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Plautus.
Spätere Bearbeitungen plautinischer Lustspiele.
Ein Beitrag zur vergleichenden Literaturgeschichte
Karl Ton Reinhardstoettner.
S-H M ft
9;0.
Leipzig,
Verlag von Wilhelm Friedrich,
K. R. Hofbochhüiuller.
1886.
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PA
6585
'Ri,
Alle Rechte vorbehalten.
Yor-wort.
Als ich vor fünf Jahren meine kleine Abhandlung über
den Amphitruo des Plautus und seine späteren Bear-
beitungen1) hinausgegeben und eine Reihe günstiger Be-
sprechungen erzielt, sowie zahlreiche Aufforderungen, die
Arbeit fortzusetzen, erfahren hatte, da waren es gerade die
wohlwollenden Kritiken im Zusammenhalte mit meinen in-
zwischen neu gewonnenen Resultaten, die mich in der Ab-
sicht bestärkten, die begonnene Arbeit nicht mehr weiter
zu führen. Denn konnte der eine oder andere Rezensent
mich auf ein Paar übersehene Amphitruobearbeitungen hin-
weisen, so hatte ich selbst von der Drucklegung des
Schriftchens bis zum Erscheinen der Besprechung desselben
vielleicht deren dreissig gesammelt, und es schien mir zwei-
felhaft, was beschämender war, die Hinausgabe oder die
Kritik der Arbeit, deren überreiches Material Autor und
Rezensent in gleichmässig unvollkommener Weise be-
herrschten oder, besser gesagt, beherrschen konnten.
Aus einzelnen kleineren Versuchen und Programmen, die
unendlichen Fleiss und Liebe zur Sache verraten, ersah ich
erst recht die Unmöglichkeit meines Vorhabens. Es ist
für einen einzelnen Forscher nicht durchführbar, die ge-
samten Nachahmungen z. B. der plautinischen Lustspiele
') Die plautinischen Lustspiele in späteren Bearbeitungen. I. Amphitruo.
Leipzig 1880. (W. Friedrich.) 77. S.
VI Vorwort.
nicht allenfalls bei den Kulturvölkern Europas, sondern nur
bei einem einzigen, etwa Italien, nachzuweisen. Sein Ver-
such muss aus vielen Gründen lückenhaft bleiben.
Diese schon bei dem ersten Stücke gewonnene Er-
fahrung musste entmutigend wirken; führte sie ja zu der
Überzeugung, dass das Werk, ein Nachweis aller Nach-
ahmungen plautinischer Komödien, niemals vollendet
werden könne. Wie viele für das Thema wichtige Angaben
hat mir nicht systematische Forschung, sondern ein reiner
Zufall, oft ein einem andern Buche beigebundenes Büchlein,
geliefert! Konnte nun auf Erschöpfung des Werkes nach
dieser Seite hin nicht gerechnet werden, so ergab sich
doch ein anderer Gesichtspunkt, von dem aus es vielleicht
gerechtfertigt erschien, das gesammelte Material als erste
Grundlage fernerer Forschungen hinauszugeben —
es war die Rücksicht auf die vergleichende Lite-
raturgeschichte. Hier mochten die zahlreichen Lücken
eher verzeihlich erscheinen; handelte es sich ja doch nicht
um einen Katalog aller irgendwo einmal erschienenen
Plautusnachahmungen, als vielmehr darum, zu zeigen, wTelche
von den Komödien des alten römischen Lustspieldichters
hat die Teilnahme der modernen Völker am meisten für
sich beansprucht, welches Volk hat sich der Antike am
meisten, welches am wenigsten genähert, was ist unter ver-
schiedenen Himmelsstrichen, zu verschiedenen Zeitaltern
und unter dem Einflüsse verschiedener religiöser, politischer,
sozialer Strömungen aus dem gleichen Stücke geworden —
kurz: wie hat sich dasselbe Samenkorn unter den
einander entgegengesetzten Zonen zu einer mehr
oder minder bedeutenden Pflanze entwickeln
können? Wie könnte sich die poetische Fähigkeit, das
dichterische Gestaltungsvermögen, die sittliche Anschauung
einzelner Nationen zutreffender mit einander vergleichen
lassen, als wenn allen so zu sagen eine gleiche Aufgabe
gestellt ist, deren Bearbeitung ergeben wird, wie die einen
Vorwort. VII
ängstlich am Wortlaute des Originals haften blieben, andere
sich mit der Lokalisierung des Stoffes begnügten, wieder
andere, die Freiheiten des alten Dichters verabscheuend, sein
Stück zu einem Moralexempel zu gestalten suchten, indessen
andere gerade hierin ihr Feld fanden und die dem Römer
kaum mehr verzeihliche Unmoralität einzelner Vorwürfe in
üppigster Form erweiterten; wie die einen sich von der
leitenden Hand des Meisters nicht losrangen, während
andere, ihm treu zwar im Grossen und Ganzen, Meister-
werke für alle Jahrhunderte schufen, wie Moliere mit seinem
„Geizigen"?
Diese vergleichende Literaturgeschichte, auf welche
die g-leichen Stoffe in ihrer mannigfachen Bearbeitung hin-
weisen müssen, gestaltet sich zu einem Stück Kulturge-
schichte und findet hierin ihre höchste Bedeutung.
Einen derartigen Versuch, den ersten Baustein
zu einem solchen, soweit es Plautus betrifft, zu
liefern, war mein bescheidenes Ziel. Je mehr ich mich über
den Entgang des einen oder andern Stückes trösten musste,
und je leichter ich es angesichts des geringen poetischen
Wertes so vieler konnte, um so mehr musste ich das
Augenmerk auf den Vergleich der bedeutendsten Bear-
beitungen richten, stets die vergleichende Absicht vor-
kehrend. Damit war mir auch die Art der Durchführung
vorgezeichnet.
Es handelte sich vorerst darum, ein Bild des plau-
tinischen Stückes zu geben. Das Original musste so
genau analysiert werden, dass es dem Nichtkenner der
Komödie, ja selbst jenem, der sich mit ihrer Lektüre nicht
beschäftigen will, klar vor Augen liegt. Dabei musste
vielfach der Wortlaut gegeben werden. Es musste auf ein-
zelne Figuren ein besonderer Nachdruck gelegt werden, und
selbst Stücke, die wenig Nachahmung fanden, ein Pseudolus,
Stichus u. dgl., mussten vornehmlich in jenen Charakteren
nicht kürzer behandelt werden, welche in den späteren Nach-
VIII Vorwort.
ahmungen ständig sind, in ihren Kupplern und Parasiten,
in ihren grosssprecherischen Soldaten, Pedanten
und verschlagenen Sklaven; denn alle diese Gestalten zu-
sammen aus den sämtlichen Stücken sind die ruf-
fiani und arlecchini, die capitani und famigli u. s. w. der
späteren Komödie geworden; ihr Gesamtbild ist aus allen
jenen Stücken gewonnen, in welchen sie bei Plautus spielen,
und darum schien ihre Charakteristik, wo immer sie vor-
kamen, unentbehrlich.
Nicht anders glaubte ich bei den nachgeahmten Stücken
verfahren zu müssen. Schon beim Amphitruo ist gelegent-
lich bemerkt worden, dass die fremdsprachlichen Zitate
fast zu viele seien, während von anderer Seite eine Über-
setzung derselben verlangt oder doch als praktisch bezeich-
net wurde. Ich habe mir zahlreiche Gutachten erholt und
bin, gestützt auf diese und auf eigene Überlegung, meinem
alten Grundsatze treu geblieben. Einmal war es des Ver-
gleiches halber unbedingt nötig, besonders in den roma-
nischen Sprachen, den vollen Wortlaut anzuführen, wo er
sich mit dem Originale völlig deckte oder wesentlich von
demselben unterschied. Ich habe gesucht, die Schlagwörter
zunächst zu geben, meist so, dass der Sinn der Rede
deutsch vorlag; nur etwa im Französischen habe ich mehr
zu zitieren gewagt. Und wenn hin und wieder die Schön-
heit oder Eigenart einer Stelle ein Paar Verse zu viel ver-
anlasste, so mag dies verzeihlich sein.
Ein anderer Grund aber zwang fast zu reichhaltigeren
Zitaten; es war die grosse Seltenheit einzelner angeführter
Werke. Wenn die Herbeischaffung eines Buches mit
grossen Opfern für mich und mit mancher Belästigung für
andere verbunden war, so musste man den einmal gewon-
nenen Schatz doch so verwerten, dass einem andern die
gleiche Mühe erspart bleibt, dass er aus meinen Angaben
so viel entnehmen kann, als er zu seinem Zwecke braucht.
Ich habe mit den Angaben meiner Vorgänger die
Vorwort. IX
meiste Zeit verloren. Die seltsamsten Mitteilungen über
Nachahmungen plautinischer Lustspiele finden sich hier und
dort; mit allem Scharfsinn vermöchte man nicht, wenn man
sich mit tausend Opfern das Buch zu verschaffen wusste,
eine solche darin aufzuspüren. Darum glaubte ich, gerade
bei seltenen Werken, dem Nachfolger den grössten Dienst
zu thun, wenn ich ihn, und sei es selbst in breiterer Form,
darüber aufkläre, ob und in wie weit eine Nachahmung
des Plautus vorliegt, an welcher Stelle dieselbe sich findet,
ja sogar unter Umständen die Szene angebe, die man irr-
tümlicherweise oder mit wenig Berechtigung bisher als
eine solche bezeichnet hat. So nur kann er sich selbst ein
Urteil über die aufgestellten Behauptungen bilden.
Wenn ich meine Arbeit einen bescheidenen Beitrag
zur vergleichenden Litteraturgeschichte nenne, so liegt hierin
zugleich die Entschuldigung stilistischer Mängel. Es wäre
leicht gewesen, die einzelnen Stücke ihrem Inhalte nach
zu beschreiben, von der Fabel ein abgerundetes Bild zu
geben und am .Schlüsse in langen Worten aus den ge-
gebenen Thatsachen ein Resultat zu ziehen. Das hielt ich
diesmal noch nicht für meine Aufgabe. Obwohl es zu
mancher Monotonie führen musste, deren Vermeidung ein-
fach unmöglich war, zog ich es vor, jedes analysierte Stück
nach Akten und Szenen wiederzugeben. Damit ist auch
hinsichtlich der Technik der betreffenden Stücke
Plautus gegenüber stets der Vergleich ermöglicht. Diesen
zu ziehen, habe ich meist, wenige Worte ausgenommen, dem
Leser überlassen; denn es handelte sich in diesem Buche
vorerst nur darum, die Bausteine zu weiterem zu sammeln.
Der Erinnerungen sind gelegentlich meines Amphitruo
verschiedene geschehen, die auch diesmal unberücksichtigt
geblieben sind. Um nur eine herauszugreifen, wurde der
Textkritik von einzelnen Rezensenten gedacht. Ich habe
nach den besseren mir erreichbaren Ausgaben des Plautus
zitiert und dieselben stets genannt. Die Berücksichtigung-
X Vorwort.
di r Resultate der neueren Textkritik kann hier niemand
fordern; denn es handelt sich ja nur um die ästhetische
Seite der plautinischen Komödien. Lagen ja doch den
meisten Nachahmern keine kritischen Ausgaben vor, und
nahmen sie so manchen Prolog als echt, dessen Unechtheit
heute die Wissenschaft anerkennt.
Behörden, Anstalten und Kollegen haben mich während
meiner Arbeit zu höchstem Danke verpflichtet. Sie alle zu
nennen wäre zu weitläufig. Neben den reichen Schätzen
der Münchener Hof- und Staatsbibliothek durfte ich in aus-
gedehntem Masse die königliche öffentliche Biblio-
thek in Dresden benützen und verdanke der allseits ge-
rühmten Liebenswürdigkeit des Herrn Oberbibliothekars
Dr. Förstemann und des Herrn Bibliothekars Prof. Dr.
Schnorr von Carolsfeld die nachhaltigste Unterstützung.
Nicht minder unterstützte mich das freundliche Entgegen-
kommen der kgl. Bibliothek zu Berlin.
Besonderes Verdienst hat sich mein ehemaliger Schüler
und nunmehriger Kollege Herr Dr. Karl Trautmann in
München um meine Arbeit erworben, der, selbst in der
Geschichte des Theaters mit so schönem Erfolge arbeitend,
nichts unbeachtet vorübergehen Hess, was in einiger Be-
ziehung zu meinem Unternehmen stand.
Möge die Arbeit wenigstens die Teilnahme so vieler
bedeutender Kräfte in etwas lohnen!
Villa Lixenried, Herbstferien 1885.
Professor Dr. Karl von Reinhardstoettner.
INHALT.
Seite
Vorwort V— X
Erster Teil.
Einleitung. Plautus und Terenz und ihr Einfluss auf
die späteren Litteraturen 1 — 111
(I. Bedeutung des Altertums für die späteren Littera-
turen. Einleitendes. II. Plautus. Terenz. Ansichten
der Alten über sie. Anerkennungen des Mittelalters.
Terenz dem Plautus gegenüber bevorzugt. Gründe
hierfür. Terentius christianus. Fortgesetzte Pflege
des Terenz. Beispiele der Aufführung von Komödien
des Plautus und Terenz bis in die neueste Zeit.
Nachahmungen des klassischen Lustspieles in den
Schulkomödien. Bearbeitungen und Nachahmungen
des Plautus und Terenz in Italien, in Spanien, in Por-
tugal, in Frankreich, in England, in den Nieder-
landen, in Dänemark, in Schweden, in Ungarn,
in Deutschland. Ständige Figuren aus den alten
Dichtern. Der Sklave. Die Soubrette. Der" Päd a-
gog. Der Parasit. Der Prahler. Umgestaltung ein-
zelner Komödien. Einfluss des Pönulus. Plautus
selber dramatisiert.)
Zweiter Teil.
Die plautinischen Lustspiele und ihre hervorragend-
sten Bearbeitungen.
1. Amphitruo 115—229
(Der Geta des Vitalis Blesensis. Seine weite Ver-
breitung. Ins Französische übersetzt von Eustache
Deschamps; Italienische Bearbeitung. — Der spanische
Amphitruo des Villalobos, des Perez de Oliva.
— Amphitryon eines Anonymus von 1554. — D. San-
tos Diez Gonzalez. D. Jose de Canizares. D. Sal-
vador Constanzo. — Camöes. Jose da Silva. —
Amphitruo in Ferrara, übersetzt von Pandolfo Colle-
nuccio. — Dolces II Marito. — Groto Cieco di Ha-
drias La Calisto. — M. Angelo Buonarroti, II
Natale d' Ercole. — Pariati. — Sellori. — N. Forti-
Xll Inhalt.
Seite
guerra. — P. Piareta. — Gasparini Francescos
Oper Aufitrione. — Meschinots Übersetzung. — Ch.
Fe aus Brusquet. — Rotrou. — Sein Lustspiel; sein
Ballet. — Benserades Ballet de la Nuit. — Venard
de la Jonchere. — Beauchamp. — Raguenet. —
Pellegrini. — Moliere. — Ein Amphitruo von 1681.
— Gr£try und Sedaine. — Interlude von Jack Jug-
gler. — Anthony Munday, John a Kent and John a
Cumber. — Tomkins Albumazar nach dem Italienischen
des della Porta. — John Crownes The countiy wit.
— Ben Jonsons Idee. — Thomas Heywood, the
silver age. — Amphitruo in Dresden von englischen
Schauspielern [162GJ gespielt. — Drydens Lustspiel mit
Purcells Musik. — Echard. — Coocke. — Englische
Oper Alcmena von Michel Arne und Battishill. —
Dr. Hawkesworth. — Wolfahrt Spangenberg. —
Johannes Burmeister. — J. G. Schochs Comödia
vom Studentenleben. — Historie vom Herkules in Nürn-
berg 1549. — Amphitruo in Dresden. — Die in
Lorbeer verwandelte Daphne. — Juppiter und Alc-
mena, zwei Opern von 1696 und 1704. — Amphitruo
in Tzschimmers Festbericht. — Amphitruo 1716 in
Wien nach Lady W. Montagues Bericht. — Falks
„Die Uhu". „Amphitruon." — H. v. Kleist. — Am-
phitruogeschichte im Neuen Blatt.)
Asiuaria 229-255
(Aufführungen in lateinischer und italienischer
Sprache in Born. — Jakob Lochers ludicrum drama.
— A. Beolco Ruzzantes Vaccaria. — Cecchis II
Martello. — Joh. Burmeisters Bearbeitung. —
R. Lenz, Das Väterchen.)
3. Aiilnlaria (Querolus) 255—324
(Vitalis Blesensis Aulularia [Querolus]. — Gellis
La Sporta. — Lorenzinos de' Medici Aridosio. —
Paride Ceresara. — Carlo M. Maggi. — Gius. M.
