffen, das  sich  für  seine  Ehefrau  ausgeben  und  sich  in  Pyrgopo- 
linices  verliebt  stellen  will,  was  er  zusagt.  Pleusicles  und 
Periplecomenus  treten  ab.  Der  Kellerbursche  Lucrio  naht 
und  erzählt,  Sceledrus  sei  betrunken  in  Schlaf  verfallen.  Unter- 
dessen hat  Periplecomenus  an  der  meretrix  Acroteleutium 
das  Weib  gefunden,  das  sich  als  Frau  und  Geliebte  ausgeben 
will.  Der  Baumeister  des  Planes  —  ..hie  noster  architectust" 
(F.    901)  —  Palästrio,   entfaltet  seine  Idee  weiter. 

Am  Beginne  des  vierten  Aktes  berichtet  Palästrio  seinem 
Herrn  Pyrgopolinices,  dass  eine  „luculenta  atque  festiua  fe- 
mina"  sich  nach  seiner  „pulcra  pulcritudo"  (F.  959)  sehnt.  Sie 
sende  ihm  diesen  Ring.  Pyrgopolinices  ist  sofort  in  Fexier 
für  sie.  Philocomasium  ist  ihm  bereits  zur  Last,  weshalb 
Palästrio  ihm  rät,  sie  mit  alledem,  was  er  ihr  bisher  geschenkt 
habe,  weiterzuschicken.  Milphidippa,  die  angebliche  Magd 
Acroteleutiums,  tritt  auf  und  erzählt  Palästrio  von  der  imbe- 
schreiblichen  Sehnsucht  ihrer  Gebieterin  nach  Pyrgopolinices. 
Seitwärts  stehend,  hört  dieser  den  ganzen  Bericht  mit  an.  Als- 
dann tritt  er  vor  und  thut,  als  ob  ihm  Acroteleutiums  Liebe 
lästig  wäre.  Da  aber  Milphidippa  fortgegangen  ist,  berät  sich 
Pyrgopolinices  mit  Palästrio,  wie  er  Philocomasium  los 
werden    könnte,     «quin    si    uoluntate    nolet,    ui    extrudam    foras" 


Charakteristik  desselben.  599 

(7.  1124).  Palästrio  wiederholt  seinen  bereits  trüber  erteilten 
Rat,  das  Mädchen  friedlich  mit  all  seiner  Habe  weiterzuschicken, 
womit  sich  Pyrgopolinices  einverstanden  erklärt.  In  der 
nächsten  Szene  treten  Acroteleutium,  Milphidippa  und 
Pleusicles  auf.  Palästrio  entwickelt  seine  Pläne  weiter. 
Acroteleutium  hat  sich  aufs  äusserste  verliebt  zu  stellen; 
Pleusicles,  als  Schiffsmann  verkleidet,  soll  Philo comasium 
abführen,  die  sich  trostlos  über  den  Verlust  des  Geliebten  zeigt. 
Alle  gehen  an  ihre  Posten;  da  tritt  Pyrg-opolinices  und  bald 
nachher  Acroteleutium  auf.  Pyrg-opolinices  spielt  anfangs 
ihr  gegenüber  den  Stolzen,  endlich  erklärt  er,  ihr  ins  Haus  zu 
folgen.  Pleusicles  als  Schiffer  tritt  auf,  um  Philocomasium 
und  all  ihren  Besitz  abzuholen.  Philocomasnim  nimmt  rührend 
Abschied.  Sie  gebärdet  sich,  als  breche  ihr  Herz,  da  sie  den 
Geliebten  verlassen  soll.  Nicht  minder  erschüttert  benimmt  sich 
Palästrio,  der  ihr  folgen  und  den  edlen  Herrn  nicht  mehr  be- 
dienen soll  (7   1359): 

Muliebres  mores  discendi,  obliuiscendi  stratiotici. 
Iam  non  possum:  aniisi  oannem  lubidinem. 

Die  Trennung  ist  vollzogen.  Pyrg-opolinices  eilt  zu  seiner 
neuen  Geliebten;  ein  Sklave  des  Hauses  weist  uns  bereits  auf 
den  Lärm  im  Hause  hin  (7  1388): 

Ipsus  illic  ses'e  iam  inpediuit  in  piagas. 
Paratae  insidiae  sunt:  stat  in  statu  senex, 
Vt  adoriatur  moeclium,  qui  formast  ferox, 
Qui  omnis  se  amare  credit,  quaeque  aspexerit: 
Quem  omnes  oderunt,  qua  uiri  qua  mulieres. 
Nunc  in  tumultum  ibo:  intus  clamorem  audio. 

Der  fünfte  Akt,  der  nur  eine  Szene  umfasst,  bringt  den 
versprochenen  „tumultus".  Periplecomenus,  der  vermeintliche 
Gatte  Acroteleutiums,  lässt  durch  seine  Sklaven,  unter  diesen 
den  Koch  Cario,  Pyrgopolinices  aus  dem  Hause  schleppen. 
Er  soll  entmannt  werden,  was  der  Koch  mit  Freuden  übernimmt 
(7  1398): 

Quin  iam  dudum  gestit  moecho  [huic]  hoc  abdomen  adimere. 
Faciam  uti  quasi  puero  in  collo  pendeaut  crepundia. 

Erst  wird  er  gehörig  mit  Knütteln  geprügelt,  dann  bittet  er, 
ehe  geschnitten  wird,  „prius  quam  secat"  (7.  1408),  nur  um 
ein  Wort.  Er  verteidigt  sich  damit,  dass  er  die  Frau  für  eine 
Witwe  hielt,  schwört,  dass  er  einsehe,  wie  recht  ihm  geschehe, 
dies  alles  zu  dulden,  und  zahlt  den  Sklaven  eine  Mine  Goldes, 
damit  er,    „saluis  testibus"    (7.    1420),    entlassen   werde.    —    See- 


(500  TETT,    Milcs  gloriosus. 

ledrus  meldet  ihm  noch,  dass  der  Schiffer  Pleusicles  war  und 
schon  vor  dein  Thore  mit  Philo comasium  begann  (F.  1433), 
„ausculari  atque  amplexari  inter  se. "  Nun  erst  durchschaut  Pyr- 
gopolinices den  ganzen  Plan,  und  dass  ihn  sein  Sklave,  „scelus 
uiri  Palaestrio,"  betrogen  habe.  Mit  einer  Art  Nutzanwendung  im 
Munde  des  Sceledrus  (F.  1435): 

Iure  factum  iudico: 

Si  sie  aliis  moechis  fiat,  minus  hie  moechorum  siet: 

Magis  metuant,  minus,  has  res  studeant, 

die  von  andern1)  allerdings  wirksam  dem  Pyrgopolinices  zuge- 
teilt wird,   schliesst  das  Stück. 

Die  Aktabteilung  der  gewöhnlichen  Ausgaben  passte  wohl  für 
unsere  Bühne  nicht. 

Der  erste  Akt  mit  seinen  acht  und  siebenzig,  der  letzte 
mit  seinen  vier  und  vierzig  Versen  steht  allzu  dürftig  neben  den 
umfangreichen  übrigen  drei;  darum  haben  Rapp  und  Binder  das 
ganze  Stück  in  ein  Vorspiel  (=  Actus  I),  einen  Prolog  (II,  V.  79 
— 156)  und  drei  Akte  geteilt. 

Die  Figur  des  Miles  Gloriosus  mit  seinem  vielsagenden 
Namen  Pyrgopolinices,  der  die  Türme  der  Städte  im  Sturme 
nimmt,  ist  aufs  eingehendste  gezeichnet.  Vor  allem  sind  es  seine 
kriegerischen  T baten,  von  denen  wir  nichts  sehen,  und 
seine  sinnliche  Lüsternheit,  deren  Proben  uns  vor  Augen 
liegen.  Er,  den  Milphidippa  „urbicape,  occisor  regum"  (F.  1055) 
anspricht,  der  siebentausend  Feinde  an  einem  Tage  vernichtete 
(F.  46),  der  in  Kappadozien,  „uno  ictu",  fünfhundert  Mann  er- 
schlagen hätte,  wenn  sein  Schwert  nicht  stumpf  geworden  wäre, 
„ni  hebes  machaera  foret"  (F.  53),  der,  wie  aus  seinen  Reden 
hervorleuchtet,  der  Freund  und  die  rechte  Hand  des  Königs 
Seleukus  ist  (F.  75),  ist  nicht  bloss  der  Liebling  des  Mars, 
sondern  auch  der  Venus  (F.  1384),  wie  ihm  sein  puer  schmei- 
chelt; ja  sogar  ihr  Enkel.  „Nepos  sum  Veneris"  (F.  1265);  den 
Morgen,  nachdem  Ops  den  Juppiter  geboren  hatte,  kam  er 
zur  Welt. 

Postriduo  natus  sum  ego,  mulier,  quam  Iuppiter  ex  Ope  natust. 

(F.  1082.)  —  Die  schrecklichen  Prahlereien,  die  er  zum  besten 
giebt,  von  all  seinen  erschlagenen  Feinden,  unter  welchen  selbst 
Neptuns  Enkel  war,   (F.  13): 

Quemne  ego  seruaui  in  campis  Gorgonidoniis, 
Vbi  Bumbomachides  Clutomestoridysarckides 
Erat  inperator  summus,  Neptuni  uepos? 


')  Rapp  (Die  pl.  L.),  S.  190:   „Die  Nutzanwendung  ist  aber  offen-* 
bar  weit  komischer  im  Munde  des  Geprügelten." 


Charakteristik  desselben.  601 

kennzeichnen  sich  natürlich  als  greifbare,  plumpe  Lügen.  Wer 
äi-ger  lügen  kann,  als  er,  sagt  sein  Parasit,  mag  mich  als  Sklaven 
haben   (F.   21): 

Periuriorem  hoc  hominem  siquis  uiderit 

Aut  gloriarum  pleniorem,  [hercle  is  quidem] 
Me  sibi  habeto.  ego  nie  [ei]  maneupio  dabo:  nisi 
Vnum  epityrum  estur  [insanum]  insane  bene. 

Geld  besitzt  er  nach  Scheffeln  (F.    10(34 1: 

Pins  [pol]  mi  anri  millest  modium  Philippi. 

Der  ,.miles  nsqne  caesariatus-  (F  768)  ist  aber  auch  im 
vollsten  Sinne  des  Wortes  ein  ,.moechus  miles"  (F.  1131).  Er 
stellt  gleiehmässig  allen  Weibern  nach  (F.  775): 

Ems  meus  ita  niagnus  moechus  mulierumst,  ut  neminem 
Fuisse  adaeque  neque  futurum  credam. 

Sein  Sklave   nennt  ihn   einen  trefflichen  Beschäler  (F.   1111): 

nam  tu  quidem 
Ad  equas  fuisti  scitus  admissarius. 
Qui  consectare  qua  maris  qua  feminas. 

Vor  allem  auf  den  Ehebruch  hat  er  sich  eifriger  denn  auf 
alles  Übrige  verlegt  (F.  802): 

„Qui  nisi  adulterio  studiosus  rei  nulli  aliaest  inprobus." 

Freilich  gereicht  ihm  seine  unwiderstehliche  Schönheit 
etwas  zur  Entschuldigung.  Alle  Weiber  verfolgen  ihn.  Es  ist 
ein  Unglück,   seufzt  er,   wenn  ein  Mann  so   schön  ist   (F.  68): 

Ximiast  miseria  nimis  pulcrum  esse  hominem. 


Er  kann  sich  der  Damen  nicht   erwehren  (F.   777): 

Atque  [is]  Alexandri  praestare  praedicat  i'ormae  suam: 
Itaque  omnis  se  ultro  sectari  in  Epheso  memorat  mulieres. 

Diese  stets  hervorgehobene1)  Schönheit  verblendet  den  Krie- 


')  Vgl.  z.  B.  V.      58.    Te  omnes  amant  mulieres,  neque  [id]  iniuria, 
Cum  sis  tarn  pulcer. 
V.  1021.    Quid?  ego  astabo  hie  tantisper  cum  hac  formal 
V.  1041.  Ecastor  hau  mirumst:  te  habes  carum, 

J  [online  in  in  in  pulcrum  — ■  — 
/".  1086.  J\e  magis  sim  pulcer  quam  sunt: 

Ita  nie  mea  forma  habet  sollicitum. 
/'.  1211.    Salteui  id  iiolup  est^  quom  ex  uirtute  formae 

[id]  euenit  tibi  .  .  . 
V.  1328.    [Ita]  forma  huius,  mores,  uirtus  auimum  atti- 
nuere  hie  tuum 
und  noch  zahlreiche  Stellen. 


602  XII.    BIil<  s  gloriosus. 

ger,   und  gerne  glauben  wir  Palästrio,   der  den  Verstand  seines 
Herrn   sehr   gering   anschlägt   (F.  236): 

Neque  habet  plus  sapientiae  quam  lapis 

.»der   ( T.    1024): 

Nullumst  hoc  stolidius  saxum. 

Mehrmals  hören  wir  eine  zutreffende  Personalbeschreibung 
des  ganzen  Menschen. 

Palästrio   schildert    ihn  (V.  89)  als: 

gloriosus.  inpudens, 
Stercoreus,  plenus  periuri  atque  adulteri, 
Ait  sese  nitro  onmis  mulieres  seetarier. 
Is  deridiculost,  quaque  incedit,  omnibus: 
Itaque  hie  meretricis,  labiis  dum  duetant  eum, 
Maiorem  partern  uideas  ualgis  sauiis. 

A e r o t e  1  e  u t i u m  sagt  von  ihm  (V.  923) : 

Populi  odium  quidni  nouerim,  maguidicum,  ciueinuatum, 
Moechuru  unguentatum '? 

Dieser  Gestalt  eines  verabscheuungswürdigen  Wüstlings  und 
Prahlers  steht  der  feine  Lebemann  (F.  659,  „omnes  mores  ad 
uenustatem  ualent"),  der  „lepidus  senex"  (F.  135,  655),  Peri- 
plecomenus,  zur  Seite.  Vier  und  fünfzig-  Jahre  alt  (F.  629), 
will  er  noch  nicht  zu  den  alten  Herren  zählen. 

Cläre  oculis  uideo,  sum  pernix  manibus,  pedibus  mobilis, 
meint   er  (F.  630),   und  Palästrio  bestätigt  gerne: 

Si  albicapillus  hie  uidetur,  ne  utiquam  ab  ingeniost  senex: 
Inest  in  hoc  amussitata  sua  sibi  ingenua  indoles. 

Noch  reichlich  fühlt  er  Lebenslust  in  sich  (F.  641): 

Set  ego  amoris  aliquantum  habeo  humorisque  etiam  in  corpore 
Nequedum  exarui  ex  amoenis  rebus  et  uoluptariis. 

Herrlich  schildert  er  sich  im  Weiteren: 

Vel  cauillator  facetus  uel  conuiua  commodus 
Itidem  ero:  ueque  ego  oblocutor  sum  alteri  iu  couuiuio. 
Incommoditate  apstinere  me  aput  conuiuas  commodo 
Conmemini:  et  meae  orationis  iustam  partem  persequi 
Et  meam  partem  itidem  tacere,  quom  alienast  oratio. 
Mimime  sputator,  screator  sum,  itidem  minume  mueeidus: 
Neque  alieuum  ego  umquam  scortum  subigito  iu  couuiuio: 
Neque  praeripio  pulpamentum  ueque  praeuorto  poculum: 
Neque  per  uinum  umquam  ex  me  exoritur  diseidium  in  conuiuio. 
Siquis  ibist  odiosus,  abeo  domum,  sermonem  segrego. 
Venerem,  amorem  amoenitatemque  aceubaus  exereeo. 


Charakteristik  desselben.  603 

Er  ist  unverheiratet  geblieben,  weil  er  die  rechte  Frau,  die 
zu  ihm  gepasst  hätte,    nie  fand  (F  684): 

Nam  bona  uxor,  si  ea  duci  [potis]  est  usquam  gentium, 
Vbi  eam  possiem  inuenire? 

und  weil  er  nie  die  Sorge  um  Weib  und  Kind  auf  sich  nehmen 
wollte,  was  er  (F.  719  ff.)  hübsch  durchführt.  Mit  scharfem 
Blicke  beobachtet  er  die  Welt  und  die  Menschen.  Es  ist  ein 
trefflicher  alter  Herr,  der  selbst  zu  leben  versteht,  der  einst  die 
Jugend  genossen  und  diese  Zeit  nicht  vergessen  hat.  Es  giebt 
keinen  (F.  658): 

Lepidiorem  ad  omuis  res  nee  qui  amico  sit  amicus  magis. 

Er  ist  ein  fein  durchgeführtes  Gegenstück  zu  Pyr- 
gopolinices,  der  alle  Freuden  des  Lebens  —  Liebe,  Wein 
und  Lust  —  in  erlaubter,  anständiger  Weise  sich  zu  ver- 
schaffen versteht,  ohne  zum  Cyniker,  wie  der  Miles, 
zu  werden. 

Dem  „Baumeister1'  des  ganzen  Planes,  Palästrio,  dessen 
herrlicher   Grundsatz   ist   (F.   477): 

Plus  oportet  scire  seruom  quam  loqui, 

(Vgl.  S.  404)  folgen,  wir  mit  vollem  Interesse.  Wir  freuen  uns 
seiner  erträglichen  Sklaverei  (F.  351): 

Xam  quoiquam  [alii]  quam  illi  in  nostra  meliust  famulo  familia, 

und  gönnen  ihm  gerne  die  wohlverdiente  Freiheit. 

Gewissermassen  ein  Rivale  des  Palästrio  ist  sein  Mitsklave 
Sceledrus,  dessen  thörichten  Eifer  und  plumpe  Geschäftigkeit 
Periplecomenus  mit  den  Worten  kennzeichnet  (F.  586): 

Sat  edepol  certo  scio 
Occisam  saepe  sapere  plus  multo  suera: 
Qui  adeo  admutiletur  ne  id  quod  nidit  uiderit. 

Das  Bild  eines  gewandten  Sklaven  ist  Lucrio,  „qui  illi 
suppromxi's"   (F.  825): 

Der  Parasit  Artotrogus  tritt  nur  in  einer  Szene  auf;  dann 
wird  er  als  Botschafter  an  den  König  Seleukus  mit  den  gemiete- 
ten Söldnern  geschickt  (F.  948).  Er  ist  ein  gemeiner  Sjieichel- 
lecker,  der  den  Hochmut  seines  Herrn  nährt  und  seine  Leiden- 
schaften  schürt.      Da  ihm  dieser  verspricht  (F.  50): 

Dum  tale  f'aeies  quäle  adhuc,  adsiduo  edes, 


(304  XIL    Miles  gloriosus. 

hat    er   die    Richtschnur    für    sein    ferneres    Verhalten.      Er   muss 
wohl    zu   allein  ja   sagen   (F.  33). 

Venter  creat  omnis  has  aerumnas:  auribus 
Perhauriendumst,  ne  [mihi]  clentes  dentiant, 
Et  adsentandumst  quidquid  hie  mentibitur. 

Dem  jungen  Pleusicles  macht  Rapp1)  den  Vorwurf  der 
Frostigkeit  als  Liebhaber;  allerdings  zeigt  er  sich  nicht  als  den 
feurigen  Jüngling,  als  welche  andere  plautinische  Liebhaber  sich 
erweisen.  Paläst  rio  nennt  ihn  einen  „adulescens  optumus" 
(F.  99).  In  seiner  Verteidigung  des  ehelichen  Lebens,  gegenüber 
dem  Hagestolz  Periplecomenus,  wird  er  doch  warm  und  vertritt 
den  Grundsatz  des  Vicar  of  Wakefield  (F.  682):  „procreare 
liberos  lepidumst  opus." 

Die  weiblichen  Figuren  sind  gut  durchgeführt,  obwohl  es 
nicht  unrichtg  ist,  wenn  Rapp2)  sagt,  es  sei  eigenartig,  „wie  die 
beiden  Hauptfiguren  der  Intrigue,  d.  h.  die  um  derer  Liebe  willen 
das  Stück  eigentlich  spielt,  Pleusicles  und  Philocomasium, 
in  ihrer  poetischen  Ausstattung  vernachlässigt  sind,  während  sich 
die  bloss  vermittelnden,  intriguierenden  Teile,  wie  Paläst  rio  und 
Acroteleutium,  recht  in  den  Mittelpunkt  des  Gemäldes  drängen." 
Philocomasium  wird  durch  ihre  Liebe  zur  Schlauheit  getrieben 
(F.  591): 

Ximium  festiuarn  mulier  operam  praehibuit. 

Sie  weiss,  wie  böse  Weiber  sein  können,  und  will  es  noch 
mehr  sein   (F.   355): 

edocebo 
Minume  malas  ut  sint  malae;  mihi  solaest  quod  superfit. 

Acroteleutium  und  Milphidippa  sind  gleichfalls  zu 
jedem  Streiche  geschickt;  zwei  bessere  sind  nicht  zu  finden 
(F.  803): 

Non  potuit  reperire,  si  ipsi  Soli  quaerundas  dares, 
Lepidiores  duas  ad  hanc  rem  quam  egomet. 

Milphidippa  (F.  794,  „Est  prime  cata)  gewinnt  schon 
durch  ihr  hübsches  Wesen  (F.  989,  „bellulast";  F.  1003,  „ni- 
mium  lepida  nimisque  nitida  femina")  den  lüsternen  Pyrgopo- 
linices. 

Im  ganzen  bestätigen  die  drei  weiblichen  Charaktere  des 
Stückes  die  Worte,  welche  Palästrio  über  das  Weib  ausspricht 
(F.    190): 


')  Die  pl.  L.,  S.  30. 
2)  A.  a.  O.,  S.  31. 


Der  Thraso  des  Terenz.  605 

Nam  mulier  liolitori  numquam  supplicat,  si  quast  mala: 
Domi  habet  hortum  et  condimenta  ad  omnis  f  molis  maleficas, 
[Domi]  habet  os,  linguam,  perfidiam,  malitiam  atque  audaciam, 
[Confideutiam,  coufirmitatem,  l'rauduleutiam] 
Domi  dolos,  domi  delenifica  facta,  domi  fallacias. 

Der  Miles  Gloriosus  hat  sich  die  Bühne  aller  Na- 
tionen und  aller  Jahrhunderte  erobert.  „Ex  hac  fabula, " 
sagt  Ussing,1)  „ut  ex  uberrimo  fönte  quot  postea  fluxerint  vel 
fabularuni  partes  et  personae  enumerare  longum  est.  Quid  enim 
frequentius  est  in  antiquis  Italorum ,  Hispanorum ,  Gallorum, 
Angloruni  quam  milites  isti  gloriosi  (Capitani)  horrendis  nomi- 
nibus  insignes,  ignaviam  animi  inani  iactantia  tegentes?  Hi  autem 
quum  ex  ipsa  hominum  vita,  tum  niagis  etiam  ex  Plauto  et  Te- 
rentio   expressi  sunt." 

Vielfach  spielt  bei  der  Figur  des  Kapitäns  (S.  103—108) 
neben  dem  plautinischen  Pyrgopolinices  der  terentianische 
Thraso  mit,  ein  Miles,  der  um  ein  paar  Jahrzehnte  jünger  ist,2) 
als  jener  des  Plautus.  Die  direkten  Nachahmungen  des 
ganzen  plautinischen  Stückes  sind  nicht  gerade  viele, 
zahllos  aber  sind  jene  Komödien,  in  welche  der  Miles 
verpflanzt  ist.  Da  nun  diese  nicht  minder  dem  Thraso  des 
Terenz,  als  dem  Pyrgopolinices  des  Plautus  entwachsen 
sein  können,  meist  sogar  in  beiden  wurzeln,  können  ein  paar 
Worte  über  die  Erscheinung  des  Thraso  nicht  unterdrückt  werden. 

Im  Eunuch us  des  Terenz3)  ist  die  Gestalt  des  Thraso 
nur  episodisch,  darum  nicht  so  ausgemalt,  wie  im  Miles.4)  Dennoch 
tritt  er  uns  auch  hier  als  der  selbstgefällige  Mann  entgegen,  der 
stets  mit  sich  zufrieden  ist. 

Est  istuc  datum 
Profecto,  ut  grata  mihi  siut  quae  facio  onmia, 


')  Band  P7  (1882),  S.  223. 

2)  Der  Miles  gloriosus  „fällt  zwischen  560  und  568,  also  unge- 
fähr 565  d.  St.  (Varr.)"  Teuffei,  Studien,  S.  274;  der  Eunuchus  ins 
Jahr  593.     (Teuf fei,  G.  d.  r.  Litt,),  S.  175. 

3)  Fleckeisen,  P.  Terentii  comoediae.     Lips.  (Teubn.)  1881. 

'*)  Bei  George  Colman  (The  Comedies  of  Terence.  London  1765) 
findet  sich  S.  111  eine  Note  Cookes  über  Pyrgopolinices  und  Thraso: 
„Pyrgopolinices  and  Thraso  are  both  füll  of  themselves.  both  boast 
öl'  their  valour,  and  their  intimacy  with  princes,  and  both  fancy  them- 
selves  beloved  by  all  the  women,  who  see  them;  and  they  are  both 
played  off  by  their  Parasites;  but  they  differ  in  their  manners 
und  their  speeeh.  Plautus'  Pyrgopolinices  is  always  in  the  clpuds, 
and  talking  big  and  of  blood  and  wouuds  like  our  heroes  commonly 
called  Derby  Captains.  Terence's  Thraso  never  says  too  little,  nor  too 
much.  bui  is  an  easy  ridiculous  character,  continually  supplying  the 
Audieuce  with  mirth,  withont  the  wild  extravaganl  Muster  of  Pyrgo- 
polinices." —  Vgl.  auch:  Ausgewählte  Komödien  des  T.  Maccius  Plautus. 
(3  Bdch.)     Erklärt  vou  Aug.  0.  Fr.  Lorenz.     (Berlin   1869.).    S.  253. 


606  XTT.     Milis  gloriosus. 

rühmt    er   sich   (T;.   395).     Er   war   der   Tafelgenosse   des    Königs 
(7.  401): 

Gnatho.    Rex  te  ergo  in  oculis  — 
Thraso.  Scilicet. 

Gnatho.    Gestare? 

Thraso.  Yero:  credere  omnem  exercitum. 

Consilia. 
Gnatho.  Mirum. 

Thraso.  Tum  sicubi  euni  satietas 

Homiuum  aut  negoti  siquaudo  odiuni  cejierat, 


Tum  rne  conuiuam  solum  abducebat  sibi. 

Im  Kampfe  will  er  die  Methode  des  Königs  Pyrrhus  befolgen 
und  sieh  dahin  stellen,  wo  er  am  sichersten  ist:  „Ego  ero  post 
principia"    (F.  781).      Auf  Gnathos  Bemerkung: 

Illuc  est  sapere:  ut  hosce  instruxit.  ipsus  sibi  cauit  loco, 

erwidert    er: 

Idem  hoc  iam  Pyrrhus  factitauit.     (F.  783.) 

Seinen  Rückzug  weiss   er   schön  zu  decken  (V.  789): 

Omuia  prias  experiri  quam  armis  sapientem  decet. 
Qui  scis  au  quae  iubeam  sine  ui  faciat? 

Einige  dieser  Züge  sind,  wie  bemerkt,  auf  die  Capi- 
tani,  die  im  Pyrgopolinices  des  Plautus  ihr  Prototyp  ha- 
ben,1) übergegangen. 


Der  spanischen  Übersetzung  des  Miles  gloriosus  eines 
Anonymus  ist  bereits  oben  (S.  503)  Erwähnung  geschehen. 
Sie  führt  den  Titel  „La  comedia  de  Plauto  intitulada: 
Milite  glorioso,  traducida  en  lengua  castellana.  En  Anvers, 
en  casa  de  Martin  Nucio.  M.D.LV. "  2)  Von  dieser  Antwerpener 
Übersetzung  von  1555  finden  sich  im  zweiten  Bande  der  Biblio- 
teca  de    autores    espanoles3)    Proben,     welche    auf  die   Arbeit 


'  Vgl.  über  die  Figuren  des  Miles  gloriosus  und  seinen  Parasiten 
bei  älteren  und  neueren  Dichtern  Anhaug  S.  243— "258  bei  Lorenz  a.  a.  0. 
—  Alle  diese  capitani  kann  man  iu  wenig  AVorten  schildern,  wie 
Fernan  Caballero  (Verano  en  Bornos,  Cart.  III)  ihren  Kommaudanten 
zeichnet:  „El  comandante  cuando  resuella,  parece  que  no  cabe  en  el 
mundo;  pero  no  es  de  paiio  fino,  y  ä  lo  niejor  descubre  la  trama." 

2)  Barrera,  Catal.,  S.  565. 

3)  Madrid  (Rivadeneyra)  1848,  S.  200. 


Übersetzimg  eines  spanischen  Anonymus.  607 

schliessen  lassen.     Sie  umfassen  die  Reden  des  Periplecomenus 

(F.  672—681): 

Monis  es. 
Nam  in  mala  uxore  atque  inimico  siquid  sumas,  sumptus  est: 
In  bono  hospite  atque  amico  quaestus  est  quod  sumitur, 
Vt  quod  in  diuinis  rebus  sumptumst  sapienti  lucrost. 
Deum  uirtute  [satis]  est,  unde  accipiam  [te]  aput  me  comiter. 
Es,  bibe,  animo  opsequere  mecum  atque  onera  te  hilaritudine: 
Liberae  sunt  aedes,  liberum  autem  [esse]  egomet  me  uolo. 
Nam  mihi  deum  uirtute  dicam  propter  diuitias  meas 
Licuit  uxorem  dotatam  genere  summo  ducere: 
Set  nolo  mi  oblatratricem  in  aedis  intro  mittere. 

Spanisch:  No  estäs  bien  eu  losnegocios;  porque  en  la  mala  muj er 
y  en  el  euemigo  todo  cuanto  se  gasta  es  perdido;  pero  con  el  huesped, 
y  con  el  amigo  ganancia  es  lo  que  se  gasta,  y  tengo  por  buena  dicha 
topar  con  huespedes  de  mi  conclicion  ä  quien  reciba  en  mi  casa;  come 
y  huelga  y  bebe  libre,  quiero  gozar  de  mi  con  libertad,  porque  por  la 
misericordia  de  los  dioses  y  por  las  riquezas  que  me  concedieron,  pude 
muchas  veces  casarme  con  alguna  de  muchas  mujeres  que  se  me  ofre- 
cieron  de  muy  buena  casta  y  con  mucho  clote.  pero  no  quise  meter  en 
mi  casa  una  grunidora  con  quien  perdiese  mi  libertad. 

Und   V.  705  —  716: 

Quando  habeo  multos  cognatos,  quid  mihi  opus  est  liberis? 
Nunc  bene  uiuo  et  fortunate  atque  ut  uolo  atque  animo  ut  lubet. 

iNam]  mea  bona  meis  cognatis  dicam,  inter  eos  partiam: 
Ideo  ut  Liberi]  me  curant;  uisunt  quid  agam.  ecquid  uelim: 
3rius  quam  lucet  adsunt,  rogitant  noctu  ut  somnum  ceperini. 
[Eos  pro  liberis  habebo,  qui  mihi  mittunt  munera]. 
Sacruficant:  dant  inde  partem  mihi  maiorem  quam  sibi, 
Abducunt  me  ad  exta,  me  ad  se  ad  prandium,  ad  cenam  uocant. 
Ille  miserrumum  se  retur,  minumum  qui  misit  mihi. 
Uli  inter  se  certant  donis:  egomet  mecum  mussito: 
Bona  mea  inhiant:  [at]  certatim  nutricant  et  munerant. 

Spanisch:  Como  tengo  muchos  parientes  no  me  hacen  falta  los 
hijos;  agora  vivo  ä  mi  voluntad  y  dichosamente  siguiendo  lo  que  se  me 
antoja;  cuando  me  muriere,  dejare  mis  bienes  a  mis  deudos  que  los 
partan  entre  si;  ellos  comen  conmigo,  curan  de  mi  salud,  vienen  a  vei* 
que  hago,  si  mando  alguna  cosa:  antes  que  amanezca  ya  estan  en  mi 
cämara;  preguntanme  si  he  dormido  bien  aquella  noche,  tengolos  en 
lugar  de  hijos:  envianme  presentes  y  regalos;  si  hacen  sacrificios,  dan 
de  ellos  mayor  parte  a  mi  que  a  si :  sacanme  de  mi  casa,  llevanme  a 
las  suyas  a  comer  y  cenar:  aquel  se  tiene  por  mas  desdichado  que  me 
envio  menos;  ellos  debaten  entre  >i  con  sns  presentes;  y  callo  y  reci- 
bolos;  desean  mis  bienes;  pero  entre  tanto  conservanlos  y  acrecientanlos 
con  los  suyos. 


In  Italien  wurde  auch  unter  dem  Nachfolger  des  Herzogs 
Ercole  I.,  seinem  Sohne  Alfonso  I.,  das  antike  Lustspiel  ge- 
pflegt.    Unter  seiner  Regierung  wurde  der   ,,Soldato  millanta- 


608  XII.    Miles  gloriosus. 

tore",   ovvero  il  Miles  gloriosus  di  Plauto  volgarizzato  in  prosa 
da  Celio  Caleagnini1)   aufgeführt.2) 

Eine  gelungene  Nachdichtung  des  Miles  verdankt  die  ita- 
lienische Litteratur  der  Feder  des  Lodovico  Dolce.  Sein 
Lustspiel  führt  den  Titel  .,11  Capitano".3)  Der  Prolog  erwähnt 
das  Verhältnis  zu  Plautus: 

j\li  uolgo  a  dir,  ch'  io  u'  appresento  Plauto: 
Xnn  ch'  io  ue  '1  rechi  con  le  man,  ma  portolo 
Con  la  liugua,4)  e  se  a  uoi  piace  d'  attenderci: 
Vedrete  comparerui  iunanzi  il  Milite 
Ma  con  altra  diuisa,  e  fatto  giouane. 

I.  Akt.  (1.)  Torquato  Capitano  und  sein  Parasit  Ma- 
nilio   treten,   wie  hei  Plautus,   ein  (V.  1): 

Curate  ut  splendor  meo  s/t  clupeo  clarior, 
Quam  solis  radii  esse  olim  quom  sudumst  solent: 

Fate  che  1'  arme  mie  siano  piu  lucide 

Che  non  e  '1  Sol,  quand'  e  piü  chiaro  1'  aere. 

Der  Parasit  macht  hierzu  die  betreffenden  boshaften  Be- 
merkungen: 

Ascoltate  brauura  d1  huom  piu  timido 
Che  gli  Conigli,  i  Caprioli,  o  i  Lepori. 

Sein  Schwert  steckt  schon  zu  lange  müssig  in  der  Scheide, 
„quae  misere  gestit  stragem  facere  ex  hostibus"   (V.  8): 

Io  so  com'  ella  brama  e  par  che  smanie 
Di  tagliar  colli,  e  far  balzar  per  aria 
Busti,  piei,  gambe,  man,  caualli,  &  huomini, 

worauf  Manilio   bemerkt: 

Cosi  suole  amazzar  le  pulci  e  i  cimici. 

Wie  Artotrogus,  schmeichelt  ihm  Manilio  ins  Gesicht 
und  rühmt  seine  Heldenthaten  (V.  52): 

Quid  in  Cappadocia,  ubi  tu  quingentos  semul, 
Ni  hebes  machaera  foret,  uno  ictu  occideras? 

—     ■ —     non  e  menzogna  o  fauola, 
Quando  in  un  colpo  sol  priuaste  d'  aniino 
Trecento  Mameluchi:  e  se  disgratia 
Non  ui  faceua  alhor  la  spada  rompere 
Sarebbono  arriuati  a  piu  di  milia. 


')  Argelati.    in,  235. 

2)  Tiraboschi.    VII,  858.     Gasparo  Sardi,  Storie  di  Ferrara. 

3)  II  Capitano,  Comedia  di  M.  Lodovico  Dolce.  Di  nvouo  ri- 
coretta  e  ristampata.  (Iu  Vinegia  appresso  Gabriel  Giolito  de'  Ferrari 
1560.)    36  fol. 

■  ')  Dieser  Witz  stammt  aus  dem  Prologe  der  Menächmi  (F.  3). 
Adportö  uobis  Plautum,  lingua,  non  manu:     . 
Quaeso  ut  beuignis  accipiatis  auribus. 


Dolces  II  Capitano.  609 

Wie  Artotrogus,  rühmt  Manilio  Torquatos  Erfolge  bei 
den  Damen  (V.  54): 

Ma  che  ui  dirö  io  della  bellissima 
Vostra  persona: 

Tal  che  tutte  le  donue  che  ui  ueggono, 
Per  uille  e  per  cittä  ne  fanno  smanie. 

Er  selber  findet,  dass  Michel'  An  gel  o  und  andere  Maler 
ihn  vornehmlich  als  den  Hauptmann  im  Leiden  Christi  brauchen 
könnten. 

(2.)  Truffa,  der  plautinische  Palästrio,  der  Diener  Tor- 
quatos, spricht,  wie  dieser  bei  Plautus,  den  Prolog.  Der 
Capitano  ist  aus  Siena.  In  Genua  hatte  Truffa  einen  jungen 
Herrn  gehabt,  „gentile,  accostumato,  ricco  e  nobile,"  namens 
Fabio.  Dieser  war  in  ein  armes,  wunderhübsches  Mädchen, 
Fulvia,  verliebt,  die  ihn  wieder  liebte,  „che  Fabio  e  ella  eran 
duo  corpi  e  un'  anima. "  Unterdessen  musste  der  junge  Fabio 
in  Handelsgeschäften  nach  Venedig,  und  der  Capitano  kam 
nach  Genua.  Er  sah  Fulvia,  sie  gefiel  ihm,  und  ihre  Mutter, 
vom  Gelde  verlockt,  gab  ihm  das  Mädchen  gegen  seinen  Willen. 
Sie  lebt  nun  in  Rhagusi  in  seinem  Hause.  Sofort  eilte  Truffa 
nach  Venedig,  um  seinen  Herrn  von  dem  Vorgefallenen  in  Kennt- 
nis zu  setzen,  wurde  aber  von  maurischen  Korsaren  gefangen 
und  an  einen  Janitscharen  verkauft,  der  ihn  seinem  Freunde,  dem 
Capitano,  „questa  bestia  inutile,"  schenkte.  Sobald  er  Tor- 
quatos Haus  betrat,  erblickte  er  Fulvia.  Sie  thaten,  als  wür- 
den sie  einander  nicht  kennen.  Truffa  benachrichtigte  brieflich 
Fabio,  dieser  kam  sofort  hierher  und  stieg  bei  dem  alten  Freunde 
seines  Vaters,  Biagio,  dem  Nachbarn  Torquatos,  ab.  Da  ihn 
nur  eine  Wand  von  der  Geliebten  trennte,1)  so  fand  Fabio  Ge- 
legenheit, dieselbe  an  einer  Stelle  zu  durchbrechen,  und  kann  so 
nach  Belieben  mit  Fulvia  verkehren.  Dies  alles  stimmt  genau 
zu  Plautus  (7.  79  —  155). 

(3.)  Biagio  giebt  Befehl,  dass  von  des  Capitano  Leuten  keiner 
mehr  auf  dem  Dache  gelitten  werden  dürfe,  „di  cercar  scimie, " 
mit  Aiisnahme  Truffas.  Wie  im  Originale,  erzählt  nun  Biagio 
dem  Truffa,  dass  heute  ein  Diener,  der  des  Capitano  ent- 
kommenen Affen  einfing,  Fabio  mit  Fulvia  liebkosen  sah. 
Truffa  behilft   sich   nun,    wie   Palästrio: 


')  Ussing.  IV,  223.  Illud  quoque  commemorandum  est,  lepidam 
illam  fabulam  de  pariete  perfosso  duodecimo  fere  p.  Ch.  saeculo  in  La- 
tinam  versionem  fabularum  Arabicarum ,  cui  nomen  inscribitur  Septem 
magistrorum  sapientium  receptani  esse.  (Dunlop,  Hist.  of  rom.  litt. 
I.  200.) 

39 


610  XII.    Miles  gloriosus. 

io  gli  uo  dar  a  credere, 
Che  in  casa  nostra  uua  sorella  trouasi 
Di  Fuluia,  uata  a  uu  parto,  &  a  lei  simile 
Si  che  1'  una  da  1'  altra  non  discernesi. 

Das  Meiste   ist   fast  wörtlich    ans  Plantxis  übersetzt. 

II.  Akt.  Stramba  (=  Sceledms)  ist  es,  der  Fulvia 
mit  ihrem  Geliebten  gesehen  hat.  Indes  geht  der  Italiener 
etwas  weiter.  Sceledms  sah  sie  bloss  „malam  rem  quaerere" 
(F.  274"),  Stramba  aber  „sollazarsi  nel  letto  con  nn  giouane", 
und  das    „facinns  fecit  audax"    (V.  309)  ist  hier: 

il  quäl  faceale 
Quel  che  fa  1'  huom,  quando  la  rnoglie  ingrauida. 

Alles  Weitere,  Trnffa  nnd  Stramba  in  ihrem  Dialoge,  ist 
nur  ein  breiter  gewordener  Plantns;  ebenso  Fulvias  Vorwurf, 
den  sie  als  Schwester  Stramba  macht;  dann  wieder  ihr  Erschei- 
nen, „sopra  1'  uscio  del  vicino,"  als  Lisetta  aus  Genua,  wie 
Philo comasium  als  Glycere  auftritt:  nicht  minder  Strambas 
Zweifel  und  seine  Unterredung  mit  Biagio,  deren  Erfolg  ist, 
dass  Stramba  gesteht,  er  glaube  nun  an  Lisettas  Echtheit. 
Während  jedoch  der  schlaue  Sceledms  sich  nicht  fangen  lässt 
(V.  576:  „Dedit  hie  mihi  uerba"),  scheidet  Stramba  mit  den 
Worten: 

Istinaate  d'  hauer  cresciuto  il  numero 

De'  uostri  serui,  e  io  sia  di  tutti  il  minimo. 

III.  Akt.  Auch  dieser  Akt  ist  nur  eine  Erweiterung  des 
Plaut us.  Fabio  bedauert,  den  alten  Biagio  noch  in  solche 
Dinge  zu  verstricken  (F.  623);  dieser  aber  will  noch  mit  Fabio 
zu  den  Jungen  zählen.  Er  ist  heiter  mit  den  Heiteren  und  kann 
noch  lateinische  Episteln  schreiben, 

Che  si  degna  lodar  Paolo  Mauutio, 

II  quäle  in  questa  etade  e  un  Marco  Tullio. 

Sie  einigen  sich  über  ihren  Plan.  Es  folgt  ein  Gespräch 
Truffas  mit  Crivelletto,  der  genau  den  Lucrio  des  Originals 
spielt;  ferner  treten  Tullia  und  Lucia  dazu,  welche  die  Acro- 
teleutium  und  Milphidippa  des  Plantns  darstellen.  Aus  der 
einfachen  Schilderung  des  antiken  Pyrgopolinices  (V.  922)  ist 
hier  schon  die  breite  Beschreibung  des  bekannten  Capitano  ge- 
worden. 

Tr.     Quell'  huomacciou,  che  porta  di  continuo 

Vn  saio  di  broccato,  che  contendere 

Puote  d'  antichitä  cou  1'  hiprincipio; 

E  cappa  di  Dalniaseo  di  pur  nobile, 

Et  la  berretta  a  la  guisa  che  usano 

I  Ferraresi  co  puntali:  e  portaui 


Dolces  II  Capitano.  Q±\ 

Yn  pennacckio  che  arriua  iufino  a  gli  homeri: 
La  spada  serapre  a  fianchi  col  suo  fodero 
Di  ueluto,  e  dorate  ha  1'  eise  e  '1  manico. 
E  lungo  di  persona,  &  e  rnagrissinio. 
lu.     Non  gir  piu  oltre.     Egli  e  quell'  huom  ridicolo 
Che  fa  le  sberrettate  a  quarrte  femine 
Vede  per  strada  o  su  fiuestre:  e  menasi 
Dietro  la  coda  un  ragazzin  di  dodici 
0  tredici  anni:  il  quäl  gli  reca  il  bossolo 
Da  gli  odori,  e  lo  specchio,  e  reca  simile. 
Menta  la  Scopettina  &  auco  il  pettine, 
Come  ho  ueduto  far  dentro  di  Napoli. 

Ein  von  Dolce  eingeschalteter  Monolog  des  Parasiten 
schliesst  den  dritten  Akt.  Der  Capitano  hat  ihn  um  ein  ver- 
sprochenes Dejeuner  gebracht;  so  ändert  er  seine  Haltung  und 
wird  sein  Gegner : l) 

Poi  ch7  io  non  posso  auanzar  con  le  laudi: 
Vo  prouar  altra  uolta,  se  co'  i  biasimi 
Potro  seco  aquistarmi  alcuna  gratia. 

Ein  Jammerruf  über    die  Beschwerden  der  vita   parasitica 
mahnt  an  den  Parasiten  Ergasilus    in  den   Captivi  (F   75  ff.). 
IV.  Akt.      Auch  der   vierte  Akt  schliesst  sich  an  das  Ori- 
ginal  (F  947  ff.)    an.      Wie    Pyrgopolinices,    hat    Torquato 
die  Aushebungen  gut  durchgeführt: 

Quiuci  Mauilio 
Ho  mandato  al  grau  Turco  con  sei  milia 
Schiaui  ch'  io  presi  il  Giugno  in  Capadocia. 

Ferner    hat    ihn    der    Sofi   von   Persien    gebeten,    das    Oberkom- 
mando   zu  übernehmen: 

&  mi  promette  in  premio 
La  corona  d'  Armenia  &  di  Panfilia. 

Die  Intrigue  ist  wörtlich  nach  Plautus.  Lucia  tritt 
voll  des  Lobes  für  den  Capitano  auf;  den  „hominem  nimium 
lepidum  et  nimia  pulcritudine"    (F.  998)  nennt  sie: 

1'  altissimo 
Torquato,  capitan  senz'  alcun  simile 

und    bittet    namens    ihrer   Herrin    um    gnädige    Berücksichtigung. 
Die  treffliche  Anrede  (F.  1054): 

Age,  mi  Achilles,  hat  quod  te  oro,  serua  illam,  pulcer,  pulcre. 
Exprome  benignum  ex  te  ingenium.  urbicäpe,  occisor  regum! 

findet  sich  hier  noch  erweitert: 


')  Wie  Peniculus    in    den    Meuächmi.     Dies   wäre   die   zweite 
Reminiszenz  an  dieses  Stück.    Vgl.  oben  S.  608  A.  4. 

39* 


612  XII.    Miles  gloriosus. 

Non  ui  mostrate  auaro  di  tal  gratia, 
0  Capitano,  o  Dio  de  1'  arme,  o  imico 
Mastro  di  guerra,  che  amazzate  gli  huomini, 
E  Imperadori,  e  Papi,  e  Duclii,  e  Principi, 
E  prendete  cittä  piu  che  fortissime, 
Senza  tema  di  Picche,  o  d'  Ai'chibugij. 

Lauge  bleibt  er  unerbittlich. 

Wenn  Pyrgopolinices    (F.    1082)    mit   Juppiter   geboren 

ist,   so  rühmt  Torquato  sich: 

io  nacqui  e  uennimi 
AI  mondo  prima  di  quell'  antichissimo 
Noemme:  e  mi  trouai  ne  1'  arca  al  secolo 
Nel  quäl  Domenedio  mandö  il  Diluuio. 

Nun,   meint  Lucia,   von  der  Arche: 

Doueua  molto  pesar,  se  ritrouauasi 
Dentro  quella  persona! 

worauf  Torquato   erwidert: 

Per  miracolo 
Non  s'  affogö. 

Endlich  gestattet  er,  dass  das  Mädchen  komme.  Er  berät, 
wie  bei  Plautus,  auf  welche  Weise  er  Fulvia  loswerden  könnte 
und  versteht  sich  zu  den  gleichen  Massregeln.  —  Tullia  begrüsst 
Truffa  als  den   „architetto"    des  Ganzen  (F  1139).    — 

Torquato  berichtet  nach  dem  Original,  wie  schwer  sich 
Fulvia  entschliessen  konnte,  nach  Genua  zu  reisen;  aber  er  sprach 
auch  zu  ihr,  dass  Demosthenes  kein  so  schönes  Exordium  hätte 
finden  können.  Dem  Originale  gegenüber  ist  die  Szene  weiter 
ausgeführt.  —  Die  beiden  Mädchen  Lucia  und  Tullia  treten 
auf;  das  einfache:  „Era,  eccum  praesto  militem"  (F.  1216) 
ist  hier  zu  „vedete  il  pecoron,  padrona  Tullia"  geworden.  Fa- 
bio,  als  Schiffsmann,  sucht  den  Kapitän  „Tarlato";  Fulvia 
geht  mit  ihm,  und  der  Capitano  findet,  wie  Pyrgopolinices, 
(F.  1375): 

Io  non  conobbi  mai  si  fedelissimo 
Truffa,  com'  ho  fatt'  hora. 

Noch  begrüsst  der  Ragazzo  (nach  F.  1378)  den  „capitan 
diuino  e  strenuo",  den  Auserlesenen  des  Mars  und  der  Venus 
(F.    1384),    und   ruft  ihn  ins  Haus. 

V.  Akt.  Biagio  und  der  Koch  Fusco  schleifen  den  Capi- 
tano Torquato  herbei.  Mit  dem  Originale  (F.  1394  ff.)  befiehlt 
Biagio:  „Castralo!"  Torquato  macht  ein  langes  Testament. 
Er  hat  die  Wahl,  zu  sterben  oder  entmannt  zu  werden.  In  der 
letzten  Szene  klärt  Stramba  den  Capitano  auf,   viel  weitläufiger 


Ein  lateinisches  Gedicht  Traso.  613 

als  bei  Plantus,   dass  Fabio,   der  Scbiffsmaim  und  Fulvia  seine 

Geliebte  war. 

Ah  ingrate  femine, 
Voi  siete  tutte  pur  niacchiate,  o  perfide, 
D'  una  pece  &  inchiostro  insino  a  1'  anima! 

ruft  Torquato   aus. 

Seine  Rede  an  die  Zuhörer  endet  das  Stück,  das,  wenige 
Erweiterungen,  Lokalisierungen  und  Modernisierungen  abgerechnet, 
ganz  Plautus  ist,  wenn  auch  in  vielen  Dingen  freier 
und  lasziver. 

Aus  dem  Jahre  1742  stammt  die  metrische  Übersetzung 
des  Angelo  Carmeli:  „P.  Lacermi  Academici  Patavini  in  Mili- 
tem  gloriosum  Plauti  commentarms  &  ejusdem  fabulae  inter- 
pretatio  italicis  versibus  coneinnata."  (Venetiis  apud  Jo.  Bapt.  Ke- 
curti1);  eine  andere,  „H  capitan  bravo.  Commedia  di  Phuito,  tra- 
dotta  in  versi  sdruccioli"  dal  Sig.  Auditor  generale  D.  Orazio 
Bianchi,  führt  gleichfalls  Argelati2)  an. 


Im  Jahre  1868  hat  Herman  Hagen  „eine  antike  Komödie 
in  distichischer  Nachbildung"  veröffentlicht,  ein  Gedicht  von  drei- 
hundert fünf  und  zwanzig  Versen. 3)  Schon  der  in  dem  Gedichte 
handelnde  Traso  weist  auf  den  Miles  hin.  H.  Hagen  ist  der 
Ansicht,  „dass  dem  Verfasser  des  Gedichtes  noch  unmittelbar  eine 
Komödie  vorlag  (wohl  von  Plautus)",  und  dass  man  hinsichtlich 
der  Entstehungszeit  des  Gedichtes  „kaum  über  die  letzten  Zeiten 
der  lateinischen  Litteratur  (viertes  bis  sechstes  Jahrhundert)  zu- 
rückgeh en  "    dürfe . 4) 

In  einem  Zusätze  sieht  Lucian  Müller5)  das  Gedicht  anders 
an  und  hat  wohl  auch  die  richtige  Anschauung.  Er  setzt  das 
Gedicht  zwischen  das  Jahr  1000  und  1200,  „Aveil  alle  übrigen 
in  distichischen  Malsen  abgefassten  Komödien  des  Vitalis  und 
Gulielmus  Blesensis,  des  Matthaeus  Vindocinensis  u.  a.  m. 
dieser  oder  der  nächstfolgenden  Epoche  anzuweisen  sein  dürften; 
[dem  Autor  des  Babio  war  der  Amphitruo  ersichtlich  bekannt 
und  schreibt  er  es  einem  Franzosen  zu,  wie  auch  der  Codex  von 
Frankreich  stammt.]      L.  Müller  ist  aber  auch  der  Meinung,   dass 


')  Argelati.    III.  235. 

2)  Ibid. 

3)  S.  S.  711 — 729  des  sieben  und  neunzigsten  Bandes  der  „Jahr- 
bücher für  klassische  Philologie",  herausgegeben  von  Alfred 
Fleckeisen.    (Leipzig  1868.) 

4)  Ebenda,  S.  728. 

s)  Ebenda,  S.  729—735. 


614  XII.    Miles  gloriosus. 

Plautus  nicht  Grundlage  des  Gedichtes  war.1)  »Auf  den  Man- 
gel eines  antiken  Originales  weist  auch  der  Umstand,  dass  die 
Namen  der  Personen  sämtlich  dem  Terenz  entlehnt  sind  (denn 
Philomena  hat  nichts  mit  des  Plautus  Philocomasinm  zu 
schaffen,  sondern  ist  die  Philumena  der  Hecyra),  ausser  der 
Kupplerin  Baucis,  deren  Name  mit  dem  der  bekanntesten  Dame 
eines  im  Mittelalter  gleichfalls  zerlesenen  Schulbuches,  der  Ovi- 
dischen  Metamorphosen,   identifiziert  ist. "  2) 

Die  Personen  sind  Baucis,  Glicerium,  Traso,  Davus, 
Birria. 

Baucis,  die  Kupplerin,  schmückt  Glicerium  auf  alle  Weise. 
Sie  preist  vor  allem  (F.  16),  „primos  concubitus  uirgineumque 
decus",  freilich  „tot  spondet  primos  quot  sibi  dona  ferunt"  (V.  18). 
Glicerium  ändert  ihren  Namen,  diesmal  in  Philumena.  Baucis 
hat   es  nun  auf  den  Miles  Traso  abgesehen: 

Traso,  cui  gloria  potus, 
Cui  uenter  deus  est,  cui  Venus  apta  comes, 

(V.  29)  —  ein  echter  Falstaff!  Er  zahlt  auch,  nach  Glicerium 
lüstern;  Baucis  aber  entkommt  ihm  und  lässt  ihn  unbefriedigt 
stehen.     Heftig  schimpfend: 

0  meretrix!  monstri  facies  et  imago  Chimaerae! 

(7.  93)  zieht  er  ab. 

Davus,  Trasos  Sklave,  vermittelt  mit  Baucis,  und  nach 
heftigem  Streite,  bei  dem  es  zu  Thatsächlichkeiten  kömmt,  ge- 
stattet Baucis  endlich, 

ut  ueuiat  ad  se  Traso  nocte  sequenti. 

(V.  183.)  —  Li  der  folgenden  Nacht  macht  sich  Traso  mit 
Davus  zu  seinem  Liebesgange  auf.    Davus  geht  voran  ("F.  209): 

Ne  te  perturbet  leuonum  turba  uidebo. 
Praecedam  solus,  euacuabo  domum. 


')  Dieselbe  Meinung  vertritt  Lucian  Müller  von  den  hier  bereits 
behandelten  Stücken:  Aulularia  (S.  124)  und  Amphitruo  (S.  210). 
(S.  733.)  „Die  Aulularia  des  Vitalis  Blesensis  ist  nicht  aus  dem 
gleichnamigen  Drama  jenes  Dichters,  sondern  aus  dem  Querulus  ge- 
zogen; ebenso  ist  der  Amphitruo  so  ganz  verändert,  bezüglich  moder- 
nisiert, dass  ich  an  eine  Benützung  des  plautinischen  Originales  für  diese 
unzähligemal  von  antiken,  mittelalterlichen  und  modernen  Skribenten 
behandelte  Erzählung  nicht  glauben  kann.  Dagegen  spricht  auch  der 
Umstand,  dass  die  Sklavennamen  Geta  und  Birria  dem  Terenz  ent- 
lehnt sind." 

2)  Ebenda,  S.  734. 


Ein  lateinisches  Gedicht  Traso.  615 

Dies  alles  hat  Birria,    „seruorum   faex   pessima  uirque   ma- 

lignus"  (7  215),  belauscht.  Er,  ein  „uetus  hostis"  (7  218)  des 
Davus,  will  nun  dem  Traso  einen  Streich  spielen.  Erst  will  er 
ihn  mit  Steinen  werfen;  aber  er  findet  die  passenden  nicht: 

„Hie  nimium  leuis  est;  hie  grauis  immodice. 
Quo  feriam  subito?  si  senserit  hunc,  niorietur: 
Illo  si  i'eriam,  non  nociturus  erit." 

(7  232.)   —  Endlich  findet  er  eine  perfide  Rache: 
„Permingatur  enim:  sufficit  iste  pudor." 

(7  240.)  —  Traso,  der  sich  bis  zur  Rückkehr  des  ausgesandten 
Davus  in  einen  Graben  gelegt  hatte,   fühlt  die  Nässe: 

Extulit  os  antro,  si  pluat  experiens. 
Riuus  aquae  saliens  os  implet  suspicientis. 
Expuit  hoc  .  .  . 

(7    242.)   —   Davus  kömmt  zurück: 

Extractum  uidet  inguen  adhuc  Dauus  remeando. 

(V.  251.)   —    Sofort  ruft  er  Traso   zu  (7  254): 

Xuinquam  per  caeli  numina  miles  eras. 
Phi!  perminxit  te  .  .  . 

Er  eilt  Birria  nach  und  prügelt  ihn  aus  Leibeskräften. 

Nun  tritt  man   bei   Glicerium   ein.     Da   sie   nicht   sogleich 
auf  die  Wünsche  des  Traso   eingehen  will,    verliert  er  den  Mut: 

Traso  spe  uaeuus  aninio  simul  euacuatur. 
Dissimulans  hominem:  mortis  imago  sedet. 

(7  279.)  —  Endlich  erhält  er  bestimmte  Hoffnung  für  den  näch- 
sten Tag. 

Baucis  laeta  datis  statuit  sibi  tempus  et  horam, 

Ventura  nocte  uirginitate  frui. 

(7  304.)    —    Es  gelingt  ihr  auch: 

His  ibi  confectis  facit  ex  meretrice  puellam. 

(7  321.)  —  So  wird  die  folgende  Nacht  für  den,  wenn  auch  hin- 
sichtlich Gliceriums  um  die  „dos  uirginitatis"  getäuschten  Traso 
doch   eine  freudige,   und  das   Gedicht  schliefst: 

Noxque  sequens  aderat.    Eu  Traso  laelus  adest. 

Secum  promissa  gerit  hie  et  daus  ea  Bauci 
Glicerio  fruitur  atque  potitus  abit. 


616  XII.    Miles  gloriosus. 

Dass  das  Gedicht  mit  dem  Miles  gloriosus  des  Plau- 
tus  nichts  zu  thun  hat,  zeigt  die  flüchtige  Inhaltsan- 
gabe. Der  terentianische  Thraso  gab  den  Namen,  seine 
Lüsternheit,   ein  Motiv. 

Ebenso  verhält  es  sich  mit  dem  Miles  gloriosus  des  Mat- 
thaeus  Vindocinensis  trotz  des  gewählten  Titels. 

Von  dem  Franzosen  Matthieu  de  Vendome  stammt  die 
lateinische  Bearbeitung  der  „Comoedia  de  Glorioso  milite"1) 
vom  Ende  des  zwölften  oder  Anfang  des  dreizehnten  Jahr- 
hunderts. Die  Szene  ist  nach  Rom  verlegt;  der  Miles  hat  nichts 
von  dem  antiken  Pyrgopoliniees;2)  zunächst  hat  er  mit  Wei- 
bern nichts  zu  schaffen. 

Über  diese  Dichtung  urteilt  die  „Histoire  litteraire"  :3) 
..Mamtenant  que  l'on  sait,  quel  est  le  plan  de  ce  Miles  glori- 
osus, y  cherchera-t-on  la  piece  de  Piaute?  On  ne  l'y  trouverait 
pas;  il  n'en  reste  que  le  titre.  Jamais  titre  ne  fut  plus  trom- 
peur.  Ce  n'est  point  lä  une  comedie  ancienne;  c'est  im  fabliau. 
La  suite  de  l'Avare  et  le  nouvel  Amphitryon,  reduits,  [comme 
nous  l'avons  vu  en  parlant  de  Vital  de  Blois],  aux  proportions 
etroites  d'un  recit  dialogue  qui  continuait  de  s'appeler  ,comcedia' 
ne  fönt  point  perdre  tont  a  fait  de  vue  la  piece  originale.  Mais 
ici  presque  tout  a  disparu.  Le  Militaire  de  Piaute,  l'emule  de 
Mars,  le  petit-fils  de  Venus,  ne  cesse  d'etre  meprise  et  bafoue, 
surtout  des  femmes.  Le  chevalier  quoiqu'il  se  fasse  payer  ä  beaux 
deniers  comptants  et  qu'il  se  cache  un  peu  trop,  est  toujours 
adore.  Philocomasie,  que  le  fanfaron  emmene  de  force  et  qui  se 
trouve  etre  une  citoyenne  d'Athenes  montre  une  reserve  et  une 
pudeur  qui  ne  promettaient  pas  ses  perilleuses  aventures:  la  dame 
qui  ne  lui  ressemble  que  par  le  nom  de  Civis  que  lui  donne  le 
versificateur,  s'abbaisse  par  sa  conduite  au  dernier  rang  des  es- 
claves  et  des  courtisanes.  On  voit  qu'il  n'y  a  point  dans  tout  cela 
de  progres  moral  et  que  la  comparaison  suggeree  par  le  titre  est 
peu  favorable  ä  l'auteur  chretien.  Mais  son  attention  ä  conserver 
ce  titre,  quand  il  a  refait  l'ouvrage  peut-e.tre  meme  saus  con- 
naitre   1' original,    prouve   mieux    que    ne    ferait    une   imitation 


')  Endlicher,  Catalogus  u.  s.  w.,  S.  146  u.  163.  Als  N,o.  303  u.  312 
der  Manuskriijte  der  Wiener  Bibliothek.  Im  Jahre  1849  hat  Edelestand 
du  Meril  im  „Appendice"  (S.  285 — 297)  zu  seinen  „Origines  latines 
du  theätre  moderne,  publiees  et  annotees"  (Paris),  in  8°,  den  Text 
zum  erstenmale  veröffentlicht. 

2)  Jahrbücher  für  klassische  Philologie,  herausgegeben  von 
A.  Fleckeisen.  97.  Bd.,  S.  733:  „Der  Miles  gloriosus  des  Matthaeus 
Vindocinensis  hat  mit  dem  Plautus  nichts  zu  schaffen  ausser  dem 
Titel,  und  selbst  dieser  kann  sehr  wohl  aus  des  Terenz  Prolog  zum 
Eunuchus  ( V.  31)  genommen  sein." 

3)  Band  XXJJ,  S.  61.     (Vgl.  auch  XV,  420.) 


Baifs  Le  Brave.  617 

plus  fidele  combien  les  moindres  debris  et  jusqu'aux  vagues  Souve- 
nirs de  l'antiquite  grecque  et  latine  etaieut   encore  respectes. " 

Der  Übersetzung  und  Nachahmung'  des  Miles  durch  Bai'f1) 
ist  bereits  (S.   65)  Erwähnung  geschehen. 

Bai'f s  Stück,  „Le  Brave,"  das  am  28.  Januar  1567  im 
Hotel  de  Guise  in  Paris  zum  erstenmale  aufgeführt  wurde,2)  ist 
ziemlich  frei  nach  dem  Original  gearbeitet.3)  Es  ist  vorerst 
der  Versuch  einer  Lokalisierung  gemacht.  Pyrgopolinices  ist 
der  Capitaine  Taillebras,  sein  Parasit  Artotrogus  heisst 
Gallepain,  ecornifleur.  Der  heitere  Greis  Periplecomenus 
hat  den  hezeichnenden  Namen  Bontams,  Palästrio  ist  der 
valet  Einet,  Sceledrus  der  valet  Humevent,  Lucrio  der 
laquais  Raton,  der  Koch  Curio  der  cuisinier  Sabat,  Pleusi- 
cles  ist  zu  Constant,  Philocomasium  zur  Emee,  Acrote- 
leutium  zur  Fleurie,  Milphidippa  zur  chambriere  Paquette 
geworden.  Auch  der  puer  des  Periplecomenus  hat  einen  Na- 
men erhalten  als    laquais  Sannom. 

In  ähnlicher  Weise  ist  Bai'f  mit  der  Örtlichkeit  verfahren. 
Athen  ist  Nantes,  Ephesus  Orleans  geworden;  die  Eeise 
nach  Naiipaktus,  welche  hei  Plautus  unternommen  Avird,  er- 
streckt sich  hier  nach  Fontai neble  au  zu  dem  Könige  von 
Frankreich. 

Baifs  Bearbeitung  ist  selbst  da,  wo  sich  der  Dichter  enger 
an  das  Original  anschliesst,  entsetzlich  breit  geworden.  Einen 
Beweis  mag  die  erste  Szene  geben. 

Taillebras.    Goujats  fourbissez  ma  rondelle 
Qu'on  me  face  qu'elle  etincelle, 
Eclatant  plus  grande  clarte 
Que  n'est  au  plus  beau  jour  d'Este 
La  clarte  du  soleil,  je  dy 
Lorsque  tout  brule  en  plein  midy: 
Afinque  s'il  faut  que  l'on  aille 
Donuer  l'assaut  ou  la  bataille, 
Venant  aux  maius,  eile  ebarlüe 
L'ennemy  frappe  dans  la  vue. 
0  toy  rapiere  que  je  porte 
II  faut  que  je  te  reconforte: 
Ne  te  piain,  ne  te  desespere 
D'estre  si  long  temps  saus  rien  faire : 
Si  d'arracher  tu  as  envie 
A  plus  d'un  ennemy  la  vie, 
Fracassant  bras,  i'ambes  et  teste, 
Force  carnage  je  t'appreste, 
Ou  ne  faudra  fraper  en  vaiu. 
Mais  oü  est  icy  Gallepain  V 


»)  Vgl.  Chasles,  S.  75  ff. 

2)  Vgl.  dagegen  Eiccoboni,  Reflexions  etc.,  S.  112.  113. 

3)  Vgl.  die  Werke  Jean  Antoine   de   Baifs   von  Dr.  Heinrich 
Nagel,  S.  53—124  im  61.  Band  von  Herrigs  Archiv.     1879. 


glg  XII.    Miles  glöriosus. 

Gallepain.    Le  voicy  prea  d'un  personage 
Grlorieux  et  de  fier  courage, 
Hazardeux  en  toute  entreprise. 

Que  la  fortune  favorise, 
Honime  eu  tout  digne  d'estre  Roy, 
Si  brave  guerrier  que  (je  croy); 
Mars  mesme  le  Dieu  des  combas 
Avecque  vous  n'oseroit  pas 
S'aparager,  non  sans  raison 
N'y  ayant  point  comparaison 
De  sa  prouesse  ä  vos  i'aidarnies, 
Tant  vous  estes  adroit  aux  armes. 
laillebras.     Mais  aux  approches  d'Edintou 
Qui  fit  la  belle  faction 
A  la  saillie  ou  commandoit 
Ce  brave  Millor,  qui  estoit 
Pareut  du  duc  Notomberlaud. 

Diese  sieben  und  dreissig   Achtsilber   sind   aus    fünfzehn   Se- 
naren  des  Plautus  geworden. 

Die  kurze  Abbitte  des  Sceledrus   (F.  540): 

Scel.    Periplecomene,  te  opsecro 

Per  deos  atque  liomines  perque  stultitiam  meam 

Perque  tua  genua  .  .  . 
Peri.  Quid  [iamj  ? 

Scel.  Meae  [ut]  iuscitiae 

Et  meae  stultitiae  iguoscas;  nunc  demum  scio 

Me  fuisse  excordem,  caecum,  incogitabilem : 

Nam  Philocomasium  eccam  intus 

lautet  bei  Ba'if: 

Humevent.    Je  vous  supply,  seigneur  Bontams, 

Au  nom  de  Jesus  et  sa  Mere, 

Du  sainct  Esprit,  de  Dieu  le  Pere, 

Et  des  Anges  et  des  Arcanges, 

Des  saincts  conus  et  des  estranges, 

Toute  la  Court  celestielle, 

Qu'a  mon  aide  envers  vous  j'appelle 

Je  vous  requier  et  vous  coujure, 

Je  vous  supplie  et  vous  ajure. 

Par  vostre  douce  courtoisie 

Par  mon  iudiscrete  folie. 
Bontams.       Qui  a-t-il? 
Humevent.  Qu'ä  ma  sotise, 

A  ma  fadeze,  ä  ma  bestise, 

II  vous  plaise  de  faire  grace. 

J'ai  bien  connu  ma  folle  audace 

Tont  maintenant,  et  je  confesse 

A  la  parfin  ma  grand'  simplesse. 

Je  n'avoy  sens,  yeux,  ny  raison: 

Car  Emee  est  dans  la  maison. 

An  den   Sebluss  hat  Bai'f  einen  Epilog  selbst  gedichtet,   den 
Raton   (Lucrio)  spricht,   und   den   er  mit  diesen  "Worten  motiviert: 


P.  Corneilles  Illusion  Comique.  619 

Messieurs,  ce  u'est  point  moquerie. 

Un  mot  de  Paton  je  vous  prie: 

Finet  a  joue  le  Prologue, 

Paton  va  jouer  l'Epilogue. 

II  vous  a  faict  le  Ions  discours, 

Je  vous  feray  les  miens  plus  cours: 

Eaton  plus  petit  que  Finet 

Ne  vous  tieudra  qu'uu  tandinet. 

S^avons  qui  nra  faict  l'entreprendre  ? 

C'est  pour  eux  qui  voudroyent  reprendre 

La  fin  de  nostre  Comedie, 

D'avoir  une  froide  sortie, 

D'autaut  qu'ils  ont  veu  Taillebras 

Croizer  tragiquement  les  bras. 

Mais  outre  le  droict  apparant 

Nous  avons  un  tres-bon  garant. 

Qui  s'est  garenty  de  l'outrage 

De  deux  mille  ans  et  davantage 

Nul  entre  les  bons  ne  se  trouve 

Tant  outrecuide,  qu'il  reprouve 

L'euvre  si  long  tams  aprouve, 

S'il  n'a  le  sens  bien  reprouve. 

Nagel1)  urteilt  über  Bai'fs  Lustspiel:  „Trotz  aller  dieser 
Freiheiten  müssen  wir  gestehen,  dass  der  Charakter  des  plauti- 
nischen  Stückes  ziemlich  treu  gewahrt  ist,  wenn  auch  die  Schil- 
derung einzelner  Persönlichkeiten  und  wirkungsvoller  Ereignisse 
an  Bestimmtheit  etwas  eingebüsst  hat." 

Am  bekanntesten  unter  den  Franzosen  ist  der  Miles  des 
grossen  Pierre  Corneille  (geb.  1606;  gest.  1.  Sept.  1684)  in 
seinem  Lustspiele  „L'illusion  comique"2)  aus  dem  Jahre 
16363)  geworden.  Die  Figur  des  Kapitän  Matamore  allein4) 
hielt  das  schwache  Stück, ä)  obwohl  er  dort  nur  ziemlich  episo- 
disch auftritt. 

In  der  zweiten  Szene  des  zweiten  Aktes  erscheint  Mata- 
more, „capitan  gascon,"  zum  erstenmal.  Seine  Bravaden  sind 
stark   aufgetragen. 


*)  A.  a.  0.,  S.  117. 

2)  Auf  Seite  194 — 219  der  „Oeuvres  completes  de  P.  Corneille, 
suivies  des  ceuvres  choisies  de  Th.  Corneille.  I.  Tome."  Paris  (Firmin 
Didot)  1837. 

3)  Noch  aufgeführt  am  6.  Juni  1861  im  Theätre  frangais. 
(H.  Lucas,  Hist.  in,  382.) 

4)  A.  a.  0.  (S.  494):  Le  personnage  de  Matamore  fit  cependant  le 
succes  de  1'Illusion  comique  et  la  conserva  ineme  assez  longtemps  au 
theätre. 

5)  A.  a.  0.  (S.  3):  L'illusion  comique  est  une  piece  irrcguliere  et 
bizarre   et   qui   n'excuse   point   par  ses   agrements   sa   bizarrene   et  son 

irregularite".     II  y   domine   un  pers Lage    de   capitan   qui   abbat   d'un 

souffle  le  grand  sopbi  de  Perse  et  le  grand  Mogol  et  qui  une  fois  dans  sa 
vie  avait  empeche  le  soleil  de  se  lever  ä  son  heure  prescrite  parce  qu'on 
ne  trouvait  point  l'Aurore,  qui  etait  couchee  avec  ce  merveilleux  brave. 


620  XII.    Miles  gloriosus. 

II  est  vrai  que  je  reve  et  ue  saurais  resoudre 

Lequel  je  clois  des  deux  le  premier  mettre  eu  poudre, 

Du  grand  sophi  de  Perse  ou  bieu  du  grand  ruogor. 

Clindor.    Eh  de  gräce,  monsieur,  laissez  les  vivre  encor. 
Qu'ajouterait  leur  perte  ä  votre  renommfe? 
D'ailleurs,  quand  auriez-vous  rassemble  votre  armee. 

Matatn.     Mon  armee?  Ah  poltron!  ah  traitre!  pour  leur  mort 
Tu  crois  donc  que  ce  bras  ne  soit  pas  assez  fort? 
Le  seul  bruit  de  mon  nom  reuverse  les  murailles, 
Defait  les  escadrons  et  gagne  les  batailles. 
Mou  courage  iuvaincu  contre  les  empereurs 
N'arme  qu'ä  la  moitie  de  ses  moindres  fureurs. 
D'un  seul  commandement  que  je  fais  aux  trois  Parques 
Je  depeuple  l'Etat  des  plus  heureux  monarques. 
La  foudre  est  mon  canon,  les  Destins  nies  soldats: 
Je  couche  d'un  revers  mille  ennemis  ä  bas. 
D'un  souffle  je  reduis  leurs  projets  en  fumee: 
Et  tu  m'oses  parier  cependant  d'une  armee! 
Tu  n'auras  plus  l'honneur  de  voir  un  second  Mars; 
Je  vais  t'assassiner  d'un  seul  de  mes  regards, 
Veillaque  .  .  . 

Die  Liebe  allein  vermag'  ihn  zu  bezähmen: 

toutefois  je  songe  ä  ma  maitresse ; 
Ce  penser  m'adoucit. 

In  ihm  wohnt  die  Kraft   der  Bezauberung: 

Quand  je  veux,  j'epouvante,  et  quand  je  veux,  je  charme. 
Et  selon  qu'il  nie  plait,  je  remplis  tour  ä  tour 
Les  hommes  de  terreur  et  les  femmes  d'amour. 

Seine   Schönheit   erwarb  ihm  die  Herzen  aller  Weiber: 

Du  teinps  que  ma  beaute  m'etait  inseparable 
Leurs  persecutions  me  rendaient  miserable. 
Je  ne  pouvais  sortir  sans  les  faire  pämer; 
Mille  mouraient  par  jour  ä  force  de  m'aimer. 
J'avais  des  rendez-vous  de  toutes  les  princesses: 
Les  reines  ä  l'envi  mendiaient  mes  caresses. 

Selbst  die  Göttinnen  konnten  ihm  nicht  -widerstehen : 

Le  Soleil  fut  un  jour  sans  se  pouvoir  lever 

Et  ce  visible  dieu  que  taut  de  monde  adore, 

Pour  marcher  devant  lui  ne  trouvait  point  d'Aurore. 

Man  suchte  sie  allenthalben;  bis  Mittag  blieb   es  Nacht: 

Au  milieu  de  ma  chambre  ä  m'offrir  ses  beautes: 
Elle  y  perdit  son  temps,  eile  y  perdit  ses  larmes; 
Mon  cceur  fut  insensible  ä  ses  plus  puissants  charmes; 
Et  tout  ce  qu'elle  obtint  par  son  frivole  amour 
Fut  un  ordre  precis  d'aller  rendre  le  jour. 


P.  Corneilles  Illusion  Coniique.  621 

Er  kann  von  sich  selber   rühmen: 

„Tu  vois  im  abrege  de  toutes  les  vertus." 

Sobald  er  jedoch  seinen  Nebenbuhler  um  Isabelles  Liebe, 
Ad  raste,  erblickt,  zieht  er  sich  zurück,  obwohl  Clindor 
ihn  reizt. 

Je  ne  saurais  me  faire  effroyable  ä  demi, 
Je  türais  ma  maitresse  avec  mon  ennemi 

ist  seine  wohl  erwogene  Entschuldigung.     Nicht  minder  prahlerisch 
begegnet  er  seiner  Geliebten: 

Choississez  en  quels  lieux  il  vous  plait  de  regner. 
Ce  bras  tout  aussitot  vous  couquete  im  empire : 
J'en  jure  par  lui-meme ;  et  cela  est  tout  dire. 

Während  er  im  zweiten  Akte  eine  Botschaft  von  der  Kö- 
nigin von  Island  erhielt,  ruft  ihn  im  dritten  Akte  (3.  Sz.)  der 
Grossvezier,  ferner  die  Tartaren,  Narsingue  und  Calicut.  Ge- 
rollte hält  ihm  vor,  dass  er  mitten  im  Kriege  zu  Hause  sitze 
(III,  3),  Matamore  beruft  sich  auf  die  Liebe,  die  er  für 
Gerontes  Tochter  hege.  Dabei  hört  er  einige  zweifelhafte 
Worte,   wie: 

Bien  que  je  ne  sois  de  ceux  qui  vous  haissent, 

J'ai  le  sang  im  peu  cliaud,  et  mes  gens  m'obeissent. 

Diese  letztere  Drohung  wirkt  auf  den  Helden;  er  versteckt 
sich,   da  er  (III,    7)  Leute  herannahen  hört: 

—    —    Tout  le  corps  nie  frisonne. 
Je  les  entends.    Fuyons!  Le  vent  faisait  ce  bruit, 
Marckons  sous  la  faveur  des  ombres  de  la  nuit. 


Ces  diables  de  valets  me  mettent  bien  en  peine. 
De  deux  mille  ans  et  plus,  je  ne  tremblai  si  fort, 
C'est  trop  me  hasarder:  s'ils  sortent,  je  suis  mort. 
Car  j'aime  mieux  mourir  que  leur  donner  bataille, 
Et  profaner  mon  bras  contre  cette  Canaille. 

Aus  seinem  Verstecke  hört  Matamore,  wie  Clindor  seiner 
Isa belle  Liebesanträge  macht  und  lässt  ihm  nun  die  Wahl  der 
Todesart.  Clindor  jedoch  macht  sich  über  ihn  lustig  und 
sagt,  er  habe  diese  Nacht  selbst  schon  zehn  Menschen  ums  Leben 
gebracht, 

Et  si  vous  me  fächez,  vous  en  croitrez  le  nombre. 

Dies   imponiert   ihm   gewaltig. 

Cadedion!  ce  coquiu  a  marche  dans  mon  ombre; 
II  s'est  fait  tout  vaillant  d'avoir  suivi  mes  pas. 


622  XII.    Miles  gloriosus. 

Es  wäre  schade,  die  Welt  um  einen  so  tapfern  Mann  zu 
bringen;  deshalb  verzeiht  er  ihm.  Clindor  indessen  will  ritter- 
lich sein. 

Faisons  deux  coups  d'epee  au  nom  de  sa  beaute! 

schlägt  er  vor.  Dies  genügt,  um  Matamore  zum  Rückzuge  zu 
veranlassen.  Er  tritt  ihm  die  Geliebte  ab  „pour  prix  de  tes 
Services". 

Noch  einmal  tritt  der  Kapitän  in  der  vierten  Szene  des 
vierten  Aktes  auf.  Er  hat  Lärm  gebort  und  ist  herbeigeeilt, 
um  Isabelle  zu  schützen.  Diese  braucht  jedoch  nur  zu  rufen: 
,.Lyse,  fais-moi  sortir  les  valets  de  mon  pere!",  um  den  Kapi- 
tän wegzubringen,  der  mit  den  Worten  abtritt:  „Un  sot  les 
attendrait ! " 

Damit  scheidet  er  aus  der  Komödie  überhaupt,  iu  deren 
seltsamen  Bau  er  allerdings  einiges  Leben  gebracht  hat,  sodass 
Corneille  sagen  konnte:1)  „C'est  un  capitan  qui  soutient  assez 
son  caractere  de  fanfaron  j)our  nie  permettre  de  croire  qü'on  en 
trouvera  peu  dans  quelque  langue  que  ce  soit  qui  s'en  acquittent 
mieux. "  2) 

Dies  mag  sich  so  verhalten.  Immerhin  aber  sind  seine  Ro- 
domontaden  in  das  Stück  selbst  zu  wenig  verwoben;  man  ist  zu 
wenig  davon  überzeugt,  dass  Matamore  selbst  diese  Meinung 
von  sich  habe.  Er  lässt  kalt,  spricht  zu  lange  und  wird  darum 
langweilig,  was  weder  Pyrgopolinices  nocb  Thraso  und  ihre 
Epigonen  je  werden. 

Eine  französische  Übersetzung  des  Miles  gloriosus  erschien 
1639   zu  Paris  bei  A.  Courbe:    „Le  capitan   ou  le  milles." 

Ein  Lustspiel:  „Le  Capitan  Fanfaron"  von  Mareschal 
führt  Chappuzeau  als  Repertoirestück  an.3)  Es  erschien  im 
Drucke  im  Jahre  1640  und  bezeichnet  sich  ausdrücklich  als  dem 
Plautus  nachgeahmt,4)  sowie  es  auch  das  vom  15.  Februar 
1639  datierte  Privileg  des  Königs:  „Le  veritable  Capitan 
Matamore  fanfaron  ou  Le  Miles  Gloriosus  de  Piaute," 
heisst. 

Antoine  Mareschal  nennt  dem  „avertissement"  zufolge 
seinen  Kapitän  Matamore  den  echten  (veritable),   weil  ein  Jahr 


')  Examen  de  l'Illusion  (a.  a.  0.). 

2)  Man  beachte   die  interessante  Beurteilung  dieses  Capitano  bei 
Lotheissen.    II,  174  ff. 

3)  Le  theätre  francois  .  .  .  par  Georges  Monval.  (Paris  1875.)  S.  81. 
J)  Le  Veritable  |  Capitan  |  Matamore,  |  ov  |  Le  Fanfaron.  |  Comedie  | 

Representee  svr  le  |  Theatre  Royal  du  Maraiz.  |  Imitee  de  Piaute  par 
A.  Mareschal.  |  A  Paris,  |  Chez  Tovssainct  Qvinet ,    au  Palais .   daus  la 
petite  Salle,  sous  la  rnontee  de  la  Cour  des  Aydes.  |  M.  DC.  XL.  |  Avec 
privilege  dv-Roy.     (147  S.) 


Mareschals  Capitan.  623 

zuvor  ein  anonymer  erschien,  von  welchem  Mare schal  ver- 
mutet, er  hahe  die  Berühmtheit  und  den  Erfolg  seines  Stückes 
auf  der  Bühne1)  dem  semigen  zu  gute  kommen  lassen  wollen. 

Über  sein  Verhältnis  zu  Plautus  und  dem  anderen  Bearbeiter 
sagt  der  Dichter:  ,,1'  auoue  cjue  ie  tiens  de  Piaute  ce  suiet,  mais 
que  ie  Tay  traitte  diuersement  &  k  ma  mode;  que  l'autre  Autheur 
&  moy  auons  puise  tous  deux  dans  vne  mesme  source,  mais  que 
nous  en  auons  fait  des  ruisseaux  bien  differents.  Ie  te  laisse 
iuger  auec  quelle  liberte  lesquelles  de  ces  eaux  sont  les  meilleures 
a  ton  goüt,  si  le  Theatre  ancien  de  Piaute  sec  &  decharne  comme 
l'autre  Autheur  l'a  laisse,  vaut  mieux  que  l'embonpoint  du  nötre 
&  s'il  n'est  pas  plus  difneile  &  agreable  aussi  de  donner  la  ieunesse 
et  les  trais  de  la  mode  ä  vn  visage  de  18  cents  ans,  que  de  le 
peindre  auec  ses  rides  &  ses  cheueux  gris.  Nous  auons  tous 
deux  suiuy  Piaute,  mais  l'vn  seruilement  &  par  des  chaines  qui 
montrent  encore  la  rouille  du  vieux  teps:  l'autre  auecque  la 
liberte  de  notre  siecle  &  si  ie  ne  parlois  pas  de  moy  mesme,  ie 
dirois  peut-estre  auec  quelques  graees  et  beaute  de  notre  Poesie: 
Ie  n'ay  point  introdxtit  sur  le  Theatre  vn  Pjrgopolinices  plus 
badin  que  Fanfaron,  mais  i'ay  täche  de  peindre  au  naturel  ce 
viuant  Matamore  du  Theatre  du  Maraiz,  cet  Original  sans  copie, 
&  ce  Personnage  admirable  qui  rauit  egalement  &  les  Grands  & 
le  Peuple,  les  doctes  &  les  ignorans. 2)  I'ay  purge  ma  Scene  au 
possible  des  personnages  infames  &  honteux;  des  vilennies  les 
plus  crues  i'en  ay  fait  vn  ieu  d'esprit  qui  ne  peut  blosser  ny  les 
yeux  ny  les  oreilles;  &  i'ay  si  apparemet  habille  ce  vieil  Auteur 
ä  la  moderne,  qu'ä  peine  connoltroit-on  Piaute  dans  vne  piece 
de  Piaute.  Ie  n'ay  point  corrompu  sa  Scene,  mais  ie  I'ay  adoucie, 
&  approchee  bien  plus  pres  de  nous;  en  vn  mot  ie  Tay  changee 
en  la  notre.  Au  lieu  d'Ephese  pour  le  lieu  i'ay  pris  Paris,  le 
suiet  des  rodomontades  de  notre  histoire  &  de  notre  temps,  afin 
qu'elles  fussent  mieux  entendues,  plus  sensibles  &  plus  agreables: 
I'ay  obserue  la  liaison  des  Scenes,  qui  n'est  point  dans  Piaute 
mesme;  i'ay  reuetu  son  suiet  de  moyens  &  de  raisons  oü  il  sem- 
bloit  les  auoir  oubliees,  i'ay  colore  de  quelques  apparences  ce 
qui  paroissoit  trop  nud,  &  donne  ä  des  craditez  vne  digestion 
plus  douce  &  plus  f'acile." 


')  Es  war  bereits  zwei  Jahre  auf  der  Bühur  gespielt  worden:  ..qui 
depuis  deux  ans  a  este  tant  de  fois  represeutee  &  i'ose  bien  dire  auec 
applaudissement  sur  le  theatre  royal  du  Maraiz."  —  Beauchamps, 
Recherches.  II,  164,  führt  einen  anonymen  Miles  de  Piaute  an:  „at- 
tribuee  ä  un  comedien,  dediöe  ä  M.  d'Emauville.     Paris  1639." 

2)  Nach  Fournel  (Les  Contemporains  de  Meliere),  Band  III, 
(Histoire  du  theatre  du  Marais),  S.  XXXII,  war  dieser  vorzügliche  Dar- 
steller des  Matamore  der  Schauspieler  Bellemore. 


624  Xu.    Miles  gloriosus. 

Mareschal  hat  keine  geringe  Meinung  von  seinem  Ver- 
dienste.     Betrachten   wir  uns  seine  Arbeit  näher! 

I.  Akt.  (1.)  Matamore,  der  Capitan  Gascon,  mit  seinem 
Begleiter,   dem  Filou  Artotrogve,    der  Mann, 

Inuiucible  d'ailleurs,  que  les  feux  ni  les  fers, 
Cent  mille  hömes  armez,  les  Cieux  ni  les  Enfers, 
Ce  que  le  Monde  entier  a  de  plus  redoutable 
Ne  s§auroit  empecher  de  paroitre  indonitable, 

nimmt  Phylazies  (Philocomasinm)  Klage  entgegen.  Sie  ist  seine 
Gefangene,  im  Stillen  jedoch  Placides  (Pleusicles)  Geliebte,  und 
weiss  schlau  seiner  Liebesbeteuerung  zu  erwidern : 

Mais  ie  suis  trop  indigne  et  trop  infortunee 

Pour  pretendre  ä  l'honneur  d'vn  si  noble  hymenee, 

Qui  rend  mille  Beautez  ialouses  de  mon  nom. 

Alle  Fürstinnen  aller  Zonen  bewerben  sich  um  seine  Hand; 
die  Königin  von  Schweden  ist  selbst  gekommen: 

Elle  n'a  point  treuue  autre  Heros  que  vous. 

Wie  sollte  sie  seiner  würdig  sein? 

(2.)  Palestrion,  der  Diener  Placides,  der  jedoch  in 
Scheindienste  bei  dem  Capitan  getreten  ist,  hat  eine  Spalte  in 
die  Wand  gemacht,  durch  welche  Phylazie  in  das  Nachbarhaus 
des  Perimene,  eines  Pariser  Bürgers,  gelangen  kann,  wo  ihr 
Geliebter  Placide  wohnt.  Die  Bühne  stellt  zwei  Zimmer  dar, 
„diuisöes  par  vne  tapisserie  qui  les  separe. "  Die  folgende  Szene 
gehört,  nachdem  Phylazie  abgetreten  ist,  der  Schilderung  des 
Capitan.  Phylazie  ist  nicht  Kriegsbeute,  wie  er  vorgiebt, 
sondern  entführt. 

„Vous  l'appellez  butin,  nous  l'auons  enleuee, 

sagt  ihm  Artotrogve,   zugleich  mit  der  Drohung: 

Si  Ton  poursuit  ce  rapt,  que  vous  serez  pendu." 

Es  folgen  im  Weiteren  die  Heldenthaten  Matamores,  die 
Artotrogve  meist  der  Wahrheit  entsprechend  hinstellt.  Sehr 
weniges  stimmt  zu  Plautus,  wie  etwa  die  Aufforderung  an 
Palestrion   (3.): 

Que  mes  armes,  Coquin,  soient  encor  plus  luisantes, 
Je  veux  que  leur  eclat  brillant  &  sans  pareil 
Fasse  blt^mir  l'Aurore,  &  pälir  le  Soleil. 

(4.)  Im  andern  Gemach  hat  Phylazie  bei  Perimene 
ihren  Geliebten  gefunden.      Sie   war  in  Brüssel  geraubt  worden, 


Mareschals  Capitan.  625 

dach  hatte  Placide  erfahren,  dass  sie  nach  Paris  gebracht  wurde. 
Er  sandte  seinen  treuen  Palestrion  dorthin,  und  dieser  entdeckte 
sie  am  Fenster: 

II  vous  voit,  il  ni'ecrit,  &  i'arriue  en  ces  lieux; 
Oü  pour  faciliter  notre  entreprise  encore 
j'appris  des  rnon  abord  qu'il  seruoit  Matamore. 

Palestrion,  der  die  Sache  eingeleitet  hat,  verspricht,  sie 
auch  zu  Ende  zu  führen.  Jetzt  aber  soll  Philazie  in  die  Woh- 
nung des  Kapitäns  zurückkehren;  um  ihr  dies  leichter  zu  machen, 
hat  Palestrion  den  Affen  ausgelassen. 

II.  Akt.  (1.)  Per  im  en  e  (=  Periplecomenus)  zürnt  heftig 
über  die  Dienerschaft  des  Kapitäns,  die  sich  beikommen  Hess, 
auf  sein  Dach  zu  steigen,  wobei  einer  (Sceledre)  Placide 
Phylazie  küssen  sah.  Perimene  bemüht  sich,  Placide  zu 
trösten.  (2.)  Dieser  berichtet  dem  auftretenden  Palestrion  den 
Vorfall;  Palestrion  weiss  aber  sofort  Eat: 

Je  feindray  que  la  soeur  de  nötre  Damoiselle, 
Qui  luy  ressemble  en  tont,  en  vn  mot  sa  iuinelle, 
Pour  retreuuer  sa  soeur,  dont  eile  est  en  soucy, 
Avecque  son  Amant  est  arriuee  icy. 
Qu'elle  est  chez  vous  logee. 

(3.)  Palestrion  sucht  Sceledre,  der  ihm  entsetzt  berichtet, 
was  er  gesehen  hat,  einige  Zeit.  Sceledre  hat  die  Schlüssel 
zu  Phylazies  Zimmer.  Palestrion  sucht  ihn  nun  zu  verwirren. 
(4.)  Phylazie  spricht  von  ihrer  eben  angekommenen  Zwillings- 
schwester (Isabelle)  und  erscheint  (5.)  alsdann  in  der  Maske 
derselben,  indem  sie  thut,  als  sei  Palestrion  und  Sceledre  ihr 
unbekannt.  Sceledre  kann  es  übrigens  nicht  glauben;  er  fasst 
Phylazie  gewaltsam,   doch   entkömmt  sie  ihm. 

III.  Akt.  (1.)  Sceledre  hat  Phylazie  richtig  zu  Hause  ge- 
funden: 

Phylazie  est  cliez  nous;  apres  cette  merueille 

Je  doute  si  ie  dors,  ie  doute  si  ie  veille. 

Je  l'ay  veue  en  sa  chambre,  eile  est  dans  la  maison. 

Er  ist  froh,  dem  Kapitän  seinen  Verdacht  nicht  gemeldet  zu 
haben;  da  kömmt  (2.)  Perimene,  „tont  furieux,"  mit  Placide. 
Der  letztere  macht  Sceledre  gewaltig  aus,  und  nur  die  grosse 
Ähnlichkeit  der  Schwestern  spricht  zu  seiner  Entschuldigung.  (3.) 
Perimene  belehrt  ihn  des  weiteren.  Sceledre  eilt  in  seine 
Wohnung,  und  da  er  dort  Phylazie  traf,  kann  er  nur  demütig 
Abbitte  leisten   (4.): 

Perimene,  ä  genoux 
J'accuse  mon  erreur;  Phylazie  est  chez  nous. 