Stampa. — Lisimbo Oristoniano Pastor Arcade
u. a. Übersetzer. — Lariveys Les Esprits. — S. Chap-
p uze au, le riche vilain. — Moliere, l'.Avare. — Con-
greves Love for love. — Zahlreiche Übersetzungen
von Molieres Avare. In Deutschland zu Frankfurt
1670; Neuber in Hamburg; Zschocke in Weimar; in
Spanien D. M. de Iparraguirre; D. L. F. Colmella;
in Dänemark 1722; in Holland Pluismer; in Un-
garn Simai; Döbrentcy; Kacinczky. — Der Philo-
chrysus des Jesuiten Lejay. — Hoofts Warenar. —
Shadwells The Miser und seine französische
Übersetzung. — Ben Jonson in The Devil is an Ass. —
Wycherlys Geizhals [?] — Steeles The tender Hus-
band. — Henry Fieldings The Miser. — Deutsche
Übersetzungen von J. Gref'f, Zenckfrey, Kayser
u. a. — Steffens, der Geldtopf. — R. Lenz, die Aus-
steuer. [Doppelte Bearbeitung.] — Juan Claudio de
la Hoz y Mota, El castigo de la miseria. — B. Sousa
Mejia „0 avaro". — Angely. — K. v. Holtei. —
Goldoni [P avaro; il geloso avaro ; 1' avaro fastoso; il
vero amico.] — Opern.)
»
Inhalt. XIII
Seite
4. Capthi 324—355
(L. Ariosto, I suppositi. — Ihre Nachahmungen im
Französischen von Jacques Bourgeois, Jean Pierre
de Mesmes, Godard; im Englischen von George
Gascoigne. Anklänge in Massingers A new way to
pay old debts. — Abbe Voisenon, l'heureuse ressem-
blance. — G. P. Clerici, I prigionieri. — Rotrou, les
Captifs. — P. Duryer. — Jean Roy. — Coste u. a.
— Ben Jon so n, The case is altered [und The Devil
is an Ass]. — Hayneccius. — Lipsius. — Lenzens
verlorne „Algierer".)
">, Cnrculio 355—365
(Massinger, A very woman. — Aug. Teod. Villa. —
PL Lenz, Die Türkensklavin.)
6. Casina 365-390
(G. Berrardo. — Machiavellis Clizia. — Gelli, Lo
Errore. — Brunamonti. — Larivey, le laquais. —
Dolce, il Ragazzo. — della Porta, la fantesca. —
Regnard, les folies amoureuses. — Dominique, la
folle raisonnable. — Ben Jonson, Epicoene.)
7. Cistellaria 390-400
(Cecchi, gl' Incantesimi. — Lo specchio, Canevas.)
8. Epidikns , . . . 401-426
(Beolco Ruzzantes Brigella. — Moliere, l'Etourdi.
— Les fourberies de Scapin. — Riccoboni, les four-
beries de Scapin. — W. C. S. Mylius, So prellt man
Füchse. — Th. Otway, The cheats of Scapin. — Cail-
hava, le mariage interrompu. — Th. Middleton, No
wit [help] like a woman's. — Echard. — Parmindo.
— Alticozzi. — Dacier. — L. G. Cieco di Hadria,
1' Emilia. — N. L. Lemercier, Piaute, ou la comedie
latine.)
9. Bacchides 426—444
(Alb recht vonEybe. — Niccolb Barbieri, 1' inav-
vertito. — Philippe Quinuult, Tamant indiscret. —
J. Dryden, Sir Martin Mar- all. — Cailhava, le ma-
riage interrompu. — L. Domenichi, Le due cortigiane;
französisch von Hieröme d'Avost de La Val.)
10. Mostellaria . 414-489
(Berrardos Mustellaria. — Ercole Bentivoglio, I
fantasmi. — Montfleury, le comödien poete. —Reg-
nard, le retour imprevu. — Gaveaux' Oper. — Th.
Heywood, the English traveller. — H. Fielding, the
intriguing chamber-maid. — L. Holberg, Huus-Spögelse.
— Ariostos Cassaria. — Cecchi, i Sciamiti. — L'Ari-
dosia. — Addissons the d rummer. -- Desto uch es,
le tambour nocturne; deutsche Ausgaben desselben. —
Opern von Paisiello, Schack, Ditters, Grätz u. a.
— Desto uches, le dissipateur. — Ben Jonson, the
Alchemist. — Ramon de la Cruz Cano y Olmedilla.)
11. Meiiaeohini 490—594
(Anonyme spanische Menechmos, Antwerpen 1555. —
Juan de Timoneda. — Calderon, Hombre pobre
XIV Inhalt.
todo es trazas. — Cibber, tbe double gallant. — Er-
cole I. — Giov. Falugi. — Gir. Pentio da Lecco. —
Anonimo von 1530. — Gli Omodolfi des Niccolö
Griffo da Valcapraja. — Bibbienas Calandria. —
P. Buonfanti da Bibbiena, Errori incogniti. — Gl' In-
gannati von einem Mitgliede der Intronati zu Siena.
— Charles Estienne, les Abusez. — G. B. della
Porta, 1' Olimpia. — Porta, la f'antesca. — G. F. Lo-
redano, la Tnrca. — Calrno, il Travaglia. — J. de
Montemayor, La Diana enamorada. — Lope de Rue-
<ia, los Engaiios. — Medora. — Calderon, la Espanola
en Florencia. — ■ Shakespeare, the twelfth-night, or
what you will. — Tugend und Liebesstreit. — Secchi
[Secco], Gl'Inganni. — Larivey, les tromperies. — Cur-
zio Gonzago, Gl' inganni. — D. Cornacchini, Gl'In-
ganni. — Sforza d' Oddi, la Prigione d' aniore. —
Trissino, I siuiillimi. — A. Firenzuola, I Lucidi. —
Cecchi, la moglie. — Pietro Aretino, Lo Hipocrito. —
Commedia dell' arte [Flaminio Scala]: li due vecchi ge-
melli; li due capitani simili; li fintiservi; la gelosa Isa-
bella. — Lelio, la fille crue garcon. — Giancarli Rho-
digino, la Cingana. — Porta, i fratelli simili. — Fr.
Toretti, gli schiavi gemelli. — G. Pianelli, le due
sorelle simili. — Andreini, i dno Lelii simili. — N.
Amenta, la somiglianza. — B. d'Azzi, le due Fran-
cesche. — Chiesa, i quatro simili. — G. Cenci, gli
•errori. — G. Gilbert, les intrigues amoureuses. —
Goldoni, I due gemelli Veneziani. — Colalto, les
trois jumeaux veuitiens; deutsch von Bonin. — Gol-
donis Zwillinge; deutsch von Heubein. — Florian,
les jumeaux de Bergame mit Musik von Desauguers. —
Opern von Tritto, Guglielmi, Niccolini, Gagli-
ardi u. a. — Rotrou, les Menechmes. — E. Bour-
sault, les Nicandres, ou les menteurs qui ne mentent
point. — Eustache le Noble, les deux Arlequins. —
P. Biancolelli, les quatre semblables. — Li due Leli
u. a. ■ — Regnard, les Menechmes. — Ihre deutschen
Bearbeitungen. — Cailhava, les Menechmes grecs. —
Palissot, Clerval et Cleon, ou les r.ouveaux Menech-
mes. — Picard, Encore des Menechmes. — Schillers
Neffe als Onkel. — Historie of Error 1577. — William
Warner. — Shakespeare, Comedy of Errois. — Oper
von Bishop. — Farqhvar the twin rivals. — Vol-
taire, l'enfant prodigue. — Schillers Räuber. —
A. v. Eybe. — Hans Sachs. — Jakob Ayrer. —
Klingers Zwillinge. — H. Peter Sturz. — Ad. Öhlen-
sch läger, Die Drillingsbrüder.)
Miles gloriosus 595—680
(Spanischer Anonymus, Antwerpen 1555. — Celio
Calcagnini, il soldato millantatore. — L. Dolce, il
capitano. — A. Carmeli. — 0. Bianchi. — Distichi-
sches Gedicht (Traso). — Matthieu de Vendome,
comoedia de milite glorioso. — Ba'ff, le Brave. —
P. Corneille, l'illusion comique. — Mareschal, le
veritable Capitan Matamore; le Railleur. — Cailhava,
le tuteur dupti. — Cecchi, il corredo. — Hoibe-rg,
Iahalt. XV
Seite-
Jacob von Tyboe; deutsch von Detharding. —
Holbergs Ulysses von Itbacia und den Ellefte Junii.
— Kotzebues Gimpel auf der Messe. — Herzog Hein-
rich von Braunschweig, Yincentio Ladislao; der-
selbe metrisch bearbeitet durch Eli am Herlicium
Cicensem. — A. Gryphius, Horribilicribrifax. —
R. Lenz, der grosspralerische Offizier [die Entfüh-
rungen]. — S. A. Gock, der grosssprecherische Offizier.
— K. F. Mally, der prahlerische Krieger. — Falk im
Amphitruo. — Personen des Capitano in verschiede-
nen Stücken. — Spavento, Mondor, Spezzafer. — Gui-
seppe Bianchi. — Commedia dell' arte. — Scala,
teatro delle fauole rappresentative. — Orazio Yecchi,
Anfiparnasso. — Secondo Tarentino, il capitan bi-
zarro. — Andrea Calmo, la Spagnolas. — Cecchi, il
Martello, I Rivali. — L. Groto Cieco di Hadria,
T Emilia. — Della Porta, la fantesca, la Trappolaria,
Olimpia. — Pietro Aretino, la Talanta. — Vergilio
Verucci, il servo astuto. — Fabrizio de' Fornans,
l'Angelica. — Goldoni, l'amante militare; la guerra. —
Ff. Andreini, le bravure del Capitano Spavento, zwei
Teile; französisch von Jean de Fönten y. — Ballets.
— Lope de Rueda, Medora. — Dr. Ant. Ferreira,
Bristo. — Joaquim Manoel de lacedo, 0 fantasma
branco. — F. Villon [?], Monologue du Franc Archier
de Baignollet, — Odet de Tournebu, Les Contens.
— Scarron, les boutades du Capitan Matamore; Jo-
delet ou le maitre valet; le Jodelet duelliste. — S. Cy-
rano Berger ac, le pedant joue\ — Mo Her e, les four-
beries de Scapin, l'amour mödecin. — La Comedie
des Proverbes. — Boyron [Baron], 1'honime a bonne
fortune, le militaire fanfaron. — Pal ap rat, le muet.
— Destouches, le glorieux. — Interlude Thersytes.
— N. Udall, Royster Doyster. — Shakespeare, Fal-
staff, Pistol, Poins, Parolles, Armado. — W. H. Brömel,
Hannibal von Donnersmark, Gideon von Tromberg. —
P. Meurice, Falstaff. — A. Vacquerie, le capitame
Parolles. — J. Lilly, Endimion. — BenJonson, Every
man in his humour; Every man out of his humour;
the Poetaster. — Dekkers Captain Tucca. — G. Chap-
man, May-day. — Beaumont k Fletcher, A lang
and no king; The custom of the country. — W. Con-
greve, the old batchelor.)
13. Mercator • • • 68°- 689
(A. Murphy, the Citizen. — Orazio Bianchi, il mer-
cadante. — Cecchi, la Stiava. — Ercole Bottri-
garo, il mercadante.)
14. Pseudolus • • 690—714
(Vergilio Verucci, il servo astuto. — Regnard, la
se'renade. — S. Gays Oper, Musik von Gail. — Hol-
berg, Diderich Menschenskräk. — Lessing, Justin. —
Della Porta, la Trappolaria, l'Olimpia, la Carbonana.
— Ital. Übersetzung von Torelli.)
15. Poeuulus •..• • • 714-718
(Aufführungen des Poenulus. — Italienische Überset-
zungen von 1520 und 1526. — Ariostos Cassaria.)
XVI Inhalt.
Seite
16. Persa . . ' 719-722
(High life below stairs.)
17. Rudens . 722—736
(L. Dolce, il ruffiano. — Goldhagens Anthologie. —
Leo Lipsius. — Dacier. — Hei. Baletti Ricco-
boni, le n au frage.)
IS. Stichus 737—745
(Lessing, Weiber sind Weiber. — Brunamotti, lo
Stico.)
15). Trinuiniiiiis 746—767
(Uecchi, la dote. — Alticozzi. — N. Destouches,
le tresor cache, le dissipateur. — Andrieux, le tre"sor.
— Ant. le Bret, l'epreuve indiscrette. — Lessing,
der Schatz. — Goldhagens Anthologie. — Leo Li-
psius und andere Übersetzer.)
20. Truculentus 767—776
(R. Lenz, Die Buhlschwester.)
Register ' 777—793
ERSTER TEIL.
(Einleitung. Plautus und Terenz und ihr Einfluss
auf die späteren Litteraturen.)
I. Einleitung.
Mit wenigen, aber trefflichen Worten kennzeichnet Benfey1)
das Verhältnis der Nachwelt zur klassischen Litteratur: „Die Er-
kenntnis und Aneignung1 der klassischen Welt ward und blieb
bis auf den heutigen Tag ein Hauptbestreben der folgenden
Zeiten; wesentlich auf dem Boden der klassischen Bildung hat sich
die moderne erhoben; und was sie in ihrer weiteren Ent-
wicklung geleistet hat, verdankt sie zu einem nicht ge-
ringen Teil dem Geiste des klassischen Altertums, der
sie belebt."
Es ist eine unwiderlegbare Tbatsache, dass an den grossen
Vorbildern der klassischen Periode Griechenlands und Roms die
Nachwelt sich herangebildet bat; und mag sie auch aiif die Pflege
derselben verhältnismässig viel Zeit, Fleiss und Mühe verwendet
haben, der Lohn, den sie daraus zog, war ein unberechenbarer;
er stand völlig im richtigen Verhältnisse zu dem aufge-
wandten Studium.
Vor uns entfaltet sich die Geschichte der Litteraturen Euro-
pas. So wie sie heute vor uns liegen, könnten wir uns dieselben
ohne den Einfluss des klassischen Altertums nicht denken; zum
mindesten müsste ihre ganze Entfaltung, ihr Aufbau, ihre Blüte
eine vollständig andere geworden sein, wären sie nicht durch
die Antike angeregt, gehoben, gebildet, zu neuen Idealen ge-
leitet worden.
Tief im Abgrunde lagen mehrmals die litterarischen Zustände
der Kulturvölker ; es schien, als ob ihre poetische Scliöptüngskratt
erlahmt, der Genius der Dichtkunst verschwunden wäre; da hob
ein Blick auf das Altertum eine verfallene Litteratur, und ein
neues Schrifttum rankte sich empor an der Stütze der Alten,
befruchtet von der nie versiegenden Quelle der Griechen und
Römer.
Man kann die klassischen Autoren des Altertums niemals
gänzlich erschöpfen. Es keimt in ihnen eine ewig frische Jugend
') Geschichte der Sprachwissenschaft. (München 18G9.) S.207.
1*
4 Bedeutung des Altertums
und Triebkraft, es quillt ein nie vertrocknender Born stets neuer
Anregung aus ihnen; immer wieder bieten sie neue Gesichtspunkte,
ohne dass man Neues in sie hineinzulesen brauchte. P. Albert1)
sagt in richtiger Weise: „Ils s'imposent ä nous, ces grands ecri-
vains, nu'iiie encore aujourd'hui, dans ce souci accablant des
choses materielles, ils rayonnent, ils ^chauffent, ils fbrtifient.
De leur commerce on sort plus aguerri, plus droit, plus pret au
sacrifice. "
Die glückliche äussere Entwicklung jener Völker, ihr ge-
sundes Verständnis des Realen, das, eben weil es auf voller
Wahrheit beruhte, zum Idealen führte, jene durch keine schwär-
merische Askese, durch keine grübelnde Intuition gestörte rein
menschliche Entfaltung hat in den Schriften der Alten wahre
Wunder gethan und auf Jahrtausende gewirkt.
Es hat nicht an solchen gefehlt, welche diese Hingabe an die
längst vergangenen Tage der klassischen Zeit mit schelem Auge
betrachteten: kühner als je erhebt heute eine feindselige Partei
ihr Haupt, die da lehren will, diese Verehrung vor Jahrtausend
alten Vorbildern habe die organische, freie Entwicklung neuer,
zeitgemässer litterarischer Richtungen beeinträchtigt oder auf
fälsche Bahnen gelenkt.2) Abgesehen von der Unzulässigkeit der
Frage, was unter anderen Verhältnissen hätte geschehen können
— Geschichte ist ja eben das Geschehene — beweisen gerade
jene, welche die klassische Litteratur dafür verantwortlich machen
wollen, dass die litterarische Entfaltung einzelner Kulturvölker so
und nicht anders sich gestaltete, so z. B. ein anonymer Essai sur
la litterature romantique,3) ohne es zu wollen, für die hohen
') La litterature fran§aise des origines ä la fin du XVP siecle.
Paris, Hachet (1875). S. 117.
2) So klagt Mercier in seinem Buche über Rousseau (II, 209):
„Nous serions bien au dessus de ce que nous sommes, si les produetions
meme des anciens se fussent tout ä fait ensevelies sous les ruines de
ces empires qui ont disparu. Limitation arrete les elans du genie."