40 


626  XII.    Miles  gloriosus. 

Nach  einer  Lehre,  die  er  von  Perimene  erhält,  geht  er  in 
den  Keller,  wo  er  sich  soweit  betrinkt,  um  den  Liehenden,  wie 
wir  alsbald  hören,  nicht  mehr  nachteilig  zu  sein.  (6.)  Palestrion 
schmiedet  nun,  wie  hei  Plautus,  seine  weiteren  Pläne,  wobei 
ihm  Perimene  behülflich  sein  soll.  Dieser  erweist  sich,  wie  im 
Originale,  als  einen  Lebemann.  Noch  will  er  (wie  Pcripleco- 
menus)  kein  Greis  sein: 

Vieillard?  ä  votre  auis  semble-ie  si  passe? 
J'ay  de  la  vie  encore,  &  ne  suis  point  casse; 
On  ne  treuuera  sur  mon  front  vne  ride; 
A  cinquante  ans  ie  fay  ce  qu'ä  trente  vn  Aleide, 
Je  ry,  ie  voy,  ie  marche,  &  fay  ce  que  ie  veux. 

Gerne  giebt  er  den  Diamantring,  den  Palestrion  fordert, 
um  den  Kapitän  zu  betrügen,  und  auch  seine  Nichte  Artelese 
(„eile  n'ayme  qu'ä  rire")  und  ihre  Dienerin  Phydippe  leiht  er 
gerne  zu  dem  heiteren  Streich.  Die  Intrigue  ist  wie  bei  Plautus. 
Der  Kapitän  wird  in  die  Falle  gehen;   denn 

II  le  pense  du  moins,  &  que  tel  auiourd'huy 
Tout  le  sexe  le  court,  &  meurt  d'amour  pour  luy. 

Philazie  (6.)  und  Artelese  mit  Phydippe  (7.)  werden  noch  in 
ihre  Aufgabe  eingeweiht. 

IV.  Akt.  (1.)  Palestrion  bereitet  Matamore  auf  die 
neue  Liebe  vor,  nachdem  er  ziemlich  lange  von  seinen  Helden- 
thaten  gehört  und  durch  Zustimmung  seinen  Stolz  genährt  hat. 
Er  schildert  ihm  die  in  Liebe  entbrannte  Frau  als  Gattin  eines 
Alten,   und  da  er  Phydippe  schon  so  reizend  sieht: 

Quel  sera  le  Soleil,  si  teile  est  son  Aurore? 

(2.)  Phydippe  spielt  die  Rolle  der  plautinischen  Milphi- 
dippa.  Zwar  meint  der  Kapitän  von  den  Damen:  ,.Leurs  im- 
portunitez  me  banniront  de  France,"  doch  aber  giebt  er  Hoffnung.. 
Sein  Plan  ist  nur  mehr,    Phylazie  los  zu  werden. 

Während  Palestrion  (3.)  seine  Leute  weiter  unterrichtet, 
hat  Matamore  Phylazie  entlassen  und  ihr  Palestrion  geschenkt. 

Pal.     Quoy?  vous  m'auez  donne? 

Mat.  Toy  mesme,  saus  nientir; 

Ses  priores  m'ont  mis  au  point  d'y  consentir.   . 
Pal.     Puis-ie  quitter  mon  maitre;  vn  si  grand  Capitaine? 
Mat.    Ma  parole  est  en  gage. 
Pal.  Ah!  fortune  incertaiiie! 

0  mal-heur!  quelle  jierte  ay-ie  faite  auiourd'huy? 
Mat.    Cette  plainte  nie  touche;  il  en  mourra  efennuy, 

was  ganz  das  Original  vor  Augen  führt. 


Mareschals  Capitan.  627 

(4.)  Artelese  mit  Phydippa  tritt  auf.  Artelese  zittert. 
Matamore  findet  das  ganz  begreiflich.  „Mille  soldats  armez 
deuant  rnoy  fönt  le  mesme!"  („Viri  quoque  armati  idem  istuc 
faciunt, "  V.  1273).  Zwar  ist  ihm  ihr  Haus  etwas  bedenklich; 
dennoch  folgt  er  ihr. 

Mais  auant  que  d'entrer  mettons  l'autre  deliors. 

V.  Akt.  (1.)  Placide  hat  sich  nach  Palestrions  Angabe 
(IV,  3)  als  Kommissär  gekleidet.  (2.)  Mit  heissen  Thränen 
nimmt  Phylazie  Abschied  von  Matamore.  Placide  verlangt 
als  Polizeiorgan  die  in  Maastricht  entführte  Jungfrau,  die  Mata- 
more gerne  abtritt;  aber  mit  Artelese  ergeht  es  ihm  schlecht. 
(3.)  Perimene  giebt  sich  als  ihren  Gatten  aus,  und  seine  Diener 
schleppen  unter  Prügeln  Matamore  herbei.  Nur  eine  Ver- 
sicherung soll  ihn  vor  dem  gewissen  Tode  retten:  „D'oublier  le 
passe,  de  n'y  songer  iamais  ...  de  ne  te  ressentir  sur  aucun  de 
i'iniure,"  ganz  wie  bei  Plautus.  Gerne  willigt  Matamore  ein. 
Die  letzte  (4.)  Szene  vereinigt  alle  Mitspielenden  auf  der  Bühne. 
Auch  der  betrunkene  Sceledre  tritt  nochmal  auf  mit  seinen 
Zweifeln  über  Isabelle  und  Phylazie.  Matamore,  allen 
Schmähungen  preisgegeben,  bleibt  allein  auf  der  Bühne.  Da  er 
sich  frei  sieht  und  von  allen  verlassen  und  keine  Gefahr  mehr 
zu  befürchten  hat,  da  erwacht  in  ihm  wieder  der  Kapitän.  Der 
Schluss  ist  nicht   ohne  Geschick  gemacht. 

Med.  Le  champ  m'est  demeure;  ie  suis  victorieux; 

Quels  lauriers  ne  sont  dus  ä  mon  front  glorieux? 

L'ennemy  qui  s'enfuit  m'abandonne  la  place. 
Sceledre.    Laisse  battu,  tout  nu,  voilä  comme  il  les  chasse: 

0  la  rare  valeur! 
Mat.  Suiuez  moy  don,  Soldats; 

Retirons  nous  en  troupe,  allons  auepetit  pas. 

Mareschals  Miles  gloriosus  bietet  nach  zwei  Seiten  hin 
Interesse.  Einmal  ist  in  seinem  Stücke  die  plautinische  Fabel 
durchgeführt  und  verhältnismässig  sehr  wenig  moderni- 
siert. Es  giebt  aber  nicht  sehr  viele  Kapitänstücke,  welche 
den  Miles  vollständig  nachahmen;  meist  wird  nur  seine  Per- 
sönlichkeit mit  den  üblichen  Charakterzügen  verwendet,  nicht 
die  ganze  plautinische  Komödie.  Andrerseits  ist  der  Ka- 
pitän hier  ein  Gascogner  geworden,  also  ein  Franzose,  was, 
so  nahe  es  bei  dem  Charakter  dieses  Volksstammes  lag,  nur  sehr 
selten  vorkommt.    Der  Kapitän  blieb,   wie  Fournel1)  treffend 


')  Les  Contemporains  de  Moliere  (111,29):  „Le  Mata <■  bien  qu'il 

reparaisse    si   frequemment  sur  notre    vieux   theätre,    ne  'est  pourtant 

40* 


t,-js  XII.    Miles  gloriosus. 

anführt,  der  französischen  Nationalität  fremd.  Wir  treffen  ihn  fast 
nur   als  Italiener   oder   Spanier. 

A.  Mare schal  selbst  hatte  schon  vor  ein  Paar  Jahren  in 
seinem  Lustspiele  „Le  Railleur",1)  das  dem  Kardinal  Riche- 
lieu gewidmet  ist,  die  Figur  des  Tai  11  eh  ras  capitan  auf 
die  Bühne  gebracht;  dort  aber  ausdrücklich  als  Spanier.'2) 

L'Hespagne  m'a  noury  moins  de  laict  que  d'orgueil, 
L'honneur  de  mon  berceau  m'affranchit  du  cercueil. 

(I,  3.)  —  Iu  diesem  Stücke  erscheint  Taillebras  in  der  üblichen 
Form,  als  Liebhaber  Clyties,  in  welche  auch  der  Dichter  de 
Lyzante   verliebt  ist.     Sein  Name  ist  berühmt: 

Ce  nom  de  Taillebras  dans  tont  le  monde  eclatte; 
II  n'est  point  de  pais,  qui  luy  soit  etranger 

(I,   3);  er  selbst  ist  ohne  Gleichen. 

II  parle  de  pareils,  &  moy  ie  n'en  ay  point. 

Er   allein  hat  Anspruch  auf  Ehre  (II,   3): 

Dans  mon  coeur,  conime  vn  lieu  de  plus  digne  loüange: 
C'est  oti  l'Honneur  reside  en  vn  tröne  eleue 
Oü  le  Sultan  feroit  glpire  d'estre  graue  u.  s.  w. 

Wo  er  beleidigt  wird,  kann  nur  ..die  Erbärmlichkeit  des  Be- 
leidigers"   seine  Rache  verhindern: 

Que  diront  tant  de  Preux  de  qui  ie  suis  P Aleide? 
Qui  respeetent  ce  bras  qui  fut  leur  homieide? 
Ne  se  plaindront-ils  point  de  ce  qu'vn  lache  sang 
Dehonore  ma  main,  &  fait  honte  ä  leur  rang? 
Non  non,  ie  ne  luy  puis  aecorder  cette  gloire. 

(II,  4.)  —  Als  er  wirklich  den  Zweikampf  wagen  soll,  entflieht 
er  (III,    7).      Er  zittert    an    allen    Gliedern,    da    er    seinen  Gegner 


jamais  entierement  naturalise  chez  nous,  et  quoique  nous  eussions  le 
Gascon  qui  semblait  im  moule  ä  souhait  pour  recevoir  ce  type,  ou  en 
faisait  habituellement  un  etranger,  surtout  im  Italien  ou  im  Espagnol/' 

')  Le  |  Raillevr  |  ov  la  Satyre  |  du  Temps.  |  Comedie.  |  A  Paris  |  Chez 
Toussainct  Qvinet  u.  s.  w.     M.  DC.  XXXVHI.     (132  S.) 

2)  So  auch  im  Avertissement:  Pour  n'irriter  aueun  de  nos  Fan- 
farons,  qui  se  fussent  imaginez  qu'on  eust  du  lire  leur  nom  dessous  le 
Tableau  du  Capitan,  ie  l'ay  fait  Espagnol  originaire  combien  que  sa 
vanite  soit  Franchise  autant  que  son  langage.  —  Auch  in  dieser  Komödie 
kann  Mareschal  nicht  umhin,  seine  Arbeit  mit  plautinischen  Stücken 
in  Vergleich  zu  bringen:  J'ay  pense  qu'vne  Courtizanne  plus  adroite  que 
vilaine,  &  vn  Filou  son  protecteur,  valloient  mieux.  qu'vn  Parasite  & 
qu'vne  effrontee  dedans  Piaute,  &  chez  les  Italiens. 


Cailhavas  Tuteur  dupe.  629 

Beaurocher  wiedersieht  (IV,  5).     Selbstverständlich  bleibt  er  ohne 
Einfluss  auf  die  Geliebte. *) 

Anf  dem  Miles  gloriosus  des  Plantns,  zum  mindesten 
auf  Episoden  desselben,  beruht  das  Lustspiel  von  Cailhava, 
,.Le  tuteur  dupe,  comedie  en  prose  et  en  cinq  actes, 
representee  pour  la  premiere  f'ois  sur  le  theätre  de  la  Nation  le 
30  septembre   1765."  2) 

Lassen  wir  über  das  Verhältnis  des  Lustspiels  zu  seiner  Quelle 
den  Verfasser  des  Stückes  selbst  sprechen:3) 

„C'est  sous  leurs  yeux  que  je  vais  remettre  des  larcins  faits 
ä  l'Antiquite;  ils  decideront,  si  je  suis  un  Copiste,  un  Plagiaire, 
ou  un  Imitateur. 

„Dans  le  Soldat  Fanfaren  de  Piaute,  le  Heros  a  une 
concubine,  nommee  Philocomasie;  un  rival  favorise  la  voit  tres- 
souvent,  au  moyen  d'une  porte  secrette  qui  donne  de  l'apparte- 
ment  de  la  Belle  dans  une  maison  voisine.  Sceledre,  esclave  du 
Soldat,  cherche  un  singe  sur  les  toits;  il  apercoit  la  Maitresse 
de  son  Patron,  en  tete-ä-tete  amoiu-eux  dans  le  jardin  du  voisin: 
il  court  le  dire  ä  Palestrion,  son  compagnon,  &  le  confident  des 
deux  Amants.  Palestrion  comptant  sur  la  fausse-porte,  avertit 
Philocomasie,  la  fait  sortir  alternativement  par  la  maison  du  Sol- 
dat, &  par  celle  de  son  voisin;  &  persuade  ä  Sceledre  qu'il  a  pris 
la  soeur  jumelle  de  Philocomasie  pour  elle-meme. 

,.11  nie  seroit  difficile  d'exprimer  l'enthousiasme  que  cette 
partie  d'intrigue  m'inspira,  l'etonnement  oü  je  fus  qu'aucun  de 
mes  predecesseurs  ne  s'en  tut  empare,  &  le  desir  brillant  que  je 
sentis  de  la  marier  ä  un  sujet  Francois.  Une  ressemblance  qui, 
pour  faire  illusion  n'avoit  besoin  ni  du  masque  des  Anciens,  ni 
de  la  complaisance  outree  des  Spectateurs,  une  teile  ressemblance, 
dis-je,  nie  parut  une  source  inepuisable  de  comique;  mais  je  sentis 
bientöt  que  la  Piece  latine,  en  m'indiquant  des  beautes,  offroit  uue 
inünite  de  defauts  qu'il  falloit  eviter  de  transporter  sur  la  Scene 
Francoise. 

„Chez  Piaute,  la  fausse-porte  &  la  ressemblance  des  deux 
soeurs  ne  sont  aunoncees  qu'au  second  Acte  &  sans  art;  j'ai  lache* 
de  fixer  des  les  premieres  Scenes  de  ma  Piece,  l'attention  du 
Public  sur  les  deux  objets,  surtout  sur  la  fausse-porte,  dont  la 
dccouverte  y  est  presque  mise  en  action,  puisque  Fintrigant  Merlin. 
qui  a  senti  le  mur  creux,  qui  se  Hatte  d'y  trouver  un  tresor,  revient, 
en  sanglotant,  dire  qu'il  n'v  a  d^couvert  qu'une  porte  secrette,  ä  l'aide 


')  Vgl.  auch  Lotheissen.    II,  174.    Aum. 

2)  Auf  Seite  197—324  des  ersten  Bandes  des  „Theätre  de  M.  Cail- 
hava".    Paris  1781." 

3)  A.  a.  0..  S.  200,  nach  der  „Preface  de  l'edition  de  1778". 


630  XU.    Milcs  gloriosus. 

de  laquelle  les  Amants  pourront  se  voir  &  se  parier  sans  craindre 

les  jaloux 

..Dans  le  Poete  Latin,  la  ressemblance  et  la  fausse-porte 
n'animent  que  deux  on  trois  Scenes  inutiles.  J'ai  retourne  mon 
sujet,  &  je  nie  suis  replie  de  facon  ä  les  rendre  la  base  de  la 
machine  entiere.  Cliez  mon  Mattre,  elles  ne  servent  qn'ä  tromper 
un  miserable  esclave,  Actenr  tres  subalterne:  dans  ma  Comedie, 
elles  servent  ä  duper  le  Heros  de  la  Piece.  Ennn,  dans  le  Poeme 
ancien,  les  Scenes  de  Philocomasie  &  de  sa  pretendue  soeur,  ont 
la  meine  couleur:  j'ai  imagine  qu'en  pretant  ä  nies  denx  jumelles 
une  facon  de  parier  <fc  de  se  mettre,  tine  liunieur,  un  caractere 
tout-a-fait  opposes,  je  menagerois  un  jeu  varie  ä  FActrice,  des 
Scenes  nioiiis  monotones  au  Public,  &  surtout  que  la  vraisemblance 
seroit  moins  blessee. 

Jamais  aux  Spectateurs  n'offrez  rien  d'incroyable. 
Le  vrai  peut  quelquefois  n'etre  pas  vraisemblable. 

„Ces  changements  une  fois  prepares  &  fondus  dans  ma  teter 
je  confiai,  sans  hesiter,  a  un  Valet  tous  les  fils  de  Fintrigue;  je 
lui  laissai  le  soin  d'en  combiner  les  effets,  &  de  manier,  ä  son 
gre,  des  ressorts  qui  ne  sont  comiques  &  decents  que  dans  le 
mains  des  Domestiques,  quoi  qu'en  ait  pu  dire  ou  le  pretendu 
bon  ton,  ou  l'impuissance  de  les  faire  agir  &  parier  avec  grace. 
J'eus  enfin  la  double  ambition  de  donner  ä  mon  Merlin  la  tour- 
nure  dun  intrigant  ä  l'antique  &  de  ne  pas  lui  laisser  les  defauts 
qui  ternissent  la  gloire  des  fourbes  d'Athenes  &  de  Rome.  Je 
nie  bornerai  ä  citer  quelques  exemples,  &  je  les  prendrai  tous 
cliez  Piaute;  quoique  Terence  soit  quelque  fois  aussi  indecent, 
temoin  rEunuque 

„Je  cliercliai  dans  mon  eher  Piaute,  si  peu  connu  des  Auteurs 
qui  le  dedaignent,  un  pretexte  pour  intriguer  une  Piece  dans 
Fanden  genre.  Je  trouvai  dans  le  Soldat  fanfaron  deux  scenes 
echappees  a  mes  predecesseurs:  j'en  tirai  le  Tuteur  dupe  en  cinq 
Actes;  &  pour  voir  si  j'etois  reellement  appele  ä  faire  des  come- 
dies  j'ecrivis  mon  nouvel  Ouvrage  en  prose:  je  n'y  mis  rien  de 
ce  qui  fait  la  plus  grande  fortune  aujourd'bui ;  j'eus  le  courage 
d'en  exclure  les  sentences,  les  scenes  puremeut  amoureuses,  le 
ton  et  les  airs  de  grandeur,  le  persifflage,  les  jeux  de  mots  & 
sourtout  les  situations  larmoyantes.  •' 

Diese  langatmigen  und  selbstbewussten  Worte  reclitfertigen, 
dass  Cailliavas  Komödie  hier  behandelt  wird,  obwohl  sie  von 
Plautus  direkt  äusserst  wenig  hat  und  Cailhava  aus 
dem  Miles  nicht  mehr  entnahm,  als  der  Italiener  Cecchi 
in  seinem   ..II  Corredo"  — das  Mauerloch,  das  hier  Alessandro 


Cailhavas  Tuteur  dupe.  631 

und  Beatrice  Gelegenheit  zur  Zusammenkunft  gieht,  *)  ein  Ge- 
danke, auf  den  ein  komischer  Dichter  wohl  unabhängig  von 
Plautus  kommen  konnte.2)  Doch  Cailhava  stützt  sich  ja  selbst 
auf  den  römischen  Dichter. 

Der  Betrogene  ist  in  Cailhavas  Stück  der  Vormund  Emi- 
lies. Emilie  spielt  die  Rolle  der  Philocomasium;  ihr  steht 
Richards  Kammerdiener,  Merlin,  und  ihre  Kammerzofe,  Mar  ton, 
zur  Seite,  um  sie  vor  den  Bewerbungen  ihres  Vormunds  Richard 
zu  schützen  und  mit  ihrem   Geliebten  Damis  zu  vereinigen. 

Merlin,  der  als  valet  für  Geldspenden  sehr  empfänglich  ist, 
verrät  seinen  verliebten  Herrn,  wie  Palästrio  den  Miles;  dieser 
hat  an  dem  Gärtner  Gregoire,  einer  Art  Sceledrus,  seine 
Stütze.  Merlin  entdeckt  die  geheime  Thüre,  welche  beide  Häu- 
ser verbindet:  allein  dieser  Fund  hat  ihm  wenig  Freude  gemacht. 
..Mille  circonstances  m'ont  fait  croire  qu'un  des  murs  de  la  chambre 
de  Mademoiselle  recelait  un  Tresor;  je  m'etais  livre  d'avance  au 
dottx  plaisir  d'en  prendre  possession.  Je  viens  de  lever  la  ta- 
pisserie.       Je    travaillois    avec    un    soin,    une    ardeur    intätigable. 

Helas,   et  mille  fois  helas Au  lieu  de  ce  eher,   de  ce  pre- 

eieux  tresor  j'ai  trouve  une  porte  pratiquee  avec  beaueoup  d'art, 
qui  donne  dans  la  maison  et  dans  l'appartement  de  Madame  Ar- 
gant.«      (S.  226). 

Zufällig  also  rindet  Merlin,  was  Palästrio  selber  thut, 
(7.   142): 

In  eo  conclaui  ego  perfodiui  parietem, 
Qua  conmeatas  clam  esset  hinc  huc  mulieri. 

So  viel  von  der  Mauer.  —  Gregoire  macht  Richard 
davon  die  Entdeckung,  wie  Sceledrus  es  dem  Miles  mitteilen 
wollte:  „Eh  bian!  Jons  vu  darriere  les  vitres  de  Madame  Ar- 
gante,  deux  philosomies  qui  se  parliont  de  tres-pres:  l'une  appar- 
tient  ä  un  jeune  homme,  l'autre  ä  Mamneselle  Emilie." 
Nach    7.  173: 

De  tegulis 
Modo  nescio  quis  inspeetauit  uostrum  familiarium 
Per  uostrum  iupluuium  intus  aput  nos  Philocomasium  atcrue  hospitem 
Ausculantis. 

Des  alten  Periplecomenus  Rolle,  der  darum  weiss  (7  144: 
„Et  sene  sciente  hoc  feci)  und  die  Sache  begünstigt,  spielt  hier 
Emilies    Tante,    Madame    Ar  gante.    —    Zur    Lösung    erscheint 


')  Klein.  P7,  666.  —  „II  Corredo"  erschien  1585  in  Venetia,  presso 
Bernardo  Giunti,  in  8°.    (Allacci,  S.  88.) 

2)  Allerdings  hat  Cecchi   auch  den  üblichen  Capitano,    hier  als 

Kapitän  Ercole  mit.  seinem    Parasiten   Pecchia.   mit    in   ilie  Geschichte 
verflochten  und  zum  Bruder  der  gefreiten  Beatrice  gemacht. 


(532  Xu.    Miles  gloriosus. 

Em i lies  Schwester:  ..Einilie  a  reellement  une  soeur  qui  lui  res- 
semble    tout-ä-fait"    (S.    248).      Und    so    endet    das    plautinische 

(F.   152): 

Atquo  eadem  erit.  uerum  alia  esse  adsimulabitur 

das  Stück,  indem  der  Notar  die  Personen  verwechselt  und  Emilie 
mit  Damis,  und  Mad.  Argante  mit  Richard  vereinigt.  Emilie 
erklärt  schliesslich  (S.  321):  „Hortense  n'est  point  sortie  de  son 
Couvent.  J'ai  Jone,  alternativenient  denx  röles;  je  repreuds  mon 
vrai  caractere  pour  vons  prier  de  pardonner  nne  snpercherie,  a 
laquelle  vons  m'avez  contrainte. "  Alles  ist  zufrieden  mit  Aus- 
nahme Richards,  der  versichert:  ..Je  ferai  du  moins  .  .  .  murer 
cette  maudite  porte  qui  fait  mon  malheur. " 


Eine  ziemlich  freie  Bearbeitung'  des  Miles,  besonders 
an  den  Thraso  des  Terenz  anschliessend,1)  ist  Ludvig  Hol- 
bergs Lustspiel:  ..Jacob  von  Tyboe,  eller  den  stortalende 
Soldat."2) 

Von  demselben  schreibt  Prutz:3)  ..Eine  andere  damals  sehr 
verbreitete  Thorheit,  nämlich  die  hohle  Renommisterei  des  Pol- 
trons,  die  Eisenfresserei  des  Bramarbas,  wird  im  , Jacob  von 
Tyboe',  sowie  im  , Dietrich  Menschenschreck'  gegeisselt.  Bei 
dem  ersteren  Stücke  hat  Holberg,  wie  er  selbst  zugesteht,  haupt- 
sächlich den  Miles  gloriosus  des  Plautus  benützt;  aber  auch  dem 
Eunuch  des  Terenz  ist  er  viel  schuldig  geworden.  Dass  er 
Gryphius'  ,Horribilicribrifax'  gekannt  und  benutzt,  ist  uns 
nicht  wahrscheinlich.  Dagegen  hat  er  einzelne  Szenen  und  Wen- 
dungen (z.  B.  die  höchst  wirksame  Szene  mit  dem  Poeten)  den 
jPromenades  a  Paris'  im  Theätre  italien  entlehnt,  während 
er  zu  anderen  die  Veranlassung  aus  B  i  der  mann  s4)  ,Utopia', 
Buch  VI,  Kap.  135  und  136,  entnommen.  Das  Stück  wurde 
mehrfach  ins  Deutsche  übertragen  und  ist  auch  unter  dem  Titel 
, Bramarbas  oder  der  grosssprecherische  Offizier'  in  den 
dritten  Band  der  Gottschedschen  , Schaubühne'  aufgenom- 
men.5)    Dennoch    scheint    es    auf  dem  dänischen  Theater  anfangs 


*)  Ussing.  IV,  223.  Ad  Thrasonem  Terentii  proprius  accedimt 
Petrus  Aretinus  in  La  Talanta  et  Holbergius  nostras  in  Jacob 
von  Tyboe. 

2)  Auf  Seite  5 — 111  des  dritten  Bandes  von  Ludvig  Holbergs 
Comedier.     Kjöbenhavn  1847. 

3)  Ludwig  Holberg,  sein  Leben  und  seine  Schriften,  S.  189. 

4)  Geb.  1578.  Professor  der  Theologie  (Jesuit)  in  Dillingen;  nach- 
her in  Rom,  wo  er  1639  starb. 

5)  Die  Übersetzung  (1741)  ist  von  Detharding.  (Gottsched, 
Noth.  Yorr.    I,  313.) 


L.  Holbergs  Jacob  von  Tyboe.  633 

nur   wenig    Glück    gemacht    zu    haben;    wenigstens    kam    es    von 
1748  bis   17(39   nur  achtmal  zur  Aufführung. "  J) 

I.  Akt.  (1.)  Jesper  Oldf'ux,  der  Parasit  (Snyltegiesten), 
führt  in  die  Situation  ein.  Linker  Hand  wohnt  ein  vornehmes,  aber 
armes  Fräulein,  Lucilia,  um  welches  drei  Freier  sich  bewerben: 
..Jacob  von  Tyboe,  en  karl  der  udi  mine  tanker  har  en  skrue 
lös  i  hovedet.  Han  siger  sig  at  have  väret  i  tieneste  udenlands, 
hvorvel  han  har  kunnet  viise  noget  Pas  eller  afskeed.  Andre 
officerer  her  i  byen  holde  gode  miner  med  ham,  og  titulere  ham 
nu  Hr.  Captain,  im  Hr.  Major,  nu  Hr.  Oberst,  ligesom  hau 
tracterer  meer  eller  mindre  til.  Naar  han  taler  om  sine  bedrifter, 
lader  de  som  de  hörer  det  an  med  fbrundring.  Naar  ham  skeer 
nogen  tort,  läge  de  ham  i  forsvar.  Naar  han  behöver  soldater, 
laaner  de  ham  gierne,  og  retter  dem  af,  hvordan  de  skal  om- 
gaaes  ham  med  respect  og  ydmygdhed.  Summa  summarum: 
han  er  divertissement  for  den  hele  guarnison. "  Der  andere  Be- 
werber ist  Styge  Stygesen,  seit  er  von  der  hohen  Schale  zu 
Rostock  zurückgekehrt  ist,  Magister  Stygotius2)  genannt.  Er 
ist  als  Gelehrter,  was  Tyboe  als  Offizier  vorstellt.  Der 
dritte  endlich  ist  Leonardo,  ein  armer,  aber  tüchtiger  junger 
Mann,  der  Aussicht  auf  eine  reiche  Erbschaft  hat.  Das  allmäch- 
tige Kammermädchen  begünstigt  die  ersten  beiden;  Lucilia  selbst 
hat  sich  für  den  letzten  entschieden.  (2.)  Nach  kurzem  Gespräche 
Jespers  mit  Leonardo  (3.)  tritt  Peer  auf,  Tj^boes  Diener.3) 
Sein  Herr  hat  ihm  zwei  Thaler  mitgegeben,  um  bei  einem  Dich- 
ter Verse  auf  Lucilia  zu  bestellen.  Da  kömmt  (4.)  Jens,  Sty- 
gotius' Diener,  mit  dem  er  ein  launiges  Gespräch  unterhält. 
Warum  heisst  Tyboe  VON?  Kriegsleute  setzen  Von  vor  ihre 
Namen,  Gelehrte  Us  an  dieselben.  (5.)  Auch  Leonardo  wird 
um  Verse  angegangen;  aber  um  französische:  „ tili  han  inbilder 
alle  folk  at  han  forstaaer  perfect  Fransk  .  .  .  all  bans  tale  gaaer 
ud  paa,  at  alle  fruentimmer  ere  forliebt  i  bans  skiönhed  (PL,  V. 
58),    og    at    han    hverken     dag     eller    nat     kand     have    roe     for 


')  Vergleiche  eine  genaue  Würdigung  Holbergs  bei  Lorenz, 
S.  258—262. 

2)  Prutz,  Holberg,  S.  190:  „Bemerkt  mag  noch  werden.  <l;iss  der 
pedantische  Magister,  der  bei  Holberg  in  der  ältesten  Ausgabe  (1725) 
Tychonius,  späterhin  aber,  da  Christen  Larsen  Tychonius,  früher 
Stiftsiiropst  iu  Wiborg,  seit  1726  als  Privatgelehrter  in  Kopenhagen 
lebend,  dagegen  Einspruch  erhob,  Stychotius  heisst,  in  der  Dethar- 
dini>schen  Verdeutschung  bei  Gottsched  Magister  Stifelius  genannt 
wird:  eine  Anspielung  ohne  Zweifel  auf  jenen  ehiliastisehen  Träumer. 
den  Holberg  einst  während  seines  Aufenthaltes  in  Leipzig  kennen  ge- 
lernt, und  der  sich  durch  seine  närrischen  Streiche  hinlänglich  bekannt 
gemacht  hatte.  Jener  Christen  Larsen  Tychonius  dagegen  ist  der- 
selbe, gegen  den  Holberg  seine  „Jütische  Fehde-  richtete." 

3)  Eine  der  Rollen  Schröders  ia.  a.  0.,  S.  224). 


634  XII.    Milcs  gloriosus. 

dem."  (6.)  Der  pedantische  Stygotius,  mit  seinen  lateinischen 
Sprüchen,  will  zwar  selber  die  Verse  nicht  machen,  aber  sein 
Freund  Petronius  (7.)  lässt  sich  dazu  herbei,  und  (8.)  Peer  macht 
noch  Profit    dabei. 

II.  Akt.  (1.)  Tyboe  mit  seinem  Parasiten  Jesper  Old- 
t'ux  tritt  auf.  Sie  sprechen  voii  Tyboes  Heldenthaten.  Jesper 
versichert,  dass  die  Stelle,  wo  er  die  letzte  Schlacht  schlug,  jetzt 
Tyboes  Kirke  Gaard  (Tyboes  Friedhof)  heisse,  von  den 
vielen  Toten,  die  er  hingemordet  habe.  Mit  eigener  Hand  hat 
er  über  sechshundert  erschlagen.  „Ach!"  meint  der  Parasit, 
„Herren  maatte  nok  satte  et  0  til. "  „;,Das  sollen  andere  thun! 
Jeg  haver,  mafoi,  aldrig  spurdt  efter  Tallet.  Det  kom  Jacob 
von  Tyboe  i  de  Tiider  ikke  an  paa  et  hundrede  meer  eller  min- 
dre.""  (2.)  Peer  überbringt  die  bestellten  Verse.  In  langer 
Szene  erfahren  wir  von  Tyboes  Vorzügen.  Auch  er  kann  Ge- 
dichte machen;   den   Beweis  liefert  ein  Liebeslied  an  Lucilia: 

Lucilia  rain  smukke  Dukke, 
Mit  lijertes  fryd,  trompet  og  lierpukke, 
Din  Deyligked  giort  haver  mig  til  Coujon 
Og  indtaget  med  Storm  mit  hjertes  bastion 

u.  s.  w.  —  Er  ist  ein  vorzüglicher  Tänzer,  obwohl  er  nie  tanzen 
gelernt  hat;  „det  er  puur  Naturalier, "  und  er  beweist  dies,  indem 
er  mit  Jesper  ein  Menuett  zum  besten  giebt.  Er  ist  ein  kunst- 
voller Fechter,  Jesper  muss  dies  an  sich  versuchen  lassen;  er 
hat  die  schönste  Taille,  und,  was  wunderbar  ist  an  ihm,  ,,at  med 
alle  disse  qvaliteter  er  dog  ikke  den  herre,  der  berömmer  mig 
selv  af  noget,  og  med  all  min  tapperhed  er  jeg  heller  from  en 
streng  i  mit  huus. "  —  Mit  den  Versen  schickt  er  denn  seinen 
deutschen  Bedienten   an  Lucilia. 

III.  Akt.  (1.)  Leonora,  Lucilias  Mutter,  und  Pernille 
sprechen  von  Lucilias  Verlobung.  Der  Kapitän  mit  seinem 
roten  Federbusch  gefiele  ihnen  am  besten.  (2.)  Pernilles  Mah- 
nung an  die  auftretende  Lucilia,  dem  Schnüren,  Schminken  und 
allen  kosmetischen  Mitteln  zu  entsagen,  erinnert  stark  an  Sca- 
phas  Worte  an  Philematium  in  der  Mostellaria  (F.  261  ff.) 
(3.)  Leonora  drängt  ihrer  Tochter  die  Wahl  zwischen  Stygo- 
tius und  Von  Tyboe  auf;  Lucilia  will  aber  nur  von  Leonardo 
wissen.  (4.)  Stygotius  tritt  auf  mit  lauter  lateinischen  Zitaten; 
zu  ihnen  gesellt  sich  (5.)  Tyboe  mit  seinem  deutschen  Diener 
Christ  off,  wobei  die  zwei  Bewerber  an  einander  geraten  und  in 
ziemlich  ähnlicher  Weise  prahlen. 

/'////.      Alle  folk  veed  at  tale  om  mig  udi  Holland  og  Braband. 
Styg.     Alle  Literati   viide    at   tale  om  mig  udi  Rostok,   Helmstad  og 

Witemberg. 
Tyb.       Jeg  har  nedlagt  de  sterkeste  lieldte  med  min  liaand. 
Styg.     Og  jeg  har  slaget  de  sterkeste  Opponentes  med  min  mund, 


L.  Holbergs  Jacob  von  Tyboe.  635 

u.  s.  f.  — ■  Leonora  will  demjenigen  ihre  Tochter  überlassen,  der 
ihr  Herz  sich  erringen  kann.  (7.)  Pernille  macht  beiden  Be- 
werbern vor,  dass  sie  ihre  Sache  vertreten  -wolle,  worauf  (8.) 
Peer  die  von  Tyboe  bestellten  Verse  überreicht. 

IV.  Akt.  (1.)  Jesper  hat  sich,  nach  der  Art  der  Para- 
siten, auf  Leonardos  Seite  geschlagen,  (2.)  beruhigt  aber 
Tvboe,  er  wolle  den  Gegner  nur  ausspionieren.  (3.)  Jesper 
greift  nun  zu  einer  List.  Er  befiehlt  Christ  off,  sowie  er  den 
Diener  des  Magisters  erblickt,  sich  betrunken  zu  stellen  und  seinen 
Beutel,  der  mit  Kupfermünzen  angefüllt  ist,  fallen  zu  lassen.  Wie 
Jesper  erfuhr,  hat  der  Magister  Pernille  eine  Geldbörse  ver- 
sprochen; sein  Diener  wird  glauben,  dass  jene  des  Soldaten 
reicher  sei,  dieselbe  zu  sich  nehmen  und,  wenn  er  sie  an  Per- 
nille abliefert,  mit  den  Scheidemünzen  den  Kredit  seines  Herrn 
schwer  schädigen.  (4.)  Stygotius  erfährt  durch  Jesper,  da  er 
eben  seinen  Diener  mit  Geld  zu  Pernille  schickt,  dass  Tyboes 
Diener  bereits  vorangegangen,  doch  leicht  noch  einzuholen  sei, 
da  er  völlig  betrunken  sei.  Jens  soll  ihn  ins  Wirtshaus  locken 
und  dort  den  Beutel  austauschen.  Dies  geschieht  (5.,  6.)  nach 
Verabredung,  und  Jens  geht  mit  dem  ausgewechselten  Beutel 
ab.  (7.)  Diese  Sendung  wird  von  Pernille  sehr  ungnädig  auf- 
genommen, schon  darum,  weil,  indiskret  genug,  der  Beutel  offen 
ist;  noch  mehr  aber  ärgert  sie  sich,  als  sie  (8.)  den  Inhalt  sieht. 
..Ach  himmel!  hvad  seer  jeg!  ach  jeg  er  färdig  at  spräkke  af 
barme.  Det  er  jo  Regiie-Penge  og  halve-skillinger. "  Dafür  will 
sie  sich  rächen.  (9.)  Aber  auch  Lucilia  ist  über  Tyboes  Ge- 
dicht sehr  erbittert,  da  in  demselben  sie  selber  als  Kokette,  ihre 
Mutter  als  Kupplerin  bezeichnet  wird,  und  da  denn  Tyboe  — 
wie  das  die  Kapitäne  öfters  thun  —  mit  Musik  kömmt  und  die- 
selbe spielen  lässt,  während  er  selbst  dazu  singt,  giesst  sie  ein 
Schaff  Wasser  auf  ihn  mit  den  Worten  herab:  „Slige  poeter  skal 
saaledes  krones!"'  Dasselbe  passiert  Stygotius.  Da  er  um 
Einlass  pocht,  überschüttet  ihn  Pernille  mit  Wasser  mit  den 
Worten:  „Komm  saa  og  forär  mig  halve-skillinger  og  regne-penge 
en  anden  gang!" 

V.  Akt.  (1.)  Jesper  erzählt,  wie  nun  Leonardo  die 
meiste  Aussicht  auf  Erfolg  bei  seiner  Brautwerbung  habe.  (2.). 
Von  Jesper  erfährt  Stygotius  die  Geschichte  von  der  umge- 
tauschten Börse.  Pernille  hat  sich  für  Leonardo  entschieden 
(3.,  4.);  Peer  aber  meldet  (5.),  dass  Tyboe  nun  gegen  Sty- 
gotius wüte,  und  alsbald  (6.)  kömmt  Tyboe  selbst  mit  vier 
Soldaten,  an  welche  er  eine  Standrede  hält.  „Hörer  I  vel  kin- 
ders!  feldskriffet  skal  väre:  Per  Caudi!  Ilvem  I  treffer  udi  sort 
kiole,  skal  I  stöde  ned.:<  Da  kömmt  elend  geprügelt  (7.)  Pen-. 
Auch  Magister  Stygotius  hat   sich   eine   Mannschaft  aufgebracht. 


G36  XII.    Milcs  glorios'us. 

Noch  zweifelt  Tyboe:  „Hvor  skulde  han  driste  sig  til  at  gaae 
offensivemang. "  Da  naht  (8.)  von  der  andern  Seite  Magister 
Stygotius  selbst  mit  vier  Studenten.  Die  ganze  Szene  und 
Tyboes  Anordnung  ist  nach  Terenz  (Eun.  IV,  7.)  Wie 
Thraso  im  Hintertreffen  kämpft  (7.  781),  so  Tyboe:  „En  gene- 
ral  staaer  alticl  bagest. "  Doch  aber  will  Tyboe  Christenblut 
sparen.  Jespcr  soll  einen  Friedensversuch  machen.  Wie  Thraso 
(T.  789)  meint:  „Omnia  prius  experiri  quam  armis  sapientem 
decet,"  so  soll  Jesper  dem  Gegner  vorstellen:  „at  jeg  er  en 
mand,  som  bar  10  mäncls  styrke  .  .  .  at  jeg  bar  slaaet  2000 
mänd  ihiel  med  min  egen  haand  .  .  .  at  jeg  er  bekiendt  for  min 
tapperhed  over  heele  Holland  .  .  .  at  jeg  bar  omgaaeds  med 
förster  og  generaler  udenlands  .  .  .  at  kongen  af  Holland  bar 
foräret  mig  sit  porträt  u.  s.  w."  Unterdessen  ist  axich  Stygotius 
dem  Frieden  nicht  abgeneigt,  und  die  beiden  Vermittler,  Jesper 
und  Jens,   bringen  ihn  rasch  und  leicht  zustande. 

Jesp.  Hr.  von  Tyboe  holdes  af  alle  brave  officeers  for  en  giäk. 

Jens.  Min  herre  ligesaa  af  studenterne. 

Jesp.  Og  for  en  pultron. 

Jens.  Min  lig'esaa. 

Jesp.  Hr.  Tyboe  er  saa  bange  som  en  hare. 

Jens.  Min  herre  ligesaa. 

Schliesslich  erreicht  (11.)  Leonardo  sein  Ziel.  Er  verfolgt 
Tyboe  und  stösst  ihn  mit  dem  Degenschaft t  in  den  Rücken, 
worauf  Tyboe  entflieht:  ,.A  .  .  .  a  .  .  .  ich  bin  totlig  blessiert 
und  durch  gestossen  .  .  .  a  .  .  .':  —  Lucilia  erhält  Leonar- 
dos Hand. 

Noch  in  einer  andern  Komödie,  im  ,.Ulysses  von  Ithacia 
eller  En  Tydsk  Comoedie"  (1724) ')  gerät  Holberg  —  frei- 
lich in  anderer  Absicht  —  in  die  Manier  des  grossprahlerischen 
Soldaten  in  der  sechsten  Szene  des   ersten  Aktes  (S.   126): 

Scene  6.    Ulysses.    Chilian.'2) 

Ulysses.  Chilian!  vi  maae  strax  giöre  anstalter:  Fredsens  tempel 
maa  tillukkes  paa  nogen  tiid,  og  Bellonae  tempel  igien  aabnes;  mit  med 
drage-blod  besmurte  svärd  Dyrendal  träktes  af  skeeden,  mit  skiold, 
som  jeg  tog  fra  kongen  af  Mesopotamien  i  det  störe  slag  bey  Minchre- 
lien  hidföres,  tillige  med  min  Diamand-haarde  brynie  og  min  hielm, 
som  den  brasilianske  dronninsf  von  Saba  med  sine  alabasterhänder  satte 


')  Auf  Seite  111 — 202  des  dritten  Bandes  von  Ludvig  Holbergs 
„Comedier". 

2)  Nach  der  Übersetzung  von  Robert  Prutz  (S.  560): 
Ulysses.    Kilian,  wir  müssen  sofort  Anstalten  machen;  der  Friedens- 
tempel muss  auf  einige  Zeit  verschlossen  und  der  Bellona  Tempel  wieder 
geönnel  werden.   Mein  mit  Drachenblut  getünchtes  Schwert,  Theuerdank, 
muss    aus    der  Scheide  gezogen,    mein  Schild,   den   ich  dem  Könige  von 


L.  Holbergs  Ellefte  Junii.  637 

paa  mit  ridderlige  hoved,  da  jeg  skulde  i  kamp  med  den  4  re-hoved 
ridder  Langulamisopolidorius.  Min  udi  krig  flamme-spyende  liest  Pe- 
gasianus,  som  tilforn  var  den  stolte  ridder  Poliphemins  af  Mundien,  men 
omskabt  til  en  liest  af  bans  avindsyge  stivmoder  Constantinopolitania, 
maa  sadles  med  min  elfenbeens  sadel  og  mit  med  guld  og  perler  af  den 
longobardiske  jomfrue  Kosimunda  virkede  skabrak. 

Vhilian.  Det  kan  snart  blive  giort,  liavde  vi  kun  först  en  armee 
paa  beenene. 

ih/sses.  Armee!  Vi  skal  i  en  bast  faae  saa  mange  folk  sammen 
som  der  er  sands-korn  paa  de  arabiske  beeder. 

Über  die  Bedeutung'  dieser  Komödie  Holbergs  siebe  bei 
Pmtz  (Holberg,   S.  207—210). 

Einige  Berührungspunkte  mit  dem  Miles  finden  sich  auch 
in  Holbergs  Lustspiel  „Den  ellefte  Junii".1)  Dort  kömmt 
Henrich,  der  Diener  Skyldenborgs,  auf  die  Idee,  den  Gläu- 
biger seines  Herrn,  Studenstrup,  in  eine  ähnliche  Situation,  wie 
Pyrgopolinices,  zu  führen.  „Du  bar  en  honnette  fruen- 
timmer  i  dit  Huus,  om  forladelse,  jeg  vilde  sige  smukke;  den 
kiönneste  iblant  dem  maa  stille  sig  forliebt  i  ham  og  bilde  ham 
ind,  hun  er  diu  hustrue;  du  selv  skal  stille  dig  an,  som  du  est 
jaloux,  og  altid  bave  Oynene  paa  ham,  for  at  bestyrke  ham  dis- 
meere  i  de  Tanker"  (I,  7).  Studenstrup  (Ochsendorf)  geht 
wirklich  in  die  Falle  (IV,  1);  der  Wirt  schlägt  gewaltigen  Lärm, 
und  nur  um  hohe  Summen  giebt  er  die  Rachegedanken  auf.  Da 
Studenstrup  gezahlt  hat,  erfährt  er  die  ganze  Geschichte;  der 
Wirt  hat  gar  keine  Frau.  Zudem  hat  er  auf  ein  Haus  eine  Hypo- 
thek gegeben,   das  sich  nachher  als  Rathaus  erweist. 

Dieser  „Elfte  Juni"  hat  A.  v.  Kotz  ebne,  der  sich  mehr- 
fach   seine    Stoffe   bei   Holberg   holte,2)    zu   seiner   Posse    „Der 


Mesopotamien  in  der  grossen  Scblacbt  bei  Mingrelien  abgewonnen,  nräss 
hereingebracht  werden  zusamt  meinem  demantharten  Harniscb  und  mei- 
nem Helm,  den  die  brasilianische  Königin  von  Saba  mit  ibren  Alabaster- 
händen auf  mein  ritterliches  Haupt  setzte,  als  ich  in  den  Kampf  ging 
gegen  den  vierköpfigen  Ritter  Langulamisopolidorius.  Mein  im  Kriege 
flammenspeiendes  Ross  Pegasianus,  welches  zuvor  der  stolze  Ritter  Poli- 
pliemius  von  Mundien  gewesen,  allein  seine  neidische  Stiefmutter  Con- 
stantinopolitania verwandelte  ihn  in  ein  Pferd,  muss  gesattelt  werden 
mit  meinem  elfenbeinernen  Sattel  und  meiner  von  der  longob ardischen 
Jungfrau  Rosimunda  mit  Gold  und  Perlen  durchwirkten  Schabracke. 

lülian.  Das  kann  bald  geschehen  sein,  hätten  wir  nur  erst  eine 
Armee  auf  den  Beinen. 

Ulysses.  Armee?  In  einem  Augenblick  werden  wir  so  viel  Volks 
beisammen  haben,   als  Sandkörner  sind  in  den  Wüsten  Arabiens. 

')  Auf  Seite  1 — 95  des  zweiten  Bandes  von  Ludvig  Eolbergs 
„Comedier"  (Kjöbenhavn  1  SIT)  und  übersetzt  bei  1!.  Prutz,  Holberg, 
S.  4Ü7— 470. 

2)  Prutz,  Holberg  S.  227.  „Dass  auch  Kotzebue  sich  eine  Zeit 
lang  von  dem  Mark  der  Ho  1  b  ergschen  Komik  zu  nähren  suchte,  die 
auch  in  dieser  Verdünnung  eines  gewissen  Beifalls  noch  immer  nicht 
entbehrte,    wurde    bereits   erwähnt;   er   hat  nämlich  den  Ranudo,    den 


638  XU-    Males  gloriosus. 

Gimpel  auf  der  Messe"1)  veranlasst.  —  Eine  Art  von  Miles 
gloriosus  in  der  holländischen  Komödie  ist  Brederoos 
Junker  Jerolimo  Rodrigo,  „der  spanische  Brabanter" 
(1617)  mit  seinem  Pagen  Robbeknol:2)  auch  der  deutsche 
Kapitän  im  „Prahler"  (Zwetser)  des  Pieter  Langendijk 
(1683  — 1756)  gehört  in  diese  Kategorie.3) 


Auch  in  der  deutschen  Litteratur  finden  sich  Stücke,  welche 
den  grosssprecherischen  Maulhelden  Pyrgopoliniees  als  Mittel- 
punkt haben.  Obenan  steht  der  „Vincentio  Ladislao"  des 
Herzogs  Julius  von  Braunschweig  (1564 — 1613)  und  der 
„Horribilicribrifax",4)  ein  Scherzspiel  von  Andreas  Gryphius 
(geb.  11.  Oktober  1616;  gest.  1664). 

Grässe5)  bezeichnet  den  „Vincentio  Ladislao"  des  Her- 
zogs Heinrich  Julius  als  „eine  Art  Vorläufer  des  ,Horribili- 
cribrifax'  .  .  .,  worin  er  einen  echten  Krautjunker,  Bramarbas 
und  Feigling  zu  gleicher  Zeit  trefflich  gezeichnet  hat". 

Die  „Comoedia  HIDBELEPIHAL6).  Von  Vincentio 
Ladislao  Sacrapa7)  von  Man  tu  a,  Kempffern  zu  Ross  und  Fuess, 


Jeppe,  den  elften  Juni  and  den  verpfändeten  Bauernjungen 
bearbeitet,  vou  denen  besonders  der  erstere  sich  ziemlich  lange  auf  den 
Brettern  behauptete." 

*)  Almanach  dramatischer  Spiele  zur  geselligen  Unterhaltung  auf 
dem  Lande.  3.  Jahrg.  1805.  S.  51 — 114.  Hier  spielen  der  Pächterssohn 
Stoffelsack  von  Schiida  und  der  Baron  Würfe lknochen,  ein  „Che- 
valier d'iudustrie",  mit  seinem  Diener  Filuh. 

2)  Jonckbloet.    II,  137. 

3j  Ebenda.    II,  423. 

4)  Erste  Ausgabe  noch  zu  Lebzeiten  Gryphius':  Breslau. 
ohne  Jahreszahl:  2.  Ausg.  Breslau  1665  (bey  Veit  Jacob  Treschern); 
3.  Ausg.  Audreae  Gryphii  um  ein  merekliches  vermehrte  Teutsche  Ge- 
dichte. Bresslau  u.  Leipzig  in  Verlegung  der  Fellgiebalischen  Erben. 
1698.  4.  Ansg.  Dramatische  Dichtungen  von  Andreas  Gryphius: 
herausgegeben  von  Julius  Tittmann.  Lpz.  1870.  (S.  201 — 271.)  5.  Ausg. 
No.  3  der  Neudrucke  deutscher  Litterat urwerke  des  17.  und  18.  Jahr- 
hunderts. 1876.  Halle  a  S.  (Xiemeyer),  91  Seiten.  (Abdruck  der  ersten 
Ausgabe,  besorgt  von  Wilhelm  Braune.)  — Tgl.  Gödeke,  Elf  Bücher 
deutscher  Dichtung  (I,  374)  mit  C.  L.  Cholevius  Geschichte  der  deut- 
schen Poesie  (I,  381). 

5)  Handbuch  der  allgemeinen  Litteraturoeschichte  von  Dr.  J.  G.  Th. 
Grässe  (Leipzig  1850).  LTI.  Bd.,  S.  612.  Vgl.  besonders  Bud.  Genee. 
Lehr-  und  Wanderjahre  des  deutschen  Schauspiels.  Berlin  1882.  S.  233 
u.  s.  w.  und  Prölss,  Gesch.  des  neueren  Dramas.    IH,  1,  S.  167. 

ej  =  Henrici  Julii  Ducis  Brunsvicensis  Et -Luneburgensis, 
Episcopatus  Halberstadensis.  S.  Cohn.  Shakespeare  in  Germany. 
S.  XL,  Anm.  2.  —  Gervinus.    LH,  156. 

7)  Grässe  zitiert  Satrapa.  was  sich  auch  beiTittma-nn  vereinzelt, 
S.  XXXV.  und  Koberstein,  6.  Aufl.,  S.  410,  findet. 


Yincentio  Ladislao  des  Herzogs  von  Braunscliweig.  639 

weiland  des  edlen  und  ehrnuesten,  auch  manhafften  vnnd  streit- 
baren Barbarossa  Bellicosi  von  Mantua,  Rittern  zu  Malta,  ehe- 
lichen  nachgelassenen  Sohn.  Mit  zwölff  Personen.  Wolffenbüttel 
M.D.XCIV,"  ')  des  Herzogs  Heinrich  Julius  von  Braun- 
schweig-,2) enthält  „die  feinere  Auffassung'  des  Capitano  Spa- 
vento,  des  personifizierten  Schreckens".  Sie  „erhebt  den  Maul- 
helden über  den  ordinären  Bramarbas ,  dessen  Lohn  auf  der 
italienischen  Bühne  eine  Tracht  Prügel  zu  sein  pflegt.  Vin- 
cent ius  ist  im  Grunde  ein  gebildeter  Mann,  wenigstens  so  gut 
wie    mancher    andere,    der    es    wirklich    zu   Ansehen   und    Würde 

gebracht   hat Er   ist    allen    Sterblichen    überlegen,    nicht 

nur  in  allen  ritterlichen  Künsten  und  an  Tapferkeit,  sondern 
auch  in  der  "Wissenschaft,  als  frommer  Christ  sogar  in  der  Theo- 
logie bewandert,  er  ist  Musiker  u.  s.  w.  v  In  der  That  aber  ist 
er  das  gerade  Gegenteil  dessen,  was  ein  Mann  sein  soll.  Natür- 
lich sucht  er  im  Gespräch  den  Ausdruck  mit  seinem  innern  Wert 
und  dem  Glänze  seines  äussern  Menschen  in  Einklang  zu  bringen. 
Er  spricht  anders  als  ordinäre  Menschenkinder;  die  gewöhnlichsten 
Dinge  —  dies  ist  ein  gemeinschaftlicher  Zug  der  Sippschaft,  zu 
der  er  gehört  —  umschreibt  er  mit  hoch  klingenden  Redens- 
arten; er  ist  überall  bemüht,  den  Ton,  der  damals  schon  in 
Deutschland  eindringenden  absonderlichen  Amadisischen  Redeweise 
einzuhalten. "  3) 

Vincent  ius  Ladislaus  will  vor  allem  mit  dem  ihm  gebüh- 
renden Titel  angesprochen  werden.  Dieser  ist:  „Edler,  Ehrn- 
uester,  Manhaffter,  in  Krieg'sleufften  vnd  andern  freyen  löblichen 
Künsten  wol  erfarner,  weitberhümbter  Kempffer  zu  Ross  vnd  Fuess, 
Gestrenger  Juncker  vnd  Herr"  (II,  1),  und  so  wird  er  von  seinem 
Schreiber  Valerius  ständig  angeredet.  Er  selbst  spricht  von 
sich:  „Wir  Vincentius  Ladislaus  Sacrapa  von  Mantua. "  Seine 
Heldenthaten  weiss  er  ins  richtige  Licht  z\i  stellen.  „Ist  ein 
Man  in  der  Welt  jetzunder,  so  dem  Türeken  wird  wiederstandt 
thun  können,  so  sol  es  dieser  Man  thun.    (Weiset  auff  sich  selber), 


')  Auf  S.  137  — 174  des  vierzehnten  Bandes  von  „Deutsche 
Dichter  des  sechzehnten  Jahrhunderts.  Mit  Einleitungen  und 
Worterklärungen.  Herausgegeben  von  K.  Gödeke  und  J.  Tittmann. 
Lp/.  1880."  —  Auf  S.  507—555  des  36.  Bandes  der  Bibliothek  dea 
litterarischen  Vereins  in  Stuttgart.  1855  herausgegeben  von 
W.  L.  Holland. 

2)  S.  Gödeke,  Grdss.  I.  407.  408.  —  Bibliothek  des  Stuttgarter 
Litterarischen  Vereins.    Bd.  36.    (1855.)    S.  897— «tu:!. 

3)  Tittmann.  pag.  XXXV.  XXXVI.  —  Vgl.  ferner  II.  Grimm, 
Das  Theater  des  Herzogs  Heinrich  Julius  von  Braunschweig.  Wester- 
mans  Monatshefte,  1856,  Dezember.  —  0.  v.  Heinemann.  Aus  <l«-r  Ver- 
gangenheit des  weifischen  Hauses.  Wolfenbüttel  L881,  und  eine  Reihe 
von  Holland,  S.  805.  809.  810.  angeführter  Werke!  —  Vgl.  über  das  Ver- 
hältnis lies  Vincentius  zu  Aretinos  ,.il  marescalco",  rrölss.  1,2.124. 


6-40  SU.    Miles  gloriosus. 

Vnd  wenn  Alexander  Magnus,  so  die  gantze  "Welt  in  Zwölff 
Jaren  bezwungen  hat,  noch  lebte,  Solte  ihm  dieser  Man  zu 
schaffen  gehen  ....  Es  ist  vnmüglich  zn  gleuben,  Was  wir  vor 
Ritterliche,  Marihafffce,  fürtreffliche  Thaten  haben  ausgerichtet. 
Als  wir  noch  ein  Student  waren,  Wie  Avir  vns  dann  von  Jugendt 
auff  die  (der)  Kriege  bevlissen,  Da  haben  wir  neben  andern  Stu- 
denten, Welcher  in  der  Zal  Zweihundert  vnnd  Nenn  vnd  Neuntzig 
gewesen,  Sieben  Tausent  Kriegsleut  erlegt,  Vnd  keinen  gefangen 
genommen.  - 

Ja  selbst  die  Weiber  seines  Stammes  teilen  diese  ritterliche 
Art.  „Vnser  geliebte  Schwester,  So  im  in  Gott  verstorben,  Hat 
in  einer  Vestnng,  darin  wir  belagert  waren,  in  einem  Tage  im 
Stürmen  Vier  vnd  Zwantzig  Kerl  vinbgebracht"    (V,    1). 

Die  erste  Szene  des  fünften  Aktes  gilt  hauptsächlich  der 
Aufzählung  solcher  Bravourstücke  Vincentios.  Dabei  lässt 
Herzog  Heinrich  Julius  seinen  Capitano  zum  reinen  Münch- 
hausen  werden.1)  Er  erzählt  die  tollsten  Streiche.  So  seine 
einmal   erfolgte  Gefangennehmung. 

„Ja,"  erzählt  er,  „Wir  sind  einmal  gefangen  worden,  Wie 
aber  solches  zugangen,  wollen  wir  E.  F.  G.  berichten.  Wir  waren 
inn  der  Belagerung  vor  einer  Stadt,  Vor  derselben  thaten  wir 
neben  vnsern  Gesellen,  starcke  Scharmützel,  Vnnd  durch  dasselbe 
Scharmützel  kamen  wir  gar  nahe  zum  Thor  vnd  wurden  alldar 
von  vnsern  Gesellen  verlassen ,  Wie  wir  nun  nicht  wenden 
konndten,  musten  wir  noth  halben  es  wagen,  vnd  mit  den  Fein- 
den in  die  Stadt  eilen.  In  dem  wir  hinein  renten,  liess  der  Thor- 
Wechter  das  Schutz-Gitter  inn  aller  eile  fallen,  Vnd  schlug  damit 
vnserm  Gaul  das  hintertheil  biss  an  den  Sattel  ab,  Wir  Wurden 
aber  solches  nicht  gewahr,  Renneten  auch  dem  Feinde  mit  dem 
halben    Pferde    nach,     biss    auff"    den    Marckt,     Vnd    thaten    noch 


')  Vgl.  Tittmann  XXXIX.  „Das  meiste  Derartige  war  in  der 
Scliwanklitteratur  der  Zeit  zu  lesen.  Dass  fast  alles  weltbekannt  ist, 
kann  der  komischen  "Wirkung  nur  vorteilhaft  sein.  Kirchhofs  „Wend- 
unmuth"  hat  der  Herzog,  man  kann  sagen,  mit  dem  Buche  in  der  Hand 
benützt.  Ein  Schlosser  zu  Cannstadt,  „wegen  seiner  unglaublichen  Keden 
der  Lügensckmied"  genannt,  erlebte  das  Unglück  mit  dem  halbierten 
Pferde ;  so  erzählt  Kirchhof  (I,  25-1),  indem  er  sich  auf  Bebelius  bezieht. 
(28.").)  Andere  Abenteuer,  wieder  nach  Bebelius,  stehen  in  den  unmittelbar 
folgenden  Nummern  des  „Wendunmuth" :  Die  beiden  Geschichten  von 
Wildschweinen,  von  dem  umgewendeten  Wolf  und  dem  Diener  im  Magen 
iles  Fisches,  Die  grosse  Braupfanne  und  der  Schmied,  der  ein  Pferd 
im  Rennen  beschlägt,  sind  auch  im  Märchen  bekannt.  Dass  einzelne 
der  Lügen  in  R.  E.  Raspes  (1737  — 1794)  „Baron  Münchhausen"  über- 
gegangen sind,  kann  sich  dadurch  erklären,  dass  dem  Verfasser,  der 
Bebelius  und  Kirchhof  ohne  Zweilel  kannte,  auch  der  „Vincentius  Ladis- 
laus"  auf  der  Göttinger  Universitätsbibliothek  zugänglich  war".  Siehe 
Eingehendes  bei  W.  Holland.  S.  897  ff. 


Viucentio  Ladislao  des  Herzogs  von  Braunschweig.  (341 

daselbst  dem  Feinde  nicht  geringen  abbrach.  Als  wir  aber  ver- 
merckten,  das  vns  der  Feindt  wollte  zu  starck  werden,  wolten 
wir  vns  wenden,  Vnd  in  dem  stürtzte  das  Pferd  mit  vns,  Vnd 
würden  gewahr,  das  wir  ein  solchen  grossen  schaden  empfangen 
hetten,  Musten  also  vns  wieder  vnsern  willen  gefangen  geben,  Vnd 
vns  mit  einer  Tonnen  Goldes  Rantzaunieren. " 

Johan  Bouset,  der  —  eine  Art  Parasit  —  alles  bestätigt 
und  gesehen  haben  will,  was  Vincentius  erzählt,  muss  hier 
doch  erklären:  „Das  habe  ich  nicht  gesehen,  Dann  ich  bin  nicht 
dabey  gewesen." 

Im  Ferneren  (V,  2)  erzählt  Vincentius  die  bekannte  Ge- 
schichte von  dem  blinden  Wildschwein,  von  dem  Wolf,  den  sie 
umwendeten,  »wie  ein  Schuster  die  Schlich ■',  und  eine  Reihe  Jagd- 
abenteuer. 

Man  sieht,  der  Miles  gloriosus  hat  hier  neben  seiner 
kriegerischen  Ruhmredigkeit  eine  ganz  andere  Seite 
noch  ausgebildet. 

Die  dritte  Szene  des  fünften  Aktes  lässt  uns  in  ihm  den 
Fechter  bewundern. 

„Wir  haben  vns,''  sagt  er,  „jederzeit  aller  Ritterlichen 
Künsten  vnd  Thaten  beflissen,  Vnd  sonderlich  des  Fechtens  vnd 
Kempffens,  Wie  wir  dann  darin  dermassen  geübt  vnd  erfaren 
sein,  Das  wir  nicht  gleuben,  Das  vnsers  gleichen  jetzo  in  der 
Welt  ist.  Wir  seind  des  Rapiers  so  mechtig,  Das  wir  einen  auff 
einen  Knopff  stossen  können,  aufF  welchen  wir  nur  wollen,  Vnd 
wenn  ein  ander  meint,  Wir  sein  noch  weit  von  jhnie,  So  hat  er 
die  Wehre  schon  im  Leibe.  Wie  wir  dann  auch,  Wenn  wir 
vnser  Wehr  auff  die  Seiten  hangen,  schon  wissen,  Was  wir  gegen 
vnsern  Feind  gebrauchen  wollen,  Wir  haben  vns  offtmals  mit  vier 
oder  fünffen  zugleich  geraufft,  Welche  wir  zu  boden  geschlagen, 
Vnd  seind  von  jhnen  nicht  berüret  worden.  Vnser  Fechten  ist 
auch  kein  gemeine  Fechten,  Dann  wir  fechten  im  Rapier  allein, 
Im  Rapier  vnd  Dolchen,  Im  Rapier  vnd  Mantel,  Auch  wol  mit  vier 
Rapieren.  Vnnd  wie  es  jmmer  tauglich  zu  erdencken,  so  können 
wirs   zuwege   bringen." 

Als  Fechter  zeigt  sich  Vincentius  sogleich  als  Feigling; 
es  ist  ihm  zu  heiss,  der  Gegner  ist  link  und  ähnliches.  Sodann 
liebt  Vincentius  wenig  Ehre  als  Musiker  auf  und  erringt 
keinen  Beifall  als  Tänzer,  obwohl  er  nicht  glaubt,  „das,  so  viel 
springen  vnd  tantzen  anlanget,  vnsers  gleichen  baldt  sol  gefunden 
werden."  Schliesslich  verlangt  er  vom  Herzog  Silvester  die 
schöne  Angelika   als    „Ehegemahl   vnd  Bettgenossen". 

Des  Herzogs  Gattin,  Eleonora,  hat  Vincentius  durch- 
schaut. Nach  ihrer  Meinung  hat  er  „alle  eigenschaffteri  eines 
hoffertigen  Narren  an  sich"    (VI,  1).      Dass  er  nun  glaubt,   Ange- 

41 


042  XII.    Miles  gloriosus. 

lika  liebe  ihn,  zeugt  am  stärksten  von  seiner  Thorheit.  Noch- 
mal  erzählt  Vincentius  eine  Reihe  seltsamer  Erlebnisse,  dies- 
mal von  Pferden  und  dem  Schmied,  der  „seiner  Kunst  so  fertig" 
war,  ..das  er  im  Ringrennen  in  voller  Currir  einem  Pferde  ein 
Eisen  ausgeschlagen  kondte,  Vnd  am  Rennen  nichts  hinderte." 
Da  erhält  er  einen  zusagenden  Brief  Angelicas.  Man  hat  für 
ihn  und  Angelica  ein  Hochzeitslager  hergerichtet,  in  dieses  setzt 
man  ihn;  — ■  aber  —  „wie  er  meinet,  er  sitze  zum  allerbesten, 
feilt  er  in  die  Bütte  mit  Wasser,  Da  lachet  nun  niemandt  als 
jederman. " 

Johan  Bouset  beschimpft  ihn:  ,.Esel  vnd  LügenhafFtiger, 
in  Lügen  wolerfahrner  mit  der  Thorheit  vnd  Tölpischen  Moribns 
wolbegabter  Kempffer  zu  Fues  mit  der  Leddern  Kolbe,  vnnd 
Ritter  auflm  Esel  mit  der  Strewgabel,  Fliegen-  vnd  Mucken-Oberster, 
Wie  gefeilt  dem   Herrn    das  Badt?" 

Vincentius  fasst  sich  langsam.  „Sol  man  einen  so  Für- 
trefflichenn,  Weithberhümbten,  Erfahrnen  vnd  Verstendigen  Man, 
Als  wir  sein,  So  schamphieren,  vnd  einen  solchen  Spott,  be- 
weisen?" Er  tritt  ab.  Sie  selber  werden  durch  den  Verlust 
eines  solchen  Mannes  am  meisten  bestraft  sein.  Faule  Eier 
werden  ihm  nachgeworfen.  „Er  mus  dauon  lauffen,  Vnd  gehen 
alle  abe." 

Der  „Miles  gloriosus"  erscheint  hier  nur  zum  Teile 
in  seiner  Urgestalt  als  militärischer  Bramarbas.  Er  ist 
eine  Art  gutmütigen  Aufschneiders  auf  allen  Gebieten,  besonders 
auch  auf  dem  der  Jagd,  ein  Mittelding  „vom  Finkenritter  und 
den  Bramarbassen  des  dreissigjährigen  Krieges,  ein  Vorläufer 
der  ,Horribilicribrifax'-  und  ,Daradiridatumtarides'"  i) 
geworden. 

Das  Stück  muss  sehr  gefallen  haben. 2)  Im  Jahre  1601 
übernahm  es  ein  Organist  in  St.  Nicolai-Kirchen  in  Stralsund, 
das  Lustspiel  metrisch  zu  bearbeiten,  da  ihn  seine  Freunde  baten, 
es  „zu  vertieren  vnd  in  Reim  zu  bringen."  Der  Titel  ist  hier: 
„Comoedia  H.I.D.B.E.L.E.P.I.H. A.L.  von  Vincentio  Ladislao, 
Satrapa3)  von  Mantua,  Kempffer  zu  Ross  vnnd  Fuss,  Weilandt 
des  Edlen  vnd  Ehrnvesten,  Auch  Namhafften  vnd  Streitbaren 
Barbarossa  Bellicosi  von  Mantua,  Rittern  zu  Malta,  Ehelichen 
Nachgelassen  Sohn.  Welche  vorhin  in  Prosa  zu  Wolffenbüttel, 
Anno   1599  gedrucket,  jetzo  aber  in  Reim  gebracht  durch  Eli  am 


')  Holland  a.  a.  0.,  S.  898. 

2)  Vgl.  über  Aufführungen:  Traut  mann  in  Schnorrs  Archiv  f.  L.. 
Bd.  XI  (1882)  und  Joh.  Meissner,  „Die  englischen  Komödianten"  u.  s.  w. 
Wien  1884.     S.  33. 

3)  Vgl.  S.  638.     A.  7. 


Horribilicribrifax.  643 

Herlicitim  Cicensem,  Organisten  zum  Strallsundt  in  Pommern. 
Gedruckt  zu  Wittenberg,  durch  Lorentz  Seuberlich.  Anno  M.DC.L  i) 

Wieder  ganz  auf  militärischem  Boden  .stehen  dagegen 
die  Helden  des    „Horribilicribrifax-. 

Die  beiden  ..weiland  reformierten  Hauptleute  Don  Dara- 
diridatum tarides  Windbrecher  von  Tausend  Mord  auff 
N.  N.  X.  Erbherr  in  und  zu  Windloch  und  Don  Horri- 
bilicribrifax von  Donnerkeil  auf  Wüsthausen  sind  Er- 
rungenscbaften  des  dreissigjährigen  Krieges. 

Kapitän  Dar  adirida  turnt  arides  qualifiziert  sich  bereits 
in  der  ersten  Szene  des  ersten  Aktes  als  der  Miles  gloriosus, 
bei  welchem  Prahlerei  und  Feigheit  sich  paaren. 

Der  Erste  Aufzug. 

[1]  Capitain  Daradiridatumtarides  Windbrecher  von  Tausend 
Mord.     Don  Cacciadiavolo.     Don  Diego,  seine  Diener. 

Darad.  Don  Diego,  rücket  uns  den  Mantel  zurechte,  Don  Caccia- 
diavolo, Ich  halte,  dass  das  Ostliche  Theil  des  Bartes  mit  der  West 
Seiten  nicht  allzuwol  überein  komme. 

Don  Cacc.  Grossmächtigster  Hr.  Capiten,  es  ist  kein  Wunder!  Die 
Haare  der  lincken  Seiten  sind  etwas  versenget  von  den  Blitzen  seiner 
Feuerschiessenden  Augen. 

Darad.  Blitz,  Feuer,  Schwefel,  Donner,  Salpeter,  Bley  und  etliche 
viel  Millionen  Tonnen  Pulver  sind  nicht  so  mächtig,  als  die  wenigste 
reflexion,  die  ich  mir  über  die  reverberation  meines  Unglücks  mache. 
Der  grosse  Chach  Sesi  von  Persen  erzittert,  wenn  ich  auff  die  Erden 
trete.  Der  Türkische  Kaiser  hat  mir  etlich  mahl  durch  Gesandten  eine 
Offerte  von  seiner  Krön  gethan.  Der  weitberühmte  Mogul  schätzt  sein 
retrenchemente  nicht  sicher  für  mir.  Africa  hab  ich  vorlängst  meinen 
Gameraden  zur  Beute  gegeben.  Die  Printzen  in  Europa,  die  etwas  mehr 
courtese  halten  Freundschafft  mit.  mir,  mehr  aus  Furcht,  als  [2]  wahrer 
affection.  Und  der  kleine  verleckerte  Bernhäuter,  der  Rappschnabel, 
Ce  bugre,  Ce  larron,  Ce  menteur,  Ce  fils  de  Putaing,  Ce  traistre,  Ce 
faqvin,  Ce  brutal,  Ce  bourreau,  Ce  Cupido  darff  sich  unterstehen,  seine 
Schuck  an  meinen  Lorberkräntzen  abzuwischen  Ha  Ma  Deesse!  merville 
de  monde  adorable  beaute!  Unüberwindliche  Schöne!  unvergleichliche 
Selene !  wie  lange  wolt  ihr  mich  in  der  Courtegarde  eurer  Ungunst  ver- 
arrestiret  halten? 


')  Bei  Holland,  S.  641— 734  u.  S.  905.  —  Das  Stück  hat  hierdurch 
an  Ausdehnung  wesentlich  gewonnen.  So  lautet  z.  B.  Johan  Bousets 
(hier  Johan  B ausser)  letzte  oben  angeführte  Rede: 

Esll,  vnd  Lügenhaffter.  Wblerfarner, 

In  Lüge,  mit  Thorheit  angebornr, 

\'ikI  andern  tölpschen  moribus 

Wolbegabter,  Kempffr  zu  Boss  vnd  Fuss, 

Mit    der  ledern   Kolb.   Lüirenfald, 

Rittr  auff  dem  Esl  mit  der  Strewgabl, 
Der  Pliegn  vnd  Mückn  öbrster  Vnflat, 

Wie  gfelt  dem  Herren  nu  das  Badt. 
i  km  t   wdll  es  dem  Herren  gesegn, 
Itzund  hiei-.  vnd  sonsl    allerwi 

41* 


(544  XU.    etiles  gloriosus. 

Don  Diego.  Signor  mio  illustrissimö !  Mich  wundert  nicht  wenig, 
dass  ihr  das  Bollwerk  von  Selene  noch  nicht  habt  minireu  könuen.  Die 
Damosellen  dieses  Landes  erschrecken,  wenn  sie  euch  von  Spiessen, 
Schlachten,  Köpftabhauen,  Städte  anzünden  und  dergleichen  discuriren 
hören.  Sie  meinen,  dass  ihr  todos  los  Diabolos  in  der  Vorbruch,  wie 
die  Schweitzer  in  dem  Hosenlatz  traget.  Mich  düuckt  Palladius  richte 
mit  seiner  anmuthigen  Courtesi  weit  mehr  aus,  als  wir  mit  allen  unsern 
Rodomantaden. 

Darad.  Palladius?  Wenn  er  mir  itzund  begegnete,  wollte  ich  ihn 
bey  der  äussersten  Zehe  seines  lincken  Fusses  ergreiften,  dreymal  umb 
den  Hut  schleudern,  und  darnach  in  die  Höhe  werften,  dass  er  mit  der 
Nasen  an  dem  grossen  Hundsstern  solte  kleben  bleiben. 

Don  Cacc.  Es  were  zu  viel,  dass  er  von  solchen  Ritterinässigen 
Händen  sterben  solte.  Wenn  er  uns  gleich  itzund  in  der  Furie  begeg- 
nete, wolte  ich  ihm  bloss  in  das  Gesicht  speyen,  er  würde  Zweiffels 
ohne  bald  in  Asch  und  Staub  verkehret  werden. 

Darad.  Behüte  mich  der  grosse  Vitrliputrli,  was  ist  das  ?  Dort  (es 
erscheinet  von  ferne  eine  Katze)  sehe  ich  zwey  brennende  Fackeln  uns 
entgegenkommen  ? 

Don  Cacc.  Holla!  ins  Gewehr!  ins  Gewehr.  Die  Nacht  ist  nie- 
mands  Freund. 

[3]  Darad.  Ey  last  uns  weichen!  wir  sind  ausser  unserm  Vortheil 
und  möchten  verrätherlich  überfallen  werden.  Ich  wil  nicht  von  mir 
sagen  lassen,  dass  ich  mich  der  Finsternis  zu  meiner  Victorie  missge- 
brauchet. 

Don  Cacc.  Bey  der  Seel  des  General  Wallensteins,  sie  blasen  zu 
Sturm. 

Don  Diego.  Ey  last  uns  stehen  bleiben!  sehet  ihr  nicht?  es  ist 
eine  Katze,  die  also  mit  den  Augen  fünckelt. 

Don  Cacc.    Es  mag  der  Beelzebub  wohl  selber  seyn. 

Darad.  Ho!  ich  bin  vor  ihm  unerschrocken.  Der  ganze  Leib  zit- 
zert  mir  vom  Zorn,  wie  eine  Gallart.  Ich  werde  gantz  zu  lauter  Hertze 
und  kenne  mich  schier  selber  nicht,  ich  schwitze  vor  Begierde  zu  fechten. 
Voicus  le  bras  qvi  rompt  le  cours  des  destins  de  tous! 

Don  Diego.    Des  fous !  Und  fährt  vor  Furcht  aus  den  Hosen. 

Darad.     Was  sagt  Don  Diego? 

Don  Diego.  Ich  sage,  ihm  reissen  vor  Ungeduld  zu  warten  die 
Hosen  entzwey. 

Darad.  zeucht  den  Degen  aus:  Sa!  sa!  heran,  heran,  du  seyest  auch 
wer  du  seyest !  je  brave  la  main  des  parqves,  ich  habe  wohl  eher  alleine 
dreissig  mahl  hundert  tausend  millionen  Geister  bestanden. 

Don  Diego.     Minder  eine  halbe. 

Don  Cacc.  Wol  was  gerass  ist  dieses.  Der  Nachtwächter  beginnt 
zu  singen,  Ihr  lieben  Leute  last  euch  sagen,  und  dergleichen. 

Darad.  Bey  meinem  adelichen  Ehren,  ich  halte  doch,  es  gehen 
Gespenster  um.  Was  ists  von  nöthen,  dass  wir  die  Zeit  so  früh  auf  der 
Gassen  zubringen.     Wer  Unglück  suchet,  der  verdirbet  darinnen. 

Den  zweiten  Akt  leitet  Horribilicribrifax  mit  seinem 
Pagen  Harpax  ein.  Er  hat  alle  Kennzeichen  des  Miles 
in   seiner   späteren   Form. 

[15]  Die  andere  Abhandelung. 

Horribilicribrifax  Donnerkeil.     Harpax  sein  Page. 

WAS?  Dass  der  Keyser  Friede  gemacht  habe,  sonder  mich  um 
Bath  zu  fragen?  Oh  gvarta!  novella  de  spiritare  il  mondo. 


Horribilicribrifax.  645 

Page.  So  sagen  sie,  dass  der  Keyser  Frieden  gemacht  habe  mit 
dem  König  in  Schwaben. 

Horrib.     Mit  dem  König  in  Schweden  wilst  du  sagen. 

Page.    Ja  Schweden  oder  Schwaben,  es  ist  mir  eins. 

Horrib.  Friede  zu  machen  sonder  mich?  ä  qvaesto  modo  si!  hat  er 
nicht  alle  seine  Victorien  mir  zu  dancken?  hab  ich  nicht  den  König  in 
Schweden  niedergeschossen?  Bin  ich  nicht  Ursach,  dass  die  Schlacht 
vor  Nördlingen  erhalten?  habe  ich  nicht  den  Sachsen  sein  Land  einge- 
nommen? habe  ich  nicht  in  Dennemarck  solche  reputation  eingelegt? 
was  wer  es  auff  dem  Weissen  Berge  gewesen  sonder  mich?  E  che  f'ama 
non  in'  acquistai,  quando  contesi  col  granTurca?  Pfui!  trit  mir  aus  den 
Augen;  denn  ich  erzürne  mich  zu  tode,  wo  ich  mich  recht  erbittere. 
Vinto  dal  ira  calda  e  bollente  e  dallo  sdegno  arrabiato,  so  erwische  ich 
den  Stephans-Thurm  zu  Wien  bey  der  Spitzen  und  drück  ihn  so  hart 
darnieder,  si  forte  in  terra,  dass  sich  die  gantze  Welt  mit  demselben 
umkehret,  als  eine  Kegel-Kaul. 

Page.     Ey,  Signor  mio,  wo  wolten  wir  denn  stehen  bleiben? 

Horrib.  Non  fernere!  Als  wenn  sich  iemand  kümmern  dürffte,  der 
bey  mir  stehet!  lass  mich  darvor  sorgen!  aber  siehe  da,  meine  Sonne! 
mein  Leben!  [16]  meine  Göttin  erscheinet.  Signora  mia,  bella  di  corpo, 
bellissima  d'  animo. 

Wie  von  Pyrgopolinices,  weiss  axxcli  von  diesen  Leuten 
das  Volk,  was  es  von  ihnen  zu  halten  hat.  „Der  Kopff  tlvut 
mir  weh,"  sagt  (28.)  Don  Diego,  „über  dem  unmässigen  Auf- 
schneiden unsere  Capitains,  welcher  doch  in  Wahrheit  nichts 
anders  ist,  als  ein  gehelmeter  Hase,  wer  ihn  reden  höret,  meinet, 
er  were  der  ander  Hercules,  oder  der  grosse  Roland.  Sobald 
er  aber  in  eine  „occasion"  geratuen,  wil  er  für  Furcht  gar  zii 
trieffen. " 

Mit  Pyrgopolinices  rühmt  sich  Daradiridatumtarides 
der  Gunst  der  Hohen.  „Mit  dieser  güldenen  Ketten,"  sagt  er 
(34.)  seiner  Selenissa,  „welche  mir  der  unsterbliche  Soldat  von 
Pappenheim  mit  eigenen  Händen  an  den  (35.)  Hals  gehangen, 
als  ich  zuerst  mich  auff  die  Magdeburger  Mauren  geAvagt,  ver- 
binde ich  mir  meine  Göttin,  welche  mir  GOtt  Mars  selber  mit 
allen  seinen  Feuerspeyenden  Granaten  und  Donnerschwangeren 
Canonen  nicht  abjagen  soll."  Schon  als  Kind  hatte  er  seines 
Vaters  Degen  (36.)  „von  der  Mauer  herunter  gezogen  und  damit 
so  ritterlich  herumgesehwermet ,  dass  ich,"  sagt  er,  „der  Heb- 
ammen den  Kopff  und  der  Kinder -Magd  den  Leib  ontzwey 
gehauen. " 

Köstlich  ist  Horribilicribrifax,  da  er  hört,  Sempro- 
nius,  der  Gelehrte  des  Stückes,  unterstehe  sich,  „seine  Ge- 
danken da  einzuqvartiren,  wo  allein  der  unüberwindliche  Horri- 
bilicribrifax Winterlager  halten  soll."  Dieser  lateinisch  und 
griechisch  sprechende  Sempronius  erinnert  mit  jedem  Worte 
an  Holbergs  Stygotius,  besonders  auch  in  seiner  Gegenüber- 
stellung mit  Horribilicribrifax.  „Ist  er  Horribilicribrifax 
von  Donnerkeil,    so   bin   ich   (44.)   Sempronius   von   Wetter- 


B46  Xu.    Hiles  gloriosus. 

] curli  i  c n.  tänia  super  aethera  notus."  Richtig  spricht  Sempro- 
nius  von  Horrihilicribrifax  (43.):  „Sed  qyid  sibi  vult  Pyr- 
gopolinices iste  qui  itä  gladiatorio  animo  ad  nos  affectat  viam?" 
—  ein  direkter  Beweis  für  die  Urverwandtschaft  des 
Pyrgopolinices  und  des  Horrihilicribrifax.1)  Dass  Hol- 
berg Grryphius  gekannt  hat,  könnte  wohl  gegen  Prutz 
(vgl.  S.  632)  aufrecht  erhalten  werden.-) 

Zum  Schlüsse  ergeht  es  den  beiden  Helden  übel.  Noch 
gestern  hat  die  Königin  von  Monopotapa  durch  einen  eigenen 
Kourier  den  Daradiridatumtarides  ihr  Königreich  anbieten 
Lassen,  mit  dem  Bedinge,  dass  er  sie  heirate  (75.);  da  hetzt  die 
beleidigte  Selenissa  den  Horrihilicribrifax  auf  ihren  treulosen 
Liebhaber  Daradiridatumtarides.  Wir  sehen  den  Kampf  der 
beiden  Hasenfüsse  nicht  mehr,  da  Dionysius  beiden  die  Degen 
abnimmt,  sie  mit  denselben  auf  die  Köpfe  schlägt  und  mit  dem 
Rufe  (82.)  „Aufschneider,  Lügner,  Berenhäuter,  Bengel,  Bauren- 
schinder,  Ertznarren,   Cujonen"   verjagt. 

Diese  Gestalt  nahm  unter  den  Wirren  des  dreissig- 
jährigen  Krieges  der  „Miles  gloriosus"  in  Deutsch- 
land  an. 

Ziemlich  strenge  hielt  sich  Reinhold  Lenz  an  den  Gang 
des  plautinischen  Originales,  als  er  im  Jahre  1772  sein  Lustspiel 
„Der  grosspralerische  Offizier"  schrieb,  das  dann  unter 
dem  Titel  „Die  Entführungen"  umgearbeitet  wurde.  Über 
das  Verhältnis  der  beiden  Stücke  zu  einander  berichtet  Wein- 
hold:3) „Lenz  hatte  den  „Miles  gloriosus"  soweit  gefördert, 
dass  er  Goethes  Urteil    wünschte,    wobei    es    schon    in   ihm    fest 


')  Tittman  (pag.  LIV)  sagt:  „Ohne  Zweifel  kannte  Gryphius 
seinen  Plautus  and  Terenz,  aber  auch  sicher  die  , Illusion  coini- 
que'  des  Jüngern  (muss  natürlich  heissen  altern)  Corneille  und 
Shakespeares  ,Verlorene  Liebesmüh'."  An  die  erstem  erinnern 
die  ganze  Auffassung  und  der  Grundton  ihres  prahlerischen  Wesens,  an 
den  letzten  nicht  bloss  allgemeine  Anklänge,  sondern  selbst  einzelne 
Reminiszenzen.  [Man  vergleiche  nur  den  Schluss  des  Liebesbriefes  von 
Sempronius  Act  II,  „der  die  Erde  küsset,  auf  welcher  das  Gras  ge- 
wachsen, welches  der  Ochse  aufgessen,  aus  dessen  Leder  euere  Schuch 
Solen  geschnitten,"  mit  den  Worten  des  Armado  I,  2:  „Ich  verehre 
selbst  den  Boden,  welcher  niedrig,  wo  ihr  Schuh,  welcher  niedriger,  ge- 
führt von  ihrem  Fuss,  welcher  am  niedrigsten,  einhertritt."]  Die  Gattung 
vun  Menschen,  deren  der  Dichter  sogar  zwei  einander  gegenüber  stellt, 
trägt  von  Gryphius  bis  Plautus  hinauf  dieselben  physiognomischen 
Grundzüge.  Der  Pyrgopolinices  ist,  wie  Corneilles  Matamore  und 
Gryphius'  beide  Helden,  ein  Achill,  der  Legionen  mit  einem  Hauch 
wegbläst;  aber  noch  mehr,  er  ist  der  Schützling  zweier  Gottheiten,  nicht 
allein  des  Mars,  sondern  auch  der  Venus;  seine  Schönheit  ist  ihm  eine 
Qual,  denn  alle  Weiber  laufen  ihm  nach." 

2)  Vgl.  dagegen  L.  Wachler,  Geschichte  der  Litteratur.    HI,  298. 

3)  Dramatischer  Nachlass,  S.  10. 


R.  Lenz,  Die  Entführungen.  (i47 

stund,  das-,  diese-,  Stück  auf  das  deutsche  Theater  sollte.  Er 
hatte  deshalb  eine  freie,  sich  nicht  genau  an  den  "Wortlaut  seines 
Originals  haltende  Übersetzung"  gemacht  und  sich  Abweichungen 
mancher  Art  gestattet,  um  das  Stück  dem  neuen  Geschmack 
näher  zu  bringen.  Dies  hatte  ihn  zu  einzelnen  Modernisierungen 
geführt:  König  Seleukus  hatte  dem  König  in  Preussen  Platz  ge- 
macht, moderne  Flüche  wurden  ausgesprochen,  es  wurde  von 
Generals  und  Herzoginnen  geredet,  der  Titel  , gnädiger  Herr' 
dem  P yrgopolinices  und  , Mamsell'  der  Philocomasium  ge- 
geben, kurz,  das  Stück,  das  Goethe  durch  Salzmann  erhielt, 
war  ,Der  grosspralerische  Officier',  wie  ihn  Lenz  am  7.  Septbr. 
1772  nach  Strassburg  geschickt  hatte.  Goethe  verlangte  nun, 
dass  auf  dem  Wege  der  Modernisierung  weiter  gegangen  und 
vor  allem  die  , lateinischen'  Namen  entfernt  würden:  es  müsse  in 
Worten,  Ausdruck  und  Rundung  der  Szenen  geändert  werden, 
um  das  Stück  spielbar  zu  machen.  Auf  diesen  Brief  an 
Salzmann,  den  Goethe  eine  Eröffnung  der  Präliminarien  nennt, 
muss  Lenz  sich  zur  unmittelbaren  Verhandlung  mit  Goethe  be- 
quemt haben." 

Über  die  von  Lenz  vorgenommene  Neubearbeitung  heisst 
es  weiter  bei  Weinhold:1)  „Man  kann  nunmehr  bei  Vergleichung 
mit  den  „Entführungen"  die  Veränderungen,  welche  Goethes 
Ratschläge  hervorbrachten,  erkennen.  Im  Äussern  ist  Ephesus 
mit  Stockholm,  Athen  mit  Hamburg  vertauscht  worden.  Der 
Pyrgopolinices  ist  zu  einem  preussischen  Werbeoffizier  von  Kale- 
kut,  Pleusides  zu  einem  Hamburger  Kaufmann  Meyer,  Philoco- 
masium zu  einer  leidlich  ehrbaren  Ratschreibertochter  Rosemunde 
gemacht,  und  die  andern  Personen  sind  ähnlich  modernisiert. 
Artotrogus  wandelte  sich  in  Lamy,  Acroteleutium  in  eine  Henri- 
ette, Milphidippa  in  Gertrud,  Periplecomenus  in  Kraft,  Palästrio 
in  Bernhard,  Sceledrus  in  Ehrenhold.  Aber  die  Rezensenten 
hatten  recht,  dass  die  Änderungen  weit  tiefer  gehen  müssten, 
und  dass  der  schwedisch-norddeutsche  Schauplatz  nur  eine  ganz 
äusserliche  Dekoration  der  alten  Fabel  ist ,  in  welcher  der 
Alazontypus  auf  den  weitverbreiteten  Schwank  von  dem  Betrug" 
gepropft  ist,  der  einem  Ehemann  mittels  einer  geheimen  Thür 
in  das  Nachbarhaus  gespielt  wird.  In  dem  Dialog  des  „gross- 
prahlerischen Offiziers"  hat  Lenz  für  seine  Umarbeitung  in 
..die  Entführungen"  manches  gestrichen,  zusammengezogen  und 
verändert." 

Als  Beleg,  wie  Lenz  das  Original  erst  frei  übersetzte,  dann 
zu  modernisieren  suchte,  möge  die  erste  Szene  des  eisten 
Aktes   folgen : 

>)  A.  a.  0.,  S.  "28. 


648 


XII.    Miles  gloriosus. 


Der  grosspralerische  Officier.1) 

(S.  31.)    Erster  Aufzug. 

Erste  Sceue. 

Der  Officier.    Artotrogus. 

Officier  (ruft  im  Heraustreten):  Lasst 
mir  meinen  Schild  heller  putzen, 
als  die  Sonnenstrahlen,  damit,  wenn 
ich  ihn  nöthig  habe,  er  das  ganze 
feindliche  Kriegsheer  blind  mache. 
Bald  sollst  du  nicht  mehr  klagen 
und  nach  Blut  schmachten,  Helden- 
säbel, bald  sollen  meine  Feinde  dir 
eine  herrliche  Mahlzeit  zubereiten. 
—  Wo  ist  Artotrosrus? 


Artotrogus.  Dero  unterthänig- 
ster  Diener  steht  hier,  bey  dem 
dapfern,  beglückten,  königlichma- 
jestätischen Helden,  mit  dessen 
Thaten  und  preisswürdigen  Tu- 
genden der  löbliche  Kriegesgott 
Mars  selber  die  seinigen  nicht  zu 
vergleichen  wägete. 

Officier.  Mars  —  ist  das  nicht 
der  —  der  Bärenheuter,  dem  ich 
in  der  Gurgustidonischen  Bataille 
das  Leben  rettete.  Der  feindliche 
General  hiess  Cluninstaridisarchi- 
des. 

Artotrogus.  Ganz  richtig  mit 
dem  goldnen  Panzer,  derselbe, 
dessen  Armee  Dieselben  mit  ihrem 
Athem  in  die  Luft  bliesen,  dass 
ich  so  sagen  mag,  gleich  wie  der 
Sturm  im  Herbst  die  trockenen 
Blätter  der  Bäume  oder  ein  altes 
Strohdach  davonführt. 

Officier.    Kleinigkeit  — 

Artotrogus.  Freylich,  wenn  ich 
der  andern  preisswürdigen  Akti- 
onen Meldung  thun  wollte  (bey 
Seite),  die  niemals  geschehen  sind 
—  so  würde  ich  Dero  Bescheiden- 
heit —  (bey  Seite)  ich  habe  keinen 
aufgeblaseneren  Nebukadnezar  alle 
meine  Lebenstage  gesehen.  Wenn 
ich  nur  nicht  so  hungrig  wäre,  ich 
wollte  — 


Die  Entführungen.2) 

(S.  77.)    Erster  Akt. 

Erste  Seene. 

Herr  von  Kalekut.     Lamy. 

Kalekut  (ins  Haus  zurück):  Lasst  mir 
meine  Waffen  polieren  —  ich  höre 
der  Feldzug  wider  die  Dänen  soll 
bald  eröffnet  werden  —  meinen 
Kürass  lasst  mir  putzen,  heller  als 
die  Sonne,  damit  er  die  ganze  feind- 
liche Armee  blind  mache  (schlägt  sich 
auf  den  Degen).  0  mein  Schwerdt! 
mein  Schwerdt!  Sey  nur  geduldig, 
du  sollst  nicht  lang  mehr  in  der 
Scheide  schmachten,  du  sollst  dir 
an  Dänenblut  einen  Bausch  trinken, 
dass  es  eine  Lust  ist.  — ■  Wo  bist 
du,  Lamy? 

Lamy.  Dero  getreueste  Diener 
ist  hier,  steht  bei  dem  tapfern, 
majestätischen  Helden,  dessen  Tha- 
ten und  Tugenden  Martern  et  Bel- 
lonam  selber  zum  Stillschweigen 
bringen. 


Kalekut.  Martern  — ■  ist  das  nicht 
der  Bärenhäuter,  dem  ich  im  Suc- 
cessionskriege  in  der  Bataille  bei  — 
Byswick  das  Leben  schenkte  —  da- 
mals als  ich  noch  in  österreichischen 
Diensten  war. 

Lamy  (hustet).  Ganz  richtig  — 
dessen  Bataillon  dieselben,  dass  ich 
so  sagen  mag,  mit  Ihrem  blossen 
Anblick  übern  Haufen  warfen. 


Kalekut.    Kleinigkeit ! 

Lamy.  Freilich  wenn  ich  der 
andern  preisswürdigen  Thaten 
Meldung  thun  wollte,  (bei  Seite) 
die  nimmer  geschehen  sind,  (laut) 
aber  Dero  Bescheidenheit  — 


')  Bei  Weinhold.  a.  a.  0..  S.  30—77. 
")  Ausg.  von  Tieck  (1828),  S.  75—123. 


E.  Lenz,  Die  Entführungen. 


649 


Officier.    Wo  ist  er? 

Artotrogus.  Hier  mein  werthester 
Herr!  Vom  Elephanten  sagte  ich, 
welchem  Dieselben  in  Indien  den 
Arm  brach. 

Officier.    Den  Arm? 

Artotrogus.  Das  Bein,  wollte  ich 
sagen,  mit  einem  Schlag,  den  Sie 
mit  Ihrer  flachen  Hand  darauf 
thaten. 

Officier.  Ich  war  damals  noch 
dazu  nicht  recht  disponirt  — 

Artotrogus.  Ey  freylich,  wenn 
Dieselben  hätten  Dero  Leibeskräfte 
brauchen  wollen,  Sie  wären  ihm 
mit  der  Faust  durch  Fell,  Einge- 
weyde  und  Knochen  gefahren,  wie 
durch  einen  Eyerkuchen. 

Officier.  Denk  er  mir  nicht 
daran!   u.  s.  w. 


Kalekut.  Erzähle  nur,  es  hat 
nichts  zu  sagen,  ich  denk'  gern  an 
die  vergangenen  Zeiten. 

Lamy.  0  es  liesse  sich  ein  Buch 
davon  schreiben,  als  zum  Exempel 
—  (hustet)  als  Sie  noch  in  hollän- 
dischen Diensten  waren  — ■  (bei  Seite) 
wenn  ich  nur  nicht  so  hungrig  wäre, 
ich  wollte  dir  was  anders  erzählen — 

Kalekut  (sieht  sich  um).  Nun, 
wo  bist  du? 

Lamy.  Hier  gnädiger  Herr  — 
vom  Elephanten  sagte  ich,  dem 
dieselben  in  Indien  den  Arm  bra  — 

Kalekut.     Den  Arm? 

Lamy.  Das  Bein  wollt'  ich  sa- 
gen, mit  einem  kleinen  Schlag, 
den  Sie  mit  Ihrer  flachen  Hand 
darauf  thaten. 

Kalekut.  Ich  war  noch  dazu  da- 
mals nicht  recht  aufgeräumt. 

Lamy.  Ei  freilich,  wenn  Sie  Ihre 
Leibeskräfte  hätten  brauchen  wol- 
len, Sie  wären  ihm  durch  den  gan- 
zen Leib  gefahren,  wie  durch  einen 
Eierkuchen,  he,  he,  he. 

Kalekut.  Denk  nur  nicht  mehr 
dran.  u.  s.  w. 


Dies  ist  das  Verhältnis  der  Lenzsehen  Stücke  zu  einander 
tmd  zum  Wortlaute  des  Originales.  Die  Handlung  der  Entfüh- 
rungen ist  die  folgende. 

I.  Akt.  (1.)  Herr  von  Kalekut,  der  Offizier  ist  mit 
seinem  Klienten  Lamy  in  einem  Gespräch,  das  sich  zunächst 
um  Kalekut s  Heldenthaten  dreht,  welche  Lamy,  der  zwei  Seelen- 
kräfte besitzt,  die  gut  sind,  sein  Gedächtnis  und  seinen  Magen,  be- 
sonders preist.  Vor  allem  erfreut  sich  Kalekut  der  hohen  Gunst  aller 
Weiber.  (2.)  Bernhard,  Herrn  von  Kalekuts  Kammerdiener, 
schildert  im  Gespräche  mit  Lamy  den  Offizier  des  Weiteren.  Er 
ist  „der  unerträglichste  Narr  auf  Gottes  Erdboden"  .  .  .  „Er 
meint,  die  ganze  Welt  zittert  vor  ihm,  und  alle  Weiber  möchten 
sich  um  seinetwillen  aufhängen."  Bernhard  diente  zuletzt  in 
Hamburg  bei  einem  reichen  jungen  Kaufmann  Meyer,  der  in 
Rosemunde,  die  Tochter  des  Katschreibers,  sich  verliebte.  Einmal 
musste  Meyer  in  Geschäften  nach  Amsterdam  fahren,  inzwischen 
kam  Kalekut,  mietete  sich  bei  der  Ratschreiberswitwe  ein  und 
entführte  Rosemunde  nach  Lübeck.  Sogleich  eilte  Bernhard 
seinem  Herrn  nach,  wurde  aber  von  einem  schwedischen  Schiffe 
gekapert  und  von  dem  Schiffsherrn,  dem  Offizier  Kalekut,  dei- 
chen   mit    Rosemunde    in    Stockholm    weilte,    als    Leibeigener 


650  XII.    Miles  gloriosus. 

geschenkt.  In  einem  unbewachten  Augenblicke  gesteht  Rose- 
munde  dem  Diener,  dass  sie  nur  Herrn  Meyer  liebe:  Bernhard 
schrieb  ihm  dies  nach  Amsterdam,  worauf  er  sofort  hierher 
kam  und  bei  dem  alten  Kraft  Wohnung  nahm,  dem  lustigsten 
und  scharmantesten  Mann  von  der  Welt,  der  so  weit  ging,  die 
Mauer  seines  an  des  Offiziers  Quartier  anstossenden  Hauses  durch- 
brechen zu  lassen,  sodass  die  Jungfer  nur  die  Tapete  aufheben 
darf,  um  aus  Kalekuts  Wohnung  in  jene   Meyers    zu   gelangen. 

II.  Akt.  (1.)  Herr  Kraft  zankt  ins  Haus  hinein.  Bei 
ihm  habe  niemand  zu  spionieren.  „Ich  sag  es  euch  noch  einmal, 
sobald  einer  von  's  Offiziers  Leuten  auf  meinem  Dach  erscheint, 
den  Bernhard  ausgenommen,  mag  er  Tauben  oder  Affen  oder 
den  Teufel  suchen,  den  werft  auf  die  Strass'  hinab,  dass  er  mit 
dem  Kopf  auf  dem  Pflaster  stehen  bleibt."  Bernhard  teilt  er 
alsdann  den  Grund  seines  Argers  mit.  ..Wir  sind  verraten.  Dort 
hat  einer  von  meinem  Altan  herabgeguckt,  eben  als  Meyer  und 
Rosemunde  sich  karessirten. "  Bernhard  findet  schnell  den 
Ausweg.  ..Eine  leibliche  Schwester  der  Jungfer  Rösemunde 
soll  mit  ihrem  Mann  aus  Riga  hier  angekommen"  und  bei  Kraft 
abgestiegen  sein.  Sie  sehen  sich  ähnlich,  „wie  ein  Tropfen  Milch 
dem  andern."  (2.)  Erst  wird  Ehrenhold,  welcher,  dem  ent- 
kommenen Affen  nachkletternd,  die  Liebenden  belauschte,  betrogen, 
(3.)  sodass  er  Rösemunde  alles  abbittet;  alsbald  (4.)  kömmt 
Rösemunde  als  Zwillingsschwester  von  Riga  umgekleidet.  (5.)  H  er  r 
Kraft  rückt  nun  derb  über  Ehrenhold  ein,  dass  er  seinen  Gast  auf 
der  Strasse  anfalle:  er  werde  sich  Genugthuung  beim  Offizier  erholen. 

III.  Akt.  (1.)  Im  Gespräche  mit  Meyer  erweist  sich  Herr 
Kraft  noch  als  einen  lebensfrohen  Alten.  Er  hat  stets  jungen 
Leuten  seine  Hilfe  angedeihen  lassen.  „Der  alte  Kraft  macht 
auch  mit,  und  sollt'  er  ohne  Perücke  nach  Hause  gehn."  In 
launiger  Weise  malt  er  aus,  warum  er  nicht  geheiratet  habe. 
Nun  beraten  sie  sich  über  die  weiteren  Massregeln,  die  getroffen 
werden  müssen.  Bernhard  erbittet  sich  Krafts  Ring.  Lamys 
Tochter  soll  dem  Offizier  als  Krafts  Ehefrau  vorgestellt  werden 
und  thun,  als  sei  sie  in  Kalekut  verliebt.  Zum  Beweise  soll 
sie  ihm  den  Ring  zusenden.  (2.)  Zum  Glücke  erfährt  Bernhard, 
dass  sich  Ehrenhold  angetrunken  habe  und  so  auch  der  Auf- 
passer weg  sei.  (3.)  Herr  Kraft  unterrichtet  noch  Henriette, 
Lamys  Tochter,  und  das  Mädchen  Gertrud  über  die  Rolle, 
welche  sie  durchzuführen  haben. 

IV.  Akt.  (1.)  Herr  von  Kalekut  erhält  von  Bernhard 
den  Ring  der  bewussten,  in  ihn  verliebten  Dame,  dem  einzigen 
..Frauenzimmer  in  der  ganzen  Stadt,  das  sich  für  seine  Figur 
schickt":  (Ad  tuam  formam  illa  una  dignast.  Y.  968.)  Er 
will   nun   schleunigst  Rosemunde   anbringen.      (2.)   Seine  Leiden- 


E.  Lenz.    Gock.     Mally.  651 

schalt  reizt  Gert  rüde  noch  in  höherem  Masse.  Bernhard  steht, 
ihr  wacker  zur  Seite.  ..Herzoginnen/'  sagt  er  dem  Mädchen, 
„gahen  ihm  schon  Herzogtümer  für  eine  Nacht...  Und  es  werden 
Lauter  Generals,  was  er  macht.-  (F.  1077.  Meri  bellatores 
gignxintur,  qtias  hie  praegnatis  fecit.)  (3.)  Meyer  soll  sich 
nun  als  Schiffer  verkleiden,  und  ..da  wird  sie  der  Offizier  selbst 
noch  treiben,  damit's  Schiff  nicht  fortgeht."  (4.)  Kalekut  hat 
wirklich  mit  Rosemunde  gebrochen.  „Nimmermehr  hätt'  ichs 
geglaubt,  dass  das  Mädchen  mich  so  liebte."  Er  hat  ihr  alles 
geschenkt,  was  sie  von  ihm  erhalten  hatte,  den  Bernhard  dazu, 
sodass  auch  dieser  in  lautes  Schluchzen  bei  der  Trennung  von 
seinem  Herrn  ausbricht.  (S.)  Henriette  spielt  ihre  Rolle  treff- 
lich; da  man  dem  Offizier  versichert,  sie  habe  seinethalbeu  ihren 
Mann  aus  ihrem  Hause  Verstössen,  lässt  er  sich  herbei,  ihr  zu 
folgen.  (6.)  Meyer,  als  Schiffer,  erhält  (7.)  Rosemunde,  die 
mit  Thränen  scheidet.  „Hier  wohnte  der  edelste,  der  gross- 
mütigste  Mann,  hier  wohnte  Freud  und  Glückseligkeit,"  sind  ihre 
Abschieds worte,   denen  auch  Bernhard  launige  Reden  anfügt. 

V.  Akt.  (1.)  Kraft,  Lamy  und  ein  Koch  prügeln  den  Offizier 
weidlich  durch.  Der  Koch  hat  Auftrag,  ihm  den  Bauch  aufzuschneiden 
und  ihn  zu  kastrieren.  Aus  Gnade  will  man  ihn  schonen,  falls  er 
einen  Eid  schwört,  sich  wegen  der  erhaltenen  Prügel  nicht  rächen 
zu  wollen.  Da  er  dies  gerne  beschwört,  sagt  ihm  Kraft:  „So  wisse 
denn,  dass  ich  nie  verheirathet  gewesen  bin.  Die  Person,  die  dich 
in  mein  Haus  lockte,  war  Lamys  Tochter."  (2.)  Eilig  will  Ka- 
lekut, da  die  peinliche  Szene  vorüber  ist,  Rosemunde  zurück- 
holen, aber  er  erfährt  von  Ehrenhold,  dass  der  Mann  im  Schiffer- 
ge wände  ihr  Galan  war.  Wenn  man  den  Worten  Kai  eleu  ts 
Glauben  schenken  darf,  so  ist  er  hinlänglich  gewitzigt.  „Sie 
haben  mir  alle  geschmeichelt,  um  mich  um  meinen  Verstand  zu 
bringen.  Von  nun  an  will  ich  glauben,  ich  sei  hässlicher,  als 
der  Teufel;  das  ist  das  beste  Mittel,  mich  von  den  verfluchten 
Schmeichlern  in  acht  zu  nehmen;  von  nun  an  will  ich  vor  jedem 
Weibe  laufen,  wie  vor  einer  Schlange,  denn  beide  sind  gleich 
giftig  und  listig;  von  nun  an  will  ich  kein  Weib  mehr  ansehen, 
ich  will  mich  einschliessen,  mich  kastrieren,  mich  —  —  (zum 
Parterre)   Klatscht    ihr   noch?-' 

Weiter  wurde  der  ..  M  iles  gloriosus"  in  Deutsehland  verbreitet 
durch  die  Übertragung  des  S.  A.  Gock  (Lehrer  in  Münsingen), 
„Der  grosssprecherische  Offizier",  Reutlingen  1797  (Prosa, 
für  die  Bühne),  und  des  Karl  Friedrich  Mally,  „Der  prahle- 
rische Krieger,"    Berlin  (Fröhlich)    1805   (metrisch).)       Andere 


')  Gödcke,  Grundriss.    II,  1049.  —  Schweiger,  Handb.  der  klass. 
Bibliogr.     H,  2;  755. 


652  xM.    Miles  gloriosus. 

schrieben  diese  Übersetzung-  dem  Joli.  Ferd.  Koreff  zu.  Dass 
D.  Falk  in  seinem  ,.  Ainphitruo  "  auch  den  ..Miles  gloriosus" 
hereinzieht,   ist   dort  bereits  erwähnt   worden   (S.  219). 


So  anziehend  die  Person  des  Miles  selbst  für  die  Lust- 
spieldiehter  war,  das  ganze  auf  ihm  beruhende  Stück  mochte 
nicht  passen,  um  nachgedichtet  zu  werden.  Darum  haben 
wir  wenige  Imitationen  der  Fabel  des  ,.Miles  gloriosus"; 
niemand  aber  vermöchte  die  Stücke  aufzuzählen,  in 
welchen  diese  Figur  eine  Rolle,  meist  sogar  eine  sehr 
bedeutende,   spielt. 

Der  erste  italienische  Capitan  stammt  aus  dem  fünfzehnten 
Jahrhundert.  Spavento  kam  1577  nach  Frankreich:  1618  spielte 
Mondor  (anagrammatisch  aus  Rodomonte)  den  Kapitän,,  „la 
bravura,  la  valore  del  todo  el  mondo".  Spezzafer  trug  bis 
1668  das  Kostüm  der  Hofleute  Heinrich  IV.  Giuseppe  Bianchi 
(gest.    1680)  brachte  ihn  (1639)  nach  Paris.') 

Der  Capitan  zählte  besonders  in  der  commedia  de  11'  arte 
zu  den  ständigen  Figuren  und  trat  fast  in  jedem  Lustspiel  auf. 
ImTeatro  delle  Fauole  rappresentatiue  des  Seal  a  fehlt  unter 
fünfzig  Stücken  der  Capitan  nur  sechsmal  (in  No.  8,  21,  26, 
27,  34,  36).  Und  auch  in  der  Fremde  treffen  wir  ihn,  wo  ita- 
lienische Stücke  improvisiert  werden.  So  stellte  der  bairische 
Herzog  Wilhelm  V.  (1579  — 1597)  an  den  berühmten  Orlando 
di  Lasso  (1520 — 1594)  das  Verlangen,  ihm  eine  improvisierte 
italienische  Komödie  aufführen  zu  lassen.  In  dieser  begegnet  uns 
wieder  der  ,,spagnolo  desperato"  Don  Diego  de  Mendoza, 
der  im  zweiten  Akte  seinem  Diener  alle  seine  Heldenthaten  vorführt, 
und  erzählt,  wie  viele  hunderte  er  in  den  Nachen  Charons  gesendet 
habe.2)      (8.   März  1568.) 


')  Sand,  Masques  et  bouftbns.    I,  169. 

2)  Die  Aufführung-  ist  beschrieben  in  den  „Discorsi  delli  triomfi, 
giostre,  apparati,  e  delle  cose  piu  uotabili  fatte  uelle  sontuose  nozze 
dell'  Illustrissimo  e  Eccellentissimo  Signor  Duca  Guglielmo,  primo  genito 
del  generosissimo  Alberto  Quinto,  Conte  Palatino  del  Ueno  e  Duea  della 
Baviera  alta  e  Bassa,  nell'  Anno  1568  a  22  di  Febraro  .  .  .  des  Massimo 
Troiano.  In  Monaco  appresso  Adaino  Montano  (Berg.)  1568."  (Eine  an- 
dere Ausgabe  erschien  als  „Dialoghi  di  Massimo  Troiano"  etc.  in  Yenetia. 
appresso  Bolognino  Zaltieri  1569;  eine  freie  Übersetzung  von  F.  Würth- 
niann.  München  1842.)  Die  Mitteilung  Trojanos  lautet:  e  qui  vsci, 
lo  spagnolo  col  core  sonmierso  nel  pelago  della  rabbia  detta  Gelosia: 
iui  narra  al  suo  seruitore,  quante  grandezze  e  prodezze,  e 
quanti  con  le  sue  mani  alla  barca  di  Caronte,  a  cento  a  cento 
gir  fatto  hauea:  &  hora  vna  vil  donna  priuato  1?  hauea  del  suo  va- 
loroso  core:  forzato  dall'  Amore.  vä  e  troua  la  sua  cara  Camilla  u.  s.  w. 
(Würthmaun,  S.  102  ff.) 


Orazio  Vecchi.     S.  Tarentino.     And.  Calmo.  653 

Indes  auch  in  den  Stücken  der  kunstgerechten  Dichter 
fehlt  der  Capitano   zu  einer  gewissen  Zeit  fast  niemals. 

Mit  dem  Personal  der  Kunstkomödie  kam  der  prahlerische 
Spanier,  hier  als  Capitan  Cardone,  auch  in  eine  der  aller- 
frühesten  (1597)  komischen  Opern,  den  Anfiparnasso,  des  Mode- 
nesers  Orazio  Vecchi.  Dort  singt  er  seine  meist  spanischen 
Arien.1)  Isabella,  seine  Angebetete,  verfahrt  mit  ihm  nicht 
besser,   als  wir  es  an   dem    „Miles''   gewohnt  sind: 

S'  a  gli  arcabagni  &  alle  collubrine 
Set'  uso  a  far  gran  core, 
Perche  temete  poi  scherzi  d'  amore? 

fragt  sie  ihn. 

Perche  todo  vince  amor! 

muss  ihr  der  Schlachtensieger  gestehen. 

In  der  herkömmlichen  Form  bewegt  sich  der  Capitan  Biz- 
zarro  des  Secondo  Tarentino.2)  Er  ist  die  Geissei  der  Tapferkeit. 

Non  sapete  Nafissa  che  mi  chiama 

Flagel  de  la  brauura  il  mondo  tutto, 
&  ogni  ualent'  huom  mi  teme,  &  ama. 

(fol.   9b.)     Er  schildert  sich  selbst  (fol.   22 a): 

che  bizzarro,  bizzarro,  in  su  la  terra 
il  Capitan  bizzarro  mi  chiam'  io, 
Che  metto  con  1'  ardir  il  ciel  sotterra 
plusquamperfetto  Capitan  da  bene 
ualent'  huomo,  buon  soldato,  huomo  di  guerra ; 

und  (fol.   30 a): 

Potta  del  mondo  io  son  si  esperto  ä  1'  arte 
de  la  militia,  che  terror  ne  piglia 
non  sol  un'  huom,  ma  il  gran  popol  di  Marte. 

In  der  Komödie  des  Andrea  Calmo  „La  Spagnolas"3) 
spielt    in   bekannter  Weise    der    „brauo  Venetian"    Spezzaferro. 


*)  Le  rivoluzioni  del  teatro  musicale  italiano  dalla  sua  origine  fino 
al  presente.  Opera  di  Stefano  Arteaga.  2  ediz.  3  voll.  Venezia 
1785.  Bd.  L,  S.  263—267.  —  Fried.  Bouterwek,  Gesch.  der  Poesie 
u.  Beredsamkeit.  (Göttingen  1802.)  IL  Bd.,  S.  406.  —  Ruth,  a.  a.  0. 
LT,  621. 

2)  II  Capitan  |  Bizzarro.  |  Comedia  del  Secondo  Tarentino.  |  Recitata 
in  Tarento,  in  casa  del  Signor  |  Trolio  Suffiano.  |  In  Vineggia  |  Appresso 
di  Agostino  Bindoni  |  1551.     (38  fol.) 

3)  La  Spagnolas  |  Comedia  del  S.  Scar  |  pella  Bei'gamasco  |  et  altre 
diverse  |  lingve  de  per  |  sonaggi.  |  Cosa  bellissima,  &  giocosa  con  la 
giunta  del  Proemio  da  1'  istesso  aut|tore  Andrea  Calmo.  |  Con  gratia  e 
priuilcgio.  |  In  Vinetia  Appresso  Stephano  di  Alessi,  alla  |  Libraria  del 
Caualletto,  al  Fontegho  de  i  Todejschi,  in  Calle  de  la  Bissa  1555. 


654  XII.    Miles  gloriosus. 

Giov.  Cecehi  behandelt  den  „Capitan"  mit  besonderer 
Vorliebe.  Wir  treffen  ihn  als  Lanfranco  Cäcciadiavölo  im 
Lustspiele  ..II  Martello"  und  den  spanischen  Maulhelden  in 
Ceechis  ..1  Rivali*-.  Der  prahlerische  Ignico,  spagnuolo,  sol- 
dato  di  guarnigione,  tritt  in  der  letzteren  Komödie  mir  zweimal 
auf ]  öfter  aber  wird  er  mit  dem  sonst  üblichen  Namen  des  Ro- 
domonte   (II,   2)  bezeichnet. 

0  sea  gallo,  o  sea  gallina. 
Lo  quiero  de  matar! 

ruft  er  (III.   4).     Sgalla  schildert  ihn  hübsch,   als: 

Uno 
Spagnuolo  di  Spagna ;  al  piü,  al  piü  parente 
Di  Falserone  di  Ferrau  o  della 
Mula  del  potesta  di  Montestentoli. 

Es  sind  meist  treffliehe  Missverständnisse,  die  er  mit  seinem 
Spanisch   erzielt. 

Que  yo  sere  venido 
Aqui  de  Liorna  per  algo  y  ve  juro 
A  Dios  que  si  puedo  tener  rastro 
Yo  le  bare  conocer  quien  es  el 
Senor  Inigo  Carpion  de  Buziquilles, 

erklärt   er  (IV,   3),   worauf  Spill o   in  die  Worte   ausbricht: 

Ob  che  grau  bravo!  suo  padre  e  suo  avolo 
Fracassavan  i  campi  con  1'  aratolo. 

Des  Capitan  Fracassa  in  der  Emilia  des  Luigi  Groto 
Cieco  di  Hadria  ist  bereits  S.  416  ff.  Erwähnung  geschehen. 

In  den  Komödien  des  della  Porta1)  (geboren  um  1540) 
findet  sich  der  Capitan  in  der  üblichen  Form.  In  der  Fantesca 
(82  fol.)  dieses  Dichters  finden  wir  den  spanischen  Kapitän  Dante; 
in  der  Trappolaria  (71  fol.)  desselben  spielt  der  Capitano 
Dragoleone  und  sein  Diener  Dentifrangolo.  Es  ist  der 
gewöhnliche  „Miles"  des  Plautus,  der  aller  Frauenherzen 
sicher  ist  (III,  7):  „lo  ho  fatto  piü  piaghe  con  gli  occhi  inna- 
morando  le  gentildonne  che  non  ho  fatto  con  la  spada  e  col  mio  viso 
d'  angiolo1',  und  der  seines  Heldentums  sich  bewusst  bleibt:  „Arme, 
arme,  allacciatemi  1'  elmo,  affibiatemi  la  corazza,  o  lä,  cingetemi 
la  fulminea"  u.  s.  w.  als  „lo  struggimondo".  Im  ferneren  Ver- 
laufe (IV,    9)  nennt   er  sich    ..il   connnissario   della  peste,    il  luogo- 


')  Comedie  del  S.  Gio.  Battista  della  Porta  Napolitano  cioe  la 
Trappolaria,  L'  Olimpia  &  la  Fantesca.  Nuouamente  poste  in  luce  «Sc 
con  cliligenza  corrette.  Vinegia  (Presso  Gio.  Battista  &  Gio.  Bernardo 
Sessa)  1597. 


Della  Portas  Capitani.  655 

tenente  della  morte,  il  colonello  dell'  vccisioni".  Sein  Ruhm  ist  so 
gross,  „che  bisogna  allargarsi  il  mondo  per  capirla  .  .  .  Ad  vn  mio 
cenno  ho  cento  bandiere  di  soldati  ehe  porranno  sossoprail  mondo... 
Ho  le  braccia  eosi  lunghe  che  giungono  insino  a  1'  Inghilterra". 
Im   allgemeinen  spielt   er  hier  eine  untergeordnetere  Rolle. 

Wiederum  ein  Capitan  spielt  in  della  Portas  Olimpia 
(G5  fol.).  Hier  heisst  er  bedeutungsvoll  Trasilogo  (&gaffvg, Xeyut) 
und  sein  Diener  Squadra.  Es  ist  der  alte  ruhmredige  Soldat: 
„Fraeasso  e  Spezzaeatene  racconcino  1'  armario,  poliscano  1'  arma- 
ture  e  forbiscano  ben  bene  la  mia  passacuori  ehe  sia  piü  splen- 
dente  che  '1  Sole  in  Leone')  che  calando  di  sopra  il  colpo  il  lncido 
paia  il  lampo  e  caduto  il  tuono".  Er  ist  in  Olimpia  verliebt, 
doch  will  er  sein  Antlitz  bedecken,  denn:  „ho  tanta  virtü  in  qnesti 
occhi  fanellanti  che  stando  irato  non  e  persona  di  si  intrepido 
cnore  che  vi  possa  fissar  lo  sgnardo  .  .  .  onnnqne  vado  vien  meco 
la  morte  e  lo  spanento." 

Seine  Rodomontaden  sind  die  üblichen  (II,  5).  „Deh 
che  m'  attaccassi  hora  alla  scaramuecia  con  mille  persone  che  in 
.re  colpi  ve  vorrei  far  cento  pezzi  di  tutti,  che  non  vorrei  mai 
tirar  colpo  che  non  andasse  a  pieno  ne  volger  sgnardo  che  non 
mi  facessi  fhggir  dinanzi  vna  compagnia. "  Wie  Pyrgopolinices, 
dem  er  ziemlich  getreu  nachgebildet  ist,  ist  er  (nach  V.  1055) 
„Capitan  Trasilogo,  roninando  gli  eserciti,  distruggitor  delle 
cittadi,  euersor  de  gl'  Imperi, "  und  (III,  6)  „il  Capitan  Trasi- 
logo, sgombrator  di  Campagne,  destrnttor  di  belouardi,  ruina  di 
muraglie  e  desolator  de  cittadi".  —  Schon  die  Namen  seiner 
Diener  (Pestamuso,  Francinaso,  Pelabarba,  Rompicollo, 
Spezzaeatene,  Cacciadiauoli)  vermögen  Schrecken  einzuflössen. 
Della  Portas  Stücke  sind  genau  nach  den  antiken  Mustern 
gearbeitet;  überall  begegnet  uns  ein  prächtiger  Parasit,  unter 
denen  sich  besonders  der  in  der  Trapp olaria  mit  dem  ominösen 
Namen  Fagone  (cpaytlv)2)  auszeichnet  und  Mastica  in  der 
Olimpia.  Hier  treffen  wir  auch  den  Pädagogen  Protodidas- 
calo,   gleichfalls  eine  bekannte  Gestalt. 


1)  Nach  Plautus  (V.  1),  was  die  meisten  Capitani  herübergenom- 
men haben. 

2)  Sein  Witz  gipfelt  in  einem  schönen  Traume,  den  er  (II,  3)  hatte. 
Es  träumte  ihm:  „che  notaua  in  vn  mar  di  brodo  grasso,  e  che  ad  ogni 
bracciata  incontraua  rauioli,  e  maccheroni  grossi,  e  limghi  vn  palmo 
1'  vno  che  sdrucciolauano  giu  da  vno  scoglio  di  cascio  Parmigiano  gra- 
tuggiato  e  di  passo  in  passo  1'  onde  buttauano  capponi  lessi,  galli  d'  India 
cotti,  con  pezzi  di  vitelle,  che  pareuauo  di  lntte,  &  io  come  vna  balena 
che  trangugia  le  navi  cosi  trangugiaua  vitelle  e  galli  d'  India,  e 
i  maccheroni  a  ijuatro,  a  quatro  come  ciregie.  Ohne  che  come  mi 
suegliai,  mi  trouai  hau  er  digesto,  e  il  venire  voto  come  una  vessica 
gonfiata." 


656  XII.    Miles  gloriosus. 

In  der  Talanta  des  Pietro  Aretino1)  spielt  der  Soldat 
Tinea  mit  seinem  Parasiten  B  ran  ca.  Der  letztere  erhebt,  wie 
es  herkömmlich  ist,  die  Heldenthaten  seines  Herrn,  der  für  einen 
„Ettor  Trojano"  gehalten  werden  will  (III,  12),  und  unter  dessen 
mannigfachen  Tugenden  „quella  della  liberalita  e  in  me  laudata 
bestialissimam enteu.  Alles  an  ihm  ist  aussergewölmlich.  „Tro- 
vami, "  sagt  er,  „domattina  un  poeta  che  metta  i  miei  fatti  in  canto 
et  un  musico  che  gli  ponga  in  rima.  •'  Er  schwört  (IV,  3)  „per 
1'  ala  dela  mia  fama,  per  lo  sangue  svenato  da  questo  stoeco,  e 
per  1'  anime  che  ho  dato  al  limbo".  Selbst  seine  Liebesworte 
Averden  militärisch.  Seine  Talanta  spricht  er  an  (III,  13):  „Elmetto 
del  mio  capo,  corazza  del  mio  dosso,  gambale  de'  miei  stinchi, 
e  barde  del  mio  corsiero  .  .  .  pendaglio  de  le  mie  insegne  .  .  .  carro  del 
mio  trionfo  .  .  .  mia  scaramuccia,  mia  imbasciata,  e  mia  sentinella. " 

Im  Seruo  astuto  des  Vergilio  Verucci2)  treffen  wir  den 
spanischen  Kapitän.  „Mirate  quanto  orgoglio  che  regna  in  questo 
capitano  delle  ranocchie  come  se  non  sapessimo  chi  sia, "  sagt  ihm 
Nespola  (I,  6).  Alle  fliehen  ihn;  nur  die  Liebe  nicht. 
„Todos  mi  cedon,  cadauno  me  huse  y  ninguno  quiere  tozar  migo 
sino  aquello  scelerado  bastardello  di  Amor"  (IV,  5).  Er  ist 
der  herkömmliche  „regidor  de  huestes,  vn  refrenador  de  prouin- 
cias,  un  vincedor  de  enemigos,  vn  domador  de  Elefantes  (Plautus, 
V.  25?),  Orsos,  tigres,  Panteras,  leones,  Basiliscos,  Dragones  y 
Serpientes  de  los  mas  feros  y  velenosos ,  che  se  allassero  nunqua 
en  toda  Arabia,  vn  digo  al  valor  delo  que  dan  tributo  no  sola- 
mente  el  Turco  con  la  masor  parte  delos  Principes  .  .  .  mas  tarn 
bien  las  cosas  sin  anima,  como  las  torres,  bastillos,  Montes,  los 
Rios,  lagos,  bosques  de  arboles  y  cadauer  otro  elemento,  y  cosa 
creada  .  .  .  Como  puede  ser  digo  que  vn  hombre  di  tan  valor  se  ne  stea 
agora  .  . .  sin  hazer  ninguna  guerra,  batalla,  contencion,  mortandado 
almenos  da  quattros  piattonadas  ad  alguno  vellaco  ..."  u.  s.  w.  (I,  6). 

Ins  Überirdische,  wie  später  Andreini,  überträgt  der  Neapo- 
litaner Fabrizio  de'  Fornaris,  der  berühmte  Darsteller  des 
Capitano  Cocodrillo,  ein  Mitglied  der  Confidenti  (um  1570), 
seine  Heldenthaten.  So  erzählt  er  in  seinem  Lustspiele  ,,L'  An- 
gelica"3)   (S.   34;  I,   4):    „Combattiendo  yo  vino  vna  bala  d'  ar- 


')  La  Talanta,  commedia  di  Messer  Pietro  Aretino  auf  S.  133 — 394 
im  247.  Bande  der  Classici  Italiani  (Band  8  des  Teatro  Italiano  antico). 
Milano  1809.  —  Buth  erblickt  in  Tinea  den  Capitano  Spavento  der 
commedia  dell'  arte.  —  Prölss,  I,  2;  S.  125. 

2)  II  Seruo  Astuto  [  Comedia  delSig.  |  Vergilio  Verucci  |  Gentil'  huomo 
Bomano  |  Dottor  di  Legge  |  Detto  1'  Vniuersale  nell'  Academia  dell'  Intri- 
gati  di  Koma.     In  Vinegia  1G10.  appresso  Alessandro  Vecchi.  113  pag.- 

3)  L'  Angelica  |  Comedia  |  di  |  Fabritio  |  de  Fornaris  |  Napolitanol 
detto  il  Capitano  Cocodrillo  |  Comico  Confidente.  |  In  Venetia  1607.  | 
Appresso  Francesco  Bariletti.     144  Seiten.  —Vgl.  auch  Buth,  II,  493. 


Goldoni.    Andreini.  657 

tilleria,  y  nie  diö  ne  la  bocca  y  nie  saccö  d'  ella  dos  dientes 
como  veys  sin  hazer  me  otro  mal.  Yo  tomo  esta  bala  en  las 
manos  y  la  bnoeluo  a  tras  contra  los  enemigos  y  doy  en  vna 
torre  adonde  bauia  mil  y  quinientos  soldados  y  la  heclio  por  tierra 
con  mattar  todos  los  soldados  la  bize  comxertir  en  poluo,  ne  aun 
quedö  sennal  adonde  staua.  Cleorila  viendo  mi  braneza  me  vinö 
encontra  con  la  espada  por  mattar  me,  yo  paro  con  mi  espada 
y  le  corto  al  brazo  y  1'  becbo  per  tierra  con  toda  la  espada,  y 
despnes  le  tomo  por  los  cabellos  y  la  becbo  con  tal  fnria  hazia 
al  cielo  que  llegada  al  fuso  del  hemispero  lo  rompe  y  entra  nel 
quinto  cielo  y  balla  Marte  que  iugaua  a  taroque  con  Venus  y  le 
rompe  la  cabeza. 

Venus  empieza  ä  critar  aiudo,  aiudo;  todos  los  Dioses  y  las 
Diosas  del  Zielo  espantados  llamauan  ä  Ioue  que  le  soccoriesse; 
Ioue  uiendo  Marte  por  tierra  espautado  desto  viene  ä  su  ventana, 
quando  yo  rodeando  mi  espada  contra  los  enemigos  parezia  al 
fuego  que  salia  della  vn  nueuo  Mongibello.  Dixo,  ninguno  de 
vos  otros  diga  nada,  porque  el  que  ba  mattado  Marte  ha  sido 
el  Capitan  Cocodrillo,  y  agora  sta  enojado,  podria  venir  en  el 
cielo  y  mattarnos  todos.-' 

So  ist  der  Capitano,  bei  Plautus  noch  der  Liebling  des 
Mars,   bereits  zum  Mörder  des  Kriegsgottes  geworden! 

Und  so  spielen  diese  Capitani  in  Italien1)  fort  bis  auf  Gol- 
doui herab,  der  in  seinem  Lustspiele  ,,L'  Amante  militare"2) 
nochmal  in  Don  Gar'cias  den  allerdings  stark  abgeblassten 
Schatten  des  alteu  Miles  gloriosus  auf  die  Bühne  bringt.3) 

Indessen  war  schon  im  Jahre  1607  ein  förmliches  Kom- 
pendium zum  „Miles",  eine  ganze  Charakteristik  des  Ca- 
pitano in  dem  Buche  „Le  bravure  del  Capitano  Spavento" 
des  Francesco   Andreini4)    aus  Pistoja  (gest.    um    1624)    er- 


')  Der  Miles  mag  ausser  vielen  z.  B.  zu  gründe  liegen  dem  „Vanto 
di  un  Soldato".  Opera  di  Ant.  Pietro  di  Mico  in  Siena  presso  a 
S.  Viglio.  —  1546.  (Allacci,  329.)  „Li  tre  Capitani  vanagloriosi." 
Rappresentatione  di  Silvio  Fiorillo  Comico  in  Napoli  per  Dominico 
di  Ferrante  Maccarano  1621  &  1640.  —  (Allacci,  322.)  „II  capitan 
schernito  "  di  C.  di  Rouiglio  Lutai,  cioeVirgilio  Salvi.    1653.  (Allacci,  56.) 

2)  Auf  S.  1 — 71  des  neunzehnten  Bandes  der  „Collezione  com- 
pleta  delle  commedie  di  Carlo  Goldoni.   Prato  (per  i  F.  Giachetti)  1822". 

3)  An  ruhmredigen  Soldaten  fehlt  es  auch  in  Goldonis  „La 
guerra"  nicht. 

4)  Ein  zweiter  Teil  erschien  im  Jahre  1618.  —  Vor  mir  liegt:  „Le| 
Bravvre  |  del  Capitano  |  Spavento,  |  Diuise  in  molti  ragionamenti  |  in 
forma  di  Dialogo;  |  di  Francesco  Andreini  |  da  Pistoia  Comico  Geloso. | 
Et  in  questa  Quarta  Irnpresskme  dal  proprio  Autore  ricorrette,  &  aggiun- 
toui  |  nel  fine  dieci  nuoui  Ragionamenti  diletteuoli,  e  curiosi.  |  Con 
Licenza  de'  Superiori,  &  Priuilegio. — In  Venetia  MDCXXXIIII.  |  Appresso 
Vicenzo  Somasco.  |  (132  fol.)" —  Ferner:  „La  seoohda  parte  |  delle  J  Bra- 
vvre |  del  Capitano  |  Spauento,  |  di  Francesco  Andreini.  |  Da  Pistoia  Co- 

42 


658  XII.    Miles  gloriosus. 

schienen  und  von  Jean  de  Fonteny  im  Jahre  1608  als  „Les 
Bra  \  acheries  du  Cap itaine  Spavente"  ins  Französische  über- 
setzt worden. 1) 

Diese  Bravure  del  Gapitano  sind  eine  förmliche  Anleitung-, 
den  Capitan  in  allen  Lagen  des  Lebens  zu  spielen.  In  der 
Vorrede  erzählt  uns  Andreini,  dass  er  sein  früheres  Fach  als 
Liehhaber  aufgegeben  habe,  um  den  prahlerischen  Soldaten  ganz 
zu  übernehmen. 

„Mentre  ch'  io  vissi",  berichtet  er,2)  „nella  famosa  compagnia 
dei  Comici  Gelosi ...  mi  compiacqui  di  rappresentar  nelle  Comedie 
la  parte  del  Milite  superbo,  ambitioso,  e  vantatore,  facendomi 
chiamare  il  Capitan  Spauento  da  Vall'  Interna.  E  talmente  mi 
compiacqui  in  essa,  ch'  io  lasciai  di  recitare  la  parte  mia  princi- 
pale,  la  quäle  era  quella  dell'  innamorato.  E  perch'  io  bramaua 
di  preseruarmi,  e  di  non  dicadere  da  quel  grido  che  acquistato 
m'  hauea  in  quei  tempi  famosi,  mi  diedi  con  molto  studio  allo 
studio  della  parte  del  sopranominato  Capitano  solo  per  renderla, 
piu  che  per  nie  si  poteua,   ricca  &  adorna. " 

Der  erste  Teil  enthält  (in  der  vierten  Ausgabe)  fünf  und 
sechzig,  der  zweite  vierzig  Eagionamenti,  d.  h.  Szenen, 
in  welchen  in  verschiedenen  Situationen  der  Capitano  Spavento 
mit  seinem  Diener  Trapp ola  sich  bespricht.  Jede  dieser  im 
allgemeinen  äusserst  langweiligen,  nicht  selten  sehr  doktrinär 
gehaltenen  Unterredungen  der  beiden  bekannten  Gestalten,  deren 
Charakter  indessen  nicht  immer  mit  besonderer  Konsequenz  fest- 
gehalten ist,  umfasst  durchschnittlich  vier  Seiten.  Die  Aufnahme 
seitens  des  Publikums  muss  eine  sehr  günstige  gewesen  sein,  so- 
dass Andreini  in  der  Vorrede  zum  zweiten  Teil  schreiben 
konnte:  .  .  .  „Mi  sono  messo  ä  scriuere  la  seconda  Parte  delle 
brauure  del  Capitano  Spauento,  la  quäle  in  se  contiene  fauolosi 
pensieri,  cauati  da  bellissime  fauole  di  Poeti,  Greci  e  Latini,  tirati 
tutti  ä  piaceuol  senso  delle  brauure  del  detto  Capitano  Spauento, 
come  nella  Prima  parte  si  puö  uedere,  stampata  e  ristampata 
molte  uolte  in  Venetia." 

So  enthält  z.   B.    der  erste  Teil: 


mico  Geloso.  |  Divisa  in  Quaranta  Ragionarnenti.  |  Declicata  |  All'  Illu- 
striss.  et  Eccell.  Sig.  [  D.  Giovanni  Meclici.  |  L'  Anno  1617.  |  Con  Licentia 
de'  Superiori,  &  Priuilegio.  |  In  Venetia  MDCXYEH.  |  Appresso  Vicenzo 
Somasco.     (84  fol.)" 

')  S.  Riccoboni,  Reflexion*  etc.,  S.  120.  —  Beauchainps,  Re- 
cherches.  II,  77.  —  M.  Sand,  Masques  etc.  I,  195.  —  Auch  im  frz. 
Ballet  begegnen  wir  diesen  Figuren  des  Capitan  Spavento,  Capitan 
Mataruore  (z.B.  10.  Febr.  1627),  s.  Beauchamps,  Reckerches.    DI,  44. 

2)  Francesco  Andreini  da  Pistoia,  detto  il  Capitano  Spa- 
vento, Comico  Geloso  ä  i  Lettori. 


Andreinis  Eagionamenti.  659 

Ragion.  I.  II  Capitano  Spauento  racconta  al  seruitore 
1'  essere  suo,  e  della  inostra  generale  della  gente  ä 
cauallo. 

II.  Della  guerra  fatta  ä  Gioue,  e  come  lo  facesse  suo 
prigione. 

III.  Del    giuoco     del   Pallone,    del    giostrare,    e    del    correre 

all'  anello. 

IV.  Della  caccia  del  Ceruo,   del  Ciugliiale,   e  dell'  Orso. 

V.   De'  suoi  rigli  bastardi,   e  del  contrasto  hauuto   con  Giano. 
VI.  Della  sua  habitatione,   della  sua  seruitü,   della  sua  spada, 

e  della  sua  Galea. 
VII.   Del  suo  natale,   e  del  banehetto  fatto  al  Diauolo,   &  alla 
Morte. 
VIII.   Come  fü  fatto  prigioniero  d'  Amore,   come  si  liberasse,   e 
di  una  lettera  strauagante  scritta   alla  sua  Donna. 
IX.   Della  partita  al  Pallone,   fatta   con  diuerse  Deitä. 
X.   De  i  Fulmini,   del  Coas,   e  del  suo  Barbiero, 

und  älmlicbes.      Ebenso   der  zweite   Teil: 

Ragion.  I.  Del  trionfo  d'  Amore.  II.  Innamoramento  del  Capitano 
Spauento.  III.  La  Monarcliia  del  Capitano  Spauento.  IV.  II 
Capitano  Spauento  combatte  nel  Cielo  di  Marte.  V.  II  Capitano 
Spauento  libera  Ainore  ne  campi  Elisij.  VI.  Essercito  strauagante 
del  Capitano  Spauento.  VII.  Strano  nascimento  del  Capitano 
Spauento.  VIII.  Trasformation  d'  vna  serua  del  Capitano  Spauento. 
LX.  Capitano  Spauento  Scultore  eccellentissimo.  X.  Capitano 
Spauento  distrugge  1'  Albergo   del  Sonno,   u.   s.   w. 

Man  siebt  aus  diesen  Titeln  bereits,  dass  es  ins  Gebiet  des 
Fabelhaften  gebt.  Der  Kapitän  befreit  einen  Seegott  (13):  kämpft 
mit  Gespenstern  (17),  löst  Zauber  (18),  besucbt  den  Saturn  (23), 
legt  sieb  zwischen  Sonne  und  Mond,  wodurch  eine  Sonnenfinsternis 
entsteht  (25)  und  anderes  albernes  Zeug.  Der  natürliche  Hu- 
mor ist  zu  Ende:  die  seltsamsten  Abenteuerlichkeiten 
werden  zu  Hilfe  gerufen. 

Dennoch  aber  erkennen  wir  in  manchen  Zügen  den 
Grosssprecher  der  alten  Komödie  noch.  Grossartig  ist  sein 
Titel:  ,.Io  sono  il  Capitano  Spauento  da  Valle  Inferna.  Prencipe 
de  gl'  Insossiegadi,  Re  de  i  Superbi,  Imperator  de  gli  Ambitiosi, 
e  Monarca  de  gli  huomini  Iracondi  ...  Io  sono  quello  che  col 
capo  minaccia  1'  Orto,  col  piede  preme  1'  Occaso,  con  la  sinistra 
mano  lega  1'  Austro,  e  con  la  destra  doma  il  freddo,  e  agghiacciato 
Settentrione  (I,  IV). "  An  ihn  adressierte  Briefe  lauten:  ,,  Allo  strenuo, 
inuitto,  &  insuperabil  Capitano,  il  Capitano  Spauento  da  ValT  in- 
ferna, per  sopra  nome  detto  il  diabolico  (II,  XXXIH).  Bei  seiner 
Geburt    ging    es    seltsam    bei-;    er    sprang    aus    der    Mutter  Leib. 

42* 


66Q  XII.    Miles  gloriosus. 

(„Neil'  vltima  doglia  ehe  le  [der  Mutter]  nenne,  saltai  fuora  gri- 
dando,  sono  il  Capitano  Spauento"  [II,  IV]);  sein  Leib  war  ge- 
schuppt („io  quando  nacqni,  nacqui  vestito  di  piastra  e  maglia, 
ruggendo,  come  febricitante  Leone,  &  fischiando,  come  arrabbiato 
Serpente"  [I,  Xm],  und  das  Fatum  begrüsste  ihn  mit  den  Worten: 
..Capitano  Spauento,  Vä;  Vedi,  e  Vinci"  (I,  LX).  Mars  wurde 
sein  Leutnant  (I,  XLIV).  Allseitige  Bewunderung  folgte  ibm; 
vier  Weise  kamen  „sopra  i  confini  dell'  Asia,  dell'  Europa,  solo 
per  parlamentare  insieme,  e  per  conoscere  di  quäl  genere  fusse 
la  brauura  mia"  (I,  XLm).  Er  braucht  keinen  Ämilius  Paullus, 
keinen  Kato,  Szipio  u.  s.  w.  zu  beneiden,  denn  alle  ihre  Vorzüge 
besitzt  er  im  Überfluss  (I,  XXIII).  Könige  und  Fürsten  haben 
sich  um  seine  Verwandtschaft  beworben.  („Graudissima  discordia, 
estremo  litigio  e  nato  nella  Cittä,  doue  al  presente  siamo,  solo 
perche  ogni  nobilissimo  Caualliero  vorrebbe  meco  apparentare,  e 
darmi  Moglie"  [I,  V]).  Auch  die  Damenwelt  ist  ihm  hold. 
Schon  als  er  als  Jüngling  Athen  besuchte,  bezauberte  er  alle. 
(,,Innamorai  di  me  tutte  quelle  Pulzelle  Atheniesi"  [II,  XXX]). 
Eine  Unzahl  Weiber  verfolgt  ihn  ob  seiner  unwiderstehlichen 
Schönheit.  Er  wird  geliebt  „da  un  numero  infinito  di  donue, 
perche  chi  mira  la  mia  bellezza,  e  non  1'  ama,  e  non  1'  ammira, 
o  non  e  donna,  o  di  giuditio  priua"  (II,  IX).  Und  doch  hat  er 
nicht  geheiratet.  Und  weshalb?  Kein  Sohn  hätte  seine  Grösse 
erreichen  können!  (Qual  tigliuolo  potrebbe  giamai  vguagliarsi  al 
Capitano   Spauento,    suo  padre?"   [I,   LXII]). 

Wie  einige  seiner  Vettern  hat  auch  er  in  seinem  Blicke  die 
Kraft  der  Medusa.  Ein  Maler  wollte  ihn  abnehmen;  allein  er 
litt  es  nicht,  „perche  il  mio  ritratto  haurebbe  hauuto  la  uirtü,  che 
haueua  il  uolto  di  Medusa,  che  trasformaua  in  sasso,  chi  la  mi- 
raua"  (II,  XXVIII).  So  konnte  der  Tod,  als  er  einmal  seines 
Waltens  müde  wurde,  keinen  besseren  Stellvertreter  finden,  als 
den  gewaltigen  Capitan,  und  ihm  übertrug  er  sein  Amt.  („Essendo 
la  Morte  stracca,  &  infastidita  di  tanto  vccidere,  e  di  tanto  spargere 
humano  sangue,  sene  venne  vna  mattina  meco  ä  desinare  ...  la 
Morte  mi  pregö,  che  per  vn  niese  io  volessi  essercitare  1'  ufhcio 
suo"  [I,  xxn]). 

Gewiss  lässt  sich  diese  Arbeit  Andreinis  als  ein  Kom- 
pendium über  den  Capitano,  den  sie  uns  in  einhundert- 
fünf Szenen  der  verschiedensten  Art  vorführt,  bezeichnen.  Sie 
ist  uns  ein  Beleg  für  die  unendliche  Beliebtheit  dieser  Bühnen- 
figur, die  auf  den  Brettern  unentbehrlich  erschien,  zugleich  auch 
für  die  schwierige  Lage,  in  welcher  sich  der  Darsteller  befand, 
der  sich  abmühen  musste,  in  dieser  Gestalt  immer  etwas  Neues  zu 
bringen,  und  der  infolge  dessen  zu  den  seltsamsten  Absonderlich- 
keiten   griff.      Wir    sehen    aus     diesen    Eaffionamenti    des    An- 


Ferreiras  Bristo.  661 

dreini,  welchen  Gang  der  Witz  des  Miles  nahm.  In  den 
einzelnen  Gesprächen  treffen  wir  noch  überall  die  Grund- 
züge des  Pyrgopolinices  und  Thraso;  als  aber  der  Helden- 
mut auf  Erden  ausgespielt  war,  da  musste  man  zum  Überirdischen 
greifen,  und  die  grossen  Thaten  des  gefeierten  Kapitän  gingen 
über  die  Erde  hinaus. 

In  Spanien  hat  Lope  de  Rueda  in  seiner  bereits  (S.  523) 
angeführten  Medora  in  Gargullo,  „den  ruhmredigen  Soldaten 
des  alten  lateinischen  Dichters"1)  wieder  als  Episode  auf  die  Bühne 
gebracht. 

Auch  die  portugiesische  Bühne  hatte  durch  die  italie- 
nische ihren  „Miles  gloriosus"  in  der  herkömmlichen  Weise  er- 
halten. Zwei  echte  Capitani  finden  sich  in  der  Komödie  Bristo 
des  Dr.  Antonio  Ferreira  (S.  62)-)  —  der  Ritter  Annibal 
von  Rhodes  und  sein  Soldat  Montalväo. 

Annibal  hatte  vor  Rhodus  riesige  Heldenthaten  vollbracht. 
Mehr  kann  ein  Mann  nicht  ausführen.  Stolz  gedenkt  er  dieses 
Tages  (II,   5): 

Ann.:     Oh  Rhodes,  Rhodes. 

Moni.:  Ah,  ah,  ja  nie  ha  enveja,  eile  comegarä  com  as  suas. 

Ann.:     Lembra-te  aquelle  dia? 

Mont.:  0  do  diluvio  do  sangue? 

Ann.:    Ja  nunca  perderä  esse  nome. 

Moni.:  Queres  que  se  esquecäo  cousas  tuas? 

Ann.:    Näo  me  parece  que  podia  fazer  mais  hum  hörnern  contra  tantos. 

Mont.:  Eu  que  o  vi,  o  näo  creo. 

Ann.:    Tomarem-me  desarmado,  e  elles  carregados  de  ferro. 

Mont.:  E  creo  ainda  que  te  faltava  a  espada. 

Ann.:     Si.     Mas  eu  de  hurna  pancada  lancei  hum  no  chäo,  e  levei-lhe 

a  sua. 
Mont.:  Entäo  te  deu  o  outro  o  golpe  no  hombro, 

u.  s.  w.  —  Der  Held  von  Rhodus,3)  dem  nicht  hunderte  Widerstand 
leisten  können,  der  zweite  Hannibal  (II,  3:  „Näo  havia  cem 
homens  que  na  forca  de  minha  colera  me  tivessem  rosto  meya 
hora.  Todos  assombrava,  todos  tremiäo;  onde  quer  que  meu  nome 
soava,  fazia  espanto,  e  assi  era  chamado  o  segundo  Annibal"), 
dessen  gelindeste  Strafe  der  Tod  ist  („Näo  sabes  que  nunca  me 
ninguem  anojou  hum  tamanino,  que  o  menor  castigo  näo  fosse 
perder  a  vida,"  ibid.),  dessen  Rache  niemand,  ja  die  Stadt  nicht, 
entgeht  („Daqui  faco  voto  solemne,   de  nenhum  hörnern   que  esta 


»)  Ticknor  a.  a.  0.    I,  448. 

2)  Auf  Seite  285 — 402  des  zweiten  Bandes  der  „Obras  completas 
do  doutor  Antonio  Ferreira.  Quarta  edigäo  annotada  e  precedida  de 
um  estudo  sobre  a  vida  e  obras  do  poeta  pelo  Conego  Doutor  J.  C.  Fer- 
nandes  Pinheiro.     Rio   de  Janeiro  (Garnier)   e  Paris  (Durand)  1865". 

3)  Vgl.  auch  III,  6. 


fj(32  XII.    Miles  gloriosus. 

noite  achar,  deixar  com  vida  .  .  .  Näo  me  ha  de  ficar  casa  em 
toda  a  Cidade".  IV,  7),  er,  den  Schwerter  und  Bomben  nicht  er- 
reichen konnten,  schmachtet  in  den  Banden  der  Liebe.  (,,Perco-me 
por  ella  a  olhos  vistos,  e  hey  medo  que  me  achem  hum  dia  morto, 
e  matar-me-häo  amores,  näo  me  podendo  nnnca  matar  espadas, 
nein  bombardas".  II,  3).  In  seiner  Liebe  hat .  er  natürlich  so 
wenig  Glück,  wie  seine  Namens-  und  Gesinnungsvettern,  die  be- 
kannten  Capitani  seit  Pyrgopolinices. 

An  seiner  Seite  treffen  wir  den  herkömmlichen  Parasiten, 
hier  in  der  Gestalt  des  Soldaten  Montalväo. 

Seine  Aufgabe  ist  es,  seinem  Herrn  überall  Recht  zu  geben, 
seine  nie  vollführten  Heldenthaten  zu  bestätigen  und  womöglich 
zu  vergrössern.  „0  serviqo  que  lhe  fa<jo  he  fallar-lhe  a  vontade, 
gabar-lhe  quanto  faz,  rir-me  quando  ri,  crer-lhe  quanto  diz,  men- 
tir-lhe  isso  que  posso,  se  chora,  choro,  se  canta,  bailo,  se  brada, 
grito,  e  so  com  isto  o  contento.  Conto-lhe  cousas,  que  eile  nunca 
ouvio,  nem  fez,  desafios  que  teve,  ba.talhas  que  venceo,  mil  pe- 
rigos  de  que  me  livrou  e  tudo  cuida  que  he  si.  Se  näo  de  quando 
em  quando  me  diz  que  lhe  näo  lembra."  (II,  5).  Vollständig 
also  die  Tendenz  des  plautinischen  Artotrogus.  Indes  ist 
Montalväo  auf  portugiesischem  Boden  noch  etwas  weiter  gekommen. 
Er  lügt  aus  dem  Stegreif.  Rhodus  hat  er  nie  gesehen;  so- 
bald ihn  aber  Annibal  von  Rhodus,  den  Türken  u.  a.  sprechen 
hörte,  umarmte  er  ihn,  nahm  ihn  in  seine  Dienste  und  hielt  ihn, 
wie  ein  König.  Bei  ihm  hat  er  nur  von  Grossthaten  zu  sprechen; 
er  ist  ein  förmlicher  Herkules  geworden,  um  sich  bei  ihm  in 
Achtung  zu  setzen.  (,,Eu  tambem,  porque  lhe  sey  a  condicäo, 
faco-me  com  eile  hum  Hercules,  onde  quer  que  o  vejo,  tudo  säo 
feros,   e  cruezas".      Ibid.) 

So  spielt  er  sich  denn  als  grossen  Helden  auf.  Kampflose 
Tage  sind  ihm  qualvolle.  „Ha  dias  que  ando  dezesojo  de  achar 
com  quem  peleje,  he  grande  enfadamento  ser  hum  hörnern  täo 
pacifico."  II,  4.  In  Rhodus,  da  war  das  Leben  anders.  Jeden 
Tag  gab  es  neuen  Mord  („Por  isso  folgava  em  Rhodes;  cada 
dia  havia  mortes,  e  desafios");  da  ist  Montalväos  Lebenselement. 
(„Bern  sabes  que  me  criei  com  sangue  de  homens,  onde  näo  ouco 
armas,   e  golpes,   cobre-se-me  o  cora^äo."     Ibid.) 

Dieser  Mensch  ist  nach  Ann ib als  Geschmack  und  weiss  es 
wohl  auszunützen.  Annibal  selbst  hat  aber  schon  von  seinem 
Ahnen  Thraso  gelernt,  dass  die  Klugheit  das  erste  ist,  und  dass 
ein  echter  Ritter  erst  zum  Schwerte  greift,  wenn  die  gütlichen 
Mittel  erschöpft  sind.  ,,0  hörnern  prudente,"  versetzt  er  Pinerfo, 
der  ihn  gegen  seinen  Nebenbuhler  aufzureden  sucht,  ,,primeiro  ha 
de  andar  äs  boas  que  äs  mäs,  que  este  he  hum  dos  bons  preceitos 
da  cavalleria  .  .  .      Em   toda  a  parte  parece  bem  o  sizo,   e  a  pru- 


M.  de  Macedo.     F.  Villon.  663 

dencia,"  allerdings  fügt  er  bei:  Wehe  dem,  der  meinen  Zorn 
reizt,    „guarde-se  de  minha  ira  que  a  ninguem  perdoa. '' 

Dass  es  soweit  nicht  kömmt,  weiss  Annibal  allerdings,  so 
geschickt  wie  seine  Vorbilder,  in  beiderseitigem  Interesse  wohl 
zu  verhüten. 

Die  dreiaktige  Oper  ,,0  fantasma  branco"  des  Brasilianers 
Joaquim  Manoel  de  Macedo1)  brachte  noch  in  tmsrer  Zeit 
(1856)  eine  Art  von  Kapitän-)  auf  die  Bühne.  Tiberio,  ein 
alter  Soldat  (velho  militar),  hat  ein  martialisches  Auftreten: 
,,com  grande  barriga  e  enormes  bigodes;  uniforme  de  capitäo,  es- 
pada  e  pistolas  a  cinta,  e  as  calcas  enlameadas. "  Sein  Mut  wird 
axxf  eine  harte  Probe  gestellt,  da  er  gegen  ein  vermeintliches 
Gespenst  losgehen  soll.  Seine  heldenhaften  Anschauungen  spricht 
eine  Arie  (II,   2)  aus: 

Näo  nasci  para  mata-raouros, 
Ao  meu  corpo  tenho  amör: 
Para  morrer  falta-me  o  brio, 
Para  fugir  tenho  valör. 

Nach  Frankreich  hat  sich  der  Capitan  natürlich  gleich- 
falls über  Italien  den  Weg  gebahnt.  Eine  Art  Miles  gloriosus 
findet  sich  frühe  schon  in  dem  Monologue  de  Franc  Are  hier 
de  Baignollet,  welcher  dem  Francois  Villon  (geb.  1431) 
zugeschrieben  wird.3)  Der  Franc  Archier  tritt  auf,  von  seiner 
Kampfbegier  sprechend : 

Par  la  morbieu!  j'enraige 

Que  je  n'ay  ä  qui  me  combatre  .  .  . 

Y  a-il  komme  qui  ä  quatre, 

Dy-je,  y  a-il  quatre  qui  vueillent 

Combatre  ä  moy? 

Alsdann   geht  er  auf  seine  Heldenthaten  über: 

J'ay  autresfoys  tenu  le  rencz, 
Dieu  merey!  et  gaigne  le  prix 
Contre  ciuq  Angloys  que  je  pris, 
Povres  prisonniers  desnuez, 
Si  tost  que  je  les  euz  ruez. 
Ce  fust  au  siege  d'Alengon. 
Les  troys  se  misrent  ä  rangon, 
Et  le  quatriesme  s'enfuyt. 


')  Auf  Seite  141 — 302  des  dritten  Bandes  von  „Theatro  do  doutor 
Joaquim  Manoel  de  Macedo.     Rio  de  Janeiro  (Garnier)  1863". 

2)  Vgl.  Wolf,  Le  Brasil  litteraire,  S.  232:  „Le  capitame  Tiberio, 
vrai  glorieux." 

3)  Zum  erstenmale  den  Werken  Villous  iu  der  Ausgabe  von 
Galiot  du  Pre  (1532)  beigedruckt;  danuaufS.227 — 243der  „Oeuvres  com- 
pletes  de  Villon,  publikes  par  M.  Louis  Mol  and.  Paris  (Garnier)  1879", 
und  im  „Ancien  theätre  francois"  (Bibliotheque  elzevirienne),  Bd.  II, 
S.  326—337.  —  W.  Holland,  S.  903  des  36.  Bandes  der  Bibliothek 
des  Stuttö-.  litt.  Vereins. 


664  Xu-    Miles  gloriosus. 

Während  der  Franc  Arehier  eben  wohlgefällig  von  seinen 
Erlebnissen  spricht,  bemerkt  er  „im  espoventail  de  chene- 
viere,  faict  en  facon  d'ung  gendarme,  croix  blanche  de- 
vant  et  croix  noire  derriere,  en  sa  main  tenant  nne  ar- 
baleste."  Diese  Erscheinung'  jagt  ihm  grossen  Schrecken  ein; 
sie  antwortet  auf  seine  Anrede  nicht;  da  bemerkt  er  das  schwarze 
Kreuz : 

Par  le  sang  bieu!  c'est  ung  Breton, 

Et  je  dy  que  je  suis  Francois!  .  .  . 

II  est  faict  de  toy,  ceste  fois, 

Pernet;  c'est  ung  parti  contraire! 

Seine  Angst  steigert  sich,  da  der  espoventail  nichts  er- 
widert. Er  ruft  alle  Heiligen  an,  ,,ey  laisse  tomber  ä  terre  l'es- 
poventail  celluy  qui  le  tient",  und  der  Held  überzeugt  sich  nun 
von  der  Nichtigkeit  des  gefürchteten  Gegenstandes.  Da  wächst 
ihm  der  Mut  neu: 

Et  ce  n'est,  j'advoue  sainet  Pierre! 
Qu'espoventail  de  cheneviere, 
Que  le  vent  a  cy  abattu!  .  .  . 
La  mort  bieu!  vous  serez  batu, 
Tout  au  travers,  de  ceste  espee  .  .  . 
Quant  la  robbe  seroit  couppee, 
Ce  seroit  ung  tres  grand  doniniaige. 
Je  vous  emporteray  pour  gaige, 
Toutesfoys,  apres  tout  hutin. 
Au  fort,  ce  sera  mon  butin, 
Que  je  rapporte  de  la  guerre. 

Nach  diesen  Heldenthaten  empfiehlt  er  sich  dem  Publikum 
und  geht,    um  seinen  Sold  einzuheben;    ,.je  m'en  vois  au  relief. " 

Der  Cap itaine  Kodomonte  spielt  in  dem  einzigen  Lust- 
spiele des  mit  achtundzwanzig  Jahren  (1581)  verstorbenen  Odet 
de  Tournebu  (Tournebeuf),  dem  Sohne  des  bekannten  Adrien 
Tour  nebe,:  „Les  Contens.  t:1)  Ihm  zur  Seite  steht  sein  la- 
quais  Nivelet.  Trotz  seiner  Tapferkeit  wird  er  genarrt.  In 
den  Schlachten  von  Moncontour,  Jarnac,  Lepanthe  hat  er 
Wunder  der  Tapferkeit  gethan;  ,,d'un  seul  coup  donne  en  taille 
ronde,  j'ay  coupe  deux  hommes  par  la  ceinture .  .  .  et  de  ceste 
fac,on  je  pense  avoir  fait  mourir  plus  de  quarante  hommes,  ä  la 
rencontre  de  Jarnac,  en  moins  de  quinze  coups."  Doch  sagt  er, 
„je  ne  suis  pas  homme  qui  prenne  plaisir  de  me  vanter;  mais  si 
ma  rapiere  pouvoit  parier,  eile  diroit  choses  qui  vous  feroient  faire 
le  signe  de  la  croix."  Sein  Schwert  Pleure-Sang  (IV,  3)  über- 
trifft  alle  andern. 


')  Auf  S.  107 — 232  des   siebenten  Bandes  des  „Ancien  tlieätre 
francois  (Paris,  Jannet,  1856)".  —  Vgl.  Chasles,  S.  146. 


Paul  Scarrou.  665 

Co  sine  de  la  Gambe,  genannt  Chateauvieux,  schrieb 
(1580)  einen  nicht  gedruckten  „Capitaine  Bourbouf'le  (Beau- 
ehamps  II.  51).  Vielleicht  gehört  auch  hierher  Chevaliers 
(gest.  1674)  Lustspiel  „le  Soldat  poltron,  ouGuillot  poltron", 
Comedie  en  un  acte  en  vers  de  4  pieds.  1668.  Paris  (Gabriel 
Quinet).      (Beauehmnps  II,    237.) 

In  der  einaktigen  Komödie:  „Les  Boutades  du  Capitan 
Matamore"  des  Scarron  (1646)  spricht  Matamore  in  langen 
Keimen  auf  ment.1) —  Scarrons  „Jodelet  ou  le  maitre  valet  "2) 
(1645)  hat  fast  gar  keine  Beziehungen  zum  Miles.  Dass 
der  als  D.  Juan  verkleidete  Diener  Jodelet  sich  vor  Don 
Louis  de  Rochas,  „un  tel  matamore"  (IV,  7),  zurückzieht  und 
meint : 

je  ue  me  bats  donc  pas. 
Puisqu'il  a  votre  iiom  qui  m'est  si  venerable 

oder  „il  faut  etre  en  humeur  de  se  battre",  sind  Dinge  allge- 
meiner Art.  Dagegen  tritt  die  Gestalt  des  Prahlers  in  Scarrons 
Lustspiel  ,,Le  Jodelet  duelliste"3)  auf.  Hier  ist  es  der,.Fan- 
faron",  Dom  Ga spar d  dePadille,  dune  illustre  famille,  pauvre 
de  biens,  mais  tres-riche  dhonneur,  der  seine  Grossthaten  in 
Flandern  vollbracht  hat  (I,  2).  Er  ist  in  zwei  Schwestern  (Helene 
und  Lucie)  verliebt,   und  man  glaubt  ihm  (V,    7): 

Eien  n'est  comparable  ä  la  Quarte  ou  la  Tierce. 

Im  übrigen  gilt  er  (II,  6)  als  ,,fort  liberal,  for  vaillant,  fort 
fidele."  Der  Feigling  des  Stückes  ist  Jodelet.  Nachdem  ihn 
Alphonse   beohrfeigt    hat,    will   er   sich  mit  ihm   schlagen:    denn: 

Un  coup  de  poing  est  plus  honnete  qu'un  soufflet.     (H,  2.) 

Man  spricht  bereits  davon,  und  auch  ihm  ist  die  Ehre  ,.un 
tresor  bien  eher"  (III,  1).  Freilich,  da  der  Gegner  vortritt,  meint 
er:  „N'en  parlons  plus;  ce  n'etoit  que  pour  rire"  (III,  2),  und 
endlich,   zum  Kampfe  gerüstet,   hat   er  den  Wunsch  (V,    1): 

Helas,  plaise  au  seigneur,  qu'il  soit  sot  ä  tel  point 
Qu'il  me  tienne  mauvais,  &  ne  se  batte  poiut ! 


')  Sand.  Masques.  I,  191.  —  Foumel,  Le  Contemporaius  de  Hö- 
here, m,  405:  „s;il  est  permis  de  rauger  cet  ouvrage  hybride  parmi  les 
pieces  de  theatre."  —  H.  Lucas  (Histoii-c.  III,  286):  „en  vers  de  huit 
syllabes  sur  la  seule  rime  en  ment." 

2)  Chefs-d'oeuvre  des  auteurs  comiques.  Paris  (Finnin  Didot) 
1866.     S.  7—84. 

3)  Auf  S.  285 — 382  des  sechsten  Bandes  der  „Oeuvres  de  Ms. 
Scarron.  Nouvelle  edition.  Amsterdam  (Chez  .1.  Wetstein  &  G.  Smith) 
1737.  _  Vgl.  Ussing.    IV,  223. 


666  XII.    Miles  gloriosus. 

Im  Carte]  erklärt  er:  „Quelques  medisans  disent  que  vous 
m'avez  donne  im  soufflet:  je  ne  puis  croire  cela  de  votre  cour- 
toisie. "     Glücklichenveise  kömmt  der  Zweikampf  nicht  zu  stände. 

In  dem  Lustspiele  des  Savinien  Cyrano  Berger ac  (1619 
bis  1655)  „Le  pedant  Jone"1)  (1654 — 1658)  ist  es  der  Ca- 
pitan  Cliasteaufort,  der  sich  in  pomphafter,  langer  Rede  ein- 
führt. „Puisque  je  tevoy  curieux  de  connoistre  les  grandes  choses, 
je  veux  t'apprendre  les  miracles  de  mon  berceau.  La  Nature  se 
voyant  incommodee  d'un  si  grand  nombre  de  Divinitez,  voulut 
opposer  un  Hercule  ä  ces  Monstres.  Cela  luy  donna  bien  jusques 
ä  la  hardiesse  de  s'imaginer  qu'elle  me  pouvait  produire.  Pour 
cet  effet  eile  empoigna  les  ämes  de  Samson,  de  Hector,  d'Achille, 
d'Ajax,  de  Cyrus,  d'Epaminondas,  d' Alexandre,  de  Romule,  de 
Scipion,  d'Annibal,  de  Sylla,  de  Pompee,  de  Pyrrhus,  de  Caton, 
de  Cesar  &  d'Antonie;  puis  les  ayant  pulverisees,  caleinees,  recti- 
fiees,  eile  reduisit  toute  cette  confection  en  un  spirituel  sublime 
qui  n'attendoit  plus  qu'un  fourreau  pour  s'y  foure",  u.  s.  w.  in 
diesem  faden   Tone. 

Auch  bei  der  Damenwelt  hat  er  grosse  Erfolge  aufzuweisen. 
„C'est  mon  foible  de  n'avoir  jamais  pü  regarder  de  Femme  sans 
blesser"   (S.   9). 

Angegriffen  hat  er  die  herkömmliche  Entschuldigung  der 
Feiglinge  (II,  2):  „Quelque  faquin  de  coeur  bas  &  ravale  auroit 
voulu  mesurer  son  epee  avec  le  vilain;  mais  moy  qui  suis 
gentilhomme  &  gentilhomme  d'extraction,  je  m'en  suis  fort  bien 
sceu  garder/'  oder  noch  alberner  (F.  8):  „J'aurois  dejä  faict  un 
crible  du  ventre  de  ce  coquin;  mais  j'ay  crainte  de  faillir  contre 
les  regles  de  la  Comedie,   si  j'ensanglantois  la  Scene." 

Die  ganze  Komödie  ist  wertloses  Zeug,  das  erst  unter 
Mo  Her  es  Händen  in  den  Fourberies  de  Scapin  und  l'amour 
medecin  Leben  gewann.  -)  In  dem  ersteren  Lustspiele  ist  Sil- 
vestre  der  Schreier  aus  dem  bramarbasierenden  Capitano 
entstanden.  „Si  je  le  trouve,  je  le  veux  echiner  ....  s'il  etait 
lä,  je  lui  donnerais  tout  ä  l'heure  de  l'epee  dans  le  ventre,"  ruft 
er  (11,  9).  (Mettant  l'epee  ä  la  main)  „Ah,  tete!  ah,  ventre!  Que 
ne  le  trouve-je  ä  cette  heiire  avec  tout  son  secours!  Que  ne 
parait-il  ä  mes  veux  au  milieu  de  trente  personnes!  Que  ne  le 
vois-je  fondre  sur  moi  les  armes  ä  la  main!  (Se  mettant  en  garde) 
Comment!  marauds,  voxts  avez  la  hardiesse  de  vous  attaquer  ä 
moi!  Allons,   morbleu,   tue!"    (Poussant  de  tous  cötes,    comme  s'il 


')  Auf  S.  1—105  des  ersten  Bandes  von  „Les  oeuvres  diverses  de 
Monsieur  de  Cyrano  Bergerac  (Amsterdam,  Jacques  Desbordes,  1710)". 
Auslassend  auch  im  dritten  Bande  von  Fournel,  Les  contemporains  etc., 
S.  379 — 405.  —  Beauchanips.  Reckerches.    II,  205. 

2)  Malirenholtz,  S.  68.  —  Lotheissen,  S.  271. 


Barons  Homme  ä  boirne  fortune.  667 

avait  plusieurs  personnes  ä  combattre)  Point  de  quartier!  Donnons. 
Ferme.  Poussons !  Bon  pied,  bon  oeil.  Ab. ,  coquins !  ab ,  canailles ! 
vous  en  votilez  par  la!  je  vous  en  ferai  tater  votre  soül.  Sou- 
tenez,  marauds,  soutenez!  Allons!  A  cette  botte.  A  cette  autre.  A 
celle-ci.  A  celle  la.  Comment?  vons  reculez.  Pied  ferme,  morbleu, 
pied  ferme!"  Die  Würdigung-  dieser  ganzen  Bravade  enthält 
Seapins  kalte  Erwiderung:  „He,  he,  he!  Monsieur,  nous  n'en 
sommes  pas." 

In  dem  etwa  um  1616  gedichteten  Stücke  La  Comedie 
des  Proverbes1)  spielt  der  Capitaine  Fierabras  und  sein 
Page.  Der  „invincible  Fierabras,  de  qui  la  valeur  fait  fendre 
les  pierres"  (II,  6),  huldigt  dennoch  dem  Grundsatze:  „Bien  courir 
n'est  pas  un  vice-  und  ergreift  die  Flucht  (III,  5).  Der  vaillant, 
terrible  et  foudroyant  Fierabras,  verachtet  seine  Feinde  „quand  ils 
sont  trop  foibles"  (III,  6),  und  so  zieht  er  ab,  „le  Mars  des  mortels," 
sich  tröstend,  „je  vay  faire  baiser  mes  pas  ä  cinq  cens  monarques 
et  me  faire  adorer  par  mille  princesses,    ou  Dieu  nie  damne". 

E.  Sommer2)  führt  auch  zwei  Stücke  von  Baron3)  an,  die 
hierher  Bezug  haben.  In  „L 'homme  ä  bonne  fortune"4)  mag 
Moncade  einige  Züge  des  Hauptmanns  kopieren.  Er  möchte 
nicht  der  „joli  homme"  sein,  als  den  ihn  sein  Diener  Pas  quin 
rühmt.  „II  y  a  des  momens  oü  je  voudrois  n'etre  point  fait  comme 
je  suis,  &  oü  je  donnerois  toutes  choses  au  monde  pour  etre  fait 
comme  toi,  ne  scaurois  tu  point  quelque  secret  pour  se  faire  hai'r?" 
(I,  8).  Die  Damen  halten  sich  an  Pasquin,  um  Moncade  näher 
zu  kommen.  „Mon  pauvre  Pasquin,  me  dit  l'une,  tien  voihi  uue 
bague,  je  te  prie,  apprens  moi  ce  qiie  fait  ton  maitre  .... 
Songe-t-il  ä  moi?  te  parle-t-il  de  moi?  est-il  inquiet,  joyeux, 
triste,  gai,  melancolique,  content,  taeiturne,  evapore?"  u.  s.  w. 
(I,  10). 

Den  Militaire  fanfaron  enthält  die  mir  vorliegende  Aus- 
gabe nicht,  und  auch  Beauchamps  verzeichnet  dies  Lustspiel 
nicht  unter  Barons   Stücken. 


')  Enthalten  auf  S.  5—99  des  neunten  Bandes  des  „Ancien 
Theätre  Erangois."     (Paris,  P.  Jannet,  1856.) 

2)  Les  comedies  de  Piaute.  II,  54.  Baron  s'est  aussi  inspire 
de  Piaute  dans  son  Militaire  fanfaron  et  dans  l'Homme  ä  bonne 
fortune. 

3)  Eigentlich  Michel  Boyron,  geb.  1653;  gest.  22.  Dez.  1729.  — 
Beauchamps,  Recherches.  II.  273.  —  Ancien  theätre  frangois. 
Bd.  rV.     Introd.  XHI. 

4)  L'homme  |  a  bonne  |  Fortune,  |  Comedie  |  Suivant  la  Copic.  |  A 
Paris,  |  Chez  Thomas  Guillain,  sur  |  le  Quay  des  August  ins.  ;'i  la  dcsecnte 
du  |  Pont-neuf,  ä  l'Image  S.  Loüis.  |  1694.  —  Beauchamps  zitiert  (II.  273) 
ä  bonnes  fortunes  und  eine  Ausg.  von  16Sf>  und  171S.  nicht  aber  die 
vorliegende. 


668  XU-    Miles  gloriosus. 

Dagegen  übersetzte  Baron  (1704)  die  Andria  und  (1705) 
die  Adelplii  des  Teveuz.1) 

Dass  Palaprat  bei  seiner  Bearbeitung-  des  Ennncbiis  (S.109) 
den  Charakter  des  Tbraso  beibebielt,  ist  natürlich.  Wie  aber 
Fuhrmann2)  von  Destonches  behaupten  konnte:  „Die  feinere 
Art  der  Prahlerei  hat  der  Verfasser  des  Glorienx  sehr  lächer- 
lich gemacht"  und  also.  Beziehungen  zwischen  dem  Miles  und 
Destonches'  Glorieux  herstellen  will,  muss  jedem  unklar 
bleiben,   der  den  Glorieux  dieses  Dichters  gelesen  hat. 

Die  herrlichsten  Gestalten  haben  sich  bekanntlich 
in  England  aus  dem  plautinischen  „Miles"  ergeben.  Dort 
wurde  er  jederzeit  mit  besonderer  Liebe  bearbeitet  und  zählt  zu 
den  gelungensten  dramatischen  Figuren. 

Eine  sehr  frühe,  allerdings  selbständige  Spielart  des 
Miles  gloriosus  findet  sich  in  dem  Interlude  Thersytes,3) 
das,  einer  Stelle  des  Epilogs  nach  zu  schliessen,  im  Jahre  1537 
aufgeführt  wurde.4)  Thersites  ist  der  prahlerische  Krieger 
des  an  sich  armseligen  Spieles.5)  Er  führt  sich  mit  einer  Er- 
zählung seiner  Grossthaten  ein  und  ist  eben  auf  dem  Wege  zu 
dem  Schmied  Mulciber,  der  ihm  seiner  würdige  Waffen  schmieden 
soll.  Vorerst  bestellt  er  einen  Helm  „a  sallet",  den  Mulciber 
sofort  macht.      Thersites  nimmt   ihn  und  rühmt  sich: 

Hercules  in  comparison  to  me  was  but  a  boye 
When  the  bandogge  Cerberus  from  hell  he  bare  awaye. 
When  he  killed  the  lyons,  hydra  and  the  bere  so  wylde, 
Compare  him  to  me  and  he  was  but  a  chylde 

xx.    s.    w.     —    Doch    bedarf    er    noch    weiterer    Waffen,    die    ihm 

Mulciber  herzustellen  verspricht.    Thersites  fährt  fort  in  seiner 

Selbstbewunderung. 

When  I  consider  my  Shoulders,  that  so  brode  be 
When  the  other  partes  of  my  bodye  I  do  beholde 
I  verily  think  that  none  in  chrystente 
With  me  to  niedele  dare  be  so  bolde  .  .  . 


')  Allerdings  bemerkt  Beauchamps  (a.  a.  0.):  On  croit  que  cette 
piece  et  la  pre"cedente  sont  du  pere  de  la  Eue. 

2)  Handbuch,    m,  53. 

3)  A  uew  Enterlude  called  |  Thersytes  |  Thys  Enterlude  Folowynge 
Dothe  Declare  howe  that  the  |  greatest  boesters  are  not  |  the  greatest  | 
doers.  —  Es  findet  sich  auf  S.  49 — 89  der  von  F.  J.  Child  herausgegebenen 
„Four  Old  Plays".    (Cambridge  1848)  und  bei  Haslewood,  1820.  (S.  18G.) 

4)  Unter  Elisabeth  wurde  es  wohl  wieder  gespielt  und  von  John 
Tysdale  gedruckt,  dessen  typographische  Arbeiten  nicht  vor  1561  (in 
Alhallow's  Church-yard)  begannen.     (Haslewood's  Preface.) 

5)  Child  (Introd.  XV).  The  play  does  not  require  particular  notice. 
Its  lively  absurdity  could  not  have  failed  to  be  entertaining  to  an  easy 
audience,  and  is  not  tiresome  now.  Thersytes  indulges  plentifully  in  one 
of  the  Privileges  of  the  old  Vice  —  that  of  talking  incoherent  nonsense. 


Thersytes.     N.  Uclall.  669 

König   Arthur    und    die    Tafelrunde,    Gawyn,    Lancelot 
u.    a.    ruft   er  zum  Kampfe   auf: 

For  I  thinke  verely 

That  none  in  heauen  so  hye 

Nor  yet  in  hell  so  lowe 

Whyle  I  haue  this  clubbe  in  my  hande 

Can  be  able  nie  to  withstande 

ür  nie  to  ouer  throwe 


Nun  kömmt  seine  Mutter,  Mater.  Sie  will  von  dem 
kriegerischen  Sinne  ihres  Sohnes  nichts  wissen;  doch  ihre  Vor- 
stellungen  sind  umsonst. 

Mother  thon  spendest  tliy  winde  but  in  wast. 
The  goddes  oi'  battayle  hyr  fury  on  me  hath  cast 
I  am  fullye  fyxed  battayle  for  to  taste 
0  how  many  to  deth  I  shall  dryve  in  haste  .  .  . 

Bald  aber  wird  sein  Mut  auf  eine  schwere  Probe  gestellt. 
Ein  Ungeheuer,  a  snaile,  ')  (eine  Schnecke)  zieht  gegen  ihn  und 
alsdann  der  Miles. 

0  mother,  mother,  I  pray  the  nie  hyde 

Throw  sonie  thinge  ouer  me  and  couer  me  euery  syde, 

ruft   er  verzagend,   und  erst  auf  die  Versicherung  der  Mutter: 

Come  foorth  my  sonne,  your  enemy  is  gone, 
Be  not  afrayde  for  hurte  thou  canst  haue  none, 

wagt  er  sich  vor. 

Später  macht  sich  der  Miles  wieder  an  ihn,  „and  Thersytes 
must  runne  awaye  and  leaue  his  clubbe  &  sworde  behynde. "  Der 
..Miles"    spricht  in  den  letzten  Worten  die  Moral  des  Stückes: 

Nowe  thys  is  a  sure  carde,  nowe  I  maye  well  saye 
That  a  cowarde  crakinge  here  I  dyd  fynde. 
Maysters  ye  maye  see  by  this  playe  in  sighte 
That  great  barking  dogges  do  not  niost  byte 
And  oft  it  is  sene  that  the  best  men  in  the  hoost 
Be  not  suche,  that  vse  to  bragge  most. 

Alsdann  begegnet)  wir  dem  berühmten2)  Roister  Doister 
des  Nicholas  Udall    (1504 — 1556),    der   vor    1553    geschrieben 


')  S.  über  snail  bei  Child,  S.  266. 

2)  Collier,  History  of  Dram.  Poetry.    1830.   II,  445— 460.  —  Klein. 
XIII.  210. 


670  XTT-    Miles  gloriosus. 

wurde.1)  Ralph  Roister  Doister  ist  der  Pyrgopolinices 
des  Plaut us.2)  Der  Dichter  beruft  sieb,  in  seinem  Prologue 
selbst  auf  die  Alten: 

Suche  to  write  neither  Plautus  nor  Terence  dyd  spare, 

Whiche  among  the  learned  at  this  day  beares  the  bell: 

These  with  such  other  there  in  dyd  excell. 

Our  Cornedy  or  Enterlude  which  we  intende  to  play 

Is  uarued  Royster  Doyster  in  deede. 

Which  against  the  vayne  glorious  doth  inuey, 

Whose  h'umour  the  rpysting  sort  continually  doth  feede. 

Der  prächtige  Parasit   Mathewe  Merygreek3)  mit  seinem 
trefflichen  Grundsätze: 

As  long  lyueth  the  mery  man  (they  say) 
As  doth  the  sory  man,  and  longer  by  a  day, 

schildert  uns  den  Helden  Roister  Doister,  ganz,  wie  er  bei 
Plautus  steht.  Er  ist  zunächst  stets  mit  seinen  Helden- 
thaten  beschäftigt, 

In  these  twentie  townes,  and  seke  them  throughout, 
Is  not  the  like  stocke,  whereon  to  graffe  a  loute. 
All  the  day  long  is  he  facing  and  craking 
Of  his  great  actes  in  fighting  and  fraymaking; 

dann  aber  von  der  Einbildung  geplagt,  dass  jedes  Weib  in  ihn 
verliebt  sein  muss: 

If  any  woman  smyle  or  cast  on  hym  an  eye, 
Vp  is  he  to  the  harde  eares  in  loue  by  and  by, 
And  in  all  the  hotte  haste  must  she  be  hys  wife. 


1)  Erste  Ausgabe  1566?  in  4'°-  33  folios.  —  2.  Ausg.  Ralph  Royster 
Doyster.  A  Comedy.  London.  Reprinted  in  the  year  1818,  in  30  Ab- 
zügen. —  3.  Ausg.  Ralph  Royster  Doyster.  London  1821.  —  4.  Ausg.  In 
The  Old  English  Drama.  A  series  of  plays  at  6  d.  each,  printed  and 
published  by  Thomas  White.  London  1830.  —  5.  Ausg.  In  der  Shake- 
speare Society.  1847  (mit  dem  Gorboduc).  —  6.  Ausg.  English  Reprints 
by  Edward  Arber.  London  1869.  88  S.  (S.  dort  S.  8  näheres  zur  Biblio- 
graphie.) 

2)  Rapp,  Studien,  S.  125:  „Roister  Doister  ist  der  Haupt- 
charakter; der  antike  Miles  gloriosus  .  .  .  Die  erste  Szene  ist 
fast  ganz  aus  Plautus,  Roister  ist  der  Miles  undMerigreek  sein 
Parasit.  Der  Dichter  hat  sich  vorgesetzt,  aus  dem  plautinischen  ,Miles' 
und  dem  terentianischen  ,Thraso'  ein  Lustspiel  zu  kombinieren,  wie  es 
nach  ihm  Holberg  in  seinem  ,Jacob  von  Tyboe'  versuchte."  —  W.  De 
Cooper,  Intro.  Memoir.,  pag.  XVI,  giebt  die  Vermutung,  dass  das  Stück 
von  den  Schülern  des  Eton  College  gespielt  wurde.  —  M.  Koch, 
Shakespeare,  S.  227. 

3)  M.  Koch,  Shakespeare,  S.  227:  „Dagegen  ist  Mathewe  Mery- 
greeke,  der  Diener  des  auf  Freiersfüssen  stolzierenden  Helden,  unver- 
kennbar dem  altenülischen  Vice  verwandt  und  keinem  römischen  Sklaven." 


Udalls  Roister  Doister.  ß71 

Seine  Liebe  macht  ihn  melancholisch:  der  Parasit  aber 
muss,  seines  Vorteiles  halber,  ihm  stets  in  allen  Dingen,  wie 
Artotrogus,   Recht  geben. 

Merygreek  spricht  darum  so,  wie  es  Roister  Doister 
gerne  hört.  Die  Schilderung  des  Artotrogus,  wie  sich  alle 
Damen  um  ihn  kümmern,  ist  auch  ins  englische  Lustspiel  über- 
getragen worden.     (V.  61): 

Rogitabant:  „hicine  Achilles  est?"  inquit  mihi. 

„Immo  eins  frater"  inquam  „est",  ibi  Warum  altera 

„Ergo  mecastor  pulcer  est,"  inquit  mihi 

„Et  liberalis:  nide  caesaries  quam  clecet: 

Ne  Mae  sunt  fortunatae  quae  cum  isto  cubant." 

And  ye  will  not  beleue  what  they  say  in  the  streete, 

When  your  rnashyp  passeth  by  all  such  as  I  meete, 

That  sometimes  I  can  scarce  finde  what  aunswere  to  rnake. 

Who  is  this  (sayth  one)  sir  Launcelot  du  lake? 

Who  is  this,  gi'eate  Guy  of  Warwike,  sayth  an  other? 

No  (say  I)  it  is  the  thirtenth  Hercules  brother. 

Who  is  this?  noble  Hector  of  Troy,  sayth  the  thirde? 

No,  but  of  the  same  nest  (say  I)  it  is  a  birde. 

Who  is  this?  gi'eate  Goliah,  Sarnpson,  or  Colbrande? 

No  (say  I)  but  it  is  a  brüte  of  the  Alie  lande. 

Who  is  this?  greate  Alexander?  or  Charle  le  Maigne? 

No,  it  is  the  tenth  Worthie,  say  I  to  tkern  agayne. 

„Nimiast  miseria  nimis  pulcrum  esse  hominem," 
bestätigt  Pyrgopolinices.  But  I  perceyue  thou  doste  me 
throughly  knowe,   ist  Roister  Doisters  Bekräftigung. 

Einen  Teil  der  Heldenthaten  Roister  Doisters  erzählt 
hier  (I,  4)  Meregreek  der  staunenden  Margerie  Mumble- 
crust;  so  auch  die  Geschichte  mit  dem  Elephanten  in  etwas 
anderer  Fassung: 

Yea  and  the  last  Elephant,  that  euer  he  sawe, 

As  the  beast  passed  by,  he  start  out  of  a  buske, 

And  een  with  pure  strength  of  armes  pluckt  out  bis  great  tuske. 

Auch  Roister  Doister  hat  seine  musitians  (I,  2),  wie 
Tyboe,  und  wie  sie  sonst  öfter  dem  Capitano  zur  Seite  stehen. 
So  bei  Scala,  Teatro  im  29.  Stücke,  S.  86:  ,.H  fido  amico." 
Capitano  Spavento  viene  con  li  inusici  per  far  una  mattinata  a 
Isabella. 

Roister  Doister  in  seinen  missglückten  Liebeshändeln 
steht  noch  vielfach  auf  dem  Boden  seiner  Vorbilder.  Völlig 
neue  Capitani  aber  entstehen  unter  Shakespeares  Feder,  und 
die  Krone  aller  bleibt  der  unsterbliche  Falstaff. 

Von  mancher  Seite  wird  indes  Falstaff  durchaus  nicht  in 
die  Kategorie  des  Miles  gloriosus  und  seiner  Nachfolger  ge- 
setzt.    Ohne    gerade    soweit    zu    gehen,    wie    der    alte   Maurice 


672  XII.    Miles  gloriosus. 

Morgann,1)  der  ihn  zum  Helden  stempeln  will,  glaubt  auch 
Paxil  Stapfer,2)  er  sei  kein  -type  de  poltronnerie",  kein  „type 
de  Miles  gloriosus". 

Er  urteilt  hierüber:  „II  est  clair  que  si  Shakespeare  avait 
voulu  faire  de  Falstaff  un  type  de  Miles  gloriosus,  c'est-ä-dire 
de  vantardise  et  de  lächete,  il  aurait  du  le  representer  dans  la 
fleur  et  la  force  de  l'äge;  un  vieil  infirme  qui  fuit  n'est  point 
ridiciile.  Mais  Falstaff  n'est  pas  un  soldat  fanfaron,  il  ne  se 
vante  d'avance  d'exploits  qu'il  n'accomplit  point;  ses  rodomon- 
tades  ne  viennent  qu'apres  l'action  et  sont  une  libre  et  joyeuse 
bavention   de  1'humour  brodant  sur  des  faits  particuliers. " 

Betrachten  wir  Falstaff  ein  wenig! 