3) Paris (le Normant Pere. N. Pichard 1825). Dort heisst es:
(S. 72): Si l'Europe alors, dans les developpemens progressifs de
la pensee et de l'imagination füt restee livree ä ses seuls elemens de
eulture, si nulle influence etrangere n'en eüt modine l'action, on auroit
vu naitre partout sur son sol une litterature vraiment nationale, comme
celle des anciens et oü se seroient retrouves sans addition et sans me-
lange tous les traits qui caracterisent sa civilisation. Des avant le quin-
zieme siecle la France en avoit donne l'exemple. Les poesies de ses
Trouveres, ses anciens fabliaux, ses anciens romans de chevalerie y com-
posoient des lors une litterature basee sur des traditions populaires, sur
la peinture des usages nationaux, surtout sur l'esprit galant et militaire
du moyen äge. Denuee sans doute de ce genre de variete et de pro-
fondeur que donnent seule l'abondance des lumieres et l'habitude de la
reflexion eile etoit du moins en pariaite harmonie avec le genie de la
nation. Si, corrigeant ses imperfections sans changer son principe, la
France füt restee fidele ä ces premiers essais de son talent litteraire,
für die neuere Litteratür. 5
Verdienste und den segensreichen Einfluss der Kenntnis und Nach-
ahmung der Antike. Wenn in der genannten Abhandhing auf
die hohe Entwicklung der Trouveres hingewiesen und die Mei-
nung vertreten wird, dieselben hätten, ohne das Dazwischen-
kommen der klassischen Litteratür, sich noch weiter verbreitet,
so wird verschwiegen, dass die Poesie der Trouveres ihr Ende
nicht nur durch das Eintreten gänzlich veränderter sozialer Zu-
stände fand, sondern in sich selber lange schon den Todeskeim
trug. Glücklich vielmehr traf es sich, dass nach dem Versinken
dieser Dichtungen, welche in den meisten Ländern nur Treibhaus-
pflanzen waren, man sofort an der Antike Muster fand, an welchen
man sich zu der so stark misskannten wirklichen Poesie begeistern
konnte. Freilich möchte man wünschen , dass die lateinische
Sprache auf nicht allzu lange Zeit die Erzeugnisse in der
Muttersprache verdrängt hätte; doch aber ist man längst davon
abgekommen, jene Perioden, wo sie das Übergewicht hatte, als
gänzlich unfruchtbare zu bezeichnen. Man weiss jetzt zu wür-
digen, wie viel die Litteratür selbst den lateinischen Sekulkomödieu
zu danken hat, und dass sie in einer poetisch ziemlich unpro-
duktiven Zeit, wie solche in der Geschichte aller Litteraturen
eintreten, nicht nur die Form und äussere Gestalt des Dramas ge-
funden, gepflegt und erhalten, sondern auch Gedanken und dichte-
rische Stoffe auf die kommenden Generationen verpflanzt haben.
Der Geistesgang der einzelnen Völker ist durch den
Einfluss der klassischen Litteratür nur gefördert, nie-
mals gehemmt worden. Wenn die Dichtkunst des Aristoteles
heute noch in den meisten Stücken giltig ist, so mag dies nur
eile jouiroit aujourd'hui des avantages trop peu sentis d'ime litterature
nee et perfectionnee sur le sol de la patrie. Mais on entroit alors dans
le quinzierae siecle, epoque ä janiais memorable par cette invention de
l'imprirnerie qui devoit desorniais influer si puissamment sur la civilisation.
(S. 75): Sans doute les ouvrages des anciens se distinguent par des
beautes d'un ordre superieur, et nieritent la place que leur ont de tout
tems assignee les nations eclairees. Mais ces ouvrages, fruits d'un genie
etranger, furent ecrits pour le siecle qui les vit uaitre, ou plutut sont
l'iuspiration de ce siecle. Appropries ä l'ordre de choses qui existoit
alors, ils en portent l'empreinte et lui durent leurs anciens succes. Si
la Grece entiere applaudissoit ä ses orateurs ou ä ses poetes , si la re-
presentation de leurs productions y excitoit des transports, dont aucun
autre äge n'a reproduit la vivacite c'est que ces productions offroient
ä la masse de la nation l'image de ses mceurs, de ses sentimeus, de ses
croyances; c'est qu'elles etoient populaires. dans tonte l'etendue de cette
expression. Mais en les transportant dans les langues modernes, chez
des peuples qui n'avoient presque que le nom d'liommes commun avec
ceux de l'antiquite, devoit-ou leur accorder autre chose que l'admiration
qui est due au genie sous quelque forme qu'il se presente? Et falloit-il
citer comme des modeles pratiques, et imposer comme tels ä l'imitation
des modernes, des productions aussi etrangeres ä leurs mceurs, ä leurs
lois et ä leur culteV
g Bedeutung des Altertums
als ein Beweis ihrer richtigen Vorschriften angesehen werden;
und wenn die Werke der alten Künstler und Dichter uns heute
noch begeistern, wenn sie zwei Jahrtausende lang zu neuem
Schaffen anzuregen vermochten und eine wetteifernde Nachahmung
hervorriefen, so zeugt das eben von der ihnen innewohnenden,
unverwüstlichen Kraft.
Litterarisch tiefgesunkenen Epochen haben die alten Autoren
als Leitstern gedient.1) An ihrem Lichtglanze haben sie sich,
und war es auch lange nur auf dem Wege der Nach-
ahmung, zu neuem Schaffen herangebildet. Von diesen Nach-
ahmern haben einige nur dadurch Ruhm und Ansehen erlangt,
dass sie sich strenge an die grossen Alten hielten. Wahrlich ge-
ring war die poetische Kraft eines Pope oder Boileau, dennoch
hat der eine seinen hohen Ruhm der strengen Nachahmung
der antiken Vorbilder zu danken, indessen der andere, ebenfalls
von diesen ausgehend, sich zum „Gesetzgeber des Parnasses"
emporschwang.
Wo immer es an selbstschaffenden Geistern fehlte, da hat
die Hinneigung zur klassischen Litteratur die Völker vor jenen
grauenhaften Undingen bewahrt, von denen jede Litteratur trau-
rige Proben aufzuweisen hat. Sie allein hat die litterarische
Lehrzeit der Nationen mit Werken ausgestattet, welche, ob ihnen
auch das grosse, selbstschöpfende Moment mangelte, sich doch
zu ganz anerkennenswerten Leistungen gestalteten. Wo aber
einmal ein bedeutender Genius es verstand, sich die den Alten
abgelernte Kunst zu nutze zu machen, da entstanden jene ge-
waltigen, einzig dastehenden Dichterwerke, welche, wie Shake-
speares Comedy of Errors, wie Goethes Iphigenie auf Tauris
u. a. nicht bloss mit Stolz ihre antike Abkunft zur Schau tragen,
sondern auch die Vorbilder, denen sie entwuchsen und nachstrebten,
kühn zu einem Vergleiche herausfordern durften. „Der deutsche
Homer von Voss, Goethes Iphigenie, Hermann und Dorothea,
Pandora, zweiter Faust, Schillers spätere Dramen sind die Früchte
der Verbindung des deutschen Geistes mit dem der An-
tike .... Nur in der innigsten Verbindung mit der
Litteratur des Altertums konnten wir Hingebung und
Selbständigkeit mit einander verbinden."2)
Es atmet für alle Kulturvölker in den antiken Schöpfungen
') Mit Recht fragt der Ab. Carlo Deniua (Discorso sopra le vi-
cende della letteratura. Venezia 1780. II, 5): Senza gli studj delle
liugue antiche e degli autori greci e latiui e senza le cognizioni delle
antiche storie, che cosa sarebbesi fatto che portasse pregio in
questi secoli?
2) Max Koch. Über die Beziehungen der englischen Litteratur
zur deutschen im XVIII. Jahrhundert. Lpz. 1883. S. 40.
für die neuere Litteratur. 7
etwas, das sie kosmopolitisch vereint; sind ja Griechisch und La-
teinisch Gemeingut aller geworden. Hier liegen die allen gleich-
massig zugänglichen grossen Werke, eine Art gemeinsamen Be-
sitztums aller Erdbewohner. Andere gewaltige Schöpfungen der
verschiedenen Völker, das prächtige Beöwulflied, das grossartige
Nibelungenepos sind nur einzelnen zugänglich. Homer ist die
poetische heilige Schrift aller Völker, soweit das Griechentum
drang, bekannt und geschätzt, und wohin hat sich diese Sprache
nicht den Weg gebahnt, von der Rabelais mit soviel Recht sagt
„sans laquelle c'est honte qu'une personne se die scavant?" ')
Die Eindrücke der einfachen und doch so erhabenen bibli-
schen Darstellungen verwischen sich niemals wieder. Genau so
steht es mit den Erinnerungen des klassischen Altertums. Sowie
uns die Erzählungen der heiligen Schriften nie aus dem Gedächt-
nisse schwinden, so vergessen wir niemals jene einfach naiven
Anekdoten, jene trefflichen Aussprüche, deren innersten gold-
haltigen Kern weder ihr zwei Jahrtausende zählendes Alter, noch
ihre vielfache Abnützung als Gemeinplätze hat irgendwie vermindern
können. Sie stehen vor den Augen unseres Geistes wie die gleich-
altrigen Fabeln, deren Einfachheit sie unversehrt durch ein Welt-
alter gebracht hat, und die überall da herabsanken und an Gehalt
verloren, wo man glaubte, ihr herkömmliches bescheidenes Kleid
irgendwie ändern oder ausschmücken zu können.
„Das Altklassische ist so verwachsen mit unserem ganzen
Leben, dass es den Anschein hat, als ob wir es gar nicht ent-
behren könnten und nur zum Nachteil für uns entbehren wür-
den. Wir würden Gefahr laufen, Rückschritte zu thun, wenn wir
mit dem Altertume nicht in steter Verbindung blieben. " 2)
Im Altertume finden wir die Schatten alle, die uns durch
unser ganzes Studium geleiten, die in unserm heutigen Leben
noch spielen, auf unsrer dermaligen Szene noch erscheinen. Wir
kennen sie alle diese ständigen Figuren, den schlauen Sklaven,
der zum „valet" der französischen Bühne wurde; den geizigen
Euklio, der mit seiner Magd schilt, sehen wir wieder in Har-
pagon, wenn er la Fleche zu Rede stellt, der prahlerische
miles gloriosus in seinen mannigfachen Spielarten ruft uns
überall, ob er als Falstaff auftritt, ob er uns als Horribili-
cribrifax ergötzt, die Figuren des Plautus und Terenz vor
Augen. Und so begegnen uns aller Orten jene wohlbekannten
Freunde der Jugend wieder, welche, ob sie auch unter dem wan-
delnden Geschmacke verschiedener Jahrhunderte bisweilen ein
anderes Gewand angelegt haben, doch immer und überall laut
') Pantagruel. I, 8.
2) Teutsche Vierteljahrsschrift. 1843. No. 23. (Bedeutung der Philo-
logie für Europa.)
8 Bedeutung des Altertums
für ihre Herkunft aus dem klassischen Altertume zeugen. Die
erhabenen Gestalten der Tragiker, eine Iphigenie und Antigone,
liaben fortgelebt in den zahlreichen nachgebornen Dramatikern;
die Gestalten des Aristophanes, Plautus, Terenz, selbst wieder
älteren nicht mehr bekannten Meistern entnommen, bevölkern
heute noch die Szenen unsers Lustspiels. Den Epikern und Ly-
rikern der Alten sind zahlreiche spätere Schöpfungen entwachsen,
und wie anregend wirkten nicht die Historiker! Hat doch Shake-
speare, der z. B. Plutarch nur aus der Übersetzung1) kannte,
sich an ihm zu einer Reihe der grossartigsten Tragödien be-
geistert, und, was in noch höherem Masse für die rhetorische
Kraft dieses Autors spricht, er fand die in demselben eingefloch-
tenen Reden so wirksam und so gelungen, dass er sie für wert-
voll genug hielt, dieselben oft kaum verändert seinen herrlichen
Trauerspielen einzuverleiben.
Für das Epos war Jahrhunderte lang die Form in Vergils
„Arma uirumque cano" stereotyp gegeben; die Satiriker
glaubten, über die Alten nicht hinauskommen zu können. Ihnen
nahegerückt zu sein, galt als Vollendung, und es war es auch,
wenigstens schon insoferne, als es vor argen Missgriffen schützte und
Horazens Wort2) zur Wahrheit machte: uirtus est uitium fugere;
hätten nur alle Imitatoren auch jenes andere3)
„In uitium ducit culpae fuga, si caret arte"'
oft nicht gänzlich ausser Acht gelassen!
Aber nicht bloss die Dichtkunst zehrte von der Antike, auch
die Prosaiker haben sich an ihr gebildet, und die hohe Vollendung,
die erhabene Stufe geistiger Kraft, zu der sich z. B. unter den
Franzosen Montaigne, la Boetie, Rabelais u. v. a. emporge-
schwungen haben, ist nichts als eine köstliche Frucht ihrer Hingabe
an das klassische Altertum, das heute noch genug der Anregung
und Stoff zur Nachbildung bietet.4)
Es ist in hunderten von Schriften auf die hohe Bedeutung
der Antike für die Kultur Europas hingewiesen worden. Ein
arger Feind des römischen Militärstaates und der Eroberungskriege
hat sich doch einst nur darum für ausgesöhnt mit den Römern
erklärt, weil sie der Kanal geworden, durch welchen uns die
*) North von 1595. Vgl. Four Chapters of North's Plutarch . . .
Edited by Prof. Dr. F. A. Leo. London (Trübner).
Epist. I. 1. 41.
Epist. H, 3. 31.
So griff erst unlängst Robert Hamerling in seiner Dichtung
Amor u. Psyche zu dem Märchen des Apuleius. — Schon früher hat
der Goldesel des Apuleius die Komödie Formicone des Publio Philipp o
Maatouano (gedr. 1537 in Venedig bei Francesco Bindoni) veranlasst.
für die neuere Litteratur. 9
künstlerischen und litterarischen Schätze Griechenlands zugeflossen
sind. Wieder in hunderten von Schriften ist dargethan worden,
wie oft und wie nachhaltig der Humanismus der sinkenden Welt
zu Hilfe geeilt ist. Alle dagegen ins Treffen geführten Gründe
— und auch an den lächerlichsten fehlte es nicht1) — zerfallen
in sich seihst.
Der segenspendende Einfluss der klassischen Litteratur auf
das gesamte Schrifttum Europas, die üppige Befruchtung, die von
ihr ausgehend, seihst auf dürrem Boden verhältnismässig schöne
und reiche Saaten reifte, ist nur im allgemeinen, nur in ihren,
freilich ohnehin schon greifbaren Hauptzügen, oder da, wo sie
Kunstwerke ersten Ranges hervorrief, verfolgt worden. Und doch
ist ihre heilbringende Wirkung auch da nicht zu verachten, wo
sie einer völligen Stagnierung oder entsetzlichen Missgriffen Ein-
halt that. Diese zu verfolgen, sei die Aufgabe nachstehender
Blätter, und zwar richtet sich unsere Aufmerksamkeit zunächst auf:
I. Plautus.
IL Terentius und Aristophanes.
III. Die griechischen Tragiker: Aischylos, Sophokles,
Euripides.
IV. Seneka.
V. Epiker, Elegiker, Lyriker.
VI. Satiriker, Epigrammatisten, Didaktiker, Fa-
beldichter.
VII. Prosaiker.
Aus einer solchen Darstellung wird sich, woferne sie ge-
lingt, ergeben müssen, dass die klassische Litteratur mehr denn
anderthalb Jahrtausende den thätig und stille wirkenden
Sauerteig bildet, welcher die geistige Masse der europäischen
Kulturvölker durchdringt; es wird sich ergeben müssen, dass nicht
nur die grossen, den Alten nachgeahmten Universalwerke von
hoher Bedeutung auf diesen wurzeln, sondern dass auch kleinere
Dichtungen, ja sogar die zahlreichen Übersetzungen klassi-
scher Werke für die Entwicklung der sprachlichen Fähigkeit, der
') Wie wenn einst in einer Sitzung der französischen Deputierten-
kammer (29. Mai 1835. No. 149 u. 150 in le Moniteur universel.) Ms.
de Tracy die französische Revolution demselben in die Schuhe schiebt,
oder Charles Nodier in seinen Erinnerungen (I, 89) meint, Livius u.
Tacitus hätten an der Untergrabung des monarchischen Prinzips in
Frankreich grossen Anteil. Vgl. Einige Bemerkungen über die fort-
dauernde Abhängigkeit unserer Bildung von der klassischen Gelehrsam-
keit. (Maximilianstag 1825, gelesen in der bair. Akad. d. W. zu Mün-
chen) von Friedrich Roth. (16 S.)
10 Bedeutung des Altertums
dichterischen Anlage einer Nation von ungeahntem Werte sind.')
Es wird sich ergeben müssen, dass der Einfluss, den Lotheissen2)
den Klassikern für eine gewisse Periode der französischen Litte-
ratur (1600 — 1636) zuschreibt, auf alle Völker und Zeitab-
schnitte sich gleichmässig erstreckt, so dass es sich für alle Jahr-
hunderte als giltig erweist, was er von jener Epoche schreibt:
,,Der Einfluss der altklassischen Litteratur ist kaum
abzumessen. Er formte die Sinnesart der Menschen und
ihr ästhetisches Gefühl um, Avobei anfangs eine gewisse
Verwirrung nicht immer vermieden werden konnte; er
machte sich nicht minder in der Ausbildung der Sprache, in der
Weiterentwicklung der Litteratur fühlbar.