Man  darf  sich  über  diese  Gestalt  wohl  kurz  fassen.  Wie 
im  Aussehen,  so  hat  sich  auch  in  seinem  Charakter  der  Capitan 
mannigfach  geändert ,  als  er  zum  Falstaff  wurde.  Wenige 
seiner  Worte  charakterisieren  ihn  zur  Genüge.  Die  Ehre  ist 
ihm  ein  Wort  —  Luft.3)  (King  Henry  IV.,  I.  T.,  V,  1.)  „What 
is  honour?  A  word.  What  is  in  that  word  honour?  what  is  that 
honour?  air. "  Sein  Grundsatz  ist  der,  dass  der  Gründling 
naturgemäss  der  Köder  des  Hechts  ist.  (K.  Henry  IV.,  IL  T., 
IH,  2):  „If  the  young  dace  be  a  bait  for  the  old  pike,  I  see  no 
reason  in  the  law  of  nature  but  I  may  snap  at  bim.-'  Von 
seiner  Tapferkeit  giebt  er  Proben,  als  der  Prinz  und  Po  ins  den 
fingierten  Angriff  machen  (I.  T.,  H,  2);  von  seiner  Ruhmredig- 
keit, wo  er  eben  diese  Erlebnisse  erzählt  und  die  ..zwei  steif- 
leinenen Kerle",  die  ihn  anpackten,  zu  elf  heran  wachsen  lässt 
—  Lügen,  die  so  gross  sind,  wie  ihr  Vater,  meint  der  Prinz 
(ib.  II,  4).  „These  lies  are  like  their  father  that  begets  them; 
gross  as  a  mountain,  open,  palpable."  Seine  ganze  Erbärmlich- 
keit zeigt  er  bei  den  Aushebungen,  wo  er  nach  eigenem  Ge- 
ständnisse den  königlichen  Aushebungsbefehl  schändlich  miss- 
braucht. (Ib.  IV,  2):  „I  have  misused  the  king's  press  damnably. " 
Englands  Gesetze  stehen  ihm  zu  Gebote  (IL  T.,  V,  3):  ,,The  laws 
of  England  are  at  my  commandment."  Im  Kriege  hält  er  über- 
einstimmend mit  Thraso  die  Vorsicht  für  den  besseren  Teil  der 
Tapferkeit  (I.  T.,  V,  4):    „The  better  part  of  valour  is  discretion, 


')  Essai  on  the  draniatic  character  of  Falstaff. 

2)  Shakespeare  et  PAntiquite  (Paris  1879).    II,  510. 

3)  Wie  Moli  eres  „Sganarelle"   in   der  gleichnamigen  Komödie 
(1660)  dieselben  Grundsätze  vertritt  iL  17  : 

Quand  j'aurai  fait  le  brave,  et  qu'un  fer,  pour  ma  peine, 
M'aura  d'un  vilain  coup  transperce  la  bedaine 
Que  par  la  ville  ira  le  bruit  de  mon  trepas, 
Dites-mui,  mon  honneur,  en  serez-rous  plus  (/ras?  - 
hat  schon  Dr.  Scheffler  (Herrigs  Archiv,  Gl.  Bd.,  S.  314)  bemerkt, 


Falstaff.    Parolles.  673 

in  which  tlie  better  part  I  have  saved  my  life. "  Iu  der  Liebe 
sprechen  bei  ihm  in  erster  Linie  nur  materielle  Rücksichten. 
Diesen  Punkt  haben  wir  in  den  Merry  Wives  nach  allen  Seiten 
hin  klar  gelegt.  Trotz  aller  seiner  Schurkereien  gelallt  uns  der 
alte,'  dicke  Falstaff;  es  ist,  als  räumten  wir  ihm  ein,  dass  er 
mehr  Fleisch  als  andere  Menschen  und  darum  auch  mehr  Schwach- 
heiten habe,  (I.  T.  III,  3):  „I  have  more  flesh  than  another  man 
and  therefore  more  frailty, "  und  verziehen  seinem  trefflichen  Witze, 
von  dem  er  rühmen  darf  (ib.  IL  T.,  I,  2):  „I  am  not  only  witty 
in   myself,   but  tlie  cause  that  wit   is  in  other  men. " 

Dies  hat  er  vor  allen  übrigen  Gestalten  ähnlicher  Art,  vor 
dem  Renommistenfähnrich  („ancient  swaggerer, "  IL  T.,  II,  4) 
Pistol,  dem  witzlosen  Poins  (ibid.  „Ins  wit  's  as  thick  as  Tewks- 
bury  mustard;  there  's  no  more  coneeit  in  hiin  than  is  in  a  mallet") 
und  vor  allem  dem  schurkenhaften  Parolles  in  All  's  well  that 
e  n  d  s  well  "    voraus. 

Hierüber  äussert  sich  Hense:1)  „Es  ist  unverkennbar, 
dass  der  Franzose  Parolles  und  der  Engländer  Falstaff 
grosse  Ähnlichkeit  haben.  Beide  sind  „grosssprecherische  Lands- 
knechte ,  beide  sind  die  Parasiten  vornehmer  junger  Leute, 
beide  legen  in  Wort  und  That  eine  gleich  grosse  Unverschämt- 
heit an  den  Tag"  (J.  Thüm'mel,  Vorträge  über  Shakespeare- 
Charaktere,  Halle  1881,  p.  272);  beide  sind  feig  und  halten 
die  Vorsicht  für  den  besseren  Teil  der  Tapferkeit;  beide  sind 
lügnerisch,  wenn  auch  Falstaff  meist  nur  lügt,  um  durch 
Renommisterei  zu  ergötzen,  während  Parolles  lügt,  um  andere 
zu  täuschen;  beide  haben  auf  ihre  Gönner  einen  sittlich  nach- 
teiligen Einfiuss;  Falstaff  wird  von  dem  Prinzen,  wo  er  seinen 
Vater  spielt  (Heinr.  IV.,  I,  2.  4),  ein  Vater  Kuppler,  ein  Ver- 
führer der  Jugend,  ein  weissbärtiger,  alter  Satan,  ein  Teufel  ge- 
nannt, der  in  Gestalt  eines  fetten,  alten  Mannes  den  Prinzen 
heimsucht,  und  der  Prinz,  zum  König  geworden,  sagt  zu  Fal- 
staff (II,  ö.  5):  „Vernimmst  du,  dass  ich  sei,  was  ich  g-ewesen, 
dann  komm,  und  du  sollst  sein,  was  du  mir  warst,  der  Lehrer 
und  der  Pfleger  meiner  Lüste.-'  Zu  Parolles  sagt  Lafeu  (Ende 
gut,  alles  gut.  II,  3):  „Der  Satan  ist  dein  Gebieter."  Parolles 
wird  von  Lafeu  (IV,  5),  von  Diana  (III,  ö)  als  Verführer 
Bertrams  und  als  nichtswürdiger  Helfershelfer  bezeichnet.  Beide, 
Parolles  und  Falstaff,  betrachten  sittliche  Verhältnisse  mit 
sophistischer  Leichtfertigkeit,  Parolles  das  Jungfrauentuni  (I,  1), 
Falstaff  die  Ehre.  Beide  benehmen  sich  verläumderiscb  gegen 
ihre  Gönner,  Parolles  sogar  verräterisch  gegen  Bertram.  Aber 
der  grosse  Unterschied    ist,    dass  Parolles    ohne  Witz    i>t ,    Fal- 


')  Shakespeare,  Untersuchungen  and  Studien. 

43 


674  XII.    Miles  gloriosus. 

s t a t't'  dagegen  durtli  Witz  und  Humor ,  durch  ironische  Be- 
handlung  seiner  eigenen  Persönlichkeit  gewinnt.  Der  weitere 
Unterschied  ist,  dass  Falstaff  mit  seinem  Gewissen  im  Kampfe 
liegt,  während  Par olles  es  nicht  weiter  hringt,  als  his  zur  kahlen 
Erkenntnis  seines  Wesens.  „Ich  hnde, "  sagt  er  (IV,  1),  ..meine 
Zunge  wird  zu  tolldreist;  aber  vor  meinem  Herzen  steht  die 
Furcht  vor  Mars  und  seinen  Kreaturen,  und  etwas  nicht  zu 
thun,  was  meine  Zunge  prahlt."  Während  Falstaff  nach  dem 
Schiffbruche  seiner  Hoffnungen  und  Wünsche  zuletzt  zur  reue- 
vollen Erkenntnis  seiner  Vergangenheit  gelangt ,  beruhigt  sich 
Parolles  nach  seiner  Entlarvung  und  Niederlage  mit  der  blossen 
Erkenntnis  seiner  Erbärmlichkeit  und  gründet  auf  dieselbe  eine 
neue  Lebensbahn  (IV,   3): 

Wäre  gross  mein  Herz. 
Jetzt  brach'  es!  Mit  der  Hauptmannschaft  ist's  aus; 
Doch  soll  mir  Speis'  und  Trank  und  Schlaf  gedeihn. 
Als  war'  ich  Hauptmann:  nähreu  muss  mich  nun 
Mein  nacktes  Selbst.     Wer  sich  erkennt  als  Prahler, 
Der  nehm'  ein  Beispiel  dran;  es  kaun  nicht  fehlen, 
Kein  Grossmaul  weiss  sein  Eselsohr  zu  hehlen. 
Verroste,  Schwert,  und,  Scham,  fahr'  hin!  Glück  auf! 
Beginn'  als  Narr  den  neuen  Lebenslauf, 
Denn  noch  sind  Platz  und  Unterhalt  zu  Kauf." 

Dem  Falstaff  Shakespeares  verdanken  einige  deutsche 
Nachahmungen,  in  denen  jedoch  von  dem  ursprünglichen  Miles 
gloriosus  wenig  mehr  zu  verspüren  ist,   ihr  Dasein. 

Den  lustigen  Weibern  nachgebildet  ist  der  Hannibal 
von  Donnersmark1)  des  Wilhelm  Heinrich  Brömel  (1754 
— 1808)  und  der  Gideon  von  Tromberg  desselben  Verfassers  im 
,,  Beitrag  zur  deutschen  Bühne".    (Dessau  und  Leipzig  1785.)2) 

In  Frankreich  haben  P.  Meurice  und  A.  Vacquerie  die 
beiden  Kapitäne  in  ihrem  ..Falstaff"  (1842)  und  „Le  cap itaine 
Parolles"    (28.   Febr.    1843)   auf  die   Bühne  gebracht.  3) 

Der  fantastical  Spaniard  Don  Adriano  de  Armado  in 
Shakespeares  Love's  labour  's  lost  mit  seinem  Pagen  Moth 
hat  gleichfalls  eine  hohe  Meinung  von  seiner  Ritterlichkeit.  ,.Adieu, 
valeur!  rust,  rapier!  be  still,  drum!  for  your  manager  is  in 
love!"  (I,  2)  Diesen  Armado  hat,  nach  Papp,4)  John  Lilly  s 
„Endimion,    the   man  in  the  moone,"5)   (1591)   beeinflusst. 


*)  Hagen,  Geschichte  des  Theaters  etc.,  S.  294,  Anm. 

2)  Brömel  nahm  meist  ausländische  Stoffe.  Siehe  0.  L.  B.  Wolff, 
Enzyklopädie  der  deutschen Nationallitteratur.  (Lpz.  1835.)  I,  409:  „Seine 
übrigen  Leistungen  sind  nur  Bearbeitungen  ausländischer  Vorbilder." 

3)  Histoire  philosophique  et  litteraire  du  theätre  francais  par 
M.  Hipp.  Lucas.    HI,  3(33. 

l)  Studien,  S.  38. 

Kndimion,  the  Man  in  the  Moone,   play'd  before  the  Queene's 
Ätajestie  at  Greenewich  on  Candlemas  day  at  night,  by  the  Chyldren  of 


J.  Lilly.     Jonsons  Bobadill.  675 

In  dieser  Komödie  spielt,  „a  b ragging  soldier,"  Sir 
Tophas,  mit  seinem  Pagen  Epiton.  Schon  seine  Worte  ver- 
wunden. „Commonly  my  words  wound;"  von  seinen  Schlägen 
aber  sagt  er:  „not  only  wound,  but  also  confound".  Er  verübt 
nur  Massenmord.  „Commonly  I  kill  by  the  doozen,  and  have  for 
every  particular  adversarie,  a  peculiar  weapon. "  Er  muss  allezeit 
fechten.  „Now  will  I  march  into  the  field,  where  if  I  cannot 
eneounter  with  my  foule  enemies,  I  will  withdraw  myselfe  to 
the  river,  and  there  fort  ine  for  fish:  for  there  resteth  no  minute 
free  from  fight"  (I,  3).  Sein  „martiall  life,  where  nothing  but 
blood  besprinkleth  our  bosomes"  (II,  2)  wird  zwar  vielfach 
Gegenstand  des  Spottes  seines  Dieners,  was  ihm  indes  nicht  sehr 
schwer  fällt.  Die  Liebe  der  Frauen  verfolgt  ihn,  wie  sein  Vor- 
bild. Schöne  Damen  kommen  „to  wonder  at  your  person,  your 
valour,  your  wit,  the  report  whereof  hath  made  them  carelesse 
of  their  owne  honours,  to  glut  their  eyes  and  hearts  upon  yours-; 
und  er  glaubt  es  gerne,  da  er  es  selbst  natürlich  findet.  —  (Vgl. 
M.   Koch,   Shakespeare,   S.    73.) 

Ben  Jonson,  „dessen  Vorbilder  die  alten  Meister  Terenz 
und  Plautus1)  waren",  hat  in  seiner  Komödie  „Every  man  in  his 
humour",2)  die  so  zuerst  1598  gespielt,  aber  erst  1616  gedruckt 
wurde,  in  dem  Captain  Bobadyll,  („a  PauTsman"),3)  einen 
prächtigen  Miles  gloriosus  geschaffen.  Über  denselben  äussert 
sich  der  Herausgeber4)   folgendermassen: 

„Bobadill  has  never  been  well  unterstood,  and,  therefore,  is 
always  to  lightely  estimated:  because  he  is  a  boaster  and  a 
cpward,  he  is  cursorily  dismissed  as  a  rnere  copy  of  the  ancient 
bully,  or  what  is  infinitely  more  ridiculous ,  of  Pistol;  but 
Bobadill  is  a  creature  sui  generis,  and  perfectly  original.  The 
soldier  of  the  Greek  comedy,  from  whom  Whalley  wishes  to 
derive  him,  as  far  as  we  can  collect  from  the  scattered  remains 
of  it,  or  from  its  eternal  copysts,  Plautus  and  Terence,  had  not 
many  traits  in  common  with  Bobadill.  Pyrgopolinices,  and  other 
captains  with  hard  names,   are  usually  wealthy;  all  of  them  keep 


Paulos.     At  London  by  J.  Charlewood  1591.  —  Das  Stück  ist  abgedruckt 
von  Blount  und  in  Dilke's  „Old  Plays",  Lond.  1814,  vol.  2;   dann  (in 
der  „Library  of  old  authors")  Bd.  I,  S.  1 — 87,  „The  dramatic  works 
of  John  Lilly,"  ed.  Fairholt  (London  1858).  —  Klein.    XIII,  480. 
')  Taine.    I.  404. 

2)  Auf  S.  1 — 162  des  ersten  Bandes  von  „The  works  of  Ben  Jon- 
son in  nine  volumes,  ed.  W.  Gifford  (London  1816)".  —  Auch  in  No.  12 
der  „English  Library.  Zürich  (Rudolphi  u.  Klemm  1882)". 

3)  A  Paul'sman  i.  e.  a  frequenter  of  the  middle  aisle  of  St.  Paul's 
Cathedral,  the  common  resort  of  cast  captains,  sharpers,  gulls,  and  gossi- 
pers  of  every  description. 

*)  Ed.  Gifford.    I,  160. 

43* 


676  ^TT.    Miles  gloriosus. 

a  mistress,  and  some  of  thein  a  parasite:  but  Bobadill  is  poorr 
as  indeed  are  most  of  his  profession,  which,  whatever  it  might  be 
in  Grreece,  has  never  been  a  gaineful  one  in  this  country.  They 
are  profligate  und  luxurious;  but  Bobadill  is  stained  with  no 
inordinate  vice,  and  is  besides  so  frugal,  that  ,,a  bunch  of 
radisb.es  and  a  pipe  to  close  the  orifice  of  his  stomacb."  satisfy 
all  bis  wants.  Add  to  this ,  tbat  the  vanity  of  tbe  ancient 
soldier  is  accompanied  with  such  deplorable  stupidity,  tbat  all 
temptation  to  mirth  is  taken  away,  whereas  Bobadill  is  really 
amusing.  This  gravi ty,  which  is  of  the  most  inflexible  nature 
contrasts  admirably  with  the  situations,  into  which  he  is  thrown, 
and  though  beaten,  baffed  and  disgraced,  he  never  so  far  forgets 
himself  as  to  aid  in  his  own  discomfiture.  He  has  no  soliloqnies 
like  Bessus  and  Parolles  to  betray  his  real  character,  and  expose 
himself  to  unnecessary  contempt;  nor  does  he  break  through  the 
decorum  of  the  scene  in  a  single  instance.  He  is  also  an  admirer 
of  poetry  and  seems  to  have  a  pretty  taste  for  criticism,  though 
his  reading  does  not  appear  very  extensive,  and  his  decisions 
are  usually  made  with  soinewhat  too  much  promptitude.  In  a 
word,  Bobadill  has  many  distinguishing  traits,  and  tili  a  preceding 
braggart  shall  be  discovered  with  something  more  than  big  words- 
and  beating  to  characterize  bim,  it  may  not  be  amiss  to  allow  Jon- 
son  the  credit  of  having  depended  entirely  on  his  own  ressources." 
Er  steht  auf  einer  höheren  Stufe  als  andere.  „In  regard, 
I  would  not  be  too  populär,  and  generally  visited,  as  some  are, " 
ist  sein  Grundsatz  (I,  4).'  „.  .  .  By  the  heart  of  valour  in  nie, 
except  it  be  to  some  peculiar  and  choiee  spirits,  to  whom  1  am 
extraordinarily  engaged,  as  yourself  or  so,  I  could  not  extend 
thus  far."  Mit  gewöhnlichen  Leuten  gab  er  sich  nie  ab.  „By  St. 
George  .  .  .  as  I  am  a  gentleman  and  a  soldier."  Seine  Helden- 
thaten  bei  Strigonium  (Graan  in  Ungarn)  sind  der  berechtigte 
Grund  seines  Stolzes.  „By  St.  George,  I  was  the  first  man  that 
entered  the  breach;  and  had  I  not  effected  it  with  resolution,  I 
had  been  slain  if  I  had  a  million  of  lives  (III,  1)  .  .  .  .  They 
had  planted  me  three  demi-culverins  just  in  the  mouth  of  the 
breach;  now,  sir,  as  we  were  to  give  on,  their  lnaster-guuner 
(a  man  of  no  mean  skill  and  mark,  you  must  think)  confronts 
me  with  his  linstock,  ready  to  give  fire;  I,  spying  his  intendment, 
discharged  my  petronel  in  his  bosom,  and,  with  this  single  arms,- 
my  poor  rapier,  ran  violently  upon  the  Moors  tbat  gnarded  the 
ordnance,  and  put  'ein  pell-mell  to  the  sword.  •'  Dies  Schwert  ist 
aber  auch  gewaltiger,  als  Morglay,  Excalibur  und  Durindana,  die 
Watten  des  Bevis  of  Southampton,  König  Arthurs  und  Orlandos; 
..I  know  the  virtue  of  mine  own,  and  therefore  I  dare  the  boldlier 
maintain  it." 


Ben  Jonson.    G.  Cbapman.  677 

Weitere  Kraftstücke  erzählt  Bobadill  später  (IV,  5).  „They 
have  assaulted  me  some  three,  four,  five,  six  of  them  together, 
<ns  I  walked  alone  in  divers  skirts  i'  the  town  ...  I  liave  driven 
them  afore  me  the  whole  length  of  a  street,  in  the  open  view  of 
all  our  gallants,  pitying  to  hurt  them,  helieve  me  ....  By 
myself,  I  could  have  slain  them  all,  but  I  delight  not  in  murder;" 
u.   s.   w. 

Das  Lustspiel  bietet  auch  sonst  Reminiszenzen  an 
die  lateinischen  Komiker,    z.   B.   Knowells  Wort  (I,    1): 

There  is  a  way  by  winning  more  by  love, 
And  urging  on  the  modesty  thau  fear, 

zu  Terenz  (Adelphi,    V.   57): 

Ptidore  et  liberalitale  liberos 
Hetinere  satius  esse  credo  quam  metu. 

In  Ben  Jonsons  „Every  man  out  of  his  humour"1)  findet 
sich  wieder  „a  vain-glorious  knight"  in  der  Gestalt  des 
Puntarvolo.  Gifford  nimmt  diesen  und  Bobadill  für  wirk- 
liche Persönlichkeiten.2)  Im  Poetaster,  or  his  arraignment,3) 
treffen  wir  auf  eine  verwandte  Figur  in  Pantilius  Tucca,  den 
Davies  als  eine  „Avretched  copy  of  Falstaff"  bezeichnet,  wo- 
gegen Gifford5)  eifert.  —  Auch  Dekkers  Captain  Tucca  und 
Congreves  Noll  Bluff5)  sind  ziemlich  ungeschickt  Ben  Jon- 
sons Bobadill  nachgeahmt. 

Eine  Art  von  Miles  verzeichnet  Rapp'>)  in  „May-day7)" 
einem  Lustspiele  des  George  Chapman,  das  1611  zuerst  ge- 
druckt wurde.  „Der  Gemahl  jener  jungen  Frau,"  findet  er, 
„der  im  Wirtshause  stets  betrunken  den  Captain  oder  Miles 
gloriosus  spielt  und  seinen  Leutnant  oder  Parasiten  zur  Seite 
hat;   ganz   plautinisch   oder  terenzisch. " 

Hier  ist  es  der  Captain  Quintiliano,  der  seinem  Parasiten, 
dem  Leutnant  Innocentio,  (S.  18)  die  Lehre  giebt:  „In  a  word, 
l)c  impudent  enough,  for  that  's  your  chief  virtue  of  society,  „wo- 
rauf dieser  von  sich  sagen  kann:  ,.I  need  not  learn  that,  I  have 
that    by    nature,    I    thank    God."      Ähnlich    fährt   Quintiliano   in 

»)  Ed.  Gifford.    II,  1—213.  —  Schlegel,  Vorles.    II.  333. 

-)  A.  a.  0.  II,  213.  No  one  believes  that  Bobadill  was  a  mere 
creature  of  imagination. 

•')  Ed.  Gifford.    II,  384-551.  —  Kapp,  Studien,  S.  223. 

-'■)  A.  a.  0.    II,  550. 

5)  A.  a.  0.    I,  214. 

G)  Studien,  S.  43. 

')  Auf  S.  1—115  im  vierten  Bande  der  „Old  Euglish  Plays". 
(London  1816.) 


678  XTT-    Miles  gloriosus. 

seinen  Unterweisungen  fort:  „There  's  no  prescription  f'or  gentility, 
but  good  elotlies  and  impudence  (S.  19)  .  .  .  if  you  change  to 
teil  a  lie,   you  most  bind  it  with  some  oath." 

Indes  ist  Quintiliano  schon  mehr  ein  Captain  nach  Fal- 
Btaffs  Art,  denn  ein  Miles;  was  er  besonders  im  vierten  Akte 
(S.  89 — 93)  zeigt,  wo  in  launiger  Weise  sehr  gelungen  der  Ge- 
danke durchgeführt  wird,  „the  first  model  of  a  battle  was  taken 
from   a  banquet." 

Bei  Beaumont  und  Fl  et  eher  begegnen  wir  in  „A  king 
and  no  king"1)  dem  Captain  Bessus,  der  im  dritten  Akte 
(2.  Sz.)  eine  Schilderung  seiner  Laufbahn  giebt,  die  vielfach  an 
Falstaff  erinnert.  „I  was  never  at  battle  but  once,  and  there 
I  was  running,  but  Mardonius  eudgelled  me;  yet  I  got  loose  at 
last,  but  was  so  afraid  that  I  saw  no  more  than  my  Shoulders 
do,  but  fled  with  my  whole  Company  amongst  my  enemies  and 
overthrew  'em. "  In  seltener  Feigheit  weicht  er  Herausforderungen, 
die  er  durch  sein  Benehmen  sich  zugezogen  hat,  aus.  Etwas  stark 
z.   B.   ist  III,   2   aufgetragen: 

Bacvrius.  You  know  you  were  a  coward. 

Bessus.       Very  right. 

Bacurius.   Aud  wronged  me. 

Bessus.       True,  my  lord. 

Bacurius.  But  now  people  will  call  you  valiant-desertlessly .  I  tbink; 
yet  for  their  satisfaction,   I  will  have  you  fight  with  me. 

Bessus.       0,  my  good  lord,  my  deep  engagements. 

Bacurius.  Teil  not  me  of  your  engagements,  captain  Bessus :  it  is  not  to 
be  put  off  witb  an  excuse.  For  my  own  part,  I  am  none  of 
the  multitude  that  believe  your  conversion  from  coward. 

Bessus.  My  lord,  I  seek  not  quarreis;  and  this  belongs  not  to  me; 
I  am  not  to  maintain  it. 

Bacurius.   Who  then,  pray? 

Bessus.       Bessus  the  coward  wronged  you. 

Bacurius.   Right. 

Bessus.  And  shall  Bessus  the  valiant  maintain  what  Bessus  the  co- 
ward did? 

XL.  s.  w.  —  In  ähnlicher  Weise  wird  Bessus  noch  mehrmals  in 
dem  Stücke  als  gewöhnlicher  Feigling  entlarvt  und  mit  den  un- 
ritterlichsten  Namen  belegt. 

Weitere  Anklänge  an  den  prahleri sehen  Kapitän  hat  der 
Duarte  in  ,,The  custom  of  the  country"  von  Beaumont 
und  Fletcher,2)  obwohl  sich  der  prahlerische  Held  etwas  anders 
äussert.      Seine  Anschauung: 


a)  Auf  S.  231 — 348  des  zweiten  Bandes  von  „The  works  of  Beau- 
mont &  Fletcher.  with  notes  by  The  Rev.  Alexander  Dyce  (Lon- 
don. Moxon,  1843j". 

2)  Auf  Seite  38fj — 496  des  vierten  Bandes  von  „The  works  of  Beau- 
mont &  Fletcher,  ed.  by  AI.  Dyce  (London,  Ed.  Moxon,  1844)". 


Beaumont  und  Fletcher.     Congreve.  679 

no  mau  lives 
That  's  worthy  to  command  me, 

trägt  er  in  allen  Dingen  zur  Schau;   den  Grundsatz: 

All  I  speak. 
In  act  I  can  make  good, 

führt  er  weiter  durch: 

For,  if  I  studied  the  country  's  laws, 

I  should  so  easily  sound  all  their  depth, 

And  rise  up  such  a  wonder,  that  the  pleaders, 

That  now  are  in  most  practice  and  esteem, 

Should  starve  for  want  of  clients:  if  I  travell'd, 

Like  wise  Ulysses,  to  see  men  and  manners, 

I  would  return  in  act  more  knowing  than 

Homer  could  fancy  him:  if  a  physician, 

So  oft  I  would  restore  death-wounded  men, 

That,  where  I  liv'd,  Galen  should  not  be  nam'd; 

And  he  that  join'd  again  the  scatter'd  limbs 

Of  torn  Hippolytus  should  be  forgotten: 

I  could  teach  Ovid  courtship,  how  to  win 

A  Julia,  aud  enjoy  her,  though  her  dower 

Wefe  all  the  sun  gives  light  to:  aud  for  arms, 

Were  the  Persian  host,  that  drank  up  rivers,  added 

To  the  Turk's  present  powers,  I  could  direct, 

Commaud  and  marshal  them. 

Die  Prahlerei  Duartes  geht  noch  etwas  weiter,  als  jene  des 
Pyrgopolinices.  Dass  der  Dichter  jedoch  bei  dem  wirk- 
lich an  den  „plautinischen  Miles-  dachte,  lässt  sich  nicht 
nur  nach  den  zahlreichen  Reminiszenzen  an  die  lateini- 
schen Klassiker,  die  er  bringt,  glauben,  sondern  nach 
der  Antwort,   die    ..Manuel  du  Sosa."    giebt: 

And  yet  you  know  not 

To  rule  yourself;  you  would  not  to  a  boy  eise, 

Like  Phallus1  brat/gart,  boast  thus. 

Der  Page  spielt  hier  die  Rolle  des  plautinischen  puer, 
allerdings  ungleich  bescheidener,  als  dieser.  Freilich  bezeichnet 
Guiomar  ganz  richtig  Duartes  Benehmen  als  „stränge  self- 
love",    was   es   auch   eher  ist,    als   capitänartiges  Aufschneiden. 

Den  Capitän,  jedoch  in  gutmütigerer  Form,  ruft  Captain 
Bluffe  in  "William  Congreves  Lustspiel  „The  old  Bat- 
chelour"1)  ins  Gedächtnis.  Zwar  gilt  auch  bei  ihm  der  Grund- 
satz: „He  that  knows  me,  must  be  a  stranger  to  fear."  Er  hat 
die   Flandrischen  Kriege  mitgemacht   und   viel  gethan,   obwohl  die 


')  Im  ersten  Bande  von  „The  works  of  Mr.  William  Congreve. 
London  (Printed  for  Tonson  in  the  Strand)  1752". 


680 


XIIL   Mercator. 


undankbaren  Zeitungsschreiber  von  ihm  nichts  berichteten.  „You 
must  know,"  erzählt  er  (II,  1),  ,.I  was  resident  in  Flanders  tbe 
last  Campaign,  bad  a  small  Post  there,  bnt  no  matter  for  tbat. 
Perhaps,  Sir,  there  was  a  scarce  any  thing  of  moment  done  bnt 
an  humhle  Servant  of  yours,  tbat  shall  be  nameless,  was  an  eye- 
witness  of  —  I  won't  say  bad  tbe  greatest  share  in  't;  tbo1  I 
might  say  that  too,  since  I  am  no-hody,  von  know.  Well,  Mr. 
Sharper,  would  you  tbink  it?  In  all  tliis  time —  as  I  hope  for  a 
Trunebeon,  tbis  rascally  Gazette-writer  never  so  mueb  as  onee 
mention'd  me.  —  Not  onee  by  tbe  wars  —  Took  no  more 
notiee,  than  as  if  Nol  Bluffe  bad  not  been  in  tbe  land  of 
the  Irving." 

Man  siebt  —  eine  andere  Art  von  Prahler  und  Maulheld, 
dem  in  trefflicher  Weise  Sir  Joseph  Witoll  stets  seine  Be- 
scheidenheit vorhält:  „Ay,  tbis  damn'd  modesty  of  yours."  Und 
da  Witoll  erzählen  will,  „how  you  eat  fire  onee  out  of  tbe  moutb 
of  a  Canon  —  agad  be  did;  those  impenetrable  Wbiskers  of  bis 
have  confronted  Flames,"  und  Captain  Bluffe  wieder  abwehrt,  be- 
stätigt er:  ,.Look  you  now,  I  teil  you  be  's  so  modest,  be  '1  own 
nothing." 

Bluffe  ist  trotz  seiner  gewaltigen  Schwüre  („by  tbe  immortal 
Thunder  of  great  guns,"    III,    1)  gänzlich  ungefährlich. 


XIIL  Mercator.1) 


Das  vom  sittlichen  Standpunkte  aus  anwidernde  Thema  der 
Casina  (und  Asinaria),  dass  die  Gelüste  des  greisen  Vaters  sich 
auf  die  Geliebte  des  Sohnes  erstrecken,  bildet  die  eigentliche 
Grundidee  des  Mercator.  „Aus  dem  Titel  wird  man  es  schwer- 
lich erraten,"  sagt  Lessing,2)  „dass  dieses  Stück  von  einem 
alten,  verliebten  Narren  handelt,  der  seinem  Sohne  seine  Liebste 
vor  dem  Maule  wegnehmen  will."  Indessen  ist  hier  das  An- 
stössige  in  eine  heiterere  Form  gekleidet,  der  Alte  wird  ge- 
prellt und  scheint  sich  diese  Strafe  selbst  zu  gönnen;  die  letzten 
Worte  des  Eutychus  verdammen  zum  mindesten  das  Gebahren 
solcher  Greise. 

Charinus,     der    Sohn     des     Demipho,     leitet     das     Stück, 


')  Hier    zitiert    nach    C.   H.  Weise. 
(Progr.  50  S.). 

2)  Beiträge,  S.  50. 


—  Übersetzt   von  Kost    18'JG 


Charakteristik  desselben.  681 

ein  Lustspiel  des  Philemon  (tiiTTOQog),  mit  einem  Prologe1) 
ein   (F.    9): 

Graece  haec  uocatur  Emporos  Philemonis; 

Eadem  latine  Mercator  Marci  Accii. 

Charinus  -wollte  in  seiner  frühen  Jugend  nicht  recht  gut 
thun;  er  verbrachte  sein  Geld  bei  Kupplern  und  Dirnen.  Da 
liess  sein  Vater  öffentlich  warnen,  ihm  etwas  zu  borgen;  er  sei 
betrunken,    meineidig,   frech   (V.    51): 

Conclamitare  tota  urbe  et  praedicere, 
Omnes  tenerent,  mutuitanti  credere: 
Amorem  multos  inlexe  in  dispendium: 
Intemperantem.  non  modestum,  iniurium, 

u.  s.  w.  —  Endlich  liess  sich  der  Sohn  von  seinem  Vater  be- 
reden, eine  Geschäftsreise  mit  seinem  Sklaven  Acanthio  nach 
Ehodus  zu  machen.  Dort  trieb  er  günstigen  Handel,  fand  aber 
auch  ein  Mädchen,  das  er  sich  kaufte,  und  mit  welchem  er  nun 
eben  heimkam.      Es  weilt  noch  auf  dem  Schiffe  im  Hafen. 

Acanthio  kömmt  gelaufen  xmd  meldet  seinem  Herrn 
Charinus,  dass  das  Mädchen  entdeckt  sei,  da  der  alte  Demipho 
sie  im  Schiffe  aufgefunden  habe.  Der  Sklave  konnte  sich  ma- 
nnt der  raschen  Ausflucht  helfen,  dass  der  Sohn  dies  Mädchen 
für  die  Mutter  erworben  habe.  —  Vater  Demipho  tritt  auf;  er 
ist  bereits  vollständig  in  das  Mädchen  vernarrt  (F.   261): 

Quam  ego  postquam  adspexi,  non  ita  amo,  ut  sani  solent 
Homines,  sed  eodem  pacto,  ut  insani  solent. 
Amaui  hercle  equidem  ego  olim  in  adulescentia; 
Verum  ad  hoc  exemplum  numquam  ut  nunc  insanio. 

Zu  ihm  gesellt  sich  sein  Freund  und  Nachbar  Lysimachus, 
dem  er  seinen  Zustand  anvertraut.  Unterdessen  erscheint  Cha- 
rinus ratlos  und  verzweifelt.  Sein  Vater  fragt  ihn,  was  ihm 
fehle,  er  schiebt  die  Schuld  auf  die  Seereise.  Nun  fängt  Demipho 
an,  über  das  Mädchen  zu  sprechen;  es  passe  für  die  Mutter  nicht: 
einmal    sei    es   zur  Hausarbeit   zu   zart  (F.    391): 

non  nostra  formam  habet  dignam  domo: 
Nihil  opus  nobis  ancilla,  nisi  quae  texat,  quae  molat, 
Lignum  caedat,  pensum  faciat,  aedis  uerrat,  uapulet, 
Quaeque  habeat  cotidianum  familiae  coctum  cibum. 
Horunc  illa  nihilum  quidquam  facere  poterit  admodum,2) 


')  K.  Dziatzko,  Über  den  Prolog  zum  Mercator  und  seine  In- 
terpolationen. Rhein.  Museum  XXVI.  421;  XXIX,  (33.  —  L.  Rein- 
hardt, De  retractatis  fabulis  PI.     Greifsw.  1872.     (=  Studemunds  Stu- 


dien, I,  80.) 

*)  Verl.  S.  389. 


ß82  XIII.   Mercator. 

wollte  sie  aber  andrerseits  neben  der  Mutter  geben,  so  würde 
ihre  grosse  Scbönbeit  zweifelhaftes  Gerede  erregen.  Er  wolle 
deshalb  der  Mutter  eine  andere  Sklavin  kaufen,  diese  aber  für 
einen  alten  Herrn  erwerben.  Hierauf  erwidert  Charinus,  er 
habe  den  gleichen  Auftrag  für  einen  jungen  Mann   (F.   421): 

At  quidam  adulescens,  pater, 
Mihi  mandauit,  ad  istanc  faciem,  ita  nt  illa  est,  emerem  sibi. 

Sie  suchen ,  sich  im  Preise  gegenseitig  zu  überbieten. 
Demipho  geht  in  der  Absicht,  das  Mädchen  im  Hafen  durch 
Lysimachus  kaufen  zu  lassen.  Charinus,  verzweifelt,  denkt  an 
das  Äusserste  (F.  464): 

Cur  ego  uiuo?  cur  non  morior?  quid  mi  est  in  uita  boni? 
Certum  est,  ibo  ad  medicum  atque  ibi  me  toxico  morti  dabo: 
Quando  id  mi  adimitur,  qua  causa  uitam  cupio  uiuere? 

Da  naht  sein  Freund  Eutychns,  des  Lysimachus  Sohn-, 
diesen  schickt  er  zum  Hafen,  auf  dass  er  um  jeden  Preis  das 
Mädchen  kaufe. 

Im  zweiten  Akte1)  hat  Lysimachus  Pasicompsa,  die 
ihrem  Namen  alle  Ehre  macht  —  „Ex  forma  nomen  inditum  est," 
sagt  Lysimachus  (F  510)  —  bereits  gekauft  und  schafft  sie 
eben  in  sein  Haus,  da  seine  Frau  auf  dem  Lande  ist.  Lysi- 
machus versichert  seinem  Freunde,  dass  er  das  Mädchen  nur 
einen   einzigen  Tag  bei   sich  bebalten  könne   (F.  579): 

Nulluni  hercle  praeter  huno  diem  illa  apud  me  erit. 
Metuo  ego  uxorem,  cras  si  rure  redierit, 
Ne  illam  hie  offenclat. 

Mit  banger  Sehnsucht  erwartet  Charinus  seinen  Freund 
Eutychus.  Dieser  kömmt  vom  Hafen  mit  der  traurigen  Nach- 
richt zurück,  dass  Pasicompsa  bereits  verkauft  sei.  Nun  will 
Charinus  nicht  mehr  bleiben.  Er  wählt  ein  freiwilliges  Exil 
ferne  von  Athen.  Eutychus  macht  sieh  auf,  um  noch  alles  zur 
Entdeckung  des  Mädchens  zu  thun.  Unterdessen  ist  Dorippa, 
des  Lysimachus  Frau,  mit  ihrer  vier  und  achtzigjährigen  Sklavin, 
Syra,  auf  die  Nachricht,  dass  ihr  Mann  nicht  nachkommen  werde, 
sofort  vom  Lande  nach  der  Stadt  gegangen.  Syra  entdeckt  die 
..Kebsalkmene  ihrer  Juno-'    (F.   685): 

I  hac  mecum,  ut  uideas  simul 
Tuam  Alcumenam  pellicem,  Iuno  mea. 


')  Nach  Rapps  Einteilung,  der  (S.  1237)  sagt:  „Wir  haben  es  be- 
quemer in  drei  Akte  geteilt,  als  in  fünf;  es  spielt  fast  oh'ue  sichtbare 
Unterbrechung." 


Charakteristik  desselben.  633 

Da  nun  Lysiniachus  auftritt,  folgt  eine  eheliche  Szene, 
bei  welcher  Dorippa,  da  sie  ihren  Gatten  für  treulos  hält,  nach 
ihrem  Vater  schickt  und  Lysimachus  viel  zu  leiden  hat.  Dazu 
gesellt  sich  auch  noch  der  Koch,  den  Lysimachus  selber  ge- 
mietet hat  (F.  693:  „Egomet  conduxi  coeum"),  da  Demipho  im 
Hause  des  Lysimachus  seiner  Geliebten  ein  Mahl  geben  will. 
So  spricht  alles  gegen  Lysimachus.  Zum  Glücke  hat  Syra 
Dorippas  Vater  nicht  zu  Hause  getroffen.  —  Eutychus  kömmt 
von  seinen  Forschungen  nach  Pasicompsa  zurück.  Zu  seinem 
Erstaunen  hört  er  von  der  alten  Syra,  dass  sich  sein  Vater  eine 
Dirne  beigelegt  habe  (F.    818): 

Tuns  pater  bellissumus 
Amicam  adduxit  intro  in  aedis. 

Eutyclms  kann   es  nicht   glauben  und  tritt  ins  Haus. 
Im  dritten  Akte   erscheint   Charinus  reisefertig  und  nimmt 
von  Attika  Abschied  (F.   826): 

Occidi ! 
Di  penates  meum  parentum,  familiai  Lar  pater, 
Vobis  mando,  meum  parentum  rem  beue  ut  tutemim. 
Ego  mihi  alios  deos  Penates  persequar,  alium  Larem, 
Aliam  urbem,  aliam  ciuitatem:  ab  Atticis  abhorreo, 

u.  s.  w.  Da  findet  ihn  Eutychus,  der  ihn  vergeblich  bisher 
gesucht  hat.  Er  berichtet  ihm,  dass  Pasicompsa  im  Hause 
seines  Vaters  sei.  Anfänglich  glaubt  es  Charinus  nicht.  Wie 
ein  Rasender  tritt  er  seine  Fahrt  an.  Schon  ist  er  in  Cypern 
(F.  930:  „Iam  Cyprum  xienü"),  in  Chalcis  und,  endlich  glücklich 
aus  dem  Exil  zurück,   begrüsst  er  seinen  Freund  (F.   939): 

Iam  sum  domi, 
Iam  rediui  exilio.     Salue,  mi  sodalis  Eutyche! 
Ut  ualuisti?   Quid?   parentes  mei  ualent? 

..Die  Erfindung  der  fingierten  Reise  des  Charinus  ist  (nach 
Rapps  Urteil)1)  eine  komische  Schönheit  von  so  leuchtender 
Natur,  dass  sie  in  der  That  nirgends  so  gefunden  werden  kann, 
als  in  der  griechischen  Antike." 

Charinus  eilt  nun  mit  Eutyclms  ab,  um  Dorippa  zu 
versöhnen.  Lysimachus  und  Demipho  treten  auf  und  alsbald 
Eutychus  mit  der  Botschaft,  die  Mutter  sei  wieder  gut.  Lysi- 
machus redet  dem  Demipho  ins  Gewissen;  es  sei  von  ihm  nicht 
recht   gewesen,    seinem  Sohne   das  Mädchen    abzujagen  (F.   965): 

Nam  1c  istac  aetate  haut  aequom  fuerat  filio  tuo, 
Adulesceuti  amanti  amicam  eripere  emptam  argento  suo, 

')  A.  a.  0.,  S.  1237. 


C84  XIII.   Mercator. 

worauf  dieser  thut,  als  wisse  er  es  nicht.  „Ut  dissimnlat  malus!" 
ruft  Eu ty ch us  aus.  Demipho  versichert  es  jedoch  nochmal. 
Eutychus  schliesst  mit  dem  Vorschlage,  ein  Gesetz  zu  erlassen, 
dass  jeder,  der  sechzig  Jahre  alt  ist,  wenn  er  einem  Mädchen 
nachstellt,  als  ein  Narr  behandelt  werden  solle.  Junge  Leute 
aber  mögen  lieben,  und  zwar  öffentlich,  denn  insgeheim  komme 
es  zu  teuer.  Noch  diesen  Abend  hat  dies  Gesetz  in  Wirksamkeit 
zu  treten  (F.    1011): 

Annos  natus  sexaginta  qui  erit,  si  quem  seibimus, 

Seu  maritum,  siue  hercle  adeo  caelibem,  scortarier: 

Cum  eo  nos  hac  lege  agemus:  inscitum  arbitrabimur. 

Et  per  uos  quidem  hercle  egebit,  qui  suom  prodegerit. 

Neu  quisquam  posthac  prohibeto  adulescentem  filium, 

Quin  amet,  et  scortum  ducat,  quod  bono  fiat  modo. 

Si  prohibuerit,  plus  perdet  clam,  quam  si  praebuerit  palam. 

Haec  adeo  ut  ex  hacce  nocte  primum  lex  teneat  senes. 

Die  beiden  Rivalen  des  Stückes  und  der  Gegenstand  ihrer 
so  glühenden  Liebe  ziehen  vorerst  unser  Interesse  auf  sich.  Der 
alte  Demipho  ist  in  strenger  Jugendzucht  herangewachsen 
(F  64:  „adeo  arte  cohibitum  esse  se  a  patre. ")  Nun  ist  er  in 
alten  Tagen,  ein  „Acherunticus,  senex  iietus,  decrepitus  (F  288), 
capite  cano  (F  303)",  verliebt  geworden,  obwohl  er  sonst  harten 
Charakters  ist.  „Scio,  saeuos  quam  sit,  domo  doctus"  (F  351). 
Seine  Anschauungen  setzt  er  in  dem  Monologe  (F.  538)  ausein- 
ander. In  seinem  Alter  „id  iam  lucro  est,  quod  uiuis"  (F  547): 
also  trinke  und  liebe!  („potes,  ames!").    Seine  Absicht  ist  (F.  541): 

breve  quod  uitae  reliquum  est, 
Voluptate,  uino  et  amore  delectauero. 

Sein  Freund  Lysimachus,  ein  wirklicher  Freund  (F.  286: 
„Non  sinn  oecupatus  umquam  amico  operam  dare"),  wird  nach 
seinem  Äusseren  als  der  Käufer  Pasicompsas  geschildert  (F.  635): 

Cauum,  uarum,  uentriosum,  bueculentum,  breuiculum, 
Subnigris  oculis,  oblougis  malis,  pansam  aliquautulum. 

Charinus,  der  in  seiner  Liebe  an  den  Tod  denkt,  ist  mit 
allem  Feuer  der  Jugend  ausgestattet ,  das  wohl  die  wunder- 
schöne Pasicompsa  (,, forma  eximia,"  F.  209;  259;  500)  leicht 
erregen  konnte. 


Der  Mercator  des  Plautus   ist  wenig  nachgeahmt   worden. 
Rapp1)    vermutet     eine    Erinnerung     an    das    Stück     in    Arthur 


')  Studien,  S.  170. 


Murphy.     Cohnan.    Cecchi.  685 

Murphys  (1727 — -1805)  zweiaktigem  „The  Citizen-'.1)  „Übrigens 
kommen  in  diesem  Stücke  zwei  deutliche  Reminiszenzen  aua 
Moli  er  e  und  vielleicht  eine  unbewusste  aus  Plautus'  Mercator 
vor."  Die  Reminiszenz  ist  eine  schwache,  falls  sie  den 
Vater  Philpot  betrift't,  der  bei  Corinna  seinen  Sohn  George 
als  Rivalen  findet   und  dort  viel  zu  hören  bekommt. 

Drawn  in  by  strumpets,  and  detected  too! 
klagt   er  im  Epilog,   worauf  George   erwidern  kann: 

That  's  a  sad  tliing,  Sir!   I  '11  be  judg'd  by  you. 

Colmans  englisches  Stück,  „Der  Kaufmann,"  hat,  wie  viele 
andere,  nur  den  Titel  mit  Plautus  Lustspiel  gemeinsam.  Die 
englische  Übersetzung  von  George  Colman  „The  merchant" 
ist  der  zweiten  Ausgabe  seines  Terenz  beigedruckt.2) 

Eine  italienische  Übersetzung  „II  Mercadante "  in  versi 
sciolti  von  Orazio  Bianchi  führt  Argelati3)  an.  —  Eine  Über- 
arbeitung des  plautinischen  Stückes  liegt  in  Gio.  Maria  Cecchis 
..  la  Stiava"4)  vor,  obwohl  diesmal  wider  die  Gewohnheit  die 
Quelle  im  Prolog  nicht  genannt  ist. 

I.  Akt.  (1.)  Alfonso  klagt,  wie  Charinus  (7.  18  ff.),  über 
die  Leidenschaft  der  Liebe.  Er  hat  sein  Mädchen  mitgebracht, 
das  sein  Vater  nicht  sehen  darf.  (2.)  Sein  Diener  Gorgoglio, 
der  plautinische  Acanthio,   kömmt  herbeigelaufen  (V.  113): 

Simul  enica  suspiritus:  nix  suffero  hercle  anhelitum 

E  mi  manca  la  lena,  i  ho  la  gola  di  Pomice. 
V.  122.)     Genua  hunc  cursorem  desertont 
Le  gambe  mi  fiaecono. 
|  V.  133.)     Periimus! 

Xoi  siam  presso  che  rouinati. 

Die  lange  Szene    des  Plautus    ist  etwas    gekürzt;    dagegen: 

Alf.  Che  e  stato? 

Gorff.  Vostro  padre? 

Alf.  Che  ha?    Che  ha? 

(-<ii'f/.  E  venuto  alla  naue. 

Alf.  E  quando  n'  e  venuto? 

Gorg.  Adesso  e  ueduta  la  nostra  Adelfia; 


')  Auf  S.  21ö — 301  des  zweiten  Bandes  von  „The  works  of  Arthur 
Murphy,  Esq.  London  (Printed  for  T.  Cadeil)  1786". 

2)  S.  301 — 388.  „Translated  from  Plautus  into  familiär  blauk  verse. 
London  1768." 

s)  in,  236. 

4)  La  Stiava.  |  Comedia  |  di  Gio.  Maria  Cerchi  |  (sie)  Fiorentino. 
In  Viuegia  appresso  Gabriel  Giolito  de  Ferrari  e  l'ratelli.  MDL.  .'!()  fol. 
—  Ginguene.   VI.  277.  —  Ruth.    IL  Ö8:J.  —  Klein.  IV.  Ö14. 


686  XIII.  Mercator. 

nach  Vers   180: 

A.c.        Eloquar,  quandoquidem  me  oras.    Tuus  pater  .  .  . 

Chor.  Quid  meus  pater? 

Ar.         Tuam  amicam  .  .  . 

Uhar.  Quid  eam? 

Ar.  Vidit  .  .  . 

Er  sali  sie  und  sprach  mit  ihr: 

Chor.  Vidit?   Vae  misero  mihi. 

Alf.       Nou  ti  domando  egli  chi  ella  era? 

Gorg.    Si,  io  gli  dissi  che  ella  era  ima  Stiaua  Perotta:  la  quäle  uoi  haue- 

uate  compera  per  uostra  madre. 
(  V.  200.)  matri  te  ancillam  tuae 

Emisse  illam. 

So,    meint  Gorgoglio,    habe   er  die   Geliebte  stets  um  sich. 

(3.)  Der  Vater  Filipo  (Demipho)  tritt  auf.  Wie  bei 
Plautus,  so  hatte  er  auch  hier  einen  Traum,  doch  einen  andern. 
Ihm  träumte  nicht  von  Ziege  und  Affe,  sondern  sein  Sohn  sei 
glücklich  heimgekehrt.  Und  richtig  fand  er  ihn  im  Hafen;  und 
noch  dazu  .,una  fanciolozza  bianca,  grassa  e  fresca  che  pare  im 
sole  di  Maggio.  Io  non  potetti  teuere  che  i  non  gli  toccassi 
la  mano,  o  che  carni  son  quelle!"  (4.)  Nastagio  mit  seinem 
Verwalter  Meino  gesellt  sich  dazu.  Aus  den  zwei  Versen 
(F.  270): 

Profecto  ego  illuuc  hircum  castrari  uolo, 
Pari  qui  nobis  exhibet  negotium. 

welche  Lysimachus  ins  Hans  ruft,  hat  sich  eine  eigene  Szene 
mit  dem  Verwalter  gebildet,  in  welcher  über  einige  landwirt- 
schaftliche Punkte  gesprochen  wird.  Der  derbe  Witz  aber 
Demipho s,  der  fürchtet,  selbst  der  Bock  zu  werden,  ist  unter- 
drückt. (5.)  Filipo  begrüsst  seinen  Freund  Nastagio  ganz 
nach  Plant us. 

Fil.  Nastagio,  io  sto  male. 

Nast.  Oime,  cosa  che  mi  dispiace.  che  hai  tu? 

Fil.  Se  tu  non  hai  facenda,  io  te  '1  dirö. 

Nast.  Bench'  io  1'  habbia,   io  lascerö  stare,  che  io  non  son  mai  per  gli 

amici  oecupato. 

Fil.  Tu  sei  tutto  cortese.     Di  quanto  tempo  mi  stimi  tu? 

Nast.  0  s'  io  te  lo  dicessi,  tu  1'  haresti  per  male, 

getreu  nach  dem  Originale.  Alsdann  folgt  eine  Erweiterung 
bis  zu  Filipos  Worten:  „Io  sono  ancor  si  pu6  dir  un  fanciullo" 
(F.  290):  ,,Puer  sum,  Lysimache,  septuennis."  Das  hübsche  Wort- 
spiel  mit  den  drei  Buchstaben  AMO  (F.  302)  ersetzt  das  ein- 
fache ,,I  son  innamorato."  Alles  Weitere  ist  plautiniscb,  nur 
stellenweise   breiter  geworden. 


Cecchis  La  Stiava.  687 

II.  Akt.  (1.)  Filipo  ist  selig.  Noch  hat  niemand  etwas 
geahnt.  ,,Io  la  f'arei  comperare  a  qualcuno  per  me  &  la  terrei 
in  una  casa  a  posta  mia  segretamente  &  crederei  darmi  mille 
piaceri  senza  un  dispiacere  al  mondo."  (2.)  Alfonso  begrüsst 
seinen  Vater,  wie  im  Originale.  Auch  Filipo  findet  den  Sohn 
hlass.  ,,Che  vuol  dire  che  tu  sei  cosi  pallido?"  (F. 364:  ,,sed  istuc 
quid  est,  tibi  quod  conmutatust  color?")  Er  solle  daheim  bleiben 
und  sich  pflegen;  der  Alte  werde  für  ihn  die  Geschäfte  ab- 
machen. Alfonso  lehnt  das  Anerbieten  ab.  Nach  einigen  Fragen 
kömmt  das  Gespräch  auf  das  Mädchen:  ,,Non  ha  tu  inenata  non 
so  che  stiava  per  tua  madre?"  (F.  386:  „Ecquara  tu  aduexti 
matri  ancillam  Rhodo'?")  Die  Worte  des  plautinischen  Cha- 
rinus  aber,  „non  edepol  mala,"  hat  hier  Filipo.  ,,Ella  e  una 
bella  giouane."  Allein  sie  passt  nicht  in  unser  Haus,  „perche  noi 
habbian  bisogno  d'  una  serva  da  fatica,  che  spazi  cucini,  laui 
bucati  &  faccia  le  facende  di  casa  &  che  si  possa  mandare  sola 
per  tutto  a  ogni  hora.  Questa  e  una  figura  gentile  da  star  per 
cameriera  di  qualche  gran  madonna  che  tenga  chi  la  serva."  Alles 
nach  F.  391  ff.  Auch  wäre  sie  zu  schön.  Wie  bei  Plautus 
stimmt  Alfonso  dafür,  sie  zu  verkaufen:  er  will  sie  einem 
Freund  geben,  der  Alte  hat  aber  bereits  einen  Käufer,  der,  wie 
im  Originale,  jedes  Angebot  zahlen  kann.  Nach  einigem  Hin- 
und  Widerreden  schickt  der  Alte  seinen  Sohn  an  den  Hafen; 
&  vi  sara  tua  madre,  e  quiui  consulteremo,  se  egli  e  meglio 
tenerla  per  noi  o  darla  ad  altri  e  a  chi.  Dieser  Entschluss, 
der  Mutter  die  Entscheidung  anheimzustellen,  ist  gegen 
Plautus.  Der  Sohn  geht.  Filipo  rechnet  auf  Nastagio,  wie 
Demipho  auf  Lysimachus.  (3.)  Alfonso  klagt  seinem  Freunde 
Hippolito,  der,  wie  Eutychus,  das  Meiste  gehört  hat.  Diese 
Szene  entwickelt  sich  aber  anders,  als  bei  Plautus.  An- 
knüpfend an  den  Vorschlag  des  Alten,  die  Mutter  entscheiden  zu 
lassen,  rät  Hippolito,  Alfonso  solle  dieselbe  für  sich  ge- 
winnen, und  „oltre  a  cio  dillo  che  tu  hai  sospetti  che  tuo  padre 
non  la  uoglia  per  se."  Damit  der  Alte  nicht  unterdessen  an  den 
Hafen   geht,    eilt   Hippolito    dorthin    und    will   alles    überwachen. 

III.  Akt.  (1.)  Filipo  hat  sein  Ziel  erreicht.  ,,Io  mi  sono 
compero  una  donna  fingendo  di  uenderla  a  Nastagio."  (2.)  Es 
folgt  ein  langer  Dialog  Nastagios  xtnd  Filipos.  Nastagio  ist 
der  Ansicht,  ..in  credo  che  questo  padrone  a  ch'  ella  uuol  bene 
non  sia  Filipo  ma  Alfonso  sun  Figliunl  con  chi  ella  e  uenuta  di 
leuante."  Dieses  Gespräch  ist  neu:  nur  die  Einleitung:  ,,Si 
si,  in  te  lo  condurrö,  non  dubitare"  ist  nach  Plautus  (  I".  556: 
,,Adducam  ego  illum  iam  ad  te,  si  conuenero"),  so  wie  einiges  ans 
dem  Schlüsse,  wo  Nastagio  verlangt,  das  Mädchen  möge  baldigst 
ans    seinem    Hanse    kommen.      (3.)    Alfonsos    Monolog    entspricht 


(388  Xu!.   Mcrcator. 

dem  des  Charinus  (7  582  ff.)  Die  nächste  (4.)  Szene  führt 
X.istagios  Frau,  Giovanna,  die  plautinische  Dorippa,  genau 
nach  dem  Originale  ein:  „Apoi  che  '1  inio  marito  in'  ha  abban- 
donata  in  uilla  e  non  ui  capita  io  non  ci  starö  giä  piu.  Dove  e 
restata  cosiei"?  (7  663): 

Quoniam  a  uiro  ad  me  rus  aduenit  nuntius, 
Rus  non  iturum:  feci  ego  ingeuium  meum: 
Reueni  u.  s.  w. 

Die  vier  und  achtzigjährige  Syra  vertritt  hier  die  um  zwanzig 
Jahre  jüngere  Nuta.  Wie  Syra  kömmt  sie  aus  dem  Havise. 
,,0  padrona,  padrona,  padrona!  ...  0  padrona,  io  ho  veduto  su 
in  casa  una  Fanciulla"  (V.  680).  Die  Alte  meint,  das  Mädchen 
sei  des  jungen  Herrn  halber  da,  Giovanna  aber  glaubt:  ,,ella  sarä 
piu  tosto  per  conto  del  mio  buon  marito."  Bei  Plautus  ist  es 
umgekehrt  Syra,  die  diesen  Argwohn  ausspricht.  (,,Illam  esse 
ämicam  tui  uiri  bellissumi,"  7  684.)  Sie  treten  ins  Haus  ein. 
(5.)  Nastagio  hält  im  allgemeinen  Lysimachus'  Selbstgespräch 
(7.   688): 

Parumne  est  hoc  malae  rei,  quod  amat  Demipho, 

Ni  sumptuosus  iasuper  etiam  siet? 

„Filipo  che  soleua  essere  il  piu  misero  huomo  che  forse  io 
conoscessi  mai,  e  oggi  diuentato  il  maggior  scialacquatore,"  u.  s.  w. 
Da  öffnet  sich  die  Thüre,  und  Giovanna  tritt  ein,  wie  bei 
Plautus:  ,,0  sciagurata  a  me!"  (7  704.)  Nastagio  begreift 
die  Situation  sofort.  „Mogliama  e  tornata  e  ha  ueduto  colei,  io 
son   morto"    (7    701): 

Peru  hercle,  rure  iam  rediit  uxor  mea! 
Vidisse  credo  mulierem  in  aedibus. 

Nun  beginnt  der  Zank.  ,,Aucor  fingi  di  non  sapere?"  (,,Sed 
tu  me  temptas  sciens,"  7  717.)  Dazu  kömmt  noch  (7.)  der  Koch. 
Wie  Lysimachus,  erklärt  Nastagio:  „Questa  e  una  stiaua  leuan- 
tina  che  si  litiga,  e  m'  e  stata  data  dalla  corte  in  diposito."  Da 
der  Koch  um  weitere  Befehle  bittet,  meint  Giovanna:  „Son  ti 
anco  questi  mandati  in  diposito.''  („Etiamne  haec  illi  tibi 
iusserunt  ferri,  quos  inter  iudex  datus  's"  7  744.)  Wie  im 
Originale,  ruft  Giovanna  (8.)  ihre  alte  Magd.  Sie  soll  Fran- 
cesco oder  Grimaldo  holen.  Vergeblich  versucht  Nastigio,  sie 
zu  beschwichtigen. 

IV.  Akt.  (1.)  Alfonso  erwartet  voll  Sehnsucht  seinen 
Freund:  endlich  (2.)  kömmt  er.  Das  Mädchen  ist  verkauft;  nie- 
mand weiss,  an  wen.  Als  Hippolito  zum  Hafen  kam,  war  sie 
weg.      Die    Szene    ist    aus    Vers    811  —  814    gemacht.      (3.)    Von 


Cecchis  La  Stiava.  689 

Nuta  erfährt  Hippolito,  dass  sein  Vater  ein  Mädchen  heimgeführt 
habe;  er  ahnt,  wer  dies  sein  kann  und  eilt  ins  Haus.  Es  folgt 
nun  die  Rede  Nutas  über  das  harte  Los  der  Frau:  „Noi  siamo 
pure  sottoposte  a  una  dura  legge",  Avelche  bei  Plautus  die 
Szene  (V.  798  —  810)  einleitet.  (4.)  Nuta  hat  die  Verwandten 
nicht  zu  Hause  angetroffen.  (5.)  Filipo  erfährt  von  Nastagio 
das  Vorgefallene;  er  möge  sofort  das  Mädchen  zu  sich  nehmen. 
(6.)  Hippolito  teilt,  voll  Freude,  seinem  Freunde  den  Aufenthaltsort 
seiner  Geliebten  mit. 

V.  Akt.  (1.)  Nuta  berichtet  von  den  ernsten  häuslichen 
Kämpfen,  deren  Zeuge  sie  war,  und  die  hauptsächlich  darum  ent- 
standen, weil  jeder  etwas  anderes  vorgab.  Nastagio  wollte  das 
Mädchen  „in  diposito"  haben,  dann  trat  er  sie  als  Eigentum 
an  Filipo  ab,  und  Hippolito  behauptete,  sie  gehöre  Alfonso. 
(2.)  Nuta  kehrt  sich  nun  an  den  auftretenden  Filipo.  Er  solle 
ihrer  Frau  sagen,  ,,chi  e  cotesta  fanciulla,  ma  uedete,  dite  le  il 
uero  uero!"  Filipo  meint,  es  sei  ja  doch  nichts  Seltsames,  dass 
man  sich  eine  Sklavin  anschaffe  „per  seruirsene,  per  in  casa,  per 
fare  il  pane,  il  leuato".  Doch  das  glaubt  Nuta  nimmermehr. 
„Una  giouane  bella  come  e  questa,  si  toglie  per  altro;  coteste 
brighe  e  coteste  fatiche  toccano  a  una  mia  pari,  coteste  non  si 
mettono  in  cucina  alla  fäuica. "  Er  erklärt,  dass  die  Sklavin  ihm 
gehöre  und  nur  bei  Nastagio  untergebracht  worden  sei. 
(3.)  Hippolito  macht  seinem  Freunde  Alfonso  von  allem  Mit- 
teilung. Seine  Geliebte  sei  in  seines  Vaters  Hause;  ,,e  mio  padre 
e  quello  che  fingendo  di  comprarla  la  serba  a  tuo  padre."  Al- 
fonso ist  überglücklich.  Unterdessen  (4.  5.)  hat  (6.)  Nastagio 
in  der  fremden  Sklavin  seine  Tochter  entdeckt,  welche  ihm  vor 
fünfzehn  Jahren  von  Mauren  geraubt .  wurde.  Sie  hatte  „una  ca- 
tenuzza  con  certi  breui  &  una  pendente  smaltata  ui  entro  V  arme 
nostre  che  tutte  queste  cose  haueua  al  collo  quand'  ella  ci  fu 
tolta."  (7.)  Gorgoglio  kömmt  mit  diesem  Berichte  von  Adelfias 
Wiederfinden,  und  alles  (8.)  endet  zur  Befriedigung  der  Be- 
teiligten. 

Cecchis  Stück  hält  sich  genau  an  Plautus  und  weist 
die  den  meisten  Stücken  dieses  Autors  in  hohem  Grade  eigene 
Dezenz  auf.  Einige  hübsche  Punkte  hat  er  sich  entgehen  lassen; 
doch  wirkt  sein  Lustspiel  ganz  hübsch  und  kann  als  eine  ge- 
lungene Modernisierung  eines  an  sich  heiklen  Stoffes  gelten. 

Argelati1)  nennt  „II  Mercadante  -  Commedia  di  Ercole 
Bottrigaro  Cavalier  Bolognese,  tratta  da  quella  di  Plauto  in 
versi  tronchi  o  da  X   sillabi. 

•)  IV,  3G1.  

44 


690  XIV.    Pseudolus. 


XIY.   Pseudolus.1) 


Nach  Mitteilungen  aus  dem  Altertume  war  Plautus  selbst 
über  seinen  Pseudolus,2)  ein  Stück,  das  „nach  Haltung-,  Ton 
und  Form  von  einer  gewissen  Gereiftheit"  3)  zeugt,  besonders  er- 
freut. Bei  Cicero4)  heisst  es:  „Quam  gaudebat  bello  suo  Punico 
Naevius,  quam  Truculento  Plautus,  quam  Pseudolo."  Wenn 
dem  so  ist,  so  erhellt  daraus,  welche  Art  von  künstlericher  Pro- 
duktion dem  Dichter  am  angemessensten  schien.  Im  Pseudolus, 
dessen  ununterbrochene  Heiterkeit  sicher  den  Zuschauerkreis  in 
stetem  Lachen  erhielt,  hänfen  sich  die  komischen  Szenen  ohne 
Unterlass.  Zwar  findet  Papp5)  die  Intrigue  „ungeschickt  und- 
schülerhaft  gemacht":6)  und  es  muss  auch  zugegeben  werden, 
dass  Pseudolus  dieselbe  Aveniger  selbständig  entwickelt,  als  viel- 
mehr für  ihn  der  günstige  Zufall  thätig  ist.  Er  sagt  uns  auch, 
dass  er  einen  ganzen  Plan  fertig  habe,  dass  dieser  jedoch  unnötig 
geworden  sei,   nachdem  das  Glück  für  ihn  gewirkt  habe  (F.  675): 

Quo  modo  quicque  agerem,  ut  lenoni  sübruperem  mulierculam, 
Iam  instituta,  ornata  cuncta  mi  ordine,  auimo  ut  uolucram, 
Certa,  deformata  habebam.  set  profecto  hoc  sie  erit: 
Centum  doctum  hominum  consilia  sola  haec  deuincit  dea. 
Fortuna. 

Allerdings  hat  Pseudolus  Grund  genug,  Fortuna  zu  preisen; 
denn  sie  wirkte  für  ihn  in  einer  Sache,  vor  welcher  er  anfangs 
ratlos  stund  (F.   395): 

Quid  nunc  acturu  's,  postquam  erili  filio 

Largitu  's  dictis  dapsilis  lubeutias? 

Quoi  neque  parat  ast  gutta  certi  consili 

Neque  adeo  argenti  *  *  * 

Neque  exordiri  primum  unde  oecupias  habes 

Neque  ad  detexundam  telam  certos  terminos. 

Ist  indessen  die  Intrigue  des  Stückes  wirklieh  nicht  so  fein 
durchgesponnen,  so  ist  jene  andere  Bemerkung  Rapps7)  unbestreit- 


')  Ausgaben  von  Komeijn  (Daventr.  1836);  Lorenz  (Berl.  1876). 
Hier  zitiert  nach  Fleckeisen. 

2)  Pseudolus  nach  0.  Seyffert  (Philol.  XXY.  448);  Fleckeisen 
(Jahrb.  93,  9.  242);  0.  Lorenz  (Philol.  XXXY,  153);  Ritschi  (Op.  m,  7) 
hält  an  Pseudulus. 

3)  Teuffei,  G.  d.  r.  L.,  S.  151. 

4)  Cato  maior,  §  50. 

5)  Die  pl.  L.,  S.  1857. 

6)  Dagegen  nennt  es  Binder  (S.  9)  ein  „höchst  anziehendes  durch 
reichen  Szenenwechsel  u.  rasche  Entwickelung  sich  auszeichnendes  Stück". 

7)  A.  a.  0. 


Charakteristik  desselben.  691 

bar,  dass  das  Lustsjiiel  „eine  gewisse  Fülle  in  der  Ausführung" 
habe,   welche    ,.die  dünnen  Fäden  der  Intrigue  überdeckt". 

Neben  zahlreichen  eingestreuten  griechischen  Sentenzen  (F.  443, 
483,  484,  498,  712)  interessieren  die  technischen  Auslassungen 
über  Dichtkunst  und  Dichter.  So  spricht  Plautus  von  des 
Dichters  Aufgabe  zu  erfinden,  ..was  sich  nie  und  nimmermehr 
begeben"   (F.  401): 

quasi  poeta,  tabulas  quom  cepit  sibi, 
Quaerit  quod  nusquamst  gentium,  reperit  tarnen: 
Facit  illut  ueri  simile  quod  mendaciumst : 

und  wie  ein  Kapitel  aus  der  Technik  des  Dramas  klingt 
es,  wenn  Pseudolus  sagt,  der  Umfang  des  Stückes  erlaube  es 
nicht,   dies  zweimal  zu  sagen  (F.   388): 

Nolo  bis  iterari:  sat  sie  longae  turnt  fabulae, 

und  wiederum,  dass  das  Stück  für  die  Zuschauer  gespielt  werde 
und  die  Fragen  der  Schauspieler  auch  nachher  können  beant- 
wortet werden  (F.    720): 

Horum  caussa  haec  agitur  speetatorum  fabula: 
Hi  sciunt  qui  hie  adfuerunt:  uobis  jiost  narrauero. 

Da  das  gesamte  Stück  1334  Verse  umfasst  und  der  erste 
Akt  bis  zu  Vers  574  reicht,  ist  die  Symmetrie  der  Akte  arg 
erschüttert.  Ein  tibicen  hat  für  die  Unterhaltung  der  Zwischen- 
akte zu  sorgen  (F.   573): 

Tibicen  uos  interea  hie  delectauerit. 

In  der  ersten  Szene  des  ersten  Aktes  finden  wir  den 
jungen  Caliidorus,  Simos  Sohn,  im  Gespräche  mit  seinem 
Sklaven  Pseudolus.  Caludorus  ist  ausser  sich,  denn  ein  Brief 
seiner  Geliebten  Phönicium  hat  ihm  die  Mitteilung  gebracht, 
dass  der  Kuppler  Ballio,  in  dessen  Hause  sie  ist,  sie  an  einen 
makedonischen  Kriegsmann  um  zwanzig  Minen  verkauft  und  der 
Soldat  bereits  fünfzehn  derselben  erlegt  hat.  Das  Mädchen  soll 
demjenigen  überliefert  werden,  welcher  das  Siegel  des  Kriegers 
überreicht.  Dem  trostlosen  Caludorus  giebt  Pseudolus  die 
Versicherung,   dass  er  die  Sache  ins  Reine   bringen   werde. 

In  der  zweiten  Szene  tritt  Ballio  auf;  er  schmäht  heftig 
auf  seine  Sklaven  in  einer  Apostrophe  (F.  133 — 152),  die  ihr 
ganzes  Thun  und  Treiben  eigentümlich  beleuchtet.  Er  erteilt 
ihnen  Befehle  aller  Art,  da  sein  Geburtstag  gefeiert  werden  soll. 
Caludorus  und  Pseudolus  treten  ihm  in  den  Weg.  Calu- 
dorus lässt   nichts    unversucht,    um    sieh    die   Geliebte    zu  retten: 

44* 


692  xrVT-    Pseudolus. 

alleii)  der  Kuppler  bleibt  für  alle  seine  Bitten  taub.  Nur  zu  dem 
Einen  lässt  er  sieb  herbei,  den  Soldaten  zu  hintergehen,  falls 
Caludorus  die  zwanzig  Minen  früher  auszahlen  könnte  (F  376): 

Si  tu  argentum  attuleris,  cum  illo  perdidero  fidem. 

Ballio  tritt  ab,  alsbald  auch  Caludorus.  Da  eben  Pseu- 
dolus mit  sich  zu  Rate  geht,  was  zu  thun  sei,  tritt  Simo  in 
Begleitung  des  Callipho  auf.  Simo  hat  bereits  in  Erfahrung 
gebracht,  dass  sein  Sohn  Geld  für  die  Loskaufung  Phöniciums 
brauche,   was  die  Pläne  des  Pseudolus  kreuzt  (F   423): 

Occissast  haec  res,  baeret  hoc  negotium. 

So  tritt  er  denn  offen  auf  und  bietet  dem  Alten  eine  Wette, 
er  werde  freiwillig  die  zwanzig  Minen  zahlen  und  der  Kuppler 
die  Flötenspielerin  dem  Caludorus  ausliefern. 

Egoue  ut  cauere  uequeam,  quoi  praedicitur? 

sagt  Simo  siegesgewiss  (F    516). 

Praedico,  ut  caueas:  dico,  iuquam,  ut  caueas:  caue: 
Hern,  istis  mihi  tu  hodie  manibus  argentum  dabis, 

versetzt  ihm  Pseudolus  lächelnd. 

Mit  dem  zweiten  Akte  will  Pseudolus  seine  Arbeit  be- 
ginnen, da  tritt  Harpax,  der  Knappe  des  makedonischen  Kriegers, 
auf,  das  Haus  des  Kupplers  suchend.  Pseudolus  belauscht  ihn 
und  fasst  auf  das  Gehörte  hin  sofort  einen  neuen  Plan  (F  601): 

Nouo  cousilio  nunc  mi  opus  est;  noua  res  subito  mi  haec  obieetast. 

Es  gilt  nun  den  Mann  „cum  machaera"  (F  593),  den  ,,stratio- 
ticum  nuntium"  (F.  603),  zu  überlisten.  Pseudolus  tritt  ihm  in 
den  Weg,  nennt  sich  zwar  nicht  Ballio,  doch  Subballio  — 
Vizeballio,  —  und  da  er  ahnt,  dass  dies  der  von  Makedonien 
gesandte  Bote  ist  und  den  Zweck  seines  Hierseins  weiss,  bringt 
er  ihn  dazu,  dass  ihm,  nachdem  er  sich  für  den  Sklaven  Syrus 
ausgegeben  hat,  Petschaft  und  Brief,  wenn  auch  nicht  das  Geld, 
ausgeliefert  wird,  und  dass  sich  der  Bote  dazu  versteht,  in  einer 
„taberna  extra  portam  ,aput  anum  illam  doliarem  cludam  crassam 
Chrusidem'''  (F.  659)  einzukehren,  um  in  derselben  die  weitere 
Antwort  abzuwarten.  Im  Besitze  dieser  Gegenstände  kann  Pseu- 
dolus nun   dreifachen  Betrug  ausüben  (F.   690): 

nunc  ego  hac  epistula 
Tris  deludam,  erum  et  lenonem  et  qui  hanc  dedit  mi  epistulam. 


Charakteristik  desselben.  693 

Caludorus  tritt  in  Begleitung'  seines  Freundes  Charinns 
auf.  Pseudolus  hatte  ihm  aufgetragen,  „aliquem  ut  hominem 
strenuom,  beneuolentein  adducerem  ad  se"  (F.  697).  Ein  solcher 
ist  Charinus  (F.  699).  Charinus  borgt  fünf  Minen  und  ver- 
mittelt einen  Sklaven  Simmia,  der,  als  Harpax  verkleidet,  von 
Ballio  das  Mädchen  in  Empfang  nehmen  soll.  Jetzt  erst  hat 
sich,  allerdings  nicht  auf  des  Pseu dolus  ausschliessliches  Zuthun, 
die  Sache  so  geklärt,   dass  er  sagen  kann  (F.    759): 

Quidquid  incerti  mi  in  animo  prius  aut  ambiguom  fuit, 

Nunc  liquet,  nunc  defaecatumst:  cor  [meum]  mihi  nunc  peruiumst. 

Der  dritte  Akt  lässt  uns  wieder  einen  Blick  in  das  Haus 
des  Kupplers  thun,  in  seinem  Zwiegespräche  mit  dem  Koche. 
Sein  Nachbar  Simio  hat  ihn  gewarnt   (F.   898): 

Vt  mihi  cauerem  a  Pseudolo  seruo  suo, 

Ne  fidem  ei  haberem:  nani  eum  circum  ire  in  hunc  diem, 

Vt  me,  si  posset,  muliere  interuorteret. 

Eum  promississe  firmiter  dixit  sibi, 

Sese  abducturum  a  me  dolis  Phoenicium. 

Dem  zu  begegnen,   ist  er  wohl  bedacht. 

Im  vierten  Akte  bringt  Pseudolns  den  als  Harpax  ver- 
kleideten Simmia.  Da  Ballio  auftritt,  zieht  sich  Pseudolus 
zurück,  und  Simmia  spielt  die  Rolle  des  Harpax  so  vortrefflich, 
obwohl  er  nicht  einmal  den  Namen  seines  Herrn  Polymachäro- 
plagides  weiss  und  ihn  erst  erfährt,  als  er  den  Kuppler,  um 
sich  zu  vergewissern,  um  dessen  Namen  fragt  (F.  990),  dass  ihm 
Ballio  ohne  Bedenken  das  Mädchen  einhändigt.  Pseudolus 
fürchtet  bereits  die  Konkurrenz  dieses  gewandten  Menschen,  und 
dass  er  etwa  gar  ins  feindliche  Lager  übergehen  möchte  (F.  1026): 

Primum  oninium  iani  hunc  conparem  nietuo  meum 
Ne  deserat  me  atque  [hinc]  ad  hostis  transeat. 

Simmia   bringt   die    weinende    Phönicium    aus    dem    Hause    und 
eilt  mit  Pseudolus  triumphierend  ab. 

Im  fünften  Akte  kommen  Ballio  und  Simo  zusammen. 
,, Nihil  est  quod  metuas",  meint  (V.  1066)  Ballio;  die  Sache  ist 
erledigt;  das  Mädchen  ist  fort.  Da  tritt  Harpax  auf.  Anfäng- 
lich halten  sie  ihn  für  einen  Betrüger,  den  Pseudolus  abschickte, 
„qtxasi  [si]  a  Macedonio  milite  esset"  (F.  1162).  Nach  einiger  Zeit 
jedoch,  da  Harpax  den  vermeintlichen  Syrus  schildert,  dämmert 
es  zuerst  Simo,  dass  dieser  der  richtige  Harpax  und  die  Wette 
somit  verloren  sei.  Ohne  Zorn  („inultus",  F.  1241)  will  Simo  die 
versprochenen  zwanzig  Minen  zahlen,  denn  ('  F.  1243):  ,,nimis  illic 
mortalis  doctust,   nimis  uorsutus,   nimis  malus." 


694  XIV-    Pseudolus. 

Pseudolus  naht  betrunken  „cum  Corona"  (F  1287).  Er 
hat  mit  seinem  Herrn  Caludorus  ein  prächtiges  Mahl  einge- 
nommen und  giebt  davon  eine  begeisterte  Schilderung  (F  1252 
—  1269).  Simo  tritt  aus  dem  Hause  und  bezahlt  ihm  das 
Geld.  Ballio  erhält  von  Pseudolus  die  Hälfte  der  Summe,  und 
die  Frage   des  Pseudolus  an  den  Vater  (F.   1328): 

Quid  nunc? 
Numquid  iratus  es  aut  mihi,  aut  filio 
Propter  has  res,  Simo? 

und  dessen  Antwort:   „Nil  profecto!"  verleiht  dem  heiteren  Spiele 
einen  befriedigenden  Abschluss. 

Der  Liebhaber  des  Stückes  Caludorus  tritt  gegen  den  Schluss 
der  Komödie  nicht  mehr  auf.  Er  hat  seine  Phönicium  erhalten, 
ob  auch  ohne  sein  Zuthun.  In  den  ersten  Akten  ist  er  einer 
der  herkömmlichen  Liebhaber.  Er  badet  den  Brief  seines  Mädchens 
in  Thränen  (F.  10:  „Gestas  tabellas  tecum,  eas  lacrumis  lauis"). 
Venus  hat  ihn  mit  ihren  Streichen  heimgesucht  (F.  15:  ,,Sub 
Veneris  regno  uapulo"),  sodass  er  schon  an  das  Aufhängen  denkt 
(F.  89:  "Qui  nie  faciam  pensilem")  und  vom  Leben  Abschied  nimmt 
(F.    94): 

Profecto  nullo  pacto  possum  uiuere, 

Si  illa  a  me  abalienatur  atque  abducitur. 

Sein  Vater  fällt  über  ihn  ein  hartes  Urteil  (F.   415): 

Si  de  damnosis  aut  si  de  amatoribus 
Dictator  fiat  nunc  Athenis  Atticis, 
Nemo  anteueniat  filio  credo  ineo. 

Seine  Geliebte,  Phönicium,  zählt  zu  den  stummen  Personen 
des  Stückes.  Ballio  nennt  sie  (F.  227):  „deliciae  summatum 
uirum. "  Mit  welch  heisser  Liebe  sie  Caludorus  anhängt,  be- 
weist ihr  Brief  (F.    64): 

Nunc  nostri  amores  mores  consuetudines 

locus  ludus  sermo  suauis  sauiatio, 

Conpressiones  artae  amantum  conparum, 

Teneris  labellis  molles  morsiunculae, 

Papillarum  horridularum  oppressiunculae: 

Harum  mihi  uoluptatum  omuium  atque  itidem  tibi 

Distractio  discidium  uastities  uenit, 

Nisi  quae  mi  in  ted  est  aut  tibist  in  me  salus. 

Der  Vater  Simo,  dieser  „tarn  cautus  senex"  (F.  290),  hat 
nach  der  Aussage  des  nachsichtigen  Callipho  als  Jüngling  so 
manches  durchgemacht,  dass  sich  viele  in  seine  Streiche  teilen 
könnten.      Sollte  ihm  der  Sohn  nicht  nachgeraten?    ..Tene  id  mi- 

rari,    si   patrissat   filius?-'    (F.    442). 


Charakteristik  desselben.  695 

Eine  gemeine  Seele  ist  liier,  wie  in  allen  plautinischen  Stücken, 
der  Kuppler  Ballio.  Der  Stellen,  welche  gegen  dies  elende 
Gewerbe  gerichtet  sind,  die  „nugae  theatri,  uerba  quae  in  comoediis 
solent  lenoni  dici,  quae  pueri  sciunt"  (V.  1081)  sind  auch  in 
diesem  Lustspiele  zahlreiche.  „Non  lenoniumst"  [V.  289),  sagt 
Ballio  von  allem  Ehrbaren.  Der  Mann  mit  seinem  Bocksbarte 
(„cum  hirquina  barba"  V.  967)  und  seinem  krebsartigen  Gange 
(F.  955:  ,,Nonprorsus,  uerum  transuorsus  cedit,  quasi  Cancer  solet")r 
der  sich  in  einfältiger  Selbstgefälligkeit  sehr  viel  auf  seinen  Ge- 
burtstag zu  gute  thut  (V.  165:  ,,Nam  mi  hodiest  natalis  dies:  eum 
decet  omnis  uos  concelebrare")  —  treffend  ruft  ihn  Pseudolus 
(V.  243):  ,,Hodie  nate,  heus,  hodie  nate:  tibi  ego  dico:  heus, 
ho  die  nate!" —  ist  sich  seiner  erbärmlichen  Stellung  als  Kuppler 
Avohl  bewusst.  Jeden  Schimpf,  der  ihn  trifft,  nimmt  er  als  selbst- 
verständlich auf  sich  (V.   359  ff.). 

Pseud.    Iam  ego  te  differam  dictis  meis. 

Inpudice.  BA.  Itast.  PS.  Sceleste.  BA.  Dicis  uera.  PS.  Ver- 
bero.  BA.  Quippini?  PS.  ßustirape.  BA.  Certo.  PS.  Fur- 
cifer.  BA.  Factum  optume.  PS.  Sociofraude.  BA.  Sunt  mea 
istaec.  PS.  Parricida.  BA.  Perge  tu!  CA.  Sacrilege.  BA. 
Fateor.  CA.  Periure.  BA.  Vetera  uaticiuamimi.  CA.  Legi- 
rupa.  BA.  Valide.  PS.  Pernicies  adolescentum.  BA.  Acer- 
rume.  CA.  Für.  BA.  Babae.  PS.  Fugitiue.  BA.  Bombax. 
CA.  Fraus  popli.  BA.  Planissume.  PS.  Fraudulente.  CA. 
Inpure  leno.     PS.  Caenum.     BA.  Cantores  probos. 

u.  s.  av.  —  Richtig  ist  des  Pseudolus  Wort  (V.  369):  „In  per- 
tussum  ingerimus  dicta  dolium  :  operam  ludimus, "  worauf  Ballio 
nur  noch  fragt:    „Numquid  alium   [nie]   etiam  uoltis  dicere?" 

Da  Simmia  als  Pseudoharpax  einen  gottlosen  Schurken 
sucht  (V.  974): 

Hominem  ego  hie  quaero  malum 
Legirupam  inpium  periurum  atque  inprobum, 

sagt  Ballio,  er  könne  damit  gar  niemand  andern  als  ihn 
meinen: 

Me  quaeritat: 
Xam  illa  [mea]  sunt  cognomenta:  nomen  si  memoret  modo. 

Es  ist    ihm    an    all    diesen  Schimpfreden   gar   nichts   gelegen. 

Ergo  haut  iratus  fui. 
NaiM  quanti  referl  ei  nee  recte  dicere. 
Qui  uihili  faciat  quique  infitias  nun  eat? 


(F.  1084)  ist  seine  Anschauung  Schmähworten  gegenüber.  Er 
will  nur  Geld  verdienen  und  reich  werden:  darum  ist  er  hart  gegen 
seine   Sklaven,     von   denen   er   eine    sehr    schlimme    Meinung    li.it 


696  XIV.    Pseudolus. 

(7.    133   ff.),    gierig-    auf   Gewinn    mit    seinen    Dirnen  (F.    172  ff). 
Sein  Ziel   ist,   durch  Gelderwerb   es  einmal  so  weit   zu  bringen: 

Vt  ciuitas  nomen  mihi  conmutet  meque  ut  praedicet 
Lenone  ex  Ballione  regem  Iasionem. 

(V.    152.)     Darum  lebt  er  nur  für  den  Gewinn.     Vom  begonnenen 
Opfer  liefe  er  weg,    wenn  es  irgendwo    etwas  zu    erhaschen  gäbe 

(7  265): 

nam  si  sacrufieem  summo  Ioui 
Atque  in  manibus  exta  teneam  ut  poriciam,  interea  loci 
Si  lucri  quid  detur,  potius  rem  diuinam  deseram. 

Darum  scheut  er  weder  einen  Meineid,   noch  steht  er  an,   sich  als 
einen  Meineidigen  zu  bekennen  (7    354): 

VA.     Periurauisti,  sceleste. 

BA.  At  argentum  intro  condidi. 

Bei  solcher  Weltanschauung  hat  natürlich  für  ihn  nur  das- 
jenige Wert,  was  ihm  nützen  kann.  Dankbarkeit  ist  ihm  fremd; 
der  augenblicklich  Mittellose  ist  tot  für  ihn.  Da  ihn  Pseudolus 
daran  erinnert,  dass  Caludorus  einst  sein  „sospitalis"  war,  hat  er 
nur  das  Wort  (V.  248):  „Mortuost  qui  fuit:  qui  est  (is)  uiuost." 
Nicht  wer  er  war,  nur  wer  er  ist,  kömmt  bei  ihm  in  Be- 
rechnung. 

Harpax,  der  Diener  des  makedonischen  Kriegsmannes  (von 
seinem  Namen  ist  in  V.  654  die  Eede),  erweist  sich  als  einen 
treuen  Knecht  seines  Herrn.  Die  Anschauungen  von  treu  zu 
leistenden  Diensten  setzt  er  in  seinem  Monologe  (7.  1102  — 1114) 
auseinander.  Auch  dem  abwesenden  Herrn  dient  er,  als  ob  er 
hier  wäre  (F.  1112:  ,,Ecsi  abest,  hie  adesse  erum  [meum]  arbitror"). 
Er  benimmt  sich  klug  und  vorsichtig,  indem  er  dem  vorgeblichen 
Syrus  das  Geld  nicht  ausliefert  (7.   633). 

Um  den  Pseudoharpax  zu  spielen,  ist  ein  Mensch  nötig, 
den  Pseudolus  bezeichnet  (Y.  724): 

Malum 
Callidum  doctum,  qui  quaudo  priueipium  praeheuderit, 
Porro  sua  uirtute  teueat  quid  se  facere  oporteat. 

Ein  solcher  bietet  sich  in  dem  Sklaven  Simmia.  Er  wird 
7.  739 — 750  eingehend  geschildert.  Selbst  dem  listgewandten 
Pseudolus  zwingt  er  das  Geständnis  ab,  er  habe  nie  einen 
schlaueren  Menschen  gesehen  (V.    1017): 

Peiorem  ego  hominem  magisque  uorsute  malum 
Numquam  edepol  quemquam  uidi,  quam  hie  est  Simmia. 


Charakteristik  desselben.  697 

Er  muss  ihn  um  seiner  unvergleichlichen  Tücke  halber  lieben, 
fürchten  und  bewundern  (7    944): 

Yt  ego  ob  tuam,  Simmia,  perfidiam  te  amo  et  metuo  et  magnifico. 

Dem  Kuppler  gegenüber  benimmt  sich  Simmia  ganz  vor- 
trefflich. Einen  Gruss  hat  er  als  echter  Kriegsknecht  für  nie- 
manden. „Nullast  mihi  salus  dataria"  (7  969).  Auch  seinen 
vorgeblichen  Herrn  Polymachäroplagides  zeichnet  er  in  den 
üblichen  Farben  des  „Miles"  als  den  „fortis  atque  bellator  probus" 
(7   992)  und  als   „inperiosus"   (7   996). 

Ausser  dem  unbedeutenden  Charinus  und  dem  Koche,1) 
der  als  solcher  schon  ein  Dieb  ist2)  und  sich  noch  gut  erweist, 
da  er  nur  einen  Becher  und  einen  Krug  mitgehen  Hess, 3)  tritt 
nur  noch  die  Hauptfigur  des  Pseu dolus  auf,  die  alles  Interesse 
auf  sich  konzentriert.  „Unter  dem  Pseudolns  soll  sich  Plautus 
selbst   durch  Harpax  haben  schildern  lassen"4)   (7.    1218): 

Rufus  quidam,  uentriosus,  crassis  suris,  subniger, 
Magno  cäpite,  acutis  oculis,  ore  rubicundo,  ad  modum 
Magnis  pedibus. 

Veranlassung  zu  dieser  Vermutung  gaben  die  „magni  pedes",  welche 
den  Namen  Plautus  verursacht  haben  sollen. 

Pseudolns  ist  der  Meister  der  Schlauheit,  des  dolus,  was 
zweimal  zu  einem  Wortspiele  mit  seinem  Namen  führt  (7  1205) 5): 

Edepol  honiinem  uerberonem  Fseudolum,  ut  docte  dolum 
Conmentust  .  .  . 
( V.  1244.)  Superauit  dolum  Troiannm  atque  Ylixem  Fseudolus. 

Er  ist  der  beständige  Rat  des  jungen  Herrn   (7.    16): 

tu  me  antidhac 
Supremum  habuisti  comitem  consiliis  tuis, 

sagt  er  ihm;   auch  Simo  nennt  ihnen  seinen  verderblichen  Lenker 
(7.  446): 

Hie  mihi  conrumpit  filium,  scelerum  caput: 

Hie  dux,  hie  illist  paedagogus. 


')  Über  die  Kochkunst  selbst  erfahren  wir  einiges    V.  810 — 825. 

2)  V.  851.     An  tu  inuenire  postulas  quemquam  coquom 

Nisi  miluinis  aul  aquilinis  ungulia? 

3)  V.  956.     Minus    malum    hunc    hominem   esse   opinor   quam   esse 

censebam  coquom: 
Nam   nihil   etiam   dum  harpagauit  praeter  cuathum  et 
cantharum. 
<>)  Lessing  a.  a.  0.,  S.  23. 

5)  Darauf   stützt    sich   die   Schreibart   Pseudolus   =    Wevdiloc. 
(Teuf fei,  G.  d.  r.  L..  S.  151.) 


698  XIV.    Pseudolus. 

Caludorus  preist  ihn  als  seinen  Helfer  in  der  Not  (V.  700): 
Nimiumst  mortalis  graphicus:  heuretes  mihist, 

und   er   selber  kann  von  sich  rühmen  (V.    109): 

Scis  tu  quidem  hercle,  mea  si  conmoui  sacra, 
Quo  pacto  et  quantas  soleam  turbellas  dare. 

Seine  Bimssteinaugeu   sind  keiner  Thräne  fähig  (V,   75): 

Pumiceos  oculos  habeo:  non  queo 
Lacruuiam  exorare  ut  expuant  unam  modo. 

Geschickt  führt  er  das  übernommene  Werk  zu  Ende,  indem  er 
„in    der    Schelmerei   rechte    Wunder   thut",    wie   Lessing1)    sagt. 

Der  Psexidolus  ist  mit  dem  Epidikus  das  Vorbild  der 
schlauen  Diener  geworden,  das  sich  den  Zeitanschau- 
ungen anpassend  mannigfache  Wandlungen  annahm,  ohne 
je  den  Grund  ton  zu  ändern. 

Pseudolus  hat  einen  Rivalen  gefunden  im  D  a  v u  s  der  A  n  d  r  i  a 
des  Terenz.  Dieser  ist  es,  nicht  wie  gesagt  wurde,  Pseudolus, 
der  in  Vergilio  Veruccis  Lustspiel  (S.  656)  „II  seruo  astuto  " 
wieder   erstanden   ist. 2) 


Der  Komödie  „La  Serenade-'3)  des  Jean  Francois 
Regnard,  die  am  3.  Juli  1694  zum  erstenmale  als  das  erste 
Stück,  das  Regnard  für  das  Theätre  francais  schrieb,  gespielt 
wurde,  liegen  Motive  des  Pseudolus4)  zu  gründe.  Ursprünglich 
war  das  Stück  für  die  italienische  Bühne  bestimmt,  Scapin 
war  der  Arlecchino,  Marine  die  Columbina.  Damit  werden 
auch  die  argen  Schwächen   der  Dichtung  etwas  entschuldigt.5) 


')  Beiträge,  S.  50. 

2)  Darauf  weist  schon  der  Prolog  hin,  wo  es  (S.  7)  ausdrücklich 
heisst:  „1'  Autore  in  questa  fauola  ha  voluto  imitar  Terentio  &  perö  lo 
fä  sapere  auanti  acciö  gl'  inuidiosi  detrattori  &  maldicenti  non  si  vadano 
vantando  di  hauer  col  proprio  giuditio  loro  conosciuto  il  furto." 

3)  Auf  S.  227 — 264  des  ersten  Bandes  der  „Oeuvres  completes  de 
Regnard.     Paris  (Adolphe  Delahays)  1854". 

4)  A.  a.  0.,  S.  227.  La  P"e  edition  est  de  1695.  L'intrigue  de  la 
Serenade  est  presque  entiere  dans  le  Pseudolus  (de  Piaute), 
acte  IV,  scene  2.  (Lettre  de  Boi,  dans  „Lettres  de  quelques  ecrits  de 
ce  tenrps",  I,  292.  293.) 

5)  A.  a.  0.,  S.  228.  Le  denoüment  se  ressent  encore  davantage  de 
la  maniere  italienne:  c'etait  ainsi  ä  peu  pres  que  fiuissaient  la  plupart 
des  pieces  de  l'ancien  theätre  italien.  On  sacrifiait  la  raison,  et  quel- 
quefois   le  goüt,    ä  im  jeu  de  theätre  plaisant  et  d'un  comiqiie  Charge. 


Regnards  La  Serenade.  699 

Der  Inhalt  ist  in  Kürze  folgender:  Der  Wucherer  Matthieu 
beschäftigt  sich  auch  mit  Ehebesorgungen  imd  thut  das  Seinige, 
seinem  Geschäftsfreunde  Grifon  die  Hand  Leonors,  der  Tochter 
der  Madame  Argante,  zu  verschaffen.  Nun  ist  aber  Leonor 
in  Grifons  Sohn  Valere  verliebt,  und  auch  dieser  ist  nach  den 
Worten  seines  Dieners  Scapin  „diabl erneut  amoureux".  Wie 
Phönieium,  schickt  nun  Leonor  in  ihrer  höchsten  Not  ein 
Briefchen  an  ihren  Geliebten:  „Si  vous  m'aimez  autant  que  je 
vous  aime,  nous  sommes  les  plus  malheureuses  personnes  du  monde. 
Ma  mere  pretend  nie  marier  ä  im  lioiiime  que  je  ne  connais 
point.  Detournez  le  malheur  qui  nous  menace;  et  soyez  certain 
que  je  choisirai  plutöt  la  mort  que  d'etre  jamais  ä  d'autre  qu'ä 
vous."  Scapin  fällt  nun  die  Aufgabe  des  Pseudolus  zu. 
Während  Scapin  und  Valere  sich  besprechen,  kömmt  Grifon, 
Valeres  Vater,  und  sein  Geschäftsfreund  Mathieu.  Es  handelt 
sich  um  eine  Geldsumme  und  ein  colli  er,  wobei  Grifon  Mathieu 
mit  den  Worten  entlässt:  ,,Envoyez-y  quelqu'un  de  votre  part, 
avec  un  billet  de  votre  main;  cela  suffira;  c'est  de  l'argent  comp- 
tant."  Grifon  sieht  seinen  Sohn.  WieHarpagon,  fragt  er  ängst- 
lich: ,,Que  faites-vous  lä?  Y  a-t-il  longtemps  que  vous  y  etes?" 
Scapin,  den  Grifon  nicht  kennt,  wird  als  ,,musicien  del'Opera" 
vorgestellt.  Als  solcher  kömmt  er  eben  recht;  Grifon  bestellt 
eine  Serenade  für  seine  Geliebte  bei  ihm,  wobei  er  sich  als 
einen  grossen  Knauser  erweist.  Madame  Argante  mit  ihrer 
Tochter  Leonor  tritt  auf,  wobei  Leonor  xmd  ihr  Geliebter  er- 
fahren, dass  der  alte  Grifon  der  Bräutigam  ist.  Vergeblich  er- 
heben sich  die  beiden  Liebenden;  ihre  Eltern   sind  gegen  sie. 

Scapin  fasst  einen  Plan  für  sich.  Champagne,  Mathieus 
Gehilfe,  bringt  ein  Billet  seines  Herrn.  Scapin,  der  sie  belauscht 
hat,  weiss  es,  und  giebt  sich  als  den  „associe  du  nls  de  monsieur 
Grifon"  aus,  der  ermächtigt  sei,  alles  in  Empfang  zu  nehmen; 
er  führt  Champagne  in  die  Schenke,  bezecht  ihn  stark  und 
kehrt  alsbald  verkleidet,  „ayant  un  emplätre  sur  l'oeil",  zu  Grifon 
zurück,  von  dem  er  als  „  Isaac-  Jerome-Boisme  Rousselet, 
maitre  marchand  fripier  ordinaire  privilegie  suivant  la  cour",  das 
Geld  erhält.  ,,Voilä  de  quoi  payer  la  Serenade!"  lacht  Scapin. 
Alsbald  kömmt  der  betrunkene  Champagne,  freilich  ohne  Ma- 
thieus Handschrift.  Grifon  glaubt  in  ihm  einen  von  seinem 
Sühne  gesandten  „emissaire"  zu  erblicken  und  fragt  ihn :  „Combien 
te  donnet-on  pour  jouer  le  personnage  que  tu  fais?"  Er  glaubt: 
„Monsieur  mon  fils  choisit  mal  ses  gens."  Nun  beginnt  die  Sere- 
nade mit  Tanz,  bei  welcher  Grifon  arg  mitgespielt  wird.  ,,Ils 
nie  deshabillent!"  ruft  er.  ,,11  fouillent  dans  nies  poch.es  et  pren- 
nent  bourse!  .  .  .  11  nie  prennent  un  collier  de  quatre  Cents  pi- 
stoles!",    wobei   ihn  Scapin  tröstet:   „Bon,  hon,  ils  ne  tueront  per- 


700  XIV.    Pseudolus. 

sonne!    Da  tritt  V alere  mit  Leonor  vor.     Der  alte  Grifon  ärgert 

sicli   entsetzlich,   und  das  alberne  Stück   scliliesst  mit   einem  Chor. 

Madame  Sophie  Gay  hat  daraus  eine  einaktige  komische  Oper 

gemacht,')   zu  der  Madme   Gail  (Paris   1818)    die  Musik   schrieb. 


Nicht  nur  der  Gang  des  ganzen  Stückes,  sondern 
auch  der  Wortlaut  einzelner  Szenen  des  „Diderich  Men- 
schen-Skräk"2)  (Comoedie  paa  en  Act)  des  Ludvig  Holberg 
weist  auf  den  Pseudolus  hin.3)  Holberg  hat  es  verstanden, 
aus  dem  plautinischen  Stücke  einen  lustigen  Einakter  zu  machen, 
in  welchem  der  bei  Plautus  nur  genannte  Miles  eine  wichtige 
Rolle  spielt,  und  wobei  auch  amphitruonische  Szenen  und 
Anklänge  an  Curculio  das  Ganze  beleben.  Das  Stück  zählte 
zu  den  beliebtesten  des  Dichters.4) 

(1.)  Leander  (Caludorus)  ist  trostlos.  Der  Jude  Ephraim, 
den  in  dieser  Komödie  aller  Schimpf  des  plautinischen  Ballio 
trifft,  hat  ein  Mädchen  Hyaeinthe  als  Sklavin  gekauft.  ,,Det  er 
en  Venetiansk  jomfrue,  hvis  foräldre  bar  boet  i  Dalmatien.  Htm 
er  bleven  fangen  bortfört  i  den  sidste  tyrkiske  kriig,  og  soldt  til 
dinne  Jode  af  tyrkiske  Kjöbmänd. "  Nun  bewacht  sie  der  Jude 
mit  äusserster  Strenge.  Henrich  (Pseudolus)  muss  Hilfe  schaffen. 
Da  (2.)  zeigt  sich  Hyaeinthe  (Phönicium)  am  Fenster  und  ver- 
rät, dass  sie  an  einen  Offizier  verkauft  werden  soll.  Diese  Mit- 
teilung versetzt  Leander  in  Raserei.  Seine  ganze  Hoffnung 
beruht  nur  mehr  auf  Henrich.     Der  Jude  Ephraim  (3.)  kömmt 


1)  Clement,  Dict.  lyr.,  S.  618,  urteilt  darüber:  „Que  Scapin  soit 
fripon  cela  est  proverbial.  Mais  que  des  enfants  desirent  la  mort  de 
leurs  parents  pour  en  heriter,  cela  ne  s'est  vu  que  chez  les  Romains  au 
temps  de  Piaute  et  de  Tereuce." 

2)  Auf  S.  97  — 155  vou  Ludvig  Holbergs  „Comeclier"  im 
vierten  Baude.     (Kjöbenhavn  1849.) 

3)  Prutz  (Holberg),  S.  190.  Der  Dietrich  Menschenschreck,  oder 
wie  Holberg  selbst  das  Stück  in  der  Lebensbesckr.  H,  S.  177  neuut: 
..Der  listige  Heiuricbs  (denn  so  beissen  alle  meine  Bediente)"  ist,  wie 
Holberg  wiederum  selbst  einräumt,  dem  Pseudolus  des  Plautus  nach- 
geahmt; einzelnes  ist  auch  aus  dem  Curculio  desselben  Dich- 
ters entnommen. 

4)  A.  a.  0.  „Das  Stück  war  eines  der  beliebteren  vou  Holberg; 
in  den  21  Jahren  von  1748  bis  1769  wurde  es  siebenzehumal  gegebeu, 
iiml  auch  späterhin  noch  wurde  es,  wenu  auch  mit  abnehmendem  Bei- 
fall, dem  Publikum  von  Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  vorgeführt.  Einigen 
Anteil  au  diesem  Erfolg  hatte  wohl  das  Vergnügen,  das  König  Fried- 
rich V.  an  diesem  Stück  gefunden.  Dietrich  Meuscheuschreck  uuddie 
Maskerade  waren  diejenigen  Holbergsclien  Komödien,  welche  dem  König 
am  besten  gefielen,  und  die  daher  auch  am  meisten  dazu  beitrugen,  der 
dänischen  Bühne  die  Unterstützung  dieses  hohen  Gönners  zuzuwenden." 
Vgl.  Bahbek,  Holbergs  ausgewählte  Schriften,  DI,  364—368  u.  XL 
440—471. 


Holbergs  Diderich  Menschen-Skräk.  701 

eben  dazu,  wie  Henrich  seinem  Herrn  zum  Fenster  Hyacinthes 
hinanhilft.  Lärmend  und  fluchend  treibt  er  sie  fort.  „Ich  will 
lieber  mit  huus  vollJuwelen  til  forwaring  heben,  end  een  Jomfer!" 
x-uft  er  in  seinem  Judenjargon.  (4.)  Er  beklagt  sich  nun  bei 
Jeronimus  (Simo),  dem  Vater  Leanders,  der  über  seinen  Sohn 
heftig  aufgebracht  ist  und  ihm  (5.)  und  Henrich  arge  Vorwürfe 
macht.  Allein  Henrich  ist  offen.  „Men  jeg  vil  kun  alleene  sige 
det,  at  denne  jode  har  kiöbt  en  fornemme  jomfrue,  som  min  herre 
er  dödelig  forliebt  udi,  og  som  jeg  uvärdig  af  alle  magt  practi- 
cerer  at  spüle  joden  af  händerne. "  Von  seinem  Vater  aber  hört 
Leander  Hyacinthes  Schicksal  bestätigt:  „Jomfruen  skal  af- 
hentes  af  en  officeer  i  dag,  som  har  kiöbt  hende,  og  joden  gaaer 
imidlertid  ikke  af  sit  huus,  förend  hun  er  borte."  (6.)  Henrich 
wird  nun  die  Sache  auf  sich  nehmen.  Während  er  vor  des  Juden 
Hause  lauert,  führt  ein  günstiger  Zufall  (7.)  die  Frau  des  Offiziers 
herbei.  »Ach  hvor  ulyksalige  ere  ikke  dog'  vi  officerer  fruer! 
Vore  mänd  seer  vi  kun  sielden,  og  naar  de  kommer  hiem,  saa 
förer  de  maitresser  med  sig. "  Das  ist  für  Henrich  die  richtige 
Verbündete.  Sie  will  vor  dem  Hause  des  Juden  Lärm  schlagen, 
allein  Henrich  widerrät  ihr  dies.  Er  braucht  nur  zu  wissen, 
wer  der  Diener  ist.  Der  Herr  heisst  Hans  Frantz  von  Men- 
schenskräk,  der  Diener  aber  ist  so  dumm,  dass  er  glaubte,  da 
er  öfter  „lieutenant  d'infanterie,  capitaine  d'infanterie,  major  d'in- 
fanterie" las,  man  müsse  d'infanterie  überall  hinsetzen,  und 
darum  an  einen  Pächter  schrieb:  „A  monsieur  Lars  Erichsen,  for- 
pagter  d'infanterie." 

(8.)  Jeronimus  bespricht  sich  mit  seiner  Schwester  Elvire 
über  seinen  Sohn.  Dabei  erfahren  wir  auch  von  ihrem  Unglück. 
Sie  hat  alle  ihre  Güter,  ihren  Mann  und  ihre  einzige  Tochter 
im  Kriege  verloren;  „min  mand  som  blev  slagen  udi  krig,  og 
min  eeneste  datter  Leonora,  som  blev  bortfört  i  slaveri  udi 
hendes  späde  aar." 

(9.)  Henrich  hat  sich  als  Jude  gekleidet;  da  naht  der 
Offiziersdiener.  Henrich,  in  alle  Verhältnisse  eingeweiht,  nimmt 
den  Brief,  ohne  ihn  zu  Öffnen,  und  giebt  dem  Diener  die  Frau 
des  Offiziers  als  das  gekaufte  Mädchen.  Damit  entfernt  sich  der 
Diener,  Christopher  Matirenbrekker.  In  einer  halben  Stunde 
wird  sein  Herr  kommen,  um  den  Rest  der  Kaufsumme  zu  be- 
zablen.  Das  ist  ein  neuer  Wink  für  Henrich.  „Denne  sidste 
relation  gir  mig  anledning  til  et  nyt  puts,  at  täae  ogsaa  pengene 
som  joden  skulde  have." 

(10.)  Leander  erhält  von  den  bisherigen  Erfolgen  Kunde. 
Alsbald  erscheint  (12.)  Henrich  als  Soldat  (..i  krigs-habit").  Mit 
grossem  Lärme  tritt  er  als  Christoph  Mauerbrecher  auf.  „Du 
bist  Jörgen  Hattemayer    und    jeg  Alexander   .Magnus.      Mach    auf, 


702  XIY.    Pseudolus. 

oder  du  bist  dödsens. "  Er  schwätzt  dem  Juden  lauter  militärische 
Ausdrücke  vor  und  kömmt  endlich  zur  Sache.  Er  sei  Menschen- 
schrecks  Diener;  als  solcher  übergiebt  er  ihm  den  Brief,  worauf 
Ephraim  Hyacinthe  holt.  (13.)  Auf  den  Lärm  ist  Jeronimus 
mit  Elvire  aus  dem  Hause  gekommen.  Henrich  stellt  sich 
sehr  böse  gegen  ihn,  weil  er  der  Vater  Leanders,  des  Gegners 
und  Rivalen  seines  Herrn,  sei;  er  prügelt  den  Juden  und  Jero- 
nimus,  dennoch  aber  schenkt  ihm  der  letztere  „et  par  ducater", 
weil  er  ihm  versichert,  „Leander  werde  das  Mädchen  niemals 
bekommen."  Hyacinthe  wird  unter  Thränen  abgeführt,  bis  ihr 
Henrich  einige  Worte  ins  Ohr  flüstert.  (14.)  Ephraim  und 
Jeronimus  streiten,  wer  die  meisten  Prügel  bekommen  habe; 
trotzdem  aber  bleibt  Jeronimus  auf  seiner  Meinung  stehen,  der 
Soldat  sei  ein  ehrlicher  Kerl  gewesen  (,,det  var  dog  eil  ärlig 
kärl").  Schlauer  ist  Elvire,  die  an  Mauerbrecher  ihre  Zweifel 
hegt.  „Jeg  tänker  paa,  om  Henrich  ikke  künde  have  udklädt 
en  anden  at  agere  soldat. "  Allein  der  Jude  hat  Brief  und 
Siegel. 

(16.)  Henrichs  Triumph  ist  grossartig:  „Triumph!  Jomfruen 
er  alt  i  Leanders  händer.  Spület  er  vundet,  men  historien  ikke 
til  ende.  Nu  agerer  jeg  jode  igien,  for  at  faae  pengene  fra 
Officeren,  som  joden  skal  have."  —  Der  Offizier  hat  sich  von 
Christopher  herführen  lassen.  Henrich,  als  Jude,  kömmt  zurück. 
Eben  besprechen  sie  sich,  da  erscheint  (17.)  Ephraim  und  sieht,  wie 
der  Offizier  den  Rest  mit  huudertzwanzig  Dukaten  an  Henrich 
bezahlt.  Den  Betrug  durchschauend,  tritt  er  vor.  Es  erinnert 
an  Amphitruo,  wenn  die  beiden  Juden  einander  gegen- 
überstehen und  der  falsche  für  den  richtigen  gehalten 
wird:  ,,Gid  jeg  faaer  en  verdsens  u-lykke;  er  ikke  denne  Ephraim, 
og  den  anden  en  Gaudieb,  ja."  Christopher  will  in  Ephraim 
einen  gewissen  Dragoner  Jochum  Trekhol(d)t  aus  Kapitän 
Feuer  fr  essers  Kompagnie  erkennen,  sodass  der  Offizier  den 
J u den  für  einen  verkleideten  entlaufenen  Soldaten  hält  und  ihn 
ins  Haus  führen  lässt,   wohin  Henrich  folgt. 

(18.)  Mens  eben  sehr  eck  und  Elvire  erkennen  sich  nun  von 
Dalmatien  her,  und  sofort  beginnt  der  Offizier  —  ein  üppiger 
Trieb  des  „Miles  gloriosus"  —  seine  Grosssprechereien.  Elvire 
erzählt,  welches  Unglück  sie  betroffen  habe,  und  wie  ihr  Haus 
von  den  Türken  geplündert,  ihre  Leute  von  den  Feinden  fort- 
geschleppt wurden.  ,.Det  maa  da,"  meint  der  Offizier,  „ikke  väre 
skeet,  mens  jeg  var  partiegiängere;  tili  mit  navn  var  saadan 
skrek  iblant  Tyrkerne,  at  de  havde  ingen  lyst  at  giöre  noget 
forsög  paa  bytte:  saa  kied  havde  jeg  giort  dem  af  det  handverk. 
Jeg  tör  sige  at  jeg  alleene  ved  partie  hid  og  did  skildte  dem 
over  ved  20000  mand,    og  med  min  egen  band  paa  en   maanads 


Holbergs  Diderich  Merischen-Skräk.  703 

tid   massacrerte   über   2000  janitscharen   auf  einmahl.      Ist    nicht 
wahr,   Christoffer  Manrbrekker?" 

Im  Weiteren  entwickeln  sich  auf  Christoffers  bestätigendes 
„Freylig"   des  Offiziers  Ruhmreden. 

Off.       Hverudover  generalen  selv  gav  niig  dette  navn  Mensckenskrek. 

Elv.       Er  det  mueligt,  fik  hau  saaledes  det  navn? 

Off.  Ja,  lian  selv  havde  den  naade  at  praesentere  mig  for  hertugen 
af  Dalmatien  med  disse  Ord:  ..Ikro  Durchleuchtigkeit,  hier 
ist  der  andere  Scanderbeg,  der  itzige  Türken  ruhte."  .  .  . 
Ingen  plaisir  künde  väre  mig  större  end  at  möde  med  et 
heel  Compagnie  beväpnede  Tyrker  alleene.  Ist  nicht  wahr, 
Maurbrekker? 

Christ.  Freylig. 

Off.  Den  tyrkiske  Vezier,  Mahomet  Podolski,  havde  jeg  rigtig  ved 
vingebeenet,  meu  i  dette  samme  kom  eu  bombe,  som  slog 
min  haand  tilbage  saa  han  den  gang  undgik,  aber  das  ist 
nur  Galgenfrist.  Jeg  glemmer  aldrig  hvor  han  skreg  paa 
sin  Tyrkisk:  ach,  la!  la!  la! 

Elv.       Hvad  betyder  det  paa  vort  maal? 

Off.  Det  vil  sige:  Ach  du  störe  Mahomet,  hielp  mig  vel  fra  denne 
sterke  kiempe  Menskenskrek. 

Elv.       Kand  de  faa  ord  betyde  saa  meget? 

Off.        Ja,  det  Tyrkiske  sprog  er  meget  rigt. 

Auf  weitere  Fragen  erzählt  er,  stets  unter  dem  Siegel  der 
Verschwiegenheit,  dass  er  ein  Mädchen  gekauft  habe,  und  schickt 
Christ  off  er  uni  dasselbe.  Doch  ist  ihm  um  seine  Frau  bange, 
was  Jeronimus  von  einem  so  tapfern  Manne  nicht  recht  glauben 
will.  Vielmehr  holt  er  seinen  Sohn  und  Henrich,  um  ihnen 
zu  zeigen  ,.hvad  for  en  tapper  rival  de  har"  und  sie  vor  allen 
weiteren  Schritten  abzuschrecken.  (19.)  Leander  und  Henrich 
treten  herzu,  da  naht  (20.)  die  Frau  des  Offiziers  als  Sklavin 
verkleidet.  Menschenschreck  fällt  auf  die  Knie  und  erhält 
eine  gehörige  Tracht  Prügel.  ,,Tänk  paa  det  Slag  ved  Bagusa, 
In.  Scanderbeg!"  ruft  ihm  Jeronimus  zu.  „Tank  paa  den  störe 
Vezier,  Hr.  Turkenruht!"  meint  Elvire.  Jammernd  (21.)  tritt  auch 
noch  der  Jude  Ephraim  auf:  „Ach  wai  mir!  ach  wai  mir!  welcher 
Betrug!"  Jeronimus  sagt  aus,  dass  dies  „den  rette  Ephraim"  sei, 
und  die  Fraxi  erzählt  den  Hergang  der  ganzen  Sache.  Jeronimus 
ist  sehr  erzürnt  gegen  Henrich;  Leander  jedoch  klärt  seinen 
Vater  auf,  das  Mädchen  sei  nicht  gewöhnlicher  Herkunft,  vielmehr 
vor  Jahren  in  die  Sklaverei  geführt  Morden,  nachdem  ihr  Vater 
Pandolfus  im  Kriege  geblieben  war.  Man  holt  Hyacinthe,  und 
leicht  erkennt  ihre  Mutter  in  ihr  die  lange  vermisste  Tochter. 
—  Wer  soll  nun  das  Geld  erhalten?  „Pengene,"  meint  Henrich, 
„har  jeg  ärlig  fortient",  und  die  Frau  sagt  ihm:  „Det  er  sandt, 
behold  I  kun  pengene,  kammerat!"  Einsprache  erheben  nur 
der  Offizier:   „Men  min   liierte  kone!   det  var  jo  mine  penge!"  und 


704  XDf.    Pseudolus. 

der  Jude:  „Men  det  var  jo  meine  Vahre!-'  Umsonst!  beide  werden 
geprügelt:    „Det    er   for   dine    penge,   og  det  er  ibr  dine  Vahre." 

Holberg  hat  vor  allem  dem  Vater  des  Jungen  eine  an- 
ständigere Rolle  zugeteilt,  indem  er  ihn  nicht  den  Rivalen  seines 
Sohnes,  vielmehr  seinen  besorgten  Hüter  sein  lässt;  sonst  hält 
er  sich  ziemlich  genau  an  Plautus,1)  den  er  zusammen- 
zieht und  modernisiert.  Vielfache  andere  Punkte  des  Stückes 
weisen  auf  seinen  Zusammenhang  mit  der  antiken  Komödie  hin, 
der  mehrere  der  hier  spielenden  Personen  entnommen  sind. 

„Diederich  Menschenschröck"  findet  sich  auf  S.  155 — 205 
im  zweiten  Bande  von  „Dänische  Schaubühne",  geschrieben 
von  dem  Freyherrn  Ludwig  von  Holberg,  und  nun  in  die 
deutsche  Sprache  übersetzet.  Copenhagen  und  Leipzig,  verlegts 
Gabriel  Christian  Rotte.      1750. 


Bekanntlichst  hat  sich  auch  G.  E.  Lessing  mit  dem  „plau- 
tinischen  Pseudolus"  beschäftigt  und  legte  ihn  seinem  Lustspiele 
„Justin1'  zu  gründe.2)  Über  dies  nicht  ausgearbeitete  Stück 
heisst  es  in  der  Einleitung  des  genannten  Buches  (p.  XLIIJ: 
„Justin.  Davon  ist  weiter  nichts  als  der  Plan  da,  und  hat  nicht 
einmal  einen  Titel.  Plauti  Pseudolus  ist  darin  zum  Grunde  ge- 
legt; und  weil  Justin  im  Deutschen  ohngefehr  das  werden  sollen, 
was  Pseudolus  im  Lateinischen  ist,  so  habe  ich  diesen  Nahmen 
angenommen .  .  .  (p.  XLV).  Nach  dem  vorliegenden  Plan  hätte 
mein  Bruder  freylich  diesen  Stof  unsern  Sitten  näher  gebracht, 
die  besten  lateinischen  Scenen  genutzt,  und  den  Ausgang  des 
Stücks  selbst  ein  bischen  moralischer  ausfallen  lassen,  als  im 
Lateinischen.  Denn  ob  es  wohl  unter  Christen  nichts  ungewöhn- 
liches ist,  dass  ein  junger  Mensch  mit  Wissen  seines  Vaters  eine 
Beyschläferin  hält,  so  würde  man  sich  in  der  Christenheit  doch 
über  eine  solche  Vorstellung  ärgern.''      (Karl  G.   Lessing.) 

Der  ausgearbeitete  Plan  Lessings  zeigt  ganz  deutlich,  in 
welchem  Verhältnisse  sein  Justin  zu  Plautus  hätte  stehen  sollen. 
Er  lautet: 

Herr  Ballof.  In  Trauer  um  seine  jüngst  verstorbene  Frau, 
welche    eine    Französin    gewesen    war,    bey    der   man   die   Jungfer 


')  Ussing.  IV,  221:  „Holbergius  autem  nostras  festivissimam  fa- 
bulani  Diderich  Menschenschreck  magnam  partem  hinc  duxit." 

2)  Gotthold  Ephraim  Lessings  Theatralischer  Nachlass. 
Erster  Theil.  Berlin  bey  Christian  Friedrich  Voss  u.  Sohn  1784.  Seite 
237—248.  —  S.  539—546  in  „Vier  und  fünfzig  zum  Theil  noch 
ungedruckte  dramatische  Entwürfe  und  Pläne  Gr.  E..  Lessings. 
Herausgegeben  von  Robert  Boxberger.     Berlin  (Hempel)  1876." 


Lessings  Justin.  705 

Charlotte  in  die  Kost  gethan  hatte.  Sie  hatte  die  Mamsel  du  Babil 
geheissen,  ehe  sie  den  Herrn  Ballof  geheyrathet.  Einen  Geitzhals 
und  Betrüger,  der  siebenzig  Professionen  schon  versucht,  Sprach- 
meister, Coffetier,  Fechtmeister,  Komödiant,  und  wer  weiss  was, 
schon  gewesen  war. 

Jungfer  Charlotte.  Die  als  ein  Kind  von  vier  Jahren 
hey  der  Mamsel  du  Bahil  in  die  Kost  gethan  worden.  Niemand 
hatte  seit  dieser  Zeit  das  Kostgeld  für  sie  hezahlt.  Sie  hatte 
allerhand  künstliche  Frauenzimmer  Arbeit  gelernt,  und  Herr  Ballof 
hatte  endlich  eine  vornehme  Dame  gefunden,  die  das  Kostgeld 
für  sie  bezahlen  und  sie  als  Kammermädchen  zu  sich  nehmen 
will.  Er  hatte  auch  wirklich  bereits  mehr  als  die  Hälfte  davon 
bekommen,  rmd  das  übrige  sollte  er  bekommen,  wenn  die  Dame 
Charlotten  würde  abholen  lassen.     Dieses  soll  heute  geschehen. 

Callidor.  Ein  junger  Mensch,  der  sich  in  Charlotten  ver- 
liebt und  von  ihr  auch  wieder  geliebt  wird. 

Simon.  Des  Callidors  Vormund.  Und  wie  man  am  Ende 
erfahrt,  der  Charlotte  Vater,  von  der  auch  dieses  zu  merken, 
dass  sie  nicht  lange  mit  dem  Ballof  an  den  Ort  gekommen,  wo 
die  Komödie  vorgeht. 

Martin.  Knecht.  Der  Kutscher  der  vornehmen  Dame, 
Avelcher  Charlotten  abholen  will. 

Justin.  Bedienter  des  Callidor,  welcher  dem  Martin  die 
Briefe  abnimmt,  indem  .  er  sich  für  einen  Bedienten  des  Ballof 
ausgiebt. 

Wolfgang.  Ein  andrer  Bedienter,  der  die  Rolle  des  unter- 
geschobenen Martin  Knechts  spielt. 

Plautina  longa  fabula  in  scenam  venit. 

Schon  aus  den  Personell  und  den  ihnen  beigefügten  Notizen 
ergiebt  sich  ein  ziemlich  genauer  Überblick,  wie  das  Stück  werden 
sollte.      Wir  haben  aber  auch  noch  den  vollständigen  Entwurf. 

Erster  Act.      Erste    Scene.1)      Callidor   und    Justin:    Die- 
selbe Scene  beym  Plaut. 

Zweyte  Scene.  Ballof.  Callidor.  Justin.  Dritte 
Scene  des  ersten  Acts.'2)  Ballof  sagt,  er  gehe  eben,  um 
sich  einen  Domestiquen  zu  suchen,  weil  er,  wenn  Char- 
lotte wegkäme,  einen  haben  müsse,  der  ihm  den  Tisch 
besorgen  könne. 

Dritte  Scene.  Callidor.  Justin.  Justin  ver- 
spricht dem  Callidor,  sein  möglichstes  anzuwenden,  dem 
Ballof  das  Mädchen   aus  den  Zähnen   zu  rücken.     Unter- 

')  Bei  Boxberger  (a.  a.  0.,  S.  543):  Actus  primus.    Sc.  I,  v.  eandem 
»Scenam  apud  PI. 

-)  Viele  Sc.  III,  Act.  I  und  so  jedesmal. 

45 


706  XIV.    Pseudolus. 

dessen  solle  er  sehen,  wo  er  Geld  auftreiben  könne, 
wodurch  man  es  zwingen  müsste,  wenn  List  nicht  ein- 
schlagen wollte. 

Vierte  Scene.  Justin.   Vierte  Scenc  des  ersten  Acts. 

Fünfte  Scene.  Simon.  Justin.  Zum  Theil  fünfte 
Scene  des  ersten  Acts.  Simon  muss  sich  als  ein  guter, 
ehrlicher  Mensch  beklagen,  dass  Callidor  auf  solche  Aus- 
schweifungen falle.  Er  habe  gehört,  dass  er  sich  in  ein 
Frauenzimmer  in  der  Nachbarschaft  verliebt  habe.  Er 
ist  besorgt,  dass  er  etwas  Unrechtes  thun  möge.  Es 
geht  ihm  nahe,  dass  er  wenigstens  an  seinem  Mündel 
seine  Freude  nicht  erleben  solle,  da  er  sie  an  seiner 
Tochter  nicht  erleben  können;  da  er  als  ein  Kind  von 
vier  Jahren,  als  er  eines  Unglücks  wegen  das  Land  ver- 
lassen müssen,  in  die  Kost  gegeben,  ohne  seitdem  von 
der,  der  er  sie  anvertrauet,  das  geringste  erfahren  zu 
haben.  Er  befiehlt  dem  Justin  zu  Hause  zu  bleiben, 
weil  er  einen  nöthigen  Gang  unterdessen  verrichten  wolle. 
Zweyter  Act.  Erste  Scene.  Justin.  Erste  Scene  des 
zweiten  Acts. 

Zweyte  Scene.  Justin.  Martin  Knecht.  Die- 
selbe Scene  beym  Plaut. 

Dritte  Scene.      Justin.      Dieselbe  beym  Plaut. 

Vierte  Scene.  Callidor.  Justin.  Callidor  hat 
etwas  weniges  Geld  bekommen,  welches  aber  ungefehr 
so  viel  ist,  als  Martin  Knecht  dem  Ballof  von  der  Dame 
auszahlen  sollen.  Siehe  zum  Theil  eben  dieselbe  Scene 
bey  dem  Plautus.  Sie  gehen  ab,  einen  falschen  Martin 
Knecht  zu  suchen. 
Dritter  Act.  Erste  Scene.  Ballof  und  ein  neuer 
Domestique.      Zweyte  Scene  des  dritten  Acts. 

Zweyte  Scene.  Simon  zu  den  vorigen.  Ballof 
schickt  den  Bedienten  voran  in  das  Haus.  Simon  redet 
den  Ballof  unbekannter  Weise  an  und  warnet  ihn  wegen 
seines  Mündels. 

Dritte  Scene.     Simon. 

Vierte  Scene.  Simon.  Callidor.  Simon  redet 
seinem  Mündel  vernünftig  zu;  und  tadelt  ihn,  dass  er 
sich  in  eine  Unbekannte  verlieben  können.  Nun,  sagt 
Callidor,  wenn  Simon  weg  ist,  wird  es  darauf  ankommen, 
ob  ich  glücklich  seyn  soll.  Es  ist  alles  bestellt,  und  ich 
will  mich  nur  in  dieser  Gegend  aufhalten,  um  von 
weitem  zu  sehen,  wie  die  Sache  ablaufen  wird. 
Vierter  Act.  Erste  Scene.  Justin.  Wolf'gang.  Dieselbe 
Scene  beym  Plaut. 


Lessings  Justin.  707 

Zweyte  Scene.  Ballof  und  die  vorigen.  Die- 
selbe Scene  beym  Plaut. 

Dritte  Scene.      Justin.      Dieselbe  beym  Plaut. 

Vierte  Scene.  Justin  und  Wolfgang,  welcher 
Charlotten  geführt  bringt.  Ballof  ruft  dem  verstellten 
Martin  Knecht  noch  nach,  sie  richtig  zu  überbringen. 
Charlotte  sagt  wenig  Worte,  mit  welchen  sie  sich  ohn- 
gefehr  beklagen  kann,  dass  sie  Ballof  gleichsam  in  eine 
Dienstbarkeit  verkaufe,  indem  ihr  Wolfgang  immer  heim- 
lich in  das  Ohr  flistert,  sich  nicht  so  zu  sperren,  sie 
werde  es  besser  finden,  als  sie  es  glaube.1) 
Fünfter  Act.  Erste  Scene.  Ballof.  Die  fünfte  Scene 
des  vierten  Acts. 

Zweyte  Scene.  Ballof  und  Simon.  Sechste 
Scene  des  vierten  Acts. 

Dritte  Scene.  Martin  Knecht  und  die  vorigen. 
Siebente  Scene  des  vierten  Acts.  Martin  Knecht  geht 
voller  Bosheit  fort ,  um  sich  bey  einem  Richter  zu 
beschweren. 

Vierte  Scene.  Ballof  und  Simon.  Hier  geht 
die  Entdeckung  vor  sich,  dass  Simon  der  Charlotten 
Vater  sey. 

Fünfte  Scene.  Charlotte.  Martin  Knecht 
itnd  Justin  zu  den  vorigen.  Martin  Knecht  hatte 
den  Justin  ertappt  und  erkannt,  eben  als  er  sich  mit 
Charlotten  in  einen  Wagen  werfen  und  sie  davon  führen 
wollen.  Er  bringt  ihn  also  mit  Gewalt  nebst  dem  Frauen- 
zimmer zurück.      Die  Erkennung   geht  vor  sich. 

Sechste  Scene.     Zu  diesen   Callidor.     Er  kömmt 
verzweifelnd    zurück,    weil    er    vergebens  vor  dem  Thore 
auf  beyde  gewartet  und  erfahren,   was  mit  seiner  Dame2) 
vorgegangen.      Der  vergnügte  Schluss  und  das  Ende  des 
Stücks.     Nachdem  Simon  dem  Martin  Knecht  versprochen, 
an    die    Dame    einen  Brief   mitzugeben    und    sie    in    allen 
Stücken   zu  befriedigen. 
Lessing    hat     sich    engstens    an    sein    Vorbild    ange- 
s ehl os sc n,     wobei    der   Versuch    der    Modernisierung    des    Stücks 
manche   Schwierigkeiten    bot,    indem   aus   dem  Kuppler  Ballio   der 
schurkische   Ballof  und  das   Sklavenverhältnis   in   einen  Kostgeld- 
rückstand umgewandelt   wurde.     Auch  hat  Simon  gegenüber  dem 
plautinischen  Simo   eine   ehrenvolle  Rolle   erhalten. 

1)  Boxberger:  —  und  wird  oben  an  der  Scene  sogleich  von  Callidor 
in  Empfang  genommen.     Sie  führen  sie  fort. 

2)  Boxberger:   Dirne. 

45* 


708  XIV.    Pseudolus. 

Danzel')  äussert  sich  über  Lessings  Bearbeitung:  „Sehr 
viel  leichter  (als  beim  Trinummus)  wollte  sich  Lessing  die  Sache 
bei  der  Bearbeitung  des  Pseudolus  machen.  Hier  verändert  er 
im  Grunde  nichts  anderes,  als  dass  er  das  Mädchen  von  der 
Frau  des  Ballof  erzogen  sein  lässt  und  statt  des  Soldaten,  welcher 
dasselbe  gekauft,  eine  Dame  einführt,  die  für  sie  Kostgeld  be- 
zahlt, und  den  Vater  des  Liebenden  erspart,  indem  er  diesen  zu- 
gleich den  Mündel  des  Alten  sein  lässt,  als  dessen  Tochter  das 
Mädchen  zuletzt  erkannt  wird.  Mit  der  ersten  Abänderung  war 
der  Stoff  den  modernen  Sitten  etwas  mehr  angenähert,  die  keine 
Sklaven  kennen  und,  Kuppler  aufs  Theater  zu  bringen,  nicht  er- 
lauben; doch  mochte  Lessing  fühlen,  dass  das  Mädchen  immer 
noch  zu  sehr  als  blosse  Sache  behandelt  würde,  als  dass  das 
Stück  nicht  von  vornherein  einen  fremdartigen  Anstrich  be- 
kommen haben  sollte,   und  so   blieb   dasselbe  unausgearbeitet. " 

Sehr  auslassend2)  findet  sich. der  Pseudolus  deutsch  im  ersten 
Band  von  Schmidts  Biographie  der  Dichter  (S.  231  —  300)3); 
metrisch  wurde  er  übersetzt  von  Rost  (Lpz.    1823). 4) 


Ihre  Hauptmotive  verdankt  dem  Pseudolus  die  schon 
oben  (S.  654)  genannte  Komödie  des  Gio.  Battista  della  Porta 
„La  Trapp olaria".6)  G.  B.  della  Porta  lehnt  sich  überall  an 
das  antike  Lustspiel  an.6)  Die  Trappolaria  selber,  ein  Stück, 
in  welchem  das  Wortspiel  mit  trappola,  trap polare  und  dem 
so  genannten  Sklaven  immer  wiederkehrt,  ist  reich  an  plautini- 
schen  Reminiszenzen  aus  allen  Stücken. 

I.  Akt.  (1.)  Der  alte  Callifrone  beauftragt  seinen  Sohn 
Arsenio,  eine  Reise  nach  Barcelona  zu  machen,  indem  er  ihm 
eine  Episode  seines  Lebens  erzählt.  Als  er  einst  in  Barcelona 
lebte,  machte  er  die  Bekanntschaft  einer  gewissen  Helionora, 
einer    Neapolitanerin,     der    Witwe    eines    spanischen    Edelmannes 


2)  Sulz  er,  a.  a.  0.     III,  705. 

3)  Gödeke,  Grd.    II,  1094. 

4)  Ebenda,  in,  1297. 

ä)  Ussing,  a.  a.  0.  IV,  221.  Recentiorum  poetarum  Pseudolum 
imitati  sunt  primus  Baptista  Porta  „la  Trappolaria"  (Dunlop,  I,  21tj); 
tum  Molierius  in  „l'Etourdi"  nonnulla  hinc  sumpsit. 

fi)  Vgl.  z.  B.  den  Prologo  zur  Olimpia:  „se  pur  i  specchi,  ch'  ella 
suol  straccare  speeckiandouisi  dentro  (che  le  hau  venduti  certi  maestri 
d1  Africa,  e  di  Vmbria)";  ferner  denjenigen  zu  „La  Fantes ca",  wo  er 
sein  Vorgehen,  die  Eifersucht  („La  Gelosia")  als  Prolog  verwendet  zu 
haben,  mit  den  plautinischen  Prologen  motiviert:  „Ne  io  ha.uerei  hauuto 
ardir  comparir  in  questa  Scena,  se  anticamente  non  vi  fussero  comparsi 
i  Lari,  gli  Arturi,  i  Sileni,  la  lussuria  e  la  pouerta." 


Portas  Trappolaria.  709 

Don  Giovanni  di  Moncada.  Moncada  hatte  von  seiner 
ersten  Frau  bereits  zwei  Töchter,  Eufragia  und  El  vir  a.  Calli- 
frone  heiratete  Helionora  in  Barcelona  „e  nel  primo  anno  la 
feci  madre  di  duo  maschi  in  vn  parto,"  deren  einer  Arsenio, 
der  andere  Lelio  ist.  Callifrone  wollte  wieder  nach  Neapel 
zurückkehren;  da  nahm  er  den  stärkeren  seiner  Söhne  Arsenio 
mit  sich,  den  schwächlichen  Lelio  Hess  er  hei  der  Mutter  zurück. 
Die  Ähnlichkeit  der  beiden  Brüder  täuschte  alle  Welt.  „Erauate 
tanto  simili  che  ne  io  ne  ella  vi  poteuamo  distinguere. "  Wir 
haben  also  ein  Stück  Menächmi.  Schon  frühe  wurden  die 
beiden  Brüder  mit  ihren  Stiefschwestern,  die  sie  aufs  innigste 
liebten,  verlobt.  Donna  Eufragia  ist  bereits  mit  Lelio  ver- 
heiratet, El  vir  a  aber  ist  unterdes  geraubt  worden.  Arsenio 
soll  nun  nach  Barcelona  reisen,  um  Helionora,  Lelio  und 
Eufragia  abzuholen.  Dieser  aber  hört  den  Auftrag  seines  Vaters 
mit  Entsetzen.  Vergeblich  bittet  er  um  Aufschub,  nur  so  viel, 
um  einigen  Freunden  ihre  Depositen  zurückzugeben.  Das  Schiff 
steht  bereit,  das  ihn  aufnehmen  soll.  Arsenio  hat  allen  Grund, 
hier  bleiben  zu  wollen,   worüber  uns  sein  Monolog  belehrt. 

(2.)  Drei  Jahre  ist  er  bestrebt,  seine  geliebte  Filesia  aus 
den  Händen  des  Ruffiano  zu  befreien:  und  nun  soll  er  die  Reise 
nach  Spanien  machen.  (3.)  Filesia  macht  ihm  mit  ihren  Klagen 
das  Herz  noch  schwerer;  denn  der  Capitano  Dragoleone  hat 
dem  Kuppler  ein  schriftliches  Angebot  auf  Filesia  gethan.  Als 
Tröster  naht  (4.)  Trappola,  Arsenios  erprobter  Diener.  Als- 
bald gesellt  sich  der  Kuppler  Lucrino  (5.)  dazu.  Trappola 
berichtet  von  Lucrinos  Leben:  ,.E  stato  dieci  anni  in  galea  per 
moneta  falsa,  quattro  volte  in  berlina  per  ladronecci,  cinque  volte 
con  la  lingua  inchiodata  per  bestemmie,  e  sette  volte  scopato 
per  traditore."  Er  selber  nennt  sich  „la  corona  e  '1  trionfo  di 
tutto  il  mestiero".  Von  Arnesios  Bitten  um  Filesia  will  er 
nichts  hören. 

(6.)  Ein  heiteres  Gespräch  Trappolas  mit  dem  alten  Calli- 
frone schliesst  den  ersten  Akt.  Trappola  prophezeit  Calli- 
frone, dass  der  junge  Herr  nicht  nach  Spanien  gehen,  er  ihm 
aber  dreihundert  Scudi  abjagen  werde,  ja  „anzi  mi  pregherete 
che   li   riceua  per  riscattar  la  sua  puttana". 

II.  Akt.  (1.)  Callifrone  hat  seinen  Sohn  eingeschifft;  so 
ist  Trappola  nicht  mehr  zu  fürchten.  (2.)  Allein  Arsenio  ist 
nicht  abgereist.  Er  tritt  mit  Trappola  auf,  und  dieser  entwirft 
ihm  sein  Programm,  wie  Filesia  aus  den  Händen  des  Kupplers 
zu  retten  ist.  „Liberal-  Filesia  da  man  di  Lucrino  sarä  facile. 
Ecco  la  lettera  doue  il  Capitano  Dragoleone  auisa,  ch'  hoggi 
manderä  vn  suo  seruo  detto  Dentifrangolo  con  cento  scudi  per 
saldo    di   trecento   per   lo    prezzo,    e   con    vn    segnale   secreto    fra 


710  XIV.    Pseudolus. 

loro,  li  eonsegni  Filesia.  I  non  mi  partirö  hoggi  dinanzi  la  casa 
sua,  iinclie  non  vedrö  comparir  il  sno  seruo,  lo  condurrö  ad  vn 
amico,  die  finga  il  Ruffiano,  e  rieeuuti  i  cento  ducati,  e  dato  il 
segno,  gli  daremo  vna  donna  in  cambio  di  Filesia,  e  subito  daremo 
quei  danari,  segnale,  e  la  lettera,  ad  vn  altro  amico,  ouero  al- 
l1  istesso  vestito  da  soldato,  lo  manderemo  con  tutte  qneste  cose  al 
Ruffiano,  al  quäl  senza  dubbio  subito  consegnera  Filesia,  e  cosi 
verrä  in  man  nostra"  —  ganz  also  der  Plan  des  Pseudolus. 
Dem  Vater  gegenüber  soll  Arsenio  seinen  Bruder  Lelio  und 
Filesia  dessen  Gattin  Eufragia  spielen,  was  leicbt  gelingt,  da 
sich  beide  zur  Unkenntlichkeit  ähnlich  sehen  und  Arsenio  so- 
wohl als  Filesia  Spanisch  verstehen.  Die  Frau  des  Parasiten 
Fagone  soll  die  dem  Capitano  an  Filesias  Stelle  auszu- 
liefernde Geliebte  sein.  (3.)  Fagone  kömmt  eben  gelegen,  um 
in  die  Sache  eingeweiht  zu  werden.  Er  bereitet  (4.)  seine  Frau, 
Gabrina,   zu  dem  Streiche  vor. 

(5.)  Poleone  liefert  die  Arsenio  nötigen  Kleider,  um  die 
verschiedenen   Verkleidungen  zu  ermöglichen. 

III.  Akt.  (1.)  Dentif'rangolo,  der  Diener  des  Capitano, 
trifft  Trapp ola.  Dieser  stellt  sich  ihm  vor  als  „Nullacredimi, 
Tuttigabbali,  Ororubbali,  Donnascambiali".  „Non  e 
marauiglia, "  erklärt  Trapp  ola  dem  über  die  vier  Namen  stau- 
nenden Dentif'rangolo,  „son  di  razza  spagnuola,  &  ho  vn 
nome  per  quattro.  Da  mio  padre  hö  il  Nullacredimi,  da  mia 
madre  Tuttigabbali,  da  mio  auo  Ororubbali,  da  mia  aua  Donna- 
scambiali."  Diese  Namen  sind  dem  Sagaristio  in  der  Persa 
(V.   701)  nachgebildet.      (Vgl.   S.    720.) 

Er  weist  ihn  an  Lucrino,  als  den  sich  (2.)  Fagone  aus- 
giebt,  der  dem  Diener  Gabrina  überliefert.  Sie  thut,  als  scheide 
sie  schwer  von  ihm.  (3.)  Nun  muss  sich  Fagone  als  Soldat 
verkleiden  und  vom  Kuppler  Filesia  holen,  was  er  (4.)  ge- 
schickt zu  Trappolas  Freude  (5.)  ausführt.  Die  über  ihr  Los 
trauernde  Filesia  tröstet  Fagone  (6.):  „Ti  porrö  in  braccio  al 
tuo  desiato  Arsenio,"  worauf  diese  erzählt,  dass  sie  als  Kind  in 
Barcelona  geraubt ,  in  die  Barberei  geschleppt  und  dort  der 
Königin  von  Fessa  geschenkt  worden  sei,  wo  sie  der  Kuppler 
gekauft  habe. 

(7.)  Der  Caj)itano  ist  bitter  enttäuscht  über  die  alte 
Gabrina,  die  er  an  Stelle  Filesias  erhielt.  ,,Se  non  temesse 
oscurar  i  miei  fatti  illustri  e  gloriosi,"  sagt  er  ihr,  ,,di  haner  preso 
tante  Cittä,  soggiogati  Principi,  e  debellati  Re  potentissimi,  con  im- 
brattarmi  le  mani  del  sangue  della  feccia  delle  donnicciuole,  io  hora 
ti  taglierei  il  naso,   e  me  lo  porrei  per  cimiero  sopra  le  mie  armi." 

(8.)  Gabrina  eilt  nach  Hause  und  findet  dort  Filesia.  Es 
entfaltet    sich    die    bekannte  Szene    aus    dem   „Mercator", 


Portas  Trappolaria.  711 

wo  Dorippa  Pasicompsa  für  ihre  Rivalin  hält.  Sie  hält 
File.sia  für  die  ..  galant  issima  puttana"  ihres  Gatten.  Laitt 
ruft  sie:  „La  mia  easa  e  fatto  serraglio  delle  puttane  di  inio 
liiarito  come  si  fnsse  il  gran  Tnreo.-'  Vergeblich  sucht  sie 
Filesia  zu  beschwichtigen;  vergeblich  (9.)  Fagone.  Nun  kömmt 
auch  noch  der  Koch  dazu  (10.),  um  das  bestellte  Abendessen  zu 
bereiten.      Gabrina  jagt  Filesia  aus  dem  Hause. 

IV.  Akt.  (1.)  Lucrino  freut  sich,  dass  Filesia  glücklich 
aus  dem  Hause  ist:  „ Trapp ola  non  mi  puö  piü  trappolare. " 
Da  tritt  Leo  netto,  ein  Diener  des  Capitano,  auf.  Der  Kuppler 
vermutet  in  ihm  einen  Betrüger,  den  Trappola  schickt,  „quel 
trauestito  da  soldato,  che  manda  Trappola.-'  Leo  netto  aber 
führt  namens  seines  Herrn  Klage;  es  sei  an  Filesias  Stelle 
„vna  vecchia  stregona"  dem  Capitan  geschickt  worden.  Sie 
scheiden  unter  heftigem  Streite. 

(2.)  Arsenio  glaubt,  seine  Geliebte  bei  Fagone  zu  finden, 
erfährt  aber  schlimme  Nachrichten. 

Fag.     Romori,  fracassi,  naufragi,  vccisioni. 
Ars.     Che  rumori?  che  fracassi?  che  vccisioni? 
Fag.     Me  1'  han  tolta. 
Ars.     Oime,  che  dici? 

Fag.    II  uero.     AI   primo   incontro  leuö  vna  botta  in  testa,    e  si  nippe 
in  mille  parti,  e  sparse  tutto  il  sangue. 

Ars.  Come  1'  han  morta? 

Fag.  A  bastonate. 

Ars.  Dunque  ella  e  morta? 

Fag.  Mortissima. 

Ars.  A  bastonate? 

Fag.  A  bastonatissime. 

Ars.  E  sparso  tutto  il  sangue? 

Fag.  Tutto  il  sanguissimo. 

Während  Arsenio  um  Filesia  klagt,  kömmt  diese  (3.)  des 
Weges.  Nach  einer  herzlichen  Begrüssung  teilt  ihr  Arsenio 
seinen  Plan  mit.  Sie  muss  Donna  Eufragia  spielen  und 
Spanisch  sprechen.  Kaum  haben  sie  dies  verabredet,  so  tritt 
Callifrone  auf.  (4.)  Er  ruft  Arsenio,  da  dieser  jedoch  thut, 
als  kenne  er  ihn  nicht,  imd  Spanisch  redet,  kömmt  ihm  der  Ge- 
danke, es  könnte  Lelio  sei.  Arsenio  giebt  sich  auch  als 
diesen  zu  erkennen  und  stellt  dem  erfreuten  Vater  Filesia  als 
seine  Frau  Eufragia  vor.  Auch  Trappola  (5.)  glaubt,  Arsenio 
zu  sehen;  Callifrone  aber  belehrt  ihn,  dass  die  Ähnlichkeit  der 
beiden  Brüder  stets  so  gross  war,  „eh  'io ,  e  mia  moglie  non 
poteuamo  discernere  1'  vn  da  1'  altro."  (6.)  Poleone  macht  sich 
gleichfalls  an  Arsenio.  Er  hat  bei  ihm  Kleider  bestellt  und  ihm 
dafür    einen  Messirijrrhm'   mit    einem    Glasstück    statt    eines    eckten 


712  Xl\.    Pseudolus. 

hinterlegt.  Er  hört,  dass  dies  hier  der  Zwillingsbruder  Lelio 
sei,   worauf  er  sieh  zu  Gericht  begiebt. 

(7.)  Der  Capitau  Dragoleoue  macht  seinem  Diener  Denti- 
frangolo Vorwürfe,  dass  er  das  richtige  Mädchen  nicht  gebracht 
habe.  Da  aber  Lucrino  dazu  kömmt  (8.),  kann  Dentifrangolo 
bestätigen,  dass  dies  der  Kuppler  nicht  war,  von  dem  er  Gabrina 
erhielt.  Die  Erzählung  des  Dentifrangolo,  vor  allem  die  Namen 
Nullacredimi  u.  dgl.,  führen  Lucrino  auf  die  Spur  Trappolas. 
„Vorrei  inorire,  questi  e  Trappola!"  ruft  er,  indessen  Dragoleoue 
seinem  Diener  die  Namen  erklärt.  Sie  wenden  sich  nun  an  den 
Vater  Callifrone.  (9.)  Dieser  aber  erklärt,  Arsenio  sei  in 
Barcelona:  bei  ihm  wohne  nur  Lelio  mit  seiner  Gattin  Eufragia. 
Auf  den  Wunsch  des  Kapitäns  wird  Eufragia  gerufen.  Filesia 
tritt,  Spanisch  sprechend,  auf.  Der  Capitano  erkennt  sie  natür- 
lich  sofort,  sie  aber  will  ihn  nie  gesehen  haben.  Arsenio  als 
Lelio,  gleichfalls  Spanisch  sprechend,  kömmt  ihr  (11.)  zu  Hilfe. 
Den  Akt  schliesst  (12.)  Poleone,  der  seine  geliehenen  Kleider 
zurückverlangt. 

V.  Akt.  (1.)  Helionora,  Callifrones  Frau,  ist  von  Bar- 
celona in  Neapel  angekommen.  Sie  sucht  nun  ihren  Gatten,  der 
ihr  schrieb:  „che  habitaua  alla  strada  Toledo  uicino  alla  Caritä." 
Die  folgenden  Szenen  sind  genau  dem  Epidikus  ent- 
nommen. Helionora  spielt  die  Rolle  der  Philippa, 
Callifrone  jene  des  Periphanes.  (2.)  Callifrone  findet 
Helionoras  Züge  bekannt,  Helionora  jene  des  Callifrone. 
Doch  aber  zweifeln  beide  wieder. 

Cal.  Mi  par  troppo  vecchia,  non  e  mia  moglie,  nö. 

Hei.  Mi  par  troppo  ricaduto  di  etä,  troppo  vecchio. 

Cal.  Non  e  dessa,  certo  nö. 

Hei.  Nö  nö,  non  e  desso  nö. 

Dennoch  aber  erkennen  sie  sich,  und  Helionora  erzählt 
nun,  sie  habe  Lelio  und  seine  Frau  Eufragia  im  Hafen  zu- 
rückgelassen, da  sie  von  der  Seereise  angegriffen  seien.  Dies 
begreift  Callifrone  nicht,  da  ja  beide  bereits  heute  früh  bei 
ihm  ankamen.  Er  ruft  nach  Eufragia.  Filesia  und  Trappola 
treten  auf.  (3.)  Helionora  vermag  nun  in  Filesia  natürlich 
Eufragia  nicht  zu  erkennen.  Doch  erweichen  Filesias  Thränen 
Helionora,  und  nach  längerem  Forschen  findet  sie  in  ihr  die 
verlorne  Tochter  Donna  Elvira.  Helionora  will  nun  auch 
Arsenio  begrüssen:  da  erfährt  er  von  Helionora,  dass  das 
Schiff,  auf  welchem  er  sich,  der  Schilderung  nach,  befinden 
musste,  untergegangen  sei.  Callifrones  heftigen  Schmerz  er- 
höht Trappolas  Bericht.  Mit  den  Worten  des  Curculio 
(V.  280): 


Portas  La  Carbouaria.  713 

Date  uiam  mihi,  noti  ignoti,  dum  ego  hie  officium  meum 
Facio:  fugite  omnes,  abite  et  de  uia  secedite 

n.  s.  w.,  tritt  Trapp ola  auf.  „Scostateui,  o  huomini,  lasciatemi 
correre,  non  mi  impedite  la  strada."  Er  berichtet,  dass  Arsenios 
Leiche  vom  Meere  ausgeworfen  worden  sei.  Callifrone  macht 
sich  bittere  Vorwürfe,  gegen  seinen  Willen  seinen  Sohn  abge- 
schickt zu  haben.  Nun  ist  Trapp  ola  s  Stunde  gekommen.  Nach- 
dem er  dem  Alten  Vorwürfe  aller  Art  gemacht  hat,  fragt  er  ihn, 
ob  er  wohl  dreihundert  Scudi  um  das  Leben  seines  Sohnes  zahlen 
wollte.  Da  er  alles  gerne  verspricht,  erfährt  er,  dass  Arsenio 
der  vermeintliche  Lelio  sei,  und  dass  seine  List  allein  El  vir  a 
aus  den  Händen  des  Capitano  gerettet  habe.  Trappola  er- 
hält die  Freiheit.      Das  Stück  endet  zu  allgemeiner  Freude. 

Man  sieht,  dass  die  Trappolaria  aus  einer  Reihe 
plautinischer  Stücke,  zum  Teil  mit  wörtlicher  Be- 
lassung des  Textes,   zusammengesetzt  ist. 

Vielfache  Ähnlichkeit  mit  diesem  Stücke  hat  auch  das  Lust- 
spiel Olimpia  desselben  Verfassers  (S.  521);  noch  mehr  ist  auf 
demselben  die  Komödie  „La  Carbonaria £i  *)  desselben  Dichters 
aufgebaut. 

Wie  Caludorus,  ist  Pirino  in  ein  Mädchen,  Melitea, 
verliebt,  das  in  den  Händen  des  Kupplers  Mango ne  ist.  Wie 
Caludorus  wird  er  durch  einen  glühenden  Brief  der  Geliebten 
in  Kenntnis  gesetzt,  dass  Mango  ne  sie  um  fünfhundert  Dukaten 
an  den  ,,dottore"  verkauft  habe.  Pirino  ist  trostlos,  und  sein 
Diener  Forca  spielt  in  allen  Stücken  bisweilen  fast  mit  den 
Worten  des  Originales  die  Rolle  des  helfenden  Pseudolus.  Wie 
im  römischen  Stücke  sind  der  Kuppler  und  der  dottore  vor  den 
beabsichtigten  Ränken  F  o  r  c  a  s  wohl  auf  der  Hut ,  und  auch 
Filigenio,  der  Vater  Pirinos,  weiss,  wie  Simo,  dass  sein 
Sohn  fünfhundert  Dukaten  um  jeden  Preis  erwerben  will,  um 
Melitea  loszukaufen.  Ja  Forca  teilt  ihm  mit  der  Offenheit 
seines  Vorbildes  Pseudolus  den  gefassten  Plan,  ihn  zu  bestehlen, 
mit  (I,   5). 

Filig.     Doue  pensaua  hauergli? 

Forc.     Rubargli  a  voi,  conic  meglio  poträ. 

Filig.     .  .  .  Come  volete  ruliarmi,  se  stö  iuceruello,  e  mi  guardo  piü  di 

,  voi,  che  di  tutti  i  ladri  del  mondo? 
Forc.     E  deliberato  scassar  lo  scrittorio,  se  non  lo  puö  aprir  co  '1  li'ri- 
maldello. 


')  La  |  Carbonaria  |  Comedia  |  Dell'  Illustre  |  Sig.  Gio.  Battista] 
Della  Porta  |  Napolitano.  |  Nouameute  data  in  luce.  |  Con  Privilegio  |  & 
licenza  de'  Superiori.  |  In  Venetia  1628.  |  Presso  Gio.  Battista  Combi. 
(143  pagg.) 


714  XV.   Poenulus. 

u.  s.  w.  —  Die  Intrigue  selbst  ist  anders,  als  im  Pseu- 
dolus.  Pirino  färbt  sich  als  Mohrensklave,  lässt  sich  von  dem 
verkleideten  Parasiten  Panfago  an  den  Kuppler  verkaufen,  kleidet 
Melitea  mit  seinem  Gewände  und  lässt  sie  als  Sklaven  von 
seinem  Vater  kaufen,  sodass  sie  in  sein  Haus  kömmt.  Dieses 
Motiv  ist  dem  Epidikus  entnommen,  auf  den  auch  im 
Folgenden  manches  hinweist.  Melitea  stellt  sich  zum 
Schlüsse  als  die  Tochter  des  dottore  Carisio  heraus,  der  sie 
als  Frau  hat  kaufen  wollen,  wobei  Isocho  beinahe  die  Rolle 
der  Philippa  des  Epidikus  spielt,  insofern  er  gewissermassen 
Melitea  seine  Tochter  nennen  kann.  Seine  verstorbene  Frau 
war  nämlich  Meliteas  Amme  gewesen  und  mit  dem  dreijährigen 
Kinde  aus  dem  Hause  des  Doktors  Carisio  entflohen,  als  dieser 
nach  dem  Tode  seiner  Gattin '  ihrer  Unschuld  nachstellte.  Sie 
gab  Melitea  als  ihr  Kind  aus  erster  Ehe  aus  und  gestand  ihrem 
Manne  Isocho   erst  auf  dem  Totenbette  die  volle  Wahrheit. 

Auch  der  Parasit,  der,  um  ein  Mahl  betrogen,  zur  feind- 
lichen Partei  aus  Rache  übergeht,  ist  plautinisch  und  den  Me- 
nächmen  entnommen.  Die  Drohung  des  Panfago,  der  sich 
um  sein  Essen  gekommen  sieht:  ,,m'  hauete  honorato  per  beffami, 
nia  farö  che  la  beffe  torni  sopra  voi,  il  eibo  che  hauete  diuorato 
senza  me  farö  che  mal  pro  vi  facci"  (IV,  1),  ist  nichts  anderes, 
als   des  Peniculus  Worte: 

Omnes  in  te  istaec  reeident  contumeliae. 

Faxo  haud  inultus  prandium  comedereis. 
(Men.  7.  520.) 

Eine  italienische  Übersetzung  des  Pseudolus  aus  dem 
Jahre   1756   (Florenz)   stammt  von  Giuseppe  Torelli.1) 


XV.   Poenulus.2) 


Der  Pönulus  des  Plautus,  „in  Erfindung  und  Anlage 
nicht  ohne  Mängel, "  3)  leidet  vor  allem  an  Einheit  der  Handlung. 
Teuffei  sagt:4)  „Beim  Pönulus  läge  die  Annahme  einer  Konta- 
mination ziemlich  nahe,  wenn  dadurch  etwas  gewonnen  wäre. 
Denn  die  zweierlei  Intriguen  zum  Zwecke  der  Befreiung  der 
Adelphasium,     die    völlig    unvermittelt    und    zusammenhangslos 


')  Sulzer,  a.  a.  0.     m,  705. 

2)  Hier  zitiert  nach  der  Ausg.  von  C.  E.  Geppert.     (Berl.  1864.) 

3)  Teuffei,  G.  d.  r.  L.,  S.  151. 

4)  Studien,  S.  274. 


Charakteristik  desselben.  715 

neben  einander  herlaufen,  und  von  denen  eine  die  andere  über- 
flüssig macht,  könnten  auf  ursprüngliches  Auseinanderliegen  der 
beiden  Teile  hinweisen  ....  Aber  die  Erfindung  und  Anlage 
des  Stückes  ist  so  durch  und  durch  mangelhaft,  dass  jene  beiden 
Eigentümlichkeiten  wohl  passender  aus  dieser  allgemeinen  Mangel- 
haftigkeit  abgeleitet  werden." 

Der  Prolog1)  holt  weit  aus,  bringt  uns  aber  einige  sehr  inter- 
essante Mitteilungen  über  die  Theatergebräuche  bei  den  Römern. 

Zwei  reiche  Karthager  waren  Geschwisterkinder;  der  eine 
ist  tot,  der  andere  aber  noch  am  Leben.  Der  Verstorbene  hatte 
einen  Sohn,  der  ihm,  als  er  kaum  sieben  Jahre  zählte,  geraubt 
wurde.  Der  Kummer  brachte  ihn  bald  unter  die  Erde,  nachdem 
er  seinem  Vetter  sein  Vermögen  vererbt  hatte.  Der  Vetter  selber 
besass  zwei  Mädchen  von  vier  und  fünf  Jahren,  welche  beide 
gleichfalls  ihm,  samt  ihrer  Amme,  geraubt  und  an  einen  Kuppler 
Lycus  in  Kalydon  (Ätolien)  verkauft  wurden.  In  dieselbe  Stadt 
hatte  der  Räuber  des  Knaben  seine  Beute  gebracht  und  das 
Kind  an  einen  reichen,  alten  Herren  verkauft,  der  es  an  Kindes- 
statt annahm  und  zu  seinem  Erben  einsetzte.  Der  Knabe  — 
Agorastocles  —  ist  zum  Jüngling  herangewachsen  und  in  das 
ältere  der  beiden  Mädchen  ■ —  Adelphasium  —  verliebt.  Der 
Vater  ist  nun  eben  in  die  Stadt  gekommen,  um  auch  hier  seine 
Tochter  zu  suchen. 

Den  ersten  Akt  leitet  ein  Gespräch  des  Agorastocles 
mit  seinem  Sklaven  Milphio  ein.  Die  Liebe  verzehrt  ihn.  Da 
macht  ihm  der  Sklave  einen  Vorschlag,  um  in  den  Besitz  der 
Geliebten  zu  gelangen.  Der  Kuppler  Lycus  kennt  den  Ver- 
walter Collybiscus  (F.  168),  einen  Sklaven  des  Agorastocles, 
nicht.  Diesem  soll  Agorastocles  dreihundert  Philipper  geben; 
als  fremder  Reisender  soll  er  zu  Lycus  kommen,  um  dort  ein 
Mädchen  zu  verlangen.  Alsdann  soll  Agorastocles  nach  seinem 
Sklaven  verlangen,  wobei  Lycus  als  doppelter  Dieb  überrascht 
werden  wird,  da  er  den  Sklaven  und  das  Geld  in  seiner  Hand 
habe.      „Ita  decipiemus  fouea  lenonem  Lycum"   (V.  ,185). 

Adelphasium  und  ihre  jüngere  Schwester  Anterastilis 
treten  auf.  Sie  begeben  sich  geschmückt  zu  den  Aphrodisia. 
Agorastocles  begrüsst  sie;  nach  kurzem,  neckischem  Gespräche 
geht  sie  ihres  Weges,  worauf  sich  Agorastocles  Leute  holt, 
welche  ihm  als  Zeugen  gegen  den  Kuppler  dienen  sollen  (T.  439). 

Im  zweiten2)  Akte  tritt  Lycus,  der  Kuppler,  auf.  Zu 
ihm  gesellt  sich   der   Soldat  Anthemonides,    die  übliche  prahle- 


')  Siehe   0.  Benndorf  in  der  Zeitschrift   f.  d.  öster.  Gym.  XXVI, 
83.  —  .1.  Sommerbrodt  im  Rhein.  Mus.  XXXI,  129. 
2)  Nach  Rapps  Einteilung  (die  pl.  L.),  S.  1112. 


716  XV.  Poenulus. 

rische   Figur,    der   sechzigtausend   Mann    an   einem   Tage    getötet, 
hat  (7.  464): 

Quom  sexaginta  millia  hominum  uno  die 
Yolaticorum  manibus  oeeidi  meis. 

Er  will,   wie  uns  der  Prolog  sagte,   (F.    102): 

Illam  minorem  in  coneubmatum  sibi 

Volt  emere  miles  quidam,  qui  illam  deperit, 

die  jüngere  Schwester  kaufen.     Agorastocles  kömmt  mit  Zeugen 
(„advocati"),  einer  Bande,  die  Milphio  trefflich  schildert  (F.  573): 

Tot  quidem 
Non  potuisti  adducere  homines  magis  ad  hanc  rem  idoneos. 
Nam  istorunc  nullus  nefastust:  comitiales  sunt  meri. 
Ibi  habitant:  ibi  eos  conspicias  quam  praetorem  saepius. 
Hodie  iuris  coctiores  non  sunt,  qui  lites  creant, 
Quam  hi  sunt,  qui  si  nil  est.  quicum  litigent,  lites  emuut. 

Ihre  Aufgabe  ist  es,  den  vilicus  Collybiscus  erst  als 
Ausländer  in  des  Kupplers  Haus  zu  empfehlen  und  Zeugen  zu 
sein,  wie  dieser  dreihundert  Philipper  von  ihm  empfängt,  um 
dann  vor  dem  Prätor  zu  erklären,  dass  Lycus  dem  Sklaven  des 
Agorastocles  in  seinem  Hause  Zutritt  gewährte,  hinterher  jedoch 
es  leugnete.  Alsbald  kömmt  Collybiscus  fremdartig,  als  freier 
Spartaner,  gekleidet.  Freudig  nimmt  ihn  der  Kuppler,  dem  die 
Opfer  eben  Ungünstiges  vorbedeutet  hatten,  auf:  sofort  aber  naht 
Agorastocles  und  fordert  seinen  Sklaven.  Die  Zeugen  be- 
stätigen die  Schuld  des  Kupplers,  worauf  dieser  geängstigt  ent- 
flieht. Diese  Szenen  haben  viel  Komisches,  allein  mit  allem  Rechte 
bemerkt  Teuf  fei, J)  dass  diese  Intrigue  „von  einer  Verworrenheit 
der  Rechtsbegriffe,  die  an  einem  Römer  unbegreiflich  ist",  zeuge. 
,.Als  ob  Aneignen  einer  Sache,  wenn  man  nicht  nur  nicht  weiss, 
dass  sie  fremdes  Eigentum  ist,  sondern,  von  der  man  sogar  das 
Gegenteil  zu  glauben,  zureichende  Gründe  hat,  irgendwo  Diebstahl 
genannt  würde!" 

Milphio  naht,  um  zu  sehen,  wie  sich  alles  entwickelt 
(F.  807): 

Expecto,  quo  pacto  meae  tecinae  processurae  sient. 

Da  kömmt  Syncerastus,  der  Diener  des  Kupplers.  Es 
folgt  eine  Szene,  die  uns,  wie  Rapp2)  sagt,  die  Sitten  des  Sklaven- 
standes mit  einer  Wahrheit  zeichnet,  „wie  ich  mich  keiner  ähn- 
lichen  bei  Plautus  und  Terenz   erinnere."     Syncerastus,    voll 


')  Studien,  S.  274. 
2)  Die  pl.  L.,  S.  11U. 


Charakteristik  desselben.  717 

Hass  gegen  seinen  Herrn,  teilt  Milphio  mit,  dass  Adelphasium 
sowohl,  als  ihre  Schwester  freigeborne  Mädchen  ans  Karthago 
seien,  eine  Botschaft,  die  Milphio  natürlich  jubelnd  seinem  Herrn 
hinterbringt  (7.  907  ff.). 

Im  dritten  Akte  tritt  Hanno  mit  einem  pimischen1)  Mono- 
loge auf.  Agorastocles  und  Milphio  nahen  im  Gespräche. 
Sie  werden  den  Punier  gewahr,  und  die  Versicherung  des  Milphio, 
dass  er  Phönizisch  verstehe  —  er  weiss  die  Worte  avo  und 
rufen,  dennoch  aber  „Nullus  me  est  hodie  Punus  Punior"  (7.  981) 
—  führt  eine  äusserst  komische  Szene  herbei,  da  Milphio  seinem 
Herrn  alles  falsch  interpretiert,  Hanno  aber  ganz  gut  Römisch, 
und  somit  auch  Milphio s  Lügen,  versteht.  Der  Punier  fragt 
nach  seinem  Gastfreunde  und  dem  jungen  Agorastocles.  So  ist 
die  Erkennungsszene  eingeleitet,  die  ein  Biss,  den  Agorastocles 
von   einem  Affen  in  der  Jugend  erhalten  hatte,   fördert  (7   1061): 

Signum  esse  oportet  in  manu  laeva  tibi, 
Ludenti  puero  quod  memordit  simia. 

Agorastocles  erkennt  seinen  Oheim  und  will  durch  ihn 
seine  Geliebte  frei  machen.  Da  kömmt  die  alte  Amme  Gidde- 
neme,  die  Hanno  als  ihren  Herrn,  den  Hanno  Carthaginiensis 
(7.  1111),  „mearum  alumnarum  pater",  begrüsst.  Alsbald  er- 
scheinen auch  die  beiden  Mädchen,  und  es  folgt  die  Erkenungs- 
szene,  von  der  Rapp2)  sagt:  sie  „ist  meines  Erachtens  über  alles 
Lob  erhaben,  schöner,  als  ich  etwas  im  Plautus  kenne,  dem 
Dichter  des  ersten  Akts  gewiss  angehörig,  überhaupt  nur  modernen 
Dichtern,  wie  Shakespeare,  zu  vergleichen".  Agorastocles 
erhält  seine  Geliebte  zur  Frau.  Nochmal  tritt  der  Kuppler  auf. 
Man  verfährt  glimpflich  mit  ihm.  Er  zahlt  dreihundert  Philipper 
und  bleibt  die  Nacht  über  im  Blocke  (7    1348): 

Tantisper  quideni 
Vt  sis  apud  me  lignea  in  custodia. 

Alle  jubeln:  ,,Malum  postremo  hoc  omne  ad  lenonem  redit'f 
(7   1353). 


')  Vgl  J.  J.  Bell  ermann,  Versuch  einer  Erklärung  der  pimischen 
Stellen  im  Poenulus  des  Plautus.  3.  Prog.  (Berlin  1806—1808);  E.  Linde- 
mann (Schneeberg  1833.  1837);  Wex  (Schweriu  1838).  —  F.  C.  Movers, 
Die  pimischen  Texte  im  Poenulus  des  Plautus  kritisch  gewürdigt  und 
erklärt  (Breslau  1845).  —  Wex  im  Rhein.  Mus  II,  130.  IX,  312.  XII,  627. 
J.  Hitzig,  Rhein.  Mus.  X,  77.  —  Ewald  in  Lassens  Ztschr.  f.  d.  Kunde 
des  Morgenlandes,  IV,  400  (1842).  — J.  Derenbourg,  Journ.  asiat,  (1869)84. 
—  A.  M.  Malmström,  de  punicis  plaut.  Lund.  1871.  —  G  Hennen,  de 
Hannonis  in  Poenulo  Plaut,  precationis,  quae  fertur  recens.  altera  punica. 
Marburg  1883.. 

-)  A.  a.  O.,  1117. 


718  XV.   Poenulus. 

Von  der  letzten  Szene  liegt  auch  noch  eine  andere  Re- 
daktion  vor.1) 

Die  Figuren  des  Stückes  sind  die  üblichen.  Dem  liebes- 
kranken Jüngling-  (,,adamans  per  amorem"  V.  138),  der  selber  sagt: 
amo  immodeste"  (F  152);  „differor  cupidine  eius"  (F  155),  steht 
an  Milphio  der  Sklave  zur  Seite,  der  „sapienter,  docte  et  cor- 
date  et  cate"  (F   129)  handelt,   und  die  keusche  Geliebte  (F.  99): 

Neque  quiequam  cum  ea  fecit  etiainnum  stupri. 

Der  Kuppler  steht  auch  hier  als  der  meineidige,  schmutzige  Schurke, 
der  IvKog    (F.    639  u.   öfter),   ohne  Rücksicht  da. 

Der  fremde  Dialekt  Hannos  soll  (vergl.  109)  andere 
Lustspieldichter  zur  Einführung  von  Ausländern  veran- 
lasst haben.  Sonst  aber  sind  Nachahmungen  des  Poenulus  nicht 
beliebt,  obwohl  es  an  Aufführungen  desselben  nicht  fehlte.  Im 
Februar  1499  wurde  Trinummus  und  Poenulus  und  der  Eu- 
n u eh us  des  Terenz  in  Ferrara  nach  dem  Berichte  des  Bembo 
in   einem  Briefe  an  Angiolo   Gabbrielli  aufgeführt.2) 

Aus  dem  Jahre  1520  stammt:  ,,11  Penolo",  Commedia  antica 
di  Plaut o  nella  commune  lingua  in  prosa  tradotta.  In  Vinegia 
presso  il  Zoppino;  aus  dem  Jahre  1526  eine  weitere  Ausgabe 
aus  Venedig  (per  Nicolö  d'  Aristotile  detto  Zoppino),  der  Neu- 
auflagen   1530  und   1532   folgten.3) 

Dass  in  der  Cassaria  des  Ariosto  sich  der  Kuppler  auf 
ebenso  unjuristische  Anklagen  hin  einschüchtern,  zur  Flucht  treiben 
und  bestrafen  lässt,  und  dass  diese  Idee  Ariosto  höchst  wahr- 
scheinlich dem  Poenulus  entnahm,4)  ist  bereits  (S.  482)  bei  der 
„Mostellaria"  besprochen  worden,  mit  welcher  man  das  Stück 
meist  in  Zusammenbaus:  brinfft. 


')  Th.  Hasper.  „De  Poenuli  duplici  exitu.  Lips.  1868."  —  GL  Götz, 
Acta  Lips.  VI,  253.  3*26.  —  C.  M.  Francken,  De  Poenuli  compositione. 
Mnemos.  (1876).    IV,  146.  —  Ritschi,  Parerg.  601. 

2)  Fam.  epist.  18  cal.  mart.  1499.  „Tres  fabulae  aetae  sunt  per 
hos  dies;  Plautinae  duae:  Trinummus  et  Poenulus,  et  una  Terentii: 
Eunuchus." 

3)  Argelati.  m,  236.  IV.  359.  —  Alläcci,  250. 
<)  Klein.  IV,  307. 


Persa.  719 


XVI.   Persa.1) 


Das  Lustspiel  „Persa"  (der  Perser  oder  die  Perserin),2) 
„ein  Bedientenstück  von  einfacher  Erfindung1,  doch  teilweise  sehr 
lebendiger  Ausführung" , 3)  wird  fast  durchgängig  von  Sklaven 
gespielt.  Es  ist  für  den  stellenweise  sehr  breit  gehaltenen  Dialog 
wenig  Handlung  in  dem   Stücke. 

Toxilus,  der  Sklave  des  Timarchides,  hat  in  Abwesen- 
heit seines  Herrn  das  Regiment  des  Hauses  erhalten  und  spielt, 
ob  er  auch  wohlwollend  und  ohne  Übergriffe  bleibt,  doch  in 
einigen  Stücken  den  Herrn,  „  stabulum  seruitutium '•  (F.  418), 
wie  ihn  Dordalus  nennt.  Er  braucht  nun  Geld,  um  seine  Ge- 
liebte Lemniselenis  dem  Sklavenhändler  abzukaufen.  Seinem 
Freunde,  dem  Sklaven  Sagaristio,  teilt  er  in  der  ersten  Szene 
des  ersten  Aktes  sein  Anliegen  mit  und  bittet  ihn  dringend,  ihm 
das  Geld  zu  verschaffen,  was  Sagaristio  auch  verspricht.  In 
der  nächsten  Szene  tritt,  in  der  herkömmlichen  Weise  gezeichnet, 
der  Parasit  Saturio  auf;  ihn  begrüsst  Toxilus  und  macht  ihm 
den  Vorschlag,  er  möge  ihm  seine  Tochter,  die  Virgo  (Rapp 
und  Binder  heissen  sie  Lais),  überlassen.  Ein  Fremder  soll  sie 
an  den  Kuppler  Dordalus,  der  erst  seit  sechs  Monaten  von 
Megara  hierher  gereist  ist  (F.  137).  als  Perserin  verkaufen. 
Ist.  dann  der  Kauf  vollzogen  und  das  Geld  in  den  Händen  des 
Toxilus,  dann  mag  Saturio  seine  Tochter  als  freigeboren 
zurückverlangen   (V.    162): 

nam  ubi  ego  argentum  aeeepero, 
Continuo  tu  illam  a  lenone  adserito  manu. 

Den  zweiten  Akt  leiten  Lemniselenis  und  ihre  Dienerin 
Sophoclidisca,  die  auf  den  Wein  vor  allem  andern  versehen 
sind,  ein.  Letztere  erhält  einen  Auftrag  an  Toxilus.  Als  sie  ihn 
eben  vollziehen  will,  naht  der  Bursche  des  Toxilus,  Paegnium, 
was  zu  einer  witzigen  Szene  zwischen  den  beiden  führt.  Die 
Alte  kömmt   dem  Burschen  etwas  lüstern  entgegen. 

Unterdessen  hat  Sagaristio  Geld  herbeigeschafft.  Sein  Herr 
hatte  ihn  nach  Eretria  gesandt,  um  Ochsen  einzuhandeln;  die  dazu 
bestimmte  Summe  will  er  nun  seinem  Freunde  Toxilus   zur  Ver- 


*)  Hier  zitiert  nach  der  Ausg.  von  Fr.  Ritschi.  (Elberfeldae 
1853.)  —  Übersetzt  von  Rost  (Der  Perser)  1823  (Progr.  42  S.). 

2)  Nach  Lessing  (Beitr.  50)  die  Perserin.  „Sie  hatte  sich  müssen 
für  eine  Persianerin  ausgeben,  welcher  Umstand  dann  dem  Stücke 
seine  Benennung  ertheilt  hat."  S.  Rapp.  1488.  —  Sommer.  II,  103. 
„Le  Persan." 

3)  Teuf  fei  (G.  d.  r.  L.),  S.  151. 


720  XVI.   Pcrsa. 

fügung  stellen.  Pägnium  kömmt  eben  dazu  und  reizt  ihn,  wie 
vordem  Sophoclidisca,  mit  spitzigen  Worten.  Toxilns  erscheint 
und  erhält  von  Sagaristio  den  Beutel  mit  dem  vollen  Inhalte. 
In  der  ersten  Szene  des  dritten  Aktes  führt  Saturio 
seine  Tochter  ein.  Sie  ist  zu  dem  verabredeten  Seheinverkauf 
ungern   bereit   und  widerrät   seinem  Plane   (V.   382): 

Necessitate  me,  mala  ut  fiam,  faois. 

Dordalus  und  Toxilus  unterhandeln  wegen  Lemniselenis; 
der  leno  geht,  um  das  Mädchen  zu  holen.  Sagaristio  über- 
bringt die  Tochter  des  Saturio;  beide  sind  in  persischer  Tracht. 
Sie  warten  den  Augenblick  ab,  wo  nach  Verabredung  Dordalus 
und  Toxilus  im  Zwiegespräche  des  Weges  kommen. 

Im  vierten  Akte  erscheint  Dordalus;  zu  ihm  tritt  To- 
xilus,  der  ihn  bereits  erwartet  (F.   480): 

Hunc  hominem  ego  hodie  in  trasennam  doctis  inducam  dolis: 
Itaque  huic  insidiae  paratae  sunt  probe. 

Er  sagt  ihm  gesprächsweise,  er  habe  eine  Neuigkeit  für  ihn,  und 
lässt  ihm  nun  einen  gefälschten  Brief  seines  Herrn  Timarchides 
(7.  501 — 527)  lesen,  des  Inhalts,  dass  die  Perser  jüngst  Chryso- 
polis  in  Arabien  eingenommmen  hätten  (  V.  507 : ,, Plenum  bonarum  re- 
rum  atque  antiquom  oppidum"),  wobei  es  reiche  Beute  absetzte.  Der 
Überbringer  des  Briefes  sei  sein  persischer  Gastfreund,  den  er  gut 
aufgenommen  wissen  wolle;  er  bringe  eine  feine  Sklavin,  (V.  521): 

Forma  expetunda  liberalem  mulierem, 
Furtiuam  abductam  ex  Arabia  penitissuma, 

mit  sich;  Toxilus  möge  ihm  zum  Verkaufe  derselben  nach 
Kräften  behilflich  sein.  Alsbald  zeigen  sich  Sagaristio  und  die 
Jungfrau  verkleidet.  Die  letztere  spricht  in  sehr  gewählter 
Weise  (,,uerba  quidem  haut  indocte  fecit"  F.  563).  Dordalus 
bekömmt  Lust,  sie  zu  kaufen.  Toxilus  tlvut  das  Seinige,  den  Kauf 
zu  vermitteln,  dessen  Vollzug  ihm  auch  gelingt.  Sum  Schlüsse 
fragt  Dordalus  den  Perser  noch  um  seinen  Namen,  der  sich 
auch  legitimiert  als  (F.   702): 

Vaniloquidorus  Virginesuendonides 
Nugipalamloquides  Argentumexterebronides 
Tedigniloquides  Nummosexpalponides 
Quodsemelarripides  Numquampostreddonides. ') 


')  Bei  Rapp  (S.  1563): 

Larifaridorus,  Jungfernverkaufonides, 
Blaudunstimachides,  Geldabzapfidonides, 
Dichreclrtanführides,  Wasduzahlsteinsteckides, 
Wasausdonhändenduniemalswiederbekommides. 


Charakteristik  derselben.  721 

Der  Name  ist  lang;  aber  (7.    707): 

Ita  sunt  Persarum  mores:  longa  nomina 
Contortiplicata  habemus. 

Da  Sagaristio  fort  ist,  freut  sich  Dordalus  des  glück- 
lichen Handels.  Saturio  aber  schickt  sich  bereits  an,  seine 
Tochter  zurückzuholen. 

Im  fünften  Akte  ist  Dordalus  noch  seines  Geschäftes  froh, 
da  kömmt  Saturio  und  fordert  ihn  vor  Gericht.  Toxilus  hat 
mittlerweile  mit  Dordalus'  Geld  seinen  Freund  Sagaristio  be- 
zahlt und  feiert  nun  mit  diesem  und  seiner  Geliebten  ein  Gast- 
mahl. Dem  Kuppler  ist  von  gerichtswegen  das  Mädchen  abge- 
sprochen worden.  Man  zieht  ihn  zum  Gelage,  wobei  er  bereits 
ahnt,  dass  Sagaristio  der  Pseudoperser  war,  der  ihn  prellte. 
(7.  829:  ,,tu  Persa  's,  qui  nie  usque  admutilauisti  ad  cutem".)  Er 
wird  von  der  Gesellschaft  geprügelt  und  beohrfeigt  (7.  846). 
„Age  sultis  hunc  ludihcemus, ;<  fordert  (7.  833)  Toxilus  die  Ge- 
sellschaft auf.  Endlich  bietet  man  dem  leno,  „qui  hie  mercatur 
liberas"  (7.  845),  Versöhnung  an;  jedoch  „Conuenisse  Toxilum 
te  memineris!"  (7.  856.)  Der  Triumphruf  des  Cantors  ist:  „leno 
periit"   (7.   857);    darum  „plaudite"! 

Dadurch  wird,  wie  Binder1)  anmerkt,  „das  Gehässige  des 
offenen  Betrugs,  um  welchen  sich  die  ganze  Handlung  vom  Anfang 
bis  zu  Ende  dreht,  gemildert,  dass  die  öffentliche  Meinung  gegen 
die  wegen  ihrer  Niederträchtigkeit  und  schändlichen  Habsucht 
allgemein  verrufenen  Kuppler  alles  und  jedes   für   erlaubt  hielt." 

Eis  sind  keine  neuen  Gestalten,  die  uns  der  Dichter  hier 
vorführt.  Der  übermütige  Toxilus  spielt  gewandt  die  Rolle,  die 
er  seinem  Herrn  abgelauscht  haben  mag.  Sagaristio,  der  Sklave, 
der  Strafe  und  Prügel  gewohnt  ist  und  mit  Trotz  hinnimmt, 
(7  270): 

nil  iam  mihi  noui 
Offerri  pote,  quin  sim  peritus; 

der  vorlaute  Pägnio  („millus  puero  hoc  peior  esse  hodie 
perhibetur,"  7.  202),  die  weinliebende  Sophoclidisca  (7  170) 
sind  wohlbekannte  Gestalten;  nicht  minder  der  Parasit,  der  den 
„ueterem  atque  antiquom  quaestum  mäiorum"  (7  53)  treibt, 
unter  dessen  Ahnen  keiner  war,  „quin  parasitando  pauerint  ucn- 
tris  suos"  (7  56),  und  den  niemand  kennt,  „nisi  ille  qui  praebet 
cibuin"   (7.   132). 

Das  Lustspiel  Persa  hat  keine  direkten  Nachah- 
mungen   aufzuweisen.      Die    Franzosen    schätzten    es    gering, 


»)  A.  a.  0.,  S.  7. 

46 


722  XVII.   Rudens. 

weil    nur    Sklaven    vorkommen;    Cammerarius    nennt    das    argu- 
mentum   „exile".1) 

Es  fehlt  nicht  an  Lustspielen,  besonders  an  niedrigeren  Possen, 
welche  dieses  sehr  naheliegende  Thema:  „Bedientenherrlich- 
keit  während  der  Abwesenheit  der  Herrschaft"  mehr  oder 
minder  drastisch  verarbeiten.  „Es  ist  das  älteste  Prototyp  für 
manche  moderne  Komposition,  unter  denen  ein  englisches  Stück: 
,High  life  below  stairs'  einen  grossen  Namen  sich  erworben 
hat."2)  Allein  alle  diese  Possenschreiber  haben  selbst- 
redend an  Plautus  nicht  gedacht.  Die  Idee  liegt  gar  zu 
nahe,   um  so  weit  hergeholt  zu  werden. 3) 


XYII.    Rudens.4) 


Der  Rudens  (das  Schiffsseil)  des  Plautus,  „vorzüglicher 
durch  die  heitere  und  witzige  Ausführung  vieler  einzelnen  Szenen, 
als  durch  die  Anlage  des  Ganzen, " 5)  zählt  nicht  zu  den  regel- 
mässigsten  Stücken  des  Dichters;  dennoch  nennt  es  Lessing6) 
„eines  von  den  anmutigsten  Stücken  des  Plautus";  auch  Rapp7) 
urteilt,     „das    Stück    ist   nur    unglücklich,    oder    nachlässig,     ent- 


')  Rapp  (die  pl.  L.).  S.  1487. 

2)  Ebenda,  S.  1487. 

3)  Vergl.  Rapp  a.  a.  0.,  S.  1488.  „Mich  erinnerte  die  Perserin 
und  ihr  Vater  bald  an  Victor  Hugos  Triboulet  mit  seiner  Tochter 
in  dem  Stücke  ,Le  roi  s'aniuse',  bald  an  die  verkleidete  Holländerin 
in  dem  englischen  Stücke  , der  Londoner  verlorne  Sohn',  das  Tieck 
für  ein  Jugendwerk  Shakespeares  hält."  —  Wie  viele  Reminiszenzen 
dieser  Art  könnte  man  wohl  hier  noch  anfügen! 

4)  Ausg.  von  F.  V.  Reiz  (Lpz.  1789);  C.  E.  Chr.  Schneider  (Breslau 
1824);  E.  H.  Bothe  (mit  Pseudolus  und  Truculentus)  (Lpz.  1840); 
C.  E.  Geppert  (Berlin  1846);  L.  E.  Benoist  (Paris  1864).  Hier  ist 
zitiert  nach  Fleckeisen. 

5)  Teuf  fei  (G.  d.  r.  L.),  S.  152. 
8)  Beiträge,  S.  50.  51. 