Die Versuche, die Werke der Alten zu übersetzen, machten
die Unbeholfenheit der Muttersprache klar; aber sie ermunterten
auch, derselben grössere Geschmeidigkeit zu geben, um sie den
feinen Wendungen der ausgebildeten Sprachen von Hellas und Rom
anzupassen. " 3)
Grossartig waren die Wirkungen der Antike. „Ce fut donc
par son propre charme," urteilt P. Albert,4) „par la vertu
qui etait en eile que l'antiquite agit sur les intelligences; ä ceux
') Dass man auch hierin des Guten zu viel thun kaun, zeigt ein
Programm von Münnerstadt. „Antike Charakterbilder in Schillers Teil
von Hieron. Schneeberger. 1875. (19 S.) Wenn der Verfasser zeigen
will, dass Gertruds Worte: Er setzt sich kummervoll auf eine Bank —
so ernst mein Freund — ich bin dein treues Weib, und meine Hälfte
fordr' ich deines Grams — des edlen Iberg Tochter rühm' ich mich,
wörtlich, und wie sie sind, ihre Entstehung Plutarch verdanken: ivdvo-
jusvoq zw Xoyiaiup ovz' ikdv&ave zijv yvvalxa — /j.eazoq zaQayjjq ätföovq
— xoivcDvdq fiev üyad-öJv eivcu xoivcovöq 6h dviaQÜiv — Käzojvoq eivai
d-vyartQa xal zö Bqovzov yvvalxa tiqöosozii'' , oder dass Gertruds Entschluss:
die letzte Wahl steht auch dem Schwächsten offen, ein Sprung von dieser
Brücke macht mich frei, mit Porcias Selbstmord zusammenhängen soll,
so heisst das, jedes dichterische Schaffen verleugnen. Gegen einen sol-
chen Einfluss der klassischen Litteratur müsste man Protest einlegen;
wahrlich wenn Schiller, wie der Verfasser meint, Gertrud und Hedwig
aus Plutarch und Homer (Porcia und Andromache) geholt hat, dann
stand es schlimm um sein dichterisches Vermögen. — Vgl. dagegen
LudwigHirzel, Schillers Beziehungen zum Altertum. (Aarau 1872.) —
Stets zu beherzigen sind bei ähnlichen einfachen Parallelstellen die
Worte, mit welchen Oskar Bro sin seinen Artikel „Anklänge an Vergil
bei Schiller" (Schnorrs Archiv VIE. Bd...S. 518 — 533) schliesst: „Wie
aber, wenn trotz alledem in allen jenen Übereinstimmungen das blosse
Spiel des Zufalls waltete. So bliebe wenigstens das eine Resultat, das,
so trivial es ist, aufs neue bestätigt zu sehen, vielleicht doch interessiert,
dass gewisse dichterische Schönheiten in Anschauung. Empfindung, Ge-
danken, Bild und Ausdruck nicht das Eigentum einzelner Völker und
Dichter sind, sondern den verschiedensten Nationen, Individuen und
Zeiten gemeinsam angehören."
2) Geschichte der franz. Litteratur im 17. Jahrh. (Wien 1877.) I, 29.
3) Vgl. auch Rigault Hist. S. 42.
4) A. a. 0. S. 117.
für die neuere Litteratur. \\
qui se donneren t ä eile, eile donna ce qui est en eile, ce que rien
ne pouvait leur donner alors."
Und wenn Werke nach fast zweitausend Jahren solcher
Wirkungen fähig sind, wer dürfte, wer könnte ihnen selbst den
Wert absprechen, den sie in anderen so glänzend Widerscheinen
lassen? Und wenn sie so gewaltig, so grossartig sind an sich
und durch ihren Einfluss , wer möchte es wagen , die Welt von
diesen Studien abzuziehen? Es hiesse gewaltsam die Axt an die
Wurzeln der allgemeinen Veredlung legen, die Quelle verschütten,
die wohlthätig tausende von Generationen erfrischt hat, die einen
mit einem Labetrunk, den sie unterwegs dankbar zu sich nahmen,
die andern durch reiche Erquickung, die sie ihnen ihr Leben
lang bot, — alle aber gleichmässig stärkend, „alles segnend,
allgesegnet".1)
') Siehe eine reiche Litteratur über die klassischen Autoren bei
Sulzer: Allgemeine Theorie der schönen Künste etc. (Lpz. 1792.) Bd. I,
S. 123b. — Vgl. zum Ganzen von neueren Erscheinungen: Histoire de
la querelle des anciens et des modernes par M. Hippolyte Rigault.
Paris (L. Hachette). 1856.
IL Plautus und Terenz und ihr Einfluss
auf die späteren Litteraturen.
Einen unerschöpflichen Stoff für die Lustspieldichter
der kommenden Jahrhunderte hahen die römischen Ko-
möden Plautus1) und Terenz2) hinterlassen.3) Oh auch
die Meinungen üher den künstlerischen Wert heider zu verschie-
denen Zeiten andere waren, 4) wurden sie doch stets mit besonderem
*) T. Maccius Plautus aus Sarsina in Umbrien, um 254 v. Ch.
(500 a. u. c.) geboren, 184 v. Ch. (570 a. u. c.) gestorben, war von nie-
derem Stande, jedoch ein Freier. Nachdem er in Geldspekulationen sein
Vermögen verloren hatte, lebte er von der Bearbeitung griechischer
Lustspiele für die römische Bühne. S. W. S. Teuf fei, Geschichte der
römischen Litteratur. Vierte Auflage bearbeitet von Ludwig Schwabe.
Leipzig (Teubner). 1882. S. 144—160. — Bernhardy, Grundriss der
römischen Litteratur. 5. Bearbeitung. Braunschweig 1872. 455 — 463. —
Bit sc hl, Parerga zu Plautus und Terenz. Lpz. 1845. T. I.* — Über
den Namen Maccius, den Bitschi (aus M. Accius) hergestellt hat,
vgl. Bitschi Parerga p. 3; M. Hertz, T. Maccius Plautus oder M. Ac-
cius Plautus? Berlin 1854. — T. Maccii Plauti comoediae. Becensuit
et enarravit Joannes Ludovicus Ussing. Havniae, suniptibus libra-
riae Gyldendalianae 1875. I. Bd. S. 141. De Plauti poetae nomine.
2) Publius Terentius aus Karthago, Sklave und später Frei-
gelassener des Senators Terentius Lucanus, geboren 185 v. Ch. (569 a.
u. c), war einer der vollendetsten Nachbilder griechischer Komödien.
In einem Alter von sechsundzwanzig Jahren starb er auf der Bückreise
von Griechenland i. J. 159 v. Ch. (595 a. u. c). — Vgl. Teuf fei a. a. 0.
S. 169—179. — Bernhardy a. a. 0. S. 465—472.
3) Denina, (Vicende della lett. LT, 19). Plauto e Terenzio erano
piü conosciuti e piü letti che Sofocle ed Euripide ed anche per
questa ragione era piü facile che si pensasse a compor com-
medie che tragedie.
4) Vulcatius Sedigitus „de poetis" (bei Gellius, noct. att. XV, 24)
nennt Plautus unter zehn komischen Dichtern Borns als den zweiten,
Terenz als den sechsten:
Multos incertos certare hanc rem uidimus:
Palmam poetae comico cui deferant.
Eum, meo iudicio, errorem dissoluam tibi.
Ut contra si quis sentiat, nihil sentiat.
Caecilio palmani Statio do miinico.
Plautus secundus facile exuperat caeteros.
Plautus im Urteile der Alten. 13
Lobe genannt. Cicero1) rühmt an Terenz die „elegantia ser-
monis" und gedenkt anerkennend des Terentianus Chremes. 2)
Des Plautus thut Cicero einige male Erwähnung ] 3) ja an
einer Stelle4) setzt er ihn auf dieselbe Stufe wie die Attiker:
„Duplex omnino est iocandi genus, unum illiberale, petulans,
flagitiosum, obscenum, alterum elegans, urbanum, ingenio-
sum, facetum. Quo genere non modo Plautus noster et Atti-
corum antiqua comoedia, sed etiam philosophorum Socraticorum
libri referti sunt."
Minder günstig hat bekanntlich Horatius in seiner Epistel
an die Pisonen5) über Plautus geurteilt:
At uestri proaui Plautinos et mvmeros et
Laudauere sales, nimiuni patienter utrumque,
Ne dicam stulte, mirati, si modo ego et uos
Seimus inurbanum lepido seponere dicto
Legitimumque sonum digitum callemus et aure.
Mit Unrecht also habe Plautus das Lob der Ahnen besessen; auch
an einer andern Stelle6) wird ihm das „ad exemplar Siculi pro-
perare Epicharmi" zum Vorwurfe gemacht.
Dies Urteil des Horatius, das verschieden ausgelegt wurde,7)
hat Jahrhunderte lang die Freunde des Plautus in Erregung ver-
setzt;8) eigentlich unbegründet; denn an Anerkennung des Dich-
ters hat es keine Zeit fehlen lassen.
Dein Naevius qui servet, pretio in tertiost.
Si erit quod quarto detur, dabitur Licinio.
Post insequi Licinium facio Attilium.
In sexto consequetur hos Terentius.
Turpilius septimum, Trabea oetavum optinet.
Nono loco esse facile facio Luscium,
Decimum addo causa antiquitatis Ennium.
Vgl. Ladewig: Über den Kanon des Volc. Sedig. Neustrelitz 1842. —
H. Iber De Volc. Sedig. canone. Münster 1865. Gegen dies Urteil des
Vulcatius eifert Guillaume Lugans de S. Geal, gentilhomme li-
mosin in einem Sonette, das in der Ausgabe von 1567 der frz. Terenz-
übersetzung steht:
Je te pry (6 Lecteur) n'approuuer la censure
De Volcat deuisant de la gloire Comique,
Lequel messeament par vn vers Jambique
Veut fruster vostr' autheur de son loz et droieture u. s. w.
') Epist. ad Atticum. VIT, 3. 10.
2) De fin. I, 3.
8) So im Brutus § 73; Brut. 60; de oratore DZ, 12. 45.
4) De offieiis I, 29. 104.
5) Epist. II, 3. 270.
6) Epist. n, 1. 57 u, .170.
7) Th. Ladewig. Über den Kanon u. s. w. 19. u. im Philologus
I, 276. — Linge „De Plauto properante ad exemplar Epicharmi". Ka-
tibor 1827.
8) Besonders verteidigte Plautus L. Lipsius; Daniel Heinsius
suchte Horaz zu stützen in „Dissertatio ad Horatii de Plauto et Terentio
14 Plautus im Urteile der Alten.
Ciceros Freund, M. Terentius Varro, der sich mit der
dramatischen Litteratur und besonders mit Plautus eingehend be-
schäftigte,1) urteilte nach Quintilians Bericht'2) sehr günstig über
Plautus. „In comoedia maxime claudicamus, licet Varro Musas,
Aelii Stilonis sententia, Plautino dicat sermone locuturas
fuisse, si latine loqui vellent," ein Ausspruch, welchen später
Melanthon im Prologe zum Miles (V. 15) wieder verwertete:
Germana Plauti est quam modo exhibebimus
Cuius ferebant ore facundissimo
Musas fuisse libenter usuras, probe
Si quando decressent latine dicere,
was auch in die Verse gefasst wurde:
Si Musae vellent uti sermone latino,
Eligerent numeros, Piaute, salesque tuos.
Gellius3) bezeichnet Plautus als „homo linguae atque ele-
gantiae in uerbis latinae princeps", als „linguae latinae decus" ;
als „uerborum latinorum elegantissimus" u. s. w.
Der hl. Hieronymus nahm gerne den Plautus zur Hand,
was er in seiner Schrift von der Bewahrung der Keuschheit (ad
Eustochium de virginitate servanda)4) erzählt: „Post noctium cre-
judicium". (Amstelod. 1618.) — Dagegen Bened. Fioretti Apologia
pro Plauto opposita saevo judicio Horatiano et Heinsiano. Francof. 1647
und früher schon in italienischer Sprache. — Vgl. Ussing I, 146 ff.;
und Handbuch der klassischen Litteratur oder Anleitung zur Kenntnis
der griechischen und römischen klassischen Schriftsteller von Wilhelm
David Fuhr man. Eudolstadt 1809. III, 65. — Älter ist die Schrift
des Franc. Flor. Sabinus adversus calumniatores Plauti. Basil. 1540. 8.
— Bitter äussert sich Scaliger gegen Horaz. Josephi Scaligeri,
Julii Caesaris filii, animadversiones in chronologica Eusebii im The-
saurus temporum (Lugduni Batavorum 1606) S. 94: „Sed non mirum de
Choerilo ita sensisse, cui sales Plautini et Laberiani sordere visi. At
quis non illa miretur potius? quis adeo aversus a musis, ut eorum lepore
non tangatur ? . . . Haec satis sunt eludendo iudicio hominis libertino
patre nati, cui in huius poetae versibus satis lippiebant oculi." — Gleich-
falls mit dem Urteil des Horaz beschäftigt sich Bich. Hurd, Commen-
tary and notes on the art of poetry of Horace (London 1766); deutsch
von Jos. Joach. Eschenburg. Lpz. 1772. (S. 196 — 204.) Hurd ver-
tritt die Ansicht, Horaz habe nur als Gegner der Verehrer der alten
Dichter so gegen Plautus gesprochen. — In seinem Bomane Kl aas je
Zevenster ('s Gravenhage 1877. I. Bd. S. 46) ergreift auch J. van
Lennep (1802 — 1868) in beredter Weise Partei für Plautus: Ik wil met
u het gemis betreuren der blijspelen van Menander en van die voor-
treffelijke Latijnsche blijspeldichters, waaronder Terentius — in de
schatting der Bomeinen ■ — niet dan den zesden rang bekleede en Plau-
tus niet eens genoemd werd — wat ons, in 't voorbijgaan gezegd, een
siechten dunkgeeftvan den Bomeinschen smaak: At uestri u. s.w.
») Teuf fei. G. d. r. L. S. 277.
-) M. Fabii Quintiliani institut. orator. X, 1. 99.
3) VI, 17; 4; XIX, 8; 6. I, 7; 17.
4) S. das Zitat bei H. P. de Limiers, les Oeuvres de Piaute.
Amsterd. 1719. Bd. I. S. 20. A. q.
Plautus im Urteile der Späteren. 15
bras vigilias, post lacrimas, quas mihi praeteritorum recordatio
peccatorum ex imis visceribus eruebat, Plautus sumebatur
in manus."
Eusebius lobt ihn nicht minder.1) Appollinaris Sido-
nius2) äussert sich:
Et te tempore qui satus seuero
Graios, Piaute, sales lepore transis.
Was Wunder, wenn jene Zeit, zu welcher die Wissenschaften
neu aufblühten, wenn die hervorragendsten Humanisten sich be-
geistert für die lateinischen Komiker aussprechen. Montaigne,3)
der im College zu Guyenne sich viel mit den Komikern beschäf-
tigte,4) findet, dass in den neueren Komödien immer der Stoff von
drei bis vier antiken verarbeitet sei: „II m'est souvent tumbe en
fantasie comme, en nostre temps, ceulx qui se meslent de faire
des comedies (ainsi que les Italiens qui y sont assez heureux)
employe'nt trois ou quatre arguments de celles de Te-
rence ou de Piaute pour en faire une des leurs: ils
entassent en une seule comedie cinq ou six contes de Boccace.
Ce qui les faict ainsi se charger de matiere, c'est la desfiance
qu'ils ont de se pouvoir soustenir de leurs propres graces: il faut
qu'ils treuvent im corps oü s'appuyer: et n'ayants pas, du leur,
assez de quoy nous arrester, ils veulent que le conte nous amuse.
II en va de mon aucteur5) tout au contraire: les perfections et
beaiitez de sa facon de dire nous fönt perdre l'appetit de son
subiect; sa gentillesse et sa mignardise nous retiennent par tout;
il est par tout si plaisant, liquidus, puroque simillimus amni, 6)
et nous remplit tant l'ame de ses graces que nous en oublions
celles de sa fable."
Auch pädagogischen Wert fand man in den lateinischen Ko-
mödiendichtern. Der Amsterdamer Humanist Kaspar Barlaeus
schreibt im Jahre 1641 an einen Prinzenlehrer:7) „Ich rate, Ihren
Zöglingen .... in die Hände zu geben die Lustspiele des Te-
renz, sowohl um durch ihre Anmut ihre zarten Gemüter milde
zu machen und ihnen daraus Kenntnis der bürgerlichen und häus-
lichen Sitten des Altertums beizubringen, als hauptsächlich damit
') Vgl. bei Villalobos, Bibliot. de autores espanoles Bd. 36. S. 461.
2) Caii Sollii Apollinaris Sidonii Arvernorum episcopi opera.
Carmen XXIII. 147. Hanoviae 1627.
3) Essais. II, 10.
4) Sainte-Beuve, Port Royal II, 140. „II enfile d'un train, nous
dit-il, l'Eneide, Terence, Piaute et les comedies italiennes."
5) Terenz.
c) Hör. Epist. II, 2. 120.
7) H. Grotii et aliorum dissertat. de studiis instituendis. (Ainst.
1645.) S. 340 ff.
\Q Plautus im Urteile der Späteren.
sie sich an die Schönheit und Feinheit der Sprache im hesten
Zeitalter der römischen Litteratur gewöhnen. Ich würde diesem
wegen seiner muntern und witzigen Antworten den Plautus
beifügen. . . . Machen Sie z. B. aufmerksam in Terenz auf
Thrasos Kühnheit, in Plautus auf den prahlerischen Soldaten
oder im Amphitruo auf das Gespräch des Juppiter und Amphitruo
von grossen Kriegsthaten, Siegen und Wunden; im zweiten Akte
des Pönulus auf das Gespräch der beiden Soldaten (?) Lyells und
Anthemonides; im Truculentus auf das des Stratophanes , in den
Bacchides auf die Reden des Kleomachus."
Zwar hat man sich hin und wieder an der freien Ausdrucks-
weise des Plautus gestossen; allein durfte sie schon bei dem
Kenner der Antike kein allzustrenges Urteil hervorrufen, so muss
doch auch auf einige andere Lustspiele des Plautus hingewiesen
werden, die ein solcher Vorwurf nicht treffen kann.
Einer der bedeutendsten Nachahmer des römischen Lustspiel-
dichters, der Däne Ludwig Holberg, äussert sich hierüber:
„Des Plautus Mercator kann ebensowenig verteidigt werden, als
es dem eifrigsten Sittenrichter möglich sein wird, seine Captivi
zu verdammen. . . . Freilich lesen Männer und Kinder z. B. den
Plautus auf verschiedene Weise; Amphitruo und Menaechmi
können allerdings nur zum Zeitvertreib dienen, während die
Aulularia voll der gewichtigsten Moral ist. . . . Plautus' Am-
phitruo und sein Geiziger sind noch heute musterhafte Stücke,
weniger empfehlenswert sind die übrigen Komödien des Plautus
und noch weniger Terenz und Aristophanes. " a)
Bekannt ist, welchen hohen Wert unter den Deutschen
Lessing2) dem Plautus zumass. — A. W. v. Schlegel findet
zwar:3) „beim Plautus geht alles in die Breite" und „seine ge-
rühmten Spässe [in ihrer derben Keckheit] schmecken nach seinem
Umgange mit den niedrigen Ständen," dennoch aber rühmt er
„die Gefangenen, die man ein rührendes Drama nennen kann,
[die Schwiegermutter des Terenz, ein wahres Familiengemälde],
während der Amphitruo an die kühne Willkür der alten Ko-
mödie hinstreift und die Zwillingsbrüder ein wildes Intriguen-
stück sind."4)
Plautus zeichnet seine Figuren ganz der Natur gemäss.
Sehr geschickt berührt diesen Punkt der Epilogus zu M. Job.
') Ludwig Holberg, sein Leben und seine Schriften von Robert
Prutz. Stuttgart (Cotta) 1857. S. 214.
2) Vgl. seinen Vorbericht zu den Captivi. Über Plautus, Schluss.
(Lachmann ILT, 29.)
3) Über dramatische Kunst und Litteratur. Vorlesungen. (Siebente
Vorlesung.)
4) Vgl. hierzu: M. Rapp, die plautinischen Lustspiele im Trimeter
übersetzt, (Stuttg. 1838.) S. 1489.
Plautus und seine Stoffe. 17
Sebastiani Mitternachts, des Reuss-Plauischen Gymnasii zu
Gera Rectoris, Trauerspiel „der Unglückliehe Soldat und
Vorwitzige Barbier",1) wenn es dort heisst, dass es schwer
sei, für die Bühne zu schreiben, da ja jede Person anders zu
reden pflege. „Welches alles Plautus wohl beobachtet,
und dannenhero von vielen dem Terentio vorgezogen wird, weil
dieser fast alle Personen mit gleicher eleganz reden lasset, jener
aber einem Knechte oder Magd viel andere Red-Arten zu leget,
als einem vornehmen Manne. " 2)
Freilich haben wir in der römischen Komödie wenig Origi-
nale vor uns.3) Aber mit ganz besonderer Kunst hat es Plau-
tus verstanden, ob er auch fremde Stoffe wählte, dieselben zu
nationalisieren4) und zu lokalisieren; und hierin übertrifft er Te-
renz.5) Bei der Wahl derselben „zog ihn, den komischen Volks-
dichter, Philemon mehr an als der feinere Menander".6)
Cäcilius Statius verfolgte mit Plautus das gleiche Ziel, die
Griechen in Rom einzuführen; allein der Weg, den er einschlug,
war ein anderer. Obwohl auch Cäcilius aus gemeinem Stande
war und sich zunächst in den Kreisen und der Redensart der
1) Leipzig bey Joh. Wittigauen (1662).
2) Vgl. auch Le Brun, Discours sur la comedie S. 90. 91. „On ne
peut douter que ce poete comique (Piaute) ne soit tres-reprehensible;
mais aussi faut-il reconnaitre qu'il n'y a plus d'obscenites dans teile
comedie de Dancourt et de le Grand qu'il n'y a dans les dix-neuf co-
medies de Piaute. On peut voir lä-dessus un livre anglais de M. Collier,
traduit par le Pere de Courbeville, jesuite."
3) Vgl. Herder, Ideen zur Geschichte der Menschheit (14. Buch V):
„Als eine Sklavin war die szenische Muse bei den Römern eingeführt,
und sie ist bei ihnen immer auch eine Sklavin geblieben; wobei ich
indes den Verlust der hundert und dreissig Stücke des Plautus und
die untergegangene Schiffsladung von hundert und acht Lustspielen des
Terenz . . . sehr bedauere; denn im einzigen Terenz hätten wir, nach
Cäsars Ausdruck, wenigstens den halben Menander wieder."
4) W. A. Becker, De comoed. rom. maxime Plautin. quaestiones.
(Lpz. 1837.) — Ritschi, Parerga 271. — F. V. Pritzsche, De graecis
fbntibus Plauti. I. (Rostock 184.5.) — Schröder, De romanis moribus
palliatae fabulae immixtis. (Marienwerder 1853.) — G. Boissier, Quo-
niodo graecos poetas Plautus transtulerit. (Paris 1857.) — F. Schultz,
Plautus in seinem Verhältnis zur mittleren und neueren griechischen
Komödie. (Neustadt in Pr. 1866.) — L. Ussing, Den yngre attiske ko-
medie og dens latinske bearbeidere. (Kjöbenh.) — Bagnato, Plautus in
seinem Verhältnisse zu seinen griechischen Originalen. (Tübing. 1878.)
5) S. Theätre de Piaute, traduction nouvelle, accompagnee de
notes par J. Naudet. Paris (Panckoucke) 1831. I. Bd. S. HI: „II y a
quelque chose de sympathique pour les spectateurs dans les personnages
de Piaute; c'est un de ses grands avantages sur Terence. Celui-ci fut
le copiste elegant et poli de la comedie grecque, l'autre latiuisa ses
imitations par les ressorts dramatiques, par l'esprit du dialogue, par
une foule de dessins originaux. II presentait aus Romains le miroir de
la societe romaine.
6) Teuf fei a. a. 0. S. 152.
2
18 Einfluss des Plautus.
Plebejer bewegte, hatte er doeli mehr gebildete Männer im Auge,
„während Plautus ans dem volkstümlichen Idiom ein reines
und durchsichtiges Latein zog- und seine komischen Mittel ein
dem gemeinen Manne geniessbares Lustspiel bezweckten. " *) So
wurde es des Plautus besonderes Verdienst, „in der fabula
palliata2) den Römern ein ziemlich reiches Repertoire geliefert
zu haben." Bei allen diesen Stücken erwies sich Plautus stets
als einen originalen Genius, selbständig trotz der fremden Quellen,
als einen Meister in Kunst und Form, „erfindsam und frisch",3)
mit eigenem Witze, der „häufig derb, nicht leicht aber fad"4) ist,
ausgestattet. In hohem Grade anziehend ist „seine leichte, feine
Umgangssprache, selbst auf Kosten der Metrik".5)
Als ein Dichter von so gewaltigen Vorzügen hat Plautus
(mit Terenz) den späteren Bühnendichteiai aller Jahrhunderte als
Vorbild gedient. „Seit dem Wiederauf blühen der klassischen
Studien," sagt Stiefel,6) „bis in die neueste Zeit empfingen
grosse und kleine Dichter aus den Werken jener beiden Alten
nicht bloss die Form, sondern auch überaus häufig den
Inhalt ihrer komischen Erzeugnisse." In der Geschichte
des Dramas nimmt Plautus eine hervorragende Stel-
lung ein.7)
Leider sind zahlreiche Komödien des Plautus nicht mehr
erhalten. Unter Kaiser Hadrian (117 — 138) kannte man noch
einhundert dreissig Stücke des Dichters.8) Die Vidularia
ging erst im Mittelalter verloren.9) Acht seiner Stücke — Amphi-
») Bernhardy a. a. 0. S. 219.
2) Komödie nach griechischem Stoffe und griechischem Originale,
insbesondere der neuen attischen Komödie. Sie beherrscht das ganze
sechste Jahrhundert der Stadt; zu ihr gehören Andronikus, Nävius.
Plautus, Ennius, Terentius. (Teuf fei a. a. 0. S. 21.)
a) Bernhardy a. a. 0. S. 454.
4) Teuf fei a. a. 0. S. 152.
5) Vgl. J. Brix, de Plauti et Terentii prosodia. (Bresl. 1841.) —
E. Kärcher. Prosodisches zu Plautus und Terenz. (Karlsruhe 1841.) —
K. Enger, Zur Prosodik des Plautus. (Ostrowo 1852.) — C. F. W. Mül-
ler, Plautinische Prosodie. (Berlin 1869 — 71.) — Über einzelne Vers-
arten des Plautus, sowie die cantica s. die Litteratur bei Teuffei
a. a. 0. S. 156. (9. u. 10.)
6) „Die Meuächmen des Plautus" in den Blättern für das
bairische Gymnasial- und Bealschulwesen. XV. Band 1879. (S. 309 — 318.)
7) Klein, J. L., Geschichte des Dramas. (Lpz. 1855.) II. Bd.
S. 492 — 566. — Das Fortleben des Plautus auf der Bühne vou R. Stein-
hoff. Jahresbericht über das herz. Gymnasium zu Blankenburg. 1880 81.
(23 S.)
■*) Gell. III, 3. 11. Feruntur sub Plauti nomine comoediae cir-
citer centum atque triginta; secl... L. Aelius quinque et uiginti
eius esse solas existimauit.
,J) W. Studemund, De Vidularia Plautina. (Gryphiswald. 1870.) —
Beste der Vidularia enthält der Mailänder Palimpsest.
Plautus auf der Bühne. 19
truo, Asinaria, Aulularia, Captivi, Cureulio, Casina, Cistellaria,
Epidicus — waren stets bekannt; die übrigen fand Nikolaus
von Trier um das Jahr 1428 und 1429. *) Im Jahre 1472
erschien die editio princeps (cura Georg. Alex. Merulae) zu
Venedig. 2) (1482. 1490.)
Die plautinischen Stücke erhielten sich bis ins siebente
Jahrhundert der Stadt auf der Bühne. 3) Dass sie aber im
vierten und fünften Jahrhunderte der christlichen Zeit-
rechnung' noch aufgeführt worden seien oder wenigstens Amphi-
truo noch gespielt wurde, wie hin und wieder angenommen
wurde,4) ist nicht erweislich. Diese Annahme gründet sich auf
zwei Stellen des Arnobius, auf eine des Prüden tius und eine
des Augustinus.
Bei Arnobius (ums Jahr 295) heisst es IV, 35 :5) „Quin
et ille in fabulis maximus ipse regnator poli sine ulla nominis ma-
iestatisque formidine adulterorum agere introducitur partes, atque
ut fallere castitatem alienarum possit familias matrum,
ora immutare pellacia et in species coniugum subditivi
corporis simulatione succedere," was freilich an den Amphi-
■truo subditiuos (F. 497) erinnern mag; ferner VII, 33: „Ponit
') Vgl. Dr. Georg Voigt, Die Wiederbelebung des klassischen
Altertums oder das erste Jahrhundert des Humanismus. Berlin, Keimer
(1859). S. 140.
2) Vgl. hierüber bei Teuffei (a. a. 0.) S. 157. 158. 7—12. — Bern-
hardy a. a. 0. S. 458. — Manuel du libraire et de l'amateur de livres.
Paris 1842. 1843. Band m. S. 766—769. — Handbuch der klassischen
Bibliographie von Dr. F. L. A. Schweiger. Lpz. 1834. H, 2. 758 ff. —
Bitschi, Opuscul. H, 1.
3) Kitschl, Parerg. S. 89. — Bernhardy a. a. 0. S. 220.
4) Discours sur la comedie ou traite historique et dogmatique des
jeux de theätre . . . par le B. P. Pierre le Brun, (Paris 1731), pag. 90:
II est vrai que dans la suite on a aime les Comedies de Piaute, & qu'on
les representait encore sous Diocletien, comme le dit Arnobe . . .
Beiträge zur Historie und Aufnahme des Theaters. Stuttgart
(J. Ben. Metzler) 1750 [von G. E. Lessing] S. 47. „Aus einer Stelle des
Arnobius erhellet, dass dieses Lustspiel noch zu Zeiten des Diokle-
tians, das ist dreihundert Jahre nach Christi Geburt, zu Born sei
aufgeführt worden."
Auger, ceuvres de Moliere VI, 358: „La piece de Piaute amusa
longtemps l'ancienne Borne et s'il en faut croire Arnobe, plusieurs
siecles apres la mort de l'auteur, on la jouait dans le temps de la ca-
lamite publique, afin d'apaiser la colere de Jupiter."
Auch bei Teuf fei (a. a. 0. S. 147): „Aufführungen vielleicht
noch im vierten und fünften christlichen Jahrhundert."
, Ebenso Ch. Magnin im ersten Bande der 15i 1> 1 iothßque de
l'Ecole des Chartes, (Paris 1839. 1840), pag. 518: Des textes formeis
prouvent que jusqu'au quatrieme siecle on jouait, rarement sans
doute, mais entin que l'on jouait en certaines occasions, des pieces
d'Euripide et de Flaute.
6) Arnobii adversus aati ss libri VII. ed. Dr. G. F. Hildebrand
(Halis Saxonum 1844). S. 401 u. 573.
2*
20 Terenz bekämpft.
animos Juppiter, si Amphitryon fuerit actus pronuntiatus-
que Plautinus."
In dem Gedichte Peristephanon X (Romani martyris
supplicium) des Prudentius Clemens1) (348 — cc. 410) steht
(7. 226):
Cur tu, sacrate, per cachinos solueris,
Cum se mar i tum fingit Alcmenae deus!
und Augustinus (354 — 430) sagt:2) „Tot locis pingitur, funditur,
tunditur, sculpitur, scrihitur, legitur, agitur, cantatur, saltatur
Juppiter adulteria tanta committens."
Diese letztere Stelle des Augustinus ist ganz allgemeiner
Art, die für eine gleichzeitige Aufführung des plautinischen
Amphitruo gar nicht beweisen kann. Die Verse des Pru-
dentius sind aber gleichfalls nicht strenge auf eine Aufführung
des Amphitruo des Plautus zu beziehen. 3)
Ein äusserst interessantes Denkmal hat Charles Magnin4)
im Jahre 1839 veröffentlicht. Es ist ein Dialog zwischen einem
Theaterunternehmer (Hieronymus), einem Zuschauer (delusor) und
Terentius, geschrieben, wie Magnin vermutet, entweder, um
die Aufführung einer terentianischen Komödie einzu-
leiten oder als Vorspiel zu irgend einer neuen Farce zu
dienen. Der delusor ist gegen die alte Komödie. Da der
Theaterdirektor von Terenz beginnt, unterbricht ihn der delusor:
Vade, poeta vetus!
Vade, poeta vetus, quia non tua carmina curo.
Terenz tritt selbst zu seiner Verteidigung auf:
Tene, süperbe, meas decuit corrumpere musas?
Dadurch lässt sich aber der delusor, „der Romantiker des sie-
benten Jahrhunderts", wie Magnin sagt, nicht zum Schweigen
bringen. Er erwidert ihm selbstbewusst:
te ruelior sum:
Tu vetus atque senex: ego tiro Valens, adulescens.
Tu sterilis truncus; ego fertilis arbor, opimus.
Si taceas, vetule, lucrum tibi quaeris enorme.
Darauf entgegnet Terenz bescheiden aber geschickt:
') Aurelii Prudentii Clementis Carmina recensuit et expli-
cavit Theod. Orbarius. Tubingae (Laupp) 1845. S. 255.
2) Epist. 202.
3) Ehe ich die Gründe bei Steinhoff (das Fortleben des Plautus
S. 7, Anm. 48) las, war ich bereits zu dieser Annahme gekommen. ,
4) Auf S. 517 — 535 des ersten Bandes der Bibliotheque de l'Ecole
des ('hartes. (Paris 1839. 1840.)
Plautus im Mittelalter. 21
Quid tibi sensus inest? numquid melior nie es? . . .
Nunc vetus atque senex? quae fecero, t'ac adulescens.
Si bonus arbor ades, qua fertilitate redundas?
Cum sim truncus iners, fructu meliore redundo.