7)  D.  pl.  L.,  S.  569.  Vgl.  auch  vordem.  „Dieses  Stück  steht,  wie 
die  Captivi,  gewissermassen  isoliert  unter  den  plautinischen  und  hat 
auch  wenig  Verwandtes  im  Altertum  überhaupt.  Der  Dichter  hat  darin 
Töne  angeschlagen,  die  eigentlich  erst  die  moderne  Kunst  in  die  volle 
Harmonie  zu  setzen  bestimmt  war.  Denn  in  einem  und  vielleicht  im 
Hauptpunkt  dieser  Gattung  ist  er  nicht  so  glücklich  gewesen,  wie  neuere, 
namentlich  Shakespeare.  Wenn  er  es  auch  versteht,  reizende  Situationen 
und  imaginative  Motive  durchzuführen,  so  ist  ihm  doch  die  Kunst  nicht 
zu  Gebote,  seine  Mittel  auszusparen  und  den  Stoff  zu  steigern,  und  es 
ist  ihm  damit  das  Unglück  passiert,  dass  er  voruhereiu  zu  sehr  über- 
rascht, zu  interessant  ist,  schon  vor  der  Mitte  des  Stückes  sich  selbst 
erreicht  hat  und  kulminiert,  so  dass  ein  Abfall,  ein  Mangel,  eine  Leere 
sich  vordrängt,  mehr  und  mehr  zunimmt  und  zu  einem  nicht  befriedigen- 


Charakteristik  desselben.  723 

warfen,  hat  aber  recht  schöne,  reizende  Partien."  „Es  sollte 
vielmehr  der  glückliche  Schiffbruch  heissen,"  sagt  L  es  sing.1) 
Der  Titel  verrät  vom  Stücke  nichts;1)  der  seltsame  Name  „rudens" 
ist  nur  aus  der  dritten  Szene  des  vierten  Aktes  entnommen.'2) 
Das  Lustspiel  leitet  ein  Prolog3)  ein,  gesprochen  von 
Arcturus,  dem  weissen  Gestirne  („splendens  Stella  Candida"  F.  3), 
der  vorerst  (F.  1  —  31)  mahnende  Worte  an  die  Zuschauer  richtet. 
Im  Weitern  erfahren  wir,  dass  Diphilos,  von  dem  das  Stück 
stammt  (V.  32),  die  Szene  nach  Cyrenä  (an  die  Nordküste 
Afrikas)  verlegte.  Dort  am  Meeresstrande  lebt  Daemones  in 
unverdientem  Exile  (F.   35): 

Senex  qui  huc  Athenis  exul  uenit,  hau  malus. 
Neque  is  adeo  propter  malitiam  patria  caret, 
Set  dum  alios  seruat,  se  inpediuit  interim. 

Diesem  ward  frühe  seine  Tochter  geraubt  und  dem  Räuber 
von  einem  Kuppler,  der  sie  nach  Cyrenä  brachte,  abgehandelt 
worden.  Ein  Jüngling  aus  Attika  sah  sie,  als  sie  „e  ludo  ndicino" 
(F.  43)  heim  ging,  verliebte  sich  in  dieselbe  und  kaufte  sie  dem 
Kuppler  um  dreissig  Minen  ab.  Bei  dem  Kuppler  war  ein  Gast- 
freund aus  Agrigent,  „urbis  proditor"  (F.  50);  dieser  riet  dem 
leno,  das  von  dem  Jünglinge  bereits  gekaufte  Mädchen  nach 
Sizilien  überzusetzen,  dort  gebe  es  Wüstlinge  genug;  ,,ibi  eum 
potesse  fieri  diuitem"  (F.  55).  Der  Kuppler  lässt  sich  bereden, 
er  rüstet  ein  Schiff  und  meldet  dem  Jünglinge,  er  habe  der 
Venus  ein  Gelübde  zu  lösen  (F.  60),  weshalb  er  den  jungen 
Mann  zum  Tempel  der  Göttin  rief.  Statt  aber  dort  mit  diesem 
zusammenzutreffen ,  segelte  er  mit  dem  Mädchen  heimlich  ab. 
Nun,    sagt  Arcturus,   griff  ich   ein   (F.    67): 

Ego  quoniam  uideo  uirgiuem  asportarier, 
Tetuli  et  [ei]  auxilium  et  lenoni  exitium  semul. 


den  Schlüsse  führt.  Es  ist  der  Anblick  eines  übermütigen  Renners,  der 
über  Kräfte  anläuft,  auf  halber  Bahn  erlahmt  und  um  der  getäuschten 
Erwartung  willen  uns  doppelt  zuwider  ist." 

*)  Teuf  fei,  Studien,  S.  276.  „Vom  Rudens  sollte  man  meinen, 
er  müsse  nach  der  Cis teil aria  und  derVidularia  verfasst  sein;  denn 
es  liegt  auf  der  Hand,  dass  nach  seinem  Inhalte  einer  der  beiden  letztern 
Namen  für  das  Stück  weit  passender  und  natürlicher  gewesen  wäre,  als 
der  wirklich  gewählte,  und  es  kann  für  die  getroffene  Wahl  kaum  ein 
anderer  vernünftiger  Grund  gedacht  werden,  als  der,  dass  die  beiden 
näher  liegeuden  Titel  durch  frühere  Stücke  bereits  vorweg  genommen 
waren.  Nur  aber  ist  mit  dieser  Bemerkung  sehr  wenig  geholfen;  denn 
von  der  Vidularia  haben  wir  nur  magere  Bruchstücke,  und  von  der 
Cistellaria  wissen  wir  wenigstens  die  Abfassuugszeit  nicht"  u.  s.  w. 

2)  V.     938.     Dum  haue  tibi  quam  trahis  rudentem  couplico. 

V.  1031.     Vt  abeas,  nulciiWni  amittas  mihi  molestus  ne  sies. 

3)  R.  Dziatzko  im  Rhein.  Museum.  XXIY.  570.  —  Teuf  fei, 
Studien,  S.  256. 

46* 


724  XVH.   Rudens. 

Er  erregte  einen  entsetzlichen  Sturm;  ,,nam  signtim  Arcturus 
omnium  sinn  acerrumum"  (7.  70).  Das  Mädchen  und  seine  Be- 
gleiterin sprangen,  als  das  Schiff  des  Kupplers  hörst,  in  ein 
Boot  (7.  75);  der  Kuppler  und  sein  Freund  Hieben  auf  einem 
Schiffe  sitzen.  Alsbald  gelangen  die  beiden  Mädchen  zum  Hause 
des  Dämon  es. 

Dieser  mit  Recht  von  Rapp1)  als  „romantisch"  bezeichnete 
Prolog  war  notwendig,  um  uns  in  die  Situation  einzuführen.  Nun 
beginnt  das  Stück. 

Im  ersten  Akte  stehen  wir  vor  des  Dämon  es  Haus. 
Schon  im  Prologe  erfuhren  wir,  dass  die  Dachziegel  vom  Sturme 
heftig  gelitten  haben  (7  78;  85).  Der  Sklave  Sceparnio  ist 
eben  am  Hause  beschäftigt;  „non  uentus  fuit,  uerum  Alcumena 
Euripidi"  (7.  86).  Da  tritt  der  junge  Plesidippus  mit  drei 
Begleitern  auf,  um  den  Kuppler  zu  suchen,  und  eilt  nach  einge- 
zogenen Erkundigungen  wieder  ab.  Palästra,  eben  dem  Meere 
entkommen,  erscheint;  alsbald  Ampelisca;  die  beiden  Mädchen, 
welche  glaubten,  von  einander  getrennt  zu  sein,  sehen  sich  mit 
grosser  Freude  wieder.  Die  Priesterin  der  Venus  tritt  aus  dem 
Tempel  und  nimmt  die  beiden  Schutzflehenden  bei  sich  auf. 

Der  zweite  Akt  beginnt  „recht  opernhaft"2)  mit  einem 
Fischerchor.3)  Er  enthält  eine  vortreffliche  Schilderung  des 
Fischerlebens.  Trachalio,  der  Sklave  des  Plesidippus,  tritt 
auf.      Alles  ist  geschehen,   wie  er  es  voraussagte  (7   325): 

Data  uerba  ero  sunt:  leno  abit  scelestus  exulatum. 
In  nauem  ascendit,  mulieres  auexit:  ariolus  sunt. 

Da  er  eben  zur  Venuspriesterin  will,  kömmt  ihm  Ampelisca 
aus  dem  Tempel  heraus  entgegen.  Von  ihr  erfährt  er  den  Schiff- 
bruch des  Kupplers,  und  dass  ihnen  dieser  ein  Kästchen  ab- 
nahm, das  nun  mit  seinem  Mantelsacke  das  Meer  verschlang,  in 
welchem  Gegenstände  enthalten  waren,  die  auf  die  Spur  von 
Palästras  Eltern  führen  konnten  (7  389).  Es  folgt  nun  eine 
Szene  zwischen  Sceparnio  und  Ampelisca,  welche  im  Auf- 
trage der  Venuspriesterin  am  Brunnen  Wasser  zu  schöpfen  kam, 
eine  Szene,  welche  Rapp4)  als  „die  schönste  Partie  des  Stücks, 
ein  Idyll  für  sich,  mit  so  lebenswarmen  Zügen  gezeichnet,  dass 
das  ganze  Stück  darunter  leidet",  bezeichnet.  Sceparnio  ist 
von  der  „lepida  mulier"  (7  415)  hingerissen  und  schöpft  ihr, 
da  sie  ihn    „mea  uoluptas"  (7  441)  genannt   bat,  "Wasser.    Plötz- 


')  A.  a.  0.,  573. 

2)  Ebenda,  S.  569. 

3)  Teuf  fei,  G.  d.  r.  L.,  S.  23.  (16,  3.) 

4)  S.  570  (8). 


Charakteristik  desselben.  725 

lieh  erblickt  sie  in  der  Ferne  den  Kuppler  und  eilt  von  dannen. 
Seeparnio  kömmt  mit  dem  gefüllten  Eimer  zurück  und  hält 
einen  hübschen  Monolog,  wie  schön  eigentlich  das  Wasserschöpfen 
sei  (7.  458): 

Pro  di  inmortales,  in  aqua  numquam  credidi 
Voluptatem  inesse  tantam:  ut  hanc  traxi  lubens. 
Nimio  minus  altus  puteus  uisust  quam  prius. 
Vt  sine  labore  hanc  extraxi 

u.   s.   w.      Allein  er  findet   seine  Ampelisca  nicht  mehr. 

Der  Kuppler  Labrax  mit  seinem  Gastfreunde  Charmides 
tritt  auf  und  hält  diesem  ernstlich  böse  vor,  dass  er  mit  seinen 
Vorspiegelungen  ihn  aufs  Meer  gelockt  habe.  Am  meisten  be- 
jammert Labrax  den  Verlust  der  beiden  Mädchen.  Seeparnio 
kömmt  vom  Tempel  zurück  und  begreift  nicht,  warum  dort  die 
beiden  Mädchen  das  Bild  der  Venus  umschlungen  halten.  Labrax 
hört  es  und  ist  sofort  überzeugt,  dass  dies  seine  beiden  Mädchen 
sein  müssen.  Sogleich  bricht  er  in  den  Tempel  ein.  ,,Intro 
rumpam  iam  huc  in  Veneris  fanum"  (7  570).  Nach  einiger  Zeit 
folgt  ihm  Charmides. 

Den  dritten  Akt  leitet  Dämones  ein;  er  hatte  einen  Traum. 
Ein  Affe  wollte  zu  einem  Schwalbenneste  emporklimmen,  und  da 
es  ihm  nicht  gelang,  bat  er  Dämones  um  eine  Leiter.  Dieser 
schlug  sie  ihm  ab,  da  wurde  der  Affe  grob  und  rief  ihn  vor 
den  Richter.  Dort  ergriff  er  den  Affen  und  fesselte  die  Bestie. 
Während  dieses  Selbstgespräches  hört  man  Lärm  vom  Venus- 
tempel her.  Trachalio  stürzt  aus  demselben  und  ruft  die  Leute 
von  Cyrenä  herbei,  um  Hilfe  zu  leisten;  zwei  Mädchen  würden 
von  dort  mit  Gewalt  herausgezerrt  und  die  Priesterin  selbst  be- 
leidigt (7  641  ff.).  Dämones  ruft  seine  Knechte;  sie  dringen 
in  den  Tempel  ein,  und  Dämones  folgt  ihnen  selbst.  Palästra 
und  Ampelisca  fliehen  aus  demselben.  Alsbald  schleppen  die 
lorarii  des  Dämones  den  Kuppler  Labrax  herbei.  Er  be- 
hauptet, die  Mädchen  seien  Sklavinnen.  Daemones  jedoch  ver- 
mutet sofort,  er  sei  jener  Affe  aus  seinem  Traumgesichte  und 
lässt  ihn  überwachen.  Plesidippus  und  Trachalio  kommen 
dazu.  Plesidippus  will  ihn  vor  den  Richter  führen,  wohin 
Charmides  ihm   folgt   (7.    890): 

Verum  tarnen  ibo,  ei  aduocatus  ut  siem, 
Si<iui  mea  opera  citius  addici  potest. 

Den  vierten  Akt  beginnt  Daemones,  bis  ihn  seine  Frau, 
welche  bereits  auf  die  beiden  Mädchen  eifersüchtig  wird,  zu 
Tische  ruft.  —  Der  Fischerknecht  Gripus  tritt  auf;  er  hat 
zwar    keine    Fische,    aber    den   Mantelsaek    des  Kupplers    aus  dem 


726  XVII.  Rüdens. 

Meere  gezogen.  Traehalio  sah  ihm  hierbei  zu  und  verfolgt 
nun  seine  weiteren  Schritte.  Er  beginnt  mit  ihm  einen  Streit 
um  den  Besitz  des  Mantelsackes,  einen  Streit  „so  ganz  seerecht- 
licher Natur,  dass  man  sich  in  die  Seele  eines  ewig  prozessieren- 
den Atheners  hineindenken  muss,  um  in  einem  romantisch  einge- 
führten Stück  in  der  Ordnung  zu  finden,  dass  es  zur  Hälfte  und 
mehr  in  wirklichen  Prozessverhandlungen  besteht".1)  Dämones 
kömmt  mit  den  zwei  Mädchen,  Traehalio  verrät  den  Fund  des 
Gripus  und  seinen  Inhalt,  und  so  erkennt  Dämones  in  Palästra 
seine  längst  verlorene  Tochter. 

Den  fünften  Akt  eröffnet  der  glückliche  Vater  Daemones. 
Er  will  seine  Tochter  dem  jungen  Plesidippus  zur  Frau  geben, 
da  er  von  ihrer  Liebe  erfahren  hat.  Nochmal  macht  Gripus 
Versuche  bei  Dämones,  den  aufgefischten  Mantelsack  sich  zu 
erstreiten.  Unterdessen  hat  Traehalio  seinem  Herrn  Plesi- 
dippus berichtet,  was  mit  Palästra  vorging,  und  seine  Freiheit 
erhalten.  Jubelnd  eilt  er  herbei,  nachdem  Labrax  vom  Richter 
Palästra  abgesprochen  wurde.  Labrax  will  nun  Ampelisca 
holen,  um  sie,  „de  bonis  quod  restat  reliquiarum"  (V.  1287),  heim- 
zuführen. 

Gripus  kann  noch  immer  den  ihm  abgenommenen  Mantel- 
sack nicht  verschmerzen.  Labrax  hört  seine  Klagen.  Er  bietet 
ihm  drei-,  vier-,  fünfhundert  u.  s.  w.  Drachmen,  zuletzt  ein 
„talentum  magnum"  (V.  1330),  um  ihn  zurückzuerhalten,  da  er 
allerlei  enthalte  (7.    1318): 

Talentum  argenti  commodum  magnum  inerat  in  crumina, 
Praeterea  sinus,  cantharus,  epiehysis,  gaulus,  cyathus. 

Dies  beschwört  er  bei  der  Venus  Cyrenensis  (1338). 
Daemones  naht;   er   giebt  Labrax    den  Mantelsack   unver- 
sehrt  zurück : 

Omnia  insunt  salua:  una  istinc  cistella  exceptast  modo 
Cum  crepundiis,  quibus  hodie  filiam  inueni  meam. 

(V.  1362).  Infolgedessen  verlangt  Gripus  sein  versprochenes 
Talent.  Labrax  weigert  sich.  Daemones  hält  ihn  zur  Zahlung 
an;   allein  fügt  er  bei  (F.  1384): 

qnod  seruo  meo 
Promisisti,  meum  esse  oportet. 

Auch  hierzu  lässt  sich  Labrax  herbei.  Gripus  wider- 
streitet heftig;  Daemones  aber  löst  die  Sache  anders;  er  nimmt 
das    Talent;    um    die    eine    Hälfte    soll    Gripus,    um    die    andere 


')  Rapp  a.  a.  0.,  570. 


Charakteristik  desselben.  727 

Ampelisca  frei  werden.  Labrax  stimmt  ein.  Gripus  erfahrt 
nichts,  da  Dämon  es  leise  mit  dem  Kuppler  verbandelt.  Erst 
des  Dämones  Einladung-  an  Gripns  und  den  Kuppler  „Vos 
hodie  hie  cenatote  ambo"  (U.  1423)  zeigt  ihm  seine  Freilassung 
(die  „manumissio  per  mensam")   an. 

Die  Handlung  des  Stückes  ist  eine  ziemlich  reichhaltige. 
Auf  Dämones  liegt  ihr  Schwerpunkt.  Seine  ernste  Ruhe  und 
sein  würdiges  Auftreten,  ob  auch  er  der  Liebe  nicht  völlig  un- 
zugänglich (V.  896)  und  seiner  Frau  gegenüber  etwas  furchtsam 
ist  (U.  1046:  „Metuo  propter  uos  mea  uxor  ne  me  extrudat 
aedibus"),   halten  und  lösen  das  Stück  in  befriedigender  Weise. 

Plesidippus,  der „adulescens strenua facie,  rubieundus,  fortis" 
(V.  313),  hat  einen  treuen  Gehilfen  an  seinem  Diener  Trachalio, 
der  alles  für  seinen  Herrn  übernimmt,  und  dessen  Versicherung 
(V.    1271):    „Quod  rogas,    censeo"    sich  überall    als  wahr  erweist. 

Eine  höchst  liebliche  Gestalt  ist  Palästra.  Mit  drei  Jahren 
hat  sie  ihren  Vater  verloren  (V.  744:  „Trima  quae  periit  mi"), 
doch   denkt   sie   stets   ihrer  Eltern   (V.   216): 

Haec  hauscitis,  mei  parentes,  me  nunc  niiserani  ita  esse  nti  sum: 

Sie  wiederzufinden,  ist  ihre  einzige  Hoffnung;  darum  geht  ihr 
das  Kästchen  über  alles  (V.   1144): 

0  mei  parentes,  hie  uos  conclusos  gero! 

Huc  opesque  spesque  uostrum  cognoscendum  coudidi. 

Kindespflicht  ihren  Eltern  gegenüber  üben  zu  dürfen,  wäre 
ihr  höchstes  Verlangen  (V.  190  ff.).  Lieblich  naiv  zeigt  sie  sich 
in  der  Szene,  da  Labrax  ihr  neuerdings  nachstellt.  Unendlich 
viel  Wahres  liegt  in  ihrer  Rede.     Entschlossen  ruft  sie  (V.  684): 

Certumst  moriri  quam  nunc  pati  [grassari]  lenonem  in  me; 

schnell  aber  obsiegt  die  Weiblichkeit  wieder: 

Set  muliebri  animo  sum  tarnen:  miserae  [quom  uenit]  iu  mentem 
Mihi  mortis,  metus  membra  oecupat. 

Ampelisca,  die  „lepida  muher"  (F.  415),  ist  etwas  freier  ge- 
zeichnet. Sie  ist  voll  Lustbarkeit  („mea  hilara,"  F.  420),  und  selbst. 
im  Unglücke  verlässt  sie  der  gute  Humor  nicht.  Sie  nennt  sich 
„aetatem  hau  malam  male"  (F.  337).  Sceparnio  entwirft  in  der 
mehr  genannten  Szene  (II,   3)  ein  reizendes  Bild  von  ihr  (V.  421): 

Veneria  eefigies  haec  quidemst. 
V     in  ocellis  hilaritudost:  heia  corpus  quoius  modi: 
Subuolturiumst,  illut  quidem  ,subaquiliäum'  uolui  dicere. 
Vel  papillae  quoius  modi:  tum  quae  indoles  in  suauiost, 


728  XVII.   Rudens. 

die  selber  sagt  (7.  425): 

Nou  ego  suni  pollucta  pago. 

Der  Kuppler  Labrax,  ,.cum  inraso  capite"  (F.  1303),  ist  als 
solcher  schon  der  Spott  der  Leute  (F.    1284): 

Nam  lenones  ex  gaudio  credo  esse  procreatos: 

Ita  onmes  mortales,  siquid  est  mali  lenoni,  gaudent. 

Das  ScliifT  scheitert,  das  einen  solchen  Schurken  trägt  (F.  505), 
einen  Kuppler,  dessen  Name  alles  Schändliche  in  sich  birgt 
(F.    651): 

Fraudis,  sceleris,  parricidi,  periuri  plenissumus, 

Legirupa,  inpudens,  inpurus,  inuerecundissuraus : 

Vno  uerbo  apsoluam:  lenost:  quid  illuin  porro  praedicem? 

Plesidippus  schildert  ihn  (F.    125): 

Ecquern  tu  hie  hominem  crispum,  incauum  uideris, 
Malum,  periurum,  palpatoreru, 

und  derber  noch  Trachalio  (F.   316): 

Ecquern 
Eecaluom  ac  silonem  senem,  statutum,  uentriosuin, 
Tortis  superciliis,  contraeta  fronte,  i'rauduleutum, 
Deorum  odium  atque  hominum,  malum,  mali  uiti  jjrobrique  pleuum. 

Wie  der  in  jeder  Komödie  meineidige  Kuppler  mit  dem 
Eide  umspringt,  sehen  wir  hier  «ich  vor  unsern  Augen  entwickeln. 
Seinen   Grundsatz   (F.    1355): 

Meus  ai'bitratust,  liugua  quod  iuret  mea. 

führt  er  Gripus  gegenüber  praktisch   durch   (F.    1373): 

Iuratus  sum,  et  nunc  iurabo,  siquid  uoluptatist  mihi: 
Ius  iurandum  rei  seruandae,  non  perdundae  conditumst. 

Der  zweifelhafte  Freund  des  Kupplers,  Charmides,  trägt 
zur  Komik   einzelner  Stellen  wisentlich  bei. 

Sceparnio  ist  trotz  seiner  rauhen  Aussenseite,  und  ob  er 
auch  einem  Manne  gleicht ,  der  Sklaven  zum  Markte  treibt 
(F.  584,  „uenalis  illic  duetitauit,  quisquis  est"),  und  herzlos  scheint 
(,,non  est  misericors, "  F.  585),  doch  ein  ,,peculiosus  seruos  adprobe" 
(F.  112),  und  dass  er,  wenigstens  Ampelisca  gegenüber,  nicht 
gefühllos  ist,   haben  wir  zur  Genüge  gesehen. 

Die  Priesterin  der  Venus  ist  eine  ehrwürdige  Frau  (F.  406, 
..inque    digniorem    censeo   uidisse   anum   nie   quemquam"),    welche, 


.   Dolces  Ruffiano.  729 

obgleich    selbst    dürftig    voll   Mitleid    gegen    andere    ist  (F.   281: 
„Misericordior  nnlla  mest  feminarum. ") 

Hervorragendes  Interesse  bietet  noch  die  Gestalt  des  Gripus. 
Er  trägt  sich  mit  kühnen  Gedanken.1)  Eine  grosse  Stadt  will  er 
bauen,  die  seinen  Namen  tragen  soll  (F  934:  „Oppidum  magnnm 
commoenibo:  ei  ego  nrbi  Gripo  indam  nomen").  Er  berechnet, 
was  alles  ihm  der  Mantelsack  eintragen  wird,  obwohl  der  künftige 
„rex"  jetzt  noch  „aceto  pransurust  et  sale"  (F  937).  Wiewohl 
er  zu  seinem  Herrn  sagt  (F.  1234):  ,.Isto  tu  's  pauper,  quom 
nimis  sancte  pius  's,"  erweist  er  sich  doch  sonst  als  einen  getreuen 
Diener,  der  rührig  für  seinen  Herrn  arbeitet  und  nichts  so  sehr 
verabscheut,   als  die   Trägheit   (F.  922  ff). 


Eine  interessante  Modernisierung  des  Rudens  ist  Lodovico 
Dolces  Komödie   ,,11  Ruffiano".2) 

An  die  Leser  heisst  es:  „La  presente  Comedia,  gia  piaceuole 
inuentione  di  Plavto  o  di  Autore  greco,  da  cui  egli  la  si 
togliesse,  fu  dal  medesimo  intitolata  Rudente  da  quelle  funi,  onde 
sono  sostenuti  le  reti  de  pescatori:  hora  sotto  nome  di  Roffiano, 
dalla  persona  eh'  interuiene,  come  altre  volte  sotto  quelle  di  TA. 
si  rappresenta. "  Der  Prologo  bezeichnet  die  Komödie  als  „fatta 
di  uecchi  panni,  ma  questo  ui  dee  essere  inditio  della  sua  bontä; 
perche  le  cose  uecchie  sono  migliori  che  le  nuoue  .  .  .  Vedrete 
adxtnque  la  nostra  Comedia  uestita  di  habito  antico,  e  ridrizzato 
alla   forma  moderna." 

I.  Akt.  Lorenzino  (Plesidippus)  spricht  von  den  Leiden 
der  Liebe.  Er  ist  begeistert  von  seiner  Lauretta,  welche  der 
Kuppler  mit  sich  fortnahm,  und  die  er  nicht  mehr  auffinden 
kann.  Allein  und  sorgenvoll  irrt  er  an  diesem  Gestade,  da  tritt 
Malpensa  (Sceparnio)  aus  dem  Hause.  Was  für  Sceparnio 
Alkmenes  Sturm  war  (F.  86),  ist  Malpensa  die  Sintflut,  ,.al 
tempo  di  Noe. "  So  war  der  Sturm  dieser  Nacht.  Lorenzino 
schreitet  auf  ihn  zu  und  fragt  ihn:  „Haresti  per  auentura, 
fratellino  da  bene,  ueduto  in  questo  paese  im'  huomo  co  capeli 
rizzi,  col  naso  schiacciato,  con  le  mascella  grandi,  con  due  peluzzi 
in  barba,   con  guatatura   torta,   nero   come  un   carbone?"    dieselbe 


')  Von  SL'ineiuMonolog  sagt  E.  Sommer  („Les  comedies  de  Piaute") 
II,  316:  „L'on  admirera  son  monologue  qui  n'est  pas  sans  analogie  avec 
le  Pot  au  lait  de  notre  la  Fontaine." 

2)  II  Rvffiano,  Comedia  di  M.  Lodovico  Dolce.  tratta  dal  Kudente 
di  Plauto.  Di  nvovo  ricorretta  e  ristampata.  In  Vinegia  appresso 
Gabriel  Giolito  de' Ferrari.  L560  (48  fol.).  Klein.  IV,  828.  —  Nochmal 
einen  Ruffiano  brachte  1638  Lorenzo  Stellato. 


730  XVII.   Rudens. 

Präge,  welche  Plesidippus  (V.  125),  jedoch  an  Dämones, 
stellt.  Hierher,  lautet  Malpensas  Erwiderung,  kommen  nur 
solche,  ,,che  hanno  per  diuenir  santi  a  Roma."  Malpensa  ist, 
gleich  Sceparnio,  eine  ganz  hübsche  Figur;  er  ist  um  keine 
Antwort  verlegen  und  hat  Überrluss  an  witzigen  Worten.  Wenn 
ihm  Lorenzin o  anvertraut,  dass  er  liebe,  und  dass  ihn  die  Liebe 
treibe,  wundert  er  sich.  Warum  treibst  du  nicht  vielmehr  jene? 
„Perche  non  spingete  lui  ancora?"  Lorenzino  erzählt  weiter,  wie 
er  aufs  höchste  gegen  den  Kuppler  erbittert  sei.  Ganz  Chioggia 
habe  er  vergeblich  durchsucht,  um  ihm  auf  die  Spur  zu  kommen, 
nun  wolle  er  auch  noch  die  Kirche  nach  ihm  durchforschen, 
welche  hier  das  fanum  Veneris  {V.    128)  vertritt. 

Isidoro  (Daemones)  tritt  auf  mit  einem  Vergleiche  zwischen 
dem  Alter  und  der  Jugend.  Dann  wendet  er  sich  an  seinen 
Diener  Malpensa,  im  allgemeinen  nach  Plautus  (F.  98  ff.).  Das 
Landhaus  muss  ausgebessert  werden;  ,,ha  piu  occhi  che  non  ha  la 
coda  d'  un  pauone."  (F.  102,  „nunc  perlucet  ea  quam  cribrum 
crebrius.)  Zu  Isidoro  gesellt  sich  sein  Nachbar,  der  alte 
Lucretio,  der  jüngst  erst  hier  eingemietet  hat.  Er  beginnt 
mit  einem  Fluche  auf  die  Ehe  und  die  Weiber  und  erzählt  seine 
Geschichte.  Er  hatte  in  Venedig  ein  reiches  Handelshaus.  Sein 
Sohn  fing  mit  einem  Mädchen  eine  Liebschaft  an,  das  bei  einem 
Kuppler  erzogen  worden  war.  Da  seine  Frau  dies  Verhältnis 
durchaus  nicht  dulden  wollte,  entfloh  vor  einem  Vierteljahre  sein 
Sohn,  und  auch  der  Kuppler  hat  sich  fortgemacht.  Die  Frau 
trifft  alle  Schuld.  Missmutig  brach  der  Alte  auf,  verliess  Venedig 
und  seine  Frau,  mietete  hier  „queste  pepponaie"  in  Chioggia 
und  will  nun  von  allem  nichts  mehr  wissen.  Isidoro  tröstet 
ihn,  sein  Sohn  werde  wieder  kommen;  es  treten  ihm  jedoch 
selber  dabei  die  Thränen  in  die  Augen;  denn  er  gedenkt  seines 
Töchterchens,  seines  einzigen  Kindes,  das  ihm  im  letzten  Kriege 
spurlos  verschwand.  Malpensa  selber  möchte  weinen,  aber  er 
kann  es  nicht,  „auanti  che  io  non  habbia  beuuto:  che  pare  se 
io  non  beuo  che  gli  occhi  miei  siano  asciutti."  Darum  geht  er 
zum  Trinken. 

II.  Akt.  Malpensa  sieht  vom  Dache  des  Hauses  aus  eine 
Barke,  in  welcher  sich  zwei  Mädchen  befinden,  im  grossen 
Ganzen  nach  V.  162  ff.  —  Dem  klagenden  Lorenzino,  der 
auch  in  der  Kirche  seine  Lauretta  nicht  fand,  erzählt  Mal- 
pensa,  was  er  eben  erblickte,  worauf  dieser  nach  dem  Hafen 
eilt.  Indessen  bei  Plautus  Palästra  und  Ampelisca  sich  auf 
einige  Zeit  verlieren  und  erst  auf  der  Bühne  wieder  finden,  treten 
hier  Lauretta  und  Giulia  mit  einander  durchnässt  auf.  Ihre 
einzige  Freude  ist,  dass  der  Kuppler  im  Meere  versank;  doch 
jammert   Lauretta    um    ihren   Lorenzino;    lieber   wollte   sie  von 


Dolces  Ruffiano.  731 

tausend    Wölfen   gefressen,    als    noch    an  einen  andern  Mann   ver- 
geben werden.      Anders  denkt  hierüber  die  heitere  Giulia. 

Crespo,  Lorenzinos  Diener,  verbreitet  sich  über  die  ver- 
schiedenen Arten  von  Herren.  Der  seinige  gehört  zu  denjenigen, 
welche  in  einem  Augenblicke  hundert  Befehle  geben;  ,,come  se 
egli  si  potesse  in  una  uolta  abbaiar,  mordere,  soffiare  e  sorbire." 
So  soll  er  jetzt  Lauretta  suchen,  beim  Schiff  bleiben,  nach  dem 
Kuppler  forschen,  Cbioggia  ausspionieren  u.  s.  w.  Ohne  erst, 
wie  bei  Plautus  (F.  306  —  330),  sich  bei  den  Schiffern  zu  er- 
kundigen, trifft  Crespo  hier  sofort  Lauretta  und  Giulia, 
während  Trachalio  späterhin  nur  auf  Ampelisca  stösst.  Lau- 
retta erzählt,  wie  der  Kuppler  sie  zu  Schiffe  gebracht,  wie  sich 
ein  Sturmwind  erhoben  habe,  xxnd  wie  sie  kaum  sich  retteten. 
Doch  ihr  „catenino  d'oro"  und  ihre  „paternostri  di  ambra,"  sind  mit 
dem  Kästchen,  in  welchem  sie  lagen,  vom  Meere  verschlungen 
worden.  Wertvoll  zwar  waren  sie  nicht,  sonst  hätte  sie  der 
Kuppler  längst  zu  sich  genommen;  aber  auf  die  Spur  ihrer 
Eltern  hätten  sie  führen  können  (F  390).  Die  Mädchen  gehen 
in  die  Kirche,   um  ihre  Kleider  zu  trocknen. 

Eingeschoben  ist  ein  kleiner  Monolog  Lorenzinos 
über  seine  Liebe  zu  Lauretta.  Giulia  klopft  an  Isidoros 
Haus  und  stört  den  eben  einige  Stanzen  vortragenden  Malpensa. 
Sceparnios:  „Quist  qui  nostris  tarn  proterue  foribus  facit  in- 
iuriam"  (F  414)  giebt  zu  weiteren  Witzworten  Veranlassung; 
doch  ist  die  folgende  hübsche  Unterredung  Sceparnios  und 
Ampeliscas  nicht  verwertet.  Malpensa  holt  auf  Giulias  Bitte 
Wasser;  diese  erblickt  zu  ihrem  Entsetzen  den  Kuppler  und  eilt 
ab.  Vor  Malpensas  Monolog  über  die  Süssigkeit  des  Wasser- 
tragens für  Giulia  hat  Dolce  eine  Szene  zwischen  dem  Kuppler 
und  dem  hostiere  gesetzt,  in  welcher  der  Kuppler  dem  letzteren 
bittere  Vorwürfe  macht,  dass  er  ihn  veranlasst  habe,  Venedig 
zu  verlassen;  im  Ganzen  genau  der  Dialog  des  Labrax  und 
Charmides  im  Originale.  —  Malpensa  kömmt  mit  den  Wasser- 
eimern: „Doue  entra  amore,  le  fatiche  sono  piaceri."  Die  Idee 
ist  nach  F  459  —  485,  der  Monolog  jedoch  wesentlich  ge- 
kürzt. Aus  den  wenigen  Worten,  welche  nachher  Malpensa 
mit  den  beiden  Fremden  wechselt,  ersieht  er,  dass  es  sich  um  das 
Mädchen  handle,  welches  ihm  den  Eimer  übergab.  Da  dieser  ins 
Kloster  gehört,   geht  er  gleichfalls  dorthin. 

III.  Akt.  Malpensa  hat  die  Mädchen  bitter  weinend  an- 
getroffen, und  ein  „valentuomo",  welcher  bei  ihnen  nahe  war, 
jagte  ihn  weiter,  „come  si  caccia  una  pecora."  Aus  Rache  dafür 
verrät  er  dem  Kuppler  und  seinem  hostiere,  dass  sie  in  der 
Kirche   sind,    ganz   nach   Plautus   (F.    564): 


732  XYII.   Rudens. 

Scep.  Hie  in  fano  Veneris. 

Lahr.  Quot  sunt? 

Scep.  Totidem  quot  ego  et  tu  sumus. 

Mal.  Le  giouane  che  perdute  liauete  souo  in  quella  Chiesa. 

See.  Quant e  sono  eile? 

Mal.  Quanti  saressimo  tu  &  io. 

Malpensa  will  die  Liebe,  die  ihn  so  rasch  gefesselt  hat, 
wieder  vergessen;  denn  „se  subito  non  si  leiia,  egli  fa  doppio 
male  &  con  fatica  si  mauda  fuori". 

Eine  neue  Szene  hat  Dolce  eingeschoben,  die  hin- 
sichtlich der  Prahlereien  des  Kupplers  an  den  Miles  gloriosus 
erinnert  und  auch  etwas  die  Szene  des  Amphitruo  nahelegt, 
wo  Mercxir-Sosia  von  seinen  Thaten  spricht,  um  Sosia  abzu- 
schrecken. Crespo  bangt  um  die  zwei  Mädchen  in  der  Kirche. 
Er  will  dem  Kuppler  Schrecken  einjagen,  andrerseits  aber  schneidet 
auch  dieser  gewaltig  auf  in  der  gleichen  Absicht.  So  ganz  Pyr- 
gopolinices  lässt  sich  der  Secco,  Kuppler,  vernehmen:  „Tutto 
1'  ho  guadagnato  con  queste  pugna.  Pensate  se  eile  mi  daranno 
ancora  le  giouani.  Et  quando  e  non  bastasse  1'  amazzare  im'  huo- 
mo,  raecordate  quando  con  im  pugno  spezzai  im  elmo  in  testa 
a  imo   Svizzero,    come   egli  fosse  stato   di  cartone?  &  a  im  Fran- 

cese  ruppi  le  ossa  come  fanno    i  Baccigli Et    quando   io 

comincio,  non  ueniste  mig'a  a  metterui  in  mezzo,  perche  alhora 
io  diuengo  cieco,  &  nella  furia  do  cosi  a  gli  amici  come  a  i 
nimici"  u.  s.  w.  Bei  dem  in  den  Klassikern  so  sehr  be- 
wanderten Dolce  geht  man  nicht  irre,  wenn  man  darin 
Reminiszenzen  an  Plautus  sucht.  Crespo  lässt  sie  ge- 
währen,   um   sie   endlich  ins  Netz  zu  locken. 

Nun  geht  die  Szene  wieder  auf  Plautus  (F.  615  ff.)  über. 
Isidoro  tritt  aus  seinem  Hause,  da  eben  Crespo  die  beiden 
Fremden  in  die  Kirche  sperrt.  Laut  schreit  nun  Crespo,  die 
Kirche  werde  entweiht,  die  Kruzifixe  zu  Boden  geworfen,  alles 
entheiligt:  Lutheraner,  Leugner  der  päpstlichen  Schlüssel- 
gewalt und  der  Fasttage,  seien  drinnen.  ,,Sono  Lutherani:  due 
ghiotti  della  scola  di  Martin  Luthero  .  .  .  Essi  hanno  rotta  la 
cassetta  da  i  danari  con  dire  che  le  limosine  non  uagliono,  che 
noi  siam  predestinati  ....  che  '1  Papa  non  ha  le  ehiaui  &  che 
non  puo  aprire  ne  serrare  .  .  .  che  non  si  dee  digiunare,  ne  far 
quaresima,  ne  mangiar  pesce  di  Venerdi  ne  di  Sabbato  .  .  .  ."  — 
eine  hübsche  Rückwirkung  der  Reformation  auf  das 
fromme  Italien  von  1550!  Sofort  werden  Leute  gesammelt, 
um  die  Häretiker  zu  strafen.  So  ist  aus  dem  plautinischen 
Tempelschänder  (F.  650),  ,,qui  deos  tarn  parui  pendit  (F.  646); 
qui  sacerdotem  audeat  uiolare"  u.  s.  w.,  unter  Dolces  Moderni- 
sierung- ein  Protestant  geworden,  ein  Mann,  der  soeben 
für    das    Gegenteil    —    die    Erhebuno-    Gottes    und    die    Würde 


Dolces  Ruffiano.  733 

seiner  Priester  —  stritt,  zui|  selben  Zeit,  da,  um  bei  unserm 
Thema  zu  bleiben,  die  Schamlosigkeit  des  italienischen  Lustspiels, 
wie  es  zumeist  dort  die  Kleriker  pflegten,1)  den  Mass- 
stab des  Glaubens  und  der  Sitte  jenes  Landes  in  jeder  Szene 
bietet. 

IV.  Akt.  Die  beiden  „Lutheraner-'  sind  gefesselt  worden. 
Das  eine  der  Mädchen  jedoch,  .,1a  maggioretta, "  erinnert  Isidoro 
auffällig  an  seine  verlorne  Tochter.  Da  ihm  Crespo  sagt,  Lau- 
ret ta  sei  eine  Treuigiana,  erklärt  Isidoro,  auch  er  stamme  von 
daher.  Crespo  meint,  er  solle  das  Mädchen  in  sein  Haus 
fähren.  Isidoro  aber  wagt  dies  nicht;  „che  io  ho  una  doima 
cotanto  maladetta  che  subito  si  darebbe  a  credere  che  eile  fossero 
ree  femine  &  caccierebbe  di  casa  &  me  &  loro;"  ein  Motiv,  das  in 
diesem  Stücke  nur  angedeutet  (F.   895): 

Set  uxor  scelesta  me  omnibus  seruat  modis, 
Nequi  significem  quidpiam  mulierculis, 

im  Mercator  weiter  durchgeführt  ist.  Er  will  sie  also,  da  er 
sie  nicht  Verstössen  kann,  zu  seinem  Nachbarn  thun,  „perche  egli 
e  buono   huomo   &  da  bene." 

Vergeblich  hat  indessen  Loren zino  allenthalben  seine  Lau- 
retta  gesucht.  Er  spricht,  wie  schon  in  einem  früheren  Auf- 
tritte, von  Selbstmord,  falls  er  sie  nicht  fände.  Mittlerweile  ist 
der  alte  Lucretio  hocherfreut,  in  dem  einen  der  zwei  Mädchen, 
die  Isidoro  in  sein  Haus  brachte,  die  Geliebte  seines  Sohnes 
entdeckt  und  gehört  zu  haben,  dass  auch  dieser  hier  weile.  Er 
erzählt  sodann  den  Traum  von  den  Schwalben  und  dem  Affen, 
genau  wie  bei  Plautus  (F.  594),  nur  dass  ihn  dort  Dämones 
träumte. 

Tagliacozzo,  Lorenzinos  Diener,  hat  unterdessen  den 
Versuch  gemacht,  bei  Simona,  der  Mutter  seines  jungen  Herrn, 
für  diesen  fünfzig  Scudi  zu  bekommen.  Er  erzählte  ihr  eine 
Lügengeschichte,  dass  ihr  Sohn  bei  einem  Schuhmacher  sei,  dessen 
Tochter  er  ehelichen  müsse,  zu  welchem  Zwecke  er  dieses  Geld 
bedürfe.  Simona  glaubte  ihm  nicht  und  schickte  ihn  mit  leeren 
Händen  fort:  doch  aber  liess  ihr  die  Sache  keine  Ruhe.  Sie  fuhr 
nach  Chioggia,  ungeachtet  ihres  Schwures,  ihren  Gatten  nie 
wieder  aufzusuchen,  und,  hier  angekommen,  begegnet  sie 
Tagliacozzo.  Dieser  macht  ihr  ein  langes  Märchen  vor.  Ihr 
Mann  habe  es  den  Türken  nachgemacht  und  sich  einen  Harem 
gegründet:    „egli   ha    tolte    taute  moglie   quante  egli  puo  pascere, 


')  Lehrreich  für  diesen  Punkt  ist  K.  v.  Räumer,  Geschichte  der 
Pädagogik  vom  Wiederaufblühen  klassischer  Studien  bis  auf  unsere  Zeit. 
Stuttgart  1843.     I,  55.  56. 


734  XVII.   Ruclens. 

iK;  fax  Loro  le  spese.  Zunächst  habe  er  zwei  Weiber  genommen. 
Simona  ist  auis  höchste  erbittert  üher  die  beiden;  Tagliacozzo 
aber  erringt  die  gewünschten  fünfzig-  Scudi.  —  Simona- — „pareua 
un  Drago  che  soffiasse  füoeo  per  la  bocca"  —  wirft  Lauretta 
und  Griuli  a  zum  Hanse  binans  in  ein  er  vielleicht  de  m  M  e  r  ca  t  o  r 
nachgeahmten  Szene.  Sie  suchen  Hilfe  bei  Isidoro;  aber 
auch  über  diesen  fallt  das  gekränkte  Weib  her.  Sie  fordert  ihre 
Mitgift  und ,  was  ihr  gehört ,  hinausbezahlt  zn  erhalten.  — 
Tagliacozzo  bringt  mit  dem  Gelde  Lorenzino  die  frohe 
Botschalt,  dass  Lauretta  hier  sei,  und  will  ihn  sofort  zu  ihr 
führen. 

Nach  diesen  Episoden,  die  Plautns  nicht  kennt,  geht  das 
Stück  wieder  auf  das  Original  (V.  906)  zurück.  Merenda,  der 
plautinische  Gripus,  freut  sich  des  aus  dem  Meere  gezogenen 
Schatzes.  Nun  ist  er  ein  gemachter  Mann.  Zu  ihm  gesellt  sich, 
wie  im  Originale,  Crespo,  der  ihn  wegen  seines  Fanges  zur  Rede 
stellt:  ,,Odi,  galant'  huomo,  se  tu  pigli  pesce,  egli  e  tuo,  perche 
e  nasce  in  mare:  ma  se  tu  pigli  Tasche,  non  nascono  nel  mare." 
Während  ihres  Wortwechsels  kömmt  Isidoro  mit  den  Mädchen 
und  verspricht  ihnen  seinen  Schutz.  Sie  erkennen  die  Kassette 
und  den  Inhalt  derselben.  Lauretta  berichtet,  dass  ihr  Vater 
aus  Treuigi,  ihre  Mutter  Brigida  de  i  Lomellini  war,  worauf 
die  Erkennung  folgt.  Sie  gehen  ins  Haus,  wie  bei  Plautus, 
zu  ihrer  Mutter.  Auch  Merenda s  Worte:  ,,0  sciaurato  che  fu  io 
a  non  guardarmi  ben  d'  intorno  prima  che  io  trahessi  fuori  la 
rete  dell'  acqua.  Mi  uien  uoglia  d'  impiccarmi, "  stammen  aus 
Plautus  (F.   1184): 

Sumne  ego  [homo]  scelestus,  qui  illunc  hodie  excepi  uidulum? 
Aut  quom  excepi,  qui  non  alieubi  in  solo  apstrusi  loco? 

Quid  meliust  quam  ut  hinc  intro  abeam  et  me   suspendam   clanculum. 

V.  Akt.  Tagliacozzo  sieht  ein,  dass  er  eine  riesige  Ver- 
wirrung verursacht  habe,  welche  gelöst  werden  müsse.  So  erzählt 
er  Simona  eine  weitere  Fabel,  dass  ihr  Sohn  sich  von  der 
Schuhmacherstochter  loszumachen  gewusst  habe  und  sie  nun  nicht 
zu  heiraten  brauche.  Auch  die  Sache  mit  den  beiden  Mädchen 
bringt  er  ins  Reine. 

Hocherfreut  sendet  Isidoro  zu  Lucretio,  sein  Sohn  möge 
seine  wiedergefundene  Tochter  heiraten.  —  Merenda  ist  un- 
tröstlich über  den  Verlust  seines  Fanges;  erbitterter  aber  ist  der 
Kuppler,  dass  er  „che  da'  primi  anni  fui  alleuato  nelle  scole  de' 
mariuoli,  de'  barrattieri  &  truftatori,  mi  sono  lasciato  cog-liere  a 
un  famiglio."  Er,  ,,il  quäle  non  uidi  mai  libro  ne  carta  di 
Lutherano  aleuno,"  kam  so  übel  an.     Es  bleibt  ihm  nichts  übrig, 


L.  Echard.  735 

als  sich  in  Güte  an  Lorenzino  um  die  fünfzig  Dukaten  zn 
wenden  und  alle  Schuld  auf  den  ho  stiere  zu  schieben. 

Unterdessen  bat  Lorenzino  alle  diese  freudigen  Mitteilungen 
von  Crespo  gehört.  Zum  Schlüsse  veranlasst  Tagliacozzo  den 
Kuppler  zur  Flucht,  indem  er  ihm  vorstellt,  dass  es  ihm  schlecht 
ergehen  werde,  nachdem  das  Mädchen  seinen  Vater  wieder  ge- 
funden habe.     Der  Schluss  ist  im  allgemeinen  nach  Plautus. 

Dole  es  Stück  ist  eine  frische,  lebhafte  Komödie,  in  Avelcher 
es  dem  Dichter  gelungen  ist,  von  mancherlei  neuen  Verkettungen 
und  Intriguen  nicht  ohne  Vorteil  Gebrauch  zu  machen. 

Eine  spätere  italienische  Übersetzung  stammt  von  Redi: 
,,11  Rudente  di  Plauto  col  Testo  latino  a  canto,  onde  chi  legge 
possa  agevolmente  raecorre,  se  la  versione  in  Versi  toscani  sciolti 
corrisponda  alla  venustä  del  Dramma  Latino  di  Monsg.  Bali 
Gregorio  Redi  im  zweiten  Bande  seiner  Werke.  Vencd. 
(Recurti)   1751.') 


In  England  erschien  im  Jabre  1694.  „Rudens."  A  comedy 
translated  from  Plautus  by  Lawrence  Echard.2)  —  Über  die 
amerikanische  Bearbeitung  (von  St.  Louis  1884)  war  oben 
(S.  44)  die  Rede.  Die  amerikanische  Bearbeitung  hat  sich 
genau  an  das  Original  gehalten.  Der  leno  ist,  wohl  leicht 
erklärlich,  zum  slave-dealer  geworden.  Nur  weniges  erscheint 
gekürzt.  So  fehlt  der  launige  Traum  des  Dämones  (F.  747; 
infolge  davon  natürlich  V.  771  ff.).  —  Die  erste  Szene  des 
vierten  Aktes  (V.  892 — 906)  ist  ausgeblieben;  auch  die  Reden 
des  Gripus  sind  stark  zugeschnitten  (z.   B.    V.    1193  — 1208). 

Einiges  ist  im  Englischen  sehr  gut  ausgedrückt  worden. 
Das  Wortspiel  mendicus  und  medicus  (V.    1304): 

Grip.     Quid  tu?  num  medicus  quaeso  's? 
Lahr.     Immo  edepol  una  litera  plus  sum  quam  medicus. 
Grip.  Tum  tu 

Mendicus  es? 

lautet  trefflich  im  Englischen: 

Grip.     Pray,  are  you  a  medical  man? 

Lahr.     No  by  Pollux,  I  'in  one  lettre  more  thau  a  medicant. 

Grip.     Are  you  tlien  a  mendicant? 


')  Argelati.  III.  236. 

2)  Halliwell,  pag.  217.  This  play  togetker  with  two  others  from 
the  same  author  are  published  in  one  volume  and  dedicated  to  Sir 
Charles  Sedley. 


736  XVII.   Rudens. 

Zum   Schlüsse  sprechen   alle  noch  die  Verse: 

Farewell,  dear  friends,  now  give  applause 
Aud  liappy  live  by  fate's  fixed  laws. 

Dass  der  romantische  Teil  des  Rudens  an  manches  andere, 
z.  B.  auch  an  einzelnes  hei  Shakespeare,  erinnert,  ist  Zufall. 
Es  ist  richtig-,  wenn  es  bei  Rapp1)  heisst:  „Es  lässt  sich  hier 
selbst  der  Stoff  mit  einem  Shakespearischen  Stück  noch  zusammen- 
halten, nämlich  mit  dem  Sturm.  Beide  Stücke  kommen  in  der 
Ausserlichkeit  überein,  dass  sie  mit  einem  Seesturm  und  Schiff- 
bruch sich  introduzieren,  und  dann  auch  in  dem  bedeutenderen 
Umstände ,  dass  in  diesem  Zufall  beidemale  die  eigentliche 
Katastrophe  des  Stücks  enthalten  ist  und,  in  der  Art  voraus- 
gehend, das  Übrige  eigentlich  als  Nachverhandlung  nachbringt, 
durch  die  Situation ,  die  der  Schiffbruch  hervorgebracht  hat. 
Beide  Stücke  haben  durch  diese  Anordnung  etwas  nachlässig 
Anziehendes  erhalten,  was  wir  doch  nicht  anders  als  den  Opern- 
effekt nennen  möchten,  das  ist,  ein  selbstgefälliges  Verweilen  in 
Lieblingssituationen,   die  sich  sonst  los  genug  an  einander  reihen." 

Eine  andere  Reminiszenz  bietet  äusserlich  Shakespeares 
Perikles  durch  den  Schiffbruch  und  seine  Folgen,  und  im  Stücke 
selbst  die  Fischer,  von  denen  einer  den  für  Perikles  glück- 
spendenden Harnisch  mit  seinem  Netze  fischt  (II,    1). 

Eine  deutsche  Bearbeitung  des  Rudens  findet  sich  im 
zweiten  Teile  von  Goldhagens  Anthologie  (Brandenburg  1767) 
und  von  Leo  Lipsius  (Schmalkalden   1768).2) 

In  Frankreich  erschien  die  Übersetzung  der  Dacier  im 
Jahre  1683;  „die  Jungfer  Helena  Baletti  Riccoboni  hat  es  sehr 
artig  unter  dem  Titel  ,le  N  au  frage'  nachgeahmt.  Diese  Nach- 
ahmung ist  zu  Paris  1726  in  12°  und  1730  gedruckt. "3)  Helene 
Baletti,  mit  dem  Beinamen  Fl  am  in  ia,  war  die  Gattin  des 
Louis  Riccoboni,   genannt  Lelio.4) 

Die  Bibliotheken  von  Berlin,  Dresden,  München, 
Wolfenbüttel  u.   a.   besitzen  diese  Bearbeitung-  nicht. 


J)  A.  a.  0.,  S.  568. 

2j  Sulzer,  705b. 

3)  Lessing,  Beiträge,  S.  51.  —  Auch  an  Opern  fehlt  es  nicht. 
Ob  indessen  die  zahlreichen  bei  Clement  (S.  173.  474)  genannten  Ojjern 
„le  Naufrage"  von  Hoffmeister  (1790),  Kerpen  (1786),  Romberg  (1791), 
Gassner (1814),  Volkert(1815)  oder  P.  C.  Guglielmis  Naufragiofortunato 
(cc.  1787)  hierher  zu  zählen  sind,  ist  fraglich.  Viele  dieser  Stücke 
können  auch  mit  L.  v.  Holbergs  Glücklichem  Schiffbruche,  deutsch 
im  ersten  Bande  der  dänischen  Schaubühne  (S.  135 — 339)  zusammenhängen. 

4)Beauchamps,  Recherches.  IV,  152. — Voisenon,  Oeuvres.  IV,  147. 
—  Einen  „heureux  naufrage"  gespielt  am  9.  Juni  1720,  den  Werken 
Barbiers  beigedruckt,  nennt  Beauchamps.  IV,  138. 


Stichus.  737 


XVIII.    Stichus.1) 

So  wie  der  Stichus  vorliegt,  wird  man  über  das  Urteil  des* 
Cammerarius,  der  ihn  argumentum  ,,leve  et  futile"  nennt,  und 
die  Abweisung  desselben  seitens  französischer  Kritiker'2)  schwerlich 
hinauskommen.  Rapp  hat  das  Stück  zu  retten  versucht.  Ihm 
ist  der  erste  Akt  ein  Idyll,  wie  das  fünfzehnte  des  Theokritos 
und  der  Mimus  des  Sophron;  wer  ihn  liest,  wird  ausrufen  müssen: 
hier  ist  dasselbe,  dieselbe  Manier,  dieselben  Gedanken,  Wendungen 
und  Gewöhnungen;  hier  ist  derselbe  Dichter,  mit  einem  Wort: 
hier  ist  ein  Mimus  des  Sophron!3)  Und  so  würde  der  „verachtete 
Stichus  zu  den  interessantesten  Stücken  unsrer  Sammlung 
gehören''.  Da  nun  aber  auch  Rapp  zugestehen  muss,  dass  das 
Lustspiel  derartig  ist,  dass  man  es  einem  hervorragenden,  sonst 
so  formvollendeten  Dichter,  wie  Men ander,  nicht  zumuten  darf, 
dass  er  „doch  auch  einmal  ein  Drama  schreiben  konnte,  dem 
absolut  etwas  fehlt,  was  ein  Stück  nicht  zu  einem  guten  Drama, 
sondern  überhaupt  zu  einem  Drama  macht",4)  dass  er,  der  sonst 
gerade  in  der  Intrigue  gross  ist,  „hier  hinter  dem,  was  der  unge- 
übteste Anfänger  zu  machen  wüsste,  weit  zurückgeblieben"  ist, 
und  dass  das  ganze  Stück  „ein  so  seltsames  Gemengsei  von  Szenen, 
Dialogen,  Stilen,  die  unter  sich  gar  nichts  gemein  haben,"  sei, 
so  scheidet  er  es  in  vier  Hauptteile:  1.  die  guten  Weiber;  2.  die 
Heimkehr  des  Herrn;  3.  der  geprellte  Parasit;  4.  ein  Sklaven- 
mimus.  Diese  Teile  hätte  Plautus  nach  griechischen  Quellen 
bearbeitet,  durch  Monologe  u.  dgl.  lose  verknüpft,  und  „wenn 
der  Dichter  uns,  wie  es  scheint,  in  diesem  Stücke  eine  Muster- 
karte von  Stilen  zum  besten  giebt,  so  hat  er  wenigstens  psycho- 
logisch richtig  einen  das  andere  zudeckenden  Schluss  dem  ganzen 
Quodlibet  angehängt".5)  „Es  ist  also  dieses  Stück  ein  Quodlibet, 
in  dem  uns  aber  Parzellen  aufbehalten  sind  von  so  hohem  Wert, 
dass  sie  andere  ganze  Stücke  aufwiegen,  und  darum  Dank  der 
Vorsehung,   die  es  uns  erhalten  hat."6) 

Binder7)  sagt  über  das  Lustspiel:  „Den  Gegensatz  des 
frivolen,  zügellosen  Taumels  gemeiner  Seelen  nach  überstandenen 
Mühen     zu    der    gemessenen    und    würdigen    Freude    ehrenwerter 


')  Hier  ist  zitiert  nach  Fleekeisen. 

*)  Rapp,  S.  1785. 

3)  Ebenda,  S.  1780. 

*)  Ebenda,  S.  1781. 

*)  Ebenda,  S.  1785. 

(;)  Ebenda,  S.  1786. 

■>)  A.  a.  0.,  S.  6. 

47 


738  XVIII.   Stichus. 

Männer,  die  sich  des  Besitzes  treuer  Weiber  wieder  wert  gemacht 
baben,  zu  schildern,  das  scheint  die  poetische  Tendenz  dieses 
etwas  flüchtig  skizzierten  Lustspiels  zu  sein."  Er  nennt  es 
ein  „Quodlibet  mimisch  dialogischer  Szenen  nach  griechischen 
Dichtungen." 

Teuffel1)  urteilt:  „Der  Stichus  ist  ein  rätselhaftes  Stück. 
Ich  will  gern  glauben,  dass  es,  wie  Ritschi  Parerg.  I,  S.  280  A. 
angiebt,  in  sehr  unvollständiger  Gestalt  auf  uns  gekommen  ist, 
wiewohl  LadeAvig  doch  wohl  des  Guten  zu  viel  thut,  wenn  er 
meint,  das  Vorhandene  sei  nur  etwa  die  Hälfte  des  ursprüng- 
lichen Ganzen;  aber  ich  sehe  nur  nicht  recht,  was  das  voll- 
ständige Stück  weiter  enthalten  haben  soll,  welche  angefangene 
Handlung,  welche  eingefädelte  Intrigue  darin  zu  Ende  geführt 
werden  mochte.  Sollte  etwa  das  ernsthaftere  Herrenmahl  durch 
das  Sklavengelage  verdräng't  worden  sein'?  Oder  spielte  darin 
besonders  Stichus  eine  Rolle  xind  rechtfertigte  den  gewählten 
Titel?  Oder  war  es  darauf  angelegt,  dem  hetzerischen  Alten 
mittelst  der  erbetenen  Konkubine  eine  Beschämung  zu  be- 
reiten?"  u.   s.   w. 

Der  erste  Akt  führt  uns  Philumena  und  Pamphila  ein, 
deren  Ehegatten  nun  schon  drei  Jahre  von  Hause  abwesend 
sind   (V.    29): 

Nani  uiri  nostri  domo  ut  abierunt, 

Hie  tertiust  annus. 

Ihr  Vater  Antipho  möchte  sie  gerne  wieder  verheiraten, 
obwohl  er  sie  zu  diesem  Schritte  nicht  gerade  zwingen  will;  die 
beiden  Frauen  jedoch  weigern  sich,  voll  kindlichen  Respektes 
zwar,  doch  aber  mit  Entschiedenheit,  dies  zu  thun.  Sie  zeigen 
sich  voll  Liebe  und  Treue  gegen  ihre  abwesenden  Männer. 
Philumena  schickt  ihre  Magd,  Crocotium,  nach  dem  Parasiten 
Gelasimus;  er  soll  sich  am  Hafen,  wo  Tag*e  lang  der  Fischer- 
knabe Pinacium  sitzt,  um  Acht  zu  haben  auf  die  Rückkehr 
der  Gatten,   nach  Neuigkeiten  erkundigten. 

Mit  dem  zweiten  Akte  tritt  der  Parasit  Gelasimus  auf; 
er  jammert  über  die  schlechten  Zeiten  und  denkt  bereits  daran, 
Ausrufersdienste  („praeconis  conpendium,"  F.  194)  zu  übernehmen. 
Crocotium  belauscht  einige  Zeit  sein  Selbstgespräch  und  meldet  i 
ihm  dann,  er  möge  zu  Philumena  kommen.  Pinacium  betritt 
freudig  die  Szene;  er  hat  eine  frohe  Botschaft  (F.  300:  „Secundas 
fortunas  decent  [fastidia  et]  superbiae").  Philumena  zeigt  sich; 
Pinacium  befiehlt,  alles  zu  scheuern  und  zu  schrnücken;  denn  er 
hat    am  Hafen    den  Gatten    der  Philumena,    Epignomus,    mit 

»)  Studien,  S.  277.—  Vgl.  Sulzer,  Theorie  etc.     I,  240a. 


Charakteristik  desselben.  739 

seinem  Sklaven  Stichus  gesehen.  Philumena  freut  sieh  der 
Nachricht  unendlich,  nicht  minder  Gelasimus;  aber  Pinacium 
sagt  ihm,  Epignomus  habe  die  Parasiten  bereits  mit  sich  ge- 
bracht (F.  388:  ,,Poste  autem  aduexit  parasitos  secum").  Gelasimus 
bleibt  demnach  nur  mehr  die  Aufgabe,  diese  wegzubringen  (F.  401 : 
,,Nam  ni  illos  homines   expello,    ego   occidi  planissume". 

Im  dritten  Akte  kehrt  Epignomus,  reich  mit  Schätzen 
beladen,  mit  seinem  Sklaven  Stichus  zurück.  Er  schenkt 
seinem  Diener  diesen  Tag  zur  freien  Verwendung  (F  435,  ,,hunc 
tibi  dedo  diem"),  worauf  dieser  den  Plan  fasst,  mit  einem  andern 
Sklaven,  Sagarinus,  ein  Gelage  abzuhalten.  Den  Zuschauern 
sagt   er   ausdrücklich,   dass  dies  in  Athen  gestattet   sei   (F  446): 

Atque  id  ne  uos  miremini,  homines  seruolos 
Potare  amare  atque  ad  cenam  condicere: 
Licet  hoc  Athenis  nobis. 

Gelasimus  naht  in  der  Hoffnung,  „ridiculis  logis"  (F.  455) 
seinen  „rex"  für  sich  zu  gewinnen.  Ein  günstiges  Auspicium 
berechtigt  ihn  zu  solcher  Erwartung.  Allein  Epignomus  hat 
bereits,  wie  er  sagt,  die  ,,oratores  populi",  die  „summi  uiri"  (F.  490) 
zu  Gästen.  „Haut  aequomst  te  inter  oratores  accipi, "  fertigt  er 
den   hungernden  Parasiten  ab. 

Im  vierten  Akte  begrüsst  Antipho  den  angekommenen 
Pamphilus,  den  Gatten  der  Pamphila.  Zu  ihnen  gesellt,  sich 
Epignomus,  worauf  der  alte  Antipho  einen  „apologus"  erzählt, 
der  darauf  abzielt,  eine  Flötenspielerin  zu  erhalten.  Nochmal 
tritt  nach  dem  Abgange  des  Antipho  Gelasimus  auf  und 
macht  bei  Pamphilus  und  Epignomus  wiederholte.  Versuche, 
eingeladen   zu  werden.      Doch  weisen  ihn  beide   ab.      (F.  630): 

Dum  parasitus  mihi  atque  fratri  fuisti,  rem  confregimus. 
Nunc  ego  nolo  mi  ex  Gelasimo  fieri  te  Catagelasimum. 

Von  allen  diesen  Personen  tritt  im  fünften  Akte  keine  mehr 
auf.  Stichus  bringt  ein  Fass  Wein.  Sagarinus  findet  sich 
dabei  ein  und  später  die  Sklavin  Stephanium.  Sie  beginnen 
das  Gelage.  Stichus  hat  schon  früher  von  der  Bühne  herab 
dem  ,,tibicen"  Wein  gereicht  mit   den  Worten  (F.   713): 

Bibe,  tibiceu:  [bibe  si  bibis]  bibumlum  hercle  hoc  est:  ne  nega 
Quid  hie  fastidis  quod  faciundum  uides  esse  tibi?  quiu  bibis? 
Age  siquid  agis.  aeeipe  inquam:  nam  hoc  inpendit  puplicum. 
Hau  tuum  istuc  est  uereri  te.  eripe  ex  ore  tibias. 

Nun   lässt   er   ihn   nochmal    trinken   (  F.    758): 

Tene,  tibicen,  primum: 

47* 


740  XVIH.   Stichus. 

und  verlangt  von  ihm  ein  Tanzlied  u.  s.  w.,   (F.   767): 

Age,  iam  infla  buccas:  nunc  i'am  aliquid  suauiter. 
Cedo  cantionem  ueteri  pro  uino  nouam. 

Nachdem  sie  genug  getanzt  haben  (F.  774:  „saltatum  satis 
pro  uinost"),   schliesst  das  Stück. 

Von  den  beiden  Schwestern  ist  Philumena  die  ältere  (F.  41). 
Sie  hält  sich  für  die  arme  Penelopa  (V.  1),  seit  ihr  Gatte,  den 
sie  so  treu  liebt  (V.  48),  abwesend  ist.  Auch  Pinacium  rühmt 
ihre  Liebe  zu  ihrem  Manne  (F.  284,  ,,ut  decet  uirum  amat  suum 
[et]   cupide  expetit"). 

In  nicht  geringerem  Grade  ist  Pamphila  ihrem  Gatten 
zugethan.  In  schöner  Weise  verleiht  sie  dieser  Hingabe  Aus- 
sprache  (7.    133): 

Placet  ille  meus  mihi  meudicus:  suus  rex  reginae  placet. 
Idem  animust  in  paupertate  qui  olim  in  diuitiis  fuit. 

Sie  ist  voll  Zärtlichkeit,  und  rühmenswert  ist  die  Pietät,  die 
überall  in  den  Vordergrund  tritt  [V.  7),  und  die  in  gleicher  Weise 
dem  Vater  wie  dem  Gatten  gilt. 

Numquam  euim  niniis  curare  possunt  suum  parentem  filiae, 

ist  ihr  schöner  Grundsatz  (V.  96).  Gleich  kindlich  gedenkt  sie 
der  verstorbenen  Mutter  (V.  109).  Interessant  ist  ihr  Urteil 
über  die  Weiber,   als  von  einem  Weibe  gesprochen,   (V.    129): 

Quanta  meast  sapientia 
Ex  malis  multis  malum  quod  minumimist,  id  minumest  malum. 
Qui  pote  mulieres  uitare,  is  uitet:  ut  cotidie 
Pridie  caueat  ne  faciat,  quod  pigeat  postridie. 

Ihr  Vater  Antipho,  ein  alter  Mann  („decurso  aetatis  spatio," 
V.  81),  der,  ob  er  auch  mit  den  Sklaven  zankt  (V.  58),  nichts 
weniger  als  energisch  ist,  zieht  zwar  gegen  die  abwesenden 
Ehemänner  los  (T.  14),  dennoch  aber  will  er  mit  seinen  Kindern 
nicht  „gerere  bellum"  (V.  82).  Die  allgemeine  Schwäche,  den 
Menschen  nach  seinem  Besitze  zu  schätzen,  legt  er  auch  seinen 
Schwiegersöhnen  gegenüber  an  den  Tag. 


BKSy 


Yidete,  quaeso,  quid  potest  pecunia. 
Quoniam  redisse  bene  re  gesta  me  uidet, 
Maguasque  adportauisse  diuitias  domum, 
Sine  aduocatis  ibidem  in  cercuro,  in  stega, 
In  amicitiam  atque  in  gratiam  conuortimus, 

beklagt  sich  Epignomus  (P.  410).     Die  hübsche  Erzählung  von 
dem  verwitweten  Alten,  der  gerade  so  alt  war,   wie  er,   und  zwei 


Charakteristik  desselben.  741 

verheiratete  Töchter  besass,  wie  er,  der  seinen  Schwiegersohn 
bat  (7  547): 

Ego  tibi  meam  filiam  bene  quicum  cubitares  dedi: 

Nunc  mihi  reddi  ego  aequom  esse  aps  te  quicum  cubitem  censeo, 

zeigt,  dass  der  „graphicus  mortalis"  (7  570)  in  gewissen  Dingen 
noch  jugendlich  denkt. 

Etiam  nunc  scelestus  sese  ducit  pro  adulescentulo. 

(7.  571.)  —  Indessen  steht  er  bei  seinen  Mitbürgern  in  hohem 
Ansehen  (7.    11   ff.). 

Von  den  Schwiegersöhnen  ist  Epignomus  eingehender  ge- 
zeichnet. Die  Freude,  mit  welcher  er  sein  Haus  betritt  (7.523), 
zeigt,   dass  er  die  Liebe  seiner  Gattin  verdiente. 

Von  den  Nebenpersonen  zieht  zunächst  der  Parasit  unsere 
Aufmerksamkeit  auf  sich.  Er  ist  in  der  herkömmlichen  Weise 
gezeichnet.      Im  Vers   174   erklärt  er  seinen  Namen. 

Gelasimo  nomen  mi  indidit  paruo  pater, 
Quia  iam  a  pausillo  puero  ridiculus  fui. 

Etwas  später  dann  (7.  242)  nennt  er  sich  „Miccotrogus". 
Er  ist  niemals  satt  geworden,   solange  er  lebte  (7    155): 

Famem  ego  fuisse  suspicor  matrem  mihi: 
Nam  postquam  natus  sum,  satur  numquam  fui. 

Darum  ist  er  stets  zum  Essen  bereit  und  so  leutselig,  dass  er 
eine  Einladung  nie  abschlagen  kann  (7.    181): 

Set  generi  nostro  haec  redditast  benignitas: 
Nulli  negare  soleo,  siqui  essum  uocat. 

Ob  er  bei  einer  Tafel  als  Ehrengast  oder  zu  unterst  sitzt  (,,imi 
supselli  uirum"  7.489;  „infumatis  infumus"  7.493),  ist  für  ihn  be- 
deutungslos. Er  hat  seine  Zunge  längst  verkauft:  „Linguam 
quoque  etiam  uendidi  datariam"  (7  257).  Sie  kann  nur  mehr 
„Gieb"    sagen.    (7.  261:   Eccillam  quae  dicat  „cedo"!) 

Zerfallen  mit  der  bösen  Zeit,  scheidet  er  aus  dem  Stücke. 
Wo  die  Herren  selbst  Parasiten  sind,  ist  für  keinen  Gelasimus 
mehr  Raum.  „Es  ist  keine  Ehrlichkeit  mehr  unter  den  Leuten," 
sagt  Falsta ff.      So   unser    Parasit   (7    635): 

uiden  ut  annonast  grauis? 
Viden  benignitates  hominuni  ut  periere  et  prothumiae? 
Viden  ridiculos  nihili  fieri  atque  ipsos  parasitarier? 


742  XVm.  Stichus. 

Stichus  und  Sagariuus  entwickeln  in  der  Freiheit  ihre 
Sklavennatur.  Der  leichtsinnige  Stichus  vergeudet  sein  erspartes 
Geld  (7.   751): 

Vapulat  peculium:  actumst:  fugit  hoc  libertas  caput, 

um  die  Lust  eines  Tages.  Würdig  steht  ihnen  Stephanium 
zur  Seite.  Sie  liebt  beide  gleich.  „Cum  ambobus  uolo:  nam 
ambos  amo"    (F.    750). 


Diese  Analyse  des  p  laut  mischen  Stückes  wird  es  klar 
machen,  warum  keine  Nachahmung  desselben  vorliegt,  so  oft  die 
einzelnen  Personen  des  Lustspiels  am  Ende  auch  als  Vorbild 
gedient  haben  können.  Es  ist  ein  problematisches  Stück, 
aus  dem  erst  etwas  hätte  geschaffen  werden  müssen,  ein 
Stück,   von  dem   fast  nichts  zu  benützen  war. 

Um  so  mehr  ist  es  zu  bedauern,  dass  wir  von  Lessings 
Nachahmung:  „Weiber  sind  Weiber"  (Ein  Lustspiel  in  zwey 
Autzügen.      Berlin   1749), x)  nur  wenige  Fragmente  besitzen. 

Lessings  Bruder  äussert  sich  in  der  Vorrede'2)  nach  einer 
Kritik  des  plautinischen  Stichus,  wie  tblgt:  „Aus  dem  ersten  und 
dem  Anfänge  des  zweyten  Akts  dieses  Lustspiels,  denn  mehr  hat 
mein  Bruder  davon  nicht  hinterlassen,  kann  man  nicht  recht 
ersehen,  wie  er  diesen  Stoff  ganz  behandelt  haben  würde.  Der 
Plan,  den  er  dazu  sich  so  gut  entworfen  haben  wird,  als  er  bei 
seinen  übrigen  Stücken  allezeit  gethan,  muss  verloren  gegangen 
seyn;  ich  habe  ihn  wenigstens  nicht  finden  können.  So  viel  aber 
sieht  man  doch  schon,  dass  Hilarien  das  Ausbleiben  ihres  Mannes, 
der  sich  blos  um  ihrentwillen  ruinirt,  lange  nicht  so  nahe  geht, 
als  Lauren,  die  von  ihrem  Mann  tyrannisirt  worden.  Vielleicht 
wollte  er  ein  Beyspiel  liefern,  dass  Zärtlichkeit  gegen  den  Mann 
von  gar  keinen  moralischen  Umständen,  sondern  blos  von  dem 
physikalischen  Temperamente  abhängt,  und  so  unerklärlich  als 
Sympathie  ist.  Doch  was  er  auch  bezweckt  haben  mag,  und 
wie  sehr  auch  der  Dialog  darinn  gegen  den  in  seinen  nachherigen 
Stücken  absticht,  so  bin  ich  doch  versichert,  dass  er  diesen 
schönen  Hauptstoff  mit  so  abgeschmackter  Episode,  wie  Plautus, 
unmöglich  vernachlässiget  hätte." 

Auch  in  den  „Beiträgen"  fasst  Lessing  die  plautinische  Ko- 
mödie als  eine  Bestätigung  ehelicher  Treue.    Dort  heisst  es:3)  „Der 


»)  S.  1—47  in  G.  E.  Lessings  Theatral.  Nachlass  .  .  .  Erster  Theil. 
Berlin  1784  (s.  S.  704).  —  S.  484—505  bei  R.  Boxb erger  a.  a.  0. 

2)  Pag.  XIII. 

3)  S.  51. 


Lessings  Weiber  sind  Weiber.  743 

Herr  von  Limiers  benennt  dieses  Stück  in  seiner  Übersetzung 
den  Triumph  der  ehelichen  Treue.1)  Der  Hauptinhalt  ist  auch 
so  ziemlich  dadurch  ausgedrückt;  ein  paar  Weiber  nämlich,  die 
ihre  Männer  verlassen  haben,  wollen  sich,  des  Verlangens  ihrer 
Väter  ungeachtet,  doch  nicht  wieder  verheirathen,  sondern  bestehen 
darauf,  die  Rückkunft  ihrer  Männer  zu  erwarten,  welche  auch 
erfolgt.  Den  Namen  hat  dieses  Stück  von  dem  Knechte,  der 
diese  Männer  begleitet  hat,  und  sich  den  Tag  der  Rückkunft 
mit  seinem  Kameraden  lind  ihrer  gemeinschaftlichen  Liebsten 
lustig  macht." 

AVas  von  Lessings  Entwurf  zu  „Weiber  sind  Weiber" 
im    ..Xachlass"    steht,   ist  Folgendes: 

I.  Akt.  In  derber  Weise  verbreitet  sich  die  Kammerjungfer 
Lisette  ihren  Herrinnen  Hilaria  und  Laura  gegenüber  über  die 
„Schufte  von  Ehemännern",  die  drei  Jahre  bereits  weg  sind. 
Laura  möchte  in  Thränen  um  ihren  Mann  Leander  zerfliessen. 
Hilaria  ist  heiter.  „Wenn  es  ihm  an  einem  Orte  besser  geht, 
als  es  ihm  hier  gehen  würde,  warum  sollte  ich  es  ihm  nicht 
gönnen?"  Herr  Seitarm,  ihr  Vater,  will  es  nun  in  Güte  ver- 
suchen, seine  Töchter  zii  einer  Heirath  zu  bestimmen.  Vergeblich! 
Wohlklang,  der  Musicus,  und  Segarin,  der  Capitain,  sind  die 
Freier  der  beiden  Frauen. 

II.  Akt.  Naturalienhändler  Labrax,  eine  Art  Parasit,  dessen 
Noth   Seitarm   ausnützen  will. 

Was  sich  bei  Boxberger  aus  der  Lessingschen  Be- 
arbeitung des  Stichus  entnehmen  lässt,   ist  Nachfolgendes: 

Erster  Aufzug.  (1.)  Die  Kammerjungfer  Lisette  schildert 
den  beiden  Frauen  Hilaria  und  Laura  gegenüber  die  Ehemänner 
als  schlimme  Leute.  Sie  hat  sie  zwar  nicht  selbst  gekannt. 
„Aber  nach  Ihrer  eignen  Beschreibung,  so  ist  der  Eine  ein  Ver- 
schwender, der  Andre  ein  Verthuer  gewesen."  Dennoch  weint 
Laura  um  ihren  Gatten.  „Das  betrübt  mich,"  sagte  sie,  „dass 
ihn  vielleicht  Gott  meinetwegen  itzo  heimsucht."  Hilaria  dagegen 
grämt  sich,  dass  ein  Frauenzimmer,  Avie  sie,  nur  einen  Freier 
haben  sollte.  Sie  will  ihrer  Schwester  ihren  Herrn  Wohlklang 
abspenstig  machen. 

(2.)  Der  Vater  der  beiden  verlassenen  Frauen,  Herr  Selten- 
arm,  tritt  auf.  Er  hat  bisher  gegen  sie  nur  „das  Rauche  heraus- 
gekehrt", jetzt  will  er  es  in  Güte  versuchen.  Er  will  die  Ehe- 
scheidung seiner  Töchter  bei  seinen  Freunden,  den  Konsistorial- 
räten,    durchsetzen.      Laura   spricht  wenig;    Hilaria   will   gleichfalls 


')  So  schon  eine  alte  Ausgabe  von  1513  (Mclch.  Lotter.  Lips.):  „Sti- 
chus Plautinus  pudicitiam  ac  maritalem  fidem  etiam  in  sinistra 
fortuna  seruandam   esse   docens."    (Schweiger,  II,  2.  772.) 


744  XVIII.   Stichus.  . 

von  ihrem  Manne  nicht  getrennt  werden.  „ Anders  wäre  es, 
wenn  er  gestorben  wäre,  oder  wenn  ich  gewiss  wüsste,  dass  er 
mich  gänzlich  vergessen  habe.  So  lange  als  Eines  von  Beiden 
nicht  ist,   so  lange   —   — " 

(3.)  Laura  ist  entsetzt  über  den  Leichtsinn  ihrer  Schwester. 
Sie  "will  stets  an  ihrem  Manne,  wo  er  auch  sein  mag,  „als  eine 
treue  und  rechtschaffene  Frau"   handeln. 

(4.)  Seltenarm  bespricht  sich  mit  der  Kammerjungfer  Lisette. 
Sie  soll  die  Heirat  der  beiden  Frauen  beschleunigen;  „so  bliebst 
du  ja  hernach  alleine  im  Hause  — ."  Lisette  will  von  seiner 
Zudringlichkeit   wenig  wissen. 

(5.)  Herr  Wohlklang,  der  Musikus,  fragt  bei  Seltenarm  an. 
„Nun,  mein  Herr,  werden  die  EntSchliessungen  Ihrer  Frau  Tochter 
bald  mit  unsern  Absichten  harmonieren?  Wie  lange  soll  noch 
diese  mir  so  widrige  Dissonanz  anhalten?  u.  s.  w. "  Seitenarm 
tröstet  ihn,   Laura  werde  sich  noch  für  ihn   entscheiden. 

(6.)  Wohlklang  wendet  sich  an  Lisette  um  ihre  Beihilfe. 
Diese  aber  erklärt,  hierzu  „keine  Ursache"  zu  haben.  Wohlklang 
versteht  -  sie  nicht  oder  thut  so,  obwohl  sie  ihm  die  Ursache, 
„warum  die  Herren  Musici  componiren,  die  Diebe  stehlen,  die 
Advocaten  Advocaten  sind,  die  Dichter  singen,  die  Bettler  weinen, 
die  Arzte  Wind  machen,  die  Taschenspieler  hexen,  die  Juden 
Christen  und  die  Christen  Juden  werden,  kurz  die  Ursache  aller 
Ursachen  —   die  Hauptur — ur — Ursache"    ziemlich  nahe  legt. 

(7.)  Der  Capitän  Segarm  tritt  auf.  Er  scheint  sich  nicht 
gut  mit  dem  Musicus  zu  sprechen.  Der  Capitän  entfaltet  einige 
Züge,  die  an  seine  grosssprecherischen  Ahnen  erinnern.  „Es  ist 
mancher  schlechter  Kerl  Capitän  gewesen.  Ich  aber  stamm'  aus 
einem    alten    adlichen  Geschlechte."      Noch  mehr  in   der  nächsten 

(8.)  Szene,  wo  er  um  Lisettens  Beihilfe  wirbt.  Das  Gehirn 
thut  ihm  nichts,  ob  es  gesund  ist  oder  nicht.  „Zu  was  ist  das 
einem  Soldaten  viel  nütze?"  Er  will  keine  lange  Belagerung. 
„Ich  muss  also  einen  Sturm  wagen,  einen  Generalsturm."  Lisette 
soll  Hilarie  zur  „Capitulation"  bewegen.  Er  könnte  ihr  Dukaten 
und  Ringe  geben.  Allein  er  verspricht  ihr  „das  Allerkostbai'Ste, 
was  ich  dir  nur  geben  könnte"  —  ■ —  „meine  ewige  Gewogen- 
heit."    Mit  diesem  „Bettel"    ist  jedoch  Lisette   nicht   zu  gewinnen. 

(9.)  Segarin  hat  wenig  Aussichten.  Wenn  er  die  Heirat 
nicht  fertig  bringt,  so  könnte  „aus  dem  gnädigen  Herrn  wieder 
ein  Schuhputzer  werden". 

Andrer  Aufzug.  (1.)  Labrax,  ein  Name,  den  Lessing  dem 
plautinischen  Rudens  entnommen  hat,  tritt  auf.  Seltenarm  hat 
ihn   rufen  lassen. 

(2.)  Seltenarm  weist  das  Angebot  von  Naturalien,  das  ihm 
Labrax    macht,    ab.       Er    will    anderes    von    ihm.        „Welches   sag' 


Lessings  Weiber  sind  Weiber.  745 

ich  ihm  zuerst?  Dass  er  Geld  verdienen  kann,  oder  dass  ich  ihn 
zu  einem  Schelmenstreiche  brauchen  will?"  Er  fragt  ihn,  oh  er 
ein   ehrlicher  Mann  sei. 

Mit  Labrax'  Worten  endet  das  Fragment,  an  dessen  Voll- 
endung Lessing  vielleicht  noch   1755   dachte.1) 

Danzel  urteilt  über  Lessings  Bearbeitung:2)  „Der  zweite 
Gesichtspunkt,  den  Lessing  in  die  Behandlung  des  plautinischen 
Stoffes  einführt,  ist  die  genauere  psychologische  Motivierung, 
welche  die  Neuzeit  fordert.  So  lässt  er  die  beiden  Schwestern 
in  „Weiber  sind  Weiber11,  die  bei  Plautus  nur  eben  auf 
ganz  gleiche  Weise  schlechthin  ihren  Männern  ihre  Treue  be- 
wahrt haben,  wenigstens  von  verschiedenem  Charakter  sein;  ja  es 
scheint  fast,  als  ob  die  eine,  Laura,  eine  Heuchlerin  sein  sollte, 
was  dann  wiederum  den  Stoff  des  Werkes  reicher  machen  musste, 
und  der  alte  Seitenarm  Avill  seine  Töchter  wieder  verheiraten, 
um  mit  seinem  Dienstmädchen  zu  leben:  worauf  übrigens  Lessing 
durch  den  Einfall  bei  Plautus  gekommen  ist:  Antipho  will  seine 
Töchter  ,,ad  absurdum"  führen  und  fragt  sie,  wie  ein  wackeres 
Weib  denken  müsse  —  sie  antworten,  warum  er  so  frage,  und 
er  sa°-t    —  zur  Ausflucht,    ..er  wolle  AAieder  heiraten.'1 


Weitere  Spuren  hat  der  Stichus  nicht  hinterlassen. 
Wenn  Rapp3)  sagt:  „Das  Examen  der  Töchter  erinnert  übrigens 
nicht  undeutlich  an  die  Exposition  von  König  Lear,  und  selbst 
die  Streitfrage  über  die  beste  Frau  kommt  ebenso  im  Othello 
vor,"  so  sind  das  Zufälligkeiten,  Szenen  und  Gedanken,  zu  denen 
Shakespeare  und  manch  minderer  nach  ihm  gewiss  selbständig 
kommen  konnte.  Daraus  zu  schliessen,  ..dass  Plautus  Jugend- 
eindrücke in  Shakespeare  zurückgelassen,  ist  hier  abermals,  wie 
in  andern  Stücken,  klar,11  kann,  selbst  wenn  man  die  Thatsache 
an  sich  ztizugestehen  geneigt  wäre,  nach  dem  Stichus  und  den 
betreffenden  Stellen  im  König  Lear  und  Othello  gewiss  nicht 
angehen. 

Als  letzte  Arbeit  Brunamottis  führt  Argelati4)  an:  „Lo 
Stico,    Commedia   di   Planto,   tradotta   in   versi   ital.    sciolti"  Msk. 


')  Düntzer,  Lessing. #als  Dramatiker,  S.  34. 

2)  A.  a.  0.   I,  149.     Über  weitere   den  Franzosen   entlehnte  Motive. 
des  Stückes  s.  ebenda  I,  152. 

3)  Die  plaut.  Lustsp.,  S.  1781. 
*)  in,  237. 


746  XIX.   Trinummus. 


XIX.   Trinummus. *) 


Zu  allen  Zeiten  galt  der  Trinummus  als  eines  der  besten 
Stücke  des  Plautus.  Lessing2)  sagt:  „Nach  den  Gefangenen  des 
Plautus  ist  dieses  sein  vortrefflichstes  Stück."  Es  fehlt  ihm 
nicht  an  Szenen,  welche  auch  auf  unsrer  heutigen  Bühne  eines 
glänzenden  Erfolges  versichert  sein  dürften;  darum  trug  sich 
auch  der  Stuttgarter  Schauspieler  Seydelmann  einige  Zeit  mit 
dem  Gedanken,  den  Trinummus  auf  die  Bühne  zu  bringen.3) 
„Gewiss  ist,"  bemerkt  Rapp,4)  „dass  unser  gegenwärtiges  Stück 
in  einem  hohen  Grade  die  häusliche  Behaglichkeit  des  Familien- 
stücks mit  einem  Anhauch  freierer  Poesie,  teils  hochkomischer 
Charakteristik,  teils  einem  bedeutenden  Einflüsse  des  Zufalles, 
also  des  Abenteuers  zu  vereinigen  weiss."  Er  nennt  den 
Trinummus  „in  seiner  Gattung,  dem  Familienstück,  gewiss  eines 
der  ersten  Musterstücke;"  auch  Teuf  fei5)  bezeichnet  es  als  „ein 
Familienstück  von  bemessener  Anlage  und  Tonfärbung." 

Mit  den  Captivi  hat  es  ferner  den  Mangel  weiblicher 
Rollen  gemeinsam. 

Ein  Prolog,  von  der  Luxuria  und  ihrer  Tochter  Inopia 
gesprochen,  der  nach  Ritschi6)  zu  den  echten  zählt,  belehrt  uns, 
dass  das  Stück  im  Griechischen    „Der  Schatz"    heisst  (V.   18): 

Huic  Graece  nomen  est  Thensauro  fabulae: 
Philemo  scripsit:   Plautus  uortit  barbare, 
Nomen  Trinummo  l'ecit. 

In     der     ersten     Szene     des     ersten     Aktes     tritt    der    alte 

Megaronides  auf.      Schwer  Avird  ihm  die  Pflicht,    seinen  Freund 

Callicles  Avegen  Avohlverdienter  Schuld  zu  Rede  zu  stellen;   allein 

es  muss  sein.     Eben  naht  Callicles,   und  in  edler,   offener  Weise 

macht    ihm    nun  Megaronides  Vorhalt    über    alles,    was    man   in 

der    Stadt    von    ihm    sich    erzähle.       Noch    als    Greis    begehe    er 

Bubenstreiche   (V.   43): 

Hie  illest  seneeta  aetate  qui  factust  puer, 
Qui  admisit  in  se  eulpam  castigabilem. 


')  Ausg.  von  G.  Hermann  (Lpz.  1800.  1853);  Göller  (Coloniae  1824); 
Lindemann  (Lpz.  1830);  Geppert  (Berl.  1844,  Leipz  1854);  Thom. 
Vallauri  (Turin  1856);  J.  Brix  (Lpz.  1879,  2.  Aufl.);  W.  Wagner  (Cam- 
bridge 1875,  2.  Aufl.);  And.  Spengel  (Berl.  1875);  C.  E.  Freeman  and 
A.  Sloman  (London  1883).     Hier  ist  zitiert  nach  Fleckeisen. 

2)  Beiträge,  S.  51. 

3)  Rapp,  Die  pl.  L.,  S.  1980. 
'■)  A.  a.  0.,  S.  193. 

5)  G.  d.  r.  L.,  S.  152. 

6)  Parerg.  I,  236.     (Vgl.  Teüffel,  Studien,  S.  256.) 


Charakteristik  desselben.  747 

Schändlicherweise  sammle  er  Geld,  ja  selbst  seinem  lieder- 
lichen Mündel  habe  er  sein  Haus  abgekauft,  als  er  es  leichtfertig 
feilbot.      So   spreche  jedermann  (F.    98): 

Primumdum  omnium 
Male  dictitatur  tibi  uolgo  in  sermonibus. 
Turpilucricupidum  te  uocant  ciues  tui : 
Turn  autem  sunt  alii  qui  te  uolturium  uocant: 
Hostisne  an  ciuis  comedis  parui  pendere. 

Callicles  sieht  sich  denn  gezwungen,  sein  lange  verhaltenes 
Geheimnis  seinem  Freunde  zu  verraten.  Als  Charmides,  sein 
Freund,  in  die  Ferne  zog,  vertraute  er  Callicles  an,  dass  in 
seinem  Hause   ein   Schatz  verborgen  sei  (F.    152): 

Nummum  Pkilippeum  ad  tria  milia. 

Doch  beschwor  er  ihn,  seinen  Sohn  ja  nichts  wissen  zu  lassen. 
Diesen  und  seine  Tochter  vertraute  er  ihm  an;  sollte  er  glücklich 
wiederkehren,  so  war  für  beide  gesorgt;  wo  nicht,  so  gereichte 
der  Schatz  der  Tochter  zur  Aiissteuer.  Nun  ist  aber  der  Sohn 
des  Charmides,  Lesbonicus,  ein  schlechter  Wirtschafter  ge- 
worden. Wein  und  Liebe  zerrütteten  seinen  Vermögensstand, 
und  während  Callicles  nur  auf  sechs  Tage  sich  aufs  Land  begab, 
schrieb  Lesbonicus  sein  Vaterhaus  als  verkäuflich  aus.  Da 
hielt  es  denn  Callicles  für  seine  Freundespflicht,  dasselbe  an- 
zukaufen und  so  dem  Freunde  den  dort  verborgenen  Schatz  zu 
retten.   (F.    179): 

argentum  dedi 
Thensauri  causa,  ut  saluom  amico  traderem. 

Mit    diesem    Geständnisse    hat    er    freilich  die    Meinung    des 

Megaronides     zum    Gegenteile    umgestimmt.  Dieser    hält, --da 

Callicles    abgetreten    ist,    einen    wundervollen  Monolog,    der    in 

trefflichen  Worten  die  ganze  Erbärmlichkeit  der  Klatschsucht 
brandmarkt.    (F.    199): 

Nihil  est  profecto  stultius  neque  stolidius 
200.     Neque  mendacilocum  neque  adeo  argutum  magis 

Neque  confidentiloquius  neque  periurius 

Quam  urbani  adsidui  ciues,  quos  scurras  uocant. 

Atque  egomet  me  adeo  cum  illis  una  ibidem  traho: 

Qui  illorum  uerbis  falsis  aeeeptor  fui, 
205.     Qui  omnia  se  Simulant  scire  neque  quiequam  sciunt. 

Quod  quisque  in  animo  habet  aut  habiturust,  sciunt: 

Sciunt,  quid  in  aurem  rex  reginae  dixerit: 

Sciunt  quod  Iuno  f'abulatast  cum  Ioue: 

Quae  neque  fuerunt  neque  sunt,  tarnen  illi  sciunt. 
210.     Falsone  an  uero  laudent,  eulpent  quem  uelint, 

Non  flocci  f'aeiunt,  dum  illut  quod  lubeat  sciant. 


748  XIX.   Trinummus. 

Nur  ein  Mittel  gäbe  es  gegen  diese  schändliche  Klatschsucht 
(F.   217): 

Quod  si  exquiratur  usque  ab  stirpe  auctoritas, 
Vnde  quid  auditum  dicant:  nisi  id  adpareat, 
Famigeratori  res  sit  cum  damno  et  malo: 
220.     Hoc  ita  si  fiat,  puplico  fiat  bono. 

Pauci  sint  faxim  qui  sciant,  quod  nesciuut, 
Occlusioremque  habeant  stultiloquentiam. 