Der delusor muss Terenz im Stillen recht geben, ob er es auch
nicht gestehen will. Der alte Dichter fahrt fort:
Hactenus antiquis sapiens venerandus ab annis
Inter et egregios ostentor et inter honestos.
Der Wortwechsel wird heftiger; der delusor weiss Terenz nichts
vorzuhalten als sein Alter:
Verba latrando, senex, cum sis vetus, irrita profers,
worauf ihm Terenz versetzt:
0 iuvenis, tumidae nimium ne crede iuventae!
Saepe superba cadunt et bumillima saepe resurgunt.
Hier bricht das Manuskript, das nur einige sechzig Verse
enthält, ab. Magnin setzt es in das Ende des siebenten Jahr-
hunderts.
Dem Mittelalter stand Plautus sehr ferne,1) ob sein
Name auch nicht völlig vergessen war. Dante gedenkt seiner
mit Terenz u. a. :2)
Dimmi dov' e Terenzio nostro antico,
Cecilio, Plauto e Varro, se lo sai.
Eine Plautushandschrift des Britischen Museums soll nach
Du Meril ins zehnte Jahrhundert gehören,3) während freilich
Manuskripte des Terenz bis in die Karolingerzeit und noch
weiter zurückreichen. 4)
Nach der Wiederauffindung der Stücke des Plautus ging
man ernstlich wieder an das Studium des Dichters. Man fing
sogar an, ihn zu spielen; es waren „die in und ausserhalb Rom
häufigen Aufführungen der Komödien des Plautus und Terenz,
welche für die Mitspielenden eine unvergleichliche Übung des
Lateinischen als Umgangssprache abgaben. Schon unter Paul IL
wird der gelehrte Kardinal von Theanum (wahrscheinlich
Niccolö Fortiguerra von Pistoja) gerühmt, weil er sich an
') R. Peiper, Archiv für Literaturgeschichte V, 495. — Rhei-
nisches Museum XXXII, 516.
2) Purgatorio XXII, 98.
, 3) Origines latines du theätre moderne publiees et annotees par
M. Edele stand du Meril. Paris (Franck 1849). S. 32. [Auch Theatri
liturgici quae latina superstant mouumenta edita recensuit, inedita vul-
gavit adnotationibus illustravit E. d. M.]
4) Ebenda.
22 Plautus' Bühnentechnik.
die schlechterhaltenen, der Personenverzeichnisse beraubten plau-
tinischeu Stücke wage und dem ganzen Autor um der Sprache
willen die grösste Aufmerksamkeit widme, und von ihm könnte
wohl auch die Anregung zum Aufführen jener Stücke ausge-
gangen sein. Dann nahm sich Pomponius Latus der Sache
an, und wo in den Säulenhöfen grosser Prälaten Plautus über
die Szene ging, war er Regisseur."1)
Indessen nicht bloss sprachlicher Übung halber, gewiss
auch ihrem Inhalte und ihrer Form zu liebe, spielte man die Lust-
spiele des Plautus. Was schon zu seiner Zeit reichen Beifall
errang, war der grosse Reichtum an Sentenzen. Darum sagt
Gripus im Rudens (F. 1249):
Spectaui ego pridein comicos ad istum modum
Sapienter dicta dicere atque is plaudier.
Quoni illos sapientis mores monstrabant poplo.
Nicht minder bietet Plautus eine ganze Fundgrube von
Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten.-) Darum wurde
er bald auch in Übertragungen aufgeführt. „In Ferrara spielte
man Plautus wohl meist in italienischen Bearbeitungen von
Colenuccio, dem Jüngern Guarino u. a. um des Inhaltes
willen, und Isabella Gonzaga erlaubte sich, diesen langweilig
zu finden. " 3)
Die ganze Art und Weise der plautinischen Stücke, die mit
so bescheidenen Mitteln so grosse Wirkung erzielen,4) ist ange-
tban, die Teilnahme des Publikums in Anspruch zu nehmen.
Schon mit den Titeln erregt Plautus meist die Neugierde des
Zuschauers, 5) nicht minder mit den Namen seiner Persönlich-
keiten.6) Dadurch ist er mit Terenz von jeher von ganz be-
deutendem Einflüsse auf die Weiterentwicklung des Lustspiels
gewesen, und seine Beziehungen zur neueren und neuesten Ko-
mödie sind mannigfache geworden. Es ist vollauf berechtigt,
wenn Bernhardy7) sagt: „Plautus [hat] eine Fülle glänzender
Kunstmittel genial vereinigt, die man um so höher anschlägt, als
er dem Ideal und den Ansprüchen des feinen Geschmackes fremd
war, und nicht nur die Poesie seiner Zeit mit einer anmutigen
Schöpfung bereichert, sondern auch an die moderne Komik wirk-
') Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch von Jacob
Burckhardt. (Basel 1860.) S. 250. 251. — Prölss I, 2; 91.
2)J. Schneider, De proverbiis Plautinis Terentianisque. (Be-
rol. 1875.)
3) Burckhardt. a. a. 0. S. 251, Anm. 1.
') Mor. Schmidt, Die Zahl der Schauspieler bei Plautus u. Terenz.
5) Lessing, Hamburgische Dramaturgie (9 Stück).
6) Lessing a. a. 0. (90 Stück).
7) A. a. 0. S. 456.
Terenz mehr gelesen als Plaut us. 23
same Themen und Motive vererbt, welche niemals völlig altern."
Fast alle Völker schulden ihm etwas. „Moliere, Reg-
nard u. a.," sagt Binder,1) „bildeten ihm nach: in Stoff und
Form schwebte er dem Ariosto vor; Goldoni lebte in ihm,
und selbst die Originalität eines Shakespeare verschmähte es
nicht, Goldkörner aus Plautus zu entlehnen."
Mirabeau las während seiner Gefangenschaft in Vincennes
den Plautus gerne und zitiert ihn.2)
Allerdings ist nicht zu leugnen, dass Terenz sich einer
grösseren Beliebtheit und Verbreitung zu erfreuen hatte,
als Plautus. Otto Francke3) erörtert diese Frage dahin:
,,Terenz war ihre Losung. Und Plautus? War dieser denn
ihnen ganz unbekannt'?4) In der That, es scheint so, wenn wir
ihm auch da und dort in den Schulen begegnen, so z. B. bei
Melanthon. Es hatte diese Zurücksetzung wohl einen drei-
fachen Grund. Erstens scheint Plaiitus das ganze
Mittelalter hindurch fast unberücksichtigt geblieben
zu sein, und man weiss, wie abhängig noch die neue Zeit vom
Mittelalter war. Zweitens mochte er wegen seiner alter-
tümlichen Formen5) in den Schulen mehr oder weniger
unverstanden bleiben, und drittens musste der Inhalt
seiner Komödien zum Teil doch recht sehr anstossen,
während ein grosser Teil die ,castitas Terentii' nicht genug-
sam preisen konnte."
Inhaltlich und für die Schule mochten sich hinsichtlich ihrer
grösseren Dezenz allerdings die Stücke des Terenz besser eignen.
Dass die grössere Freiheit des Plautus eine Hauptursache seines
geringeren Vorkommens war, wird auch durch den Umstand be-
wiesen, dass man jenen Lustspielen des Plautus, welche in diesem
Punkte reiner sind, z. B. den Captivi, überall mit denen des
Terenz begegnet.
Die Reinheit des Terenz wird von einzelnen besonders hervor-
gehoben. Melanthon lässt sich bei Gelegenheit einer neuen Aus-
gabe des Terenz (1525) an die Pädagogi, wie folgt, verneh-
men:6) Chrysostomum ferunt tantopere delectatum esse Aristophanis
•) T. M. Plautus Lustspiele, deutsch von Dr. Wilh. Binder. Stutt-
gart (Krais u. Hoffmann 1862—1869). 20 Bdchen. I, 11.
2) Sainte-Beuve, Causeries du hxndi. IV, 30.
3) Terenz und die lateinische Schulkomödie in Deutschland. Wei-
mar 1877. S. 12.
4) Vgl. auch bei Francke a. a. 0. S. 31.
5) Schon Cicero (de orat. III, 44) findet „Plauti oratio antiqui-
tatem re dolens".
8) Vgl. Dr. Lud. Koch. Philipp Melanthous schola privata. Ein
historischer Beitrag zum Ehrengedächtnis des praeceptor Germaniae.
Gotha (Perthes) 1859. S. 65.
24 Terenz mehr gelesen
leetione, ut sempcr in manibus haberet, dormiens etiam pro pul-
vinö uteretur. Nee dubium est, quin alendae loeupletandaeque
faeundiae causa tarn sedulo legerit. Quanto plurius Te-
rentius fieri meretur, cums fabulae, cum obscenitate va-
cant, tum sunt aliquanto quam Aristophanicae, nisi valde fallor,
QY]TioQixtoT€Qca. Proinde paedagogos omnes adhortor, ut hunc
auctoreni summa fide studiis iuventutis commendent. Nam et ad
iudicium formandum de communibus moribus mihi quidem plus
conferre, quam plerique pbilosopborum commentarii videtur. Et
non alius auetor loqui elegantius docebit aut utiliore genere orationis
puerilem linguam imbuet. ')
„Alle sechs Stücke des Terenz, von Plautus jedoch nur
vier oder fünf der anständigeren Schauspiele," hatten seit dem
Anfange des (sechszehnten) Jahrhunderts in den Strassburger Lehr-
anstalten Aufnahme gefunden und waren, mit Anmerkungen2) ver-
sehen, erschienen. " 3)
Der Vorsteher der Strassburger Schule, Otto Brunfels,
hatte (schon 1529) die terentianischen Komödien als anständiger
denn die plautinischen bezeichnet;4) „auch Sturm hielt die
terentianischen Komödien für moralisch unschädlich und wollte
sie ohne Ausnahme von seinen Schülern aufgeführt wissen;
von Plautus hingegen veranstaltete er selbst eine Auswahl von
sechs Stücken,5) die ihm minder anstössig vorkamen, und auf
die sich der Anteil dieses Dichters an den Vorstellungen in seiner
Schule beschränken sollte. " 6)
In ähnlicher Weise lässt sich der Regensburger Rektor Hie-
ronymus Osius (1567)7) vernehmen: „Varro scribit consenta-
') Er schrieb selber zu vier Lustspielen des Terenz (Andria, Eu-
nuchus, Adelphi, Pliormio, zu diesem sogar zwei) Prologe; ebenso zum
Miles des Plautus, zur Hecuba des Euripides und zum Thyestes des
Seneka.
2) Grüninger 1496. 1511. — Plautus vollständig. 1508. — Aulu-
laria von Job. Prüss. Plauti comd. quinque. Scbürer 1513. — Vgl.
Schmidt, Histoire litteraire de l'Alsace ä la fin du XVC et au com-
mencement du XVP siecle. Paris 1879. II, 401.407.409. 150. 151. 152.
3) Die dramatischen Aufführungen im Gymnasium zu Strassburg von
Dr. August Jundt. Strassburg 1881. (Progr. des protest. Gymn.) S. 18.
«) Jundt. S. 15.
5) Siehe bei Jundt S. 19. „In der Vorrede zu seinem Plautus (M.
Accij Plauti comoediae sex: Aulularia, Menaechmi, Triuummus, Captivei,
Miles gloriosus, Amphitruo pro schola Argentinensi mit Holzschnitt.
Argent. 1566. Josias Kihel) nennt er Plautus und Terenz ,poetas duos
latinos, sermone puro, Deus annos nobis prope bis mille reliquit' . . .
Terenz hat sich aufs sorgfältigste aller unsaubern Spässe enthalten; führt
er doch ,bonas meretriculas' vor. Bei Plautus sind hie und da recht
schmutzige Zoten anzutreffen, doch auch anständigere Stücke aufzuweisen."
6) Jundt. S. 18.
7) Scriptvm | Continens | Ceu Oeconomiam quandam Lectionvm,
et exercitiorvm, qvae | publice ac privatim adole | scentiae literariae
als Plautus. 25
neum esse Musas, si Latine loqui, voluissent, Plautino sermone
locuturas fuisse. Ea quidem magna Plaxitinae orationis laus est.
Quanquam autem nihil detraho iudieio Varronis scriptoris sapien-
tissimi: tarnen hoc magnificum iy/M/tiiov multo rectius Terentio,
quam Plauto tribui posse vel Erasmi Roterodami doctorum. nostro
seculo facile principis suffragio conuincam, qui alicubi non veretur
adfirruare plus exacti iudicij in vna eoruoedia Terentiana esse,
quam in onmibus Plautinis. Idem & de dictione seu oratione
eius vere dici posse, qui neget eruditorum, reperiri. neminem
existimo. Quae enim puritas, quae elegantia & suauitas sermo-
nis Terentiani, quae in sententijs sapientia & grauitas sit, nemo
qui intelligit, quid vere nominet Latinam orationem, ignorat.
Quanquam enim & Plautiuae fabulae magnam ingenii sagacitatem
& industriam indieant, nequaquam Terentianis , & quod ad
inuentionem argumentorum, & ad filum orationis attinet, compa-
rari ac conferri possunt.
Cum igitur nullus Latinae linguae seriptor sit, quem tauto-
pere cognosci, ediscique ad vnguem referat, atque Terentium,
quo meliorem formandi Latini sermonis artificem nulluni liabemus,
quem Quintilianus Comicorum argutissimum & elegantissimum
vocat: eius Comoedias ita scbolae nostrae proponemus, vt, cum
duae fabulae eius euarratae & publice actae fuerint, antequam
redeamus ad eiusdem interpretationem, elegantior aliqua Fabu-
larum Plautinarum enarretur, & vt Terentianae publice exhibeatur. "
Noch öfter (E4, H4, 13) figuriert Terenz im Lehrplan des
Regensburger Gymnasiums.
Neben anderen1) beschäftigt sich Gottsched2) mit der
in Gy mnasio Ratisponensi proponvntvr. j Avtore | Hieronymo Osio
Scbolae j Eiusdem Rectore et | Professore. \ Ratisponae excvdebat |
Henricus Geisler. | Anno, M. D. LXV1I. (E.)
') Vgl. z. B. Le Brun, Discours S. 92: On a toüjours fait plus de
cas des comedies de Terence et nous pouvons dire, qu'elles etaient
j)lus tolerables durant les premiers siecles que ne le sont ä present
celles de Moliere. Eine ganze Reihe von Gegnern des Plautus findet
sich S. X— XII bei Leonel da Costa, As primeiras quatro comedias
de P. Terencio, traduzidas em verso Portuguez. Lisb. 1788. 1789.
2) Nöthiger Vorrath zur Geschichte der deutschen dramatischen
Dichtkunst oder Verzeichniss aller deutschen Trauer-, Lust- uud Sing-
spiele, die im Druck erschienen von 1450 bis zur Hälfte des jetzigen
Jahrhunderts gesammelt und an's Licht gestellet von Johann Chri-
stoph Gottscheden. (Leipzig 1757.) — Des nöthigen Vorraths zur
Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst, zweiter Theil, oder
Nachlese aller deutschen Trauer-, Lust- und Singspiele, die vom 1450.
bis zum 1760. Jahre im Druck erschienen. (Lpz. 1765.) — Dazu: Ibrni
Gottfried Christian Ereieslebens kleine Nachlese zu des berühm-
ten Herrn Professor Gottscheds nöthigem Vorrathe zur Geschichte der
deutschen dramatischen Dichtkunst. (Lpz. 1760.)
26 Gründe hierfür.
Frage, warum PI au tu s weniger geachtet war, als Terenz, und sich
wenigerer Nachahmungen erfreute. „Es ist merkwürdig," sagt er,1)
„dass unsere alten Komödien sowohl als vorhin die geschriebe-
nen in lateinischer und deutscher Sprache, mit den Nachahmungen
und Übersetzungen des Terenz anfangen, nicht aber mit dem
Plautus, der doch ungleich lustiger und komischer ist.
Auch hierin zeigt sich souder Zweifel der gute Geschmack unserer
Vorfahren, die sich eher in die wahren Schönheiten der feinsten
Schaubühne als in das possierliche Wesen der plautinischen
Stücke haben verlieben können. Wir werden hierinnen noch
mehr bestärkt werden, wenn wir im Folgenden eine Menge
terentianischer Übersetzungen, allein nur wenige Stücke aus dem
Plautus antreffen werden, die man im Deutschen bekannt ge-
macht hat."
Ahnlich erklärt Mahrenholtz,2) warum Moliere Plautus
gegen Terenz zurücksetzte. „Nicht zufällig war es nun, dass
Moliere von der Nachahmung italienischer Komödien zu Te-
renz, nicht zu Plautus überging. Zu dem Tone, den seine
ersten Komödien anschlagen, stimmte die bei aller leicht ver-
hüllten Frivolität feine Darstellungsweise des Terenz besser als
die derbere Form der Plautin'schen Komödien."
War nun aber den Anschauungen dieser Zeit Terenz
„geradezu einem Lehrbuch der Moral gleichgeachtet, an das man
sich nur zu wenden brauchte, um zu erfahren, was gut oder böse
sei,"3) so war er doch, und gewiss berechtigt,4) streng sittlich
denkenden Schulmännern nicht ganz unbedenklich, und der gyni-
nasiarcha Harlemensis C. Schonaeus sah sich veranlasst, einen
Terentius Christianus5) herauszugeben, dessen Erscheinen er
') Nöth. Vorr. I. 37.