Im  zweiten  Akte  tritt  Lusiteles  auf,  ein  vortrefflicher, 
fast  altkluger  Jüngling.  Sein  Vater  Philto  hat  allen  Grund, 
sich  dieses  Sohnes  zu  freuen.  Da  Lusiteles  nun  seinen  Vater 
bittet,  ihm  die  Schwester  des  Lesbonicus  zur  Frau  zu  geben 
und  selbst  für  ihn  zu  werben,  giebt  er  nach  ganz  kurzem  Wider- 
stände seine  Einwilligung  hierzu.  Eben  naht  Lesbonicus  mit 
seinem  Sklaven  Stasimus.  Ihm  tritt  Philto  in  den  Weg,  um 
für  seinen  Sohn  zu  freien.  Anfangs  glaubt  Lesbonicus  Philto 
spotte  seiner  Armut;  als  er  ihm  jedoch  erwidert,  er  verlange 
nicht  die  geringste  Mitgift,  erwidert  ihm  Lesbonicus,  sein  Leicht- 
sinn solle  nicht  seiner  Schwester  zum  Schaden  gereichen.  Noch 
besitze  er  ein  Gütchen  ausserhalb  der  Stadt  (,,'st  ager  sub  urbe 
nobis, "  V.  508);  dieses  soll  die  Mitgift  seiner  Schwester  werden. 
In  ungeheuer  drastischer  Weise  spricht  Stasimus  gegen  diesen 
Plan  seines  Herrn  und  sucht  durch  die  schrecklichsten  Schilde- 
rungen jenes  „ager",  auf  welchem  „in  quincto  quoque  sulco  mori- 
untur  boues"  (F.  524),  wo  „Acheruntis  ostium"  (F  525)  sei,  wo 
alle  Reben  faulen,  ehe  sie  reifen  (F  526),  wo  die  Ernte  dreimal 
kleiner  ist  als  die  Aussaat  (F.  530)  u.  s.  w.,  Philto  abzuschrecken, 
seinem  Herrn  den  letzten  Besitz  („nutricem  quae  noseducat,"  F.  512) 
abzunehmen.  Lesbonicus  aber  beharrt  darauf,  seine  Schwester 
nicht   unter  seinem  Leichtsinn  leiden   zu  lassen  (F.   585): 

Neque  enim  illi  damno  umquam  esse  patiar  —  — 
Meam  neglegentiam. 

Im  dritten  Akte  meldet  Stasi mus  dem  Callicles  die 
Verlobung  des  Lusiteles  mit  der  Schwester  des  Lesbonicus. 
Callicles  begreift  sofort  die  Notwendigkeit  einer  Aussteuer.  — 
Die  zweite  Szene  führt  uns  den  Streit  des  Lusiteles  und  Les- 
bonicus wegen  der  Mitgift  vor.  Unverrichteter  Sache  scheiden 
sie.  Stasimus  sieht,  dass  auf  solche  Weise  seines  Bleibens  bei 
seinem   Herrn   nimmer  sein  kann   (F.    727): 

Ad  forum  ibo:  nudius  sextus  quoi  talentum  mutuom 
Dedi  reposcam,  ut  babeam  mecum  quod  feram  uiaticum. 

Megarönides  und  Callicles  beraten  sich  über  die  Mitgitt 
des   Mädchens.      Callicles   kann   ihr  eine   solche    nicht   geben;    es 


Charakteristik  desselben.  749 

würde  dies  dem  Stadtgespräche  neue  Nahrung-  leihen.  Man  würde 
sagen,  die  Mitgift  sei  längst  bei  ihm  hinterlegt  und  eher  ver- 
ringert als  vermehrt  worden  (F.  740  ff.).  So  ersinnt  Megaro- 
nides  einen  anderen  Plan.  Ein  Unbekannter  hätte  als  Bote  des 
abwesenden  Vaters  Charmides  zwei  Briefe  und  Geld  für  die 
Tochter  zu  überbringen.  Die  Summe  aber  soll  von  dem  ver- 
grabenen  Schatze  weggenommen  werden. 

Mit  dem  vierten  Akte  tritt  Charmides  auf.  Er  ist  zurück- 
gekehrt und  dankt,  ähnlich  Theuropides  in  der  Mostellaria, 
den  Göttern  für  ihre  Gnade.  Reich  ixnd  glücklich  kömmt  er 
heim.  Zu  ihm  stösst  der  sucophanta  Pax,  derselbe  Gauner, 
der  von  Megaronides  als  Überbringer  des  Goldes  des  Char- 
mides gedungen  worden  war.  Er  fragt  Charmides,  wo  Les- 
bonicus  wohne,  da  er  von  seinem  Vater  Gelder  und  Briefe  für 
ihn  habe.  Nach  längerer,  launiger  Unterredung  giebt  sich  Char- 
mides als  diesen  —  „ipsissumus"  (F.  988)  —  zu  erkennen.  Der 
sucophanta  händigt  ihm  alles  ein.  Da  erscheint  Stasi  raus;  er 
ist  zurückgelaufen  (F    1011): 

ne  bubuli  in  te  cottabi  crebri  crepent, 
Si  aberis  ab  eri  quaestione. 

Charmides  erkennt  ihn,  nach  einiger  Zeit  auch  Stasimus 
seinen  Herrn.  Von  dem  Sklaven  erfährt  Charmides,  dass  dies 
Haus  nicht  mehr  sein  eigen  sei.  Call i des  tritt  aus  demselben 
und  antwortet   auf  des  Charmides  Klage   (F.    1095): 

Qualine  amico  mea  conmendaui  bona? 

die  Worte:  „Probo  et  fideli  et  fido  et  cum  magna  lide!"  Dann 
geleitet   er  ihn  ins  Haus. 

Im  fünften  Akte  löst  sich  der  Knoten  leicht.  Lusiteles 
hat  erfahren,  dass  Charmides  zurückgekehrt  sei,  und  will  nun 
von  ihm  die  Tochter  erhalten,  die  ihm  dieser  auch  freudig,  doch 
nur  mit  einer  Mitgift,   zugesteht  (V.   1159): 

Si  illa  tibi  placet,  placenda  dos  quoquest  quam  dat  tibi. 

Lesbonicus  heisst  seinen  Vater  willkommen  und  nimmt 
des  Callicles  Tochter  zur  Frau  mit  dem  Versprechen  eines 
besseren  Lebens  (F.  1187:  ,,At  iam  posthac  temperabo").  So  endet 
mit   dem  üblichen  Plaudite  des  Cantor  die  Komödie. 

Die  Grundidee  des  Stückes  ist  eine  sehr  ernste. 
Nicht  das  Schlimmste  darf  man  von  allen  Leuten  glauben;  selbst 
der  als  leichtfertig  gezeichnete  und  als  solcher  verrufene  Les- 
bonicus hat  edle  Seiten  und  ist  im  Grunde  seines  Wesens  kein 
verächtlicher  Mensch.     Was  nun  gar  von  dem  Gerede  der  Menge 


750  XIX.   Trinummus. 

zu    halten    ist,     hat    uns    ja    Megaronides    bereits    in    beredten 
Worten  erörtert. 

In  dem  Stücke  spielen  vier  Alte  und  zwei  Jünglinge. 
Megaronides  ist  eine  Achtung  gebietende  Erscheinung.  Als 
Jugendfreund  des  C all i des  (F.  48)  und  unter  allen  sein  bester 
(V.  94:  ,,tu  ex  amicis  certis  mi  's  certissumus")  hält  er  es  für  seine 
Pflicht,  wenn  auch  mit  schwerem  Herzen  (V.  24),  den  Freund 
„castigare  ob  meritam  noxiam"  (V.  23).  Das  Gerede  der  Menge 
verführt  ihn,  sodass  er  an  seinem  Freunde  Zweifel  hegt.  Daran 
thut  er  unrecht,  und  er  rechnet  es  sich  zum  Vorwurfe  an  (F.  215): 

Ego  de  eorum  uerbis  famigeratorum  insciens 
Prosului  amicurn  castigatum  innoxium. 

Von  nun  an  steht  er  ihm  in  allem  treu  zur  Seite.  Ungern 
vermisst  man  in  den  beiden  letzten  Akten  den  Mann  mit  seinem 
allezeit   bereiten  Rate. 

Callicles,  das  Opfer  der  Verleumdung,  rechtfertigt  sich  in 
glänzender  Weise.  Von  ihm  gilt  das  Wort,  womit  der  Sklave 
Stasimus  seine  Hingabe  preist   (F.    1110): 

Hie  meo  ero  amicus  solus  firmus  restitit 
Neque  demutauit  animum  de  firrna  fide, 

und  das  Charmides  von  ihm  ausspricht  (V.    1125): 

Neque  fuit  ueque  erit  neque  esse  usquam  honiinem  terrarum  arbitror, 
Quoius  fides  fidelitasque  amicum  erga  aequiperet  tuam. 

Er  aber  weist  jede  Anerkennung  mit  den  Worten  zurück  (F.  1129): 

Non  uideor  meruisse  laudem,  culpa  caruisse  arbitror. 

Eigentümlich  führt  sich  Callicles  ein  mit  den  Worten,  die 
er  von  seiner  Frau  spricht  (F.  42):  „Teque  ut  quam  primum  possim 
uideam  emortuam"  und  (F.  51)  auf  die  Frage,  wie  es  ihr  ergehe 
(ut  ualet?)  ,.Plus  quam  ego  uolo".  Rapp1)  meint,  das  Stück 
habe  keine  Weiber,  „ja  eine  gewisse  Weiberverachtung  ist  nicht 
nur  der  Faden,  der  durch  das  Ganze  hindurchgeht,  sondern  der 
ausgesprochene  Anfangs-  und  Schlusspunkt  desselben."  Der  Stellen, 
welche  gegen  die  Weiber  gerichtet  sind,  sind  allerdings  meln-ere; 
allein  es  ist  ein  auch  für  unser  Lustspiel  nicht  zu  grober  Spass, 
wenn  Megaronides  findet,  dass  kein  Weib  ein  Geheimnis  be- 
wahren könne  (F.  800.  801),  oder  wenn  Charmides  meint,  für 
Lesbonicus  sei  ein  Weib  zu  wenig  Strafe,  man  sollte  ihm 
hundert  geben   (F.    1186). 


')  Rapp  a.  a.  O.,  S.  194. 


Charakteristik  desselben.  751 

Der  alte  Philto  mit  seinen  rechtschaffenen  Grundsätzen  ist 
der  neueren  Zeit  gram.  Lieber  wäre  er  tot,  als  dass  er  sie  er- 
leben mnsste  (F.   290): 

Lacrumas  haec  mihi,   quom  [ea]  uideo,  eliciunt,  quia  ego  ad  hoc  genus 
Hominum  perduraui. 

Die  Gegenwart   schildert   er  in  den   trübsten  Farben  (F.   283): 

Noui  ego  hoc  saeculum,  moribus  quibus  siet: 
Malus  bonum  malum  esse  uolt,  similis  ut  sit  sui. 
Turbant,  miscent  mores  mali,  rapax,  auarus,  inuidus: 
Sacrum  profannm,  puplicum  priuatum  habent,  hiulca  gens. 

Er  lebt  in  Wohlstand  von  dem,  was  er  sich  selbst  erwarb 
(F.   347.   355),   seinem  Sohn   ein  treuer  Freund  imd  Berater. 

Charmides  kömmt  nach  mannigfaltigen  Erlebnissen  zur  See 
in  seine  Heimat  zurück  und  begrüsst  sie  mit  Worten  voll  er- 
habenen Schwunges.  Er  geht  der  lange  ersehnten  Ruhe  ent- 
gegen (F.   838): 

dehinc  iam  certumst  otio  dare  me:  satis  partum  habeo, 
Quibus  aerumnis  deluctaui,  filio  dum  diuitias  quaero. 

Er  hat  die  Genugthuung,  die  Besserung  seines  Sohnes  zu 
sehen  und  mit  dem  zufriedenen  Worte  „Optumumst"  das  Stück 
zu  schliessen. 

Die  beiden  Jünglinge  Lusiteles  und  Lesbon icus  sind  in 
vielen  Stücken  reine  Gegensätze.  Lusiteles  ist  das  Ebenbild 
des  Vaters;  ein  vortrefflicher  Sohn,  der  sich  rühmen  kann  (F.  301): 

Semper  ego  usque  ad  hanc  aetatem  ab  ineunti  adulescentia 
Tuis  seruiui  seruitutem  inperiis  praeceptis,  pater. 

Auch  an  ihn  ist  die  Versuchung,  und  zwar  ernstlich,  heran- 
getreten  (F.   225): 

Egomet  me  coquo  et  macero  et  defetigo, 
und   er  ist  noch  nicht   völlig  im   Reinen  (F.   228): 

Vtram  potius  harum  mihi  artem  expetessam, 
Vtram  aetati  agundae  arbitrer  firmiorem. 

Doch   alsbald   findet   er  wieder  den  richtigen    Weg  (F.   270): 
Certa  res  est  ad  frugem  adplicare  animum 

u.    s.    w.      So    verabscheut   er    die  Verlockungen    der    Liebe.      Es 

klingt   fast   asketisch,    wenn   er   (F    264)   ausruft: 


752  XIX.   Trinummus. 

Mille  modis  amor  ignorandust,  j>rocul  abdendust,  apstinendust. 
Nam  qui  in  araorem  praecipitauit,  periit  quasi  [de]  saxo  saliat. 
Apage  sis  amor:  tuas  tibi  res  babeto. 

Amor,  amicus  aiihi  ne  fuas  umquam. 

Bei  diesen  an  einem  Jünglinge  dieses  Zeitalters  seltenen 
Grundsätzen  überrascht  es  indessen  ganz  wohlthuend,  dass  Lu- 
sit el es  die  Verirrungen  anderer  nicht  mit  seinem  asketischen 
Massstabe  misst,  vielmehr  lür  Lesbonicus  Worte  freundschaft- 
licher Entschuldigung  bereit  hat. 

Lesbonicus,  aus  einer  vortrefflichen  Familie  (F.  326:  ,,genere 
summo;"  F.  373:  ,,genere  adprime  probo")  stammend,  ist  allerdings 
durch  seine  eigene  Schuld,  durch  Nichtsthun  und  Liebeshändel, 
herabgekommen.  Offen  sagt  es  ihm  Lusiteles  (F.  647):  „culpa 
maxume  et  desidia  tuisque  stultis  moribus. "  Er  gesteht,  dass 
Sinnenlust  und  Liebe  ihn  zu  Fall  gebracht  haben;  ,,ui  Veneris 
uinctus,  otio  aptus  in  fraudem  incidi"  (F  658).  Sein  Eigentum 
hat  er  vergeudet  (F  360),  in  vorschnellem  Mitleid  für  andere 
Bürgschaft  geleistet  (F  437).      Sein  Sklave  sagt  (7.  406): 

Comessum,  expotum,  exunctum,  elutum  in  balineis: 
Piscator,  pistor  apstulit,  lanii,  coqui, 
Holitores,  muropolae,  aucupes. 

Er  gesteht  dies  selbst  (F.  682):  „abusus  tantam  rem  sum  pa- 
triam,"  sowie  er  sich  seines  Leichtsinnes  völlig  bewusst  ist  (F.  585. 
586.  587).  Dennoch  aber  bricht  überall  bei  ihm  ein  tiefwurzelnder 
edler  Sinn  vor.  Ehrlich  zu  sein,  kann  er  sich  trotz  seiner  Dürftig- 
keit rühmen  (F.  689:  ,,ut  inops  infamis  ne  sim").  So  besteht  er 
nachdrücklichst  darauf,  seiner  Schwester  den  letzten  ,,  ager"  als 
Mitgift  zu  geben  (F.  689): 

ne  mi  banc  famam  differant 
Me  germanam  meani  sororem  in  concubinatum  tibi 
Sic  sine  dote  dedidisse  magis  quam  in  matrimonium. 

Es  ist  ein  Jüngling,  wie  ihn  der  ernste  Lusiteles  schildert, 
in  welchem  ein  Stück  Unbesonnenheit  steckt  (F.  327:  „minus  qui 
caute  et  cogitate  suam  rem  tractauit"),  der  teils  aus  Gutherzigkeit, 
teils  aus  Lebenslust  das   Seinige  hinwarf  (F.   333): 

Per  comitatem  edepol,  pater: 
Praeterea  aliquantum  animi  causa  in  deliciis  disperdidit. 

Doch  ist  er  ein  Mensch  ohne  jegliche  Bosheit  („Sine  omni 
malitiast,"  F.  338).  Auch  bei  der  Rückkehr  seines  Vaters  zeigt 
er  eine  ungeheuchelte  Freude. 

Ihm  zur  Seite  steht  sein  Sklave  Stasimus,  seinem  Herrn 
treu  ergeben  (F.   527): 

etsi  scelestus  est 
At  mi  infidelis  non  est. 


Cecchis  La  Dote.  753 

Seine  Hauptsorge  erstreckt  sich  auf  die  Erhaltung  des  letzten 
ager.  ,,Si  quidem  ager  nobis  saluos  est!"  ist  sein  Ziel  (7.  593). 
Was  er  sonst  vom  Leben  hält,  hat  er  hübsch  in  die  Sätze  zu- 
sammengefaßt  (F.   478): 

Verecundari  neminem  aput  mensam  decet: 
Nam  ibi  de  diuinis  atque  hunianis  cernitur. 

Der  Sykophant  mit  dem  „nomen  nugatorium"  (7  890)  Pax, 
„der  professionierte  Gauner,"  *)  ist  eine  trefflich  gezeichnete  Gestalt. 
Seine  Aufgabe  ist,  dass  derjenige,  welcher  ihn  gemietet  hat,  „me 
ipsum  plane  esse  sucophantam  sentiat"  (7  860).  Charmides 
zeichnet  ihn  als  einen  Pilz  (7.  851:  ,,fungino  generest")  mit  ver- 
dächtigem Aussehen  (7   862): 

Quo  niagis  specto,  minus  placet  mi  ea  hominis  facies:  mira  sunt 
Ni  illic  homost  aut  dormitator  aut  sector  zonarius. 

Sein  Gaunertalent  erweist  sich  vorzüglich  da,  wo  er,  der 
noch  keine  Reise  gemacht  hat,  aus  Seleucien,  Makedonien,  Syrien, 
Asien  und  Arabien  zu  kommen  vorgiebt  („quas  ego  neque  oculis 
neque  pedibus  umquam  usurpaui  meis,"  (7  846)  und  von  Arabien 
im  Pontus  (7  934),  ja  selbst  von  Juppiters  Thron  (7  940) 
spricht. 


Eine  geschickte  Bearbeitung2)  des  Trinummus  mit  Be- 
nützung der  Mostellaria  ist  Cecchis  Lustspiel  ,,La  Dote".3) 
Im  Prologe  heisst  es  nicht   ohne  litterarische   Seitenhiebe: 

Fia  questa  dota  una  nuoua  comedia 
In  buona  parte  cauata  da  Plauto, 
Questo  si  dice  perche  alcun  non  pensi 
Quest'  uno  autore  uogl'  esser  simile 
A  certi  ladroncelli,  i  quali  rubano 
Non  gli  argomenti,  ma  le  comedie 
Intere,  intere  e  sol  con  lo  intratesserui 
Un  framessuzzo  le  dan  fuori,  e  giurano 
Con  le  mari  e  co  pie  che  hanno  cauatosela 
Della  lor  testa.     EgV  ha  tolto  da  Plauto 
L'  argomento  in  gran  parte  de  la  fauola. 


')  Rapp,  die  pl.  L.,  S.  194. 

2)  Bei  Riccoboni,  II,  225 — 251,  findet  sich  eine  genaue  Analyse 
des  Stückes.  Dort  heisst  es  ferner  II,  257:  „Suivant  ma  facon  de  penser 
je  trouve  cette  piece  tres-bonne."  (258):  „Entre  les  autres  merites  de 
la  comedie  de  la  Dote  celui  de  l'economie  de  theätre  me  paroit  tres- 
remarquable." 

3)  La  Dote.  |  Comedia  |  di  Giovau  Maria  |  Cechi  (sie)  Fiorenjtino. 
In  Vinegia  appresso  Gabriel  Giolito  de  Ferrari  e  fratelli.  1550.  (47  fol.) 
—  Vgl.  Ginguene,  VI,  273.  —  Ruth,  IL,  583. 

48 


754  XIX.   Trinummus. 

Die  Entschuldigung'  Cecchis  ist  die  hundert  und  hundertmal 
bei  allen  Imitatoren  wiederkehrende,  dass  auch  Plautus  und 
Terenz  sieh  fremde  Stoffe  aneigneten. 

I.  Akt.  (1.)  Bindo  (Megaronides)  redet  seinem  Freunde 
Manno  (Callicles)  ins  Gewissen,  dass  er  alt  und  kinderlos,  ,,eo 
]>iedi  horamai  nella  fossa,"  noch  ein  Knecht  der  Habsucht  sei,  zu- 
nächst, dass  er  das  Haus  seines  Freundes  F i  1  i p  o  Rauignani, 
der  auf  dem  Wege  nach  London  Schiffbruch  litt,  dem  verschwen- 
derischen Sohne  abgekauft  habe,  obwohl  der  scheidende  Freund 
ihm  seine  Kinder  anvertraute.  Wie  bei  Plautus  erzählt  Manno 
den  Grund  dieser  Handlungsweise.  „Tre  mila  ducati  d'  oro"  seien 
dort  vergraben  gewesen,  welche  die  Aussteuer  der  Tochter  aus- 
machen. Ja  Manno  that  noch  mehr  als  Callicles.  Das  Hatis 
war  bereits  verkauft;  es  fehlte  nur  noch  die  Ausfertigung  des 
Kaufvertrages.  Sobald  Manno  dies  von  seinem  Bruder  Guido 
erfuhr,  machte  er  alles  rückgängig,  rettete  für  sich  das  Haus 
und  somit  für  die  Tochter  den  Schatz.  Das  Mädchen  ist  bei 
Manno. 

(2.)  Federigo  (Lesbonicus)  tritt  auf  im  Gespräche  mit 
Ipolito  (Lusiteles)  im  allgemeinen  nach  Plautus  (V.  276  ff.). 
Ipolito  will  Federigos  Schwester  heiraten,  und  zwar  ohne  Mit- 
gift; ,,io  non  uoglio  che  si  parli  di  dote."  Er  hofft,  es  dahin  zu 
bringen,  dass  sein  Vater  die  Erlaubnis  nicht  verweigert.  Fede- 
rigo aber  will  davon  nichts  hören.  Er  hat  nur  noch  ein  kleines 
Landgut,  das  soll  die  Mitgift  seiner  Schwester  ausmachen.  Ganz 
so  edel,  wie  Lesbonicus,  ist  indes  Federigo  nicht.  Ipolito 
möge  es,  meint  er,  bei  seinem  Vater  versuchen,  ob  er  zur  Heirat 
beistimme. 

II.  Akt.  (1.)  Federigo,  welcher  die  Stadt  verlassen  wollte, 
ist  auf  die  dringenden  Bitten  seiner  Freunde  noch  vier  Tage 
geblieben.  Nach  kurzem  Gespräche  Federigos  mit  seinem  Diener 
Moro  (2.)  und  Moros  mit  der  Magd  Tessa  (3.)  folgt  die  Unter- 
redung (4.)  des  alten  Fazio  mit  seinem  Sohne  Ipolito.  Fazio 
lässt  sich  weit  anders  vernehmen,  als  der  gute  plautinische  Philto. 
Sein  Sohn  darf  nur  eine  Frau  heiraten,  die  über  dreitausend 
Golddukaten  Aussteuer  verfügt.  ,,Se  la  fasse  piu  bella  ch'  el  sole, 
piu  nobile  che  la  nobiltä  e  figliuola  del  Doge  di  Vinegia,  non 
uoglio  che  tu  tolga  moglie  senza  dote."  Er  will  nicht  wissen, 
AVer  sie  ist,  und  auch  da  er  hört,  dass  es  die  Tochter  seines 
einst  reichen,  liebsten  Freundes  Filipo  ist,  bleibt  er  bei  seinem 
Ausspruche.  Cecchi  hat  so  eine  neue  Episode,  ein  neues  Ehe- 
hindernis geschaffen. 

(5.)  Federigo,  Ipolito  und  Guido  haben  eine  lange  Unter- 
redung, wie  Fazio  zu  bestimmen  wäre,  seine  Einwilligung  zur 
Heirat  Ipolitos  zu  erteilen.      Moro,    der  gelungene  Diener,    ist, 


Cecchis  La  Dote.  755 

wie  Stasimus,  mit  seinem  Herrn  gar  nicht  einverstanden.  Das 
Gut  muss  unter  allen  Umständen  erhalten  bleiben.  Er  versucht 
alles,  es  nach  Kräften  herabzusetzen.  Das  Schrecklichste  wäre 
für  ihn,  wenn  er  mit  seinem  Herrn  in  den  Krieg-  ziehen  müsste; 
und  etwas  anderes  bliebe  ihm  ja  nicht  mehr  übrig.  Weit  vorteil- 
hafter wärt'  es  nach  seiner  Anschauung-,  Camilla  in  ein  Kloster 
zu  stecken:  sie  würde  den  Himmel  erringen,  und  ihnen  verbliebe 
das  Landgut. 

III.  Akt.  (1.)  Auch  Manno  hat  sich  unterdessen  bei  Fazio 
zu  gunsten  Ipolitos  verwendet;  er  habe  in  Erfahrung  gebracht, 
dass  das  Gut  nicht  viel  wert  sei.  (2.)  Fazio  ist  nicht  gänzlicb 
abgeneigt,  da  die  Verhältnisse  sich  besser  zu  gestalten  scheinen. 
Er  erkundigt  sich  bei  (3.)  Moro  eingehend  um  alles,  und  dieser 
erzählt  ihm  weitläufig,  was  er  in  sechszehn  Jahren  gesehen  und 
erfahren  hat.  „La  sorella  e  in  casa,  e  danari  sono  spesi. "  Wie 
Stasimus  (F.  521  ff.)  schildert  er  nun  das  Landhaus:  „La  casa 
e  tutta  spaleata  e  in  puntelli;"  ja  —  zum  erstenmale  spielt 
hier  schon  ein  Stück  Mostellaria  herein  —  „et  anco  da 
pochi  mesi  in  qua  ui  si  e  cominciato  a  sentir  dentro  non  so  che 
diauolerie  la  notte  ch'  io  per  me  non  u'  albergo  mai  in  pace."  — 
Die  weiteren  Gespräche  der  Dienstboten  (4.  5.  6.)  haben  zur 
Sache  wenig  Bedeutung.  Am  besten  gezeichnet  ist  die  unbe- 
ratene  Geschwätzigkeit  Tessas. 

IV.  Akt.  (1.)  Moro  hat  den  alten  Herrn  zurückkehren 
sehen:  er  ist  in  Florenz  (F.  1007).  »Che  diauolo  di  partito  ha 
il  nostro?  e  trouerä  uenduto  il  nido  e  dato  il  fondo  quasi  a  ciö 
ch'  egli   ci   lasen)." 

(2.)  Filipo  tritt  in  kurzer  Rede  auf  statt  der  langen  (F.  826 
—  841)  des  Originales.  „Ringratiato  sia  Dio  ch'  i  son  condotto 
doppo  tanti  trauagli  a  casa  sano,  o  dolce  patria,  o  cara  patria, 
come  e  suaue  il  goderti,  o  casa  mia,  io  ti  riueggo  pure."  Diese 
Rede  mit  ihren  Anklängen  an  Theuropides  führt  uns 
wirklich  in  die  Mostellaria  ein.  Moro  übernimmt  die 
Rolle  des  Tranio.  Nachdem  er  den  Alten  begrüsst  hat,  von 
dem  er  glaubte,  er  sei  tot,  will  dieser  ins  Haus  treten,  woran 
ihn  Moro  hindert: 

Filip.     0,  Perche  dunque  non  si  puö  entrarui? 
Mor.      Ell'  e  piena  di  spii-iti. 
Filip.    Come,  di  spiriti? 

Mor.      Oime,  dite  piü  piano  che  non  si  scuopra  quel  che  fiuo  a  hora 
e  stato  segreto,  deh  andiancene  qua,  padron,  di  gratia. 

Im  Hause  ist  einer  ermordet  worden  lind  zwar  von  dem- 
jenigen, welchem  das  Haus  abgekauft  wurde.  Federigo,  erfahrt 
Filipo  weiter,  sei  kaum  erst  vom  Krankenbette  aufgestanden, 
auf  welches   ihn    die   schmerzliche  Kunde,    dass  sein  Vater  mit  dem 

48* 


756  XTX.   Trinummus. 

Schiffe  unterging,  hinstreckte.  Da  sei  ihm  eine  Gestalt  erschienen 
mit  dem  Rufe:  „Quanto  mi  uuotu  tener  sotterä  in  questa  casa?" 
Man  wandte  sicli  an  den  Beichtvater.  Dieser  war  schnell  hei  der 
Hand.  Es  geschah  alles  Mögliche,  endlich  fand  man  „queste 
henedette  ossa  di  qnesto  morto"  und  ein  tiefes  Loch.  Entsetzt 
ruft  Filipo  aus:  „Ohne  i'  son  morto;  e  che  ui  trouaste?"  Er 
denkt  an  seinen  vergrabenen  Schatz,  und  so  stehen  wir  mit 
einem  Sprunge  in  der  Aulularia.  „Nulla,"  erwidert  ihm  be- 
ruhigend Moro.  „„Ne  pentole  di  terra?""  „Ne  pentole  ne  teste." 
„„Also  nichts  fand  man'?!  Ohne  i  miei  danari  son  iti  uia!"" 
Federigo,  fährt  Moro  weiter,  ist  auf  dem  Landhause,  und  dort 
hat  er  auch  die  Schlüssel.  Filipo  will  vorderhand  seine  Ankunft 
geheim  halten. 

(3.)  Wie  Tranio  teilt  Moro  seinem  Herrn  Ipolito  die  An- 
kunft des  Vaters  mit.  ..Noi  siam  rouinati!"  Nach  einer  Rede 
der  Tessa  (4.)  ermahnt  Moro  seinen  Herrn,  Mut  zu  fassen. 
(5.)  Die  Sache  sei  geschickt  eingeleitet.  ,,Se  uoi  mi  date  spazzio 
due  giorni  soli,  io  harö  quaranta  huomini  degni  di  fede  che  di- 
ranno  che  uoi  hauete  speso  400  ducati  in  medicarui  et  harö  da 
tino  spetiale  im  conto  eh'  e  piü  la."  Ausserdem  soll  Manno 
sagen,  er  wohne  nur  zur  Miete  im  Hause;  denn  er  hätte  es  nie 
gekauft,  wenn  er  nicht  den  Alten  tot  geglaubt  hätte.  Den  suco- 
phanta  vertritt  hier  der  Tranes  tito  alla  leuantina,  der  Brief 
und  Geld  Filipos  an  Federigo  überbringen  soll.  Sein  Gespräch 
mit  Filipo  ist    so  ziemlich    wie    bei    Plautus  (F.   851   u.   s.   w.). 

V.  Akt.  (1.)  Federigo  teilt  seinem  Freunde  Ipolito  mit, 
dass  sein  Vater  zurückgekehrt  sei,  worauf  ihm  dieser  rät,  er  solle 
seine  Fehltritte  offen  bekennen.  ,,Lo  hauer  uoi  speso  troppo  e  un 
male  che  si  da  a  tutti  o  alla  maggior  parte  di  quei  giouani  che 
non  hanno  sopracapo  che  li  ratfreni;"  aber  den  Vater  zum  besten 
zu  haben,  gehe  nicht  an.  Federigo  zweifelt  noch;  er  schwankt, 
ob  er  nicht  nach  Bologna  gehen  solle.  Ipolito  will  dies  ver- 
meiden und  bespricht  sich  darüber  (2.)  mit  Moro.  Von  diesem 
erfährt  auch  Bindo  (3.),  dass  Filipo  zurückgekehrt  sei,  was 
Tessa  bestätigt.  Den  Hauptinhalt  bildet  noch  eine  bedeutende 
Mahnrede  Filipos  an  seinen  Sohn  ((3.),  sowie  dessen  Entschuldi- 
gung und  die  für  alle  gleich  erfreuliche  Lösung  bis  zum  Plau- 
dite!  ,,Se  la  fauola  u'  e  piaciuta,  fatene  segno!"  fordert  Moro 
die  Zuschauer  auf. 

Nichts  mit  dem  „Trinummus"  gemeinsam  hat  Luigi  Groto 
Ciecos  Stück,.  II  Tesoro".  —  Eine  italienische  Übersetzung  des 
Trinummus  stammt  von  Rin.   Anffel.   Alticozzi. 


Destouches'  Tresor  cache.  757 

Dem  plautinischen  „Trinummus"  ist  die  Comedie  ,.Le  tre- 
sor  cache"    des  Nericault  Destouches1)   entwachsen. 

I.  Akt.  (1.)  Lucidor  (Megaronides)  klagt  über  die  ver- 
fallenen  Sitten  der  Zeit.  ,,Ce  qu'il  y  a  de  plus  commun  &  que 
Ton  trouve  partout  ce  sont  les  faux  amis  et  les  mauvaises  moeurs: 
tous  les  quartiers  regordent  de  cette  marchandise. "  (F.  30: 
„interim  mores  mali  quasi  herba  inrigua  succreuere 
üb  er  r  um  e.")  Selbst  seinen  Freund  muss  er  heute  hernehmen. 
,.Je  ne  veux  plus  supporter  son  changement  et  je  veux  le  lui 
reprocher  en  face."  (F.  25:  ,.nam  ego  am  i  cum  ho  die  meum 
concastigabo  pro  conmerita  noxia.")  (2.)  Geronte  (Calli- 
cles)  kömmt  wie  gewünscht.  Mit  Umgehung  der  plautinischen 
Witze  über  die  Frau  des  Callicles  (F.  57  —  66)  beginnt  Luci- 
dor. seinem  Freunde  Vorwürfe  zu  machen.  „Qu'avez-voiis  fait 
de  ces  moeurs  antiques  que  vos  peres  vous  avoient  transmises? 
.  .  .  Ignorez-vous  qu'en  adoptant  Celles  d'aujourd'hui  vous  scan- 
dalisez  vos  anciens  amis  et  les  exposez  a  se  corrompre  par  votre 
exemple"  [V.  72  ff.).  Ganz  nach  Plautus,  zum  Teile  sogar 
mit  den  gleichen  Worten,  hält  nun  Lucidor  Geronte  vor,  dass 
er  „avide  du  gain  le  plus  honteux"  geworden  sei,  ja  sogar  das 
Haus  seines  ihm  enge  befreundeten  Nachbars  Dorimon  während 
seiner  Abwesenheit  dem  Sohne  abgekauft  habe.  Geronte  giebt 
dies  zu  und  will  eben  weiter  erzählen,  da  wird  er  durch  (3.) 
Pas  quin,  den  Diener  Leandres,  unterbrochen.  Dieser  sucht 
seinen  Herrn,  den  er  einige  Tage  nicht  mehr  gesehen  hat,  und 
der  nun  zufällig  des  Weges  kömmt.  (4.)  Leandre  umarmt 
seinen  Diener  zur  Begrüssung.  Geronte  hält  ihm  sein  herab- 
gekommenes Auftreten  vor.  Er  habe  fünfzigtausend  Livres 
für  das  Haus  bekommen  und  besitze  nun  nichts  mehr  davon. 
,.Nous  l'avons  place  ä  fonds  perdu,"  meint  Pasqxxin.  Trotz- 
alledem  ist  aber  Leandre  der  Liebhaber  Julies,  der  Tochter 
Gehontes,  und  sagt  ihm  kühn,  er  werde  sie  heiraten,  und  der- 
jenige, welcher  sie  vor  ihm  heiraten  würde,  was  ..avant  qu'il  soit 
vingt-quatre  heures"  geschehen  soll,  wird  nicht  lange  sein 
Schwieg er&ohn  sein. 

(5.)  Lucidor  hat  mit  Entsetzen  der  Szene  beigewohnt;  aber 
nicht  bloss  darum,  weil  er  Leandres  Leichtsinn  sehen  müsste, 
sondern  auch,  weil  Geronte  ganz  offen  von  dem  Hausverkaufe 
sprach.  ..  Vous  osez  dire  cela  devant  moi.  Je  ne  VOUS  recon- 
nois    plus."      Dies    zwingt    endlich    Geronte,    sein    Geheimnis   zu 


')  Auf  S.  135— 2öo  des  neuuteu  Bandes  der  „Oeuvres  dramatiques 
de  Nericault  Destouches,  de  l'academie  francöise.  Nouvelle  rdition 
revue,  corrigee  ei  augmentee  de  quatre  piöces  et  toui  semblable  ä  l'edition 
de  l'Imprimerie  Koyale,  in  4°.   4voll.     Paris  (Lambert  1758)". 


758  XIX.    Trinummus. 

brechen.  Dorimon  hatte  in  seinem  Garten  bei  dem  Hanse 
einen  Schatz  vergraben,  ..deux  cent  cinquante  livi'es  en  beaux 
lonis  d'or  bien  trebuchans.  •'  Doch  sollte  der  Sohn  nichts  hier- 
von erfahren.  Kanin  war  der  Vater  abgereist,  so  schrieb  der 
Sohn  das  Haus  zum  Verkaufe  aus.  „Devois-je  souffrir  que 
le  tresor  du  pere  de  cet  etourdi  passät  dans  les  mains  de  l'ac- 
quereur?"  So  sah  sich  G fronte  gezwungen,  das  Haus  zu  kaufen, 
und  rettete  hierdurch  alles,  da  Le  andre  volljährig  und  berech- 
tigt  war,  nach  Willkür  mit  seinem  Muttergute  zu  schalten. 
„Suis-je  le  cruel  vautour  qui  devore  amis  et  ennemis  sans  di- 
stinetion?"  kann  Geronte  nun  fragen,  oder,  wie  Callicles:  „En 
mea  [tibi]  malefacta,  en  meam  avaritiam  tibi!"  (V.  185).  (6.) 
Voll  Bewunderung  über  diese  That  flucht  Lucidor  auf  die 
Schwätzer  und  Ehrabschneider.  „Fiez-vous  maintenant  ä  ces 
discoureurs,  ä  ces  indignes  oisifs  qui  negligent  leurs  affaires  pour 
se  meler  de  celles  d'autrui, "  im  ganzen  der  Gedanke  des  Originals. 
II.  Akt.  (1.)  Julie,  die  Tochter  Gerontes,  und  H or- 
ten se,  die  Tochter  Dorimons  und  Schwester  Leandres,  sind 
im  Gespräche;  man  erfährt,  dass  Hortense  den  Sohn  Lucidors, 
Clitandre,  nicht  un  gerne  sieht.  (2.)  Clit andre  kömmt  des 
Wegs.  Nach  einem  längeren  Gespräche  mit  den  beiden  Mädchen 
(3.)  werden  diese  von  einem  laquais  zu  Tische  gerufen.  (4.) 
Clitandre  ist  entzückt  über  Hortense.  „Oui,  divine  Hortense, 
vous  etes  nee  pour  moi  comme  je  me  flatte  d'etre  ne  pour  vous, " 
ruft  er.  Er  nimmt  herzlichen  Anteil  an  ihrem  Unglück.  Vor 
allem  gilt  es,  den  Vater  für  sich  zu  gewinnen.  (5.)  Es  folgt 
nun  eine  Szene  aus  Plautus.  Lucidor  (hier  an  Stelle  Phil- 
tos)  giebt  seinem  Sohne  gute  Lehren.  Die  Zeit  sei  schlecht. 
Clitandre  versichert  seinen  Vater  seiner  standhaften  Haltung, 
Avorüber  sich  der  Alte  freut.  „Heureux  celui  qui  s'est  acquis 
l'empire  de  son  coeur."  (V.  310:  „Tu  si  animum  uicisti  potius 
quam  animus  te,  'st  quod  gaudeas. ")  Ein  hübscher  Zug  bei 
Destouches  ist  jener,  wo  Clitandre  das  Haus  seines  Freundes, 
vor  dem  sein  Vater  ihn  warnt,  als  ein  solches  bezeichnet,  das 
einen  Schatz  in   sich   birgt: 

Clit.     Cette  maison  que  vous  croyez  si   dangereuse  .  .  .  cette  maison 

cache  im  tresor. 
Luc.     Un  tresor?     Commeut  a-t-il  penetre  uotre  secret? 

Sehr  hübsch  führt  er  den  Vater  zu  der  Bemerkung:  „Je  ne 
croyois  pas  que  les  richesses  eussent  pour  vous  un  si  vif  attrait, " 
was  den  Sohn  sehr  passend  zu  seiner  Bitte  um  die  Hand  des 
vermögenslosen  Mädchens  hinüberleitet.  Von  selbst,  nicht  wie 
bei  Plautus  gebeten,  bietet  sich  der  Vater  an,  um  Hortense 
zu  werben.      (6.)  Die  gelungene  Figur  des  Crispin  de  la  Cris- 


Destouches'  Tresor  cache.  759 

piniere,    dem    alten    Lucidor    von    einem    Freunde    als    Diener 
empfohlen  und  als  solcher  aufgenommen,   sehliesst  den  Akt. 

III.  Akt.  (1.)  Pasquin  berichtet  Leandre,  dass  Luci- 
dor ihn  überall  suche.  Das  plautinische  Ergebnis  des  durchge- 
putzten  Geldes  (  V.  406)  wird  hier  zu  einer  langen  Szene.  (2.) 
Lucidor  naht,  um  für  seinen  Sohn  zu  freien.  Ganz,  wie  bei 
Plaut us,  will  Leandre  anfangs  nichts  davon  wissen,  dann  aber 
erklärt  er  zum  Entsetzen  Pasquins:  „Le  seul  debris  qui  nie 
reste  de  ma  fortune  est  une  terre  que  je  possede  en  Norinandie; 
je  donne  cette  terre  a  ma  sceur,  voilä  sa  dot. "  Pasquin  sucht 
dies  zu  hintertreiben,  und,  wie  im  Original,  schildert  er  das  Gut, 
„si  dur  et  si  plein  de  roches  qu'il  faut  six  boeuf's  pour  une  seule 
charrue"  (V.  523)  u.  s.  w. ,  sodass  Lucidor  auf  das  Gut  ver- 
zichtet. Leandre  besteht  auf  seiner  Schenkung.  „Si  vous 
nacceptez  pas  ma  terre,  je  vous  refuse  ma  sceur. "  (3.)  Lucidor 
staunt  über  diesen  seltsamen  Charakter.  „Quel  melange  de 
bonnes  et  de  mauvaises  qualites!"  (4.)  Geronte  kömmt  dazu. 
Wie  soll  man  es  nun  machen,  um  dem  Mädchen  von  dem  Sehatze 
eine  Aussteuer  zu  verschaffen,  ohne  dass  Leandre  der  Sache 
auf  den  Grund  kömmt?  An  Stelle  des  Auswegs,  den  (F.  771) 
Megaronides  ersinnt,  setzt  Geronte  einen  andern,  in  einigen 
Punkten  verschiedenen.  Cr  ispin,  sein  neuerworbener  Diener, 
soll,  als  „officier  marin"  verkleidet,  namens  des  Vaters  von 
Pondieheri  fünfzigtausend  Thaler  als  Aussteuer  für  die  Tochter 
überbringen.  So  soll  sie  die  ihr  gebührende  Mitgift  erhalten, 
ohne  dass  Leandre  von  dem  Schatze  erfährt.  Lucidor  geht, 
um  Crispin  „preparer  adroitement  ä  l'apparition  de  notre  capi- 
taine".  (5.)  Pasquin  berichtet  Geronte  von  seinem  Herrn.  Er 
wolle  das  Gut  um  jeden  Preis  abtreten,  während  er  es  zu  retten 
bedacht  sei.  Er  ahnt  (6.),  dass  hinter  dem  Kapitäne  etwas 
steckt,  „une  fable  imaginee  pour  nos  vieillards,  pour  nous  tenir 
en  echec,   mon  mattre  et  moi." 

IV.  Akt.  (1.)  Leandre  und  Clitandre  im  Gespräch  treten 
auf.  Leandre  will  nichts  hören.  Vergebens  versichert  ihm  Cli- 
tandre:   „Je  veux  ce  qui  peut  vous   etre  utile  et  avantageux." 

Leand.     Et  savez-vous  mieux  que  moi  ce  qui  me  convient? 

Glitand.  Est-ce  etre  sage,  mou  eher  Leandre,  que  de  refuser  im  bieufait? 

Leand.     Sache/,  qu'un  bierifait  cesse  de  l'etre  quand  il  deplait  ä  celui 

que  l'on  veut  obliger. 
(V.  <j37):    Lu.    An  id  est  sapere,  ut  qui  beneficium   a  beneuolente  re- 
pudies? 
Le.    Nullum    beneficium    esse    dueo    id,    quom    quoi  facias 
non  placet. 

Clitandre  fahrt  fort,  so  ziemlich  mit  den  Worten  des 
Plautus,    seinen    Gegner    zu    bestimmen    zu   suchen.      »Vos    an- 


760  XTX.   Tiiuuninius. 

erlies    ne    vous    ont-ils    acquis    taut    de    g'loire   &  ne  vous    l'ont-ils 
transmise  qu'afin  qu'elle  perlt  en  vous"   (F.   642). 

Itan  t andern  haue  maiores  famam  tradiderunt  tibi  tui, 
Vt  uirtute  eorum  anteperta  per  flagitium  perderes? 

Alle  seine  weiteren  Vorstellungen  schliessen  sich  ziemlich 
enge  an  Plantns  an;  ihr  Endziel  ist:  „Que  vous  aecordiez  votre 
soeur  ä  que  vous  gardiez  votre  terre"  (F.  713).  Alles  ist  ver- 
geblich, und  trefflich  charakterisiert  (2.)  Pasquin  den  Vorgang: 
„Que  le  Ciel  benisse  les  glorieux;  je  les  aimerai  tonte  ma  vie. 
La  gloire  nous  enlevo.it  notre  terre,  &  la  gloire  nous  la  rend. " 
(3.)  Leandre  folgt  Julie,  der  Tochter  Gerontes,  die  mit 
Hortense  des  Weges  kömmt.  Gerne  würde  sie  bei  ihm  stehen 
bleiben,  aber  ihr  Vater  hat  es  ihr  strenge  untersagt.  Leandre 
verteidigt  sich  in  feuriger  Sprache  und  versickert  Julie  seiner 
Liebe  und  Treue.  Dazu  kömmt  (4.)  Clit andre,  und  die  alte 
Geschichte  kömmt  wieder  zur  Besprechung,  wobei,  wie  schon 
früher,  Pasquin  seine  lateinischen  Zitate  zum  besten  giebt.  (5.) 
Clit  andre  lädt  Leandre  zu  Tische;  auch  Pasquin  soll  folgen 
(6.),  Avas  diesem  sehr  erwünscht  kömmt.  Da  erblickt  er  (7.) 
Scapin,  den  Diener  Dorimons.  Er  kömmt,  ,.tout  droit  des  In- 
des," mit  der  Post  von  Pondicheri.  Sein  Herr  hat  ihn  vorausge- 
schickt, ,.pour  savoir  oü  vous  etes,  ce  que  vous  faites,  &  en 
quelle  Situation  sont  vos  affaires  &  pour  lui  en  rendre  compte 
dans  le  moment."      Das  genügt! 

(8).  Dorimon  erscheint;  in  wenige  Worte  fasst  er  die 
lange  Rede  des  plautinischen  Charmides  (F.  820)  zusammen. 
(9.)  Zu  ihm  gesellt  sich  Crispin,  „en  habit  de  marinier."  Wie 
der  „sueophanta"  bei  Plautus,  spricht  er  von  dem  jungen 
Leandre,  was  Dorimons  Aufmerksamkeit  erregt.  Crispin 
giebt  sieb  als  den  Kapitän  Crac  de  Rhinoceros  aus,  wobei 
Dorimon  zu  demselben  Schlüsse,  wie  Charmides,  gelangt 
(V.  892):  „Cet  homme  est  un  insigne  fripon."  Alsbald  erfährt  er 
von  ihm:  „Dorimon  m'a  remis  cinquante  mille  eciis  que  japporte 
ä  son  fils  pour  marier  sa  soeur."  Bei  Plautxis  sind  es  nur 
Briefe  {V.  885).  Von  Crispin  erhält  Dorimon  Kunde  über 
das  Treiben  seines  Sohnes,  dass  Geronte  sein  Haus  gekauft 
habe  u.  s.  w.,  sodass  er,  vom  Zorne  übermannt,  sich  schliesslich 
zu  erkennen  giebt.  Er  ist  (10.)  trostlos  über  die  Treulosigkeit 
Gerontes.  Dieser  (11.)  kömint  ihm  entgegen  und  begrüsst  ihn; 
allein  Dorimon  ist  so  tief  gebeugt,  dass  er  in  Obnmacbt  sinkt. 
—  Die  Szene  mit  dem  neu  Angekommenen  hat  bei  Plau- 
1  us   Stasimus. 

V.  Akt.  (1.)  Geronte  und  Dorimon  haben  sich  gegen- 
seitig   ausgesprochen.       Dorimon     verehrt     nun     seinen    Freund, 


Destouches'  Tre*sor  cache.  761 

doch  ist  er  gereizt  gegen  seinen  Sohn.  Geronte  sucht  ihn  zu 
trösten.  Seine  Trostgründe  sind  bezeichnend  für  das  Zeitalter. 
„Les  jeunes  gens  aujourdliui  sont  si  depraves  qu'ä  vingt-cinq 
ans  la  plüpart  d'entre  eux  n'ont  plus  ni  bien  ni  sante.  On 
diroit  aujourdliui  que  les  honnnes  se  depeehent  de  vivre. "  Allein 
Dorimon  will  erst  den  Edelmut  seines  Sohnes  auf  eine  ernste 
Probe  stellen.  (2.)  Pasquin  tritt  auf.  Dorimon  ist  heftig  er- 
bittert gegen  ihn,  da  er  in  ihm  den  Verführer  seines  Sohnes  er- 
blickt. Pasquin  aber  erwidert  ihm  kalt:  ,.CVst  vous  qui  l'avez 
forme;  je  n'ai  contribue  tont  au  plus  qu'ä  le  perfectionner. " 
Doch  bittet  er  zuletzt  auf  den  Knien,  der  Vater  möge  ihm  ver- 
zeihen. Geronte  aber  versetzt:  „Dis-lui,  que  je  ne  le  veux  plus 
voir  er  que  je  ne  lui  pardonnerai  jamais."  Pasquin  holt  Le- 
andre.  (3.)  Geronte  staunt  über  Dorimons  Härte:  da  bringt 
(4.)  Pasquin  seinen  jungen  Herrn.  Vergeblich  fleht  Le  andre 
lange  um  Gnade;  langsam  nur  lässt  sich  der  Vater  erbitten:  doch 
eines  verlangt  er.  Im  Garten  des  verkauften  Hauses  lag  ein 
Schatz.  Auf  diesen  soll  er  zu  gunsten  seiner  Schwester  ver- 
zichten; gerne  willigt  Le  andre  in  diese  Forderung.  (5.)  Luci- 
dor  wird  Zeuge  der  Szene;  ebenso  (6.)  Hortense.  Dorimon 
giebt  ihre  Hand  Clitandre,  doch  dieser  nimmt  sie  nicht  an,  da 
seinethalben  Leandre  enterbt  werden  soll.  Auch  Hortense  will 
dies  nicht.  ,.Voulez-vous  que  votre  fils  s'aille  cacher  dans  im 
desert?"  fragt  Lucidor.  Wo  soll  er  sein  Heim  gründen?  „Qui 
seroit  la  personne  assez  temeraire  pour  oser  s'unir  ä  lui?"  fragt 
Dorimon.  (7.)  Da  meldet  sich  die  bisher  lauschende  Julie 
mit  einer  glühenden  Verteidigungsrede  für  Leandre,  und  so  löst 
sich  das  Stück,  da  endlich  sich  Dorimon,  der  sich  lange  Zwang 
anthal  ,  versöhnen  lässt.  Leandre  kann  nicht  ohne  Moral 
schliessen.  Seine  Überzeugung  ist  jetzt,  ,.que  le  plus  funeste 
parti  qu'on  puisse  prendre  est  de  se  laisser  ä  ses  passions  & 
qu'il  n'est  point  de  vrai  bonheur  sans  la  sagesse  et  la  vertu"  — 
so  ganz   im   Geschmacke  des  Destouches. 

Trotz  Fuhrmanns  Urteil,1)  der  meint,  „Destouches  hat 
den  Stoff  zu  fünf  Aufzügen  zu  langweilig  in  dem  ,Trcsor 
cache'  ausgedehnt,"  ist  dies  Lustspiel  ein  ganz  hübsches  Büh- 
nenstück. Völlig  auf  Plautus,  ja  sogar  meist  aufs  Wort 
auf  ihm  beruhend,  nur  etwas  modernisiert  und  lokali- 
siert, ist  es  durch  Destouches'  Zusätze  und  Beifügungen 
an  Umfang  und  Inhalt  gewachsen:  doch  inuss  man  den 
vom  Dichter  neu  erfundenen  Szenen  alle  Anerkennung 
zollen. 


1)  Handb.  III.  (jO,  wo  Cecchi  auch  zu  Crocohi  geworden  ist. 


762  XIX.   Trinuinmus. 

Lessing1)  urteilt  (über  Cecchis  und)  Destouches'  Bear- 
beitung": „Sie  baben  beide  grosse  Stücke  von  fünf  Aufzügen 
daraus  gemacht  und  sind  daher  genötigt  gewesen,  den  Plan  des 
Römers  mit  eigenen  Erfindungen  zu  erweitern  ....  Das  vom 
Destouelies  führt  den  Titel:  ,Der  verborgene  Schatz'  und  ward 
ein  einzigesmal,  im  Jahre  1745,  auf  der  italienischen  Bühne  zu 
Paris  aufgeführt.  Es  fand  keinen  Beifall  und  ist  erst  nach  dem 
Tode  des  Verfassers,  und  also  verschiedene  Jahre  später,  als  der 
deutsche   , Schatz',   im   Druck  erschienen." 

Wie  jemand,  der  Destouches'  „Tresor  cache"  gelesen 
hat,  oder,  vielleicht  richtiger  gesprochen,  die  Mostellaria  und 
den  Trinummus  des  Plautus,  das  Stück  des  Destoiiches 
eine  Nachahmung  der  Mostellaria  nennen  kann,  ist  unbegreif- 
lich. Dies  thut  der  Herausgeber  der  Werke  Regnards,2)  wenn 
er  sagt:  „Enfin  Destouches  a  eherche  aussi  a  mettre  sur  notre 
scene  \e  Mostellaria.  Sa  comedie  du  ,Tresor  cache',  hnpri- 
mee  dans  ses  oeuvres  posthumes  est  une  imitation  de  la  comedie 
de  Piaute;  mais  on  n'y  reconnait  point  l'auteur  du  Glorieux 
ou  du  Philosophe  marie.  Ce  sujet  si  plaisant,  et  qui  four- 
nissait  taut  de  situations  comiques,  est  rendue  d'uue  maniere 
froide  et  languissante:  cette  piece  est  l'une  des  plus  mauvaises 
de  ce  poete  qui,  d'ailleurs,  tient  un  rang  distingue  sur  la  scene 
francaise. " 

Unbegreiflich!  Freilich,  der  sprudelnde  Scherz  der  Mostel- 
laria  und  das  Ernste,  Moralische  des  Trinummus  sind  himmel- 
weit auseinander,  und  wer  die  „situations  comiques"  der  Geister- 
komödie in  dem  Familienstücke  des  Trinummus  sucht,  kann  zu 
keinem  andern  Urteil  gelangen,  ganz  besonders,  wenn  er  den 
Nachweis  liefern  will,  dass  Regnard  als  Nachahmer  der  Mo- 
st eil  aria  über  seinem  Rivalen  Destouches  steht,  und  schliesst: 
„Teiles  sont  les  principales  pieces  imitees  du  Mostellaria;  et  ce 
que  nous  avons  dit  suffit  pour  faire  juger  de  la  superiorite  de 
celle  de  Regnard. " 

Dass  Destouches  nochmal  zum  Trinummus  in  seinem 
Lustspiel  „Le  Dissipateur"  (S.  486  ff.)  gegriffen  habe,3)  ist 
schwerlich   aus  diesem   Stücke  nachzuweisen. 

Das  fünfaktige  Lustspiel  in  Versen,  „Le  Tresor"  von  An- 
drieux4)  (zum  erstenmale  am  28.  Januar  1804  am  Theätre 
Louvois  gespielt),  hat  mit  dem  Trinummus  nichts  gemeinsam. 
Hier  handelt  es  sich  um  ein  Mädchen,  Cecile  de  Mery,  dem  sein 


')  Hamb.  Drain.     Neuntes  Stück  (a.  E.). 

-    Oeuvres  completes  de  Regnard.     Paris  (Delahays  1854),  S.  594. 
3)  Sommer  (Les  comedies  de  Piaute  etc.),  11,408.   On  rapprochera 
avec  interet  des  Trois  Deniers  le  Dissipateur  de  Destouches. 
J)  Paris  (chez  Madame  Masson)  An  XII.  (1804.) 


Lessmgs  Schatz.  763 

Vater  ein  grosses  Vermögen  hinterliess  mit  der  Bestimmung,   dass 
das   Kind   arm  erzogen  werde: 

que  vous  elevant  avec  sfmplicite 
On  eloignät  de  vous  la  folle  vanite. 

Über  Ant.  le  Brets  „Epreuve  indiscrette",  Comedie 
en  vers  (1764),  bemerkt  Fuhrmann,1)  dass  dort  „einige  Szenen 
aus  Plautus'   , Dreier'  nachgeahmt"    seien. 


Aus  dem  Jahre  17502)  stammt  G.  E.  Lessings  Komödie 
„Der  Schatz",3)  „in  welcher  der  Verfasser  alle  die  komischen 
Szenen  seines  Originals  in  einen  Aufzug  zu  konzentrieren  gesucht 
hat."4)  Lessing  hat  aus  diesem  Stücke,  wie  Plautus,  die 
weiblichen  Rollen  ferne  gehalten.  „Es  sind  keine  Frauenzimmer 
in  diesem  Stücke;  das  einzige,  welches  noch  anzubringen  ge- 
wesen wäre,  würde  eine  frostige  Liebhaberin  sein;  und  freilich 
lieber  keines,  als  so  eines.  Sonst  möchte  ich  es  niemanden 
raten,  sich  dieser  Besonderheit  zu  befleissigen.  Wir  sind  zu  schl- 
au die  Untermengung  beider  Geschlechter  gewöhnt,  als  dass  wir 
bei  gänzlicher  Vermissung  des  reizendem  nicht  etwas  Leeres  em- 
pfinden sollten. "  5) 

(1.)  Leander  (=  Lusiteles)  gesteht  seinem  Vormund  Sta- 
leno  (=  Megaronides),  dass  er  verliebt  sei.  Von  der  Schil- 
derung der  Reize  seiner  Braut  will  der  Vormund  nicht  viel  hören. 
Seine  stehende  Frage:  „Was  bringt  sie  mit?"  muss  endlich  nach 
langem  Ausweichen  Leander  dahin  beantworten:  „Wenig  —  ■ — ■ 
Sie  wissen  ja  selbst,  was  man  wenig  nennt  .  .  .  Das  Wenige, 
Herr  Staleno,  ist  —  ist  gar  nichts."  Die  Geliebte  ist  Kamilla, 
deren  Vater,  Anseimus,  neun  Jahre  bereits  abwesend  ist.  „Schon 
seit  vier  Jahren  hat  man  nicht  die  geringste  Nachricht  von  ihm. 
Wer  weiss,    wo   er  modert,   der   gute    Anseimus!      Es   ist    für   ihn 


')  A.  a.  0.    in,  60. 

2)  Doch  wurde  er  erst  1755  im  5.  Teile  der  Lessiugschen  Schrif- 
ten gedruckt. 

3)  Auf  S.  130 — 207  der  „Lustspiele  von  G.  E.  Lessing.  Zweyter 
Theil.     Reuttlingen  (bey  Joh.  Geo.  Fleischhauer),  1775." 

4)  Hamburg.  Dramat.     Neuutes  Stück. 

5)  Ebenda.  —  Vgl.  E.  Sierke,  Lessing  als  angehender  Dramatiker. 
1869,  S.  10 — 55.  Ferner  findet  sich  „Der  Schatz"  Lessings  mit  dem 
Triuummus  verglichen  in  den  Scnulprogrammen  dea  Gymnasiums  zu 
Hohenstein  in  Preussen  von  Gervais  1S51,  1858,  1864:  in  zwei  Pro- 
grammen der  Realschule  Siegen  von  Hölscher  1842,  1843;  flüchtig 
auch  in  A.  Wolfroms  Programmen  des  Domgymnasiums  zu  Magde- 
burg 1860,  1866. 


764  XIX.   Triuummus. 

auch  eben  so  gut.  Denn  wenn  er  wieder  kommen  sollte,  und 
sollte  seilen,  wie  es  mit  seiner  Familie  stünde,  so  müsste  er  sich 
(Imli  zu  Tode  grämen."  Er  war  Stalenos  Herzensfreud.  Allein 
sein  Sohn  Lelio  (Lesbonicus)  hat  alles  vergeudet,  und  Philto 
(Callicles),  dem  Anseimus  die  Aufsieht  über  seine  Kinder  anver- 
traute, ist  »in  alter  Betrüger.  „Ich  wollte,"  sagt  Staleno,  „eben 
zum  alten  Philto  gehen,  der  sonst  mein  guter  Freund  ist,  und 
ihm  den  Text  wegen  seines  Betragens  gegen  den  Lelio  lesen. 
Nun  hat  er  dem  lüderliehen  Burschen  auch  sogar  das  Haus  ab- 
gekauft, das  Letzte,  was  die  Leutchen  noch  hatten.  Das  ist  zu 
toll!  das  ist  unverantwortlich."  Leander  geht.  Staleno  (2.) 
schickt  sieh  an,  zu  Philto  zu  gehen,  auf  den  er  Schlösser  ge- 
baut hätte  (3.):  da  kömmt  Philto  selbst.  Er  erhält  schwere 
Vorwürfe  wegen  des  Hauskaufes,  und  erzählt  dann  das  Geheim- 
nis des  Schatzes,  und  weshalb  er  das  Haus  kaufte.  Staleno 
flucht  den  Verleumdern.  „Dass  die  Leute,  die  allen  Plunder 
wissen  wollen,  und  sich  mit  Nachrichten  schleppen,  wovon  doch 
weder  Kopf  noch  Schwanz  wahr  ist,  bey  dem  Henker  wären!"  Auf 
sechstausend  Thaler  belauft  sich  Kamillas  Aussteuer.  Staleno 
wirbt  nun  für  seinen  Mündel  um  ihre  Hand,  Avas  Philto  freudig 
annimmt.  Aber  ein  anderes  Bedenken  ist  die  Geldfrage.  Philto 
rechnet  so:  „Das  Geld  ist  verborgen;  wenn  ich  es  hervorbringe,' 
wo  soll  ich  sagen,  dass  ich  es  her  bekommen  habe?  Soll  ich  die 
Wahrheit  sagen:  so  wird  Lelio  Lunte  riechen,  und  sich  nicht  aus- 
reden lassen,  dass  da,  wo  sechstausend  Thaler  gelegen,  nicht 
noch  mehr  liegen  könnten.  Soll  ich  sagen,  dass  ich  das  Geld 
von  dem  Meinigen  gebe?  Das  will  ich  auch  nicht  gern.  Die 
Leute  würden  doch  nur  neuen  Anlass,  mich  zu  verleumden,  daraus 
nehmen.  Philto,  sprächen  sie  vielleicht,  würde  so  freygebig 
nicht  seyn,  wenn  ihm  nicht  sein  Gewissen  sagte,  dass  er  die 
armen  Kinder  um  gar  zu  vieles  betrogen  habe."  Da  gerät  nach 
längerem  Besinnen  Staleno  auf  den  Gedanken:  ..Wie  wenn  wir, 
für  ein  gutes  Trinkgeld,  einen  Kerl  auf  die  Seite  kriegten,  der 
frech  genug  wäre,  und  Mundwerk  genug  hätte,  zehn  Lügen  in 
Einem  Athem  zu  sagen.  Der  müsste  verkleidet  mit  zwei  Briefen 
von  An  sehn  us  kommen,  und  der  Kerl  müsste  thun,  als  ob  er 
das  Geld  zur  Ausstattung  mitbrächte. "  Philto  ärgert  sich,  dass 
er  in  seinen  ,. alten  Tagen  noch  solche  Kniffe  brauchen  muss,  und 
zwar  des  lüderliehen  Lelios  wegen-:  aber  es  geht  nicht  anders. 
!.)  Lelio  mit  seinem  Diener  Maskarill  (Stasimus)  tritt 
auf,  der  ihn  um  zehn  Thaler  betrügen  will  und  dabei  aufkömmt. 
Wir  erfahren  von  Lelios  iingeordnetem  Leben,  da  teilt  ihm 
Philto  mit,  dass  Staleno  um  seine  Schwester  Kamilla  ange- 
halten habe;  da  er  aber  erfuhr,  dass  Lelio  alles  verthan  habe, 
„nahm    er    seine    Anwerbung    wieder    zurück."       Das    veranlasst 


Lessmgs  Schatz.  765 

Lelio  zu  ernstem  Nachdenken.  Sobald  Philto  weg  ist  (5.),  be- 
rät er  mit  Maskarill,  wie  die  Sache  sich  regeln  liesse.  Mas- 
karill  hat  aber  nur  Witzworte  zur  Erwiderung.  (6.)  Eben  recht 
kömmt  Staleno.  Lelio  begrüsst  ihn  und  macht  ihm  ein  Aner- 
bieten. ., Vielleicht  ist  es  Ihnen  nicht  unbekannt,  dass  mir  eine 
alte  Pathe  ein  so  ziemlich  beträchtliches  Vorwerk  in  ihrem 
Testamente  hinterliess. "  Dies  soll  die  Schwester  als  Aussteuer 
erhalten.  Vergeblich  sucht  Maskarill,  seinen  Herrn  von  dieser 
Idee  abzubringen,  und  macht  sich,  da  Lelio  fort  ist,  um  „ein 
aufrichtiges  Verzeichnis  von  allen  Schulden",  die  er  darauf  hat, 
für  Staleno  zu  holen,  an  diesen,  um  ihn  (7.)  zu  warnen.  Alles 
ist  verschuldet.  „Der  Boden,  worauf  das  Vorwerk  liegt,  muss 
gleich  die  Gegend  seyn,  in  welcher  aller  Fluch,  der  jemals  über 
die  Erde  ausgesprochen  worden,  zusammengeflossen  ist  .  .  .  Wenn 
rund  herum  die  Nachbarn  die  reichste  Erndte  haben,  so  bringen 
die  Äcker,  die  zu  dem  Vorwerke  gehören,  doch  kaum  die  Aus- 
saat wieder.  Alle  Jahre  macht  das  Viehsterben  die  Ställe  leer 
...  Es  hat  kein  Knecht  ein  halb  Jahr  da  ausgehalten,  und 
wenn  er  auch  eine  eiserne  Gesundheit  gehabt  hätte  .  .  .  ."  Ja 
sogar  nicht  ganz  geheuer  ist  es  dort.  (8.)  Da  Maskarill  allein 
ist,  bedauert  er  zwar  seinen  Herrn.  „Er  ist  immer  eine  gute 
Haut  gewesen."  Allein  ihm  kann  es  nicht  fehlen.  „Meine  Schäf- 
chen sind  im  Treugen." 

(9.)  Anselmo  ist  angekommen.  Maskarill  erblickt  ihn 
mit  Staunen.  Anselmo  will  zu  seinen  Kindern;  da  hört  er,  dass 
sie  im  väterlichen  Hause  nicht  mehr  wohnen.  „Sein  väterliches 
Haus  war  ihm  zu  gross  —  —  zu  klein;  zu  leer  —  zu  enge." 
Leander  ist  ein  grosser  Handelsmann  geworden.  „Er  lebt,  schon 
seit  mehr  als  einem  Jahre,  von  nichts,  als  vom  Verkaufen."  Noch 
immer  will  Maskarill  nicht  glauben,  dass  er  Anselmo  vor 
sich  habe.  „Ja!  so  zweifle,  du  verzweifelter  Zweifler!"  ruft  ihm 
Anselmo  zu.  Während  (10.)  Anselmo  seinen  Erwerb  über- 
zählt (11.),  tritt  der  Trommelschläger  Raps  „in  einer  fremden 
und  seltsamen  Kleidung"  auf.  „Diese  Figur,"  meint  Anselmo, 
„muss  in  das  Geschlecht  der  Pütze  gehören.  Der  Hut  reicht 
auf  allen  Seiten  eine  halbe  Elle  über  den  Körper."  Raps  fragt 
Anselmo  um  einen  gewissen  Lelio  und  erzählt  im  Weiteren,  ' 
wie  er  Briefe  von  Lelios  Vater,  seinem  guten  Freunde,  habe. 
Er  berichtet  von  seinen  Reisen,  wie  der  Pax  des  Plautus; 
endlich  wird  es  Anselmo  zu  viel;  er  wird  ungeduldig  und  er- 
klärt sieh  als  Anselmo.  „So  geschwind  Sie  sich  anselmisirt  ha- 
ben, so  geschwind  werden  Sie  sich  auch  wieder  entamselmisiren 
müssen,"1)   meint  Raps,   der  sich  bald  grob  entfernt.      Anselmo 


■)  Siehe  dies  Wortspiel,  S.  228. 


766  XIX.  Trinummus. 

ruft  einen  Träger  (12),  um  seinen  Koffer  zu  Kaufmann  Lelio 
zu  bringen.  Einen  solchen  kennt  der  Träger  nicht:  endlich  aber 
besinnt  er  sich.  „Sie  meynen  den  lüderlichen  Lelio  .  .  .  Sein 
Vater  war  der  alte  Anselmo.  Das  war  ein  garstiger,  geiziger 
Mann,  der  nie  genug  kriegen  konnte  ..."  u.  s.  w.  Auf  diese 
Weise  erfährt  Anselmo  alles  Nötige,  besonders  von  Phil  tos 
Vormundschaft.  Da  kömmt  (13.)  Philto.  „Ich  muss  doch  sehen, 
wer  hier  das  Herze  hat,  sich  für  den  Anselmo  auszugeben?" 
Da  erkennt  er  seinen  alten  Freund;  dieser  aber  lässt  ihn  sofort 
hart  an.     Rasch  beschwichtigt  ihn  Philto  und  führt   ihn  ins  Haus. 

(14.)  Maskarill  und  Lelio,  der  seine  bisherige  Nieht>- 
würdigkeit  lebhaft  empfindet,  treten  auf.  Wer  soll,  wer  kann 
Vorsprecher  für  ihn  sein?  Nach  langem  peinlichem  Bedenken 
sagt  Maskarill:  „Kurz,  Ihr  Vater  soll  Ihr  Vorsprecher  bei  dem 
Herrn  Anselmo  seyn."  „„Was  heisst  das?""  „Das  heisst,  dass 
ich  einen  Einfall  habe,   den  ich  Ihnen  hier  nicht  sagen  kann. " 

(15.)  Philto  und  Anselmo  haben  sich  geeinigt;  zu  ihnen 
tritt  (16.)  Staleno.  Anselmo  bedauert,  seine  Tochter  Leander 
nicht  geben  zu  können,  da  er  sie  dem  Sohne  eines  guten  Freun- 
des, „der  vor  kurzem  in  Engeland  verstorben  ist,"  noch  auf  dem 
Todbette  versprochen  habe.  Glücklicherweise  stellt  sich  heraus, 
dass  Leander  eben  dieser  Sohn  Pandolfos  ist,  dem  das  Ver- 
sprechen galt.  (17.)  Maskarill  übernimmt  nun  die  Versöhnung 
zwischen  Vater  und  Sohn.  Jammernd  stürzt  er  herein.  Ach! 
welch  tragische  Begebenheit!  Lelio  nahm  den  Degen  und  — 
„Und?"  „„Und  steckte  ihn  an.  Komm,  rief  er,  Maskarill!  mein 
Vater  wird  auf  mich  zürnen,  und  sein  Zorn  ist  mir  unerträglich. 
Ich  will  nicht  länger  leben,  ohne  ihn  zu  versöhnen.  Er  stürzte 
die  Treppe  herab,  lief  sporrenstreichs  zum  Hause  hinaus,  und 
warf  sich  nicht  weit  von  hier  —  (indem  Maskarill  dieses  sagt, 
und  Anselmo  gegen  ihn  gekehrt  ist,  fällt  ihm  Lelio  auf  der 
andern  Seite  zu  Füssen)  —   —  zu  den  Füssen  seines  Vaters  — "  " 

Anselmo  verzeiht  seinem  Sohne,  droht  aber  Maskarill,  ihn 
zum  Henker  zu  jagen.  „Das  ist  unbillig!  —  — "  schliesst  Mas- 
karill. „Doch  jagen  Sie  mich  oder  behalten  Sie  mich;  es  soll 
mir  gleichviel  seyn.  Nur  zahlen  Sie  mir  vorher  die  Summe  aus, 
die  ich  Ihnen  schon  sieben  Jahr  geliehen  habe,  und  aus  Grossmuth 
noch  zehn   Jahre  leihen   wollte." 

In  dieser  Weise  hat  Lessing,  allerdings  unter  dem  Ein- 
flüsse Molieres,1)  den  plautinischen  Trinummus  verarbeitet. 

E.  Sierke  (S.  55)  gelangt  zu  dem  Schlüsse:  „Auch  wir 
schliessen  uns  dem    oft    verlautbarten  Urteile   über   den    „Schatz" 


■)  Vgl.  Danzel  I,  150  ff'.;  Archiv  von  Schnorr  C.  X,  1.  —Vgl. 
ferner  S.  99. 


XX.  Truculentus.  767 

an,  welches  denselben  als  eine  von  den  besten  Jugendarbeiten 
Lessings  bezeichnet,  und  sind  der  Überzeugung,  dass  die  Wirk- 
samkeit dieses  Lustspiels  in  eiuer  zeitgemässen  und  würdigen  Um- 
gestaltung, bei  der  namentlich  die  Einwebung  weihlicher  Charaktere 
von  ganz  besonderer  "Wichtigkeit  sein  würde,  auch  auf  unserer  heu- 
tigen Bühne  ausser  Frage  stehen  dürfte." 

Nichts  mit  dem  Trinummus  gemeinsam  hat  C.  W.  Con- 
tessas  Lustspiel   „Der  Schatz".1) 

Deutsche  Übertragungen  des  Trinummus  finden  sich  im 
zweiten  Teile  von  Job.  Eust.  Goldhagens  gr.  u.  röm.  An- 
thologie, Brandenb.  1767;-)  von  Leo  Lipsius,  Schmalkalden 
1768;3)  von  Frd.  Reinh.  Ricklefs  als  drittes  Stück  („Der 
Dreyer")  des  dritten  Bandes  von  Fried.  Aug.  Wiedeburgs 
humanistischem  Magazin,  Heimst.  1789:  von  Sigmund  Adam 
Gock,  Tübingen  1801;  dann  auch  von  neueren,  wie  Geppert, 
1844:  F.  Osthelder,  Speier  1852:  W.  Wagner,  Frkf.  1861: 
Emil  Koch,  ..Der  Dreigroschentag",  in  der  Universalbibliothek 
von  Reclam,   No.   1307. 


XX.   Truculentus.4) 

Den  Truculentus  des  Plautus,  so  genannt  nach  V.  '25.") 
ff.,  wo  der  derbe  Bauer  Stratullax  auftritt,  bezeichnet  Teuf  fei5) 
als  ein  Stück  „voll  guter,  aber  wilder  Laune,  zum  Teil  etwas 
redselig11.  Es  hat  verschiedene  Beurteilungen  erfahren.  Rapp°) 
sagt:  „Mein  französischer  Übersetzer  hielt  es  für  der  plautinischen 
Sammlung  so  ganz  unwürdig,  dass  er  auf  die  merkwürdige  Kon- 
jektur gerät,  Plautus,  nachdem  er  an  zwanzig  griechische  Stücke 
nachgeahmt,  habe  doch  auch  einmal  seine  eigene  Erfindungskraft 
auf  die  Probe  stellen  wollen;  selbiges  sei  ihm  denn  so  übel  geraten, 
wie  figura  zeige."  Wir  wissen  aber  aus  Ciceros  Worten  (S.  690), 
dass  der  Dichter  selbst  sich  dieses  Stückes  freute,  es  also  nicht  zu 
den  misslungenen    zählte. 

Richtig  ist,  dass  Mir  es  hier  mit  keinem  durchgefeilten  Lust- 
spiele zu  thun  haben.      Die  Hauptrolle  hat  die  Buhlorin,   sie  tritt 


')  Enthalten  auf  S.  55—145  des  Almanach  für  Privatbühnen.  II. 
Bändchen.     (1818.  Lpz.) 

2)  Gödeke  Grd.,  II,  1049. 

3)  Gödeke  a.  a.  0.  —  Sulzer.  III,  705v\ 

4)  Ausgaben  von  Göller  (Köln  1824);  F.  H.  Bot  he  (Lpz.  1840); 
Geppert  (Berl.  18G3);  A.  Spengel  und  W.  Studemund  (Gott,  1868). 
Hier  ist  zitiert  nach  Geppert.  —  A.  Spengel,  Lectiones  Plautinae 
(München  186G). 

»)  G.  d.  r.  L.,  S.  152. 
6)  Die  Pl.  L..  S.  1019. 


768  XX.  Truoulentus. 

allzu  scharf  und  abgesondert  hervor;  sie  „erscheint  hier  in  ihrer 
Vollendung-  gleichsam  als  erschöpfendes  Paradigma",1)  oder  wie 
Lessing2)  sagt:  ..Den  Inhalt  machen  die  verschiedenen  Kunstgriffe 
aus,  die  eine  Buhlerin  anwendet,  drei  unterschiedene  Liehhaher  auf 
ihrer  Seite  zu  gleicher  Zeit  zu  behalten." 

Ein  kurzer  Prolog3)  leitet  das  Stück  ein. 

Diniarchus,  der  treue  Liebhaber  Phronesiums,  setzt  ge- 
wissermassen  den  Prolog  fort.  Phronesiums  Magd,  Astaphium, 
tritt  aus  dem  Hause  und  bespricht  sich  mit  Diniarchus.  Nach 
Art  der  Kupplerinnen  vergleicht  sie  den  Unbemittelten  mit  einem 
Toten  (7.   166): 

Dum  uiuit,  hominem  noueris:  ubi  mortuost,  quiescas. 
Te,  dum  uiuebas,  uoueram. 

Bei  Dirnen  ist  anders  nichts  zu  haben.  Dennoch  macht  sie 
Diniarchus  glauben,  ihn  liebe  Phronesium  am  meisten  (V. 
188:  „Te  unum  ex  omnibus  amat").  Indessen  sei  Phronesium 
eben  entbunden  worden.  Der  Vater  des  Kindes  sei  ein  baby- 
lonischer Soldat,  der  jeden  Augenblick  erwartet  wird.  Dini- 
archus geht  ins  Haus  ab. 

Astaphium  erzählt  mm,  wie  Diniarchus  Geld  und  Gut  bei 
Phronesium  verloren  habe  (V.  215): 

Huic  homini  amanti  mea  era  naeniam  apud  nos  dixit  de  bonis, 
Nam  fundum  et  aedes  obligatae  sunt  ob  amoris  prandium. 

Bei  Buhlerinnen  ist  es  eben  nicht  anders;  sie  gleichen  Dorn- 
büschen (V.  228): 

meretricem  sentis  similem  esse  addecet, 
Quemquem  hominem  attigerit,  profecto  ei  aut  malum  aut  damnum  dari. 

Im  zweiten  Akte  —  einige  rechnen  zu  demselben  bereits 
Astaphiums  Selbstgespräch  —  treten  Astaphium  und  Stra- 
tullax  zusammen,  der  Trucvtlentus,  der  dem  Stücke  den  Na- 
men gegeben  hat.  Stratullax  tritt  der  Dirne  in  derbster 
Weise  entgegen.  Sie  und  ihre  Herrin  führen  seinen  jungen 
Herrn  Strabax  auf  Irrwege;  er  wolle  solches  nicht  länger  mehr 
dulden.  Diniarchus  kehrt  zurück;  das  Warten  auf  Phrone- 
sium wird   ihm   zu  lange.      Bald  kömmt  indes  Phronesium  und 


»)  Kapp,  A.  a.  0.,  S.  1015. 

2)  Beiträge,  S.  51. 

3)  Teuf  fei,  Studien  S.  279.  „So  kurz  der  Prolog  zum  Truoulen- 
tus ist,  so  reich  ist  er  an  faden  Witzen;  dass  er  von  Plautus  selbst 
nicht  herrührt,  scheint  hervorzugehen,  nicht  nur  aus  der 'Art,  wie  V.  1 
Plautus'  Name  genannt  ist,  sondern  auch  aus  V.  13,  vgl.  mit  20,  dem 
Gegensatze,  in  welchen  der  Redende  seine  Zeit  stellt  zu  der  im  Stücke 
selbst  geschilderten,  welche  Plautus  stillschweigend  und  durch 
mancherlei  Anspielungen  mit  seiner  eigenen  zu  identifizieren  pflegt." 


Charakteristik  desselben.  769 

erzählt   ihm,    sie   sei   nie    schwanger    gewesen   und   habe   nie  ge- 
boren (7.  388): 

Equidem  neque  peperi  puerum  neque  praegnans  fui. 

Sie  habe  nur  im  vorigen  Jahre  mit  einem  babylonischen 
Soldaten  gelebt,  und  dieser  müsse  nun  für  Alimentation  eines 
vorgeblich  von  ihm  stammenden  Kindes  aufkommen.  Dieses 
Kind  habe  ihr  die  Badersfrau  Sura  vermittelt.  Diniarchus,  der 
sie  schon  mit  den  Worten  begrüsste, : 

Ver  uide! 
Vt  tota  floret!   ut  ölet!   nt  nitide  nitet!1) 

(F  352),   ist  nun  ganz  begeistert.      Das  ist  keine  Dirne,   sondern 
eine  gleichgesinnte  Seele  (F   433): 

Pro  di  inmortales!  non  amantis  mulieris 
Sed  unanimantis  sociae,  fidentis  fuit 
Officium  facere,  quod  modo  haec  fecit  mihi. 

Er  geht,   um  Geschenke  für  sie  zu  kaufen. 

Phronesium  wird  im  Hause  sichtbar;  sie  legt  sich  als 
Wöchnerin  mit  dem  Kinde  zu  Bette.  Der  babylonische  Soldat, 
Stratophanes,  tritt  auf;  er  lässt  sich  von  der  Geburt  berichten 
und  bringt  Phronesium  seine  Geschenke,  zwei  Sklavinnen,  Pur- 
purkleider u.  a.  Phronesium  ist  damit  durchaus  nicht  zufrieden. 
Stratophanes  verlässt  sie;  da  sieht  er  Geta,  den  Sklaven  des 
Diniarchus,  „qui  ducit  pompam  tantam"  (F.  545),  der  eben  mit 
Geschenken  beladen  heranzieht.  Er  beobachtet,  wie  Phronesium 
alle  Gaben  freudig  aufnimmt;  endlich  wird  es  ihm  doch  zu  bunt; 
er  eilt  hinein.  Geta  ergreift  den  Rückzug,  Phronesium  geht 
ab,   und  Stratophanes  bleibt  unentschlossen  stehen. 

Im  dritten  Akte  tritt  Phronesiums  dritter  Liebhaber, 
Strabax,  auf.  Er  hat  an  Stelle  seines  Vaters  zwanzig  Minen 
für  Tarentiner  Schafe   eingenommen  (F.  636): 

Postquam  illuc  ueni,  eccum  aduenit  (sie  dis  placet) 
Ad  uillam  argentum  meo  qui  debebat  patri, 
Qui  ouis  Tarentinas  erat  mercatus  de  patre, 

und  hofft   nun,    bei    seiner    Geliebten    alle    andern    städtischen    Be- 
Averber  auszustechen  (F   647): 

Nunc  ego  istos  mundos  urbanos  amasios 
Hoc  ictu  exponam  atque  omnes  eiciam  foras. 


')  Sainte-Beuve  (Causeries  du  lundi,  IV,  30)  erinnert  sich  dieser 
Stelle,  wenn  Figaro  (la  l'olle  journee,  ou  le  mariage  de  Figaro,  Comedie 
en  cinq  actes,  en prose  par  M.  de  Beaumarchais,  Paris  [Ruault]  1785) 
von  seiner  Susanne  sagt  (I,  2,  S.  8):  „La  charmante  fille!  toujours  riante, 
verdissante,  pleine  de  gaiete,  d'esprit,  d'amouf  et  de  delices!"  Doch 
ist  die  Ähnlichkeit  beider  Stelleu    gewiss    nur  eine  zufällige. 

49 


770  xx-   Truculentus. 

(irlir  ihm  ja  doch  P  hro  ncsixun  über  Vater  und  Mutter  (F.  651): 
quam  mage  amo  quam  matrem  meam. 

Stratullax  vermutet,  dass  sein  junger  Herr  in  dieses  Haus 
des  Verderbens  gegangen  sei.  „Coulapsus  est  hie  in  eorruptelam 
suam"  (  F.  659).  Er  thut  Astaphium  schön  und  wird  von  ihr 
gleichfalls  eingelassen  (F  685): 

in  tabernam  dueor  deuorsoriam. 
Vlti  melle  aeeipiar  mea  mihi  peeunia. 

Im  vierten  Akte  tritt  Diniarchus  auf,  freudig,  dass  seine 
Geschenke  gut  aufgenommen  wurden.  Astaphium  berichtet  ihm, 
dass  eben  Strabax  drinnen  sei;  „nunc  is  nobis  fundus  est"  (F.  716); 
deshalb  darf  Diniarchus  jetzt  nicht  eintreten.  Heftig  erzürnt 
ruft  Diniarchus  alles  Unheil  über  Phronesium,  da  sieht  er 
Callicles  nahen,  mit  dessen  Tochter  er  verlobt  ist.  Callicles 
führt  zwei  Mägde  herbei,  die  nun  unter  Schlägen  gestehen,  dass 
sie  das  Kind  seiner  Tochter  nahmen  und  es  Phronesium  aus- 
händigten. Im  Hintergründe  belauscht  Diniarchus  den  Vorgang, 
und  da  Callicles  zornig  weiter  forscht,  wer  seine  Tochter  um 
ihre  Ehre  gebracht  habe,  tritt  Diniarchus  vor  und  gesteht  seine 
Schuld   (F.    814): 

Assum.  Callicles.     Per  tua  opsecro 
Genua,  ut  tu  istuc  insipienter  factum  sapienter  feras 
Mihique  ignoscas,  quod  auimi  inpos  uini  uitio  fecerim. 

Erbost  über  diesen  Streich,  entzieht  der  Alte  seiner  Tochter 
sechs   schwere  Talente  (F.    832): 

Nunc  habeas,  ut  nactu's,  uerum  hoc  ego  te  multabo  bolo: 
Sex  talenta  magna  dotis  demam  pro  ista  inscitia, 

von  der  versprochenen  Mitgift. 

Phronesium  tritt  auf.  Sie  weiss,  dass  das  Kind  von  Di- 
niarchus ist,  und  erbittet  es  sich  nur  auf  drei  Tage,  was  dieser 
zugesteht,   da  es  ja   gilt,   den  Soldaten  zu  prellen  (F.   874): 

Propter  hunc  spes  etiam  est,  hoclie  detonsum  iri  militem, 
Quem  ego  ecastor  mage  amo  quam  me,  dum  id,  quod  cupio,  inde  aufero. 
Quia  cum  multum  apstulimus,  haud  apparet  multum,  quod  datum  est. 
Ita  sunt  gloriac  meretricum. 

Im  fünften  Akte  erscheint  der  Soldat  Stratophanes;  ihn 
ruft  die  Liebe  (  F.  881).  ,,Hocine  amare  est!"  Phronesium  nimmt 
ihm  möglichst  viel  ab  und  lässt  es  in  ihr  Haus  tragen,  aus  wel- 
chem eben  Strabax  betrunken  tritt.  Da  Phronesium  ihn  um- 
armt,   fahrt  Stratophanes  auf  und  gerät  mit  Strabax  in  Streit. 

Stultus  atque  insanus  damnis  certant:  nos  saluae  sumus! 

ruft    Phronesium    (F.    937).      Jeder    bezahlt    Phronesium;    sie 


Charakteristik  desselben.  771 

nimmt  es  von  beiden  an,  lädt  beide  ein  und  verstellt  sieb  darauf, 
beiden  zu  willfahren  (F   948): 

Tu  dedisti:  hie  iam  daturust:   istuc  habeo,  hoc  expeto. 
Verum  utrique  mos  geratur  amborum  ex  seutentia. 

Damit  endet  das  Stück,  das,  wie  der  Dichter  sagt,  unter 
dem  Schutze  der  Venus  steht  (F  955  „Veneris  caussa  adplau- 
dite:  eius  haec  in  tutela  est  fabula,")  und  von  Dirnen  handelt, 
deren  es  heutzutage  mehr  als  Fliegen  an  einem  heissen  Sommer- 
tag giebt  (F.    66): 

Nam  nunc  lenonum  et  scortorum  plus  est  fere. 
Quam  olim  muscarum  est,  cum  caletur  maxume. 

Einzig  um  diese  Dirne  dreht  sich  das  Stück;  „die 
schlaue  Buhlerin  macht  den  Mittelpunkt. ';  *)  Schon  der  Prolog 
schildert  sie  (V.    13): 

Haec  huius  seeli  mores  in  se  possidet; 
Numquam  ab  amatore  postulauit,  quod  datum  est, 
Sed  relicuom  dat  operam  ne  sit  relicuom 
Poscendo  atque  auferendo,  ut  mos  est  mulierum. 
Nam  orunis  id  faciunt,  cum  se  amari  intellegunt. 

Sie  ist  eine  Kupplerin,  wie  Astaphium  sie  zeichnet  (V.  226): 

Bonis  esse  oportet  dentibus  lenam  probam:  adridere. 
Quisquis  ueniat,  blande  alloqui,  male  corde  consultare, 
Bene  lingua  loqui 

u.  s.  w.  Ihrer  Geldgier  ist  nichts  genug.  „Nilne  huic  sat  est?" 
klagt  Stratophanes  (F.  538).  ,,Ne  unum  uerbum  mihi  quidem 
nunc  dixit."  Aus  allem  zieht  sie  geschickt  Vorteil,  und  trefflich 
weiss  sie  ihre  Schönheit  (,,Ver  uide!  ut  tota  floret!  ut  ölet!  ut 
uitide   nitet"    F.    353)   auszunützen. 

Ihre  Anschauungen  teilt  Astaphium,  ja  sie  trägt  dieselben 
in  viel  derberer  Form  vor.  Des  Dinia  rebus  Versprechen  lockt 
sie    sofort:    wer    ohne    Geld  ist,    ist  tot.      Sie    trägt    falsche  Zöpfe. 

Iam  hercle  ego  stos  fictos,  conpositos,  crispos  ciueinnos  tuos 
Unguentatos  usque  ex  cerebro  euellam 

droht  ihr  (F.  286)  Stratullax.     Sie  ist  rot  und  weiss  geschmückt: 

Buccas  rubrica,  creta  omne  corpus  intinxti  tibi  (V.  293). 
—  bueculas  tarn  belle  purpurissatas  habes  (  V.  289). 

Mit  dem  Gelde  gehen  beide  schlecht  um.  Leicht,  wie  sie 
-es  verdienen,   werfen  sie  es  weg. 


»)  Kapp  a.  a.  0.,  S.  1017. 

49' 


772  xx-   Truculentus. 

Meretricem  ego  item  esse  reor,  niare  ut  est:  quod  des  deuorat  nee  abundat 

urteilt    (7.     564)    Geta,    der    bei    dieser    Wirtschaft    selbst    zum 
Diebe  wird: 

Cum  haec  uideo  fieri,  sufiüror:  de  praeda  praedam  capio 

(7.563).     „Stabulum  ilag-iti"    nennt  Greta  (7.581)  Phronesium. 
Dinia rebus  bat   die  Liebe  zum  Verschwender  gemacht.    Er 
schätzt    sieh    glücklich,    wenn    die    Buhlerin    überhaupt    von    ihm 
Gaben   annimmt  (7    425): 

Lucrum  hercle  uideor  facere  mi,  uoluptas  mea, 
Vbi  quippiam  me  poscis. 

Stratullax,  von  dem  das  Stück  den  Namen  hat,  ist  ein 
vollendeter  Grobian  („violentust"  7  316).  Er  sieht  aus,  als  ob  er 
mit  Senf  genährt  worden  wäre  (7.   314): 

Si  ecastor  bic  bomo  sinapi  uictitet,  non  censeam 
Tarn  esse  tristem  posse. 

Er  ist  ein  derber  Bauer.  („Nimis  quidem  hie  truculentust," 
7   264;  ,,Rus  merum  hoc  quidem  est,"    7   268.) 

Der  übliche  Miles  ist  hier  der  geprellte  Stratophanes, 
der  babylonische  Soldat  (7.  86,  204,  391),  in  herkömmlicher 
Weise  „gloriosus".  Astaphium  berichtet  ihm  von  dem  neu- 
gebornen  Knäblein,  dass  es  nach  der  Geburt  Schwert  und  Schild 
verlangte.  „Mens  est,  scio  iam  de  argumentis"  (F.  503),  erwidert 
Stratophanes.  ,,Iam  magnust?  iam  leto  dat  legionein,  quam 
spoliare  uolt?"   (7    504)  u.    s.   w. 

Zwar  verspricht  er,   nicht  zu  bramarbasieren  (7.   478): 

Ne  expectetis,  speetatores,  meas  pugnas  dum  praedicem: 
Manibus  duella  praedicare  soleo,  baut  in  sermonibus. 
Scio  ego  multos  memoravisse  milites  mendacium, 

u.   s.   w.      Doch  aber  nennt  er  sich  Mars  (F.   511): 

Mars  peregre  adueniens  salutat  Nerienem  uxorem  suam, 

und   bringt    als  Sklavinnen    einstige   Königinnen,    die    er   sich    er- 
kämpfte  (7.    527): 

Ecce  hae  reginae  domi 
Suae  fuerunt  ambae,  uerum  patriam  ego  excidi  manu. 


In  Deutschland  hat  B.  Lenz  den  Truculentus  des  Plau- 
tus  erst  übersetzt,  dann  modernisiert  und  in  sein  Lustspiel  „Die 
Buhlschwester"  umgewandelt.    Hierüber  berichtet  Weinhold:1) 


'j  Dramat.  Xachlass,  S.  29. 