2) Moliere. S. 119.
3) Melantlions Brief an Peter Kitter. 29. Januar 1526. Frag-
mentum epistolae ad amicum quendam. (Corpus Reformatorum IV, 956.
X. 101.) — Interessant ist es zu höreu, wie der Ingolstädter Professor (1522)
Job. Alex. Kphlberger, genannt Brassicanus, den Auftrag erhielt,
er solle, um Ärgernisse zu vermeiden, den Terentius keusch lesen.
(C. v. Prantl, Geschichte der Ludwigs-Maximiliansuniversität. Mch.1872.
I. Bd. S. 209.)
4) Vgl. z. B. The comedies of Terence, translated into familiär
blank verse by George Colin an. London 1765. Preface p. XXXI.
„Notwithstanding the acknowledged chastity of Terence, there are many
things iu these plays irreconcilable to modern notions of delicacy."
5) Terentius Christianus seu comoediae sacrae tribus partibus
distinctae, Terentiano stylo a Cornelio Schonaeo Goudano conscriptae.
1620. — Fraucofurti ad Moenum sumpt. .Toh. Adamii Jungii, anno 1712. —
Schon aus schrieb: I. Bd. Naaman; Tobaeus; Nehemias; Saulus; Jo-
sephus; Juditha. IL Bd. Susanna; Daniel; Triumpbus Christi; Typhlus;
Pentecoste; Ananias. III. Bd. Baptistes; Dyscoli; Pseudostratiotae; Cunae;
Vitulus.
Gründe hierfür. 27
in seiner Praefatio motiviert,1) sowie auch Louis Isaac Saci
') In der Praefatio candido Lectori (Bd. I) heisst es: „Non pauci
cum politiorum litterarum insigni peritia celebres, tum spectatae sancti-
moniae, eximiaeque pietatis opinione suspiciendi hac tempestate repe-
riuntur, qui Plauti veteris scriptoris comici lectione studiosos avocant,
eiusque fabulas parum commodas esse censent, idque propter obscaeniores
sales, turpes facetias iocosque inverecundos, quibus ille populärem gra-
tiam sibi demereri studens, delicatas lascivorum hominum aures identi-
dem demulcet, et vanum ineptorum spectatorum risum captat. Atque
liorum opinioni quivis prudens numquam quidem magnopere refragatus
est. Verum plerique non ita facile se in illorum sententiam adduci
patiuntur, qui Terentium quoque uti spurcum quendam poetam e
puerorum manibus excutiendum arbitrantur. Nam hoc ut nihil lima-
tius, nihil te^sius, ac latinius est: ita ab indecora turpique veteris
comoediae licentia quam longissime eius abesse orationem dicunt. Fa-
tentur et facile concedent omnes, in Plautinis actionibus frequenter legi,
quod scurrile potius quam facetum videri queat: quodque castae merito
aversentur aures. At nihil istiusmodi in Terentio agnoscunt: qui ut
ahmt, cum iocatur niaxirne; verecundiae tarnen limites numquam trans-
greditur. Adeo ut urbanus lepidusque optimo iure, obscaenus vero aut
turpiloquus nullo modo appellari mereatur." Dies widerlegt nun Scho-
naeus und will den heidnischen Terenz durch seinen Terentius Christianus
ersetzen. „Quapropter hoc unum persuasum velim studiosis adules-
centulis, ut bis Terentii Christiani comoediis evolvendis bonam temporis
partem impendant, has numquam e manibus deponant, sed quocunque
eunt, secum in sinu circumferant nee quiescant, donec ad unguem omnes
edidicerint." (!)
Ganz anderer Meinung war man in pädagogischen Kreisen Würt-
tembergs; dort sollten selbst zweifelhafte Stellen des Terenz be-
lehrend wirken. (Vgl. Dr. Karl Pfaff, Versuch einer Geschichte des
gelehrten Unterrichtswesehs in Württemberg in älteren Zeiten. Ulm 1842.
Beilage XLJI.) Hora duodeeima et prima in tertia Classe: Zu disen
Stunden soll nach der Musica den Knaben der Terentius gelesen werden.
wölehen sie auch auswendig lernen, und des andern Tags, in der repe-
tition auswendig recitieren sollen. Und weil der Terentius gar proprie
und pure geschrieben, Sollen dieselbigen phrases mit den Knaben vil
und fleissig geübt, auch in gut teutsch gebracht, darmit das Lateinreden
und schreiben dardurch gefürdert werde.
Es sollen auch die Praeceptores, in enarratione Terentij, dise pru-
dentiam haben, das sie consilium authoris wol anzeigen, wie er nit alle
Ding ex sua persona rede, sonder diuersa vitia et ingenia in diversis
personis abmale, ut in Demea, nimiam seueritatem in corrigendis delectis,
in Mitione vero nimiam ad condonandum facilitatem.
Item da Mitio sagt: Non est flagitium (crede mihi) adolescentem
scordari, neq; potare neq; fores effringere etc. ist der Jugent anzuzeigen,
das Mitio dise Wort nit aus ernst rede, wie ers dann gleich in eadem
Scena widerrufft, und den Spectatoribus huius dissimulationis ursach
anzeigt, da er also sagt: Nee nihil, neq: omnia haec sunt, quae dicit,
tarnen nonnihil molesta haec sunt mihi: sed ostendere me aegre pati
illi nolui, nam ita est homo: quum placo aduersor sedulo et deteres etc.
Item es sollen auch an diesen und dergleichen locis die Praecep-
tores anzeigen, wie die blinden Ethnici von Gott und seinem Wort nichts
gewisst, wie dann die Rochlosen Christen auch nichts darumb wissen.
Darumben ein exemplum und testimonium sacrae Scripturae anzeigen,
wie Gott der HERR dise Laster grewlich straff, und sich in allweg be-
fleissen, das die unverstandene zarte Jugendt, nit geeivrl werde.
28 Vorzüge des Tereuz
le Maitre1) (1613 — 1684) drei Komödien des Terenz „tres-
honnetes" machte (1647), allerdings „en y changeant fort peu
de chose".
Den Gelehrten galt Terenz als Evangelium. Der franzö-
sische Terenz von 1567 2) fasst die grossen Vorzüge des Terenz.
in nachstehenden charakteristischen Versen zusammen:
Qvi voudra fair plusieurs vices damnables,
Moyennement au monde se tenir,
Et veoir ä loeil les choses conuenables
Lise Terence pour soy bien coutenir.
C'est vn autbeur, pour clarement veuir
Au lieu ou fait vertu sa residence,
Sans point auoir du pervers l'acointance,
Qvi ne peut point ä ce bien paruenir.
C'est le guidon droit, facile & plaisant,
De bonnes mceurs & miroir euident
Qve Fabius, l'orateur Ciceron,
Erasme aussi, trois flambeaux immortelz
Ont imite & tenu pour patron,
En leurs escripts docts & eternelz.
Für die Achtung der gelehrten Welt war die vollendete Form
imd regelrechte Sj) räche des Terenz massgebend, obwohl man
die Eintönigkeit seiner Lustspielvorwürfe Plautus gegenüber nicht
leugnen kann.3) Montaigne führt wohl den richtigen Grund
der Bevorzugung des Terenz vor Plautus an, wenn er sagt:4)
„Pour l'estimation et preference de Terence, faict beaucoup que
le pere de l'eloquence romaine l'a si souvent en la houche, seul
de son reng; et la sentence que le premier iuge des poetes romains
donne de son compaignon. "
Thatsache ist, dass sich die gelehrte Welt an Terenz
hielt.5) „Sie fuhren fort, die lateinischen Muster und die Nach-
') Vergleiche über ihn Voltaire, Ecrivains du siecle de Louis XV. — •
Die Lustspiele sind: l'Andrienne, les Adelphes, Phormion. S. Sainte-
Beuve, Port-Koyal. III, 505.
2) Les | six Oomedies | de Terence, tres excel ent poete comiqve j
mises en fraucoys, avec le j latin en favevr des ieunes | enfans desireux
de la j pvrete et intelli'gence de la lan gve latine. i A Paris (par Estieune
Doartj. 1567.
3) Vossius, Inst. Poet. Lib. II, cap. 25. sect. 5: „Hac sane parte
(sc. : vi comica) videtur superior Plautus ; uti et varietate tum argumen-
torum, tum dictionis. Nam Plautus semper studet esse novus, suique
dissimilis; seu rem spectes, seu verba. In Terentio vero magnoi:>ere con-
veniunt argumenta fabularum: et quando de eadem re, aut simili, est
sermo, plurimum nee absimilis est dictio."
4) Essais, livr. II, cap. 10.
'') Vgl. Francke a. a. 0. S. 13. 15. — Es fehlte indessen nicht an
Verehrern des Plautus. Man vergleiche z. B. die Widmung, welche
Jean-Adelphus Müling seiner Plautusausgabe (1508) vorausschickt.
(Ob. Schmidt, Histoire litteraire de l'Alsace. II, 141. 142.) Jeröme
Plautus gegenüber. 29
ahmung des Terenz mehr im Auge zu haben als den Beifall
des Volkes." *■) Allerdings war, wie Francke (a. a. 0.) zeigt, auch
das Volk den terentianisehen Stücken sehr zugeneigt. „Die
Aufführungen terentianischer Komödien . . . müssen wohl im
ganzen beim Publikum ausserordentlich beliebt gewesen sein, be-
sonders in Sachsen, wo eine schon 1540 erlassene und 1580
wiederholte Verordnung es den Lehrern zur Pflicht machte, die
Komödien des Terenz und einige des Plautus von den Knaben
spielen zu lassen. " 2)
Es war aber nicht nur die feinere Form des Terenz, was
die Gelehrten besonders anzog,3) die Latinität des Dichters
liess sie denselben immer und immer wieder der Jugend als Vor-
bild und Lektüre empfehlen, und man möchte mit Herder4) aus-
rufen: „Auch euch, ihr Mönche, sei Dank, dass ihr, um Latein
zu lernen, uns den Terenz aufbewahrtet." — Der Kur-
fürst Friedrich III., der Weise von Sachsen (1463 — 1525),
berief einen eigenen Professor für Terenz an die neu (1502) ge-
gründete Akademie Wittenberg.5) Es folgten fortgesetzt Über-
tragungen des Dichters, die ihm allerdings nicht immer zum Vor-
teile gereichten; denn „je paraphrastischer . . . die deutscben
Oebwiler (geb. cc. 1473, gest. 1545) hielt Plautus hoch. „II trouvait
Piaute superieur ä Terence autant que le soleil est superieur aux etoiles."
Ebenda. II, 162.
') Gervinus, G. G. Geschichte der deutschen Dichtung. 5. Aufl.
(Lpz. 1871—74.) DI. Bd. S. 94.
2) Vgl. Kaunier, Pädag. II, 284. — Dr. Straumer, Beiträge zur
Schulkomödie in Deutschland. Progr. des Gymnasiums Freiberg 1865
(vornehmlich über Zwickau). — Känimel, Ein Beitrag zur Geschichte
des Zittauer Gymnasiums. (Progr. 1856.)
3) Stephanus Doletus formuliert seine Ausstellungen an Plau-
tus gegenüber Terenz in nachstehenden Versen:
Graecos poetas comicos mitto libens;
De latinis quid sentiam, iam iam eloquar.
Plautum Terentio qui obstinate praeferunt,
Graviter videntur mihi errare. Siquidem
Nemo negat Plauto sermonis Latii
Proprietatem supremam. Sed nee ea deest
Terentio vel maior. Atque praeterea
Servile Plauti ingenium et plebeium nimis;
Terentius liberali stilo, et extra sales
Vulgares posito non vulgariter superat.
In hoc, latinae Musae, parcite Sedigito,
Qui prineipi latinae comoediae abstulit
Meritam hercle laudem, si comico cuiquam alii.
(Bei Leonel da Costa, As primeiras quatro comedias de P. Terencio.)
4) Ideen zur Geschichte der Menschheit. XIV, 5.
5) S. De linguae latinae in Germania per XVII saecula amplius
l'atis ab ipso tempore, quo Romanorum arma et commercia nonnullum
eius usum intulerunt, ad nostram usque aetatem commentarii auetore
Jacobo Burckhardt, Sulzbacho-Palatino. Hannoverae (Förster) 1713.
30 Terenzbearbeitungen.
Terenze wurden, desto schaler wurden sie auch und verloren
den alten Kern. Man konnte gleichwohl nicht satt werden , ihn
zu übersetzen. " ' ) Freilich befürchtet ein Diakon von Tübingen
(1567): „Ein anderer Vorwurf könnte sein, dass er es2) überhaupt
deutsch übersetzte, das Latein werde dadurch verachtet."3) In
solchen Ehren stand die lateinische Sprache; so allgemein war
ihr Gebrauch.4)
Eine reiche Anzahl von Terenzausgaben und Übersetzungen
zeugt von dieser besonderen Vorliebe für diesen Dichter. So er-
schienen in raschen Zwischenräumen im Jahre 1613 eine neue Auf-
lage von Harns Andria, 1614 dieselbe Komödie neu übersetzt von
einem Lyniberger; 1620 gab die im Jahre 1617 vom Fürsten
Ludwig von Köthen gestiftete Fruchtbare Gesellschaft
in Köthen den ganzen Terenz deutsch und lateinisch heraus.
Im selben Jahre erschien der Terenz von Michael Meister in
Halle; 1624 von David Höschel und Martin Schenk; 1626
von einem Ungenannten (Weimar bei I. Mieschner); 1627 von
Job. Rhenius (noch zweimal im siebzehnten Jahrhundert aut-
gelegt) u. s. w.
Mit diesen fortgesetzten Übertragungen des Terenz gingen
Aufführungen desselben Hand in Hand. Terenz wurde „das
ganze siebenzehnte" und „auch im achtzehnten Jahrhundert in
Sachsen und nächstdem in Schlesien" gespielt. Ja noch in
unserm Jahrhundert in den vierziger Jahren zu Hamburg
wurden von Schülern des Johanneunis Stücke des Terenz aufge-
führt.5) Jene drastischen Figuren, wie z.B. der Selbstpeiniger,
Zweiter Teil: Wolfenbuttelii (Freytag) 1721. — Dort heisst es (IL 217):
Terentii vero elegantia inde ab adulescentia ita captus fuerat, ut in
recens condita sua Academia singularem Professorem constituerit , qui
studiosae iuventuti eum explicaret illustraretque. (Jo. Jac. Mülleri
Staatskabm. II, S. 432. — Vgl. auch Francke a. a. 0. S. 8 — 13; Räu-
mer, Gesch. der Päd. I, 96.)
') Gervinus. HI, 100. Vgl. auch ebenda II, 614.
2) Ein Lustspiel des Terenz.
3) Gottsched, Not. Vorr. H, 81.
4) Otto Brunfels in Strassburg hatte das Lateinsprechen bei Ver-
meidung der Stockprügelstrafe eingeführt. S. Catechesis puerorum in
fide, in litteris et in moribus. 1529. (Fol. 76 ;i): Vernacula lingua loqui
in ludo nostro piaculum est atque non nisi plagis expiatur. Vgl.
auch die Notiz bei R. Prölss. Geschichte des Hoftheaters zu Dresden.
(Dresden 1878.) S. 8. „In einem Lobgedichte auf den Goldberger Schul-
rektor Trotzendorf wird es rühmend hervorgehoben, er habe die rö-
mische Sprache allen so eingegossen, dass es für Schande gelte, deutsch
zu sprechen und selber Knechte und Mägde Latein sprächen." — Man er-
wäge auch, welche Schwierigkeiten u. a. Martinus Balticus in Ulm (1585)
fand, als er neben lateinischen Komödien auch deutsche spielen Hess, bis
ihm der Rat der Stadt dies gewährte. Doch wurde es ihm (freilich mit
anderen Ursachen) Quelle ewiger Anfeindungen. S. K. Pf äff a.*a. O. S. 52.
D) Francke a. a. 0. S. 32.
Verhalten des Klerus. 31
erzielten noch den gleichen Erfolg' wie im Altertume. ') Dem fort-
gesetzten Studium der Komiker verdankt die Entwick-
lung des Theaters Unendliches.2)
Zwar verhielt sich der Klerus häutig feindselig gegen
Terenz;3) doch obsiegten diese Studien. Die ganze Polemik
jedoch wirft manches Streiflicht auf den etwas problematischen
Charakter des oft überschwänglich gepriesenen klerikalen Huma-
nismus.4) Wachsmuth5) äussert sich hierüber: „Die Glaubens-
verschiedenheit hatte wesentlichen Einfluss auf die Art des Studien-
betriebs. Seitdem die Jesuiten im Gebiete des Katholizismus
dominierten, bekam er eine von dem italienischen Humanismus
abweichende Richtung; von ihnen wurde mehr gehindert
als gefördert."6)
Vorzüglich gegen Plautus und Terenz eiferten die Je-
suiten7) und stellten sich dadurch würdig den älteren Zeloten und
Ignoranten an die Seite.8) Ein klares Bild der Hindernisse, die
teils „ungelehrte und verwöhnte Theologen" teils Beschränktheit
anderer Art den humanistischen Bestrebungen in den Weg legten,
giebt eine Stelle in der Widmungsepistel „an den edlen und
vesten Fritz Jacob von An weil" vor der Terenzübersetzung:
') Cicero, Disput. Tuscul. m, 27. 65.