R.  Lenz,  Die  Buklsckwester. 


773 


„Die  .  .  .  Lenzische  Übersetzung-  des  Truculentus  war  die 
Grundlage  für  die  Nachbildung:  „Die  Buhl  Schwester."  Dabei 
verlegte  Lenz  die  Komödie  von  Athen  nach  Königsberg.  Die 
verschlagene  Hetäre  Phronesium  ward  in  ein  gewisses  Julchen 
verkleidet,  ihr  Mädchen  Astaphium  heisst  nun  Rahel.  Die  drei 
im  Netze  zappelnden  Buhler  sind  der  Kaufmann  Fischer-Diniarchus, 
der  prahlerische  und  am  meisten  betrogene  Stratophanes  ist  zum 
Hauptmann  von  Schlachtwitz  gemacht  und  der  tölpische  Strabax 
zum  Landjunker  von  Bauchendorf.  Stratullax  heisst  nun  Adam, 
Callicles  Bürger  Reibenstein,  Geta  Hausknecht  Hans.  Den  Schluss 
hat  Lenz  mit  wenig  Strichen  in  der  Buhlschwester  wirksamer 
gemacht,  indem  das  saubere  Julchen,  nachdem  sie  die  beiden 
Junker  peinlich  ausgebeutelt  hat,  eilig  Königsberg  verlässt.  Der 
Verdeutschung  des  Truculentus  hat  Lenz  ein  Nachwort,  dem  gross- 
prahlerischen Offizier  ein  Vorwort  vorangestellt,  um  den  Zuhörern 
in  der  Salzmannsehen  Gesellschaft  den  alten  Plautus  im  neuen 
Kleide   zu  empfehlen.1' 

Ein  Vergleich  der  ersten  Szene  des  Lenzschen  Truculentus  mit 
seiner  Buhlschwester  zeigt,  wie  er  bei  seiner  Umarbeitung  verführ. 


Der  Trukulentus,  *) 

ein  Lustspiel  d.  Plautus  verdeutscht. 


Die  Buhlschwester.2) 


(S.  77.)        Erster  Akt. 

Erste    Scene. 
Dinarchus. 

Eine  ganze  Lebenszeit  reicht  nicht 
zu,  einen  Liebhaber  zu  lehren,  auf 
wie  viele  und  manniekfaltige  Weise 
man  ihn  zu  Grunde  richtet.  Wie 
viel  Schmeicheleyen  werden  ange- 
wandt —  wie  viel  Gezanke !  gütige 
Götter!  Ein  Wink  mit  den  Äugen 
—  Das  ist  die  Lockspeise  am  Angel. 
Man  trägt  sich  einige  drey  Nächte, 
unterdessen  erkundigt  sie  sich  heim- 
lich nach  unsern  Umständen  u.  nach 
unserer  Gemüthsart,  ob  wir  haus- 
hälterisch oder  grossthuerisch  seyD, 
das  heisst  denn  den  Angel  auswer- 
fen, denn  in  der  That  ist  die  Liebe 
der  Frauenzimmer  heut  zu  Tage  die- 
selbe, die  ein  hungriger  Fischer  zu 
den  allerliebsten  Forellen  und  Kar- 
pen im  Wasser  fühlt. 

Unterdessen  beisst  der  Liebhaber 
an .  und  wenn  er  sich  den  Stachel 
recht  gierig  in  Brust  und  Herz  ge- 


(S.  125.)       Erster  Akt. 

Erste    Scene. 
Fischer. 

Methusalems  Alter  reichte  nicht 
zu,  einen  Liebhaber  klug  zumachen. 
Mag  er  noch  so  oft  anlaufen,  noch 
so  oft  sich  vornehmen,  jetzt  ver- 
nünftiger zu  handeln  —  es  ist  alles 
umsonst,  ein  Blick,  ein  Athem  sei- 
ner Schönen  wirft  den  ganzen  ba- 
bylonischen Thurm  seiner  guten 
Vorsätze  über'n  Haufen.  Julchen 
hat  mich  um  mein  ganzes  Vermö- 
gen gebracht,  ich  reise  nach  Dan- 
zig,  ich  gewinne  im  Spiel,  ich  stecke 
das  (xeld  in  meinen  Handel,  ich 
komme  mit  dem  Vorsatz  zurück,  sie 
jetzt  nicht  eher  wieder  zu  sehen,  als 
bis  ich  wieder  mich  zu  meinem  vo- 
rigen Wohlstand  emporgeschwun- 
gen habe ja,   und  was  kann 

ich  dafür,  dass  mich  jetzt  eine  un- 
bekannte Macht  bis  unter  ihr  Fen- 
ster hinzieht,  was  kann  ich  dafür, 
dass  ich  jetzt  die  Hand  ausstrecken 


>)  Bei  Weinhold  a.  a.  0.,  S.  77— Km;. 
2)  Ausg.  von  Tieck  (1828),  S.  123—165. 


774  -££«    Truculentus. 

drückt  hat,  so  muss  er,  sein  Beutel   l   muss,   ich  mag  wollen  oder  nicht, 
und  sein  guter  Name  eines  elendig-    >    um  an  ihrer  Schelle  zu  ziehn  (klin- 


lichen  Todes  sterben.  So  ist  die 
Hausshaltung  in  unsern  artigen 
Häusern. 

U.  s.  w. 


gelt),  niemand  kommt;  sie  wird 
doch  noch  hier  wohnen  —  oder 
ist's  wahr,  was  mir  mein  Barbier 
erzählte,  dass  sie  in  Wochen  liegt 
—  es  kann  nicht  möglich  sein,  es 
sind  ja  noch  nicht  zwei  Monat,  dass 
ich  von  Königsberg  reiste,  und  ich 
habe  doch  nichts  gemerkt  —  o 
Julchen!  Wer  könnt'  auch  eine 
solche  Nachricht  von  dir  glauben, 
ohne  drüber  den  Verstand  zu  ver- 
lieren —  es  kommt  niemand  —  als 
ob  die  Pest  im  Hause  wäre  —  (klin- 
gelt abermals). 

U.  s.  w. 

Die  Neubearbeitung'  ist  eine  ziemlich  starke  Zu- 
sammenziehung des  plautinisehen  Textes.  Die  Handlung- 
der  Buhlschwester   ist   wie   folgt: 

I.  Akt.  (1.)  Fischer,  ein  junger  Kaufmann,  ist  in  Julchen 
verliebt.  Er  hatte  ihr  bereits  sein  ganzes  Vermögen  geopfert,  als 
er  das  Verlorene  im  Spiele  wieder  gewann  und  sofort  seiner  Ge- 
liebten nachreiste.  Er  klingelt  an  Julchens  Hause,  (2.)  ihr 
Mädchen  Rahel  öffnet  ihm.  Man  hat  Fischer  längst  tot  ge- 
glaubt, jetzt  will  man  wenig  mehr  von  ihm  wissen,  weil  man  ihn 
für  arm  hält.  Sobald  jedoch  Rahel  gehört  hat,  dass  er  noch 
ein  Schiff  erwarte,  wird  sie  teilnehmender  und  lässt  ihn  ein. 
(3.)  Von  Rahel  hören  wir  einiges  über  Fischers  früheres  Leben. 
„Es  ging  ihm  und  uns,  wie  mit  einem  Rade,  sowie  er  hinunter 
kam,  so  kamen  wir  empor."  Rahel  hat  es  auf  den  Landjunker 
von  Bauchendorf  abgesehen,  nur  sein  Bedienter  Adam  ist  ihr 
hinderlich.  Dieser  erweist  sich  in  der  nächsten  (4.)  Szene  als 
einen  bärbeissigen  Diener,  der  wohl  ahnt,  dass  man  es  auf 
seinen  Herrn  abgesehen  habe,  um  ihm  sein  Geld  abzulisten. 
(5.)  Fischer  hat  Julchen  noch  nicht  treffen  können,  alsbald 
aber  (6.)  eilt  sie  ihm  mit  offenen  Armen  entgegen.  Er  findet  sie 
hübscher,  als  vor  zwei  Monaten  —  bis  auf  die  Taille,  und  Julchen 
erzählt  ihm  dann,  sie  habe  „einen  jungen  Sohn  bekommen". 
Rittmeister  Schlachtwitz  habe  ihr  einst  oft  versprochen,  er 
werde  sie  zu  seiner  Erbin  machen.  Eines  Abends  zechten  sie  ihn 
an.  „Ich  blieb  bei  ihm  sitzen,  meine  Mutter  machte  gegen  den 
Morgen  einen  erschrecklichen  Lärm,  sie  hätte  uns  beide  in 
einer  Stellung  betroffen,  die  sich  nur  für  Eheleute  schickte." 
Schlachtwitz  nahm  Reissaus  und  schrieb  vor  einigen  Tagen  von 
Marienburg,  er  wolle,  da  er  gehört  habe,  sie  sei  schwanger,  jähr- 
lich tausend  Thaler  zahlen.  Das  Gerücht  sprengte  Julchen  aus; 
flenn  ..meinen  Sie,  dass  ich  mich  was  darum  bekümmere,  ob  mich 
die    Leute    für    dies    oder    das    halten."     (!)     Von    einer    Jungfer 


E.  Lenz,  Die  Buhlschwester.  775 

Reib  en  st  ein  erhielt  sie  dann  ein  Kind,  und  sowie  Schlacht- 
witz  kömmt,  legt  sie  sich  mit  dem  Kinde  zu  Bette.  Sie  beredet 
nun  Fischer,  für  eine  Kollation  zu  sorgen.  Dieser  sieht  ihr 
(wie  Diniarch)  nach  mit  den  Worten:  „Welche  Naivität!  Welche 
Aufrichtigkeit!  Reizendes  Mädchen!"  Er  ist  in  sie  verliebter,  als 
je.  „0  Julchen,  wenn  du  meinen  letzten  Blutstropfen  von  mir 
fordertest,    du  verdientest   ihn." 

II.  Akt.  (1.)  Julchen,  nachlässig,  wie  eine  Wöchnerin, 
gekleidet,  erwartet  den  Rittmeister,  der  nun  (2.),  wie  Strato- 
p han es,  von  seinen  Tliaten  und  zwar,  wie  dieser,  in  der  Figur 
der  ,,praeteritio"  spricht.  ..Wenn  ich  geneigt  zum  Prahlen  wäre, 
so  könnte  ich  euch  drei  Tage  lang  erzählen  —  aber  ich  lasse 
lieber  meine  Hände  triumphieren,  als  meine  Zunge.  Mögen  andre 
sich  zu  Helden  lügen,  denk'  ich,  oder  solch  einen  Bänkelsänger 
von  Homer1)  mieten,  der  ihnen  Siege  an  den  Hals  wirft,  die  sie 
nicht  erfahren  haben,  ich  verlasse  mich  auf  die  Augenzeugen 
meiner  Thaten."2)  Er  erfährt  von  dem  Jungen,  der  ihm  aus  dem 
Gesichte  geschnitten  sei.  ..Kaum  war  er  zur  Welt  geboren,  so  griff 
er  dem  Accoucheur  nach  dem  Degen."  Alles  Übrige  hält  sich 
genau  an  Plautus.  An  Stelle  der  zwei  Sklavinnen,  die  Strato- 
phan es  überbringt,  hat  Schlachtwitz  ..einen  echtenBologneser"  als 
Schosshündchen,  den  Julchen  mit  Phronesiums  Worten  begrüsst: 

Paenitetne  te,  quot  mi  ancillae  sient, 
Quin  etiam  hisuper  tu  adducas,  quae  nii  comedint  eibum? 

(F.    529):    „0   weil,    noch   mehr  Brotfresser  ins  Haus!" 

(3.)  Hans,  Fischers  Hausknecht,  und  ein  kleiner  Junge 
bringen  die  bestellte  Kollation.  Julchen  bedankt  sich  für  die 
Sendung,  wobei  Herr  von  Sehla  cht  witz,  unbemerkt  an  einem 
ihrer  Fenster  stehend,  von  der  Strasse  her  alles  unten  sieht 
und   in   argen  Zorn  gerät. 

III.  Akt.  Der  dritte  Akt  umfasst  nur  drei  und  eine  halbe 
Seite.  (1.)  Von  Bauchendorf  hat  für  Mastochsen  —  die  Ta- 
rentiner  Schafe  des  Plautus  —  fünfzig  Dukaten  eingenommen,  die 
er  nun  Julchen  opfern  will.  Hocherfreut  führt  ihn  Rahel  ins 
Haus.  (2.)  Adam  erwartet  seinen  jungen  Herrn  und  erklärt 
Rahel,  er  sei  nimmer  der  alte  C4robian;  er  bittet  eintreten  zu 
dürfen   und   drängt   sich,    wie   Stratullax   (F.    662),    ein. 

IV.  Akt.  (1.)  Fischers  Wunsch  ist  erreicht,  da  der  Offi- 
zier im  Zorne  schied.  (2.)  Rahel  berichtet  Fischer,  dass  drinnen 
Bauchendorf  zeche,    was  diesen   arg  aufregt.     Während  er  sein 

')  Nach    V.  480,  den  Lenz  las: 

Scio  ego  multos  memoranisse  milites  mendacium 
Et  homeronidam  et  /ms!  illam  Uli  memorari  potest. 

Geppert  jedoch  liest: 

Et  homieidarum  post  illa  cumulus  memorari  potest. 

2)    V.  485.     Pluris  est  oculatus  testis  imus,  quam  auriti  deceni. 


776  XX.   Truculentus. 

Los  beklagt,  führt  Reibenstein  zwei  Mädchen  gebunden  ein, 
Lene  und  Anne.  (3.)  Unter  Prügeln  entwindet  er  ihnen  das 
Geständnis,  dass  Julchen  das  Kind  seiner  Tochter  habe.  Ei- 
se hiekt  Lene  um  dasselbe,  „wenn  sie  einen  Sohn  haben  wollte, 
so  könnte  sie  sieh  schon  einen  machen  lassen."  Reibens t ein 
dringt  in  Anne,  wer  der  Vater  von  Lieschens  Kind  sei,  da  tritt 
Fischer,  Lieschens  Verlobter,  vor  und  gesteht,  dass  er  es  sei. 
Reibenstein  will  ihm  dafür  als  Strafe  von  der  Mitgift  fünfhundert 
Thaler,  die  sechs  Talente  des  Callicles,  abziehen.  In  Fischers 
Brust  regt  sich  wahre  Liebe  für  Lieschen,  obwohl  er  einen  „elek- 
trischen Schlag"  ins  Herz  bekam,  als  er  Julchen  wieder  sah. 
(4.)  Fischer  verlangt  von  Julchen  das  Kind.  Sie  bittet  um 
dasselbe  nur  auf  einige  Monate;  er  will  es  ihr  aber  nur  auf  zwei 
Stunden  überlassen.  Noch  immer  hofft  Julchen,  ihn  zu  überlisten. 
V.  Akt.  Diesen  Akt  hat  zum  grössten  Teil  Lenz  er- 
funden. Julchen  bangt  um  ihrer  Streiche  halber.  Sie  will  das 
Kind  zurückgeben.  „Die  Historie  von  dem  untergeschobenen 
Kinde  könnte  über  kurz  oder  lang  dem  Rittmeister  zu  Ohren 
kommen  und  sie  gezwungen  werden,  alles  wieder  herauszugeben." 
Auch  Bauchendorf  soll  „mit  guter  Manier"  aus  dem  Hause 
transportiert  werden,  „damit  es  nicht  heisst,  er  habe  sein  Geld 
bei  uns  verloren."  Sie  will  darum  nach  Döbschütz  zu  dem  Ritt- 
meister schicken,  und  dieser  und  Bauchendorf  sollen  an  einander 
geraten.  Adam  soll  dann  zu  Hilfe  gerufen  werden.  Nun  ist 
aber  nach  Raheis  Bericht  Adam  betrunken  eingeschlafen.  Von 
hier  geht  es  wieder  auf  Plautus  zurück.  (2.)  Herr  von 
Schlachtwitz,  mit  einem  grossen  Geldbeutel,  tritt  auf;  „er  hat 
das  Jahresgehalt  verdoppelt."  Julchen  nimmt  kalt  alle  Gelder 
in  Empfang.  (3.)  Da  kömmt  taumelnd  Bauchendorf  und  sucht 
sein  „herzallerliebstes  Julchen...  es  ist  Zeit  zu  Bette  zu  gehen". 
Darüber  entbrennt  Schlachtwitzens  Zorn.  Die  beiden  Neben- 
buhler wollen  erst  fechten,  dann  Julchens  Gunst  sich  um  Geld 
erkaufen.  Hierbei  vermag  der  Junker  nicht  nachzukommen. 
Julchen  thut  darum,  als  schlüge  sie  sich  auf  die  Seite  des  Ritt- 
meisters. Ehe  dies  geschieht,  will  ihr  Bauchendorf  den  ganzen 
Gürtel  mit  Geld  geben;  allein  er  ist  ihm  bereits  abgeschnallt  worden. 
Julchen  sagt  nun  Bauchendorf,  der  Rittmeister  habe  ihm  den- 
selben entwendet,  und  giebt  ihm  den  Schlüssel  zu  Schlacht- 
witzens Zimmer.  Dort  liege  ein  Beutel  mit  dreihundert  Dukaten, 
den  er  als  Entschädigung  nehmen  solle.  Kaum  aber  hat  sich 
Bauchendorf  entfernt,  um  sich  das  Geld  anzueignen,  als  ihm 
Julchen  den  Rittmeister  nachschickt,  Unterdessen  macht  sich 
Julchen  mit  Rahel  mittelst  der  Post  nach  Tilsit  fort,  „Wie 
werden  die  gerupften  Gänse  hinter  uns  her  gacksen!"  ■ —  Das 
Motiv  des  Truculentus  mit  dem  untergeschobenen  Kinde  des  Capi- 
tano  findet  sich  auch  in  Cecchis  „Incantesimi"  (S.  396)  und  öfter. 


Register 


zum  ersten  Bande  (Plautus). 

(Die  Zahlen  bedeuten  die  Seite.) 


Abel,  Eugen,  83.  85. 

Abril,  S.  P.,  übers.  Terenz  60. 

Accolti.  B.  V.,  Virginia  107. 

Acquettino  132. 

Adam.  J.  A..  106. 

Addisson  80.  The  drummer  483 
—487. 

Adelphi  des  Terenz  24.  28.  66.  58. 
62.  66.  67.  68.  69.  668.  677;  von 
Chompre  72;  von  Laya  benützt 
73;  englisch  75.  80;  von  Eomanus 
42.44;  aufgeführt  in  Ferrara  52; 
in  Löwen  36;  in  München  44;  in 
Nürnberg  40. 

Adolf  Friedrich  von  Mecklen- 
burg 213. 

Adolphis  Winkelschreiber  101. 

Aelius  Stilo  14.  18. 

Agricola.  X,  89.  91.  95. 

Aischylos  9. 

Albert,  P.,  4.  10. 

Alfonso  I.  von  Ferrara  51.  162. 
607. 

Allacci,  Dranrmaturgia  109.  162. 
164.  173.  240.  274.  444.  515.  527. 
540.  541.  631.  718. 

Alt,  H.,  52.  103.  375. 

Altertum,  seine  Bedeutung  und 
sein  Einfluss  3  ff.  454.  455. 

Alticozzi  409.  756. 

Amboisc  Frang.  d',  103. 

Ambra,  Franc,  il  furto  517. 

Amenta,  N.,  544. 

Amis  et  Am  i  1  es  191. 


Ampere  265. 

Amphitruo  16.  18.  19.  20.  50.  51. 
5(5.  57.  59.  60.  62.  63.  67.  68.  72. 
73.  75.  78.  79.  80.  82.  83.  101.  132. 
191.  193.  332.  494.  496.  508.  564. 
572.  574.  575.  594.  613.  700;  Cha- 
rakteristik und  Nachahmungen 
115 — 129;  ob  im  4.  und  5.  Jahr- 
hundert gespielt  19.  20. 

Andreini  544.  656 — 661. 

Andria  des  Terenz  24.  28.  41.  43. 
51.  58.  61.  65.  66.  69.  72.  74.  75. 
76.  83.  84.  85.  89.  94.  97.  108.  109. 
111.  146.  491.  517.  534.  538.  574. 
668.  698. 

Andrieux,  le  tresor  762. 

Andronikus  18. 

Anfossi  324. 

Angellieri  Alticozzi  409.  756. 

Angely  323. 

Antigone  8:  in  Kassel  gespielt  40. 

Antimaco,  Giul.,  531. 

Anzeiger  für  deutsches  Altertum 
208. 

Apollinaris,  Sidonius.  15. 

Apostolo,  Zeno,  51.  161.  162.  163. 
240.  510. 

A  puleius  8.  92. 

Arber,  Edw.,  670. 

Archippos  116. 

Aretino,  Pietro,  56;  la  Corti- 
giana  282;  1"  EQpocrito  539.  5h): 
il  Marescalco  3'.»».  639;  la  Talanta 
632.  656. 


778 


Register. 


Are\  alua  124. 

Argelati,  Bibl.  51.  57.  131.  162. 

163.  174.  240.  362.   384.  409.  441. 

444.  451.  509.  510.  608.  613.  685. 

689.  718.  733.  745. 
Argelio,  Eug.,  59. 
Anosto,  Lodov.,  23.  51.  56.252; 

la  Cassaria  56.  332.  482.  483.  718; 

il   Necromante   165;    I   Suppositi 

332—337. 
Aristophanes  8.  9.  16.  23.  60.  61. 

66.  79.  325.  527  u  5. ;  Acharuenses 
106.  258 ;  Flatus  von  Hans  Sachs 
92;  in  Zürich  aufgeführt  36;  in 
Cambridge  77;  in  Mailand  59; 
Wolken  73.  82.  427. 

Aristoteles  5.  54.  327. 

Arlecchino  101.  102.  103.  389. 

Arlia  132. 

Armado,  Don,  107.  646.  674. 

Arne,  Michel,  204. 

Arnobius  19. 

Arntzen  124. 

Arteaga  653. 

Aschbach  46.  85. 

Asinaria    19.   46.   57.   58.   67.   68. 

100.  108.  115.  280.  426.  450.  680; 

Charakteristik  u.  Nachahmungen 

229—255. 
Ast  115. 
Atalanta  102. 
Athenaeum  307. 
Attilius  13. 
Aubignac,  d\  73. 
Aubigne,  d'.  108. 
Auger  19.  181.  185. 
Augustinus,  hl.,  19.  20. 
Aulularia  16.  19.  24.  34.  56.  59. 

67.  71.  72.  79.  81.  82.  84.  89.  91. 
95.  97.  100.  101.  115.  125.  132. 
176.  243.  346.  348.  349.  350.  385. 
427.  499;  Charakteristik  u.  Nach- 
ahmungen 255 — 324;  gespielt  in 
Basel  39;  in  Königsberg  36;  in 
Nürnberg  40;  in  Olmütz  35;  in 
Wien  35;  in  Greenwich  76. 

Avellino  324. 
Avost,  de  la  Val  d',  441. 
Axius,  Paulus,  265. 
Ayrer,  Jakob,  94;  Menächmi  584 
592. 

Azzi,  B.   d',  544. 

Bacchides  16.  58.  69.  81.  87.  88. 
102.  240.  407.  408.  499.  595;  Cha- 
rakteristik und  Nachahmungen 
426—444. 

Baco  von  Veriilam  33. 


Baerensprung  37. 

Bagnato  17. 

Baif  65.  66.  387;  le  Brave  617—619. 

Bakhuizen,  van  den Brink,  304. 

Bälde,  Jac,  48.  111. 

Bandello  517.  524. 

Bapst  von  Rochlitz  94. 

Barack  85. 

Barbaras  Hermolaus  116. 

Barbier  736. 

Barbieri,  Niccolö,  69.  435.  437. 

Barlaeus,   Kaspar  [1584 — 1648L 

15. 
Barlando,  Adriane-,  36. 
Barnes,  Bob.,  76. 
Baron  (Boyron)  69.  109.  667. 
Barrera  y  Leirado,    Catäl.  bibl. 

60.  61.  138.  139.  141.  145. 146.  156. 

296.  321.  323.  324.  503.  504.  523. 

606. 
Barretto.  Feio.  147. 
Barthius'265. 
Barthold  96. 
Bartoli,  Adolfo.  48. 
Bas  che  t  64. 

Batrachomyomachie  83. 
Battishill  204. 
Baudissin  407. 
Baudry,  Rene,  177. 
Baumeister  116. 
Bayer,  J.  Gr.,  35.  46. 
Bayle  185. 
Bazo,  Don  A.,  324. 
Beauchamps,  Becherches  65.  66. 

174.  178.  292.  336.  337.  346.  390. 

441.  517.  541.  543.  544.  554.  557. 

559.   622.  623.  658.  665.  666.  667. 

668.  736. 
Beaumarchais    406:    le    Barbier 

364.  365;  Figaro  406.  769. 
Beaumont  und  Fletcher  80.  107. 

678.  679. 
Beaumont  und  Nuitter  186. 
Bebel,  H,  46.  640. 
Beccadelli,  Ant.,  427. 
Becker,  AV.  A.,  17.  596. 
Becq  de  Foucquieres  65. 
Belleforest  517. 
Bellemore  623. 
Bellereau,  Bemy,  65. 
Bellermann,  J.  J.,  717. 
Belmonte,  El  diablo  predicador 

117. 
Bembo  718. 
Ben  Jonson  79.  81.  107.  193;  The 

Alchemist  488.  489:   The  Case  is 

altered  346—351;  The  Devil  is  an 

ass  307.  348;  Epicoene  390;  Every 


Register. 


779 


man  in  his  humour  347.  675 — 
677;  Every  man  out  of  his  hu- 
mour 677 ;  The  Poetaster  677. 

Bendixen  85. 

Benfey  3. 

Benndorf  715. 

Benoist  120.  255.  390.  722. 

Benserade  177. 

Bentivoglio,  Erc,  57;  I  fantasmi 
57.  454—461. 

Beolco,  Angelo,  56.  110.  406; 
Werke  246;  la  Anconitana  543; 
Vaccaria  57.  108.  246—253. 

Beöwulflied  7. 

Bernard,  Richard,  75. 

Bernhardt,  Sarah,  184. 

Bernhardy,  Grdrss.  d.  röm.  Litt. 
12.  18.  19.  22.  115.  116.  124.  128. 
266. 

Berrardo  50.  56;  Cassina  369  — 
375;  Mustellaria  451—454. 

Berriat,  Saint  Prix,  62. 

Bethune,  Everard  de,  129. 

Bianchi  (Komponist)  324. 

Bianchi,  Gius.,   652. 

Bianchi,  Orazio,  613.  685. 

Biancolelli  559. 

Bibbiena  s.  Divizio. 

Biblische  Komödie  38. 

Bidermann  632. 

Binder,  Hans,  37. 

Binder,  Wilh.,  23.  101.  116.  258. 
262.  266.  401.  426.  501.  596.  600. 
690.  719.  721.  737. 

Biographie  universelle  124. 

Bishop  576. 

Bitner,  Jonas,  93.  584. 

Blass,  Leo,  36. 

Blount  675. 

Boccaccio  15.  131.  132. 

Bode  354. 

Bodenstedt  569.  575. 

Boetie,  la,  8. 

Boettiger  214. 

Boieldieu  483. 

Boileau  6.  185. 

Boisrobert,  la  belle  Plaideuse 
292;  les  trois  Orontes  541. 

Boi  ssier  17. 

Boivarius  35.  46. 

B  o  ]  a  r  d  o  50. 

Bo'ltz  von  Ruffach  32.  93.  94. 

Bonducci,  Andr.,  285. 

Boner  92. 

Bonin  548. 

Bonnet  484. 

Borshini,  Raff.,  103. 

Bor  heck  229.  255.  355. 


Bornemisza  92. 

Bornmüller  208. 

Bosscha  .'!•_'  1. 

Bothe,  F.  H.,  722.  767. 

Bottrigaro,  Erc,  689. 

Bougerel,  P.,  174. 

Bourgeois,  Jacques,  336. 

Bourle  65. 

Bourlier,  J.,  65. 

Boursault,  E.,  69;  Les  Nicandres 

554-557. 
Bouterwek  63.  106.  154.  653. 
Boxb erger  99.  351.  704.  705.  707. 

742.  743. 
Boyron  s.  Baron. 
Boy ss e,  E.,  48.  71.  72.  297. 
Brachvogel  40. 
Braga,    Theophilo,    61.  62.  146. 

147.  154. 
Brant  hörne  174. 
Brassicanus  (Kohlberger)  26.  34. 
Braune.  Wilh.,  638. 
Brederoo  81.  109.  540.  638. 
Breslau  95. 
Bret,     le,     l'epreuve     indiscrette 

763. 
Brighella  101. 
Brix   18.   258.   324.   490.  493.  495. 

498.  500.  501.  532.  595.  746. 
Broekhousius,  Jan  [1649—1707], 

299. 
Broemel,  W.  H.,  674. 
Bromig  294. 
Brosin,  Oskar,  10. 
Brueys  109. 
Brun,  le,  17.  19.  25. 
Brunamonti,  Frc,  240.  385. 
Brunamotti,  Stichus  745. 
Brunet,  Manuel  74.  132.  240. 
Brunfels,  Otto,  24.  30. 
Brunelleschi,  G.,  132.  137. 
Buch  an  an  62. 
Buchaw,  Steph.,  94. 
Budai,  Esaias,  83. 
Buecheler  125. 
Buonarroti,     Michelagnolo, 

173. 
Buonfanti,  P.  da,   Bibbiena,  Er- 

rori  incogniti  515—517. 
Burckhardt,  C.  Aug.,  36. 
Burckhardt,    Jac.      (De  linguae 

lat,  fatis)  29.  31.  34. 
Bur ckh a r d t,  Ja c.  (Kultur d.  Ren.) 

22.  52.  53.  162.  165. 
Burmeister,  Joh.,   46.  208-214; 

253. 
Burs'ian,  K,  240. 
Busch,  Herrn.,  31. 


780 


Register. 


Caballero,  Fernan,  606. 

Cacciadiavolo,  Laniranco.  252. 
654. 

Caecilius  Statius,  12.  17.  21. 
46.  275. 

Cailhava  72;  le  mariage  inter- 
rompu  407.  408.  440.  441;  les 
Menechmes  grecs  566;  le  tuteur 
dupe  629-632. 

Calaminus,  Georg  45. 

Calderon  326;  La  Espaüola  en 
Florencia  523;  Hombre  pobre  to- 
do  es  trazas  509;  El  Principe 
constante  326. 

Calnio,  Andr.  II  Travaglia  103. 
522;  la  Spagnolas  653. 

Cammerarius  722.  737. 

Camöes  62.  124.  141;  Os  Empha- 
triöes  62.  146 — 154;  Os  Lusiadas 
41.  155.  178. 

C  anizares  61.  146. 

C  annegieter  266. 

Cantü  510. 

Capitano  103.  104.  105.  106.  389. 
521.  522.  527.  605.  u.  ö.;  seine 
Namen  103.  104. 

Captivi  16.  19.  23.  24.  43.  45.  59. 
67.  72.  79.  94.  98.  99.  100.  115. 
722.  746;  Charakteristik  u.  Nach- 
ahmungen 324 — 355 ;  veranlassen 
die  comedie  larmoyante  98. 

Carmeli,  A.,  613. 

Cartwright,  W.,  77. 

Casina  19.  56.  57.  79.  115.  240.  241. 
393.  680;  Charakteristik  u.  Nach- 
ahmungen 365 — 390. 

Castner,  Gabriel,  37. 

Cecchi  57.  761.  762;  II  Corredo  630. 
631;  IDissimili  58.  534;  La  Dote 
58.  753—757 ;  Gl'  Incantesimi  58. 
395-400.  776;  la  Majana  58;  II 
Martello  58.  104.  252.  654;  LaMo- 
glie  58.  400.  533—539;  I  Rivali 
57.  110.  482.  654;  Gli  Sciamiti  57. 
165.  483;  la  Stiava  58.  685—689. 

Cefalo  51. 

Celio  Calcagno(ini)  51.  608. 

Cellarius,  Christ.,  124. 

Cellarius,  Joh.,  32. 

Celtis,  Konrad,  46.  85. 

Cenci,  Giac,  Gli  Errori  103.  544. 

Ceresara,  Paride,  285. 

Chapman  81.  677.  678. 

Chappuzeau,  S.,  41.  67.  622;  la 
dame  d'intrigue  290. 

Chasles,  Em..  63.  65.  66.  103.  336. 
617.  664. 

Chassanj?  124.  126.  138. 


Chateauvieux  665. 

Chorea,  Franc,  53. 

Chiari,  Pietro,  110. 

Chiesa  544. 

Child,  F.  J.,  77.  186.  190.203.668. 

669. 
Choerilus  14. 
Cholevius  579.  638. 
Chompre  72. 

Christian  II.,  Kurfürst  von  Sach- 
sen, 39. 
C  h  r  i  s  t  o  p  h  v  o  nW  ü  r  1 1  e  m  b  e  r  g  37. 
Chrysostomus,  hl.,  23. 
Cibber  440.  509.  576. 
Cicensis,  Elias  Herlicius,   643. 
Cicero,  M.  T.,  13.  14.  23.  31.  57. 

92.  595.  690.  767. 
Cistellaria  19.  58.   68.    115.    132. 

723;    Charakteristik    und    Nach- 
ahmungen 390—400. 
Claus  88.  274.  323.  324.  407.  568. 

574.  575. 
Clemens  XIX  59. 
Clement    und    Larousse,    Dict. 

lvr.   147.   186.   199.  324.  469.  487. 

548.  549.  576.  700.  736. 
Clerici  59.  338.  339. 
Clown  101.  474. 
Cocodrillo  656. 
Codrus  Urceus,  A..  89.  256.  262. 

291. 
Cohn,  A.,  197.  638. 
Collalto  548. 
Collenuccio   22.   50.  51.  56.    124. 

162.  163. 
Collier    74.   75.   76.   77.    186.    190. 

191.   193.  194.  346.  568.  569.  669. 
Co  Im  an,  G.,  78.  80.  605.  685. 
Colombina  102.  698. 
Comedie  larmoyante  98. 
Cornelia,  D.  Luciano,  296. 
Commedia  dell'  arte  53. 
Commedia  erudita  58. 
Commelin  (Amsterd.)  109. 
Commelinus,  H.  (Heidelb.),  266. 

270.  271. 
Cominus,  J.,  266. 
Congreve,  W.,   80.   81.   107.  307; 

Love  for  love  296;  The  old  bat- 

chelor  677.  679.  680. 
Contessa  767. 
Coocke,  Th.,  204.  605. 
Cooper,  de  W.,  670. 
Cordella  324. 
Cornacchini,  D.,  526. 
Corneille,   Pierre,    68.   69.    184; 

L'Illusion    comique   69.   105.   619 

—622.  646. 


Register. 


781 


Corneille,  Thomas,  184. 

Correa,  Garcjäo,  63. 

Correggio.  Niccolö  da,  51. 

Cor  vi  na  (Bibl.)  83. 

Cossa,  Pietro,  110. 

Coste,  de,  316. 

Coster,  Samuel  Dr.    [um    1580 — 

um  1650],  81. 
Courbe  69. 
Courbeville,  P.,  17. 
Cram'er,  D..  Prinzenraub  45. 
Crapelet  129. 

Crescimbeni  56.  57.  58.  132.  173. 
Crowne,  John,  193. 
Crozet,  F.,  186. 
Curculio  19.  82.  100.  115.  700.  712; 

Charakteristik  u.  Nachahmungen 

355—365;  bei  Massinger  SO.  361. 

362. 
Cybile,  Gilles,  63. 
Cyrano,  Bergerac,  67.  102.  666. 

Dacier,  Mad.,  73.  97.  185.  409.  736. 

Dalberg,  J.  von,  36. 

Dancourt  17. 

Daniel,  Pierre,  266. 

Dante  21.  443. 

Danz,  J.  T.  L.,  101.  256.  595. 

Danzel-Guhrauer    98.    708.    745. 

766. 
Darb  es  544. 
Davies  107.  677. 
Deenik  255. 
Degen  91. 
Dekker  677. 
Delius  523. 
Demanville  69. 
Demophilos  250. 
Denina,  C,  6.  12.  57.  59. 
Derenbourg  717. 
Desauguers  548. 
Deschamps,  Eustache,  129.  130. 

131. 
Desnoireterres  337.  541. 
Desperiers,  B.,  05. 
Despois  68.  177.  179.  181.  183.  184. 

ls;,.  208. 
Destouches  71.  484;  Le   dissipa- 

teur  486.   487.   762;    le    glorieux 

668.    762;    le    Philosophe    marie 

762;    le    tambour  nocturne  486; 

le  tresor  cache  757 — 762. 
Detharcling  632. 
Devrient  216. 
Dezeimeris  265. 
Diderot  295. 
Dido,  engl.  Trag.,  76. 
Dilke  675. 


Diodorus  92. 

Diphilos  365.  369.  596.  723. 

Ditters  487. 

Dittersdorf  218. 

Divizio    (Dovizio),    Bernardo, 

56.   515;    la   Calandria  510 — 514. 

520.  527. 
Dobel,  Dr.,  87. 
Dodsley  469. 
Döbrentey  297. 
Dolce,  Catarino,  la  Mora  109. 
Dolce,  Lodovico,    57.   441.   444; 

il    Capitano    57.    164.    608—613; 

la  Fabritia  57.  483;  il  Marito  57. 

163—173;  il  Ragazzo  57.  168.  385. 

387.   388;    il  Euffiano  57.   729— 

735. 
Doletus,  St.,  29. 
Dombart  355. 
Domenichi  58;  le  due  cortigiane 

58.  441—444. 
Dominique  389. 
Dotteville  469. 
Dottore  in  der  ital.  Komödie  102. 

441. 
Dousa,  Joh.,  325. 
Dow  den  568. 
Dryden,   John,    79.   80.   124.  173. 

193.  204.  205.  206.  207.  208.  217. 

228.  488;   Amphitryon  80.  197— 

204;   Sir  Martin  Mar-all  80.  81. 

435.  439.  440. 
Dumas,  Alex.,  181. 
Dunlop,   Hist.   of  R.   1.  346.   435. 

469.  566.  609.  708. 
Duruyer  346. 
Dumeril  s.  Meril. 
Dyce,  Alex.,  79.  408.  678. 
Dziatzko  67.  407.   495.  496.  681. 

723. 

Echard,  L.,  75.  204.  409.  735. 

Eckhof  353. 

Edward  VI.  186. 

Einsiedel  42.  43.  44. 

Elektra  92.  140. 

Elisabeth  von  England  76. 

Elvert,  d'.  .').■>. 

Elze,  Karl,  107. 

Eniilia  Galotti,  lateinisch,  314. 

Endlicher,  St.,  125.  616. 

Enger  18. 

Ennius  13.  18. 

Epicharmos  13.  116.  455.  495.  577. 

Epidikus  19.  58.  72.  80.  101.  115. 
389.  395.  400.  440.  698.  712;  Cha- 
rakteristik und  Nachahmungen 
401—426. 


782 


Kegister. 


Episcopius,  M.,  95. 

KiMsmus  von  Rotterdam  25.  33. 

Ercole  I.  von  Ferrara  50.  5G. 
L61.  509— 607. 

Ersch  u.  Grubers  Enzyklopädie 
148. 

Eschenburg,  J.  J.,  14.  100. 

Estienne,  Charles,  65;  les  Abu- 
sez  517-520. 

Eunuehus  des  Terenz  24.  51.  53. 
65.  66.  69.  75.  84.  86.  92.  103  332. 
333.  616.  630.  636.  668;  Ände- 
rungen desselben  43.  108.  109; 
gespielt  in  Hannover  41 ;  in  Wien 
35;  in  Zwickau  35;  in  Ferrara 
718;  Thraso  in  demselben  605. 
606. 

Euripides  9.  12.  19.  24.  75.  92.  140. 

Eusebius  15. 

Euklio  7.  95.  u.  ö. 

Ewald  717. 

Evbe,  Alb.,  87.  88;  Bacchides  435. 
436;  Menächmi  577—579. 

Fabie,  Franc,  181. 

Fabricius,  Bibl.  lat.,  124.  147. 

Fabula  palliata  18. 

Faeneste  107. 

Fair  holt  675. 

Falk,  J.  D.,  42.  101.  124;  Die  Uhu 

217—219;  Amphitryon  219—226. 

652. 
Falstaff  7.  81.  106.  107.  222.  223. 

236.  488.  614.  671—674.  741. 
Falugi,  Gior.,  509. 
Farmer  568. 
Farquhar  307.  576.  577. 
Feau,  Charles,  174. 
Feje'r,  Georg,  84. 
Ferreira,    Dr.    Ant.,    62;    Bristo 

661—663. 
Fichard  40. 
Fiel  ding,   H.,    79.   264.   306;    The 

intriguing     chambermaid    475 — 

477;  the  Miser  308—314. 
Figaro  102. 
Finauer  240. 
Fioravanti  324. 
Fioretti,  Bened.,  14. 
Firenzuola,  A.,  56;   I  Lucidi  531 

— 533;  La  Trinuzia  515. 
Fleay  524.  569. 
Fleckeisen,  A.,  115.  229.  324.  355. 

42«.  494.  495.  500.   595.  596.  605. 

613.  616.  690.  722.  737.  746. 
Fletcher  und  Beaumont  80.  81. 

107.  678.  679. 
Flögel  57.  76.  110.  488. 


Florian,  lea  jumeaux  de  Bergame 

548.  549. 
Flos,  Attrebates  J.  du,  33. 
Folz,  Hans.  92. 
Fontaine,    la,    68.    69.    109.   729; 

l'Eunuque  69. 
Fontanini  162.  163. 
Fonteny,  Jean  de  658. 
Fornaris,  de'  Fabrizio,  1'  Ange- 

lica  656.  657. 
Fortiguerra,   Niccolö,    21.    174. 
Fournel  69.  101.  104.  177.  178.  290. 

544.  623.  627.  665.  666. 
Fournier  69. 

Fracassa  416.  417.  421.  654. 
Franc   Archier    de   Baignollet 

663.  664. 
Franca-Trippa   101. 
Franceschi  Goff'redo  59. 
Francke,  Otto,  23.  28.  29.30.31. 

34.  44.  50.  52.  108.  240. 
Francken  255.  308.  718. 
Frankfurter,  Barthol.,   83.  84. 
Franz  I.  48. 
Fraporta  544. 
Freeman  746. 
Freyesleben  25.  97.  215. 
Freytag  85. 
Friedrich   II.   von  Dänemark  81. 

82.,  der  V.  700. 
Friedrich    III.    der   AVeise    von 

Sachsen  29. 
Friedrich  HJ.,    deutscher  Kai- 
ser 256. 
Friedrich  der  Grosse  218. 
Frischlin  33.  46.  94. 
Fritz  568. 
Fritzsche  427. 

Fruchtbare  Gesellschaft  30.96. 
Fürstenau  214. 
Fuhrmann,   W.  D.,    14.   101.  253. 

295.  307.  488.  544.  668.  761.  76:;. 
Fulvio  Peregrinato  Morato  52. 
Furnivall  568. 
Fuster  504. 

Gabbrielli,  A.,  718. 

Gadensted,  Barthol.,  47. 

Gagliardi  549. 

Gail  700. 

Gaizet  &  Burtal  179. 

Galiot.du  Pre  663. 

Gambe,  de  la,  665. 

G a  m b i n o  d'  Arezzo  129. 

Gascoigne  76.  77.  333.  337. 

Gasparini,  Franc,  174. 

G  aveaux  469. 

Gay,  Sophie,  700. 


Register. 


783 


Gebwiler.  J.,  29. 

Geel,  Jacobus,  125. 

Geiger  46. 

Gelli,  Giarab..  56;   lo  Errore  56. 

383.  384;  la  Sporta  56.  274—280. 

383. 
Gellius.  A.,  14.  18.  66. 
Genee  40.  85.  86.  638. 
Genovefa  46. 
Geppert    44.    205.  324.   355.   365. 

401.490.501. 714.  722.  746.  767.  775. 
Germania  35.  128. 
Gerusez  181. 
Gervais  763. 
Gervinus  29.  30.   33.  42.  46.   85. 

86.   89.  91.  92.   93.   94.  100.  229. 

266.  574.  592.  638. 
Geta  und  Byrrhia  124.  125.  126. 

127.   128;    französisch    129 — 131; 

italienisch  131 — 138. 
Geta  156. 

Gherardi  102.  557. 
Gbistele,  Com.,  81. 
Giesebreckt,  Wilh.  von,  85. 
Gifford-  337.   346.   347.  348.   349. 

350.  361.  390.  488.  675.  677. 
Gigas,  Emil,  124.  503. 
Gilbert  101.  544:  John  575. 
Gildas  265. 
Ginguene   59.    168.   170.  173.  333. 

375.  395.  454.  510.  527.  685.  753. 
Giraldi  51;    G.  Cinthio  524.  526. 
Giraud,  Gior.,  441. 
Girauld  174.  298. 
Giuuti  s.  Larivey. 
Glaser  85.  524. 
Gnatbo  103. 
Gock,  A.,  651.  767. 
Godard  336.  337. 
Goedeke    36.   38.   47.   84.   85.   86. 

91.    94.  95.    100.    101.    108.    208. 

229.  240.  255   321.  469.  565.  570. 

i\:\s.  639.  651.  708.  767. 
Goeller  255.  746.  767. 
Goethe     42.    100.    106.    646.    647; 

Faust  356 ;  Iphigenie  6 ;  Wilhelm 

Mi 'ister  445. 
Goerges  208. 
Goetz  71S. 
Cnldhagens    Anthologie     736. 

767. 
Goldoni,    C,    23.    59.    323.    324; 

V  amante  militare  6">7;    1'  avaro 

324;  1'  avaro  fastoso  324;  il  geloso 

avaro  324;   i  due   gemelli  Vene- 

ziani  544  —  548.  561.  577;  il  geloso 

avaro  324;    la  guerra  657;   Me- 

morie  544.  546. 


Gonzaga,  Curzio,  526. 
Gonzaga,  Isabella,  22. 
Gonzalez  de  Mendoza  59. 
Gorboduc  76. 
Gotter  351.  352.  353.  354. 
Gottsched,  J.  C,  25.  26.  35.  41. 

46.  47.  82.  84.  85.  86.  87.  88.  89. 

91.  92.  93.  94.    95.    96.   97.  214. 

215.  469.  486.  548.  565.  632.  633. 
Gottsched,  L.  A.  V.,  486. 
Gouvea,  Andr.,  62. 
Grado,  Temistocle,  59. 
Graesse  (Allg.  Litt.)  81.  214.  386. 

638. 
Graetz  487. 
Grand  le,  17. 
Grazzini,   Gegner   der  Alten  54; 

la  Gelosia  54;    la    Spiritata    55. 

110;  la  Strega  54.  107. 
Greff,  Joach.,  89.  90   91.  92.314. 
Gregorovius  49.  50.  51.  52. 
Gretry  185.  186. 
Greviu,  Jacques,  66. 
Griechische  Sprache  7. 
Griffo  da  Valcapraja  510. 
Grimarest  183. 
Grimm,  H.,  639. 
i    Grimm  85. 
Groon  295. 
Grootius.     Hugo     [1583  —  1645], 

15.  298. 
Grossmann,  G.  F.  W.,  570. 
Groto   Cieco  d'  Hadria  58;    Ca- 

listo    58.    172.    173;    Emilia    58. 

407.  410-421.  654;  Tesoro  756. 
Grüner  42. 
Grüninger  24. 
Grüpeck  35. 
Gruter  98.  266. 
Gryllus,  Komödie  83.  84. 
Gryphius  106.  632.  638.  643—646. 
Guagliardi  97. 
Guarino  22.  50.  51. 
Guazzesi,  L..  285. 
Guerente  62. 
Gueudeville  74. 
Guglielmi  549.  736. 
Guizot  49.  177.   IS.!.  .V27. 
Guldberg  83. 
Gulielmus  Bleseusis  613. 
Gutzkow  229. 
Guyot.  Thom.,  346. 
Gyrowetz  4S7. 

Hagen.  E.  A.,  33.  314.  674. 
II  agen,  lt..  61."». 
Hallbauer  577. 


784 


Register. 


Halliwcll  74.  77.  197.  198.  306. 
407.  409.  568.  569.  735. 

Harn  30.  89.  91.  95. 

Hamburg,  A.  W.,  469. 

Hamerling,  Rob.,  8. 

Hancarville,  d',  116. 

Harpagon  7;  sein  Name  291. 

Hase  39.  84. 

Haslewood  186.  190.  668. 

Hasper  718. 

Haupt,  Moritz,  84.  265.  266. 

Hautz  41. 

Havot  265.  266.  267.  268. 

Hawkesworth  79.  201.  204—208. 

Hayneccius,  Marl,  94.  351. 

Heauton  timorumenos  des  Te- 
renz  34.  36.  58.  66.  72.  75;  ge- 
spielt in  München  40. 

Hecuba  des  Euripides  24.  140. 

Hecyra  des  Terenz  34.  47.  58.  61. 
75.  91.  108.  614. 

Hedio,  Casp.,  32. 

Heel,  Beat.,  39. 

Hegendorf  46.  47.  108. 

Heble  240. 

Heinemann,  0.  v.,  639. 

Heinrieb  H.  von  England  74; 
Heinrieb  VIH.  76. 

Heinrieb  IV.  von  Frankreich  652. 

Heinrich  Julius  von  Braun- 
schweig 638 — 643. 

Heinsius,  Daniel [1580— 16551,13. 

Hell,  Theod.,  441. 

Heminges,  William,  75. 

Hennen  717. 

Henry,  Benediktiner,  74. 

Hense,  K.  K,  574.  673. 

Hercules  des  Seneka  in  Wien 
gespielt  35. 

Herder  17.  29. 

Hermann,  G.,  426.  746. 

Herodian  92. 

Herodot  92. 

Herold  92. 

Herrigs  Archiv  179.  291.  306. 
568.  617.  672. 

Hertz,  M.,  12. 

Hertzberg  502.  596. 

Herwegh,  G.,  569. 

Herzog,  E.,  326. 

Hettner.  Herrn.,  203.  307.  351. 

Heubein  548. 

Heu  singe  r  101. 

Heydemann  116. 

Heywood,  Tbom.,  74.  78;  Am- 
phitrvoii  78.  193—197;  The  Eng- 
lish  Traveller  78.  79.  469—475. 

Hezekiel,  engl.  Trag.,  76. 


Hieronymus,  hl.,  14. 

High  life  below  stairs  722. 

Hildebrand  19. 

Hildyard  255.  490. 

Hillebrand  100.  218. 

Hirzel,  Lud.,  10 

Histoire  litter aire  delaFrance 

124.  126.  132.  265.  271.  616. 
Histriomastix  77. 
Hitzig  717. 
Hölscber  763. 
Höscbel,  Dav.,  30.  96. 
Hoffmann,  Em.,  116. 
Hoffmann,  F.,  155. 
Hoffmann,  J.  L.,  92. 
Hoffmeister  736. 
Hofman,  Konr.,  191. 
Holberg,  L.,   16.  42.  82.  107.  297. 

646;    Di  derieb    Menschen- Skr  äk 

632.  700—704;  Ellefte  Junii  637. 

638 ;     Huus  -  Spögelse    477  —  482 ; 

Maskerade  700;   Tyboe  632-636. 

645.  670 ;  Ulysses  von  Ithacia  636. 

637;  Glücklicher  Schiffbruch  736. 
Holinshed  76. 
Holland,  W.  L.,  639.  640.  642.  643. 

663. 
Holtei  323. 
Holtze  115. 
Homer  7.  10.  92. 
Hooft,  Pieter  Corneliszoon,  81. 

263;     Warenar    298  —  306;     den 

Schyn-Heiligh  540. 
Hoole,  Charles,  75. 
Horaz  8.  13.  14.  54.  57.  80.  495. 
Horribilicribrifax   7.    106.   632. 

638.  642—646. 
Hrotswitha  84.  85. 
Hoz  y  Mota  321-323. 
Hugo,  Victor,  722. 
Humbert  67.  179.  291.  407. 
Hummel  im  Bach  31. 
Hunfalvy  83.  85. 
Hurd,  Rieh.,  14.  263.  295. 

Iber,  H,  13. 

Iffland  98. 

Intronati  in  Siena  517. 

Iparraguirre,  D.  Man.,  296. 

Iphigenie  6.  8.  94. 

Isaac,  Herrn.,  568.  569. 

Jack  Juggler,   Interlude  75.  186 

—191. 
Jacob,  F.,  401. 
Jacob,  le  Bibliophile  64.  68. 
James  von  England,  76.  191. 
Jeremias  von  Padua  124. 


Register. 


785 


Jodelet  67. 

Johann  von  Sachsen  .'!."). 

Jokasta  92. 

Jonckere  de  la  Venard  17s. 

Jonckbloet  81.  109.  303.305.306. 

540.  541.  638. 
Jones,  Stephen,  346. 
Jovius,  P.,  53.  460. 
Juan  I.  60. 
Jubinal  265. 
Jundt  24.  31.  39.  45.  47. 

Juromenha,  Visconde  de,  62.  146. 

Justin  92. 

.luven alis  80.  290. 

Kämmel  29. 

Kärcher  18. 

Karl  EL  von  England  203. 

Karl  IX.  von  Frankreich  66 

Karl  V.  60.  138. 

Katull  57.  69.  77. 

Kauffmann.  Rieh.,  184. 

Kayser  314.  317. 

Kazinczky  297. 

Kehrein  85.  86.  106.  218.  585. 

Keller,  Ad.  v.,  579.  584. 

Kernen}',  Käroly,  184. 

Kerpen  736. 

Kinwelniarsh  76. 

Kirchhof  640. 

Kirchmayer,  Thom.,  93. 

Kis  84. 

Kisfaludy  84. 

Klapp  274. 

Klein  (Gesch.  d.  Dramas)  18.  50. 
53.  54.  55.  56.  60.  61.  76.  85.  107. 
124.  186.  252.  333.  375.  386.  395. 
454.  482.  510.   517.  523.  524.  525. 

^  631.  669.  675.  685.  718.  729. 
Kleinstaeuber  38. 
Kleist,   H.   v.,   101.   124;    Amphi- 

fcryon  226—229. 
Klerus  gegen  den  Humanismus  31. 
Klinckhamer  265.  266.  267. 
Klingelhöffer  295. 
Klinger,  Max  v.,  592. 
Klytämnestra  92. 
Kneller  308. 
Kneschke  91. 
Koberstein   (G.  d.   d.  L.)   85.   86. 

92.  98.  99.  101.  208.  229.  638. 
Koch,  Emil,  7(17. 
Koch.  Ludw.,  23.  32.  38.  44.  52. 
Koch,   Max,   6.    78.  569.  575.  592. 

670.  675. 
Koehler,  Reinhold.   128. 
Koenig  295. 


Köpke,    G.  G.  S.,   258.   321.   355. 

390.  444.  490. 
Köpke,  Rudolf,   84. 
Körting,   Gustav,    132. 
Köstlin  117. 
Kordes  91. 
Koreff,  J.  F.,  652. 
Kotzebue  98.  637. 
Kovasznai,  AI.,  84. 
Kreyssig  295. 
Kriegk  40. 

Kromayer  30.  34.  96.  97. 
Kuettner  592. 
Kuffner  101. 
Kuh  lau  592. 

Kupplerwesen  232.  359.  695.  u.  ö. 
Kurz  84.  92.  100.  106.  208.  217.  229. 
Kyffin,  Maur.,   75. 

Laberius  14. 

Lachmann  98. 

Lacome  186. 

Lad  ewig    13.   116.    368.    394.    427. 

495.  738. 
Lalaune   185. 
Landau  174. 
Langbaine  469. 
Largen  495. 
Langendijk,  P.,  638. 
Larivey  66.  67.  61.  103.  280;  les 
Esprits  66.  67.  286—289.  462;  le 
Laquais  385—387;   les   Trompe- 
ries  526. 
Lasca  s.  Grazzini. 
Lascaris  427. 
Lassen   717. 
Laurent,  Michel,   177. 
Laya,  Leon,  73. 
Lazarillo   de  Tormes  61. 
Lecky,  Hartpole,  53.  84. 
Lecocq  103. 
Leigh,  Hunt,  307. 
Lejay,  P.,  71.  72;  l'Avare  297.  298. 
Lelio  736. 
Lemaire  267. 
Lemcke  98.  106. 
Lemercier,     Nepom..     72.     110. 

Piaute  421-426. 
Lennep,  J.  van,  14. 
Lenz,   Reinh.,  100.  296;  Algierer 
351  —  355;     Aussteuer   317  —  321; 
Buhlschwester  772—776;  Entfüh- 
rungen,     Grosspralerisdie      Offi- 
zier    (546  —  651 ;     Türkonsklavin 
362—365;  Väterchen  253—255. 
Leo  X.  50.  53.  280. 
Leonel  da   Costa   25.  29.  33.  36. 
61.  63. 

50 


786 


Reerieter. 


Leasing,  <;.  E..  16.  19.  22.  42.  98. 

99.   loo.   115.   116.    L85.  256.  263. 

265.  314.  324.  325.  327.  351.  365. 

110.  426.  465.  484.  486.  501.  595. 

596.  680.  697.  698.  719.  722.  72:;. 

736.  746.  762;  junge  Gelehrte  99; 

Minna    v.   Barnlielm   99.;    Justin 

99.   704—708:   Philotaa  351;   der 

Schatz    76."»  —  7(17:    tVeiber    sind 

Weiber  99.  742-71.".. 
Lessing,  Karl,  G.,  704.  742. 
Leu,  St.  Comte,  296. 
Levee  74. 
Liciuius  13. 
Liebenberg  477.  592. 
Lilly,    John,    SO;     Endimion    81. 

107.  G74.  675. 
Limiers.  H..  14.  74.  743. 
Lindau,  R,  180. 
Lindemann,  E.,  717.    ' 
Linde  mann,  F.,  115.  324.  595.  746. 
Linge  13. 

Lipsius,  L.,  13.  351.  592.  736.  767. 
Lisimbo,  Oristoniano.  28."). 
Li  vi  us,  T.,  9.  92.  94. 
Lob  stein  48.  93. 
Locher,  Jac.  (Philoniusus),  31. 

46;  ludicruin  drama  240—246. 
Lodovico   il  Moro  50.  51. 
Longueville  577. 
Lope  de  Rueda  61;  Enganos  522. 

523;  Medora  523.  661. 
Lope  de  Vega   1 15. 
Loredano  102;  la  Turca  102.  522. 
Lorentz,  K.  W.,  355. 
Lorenz  78.  106.  444.  454.  595.  605. 

606.  633.  690. 
Lotheissen  10.  50.  64.  66.  67.  68. 

102.   104.  105.  108.  177.  181.  183. 

289.  292.  295.  406.  622.  629.  666. 
Lucas,  Hipp.,   184.  185.  286.  346. 

421.  440.  541.  566.   619.  665.  674; 

die  Wolken  des  Aristophanes  73. 
Lucchetti,  E.,  da  Civitä  nuova 

540. 
Lucian  92. 
Ludwig   XIV.    73.    178.  180.  184. 

203.  229. 
Lugans  de  S.  Geal,  Guillaume  13. 
Lupi,  Fr.  Pisano,  541. 
Luscius  13. 

Luther  32.  33.  95.  96.  732. 
Lutheraner  in  der  ital.  Komödie 

732.  733. 
Lycos  thenes        Psellionorus 

Andropediacus    s.    Spangen- 

berg. 
Lymb erger  30.  92. 


Lymberger,  W'i  Ib..  '.)7. 
Lynker  los.  10!). 

Macedo,  Joaquim  Manuel  de, 

6(53. 
Machiavelli    56.    274.    385.    387; 

Clizia  56.  375-  383.  793;  Mandra- 

gola  168. 
M ad al win us  265. 
Maffei,  Gius.,   173. 
Maggi.  ('.  31..  2S5. 
Magnin,  Gh.,  19.  20.  21.  84.  124.266. 
Mahelot,  Laurent,  177. 
Mahrenholtz  26.  67.  68.  179.  181. 

183.  290.  291.  296.  306.  406.  407. 

438.  466. 
Mai,  An  gel  o,  125.  126.  394. 
Mailhol  296. 
Mally,  F.  K,  651. 
Malmström  717. 
Manningham  ."»2.'!. 
Marcoureau  de  Brecourt  68. 
Mareschal  67:  Capitan  Matamore 

622—628;  le  Kailleur  628—62!). 
Mariana  60. 
Maria i er  82. 
Marolles,  Mich..  7:;. 
Marston  80. 
Martial  77.  111.  208. 
Martinus,  Balticus,  30.  "><. 
Marti  us  115. 
Mascarille  102.  406. 
Massinger  80:  a  new  way  to  pay 

old    debts   337:     a    verv    woman 

361.  362. 
Matthias  Corvinus  83. 
Matthieu  de  Vendome  124.  125. 

129.  613.  616. 
Maximilian    L,    Kurfürst    von 

Baiern,  31. 
Medici,  Lorenzino    de',    56.  66. 

67.  27!).  286:  l'Aridosia  280—285. 

483. 
Meissner,  J.,  642. 
Meister,  Mich.,  30.  96. 
Melanthon  14.  23.  26.  33.  46. 
Menaechmi  53.  56.  60.  61.  67.  (ID. 

70.  71.  72.  78.  82.  86.  88.  92.  93. 

94.  100.  117.  181.  332.  389.  608. 

611.  709.  714;  Charakteristik  und 

Nachahmungen  490 — 595;  viel  ge- 
spielt 108;  in  Ferrara  50.  51;  in 

München  37:  in  Nürnberg'  40:  in 

Rom  52. 
Menander  14.17.55.  66.  275.  45."». 

462.  574.  596.  737. 
Menekiu,  Mailänderfigur,  503.  509. 
Mentzel,  Elisabeth,  34. 


Kegister. 


787 


Mercator  16.  58.  81.  389.  426.  710; 

Charakteristik  und  Nachahmun- 
gen 680-  OHO. 
Mercier.  4. 

Meril,  Ed.  du,  21.  84.  124.  265.  CK'.. 
Merimee,  Prosper,  108.  174. 
Merula,  A.,  19. 
Meschinot,  Jean.  174. 
Mesmes,  de,  336.  337. 
Metastasio  161. 
Metel,  le,  s.  Boisrobert. 
M  eurer  286. 
Meurice,  P.,  674. 
Meyer,  Maurice,  265. 
Michaelis,  Ad..  265. 
Middleton  80;  No  wit  like  a  wo- 

man's  408.  409. 
Milari,  Graf  v.,  324. 
Miles  gloriosus  7.  16.  51.  57.  60. 

61.  62.  65.  67.  69.  72.  78.  79.  81. 

82.   100.  101.  103.  104.  106.   107. 

120.  252.  389.  416.  417.  421.  503. 

515.     697.      702;     Charakteristik 

und    Nachahmungen    595  —  680; 

Name   und  Entwickelung  104  ff.; 

in  Prag  gespielt  36;   von  Melan- 

thon  14.  24.  34. 
Mirabeau  23. 
Mitternachts,    S.,     Unglückliche 

Soldat  17. 
Mmlry  36. 
Moland    116.    124.    174.    177.    179. 

181.  183.  185.  2C2.  663. 
Moliere  19.  23.  26    64.  67.  68.  71. 

72.  78.  80.  101.  102.  104.  116.  124. 

128.  154.  161.   173.   177.  193.  198. 

201.  202.  203.  205.  206.  207.  208. 

217.  225.  226.  228.  229.  263.  266. 

274.  276.  277.  279.  286.  289.  290. 

305.  306.  307.  308.  309.  310.  311. 

314.  317.  321.  322.  323.  324.  469. 

484.  493.  554.  560.  566.  685.  766; 

l'amour    medicin    666;     Amphi- 

tryon  64.   67.   179  —  185;    l'Avare 

64.  67.  78.  290.  291—297;  le  Bour- 

geois  gentilhomme  68;    le  Depii 

iinioureux  80;  l'Ecole  des  femmes 

OS;  l'Ecole  des  maris  67.  68.  80; 

l'Etourdi  .".65.  406.  435.    140.  708; 

les  femmes  savantes  68;  les  four- 

Imimcs  de  Scapin  67.  400.  107.  000: 

leMisanthrope  307;  Pmircciuiynitc 

67;  Sganarelle  672. 
Molieriste,  le,  181.  184.  185.  L98. 

208.  297.  306. 
M  onchesnay  185. 
Mondore  652. 
Monnicr,  lc,  74. 


Montaiglon,  Anatole  de,  125. 

Montaigne  8.  15.  28.  48.  02. 

Monteiro  147. 

Montemayor  61;  la  Diana  ena- 
morada  522. 

Montfleury  07.  ('.!».  71:  Comedien 
poete  462-465. 

Montmaur  103. 

Monval,  G,  41.  290.  622. 

Moratin  146.  296.  503.  504. 

Morgann,  M.,  672. 

Moritz  von  Hessen  95.  108. 

Most  eil  aria  44.  56.  57.  58.  66.  69. 
70.  71.  72.  78.  79.  80.  82.  84.  101. 
102.  120.  191.  192.  280.  286.  287. 
499.  718;  Charakteristik  u.  Nach- 
ahmungen 444—490.  753.  755.  762. 

Movers,  F.  C,  717. 

Müling.  J.  A.,  28. 

Müller  4P;  Ad.  (ed.  Aristoph.)  100: 
Adam.  H.,  226;  C.  F.  W.  18;  C.  O. 
116;  C.  W.  125;  Joh.  Aug.  39; 
Lucian  613.  614. 

Münchhausen  640. 

Munday,  A.,  80.  190.  346. 

Muralt  306. 

Muratori  50.  51.  162.  509. 

Muret  62. 

Mur melius  34. 

Murphy  81;  The  Citizen  085. 

Musaeus  92. 

Muschler  91. 

Mussa,  .Toh..  126. 

Mylius,  C.  H.  S.,  317.  407. 

Naevius  13.  18.  690. 
Nagel,  H.,  617.  619. 
Nardi,  Jac,  56. 
Nash  347. 

Naudet  17.  74.  117.  185. 
Ne ander,  Mich.,  31. 
Nekrornant  165.  u.  <">. 
Neuber  100.  296. 
Nevyle,  Alex.,  74. 
Newman,  Andr..  75. 
Nibelungen  7. 
Niccolini  549. 
Nichols,  .1.,  569. 
Niemeyer  43. 
Nikolaus  von  Trier  1'.'. 
Nineusis  60. 

Noble  Le,  Eustache  557—559. 
Kodier,  Ch..  9. 
Nokea  440. 
Norrmann  321. 
.North  (Pkctarch)  8. 
Notker,  Cabeo,  85. 
Nuce,  Tli..  74. 

50* 


7ss 


Register. 


Nuittor  186. 
Nydhart,  Hans,  35.  85. 

Odet  de  Turnebe    (Tournebu) 

10.'! :  Lt>s  Oontens  664. 
Oehlenschläger  592-594. 
Oliva,  Fernan  Perez  de,  60. 1'24. 

140—145.  508. 
Opitz  98. 
Orbarius  20. 
Orelli  265. 
Orlando  324. 
Orlando  di  Lasso  652. 
Osann,  F.,  117.  124.  125.  128.  271. 
Osius,  Hieronymus,  24.  38. 
Ost  beider  767. 
Otto  der  Grosse  85. 
Otto,  Pfalzgraf,  94. 
Otway,  Thomas,  407. 
Ovid  57.  60.  64.  77.  81.  92.  172.  614. 
Oxenford,  John,  208. 
Ozell  207. 

Pädagog  in  der  Komödie  102.  427. 

434.  441.  511.  655.  u.  ö. 
Paisiello  487. 
Palaprat  109.  668. 
Palissot  566.  567. 
Palm  38.  40.  46.  94.  98.  102. 
Panzers  Annalen  86.  88. 
Paolo  Cortese  240. 
Parabase  im  Curculio  357. 
Parasit  69.  103.606.  655.  714.  u.  ö. 
Pareus  88.  98.  256.  266. 
Parfaict  67.  69.  109.  337.  462. 
Pariati  59.  173.  174. 
Paris,  Paiilin,  129. 
Parmindo  409. 
Parnell,  Thom.,  76. 
Par olles  107.  673.  674.  676. 
Passano  132. 
Passerota  444. 
Patrick  75. 
Patzke  97. 

Paul  IL  21;  Paul  III.  51. 
Pedant    in    der    Komödie    102; 

seine  Sprache   103. 
Pedro  der  Grausame  59. 
Peiper  21.  267. 
Pelisson  73. 
Pellegrini  179. 
Pellicer  61. 
Pentio  da  Lecco  509. 
Perez  Antonio   u.  Gonzalo  503. 
Perluigi,  Donini,  59. 
Persa  72.  710;  Charakteristik  und 

Nachahmungen  719 — 722. 
Perticari,  G.,  51. 


Pertz,  G.  H.,   126. 

Peter  der  Grosse  v.  Russland  184. 

Peterborou<>h,  Abt  v.,  74. 

Petrarca  427. 

Peys,  Abr.,  184. 

Pf  äff  27.  30. 

Pfeifer  128. 

Philomon  17.  462.  681. 

Philipp  IL  v.  Spanien  138.  503. 

Philippo  Publio  Mantovanos 
Komödie  Formicone  8. 

Philomusus  s.  Locher. 

Piareta,  P.,  174. 

Phoenissen,  engl.,  75. 

Phormio  des  Terenz  24.  28.  34. 

51.  67.  72.  75.  407;  gespielt  in  Fer- 
rara  52;  Hannover  41 ;  Lütt  ich  38. 

Pianelli  544. 

Picard  567. 

Pickelhäring  102. 

Pinheiro,  .1.  C,  661. 

Pistol  107.  673. 

Plaut us,  T.  M.,  sein  Leben  und 
Name  12;  im  Urteile  der  Alten 
13.  14;  der  Späteren  15;  seine 
Stoffe  16.  17;  sein  Einfluss  auf 
die  Bühne  18.  19;  im  Mittelalter 
21;  seine  Technik  22;  weniger 
gelesen  als  Terenz  23 — 30;  seine 
Komödien  nachgeahmt  115 — 777; 
dramatisch  bearbeitet  110.  111. 
421-426;  aufgeführt  in  Basel  39; 
Bunzlau  40;  Coburg  39;  Ingolstadt 
39;  Königsberg  38;  München  37; 
01mütz35;  Prag  36;  Regensburg 
38;  Strassburg  39;  Wien  35;  in 
Italien  50.  59;  in  Rom  240;  Green- 
wich  76;  St.  Louis  44;  Cambridge 
76.  307. 

Plinius  92. 

Plümicke  85. 

Pluismer  297. 

Plutarch  23.  92. 

Poenulus  16.  57.  71.  101.  409. 
482.  483.  595;  Charakteristik  und 
Nachahmungen  714 — 719;  veran- 
lasst Dialektdichtungen  109.  409. 
718;  Prolog  hierzu  115.  715;  auf- 
geführt auf  dem  Kapitol  53;  in 
Ferrara  718. 

Pogianus,  Julius,  52. 

Po  ins  672.  673. 

Pol,  Nik.,  38. 

Poliziano,  Angelo,  52.  116. 

Pombal  63. 

Pomponius,  Laelus,  22.  50.  52. 
240. 

Poner,  Jos.,  95. 


Register. 


789 


Pope  6.  216.  307. 

Porta  della  (dalla)  80.  191.  654, 
la  Carbonaria  713.  714;  fantescä 
388.  389.  522.  654.  708;  I  fratelli 
simili  544;  I  duoi  fratelli  rivali 
540;  Olimpia  168.  521.  522.  655 
708  —  713;  la  Trappolaria  654 
708—713. 

Poseid ippos  495. 

Pozzi  52. 

Prantl,  Karl  von,  26. 

Prato  da  Domenico  132.  137. 

Preller  148. 

Prestes,  Ant.,  146.  147. 

Prevost,  Abbe,  73. 

Price  74. 

Prölss,  Rob.,    22.    30.   31.  48.  51. 

52.   53.   54.  55.   56.   57.   102.  103. 

108.  110.  173.  280.  323.  333.  483. 

514.  517.  544.  638.  639.  656. 
Propertius  77. 
Prospero  51. 

Proverbes,  la  comedie  des,  667. 
Prudentius,  Clemens,  19.  20. 
Priiss  24. 
Prutz,  Rob.,    16.  44.  82.  83.  297. 

477.  482.  632.  633.  636.  637.  646. 

700. 
Prynne  77. 
Pseu dolus  34.  56.  70.  71.  72.  82 

99.  340.  389.  722;  Charakteristik 

und  Nachahmungen  690—714. 
Pulcinella  101. 
Purcell,  Hein.,  198. 
Pyrgopoliuices  81.  105.  417.  421. 

645.  646.  u.  ö.  (s.  Miles). 

(Juadrio  53.  132.  274.  510.  526. 
Querolus   56.    125.   255.  265—270. 

280.  322.  614. 
Queux   de   St.  Hilaire   129.  130. 

131. 
Quicherat  265. 
Quijote,  Don,  104. 
Quinault,  Phil.,  69.  435;  l'amant 

indiscret  437 — 440. 
Quintilian  14. 
Quinziano  Stoa.  48. 

Rabelais  7.  8.  62.  259. 

Racine  407.  462. 

Raguenet  179. 

Rahbek  482.  700. 

Ramon   de   la  Cruz  Cano  y  01- 

medilla  489. 
Ramsay  444. 
Ranke  51.  52.  53. 


Rapp,  M.,    16.  61.  68.  79.  80.  81. 

101.  117.  176.  179.   181.  190.  191. 

230.  256.  258.  262.  307.  325.  329. 

331.  355.  356.  360.  361.  365.  390. 

392.  395.  401.  405.  408.  409.  426 

441.  445.  469.  475.  488.  490.  502. 

509.  547.  565.  574.  575.   576.  600. 

604.  670.  674.  677.  682.   683.  684. 

690.  715.  716.  719.  720.   722.  721 

726.  736.  737.  745.  746.  750.  753. 

767.  768.  771. 
Raspe,  R.  E.,  640. 
Rastoul,  Ant.,  296. 

Raum  er  29.  30.  31.  46.  49.  733. 
Razzi,  G.,  la  Balia  168. 
Rebhun,  P..  47. 
Redi  735. 

Regnard  67.  69.  70.  71.  79.  289. 
475.  482.  567.  575.  577.  762;  les 
folies  amoureuses  389;  les  Me- 
nechmes  70.  547.  559-566;  le 
Retour  imprevu  70.  465—469;  la 
Serenade  70.  698—700. 
Reichard  37. 

Reinhardstoettner  141.  146. 
Reinhardt  681. 
Reitlinger  38. 
Reiz  722. 
Renaissance  in  Deutschland  und 

Italien  48.  49. 
Reuchlin  33.  36.  46. 
Rezabal  y  Ugarte  140. 
Rhenius,  Job.,  30.  97. 
Rhinton  116. 

Rhodigino,  Giancarli,  544. 
Riccius,  St.,  91.  95. 
Riccoboni    55.    57.   58.   102.    106 
108.  110.  164.  173.  239.  240.  252 
375.  407.  410.  441.  526.  538.  540. 
541.  544.  617.  658.  753. 
Riccoboni,    Hei.    Balletti,    72. 

736;  le  naufrage  heureux  736. 
Riche,  Barnab.,  523.  524. 
Richter,  E.  J.,  229.  255. 
Ricklefs  767. 
Riedel,  E.,  45. 
Riese.  A.,  596. 
Rigault  10.  11.  64.  292.  307. 
Rigutini  59. 
Ristgräff  87. 

Ritschi    12.    17.   19.  98.   99.    116 
239.  256.  391.  426.  427.  434.  444 
462.  495.  502.  5! Mi.  690.  Tis.    71!» 
738.  746. 
Rittershuis  266.  270. 
Rockinger  94. 
Rüderer  181. 
Roger  de  Ra  luit  in   185. 


790 


Register. 


Roi  698. 

Roister  Doister  TT.  81.  103.  10T. 

669    671. 
Rojas  y  Zörrilla  323. 
Rollenhagen,  G..  33. 

1!  Ö  nianus,  Frz..    12. 

Romberg  136. 

Romeijo  690. 

Ronsn  rd  387. 

Röscher,  \V.  H.,  116. 

Roscoe  50.  308. 

Rosenblüt  92. 

Rost  229.  355.  401.  444.  680.  TOS. 
719. 

Roth,  Frd.,  9. 

Rotrou  G7.  124.  502.  527;  Am- 
phitryon  174— 177.  179.  182.  183. 
Ciarice  527;  Captifs  339-346; 
Menechmes  549 — 554.  575. 

Roy.  le,  70.  71.  346. 

Rudens  22.  ."»7.  72.  389.  744;  Cha- 
rakteristik und  Nachahmungen 
722 — -737;  Prolog  115;  gespielt  in 
St.  Louis  44.  45.  735.  736. 

Rudolf  v.  Ems  (Barlaam)  128. 

Rümelin,  G.  575. 

Ruth  51.  53.  56.  59.  103.  162.  163. 
168.  169.  173.  333.  375.  383.  395. 
406.  454.  483.  503.  510.  527.  531. 
653.  656.  685.  753. 

Rutini  324. 

Ruzzante  s.  Beolco. 

Sä  de  .AI  iranda  62. 
Sabinus,  Franc.  Flor.,  14. 
Sachs,    Hans,    46.    92.    93.    592; 

Menächmi  5T9 — 584. 
Saci  le  Maitre  27.  28. 
Saegelken  294. 
Saint-Gelais  65. 
Sainte-Beuve  15.  23.  28.  67.   7.°». 

346.  7fi9. 
Salas  Gonzales,  de,  61. 
Salvador,  D.  Constanzo  146. 
Salvini,  A.  M.,  131. 
Salzmann  101.  649.  773. 
Sambucus  83. 
Samosch  793. 
Sanchez  60. 
Sand  56.   101.  103.   104.   105.  246. 

247.  250.  406.  652.  658.  66:». 
Sansovino  53. 
Santilla,  Marquis  v..  59. 
Santos,  Diez  Gonzales,  61.  146. 
Sapidus,  .loh.  (Anabion),  4f). 
Saraceni  .")•_'. 
S;i  rdeoni,  Bern.,  56. 
Bardi,  Gr.,  608. 


Sardi  324. 

Sauppe  204. 

Savi  324. 

Scala,  Flaminio,  400.    541.    542. 

543.  652.  6T1. 
Scaliger,  Jos.,  14. 
Scapi'n    101.    102.    406.    698.    699. 

700;  les  fourberies  de  Sc  58    67, 

4oi;.  407. 
Scararnouche  102.  406. 
Scarron  67.  322.  665. 
Schack,  Fdr.   Graf.   Cd.  61.  138. 

140.  145.  321.  n04.  523. 
Schack  (Komponist)  487. 
Schaeferlein  92. 
Schartenmeyer  220. 
Scheffler  672. 
Scheltz  295. 
Schenk,  Mart..  30,  96. 
Scherer,  Wilhelm,  89.  91. 
Schiller,   Fdr.,    Don  Carlos  483; 

Neffe     als     Onkel    567;     Räuber 

.">77;  Spätere  Dramen  6.  Teil.  W., 

10. 
Schirach  100.  314. 
Schlager  35. 
Schlegel,   A.  W.  v.,    16.   42.   49. 

256.  291.  295.  502.  575.  677. 
Schleich,  Martin,  483. 
Schmidt,  Ch.  (Hist.  Als.),  24.  28. 

31.  47.  85. 
Schmidt,  Erich,  99. 
Soli uii dt,  K..  39.  ."»2. 
Schmidt.  Mor.,  22. 
Schmidt,  Biogr.  708. 
Schneeb erger,  Hier.,  10. 
Schneider,  C.  E.,  722. 
Schneider,  J.,  22. 
Schnorrs  Archiv   10.   37.   40.  46. 

47.  85.  99.  208.  214.  351.  766.  u.  ö. 
Schoch,  Georg,  214. 
Scholl,  G.  u.  F.,  87. 
Schonaeus    26.    34.  46.    72;    sein 

Tobäus  34.  46. 
Schreiber,  H,  31. 
Schröder    17:    .T.   F.   31.   47.    240; 

(Schauspieler)  354.  633. 
Schücking.  Levin.  110. 
Schütze.  J.  F.,  296. 
Schultz.  Frd..  17.  116. 
Schulz  101. 
Schwab,  G.,  329. 
Schwabe  494.  500. 
Schwarz  33. 
Schweiger    19.    74.    83.    96.  298. 

299.  346.  651.  743. 
Schweitzer  184.  185.  296.  297. 
Scott.  Walter.  197.203.204.440. 


Register. 


791 


Scribe,  Eug.,  483. 

Sc  uil  ery  541. 

Secchi  (Secco),  gl'inganni  524— 

•>-'"'-.  •)}•'!:  l'interesse  525 
Sedaine   72.    184. 
Sedulius  124. 
Seidner  98.  !•!».  351. 
Sellori,  Mauro,  174. 
Seneka  9.  24.  32.  34.   38.  41.  49 
•><•    60.    61.   74.   77.   92.  99.   138 
146.  214. 
Seuffert  46. 
Seydelniann  746. 
Seyffert,  0.,  690. 
Seyler  351.  352.  353. 
Sforza  d(egli)  Oddi  527.  559 
Shadwell    7!».    80.   264.   380;    the 

Miser  306. 
Shakespeare    76.    88.    502.    717. 
722;  Verhältnis  zu  den  Alten  23! 
78;    All    's  well    that    ends    well 
673;    Comedy    of  Errors    6.    78 
181.  334.  500.  523.  547.  568.  569 
570-576.   5(7.  591;  Hamlet   77- 
King  Henry  IV  (Falstaff)  81.  lOö! 
107.    223.    671-674;     King  Lear 
(45;    Love's    Labour's    Lost    646 
[l\V  Merrywives  78.  673;  Othello 
203.   (4.»;    Pericles   232.  736;  Ta- 
mmg  of  a  shrew    78.  333-   Tem- 
pesi     736;     Twelfth    night    523 
?24;  aWinter's  Tale  524;  Shylock 
im  Merchant  of  Venice  450 
Shaw  76. 
Sibour,  E..  65. 
Sierke  99.  763. 
Sigismund  256. 
Signorelli  51.  541. 
Silva  da,  Jos,-,  63.  124.  155— 161 

197. 
Simai,  Chr.,  297. 
Sinies,  James.  98. 
Simonde   de   Sismondi   63.   155 

321.  510. 
•si  im  pson,  R .  568. 
S inirock  522.  524.  574    576 
Sixtus  IV,  52. 
Ske  1 1  o  ii  7 7. 
Sklavenrolle,  ihre  Ehiwickelunff 

7.  L01.  102.   106.  698.  u.  ö 
Sloman  746. 
Soldatenrolle  360.  361.  433.  u.ö.- 

s.  auch  Miles. 
Sommer,   E.,    71.    171.    346.    365 
389.  440.  487.  557.  565.  667    719 
729.  762. 
Sommerbrodt  715. 
Sonnenburg  490. 


Sonnenschein  324. 
Sophokles  9.   12.  40.  80.  140. 
Sophron   737. 

Sorrentino,  Cesare,  4M. 
Soubrette  (Philcmatium)  102 
Sousa,  Mejia.  323. 

Spangenberg,  Cyriacusu.Wol- 
fahrt  208. 

Spanische   Sprache    in    portuff 

Lustspielen  150. 
Spavento  104.  652.  657—661. 
Spezzafer  104.  652.  653 
Spengel,  And..  490.493  500  501 

746.  767. 
Stahr.  Adolf.  98.  99. 
Stampa  285. 
Stapfer,  P.,  7s.  549.  566.  569.576. 

b<2. 
Steele,  Eich.,    307;    The  tender 

husband  484. 
Steffens  314-317. 
Steinhoff,    R.,    18.  20.    117.    120 

174.  229.  482.  577. 
Stellato,  L.,  729. 
Stichus    99;    Charakteristik    und 

Nachahmungen  737  -  746 
Stiefel,   Dr.,    18.    490.    496.    502. 

503.  509.  514.  520.  514   547 
*Stöber  100.  351. 
Storck,  Wilh..  146.  117.  1  ls   i;,.-; 
Strassburger  Studien  208. 
Straumer  29. 
Strnadt,  Jac,  36. 
Strobilus  der  Aulularia  258 
Strodtmann  98.  99. 
Strozza,  Tito,  162. 
Strozzi  174. 
Stubenvoll,  Dr.,  40. 
St  u  dem  und  18.  681.  7b7 
Studlev,  J.,  74. 
Sturm  24.  31.  38 
Sturz,  P.  Helf.,  592. 
Sulzer   11.  54.    122.  133.  174.  253 
285.  295.  314.  346.  441.  449    708 
714.  736.  738.  767. 

Tacitus  9. 

Taille,  Jean  de  la,  165 

Taine,  H.,  74.  202.  307.  675. 

Tarbe,  P.,  129. 

Tarentino  Secondo  653. 

Taschereau  295. 

Tellez  323. 

Teive,  Diogo,  de  62. 

Terentius,  P.,  sein  Leben  12:  be- 
kämpft 20.  630;  mehr  gelesen  als 
Plautus  2&-28;  seine  Vorzüge 
Plautus  gegenüber  28—30;   . 


792 


Register. 


geführt  in  Basel  39;  Breslau  38; 

Bunzlau  40;  Hannover  41 ;  Kassel 

39.  40;  Königsberg  38;  Löwen  36; 

Lüttich  38;    München    40;   Nörd- 

lingen  .'57;  Nürnberg  40;  Regens- 
burg 38;   Weimar  42;  Wien  35; 

Zwickau  35.  36;  Italien  50;  Ox- 

I  nid  76;  Salamanca  61. 
Terentius  Christianus,  25. 
Teuffei,  S.  W.  S.,   12.  14. -17.  18. 

l'.i.    115.   116.   124.  229.  255.  256. 

265.  266.  325.  355.  357.  360.  365. 

369.  374.  391.  392.  394.  401.  426. 

127.  444.  462.  495.  500.  502.  588. 

595.  596.  605.  690.  697.  714.  716. 

719.  722.  723.  724.  738.  746.  767. 

768. 
Theokritos  737. 
Theophrast  98. 
Thersytes,  interlude  668.  669. 
Thornton,  Bonnel,  81.  198.  203. 

216.  263. 
Thraso    16.  81.    82.   92.   107.   219. 

421.  605.  606.  632.  668.  670;  lat. 

Gedicht  613—616. 
Thümmel  107.  673. 
Thura,  Alb.,  81.  83. 
Thyestes   des  Seneka  24.  74;  in 

Wien  gespielt  35. 
Tibullus  77. 
Ticknor  60.  61.  141.  146.  321.  323. 

504.  523.  661. 
Tieck  100.  253.  317.  351.  362.  390. 

568.  648.  722.  773. 
Timon,  a  play  79. 
Timoneda,  Juan  de,  61.  502;  los 

Menecmos  504 — 509. 
Tiraboschi  50.   51.   59.   162.  164. 

240.  285.  369.  441.  451.  608. 
Tittmann  106.  108.  638.  639.  640. 

646. 
Toldi  84.  92. 
Tomek  Wladiwoj  31. 
Tomki(n)s  80.   191—193.  263.  264. 

488. 
Torelli  177.  714. 
Toretti  544. 
Torres  Naharro  61. 
Tortoli  252.  510.  534. 
Toulmin-Smith  76. 
Trabea  13. 
Tracy.  de,  9. 
Tralage  64.  68. 
Trambusti  59. 
Trautmann,    Dr.   Karl,    37.  40. 

214.  642. 
Trinummus    24.    34.    58.   71.   72. 

78.  99.   100.   120.    191.   193.   228. 


256.  484.708;  Charakteristik  und 
Nachahmungen  746  —  768.  532. 
538;  gespielt  in  München  37;  in 
Ferrara  718. 

T  r  i  8  s  i  n  o  56 ;  I  Simillimi  527  -  531. 

Tristan   l'Hermite  69.  103.  104 

Tritte-  549. 

Trojano  Massimo  652 

Trotzendorf  30. 

Truculentus  16.  100.  595.  690. 
722;  Charakteristik  und  Nach- 
ahmungen 767 — 777;  im  Timon  79. 

Tugend  und  Liebesstreit, Freu- 
denspiel 524. 

Turpilius  13. 

Tweelingen,  de  gelyke  541. 

Tyrell,  R.  J.,  595. 

Tysdale,  J.,  668. 

Tzschimmer,  Gabr.,  215. 

Udall  76.  77.  81.  669—671. 

Ulrici  568.  575. 

Upton  390. 

Ussing  12.  14.  17.  81.  98.  174.  240. 

252.  274.  291.  295.  324.  346.  406. 

410.  435.  454.  461.  469.  475.  482. 

484.  503.  566.  605.  609.  632.  665. 

704.  798. 

Vacquerie,  Parolles  674. 

Vahlen  116.  490. 

Valencia,  Juan  de.  60. 

Valerius,  Maximus,  92. 

Valet  7. 

Vallauri  255.  595.  746. 

Valville  469. 

Vanbrugh  307. 

Vapereau  173.  186. 

Varchi,    Bened.,  58;    la  Suocera 

108. 
Varnhagen  155. 
Varro,  M.  T.,  14.  21.  24. 
Vecchi,  Orazio,  653. 
Verard,  Ant.  de,  63. 
Vergil  8.  10.  32.  57.  92. 
Verucci,Vergilio;  il  servo  astuto 

656.  698. 
"V  ei  waijen  115. 
Vice  668.  670. 

Vicente,  Gil,  61.  146.  152.  151. 
Vidularia  18.  723.      V. 
Vilaragut,  M.  A.,  60.    ' 
Villa,  Teod.  Aug.,  362. 
Villalobos   15.  60.   124.  138.  139. 

140.  145. 
Vi  Hon,  F.,  663. 
Vincioli,  Giacinto.  510. 
Vinet,  A.,  184. 


Register. 


793 


\ 


Vise,  de,  184. 

Vissering  490. 

Vitalis  Blesensis  124.  125.  126. 

129.  013.  616:  Aulularia  270—274. 

614. 
Voigt  19. 
Voiseuou  75.  172.  337.  73G;  l'keu- 

reuse  resseniblance  337.  338. 
Volkert  736. 
Voltaire   28.    116.    184.    218.   219. 

577. 
Von  de  1  [1587—1679]  299. 
Voss'  Horaer  6. 
Vossius  28. 

Vries,  M.  de,  298.  303.  304.  305. 
Vulcatius  Sedigitus  12.  13.  116. 

495. 

Wachler  646. 

Wachsmuth  31.  53. 

Wagner,    Wilh.,    255.    258.  263. 

26&.  293.  490.  746.  767. 
Walt  her.  Rud.,  45. 
Ward  74.  77.  84.  85.  103.  107.  266. 

333.  337.  517.  569. 
Warner,  William,  568.569.570. 
War  ton  48.   53.    74.    76.    77.    84. 

124.  569. 
Webbe,  Dr.,  75. 
Weber,  E.  W.  Dr.,  42.  296. 
Weinhold  100.  320.  321.  351.  646. 

647.  648.  773. 
Weise,  Christian,  98.  102. 
Weise,   C.  H.,    255.  365.  390.  401. 

414,  502.  680. 
Welcher  117. 

Well  er,  Annalen  93.  94.  215. 
Wendeil,  Hening,  83. 
Wernsdorf  266. 
Westerb aen  81. 
Westermayer  48.  111. 


Wex  717. 

Wh  all  ey  349.  350.  675. 

White,  Thom.,  670. 

Wiedeburg  767. 

Wieland  100. 

Wieseler  116. 

W7ilhelm  V.  von  Baiern  652. 

Will  40. 

Wille  401. 

Wimpheling  31.  47. 

Winckelmann  116. 

Windischmann  390.  490. 

Winter,  Dr.,  124. 

Wirsung,  Chr.,  89. 

Wiskowatoff  47. 

Wislicenus  575. 

Witz  35. 

WTolf,  Adolf,  61.  523. 

Wolf,  Ferd  ,  63. 155.  160.  161.  663. 

Wolff,  0.  L.  B.,  674. 

Wolff,  P.  A.,  107. 

Wolfrom,  A.,  763. 

Woodward  207. 

Wortley,  Montague,  216. 

Wright,  Thom.,  125.  128. 

Würthmann  652. 

Wycherley  306.  307. 

Xenophon  92. 
Ximeno  504. 

Yelverton  76. 

Zanni  101.  102. 

Zapf  46.  88.  241. 

Zayas,  Maria  de,  322. 

Zell  46. 

Zenckfrey  (Zenckert)  95.  314. 

Zschocke  296. 

Zwingli  36. 

Zzämboki  83. 


Corrigenda. 


Unbedeutende  Druckfehler,  wie  fehlende  Kommata  (z.  B.  S.  62,  Z.  25  v.  u. ;  S.  185, 
Z.  5  v.  o.),  unrichtige  Accente  u.  dgl.  möge  der  Leser  gefälligst  verbessern;  desgleichen  einige 
ein  paarmal  falsch  geschriebene  Namen,  wie  Ballett!  (S.  72),  Lecocq  (S.  103),  Boieldieu 
(S.  483),  Chasles  (S.  336),  Desnoireterres  (S.  337),  Fuhrmann  (S.  544),  Halliwell  (S.  80),  Kurz 
(S.  84.  92),  Menechuies  (S.  544),  deren  richtige  Orthographie  das  Register  bietet.  Ausser- 
dem ist  zu  korrigieren  S.  22,  Z.  20  v.  o.  Colenuccio  in  Collenuecio ;  S.  30,  Z.  15  v.  o.  Im  selben 
Jahre  in  In  denselben  Jahren  (1623);  S.  37,  Z.  19  v.  u.  zahlt  in  zalt;  Z.  16  v.  u.  Sme  in  Jme; 
Z.  15  u.  11  v.  u.  gabriele  in  gabrieln;  Z.  13  v.  u.  Err  in  Er,  V  und  in  Vnnd;  S.  48,  Z.  15  v.  o. 
exercice  in  exercise;  S.  174,  Z.  12  v.  o.  Busquet  II  in  Brusquet  II;  S.  191,  Z.  18  v.  o.  wigard 
in  wizard;  S.  203,  Z.  13  v.  u.  Thorton's  in  Thornton's ;  S.  204,  Z.  19  v.  u.  fort  in  for;  S.  240, 
Z.  19  v.  o.  rugosoqne  in  rugoseque;  S.  285,  Z.  12  v.  o.  machten  in  macheu;  S.  523,  Z.  9  v.  u. 
Bernabe  in  Barnabe;  Z.  11  v.  u.  Gcntlewoman  in  Gentlewomen.  —  Zu  S.  381  ist  zu  verglei- 
chen: S.  Samosch,  Machiavclli  als  Komüdiendichter.     Minden  1885.     S.  12  ff. 


Druck  von  C.  G.  Köder  in  Leipzig, 


W-  '©  1...    iide  s>. 


PA     Reinhard stoettner,  Karl  von 

6535      Plautus 

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