2) Vgl. Prölss, Eob. Geschichte des neueren Dramas. (Lpz. 1881.)
I. Bd., zweite Hälfte. S. 100.
3) Francke a. a. 0.. S. 7. — Vgl. auch Charles Schmidt, His-
toire litteraire de l'Alsace. Paris 1879. I. S. 220. „Wimpheling qui
dans son indignation contre la poesie pai'enne, le (Terence) rangeait
parmi ceux qu'il fallait exclure et que Dieu lui-meme avait chäties
en les faisant perir d'une niort miserable. (Contra turpem libellum
Philomusi defensio theologiae. 1510.) Vgl. auch ebenda S. 64. A. 166.
4) Vgl. zur Bildung des Klerus und seiner lateinischen Kenntnisse
ßurckhardt, de linguae latinae fatis etc. I, (55. 68.) 79. 83. 443.444.
3) Allgemeine Kulturgeschichte. (Lpz. 1851.) DIL Bd. S. 413.
e) In der Anweisung zum Unterricht Maximilians von Baiern (1598
bis 1651) war verboten, die alten Autoren, die heidnischen Schwätzer
und Fabelhanse zu traktieren. Raumer, Geschickte Europas. III, 339.
Vgl. ferner zur Sache: rMZMOAOriKON EAAHNIKOAATINON: Mi-
chaelis Neandri. (Basileae 1564.) Epistol. S. 11. (Vnä etiam planum
facere facile esset, quod multorum optimorum librorum amissionem
monachis ignavis debeamus.) — H. Schreiber, Matthaeus Hummel im
Bach (geb. 1425, gest. 1477). Freiburg 1833. S. 16. 17. 18. — Wenzel
Wladiwoj Tomek, Geschichte der Prager Universität. (Prag 1849.)
S. 290 ff. — S. 292: „Die Studien der alten Klassiker, welche den Stolz
des sechszelmten Jahrhunderts ausgemacht hatten, waren [unter der
Herrschaft der Jesuiten] von der philosophischen Fakultät ausge-
schlossen." — S. auch das Urteil des Herman Busch (1468 — 1534) in
seinem Valium lmmanitatis. — ■ .1. F. Schröder, Das Wiederaufblühen
der klassischen Studien in Deutschland. (Halle 1864.) S. 214.
7) Francke a. a. O. S. 55—60.
8) Vgl. Jundt a. a. Ü. 8. A. 2. Allerdings lese man auch Räumer,
Gesch. der Pädag. 1,245. — Vgl. auch Joh. Sturmij de exercitatjionibus
rhetoricis über academicus. Argent. Nie. Wyriot 1572. Fol. g 2a.
32 Boltz von Ruflachs Terenz.
des Valentin Boltz von Ruffach (1539). *) Dort heisst es:
„Darab werden sich onzweiffel auch etliche vngelerte,
verwänte Theologi streüssen, das ich als ein kireken-
diener, mich solcher weltfreydiger, schhnpffiger, fleisch-
licher matery vnd er nimm. Denen gib ich dise antwort: das
ich auss Virgilio, Terentio, Plauto vnd andern beiden, hab das
lateinisch Enangelium lernen verstau, sacra ex prophanis, vnd
drumb nit jren glauben vnd leichtfertigkeit angenommen. Nun
hat vns ye gott die freien künst durch die beiden geben, vnd
welcher die künst verachtet, der verachtet vnd verschmächt Gott
selbs, dann durch dise werden Gottes wunderwerck erkent. Was
sind sie nun anders die gelerten heiden, dann vnsere knecht vnd
diener, die uns vorgearbeitet haben, & praemansum in os in-
seruerunt; sie haben vns fürgekewet wie den jungen kindern.
Aber das ist das alt gifft vnd pestilentzisch übel, das wir Teutschen
nie vil acht auff vnser mutterspraacli gehabt haben, wie sie ge-
pflantzt vnd auff bracht werd. Die ja gleich jr facundiam vnd
zier so wol hat, als andere spraachen. Wer das erfaren wöll,
der besehe vnd lese den verteutschten Josephum, Senecam, Officia
Ambr. vnd vil treffelicher authores: die der hochbereedt man
teutscher nation Doctor Caspar Hedio zu Strassburg verteutscht
vnd in wunderbarlichen wolstandt teutscher zungen bracht hat.
Darab werden auch vil stoltz gelerten murren, vnd
sagen, es sey nit loblich, das man alle ding also in teutsche
spraach bring, das Latein werd dadurch verachtet. Ich sag
nein darzu. Es ist der Lateinischen spraach ein treffelicher rum
vnd hoher preiss, das sie so hohe wund erparli che ding hinder jr
verborgen hat gehan, vnd macht vns teutschen, das wir erst
anfahen, vnsere eygen spraach regulieren vnd wolstellen."
Auf das nachdrücklichste empfiehlt M. Luther, welcher
den Terenz in acht Wochen zweimal ganz in seinen Erholungs-
stunden gelesen hatte, "2) das Schauspiel in der Vorrede zum
Buch Judith und Tobias. In den Tischreden3) äussert er sich
auf die Anfrage des D. Johannes Cellarius, ob man die heid-
nischen Poeten spielen dürfe: „Comödien zu spielen, sol man
vmb der Knaben willen in der Schuel nicht wehren, sondern ge-
statten vnd zulassen: Erstlich, dass sie sich vben in der latei-
nischen Sprache: Zum andern, dass in den Komödien fein künst-
J) Publij Terentij Aphri ] sechs verteutschte Comeclien, auss j eygen
angeborner Lateinischein spraach | auffs trewlichst transferiert | durch
Valentin um Boltz von Ruffach. | Anno M. D. XXXIX. | — Am Schlüsse
steht: Getruckt zu Tübingen von Ulrich Morhart. Anno MDXL.
2) Koch, Schob S. 65.
3) Luthers Tischreden und Vorreden auf die Bücher Judith und
Tobias. Asg. von J. K. Irmischer. Erlangen und Frankfurt. 1854.
LXII. 336. LXXHT. 92. 98.
Urteil Luthers, Keuchlius u. a. 33
lieh erdichtet, abgemalet vnd fürgestellet werden, solche Personen,
dadurch die Leute vnterrichtet vnd ein jeglicher seines Ampts
und Standes erinnert vnd vermahnet werden, was einem Knechte,
Herren, Jungen Gesellen, vnd Alten, gebühre, wohl anstehe, vnd
was er thun solle: Ja es wird darinnen fürgehalten, vnd für die
Augen gestellet, aller Digniteten Grad, Ampter vnd Gebühr, wie
sich ein jeglicher in seinem Stande halten sol, im äusserlichen
Wandel, wie in einem Spiegel.
Zudem werden darin beschrieben vnd angezeiget, die listigen
Anschläge vnnd Betrug der bösen Bälge. Desgleichen was der
Eltern vnnd jungen Knaben Ampt sey, wie sie jhre Kinder vnnd
junge Leute zum Ehestande ziehen vnd halten, wenn es zeit mit
jhnen ist, vnd Avie die Kinder den Eltern gehorsam seyn vnd
fragen sollen etc. Solches wird in Comödien fürgehalten, welches
denn sehr nütz vnd wol zu wissen ist; denn zum Regiment kann
man nicht kommen; mag auch dasselbige nicht erhalten denn
durch den Ehestand. Vnnd Christen sollen die Comödien nicht
ganz vnd gar fliehen, darumb dass bissweilen grobe Zoten und
Bulereien darinnen seyn, da man doch umb dieser willen auch
die Bibel nicht dürfte lesen. Darumb ist's nicht, dass sie solches
fürwenden vnd vmb der Vrsache willen vorbieten wollen, dass ein
Christen nicht solte Comödien mögen lesen vnnd spielen. " *)
Reuchlin (1455—1522) und Frischlin (1547—1590) weisen
auf die alten Komödiendichter hin, und ihre Stücke zeugen von
dem Studium des Plautus und Terenz selbst in echtdeutschen
Stoffen.2) — Erasmus von Rotterdam (1467 — 1536) versteigt
sich in seiner Begeisterung zu einem wenig gelungenen Wortspiel.
Terenz heisst er „quod manibus esset terendus". George
Rollenhagen (1542 — 1609) wollte, „dass er wie Theer den
Schülern an den Händen kleben solle." Er liess i. J. 1592 an
seiner Schule zu Magdeburg alle sechs Stücke des Terenz
aufführen. 3)
Alles gefiel sich in begeistertem Lobe des Terenz.4) Me-
lanthon, der gegen „krittliche und mürrische Censoren" eiferte,
^Luthers Tischreden, ed. Förstemann u. Bind seil. Berlin 1848.
IV. S. 592. — Vgl. auch Dr. E. A. Hagen, Geschichte des Theaters in
Preussen, vornämlich der Bühnen in Königsberg u. Danzig. Königsb. 1854.
S. 22. — In ziemlich ähnlicher Weise empfiehlt Baco von Verulam
(gest. 1626) in seinem Buche „de augmentis scieutiarum" (VI, 4) die
theatralischen Übungen wegen ihres günstigen Einflusses auf das Ge-
dächtnis, die Sprache und den Ausdruck. (Schwarz, Geschichte der
Ki-ziehung. II, 317 ff.)
..2) Gervinus a. a. 0. HI, 97.
3) Gervinus III, 115.
4) Vgl. z. B. ein Gedicht des Johannes du Eins Attrebates
(bei L. da Costa, as quatro primeiräs comedias u. s. w.):
3
34 Aufführungen der Alten
veranlasste die fleissige1) Aufführung der Komödien des Terenz
mit Ausnahme der Hecyra und des Heauton timorumenos.
Von Plautus nahm er nur den Miles Grloriosus in sein Re-
pertoire auf, obwohl er im Schulplan seines Visitationshüchleins
auch aululariam,2) trinummum, pseudolum für rein erklärte.3)
Hatte C. Schonaeus sich schon an Terenz gestossen, so
konnte er natürlich mit Plautus noch weniger sich befreunden;
besonders zog er gegen den Amphitruo und den Miles Glo-
riosus in seinem Prologe zum Tobaeus1) los.
Indessen hat sieh kaum eine deutsche Stadt trotz aller
Kämpfe für und wider die alten Komödien der Aufführung der-
selben gänzlich5) entschlagen wollen oder können. Nur einige
wenige zufällig gewählte Beispiele mögen dafür zeugen.
„In Wien gingen hierin die Universitäts-Gymnasium- und
Schottenschulen, sowie zu St. Stephan und St. Michel, dem
Jesuitenorden vor, da dieser erst im Jahre 1551 hierher berufen
Quem sermone iuvat loqui erudito
Et docto simul et simul faceto,
Volvat perpetua manu Terenti
Versus, quo melior poeta nullus.
Nullus tarn vario lepore plenus.
Nullus quo melius putet iuventus
Linguam reddere posse se disertam
u. s. w. — Kromayer führt uoch ein ius Deutsche übersetztes Lobverslein
des Johanuis Murmellii (1470 — 1517) an (S. 6), in dem alle Vorzüge
des Terenz gepriesen sind:
Wilstu zugleich Dein Zung wol ausspoliren,
Dein Hertz vnd Sinn mit schöueu Sitten zieren,
Wiltu auseheu, wie im Spiegel, die Welt,
So thu mit Fleiss in diesem Buch studiren,
All Menschlich Thuu es Dir für Augen stelt.
') Besonders des Phormio. (Koch, Schob S. 65.) — Vgl. auch
Burckhardt, de linguae latinae fatis. I. S. 353.
2) Corpus Beformatorum, ed. Bretschneider u. Bindseil. X. Bd.
(1834.) S. 101. Si norunt Terentium, potest proponi aulularia Plauti.
3) Francke a. a. 0. S. 22.
4) (S. 59): Nee fabulosus quispiam Deus, viri
Mentitus formam, amantem fallet coniugem,
Nee miles adversa ostentabit vulnera,
Nee servus argento emunget senem.
Ahnlich auch in den Prologen zu Saul, Judith, Nehemia. (Vgl. Francke
a. a. 0. S. 133.) — Doch aber sagt er in einem Epigramme an Jaco-
bum Brassicanum (III, 244) von sich:
Comica dum levibus percurro pulpita soccis,
Plautinum seetatus opus, numerosque Terentii.
"') Verhältnismässig wenig geschah z. B. in Frankfurt a. M. für
Plautus und Terenz. (Vgl. Geschichte der Schauspielkunst in Frank-
furt a. M. etc. von E. Mentzel, Frkf. 1882, S. G. u. 7, wornach bereits
1591 Plautus und Terenz verdrängt waren und auch lat. Schulkomödien
nicht (?) stattfanden.)
in Wien, Augsburg, Olmütz u. s. w. 35
wurde. Die frühesten bisher bekannten von diesen Wienerschul-
komödien sind Eunuchus von Terenz und Aulularia von
Plautus, dann der rasende Herkules und das Abendmahl
des Thyestes von Seneka in der aula universitatis reprä-
sentiert, welche Conrad Celtis i. J. 1486 in Druck legen liess."1)
Ebenso war es in Augsburg. „Kaum hatte der Uliner
Bürger Hans Nydhart 1486 oder 1488 eine Übersetzung des
Eunuchen von Terenz erscheinen lassen, als ein Augsbiirger
1497 auch hier ein Paar Komödien drucken liess. I. G. Boivarii
Comedie utilissime omnem latini sermonis elegantiam continentes
(I. G. Bayers äusserst nützliche Komödien, welche die ganze
Zierlichkeit der lateinischen Rede entfalten), die von der „hiesigen
ehrbaren Jugend" — vornehmen Knaben aus hiesigen patrizischen
Familien — wirklich aufgeführt worden sind, und die wenigsten
von einer guten Portion Einbildungskraft des Verfassers zeugen.
Professor Hans in seinem Aufsatze über das Schulwesen (Histor.
Vereinsschrift 1875) nennt den Verfasser Grüpeck."2)
„Die feierliche Stiftung des Olmütz er Seminars (durch die
Jesuiten) verherrlichte die mit grossem Beifall gegebene Komödie
Aulularia von Plautus."3)
Zu Fasching 1518 wurde in Zwickau bei einem Turniere,
das Herzog Johann von Sachsen veranstaltete, unter anderm
der Eunuchus des Terenz „ordentlich und wohl" gespielt.4)
Überhaupt spielte man in Zwickau zu dieser Zeit die
Stücke des Terenz häufig mit deutschen Einleitungen und
Einschaltungen zu besserem Verständnisse.5) Gottsched6) giebt
Proben dieser Zurichtung. Da wird z. B. Thais eingeführt mit
den Worten:
Itzt trit daher dasselbig weyb,
Gar wohl geschmückt vnd gradt vom Leyb,
Von aussen scheint schon vnd gladt
Ein schlamsack sonst vnd rechter vnflat.
Sie schwantzt herein in eyteler pracht
In sammet vnd seyden das einer dacht
Es war gantz lauter gülden als
Was sie an armen vnd am halss
Vom golde tregt, ich dorft wohl wetten
Der mehrer teyll sind kupfern ketten
u. s. w.
Auch wird Einzelnes, und nicht immer das Passendste, ein-
J) Schlager, Wienerskizzen aus dem Mittelalter. Neue Folge. 1839.
2) Witz, Versuch einer Geschichte der theatralischen Vorstellungen
in Augsburg. 1876. S. 9.
3) Geschichte des Theaters in Mähren und Ustcrr.-Schlesien. Vom
K. K. Fiuanzrate Christian d'Elvert. Brunn 1852. S. 21.
4) Vgl. Germania. Band XXII. (1877.) S. 19. 20.
5) Gottsched, Nöth. Vorr. I, 28.
°) Ebenda. I, 32.
3*
36 Aufführungen der Alten
geflochten, so im Heanton timorumenos die anus nntrix inter
cundnni venatur pulices.
Ich halt, die flöhe haben winter vnd sommer
Gemiett bey mir ein gast kamer
u. s. w. Et paulo post: Ey peyss, das dich alle plag u. s. f.
Schon i. J. 1523 bestimmt die Zwick au er Schulordnung,
„dass Mittwochs nach geschehener Repetition und Sonntags nach
der Kirche eine Komödie aus dem Terentius zur Stärkung des
Gedächtnisses und zur Übung in der Aussprache und in der Ge-
schicklichkeit des Leibes gespielt werden soll. " ])
Im Jahre 1530 führten die Alumnen der Universität Löwen
die Adelphi in lateinischer Sprache mit einem Prolog von Adriano
Barlando auf.2)
„Wie Job. Reuchlin seine Scenica progymnasmata im
Hause des Kämmerers Johann von Dalberg (1445 — 1503) zu
Heidelberg hatte aufführen lassen, so wurden zu Augsburg
durch die Schüler Komödien aus dem Terenz und Plautus ge-
geben; so zu Zürich (schon 1531) auf dem Saale des Kirchen-
und Schulrats der Plutus des Aristophanes in der grie-
chischen Ursprache vorgestellt, mit Musik in den Zwischenakten,
Avelche vom Reformator Zwingli komponiert war."3)
Über eine Aufführung des Miles Gloriosus in Prag be-
richtet Leo Blass:4) „Im Fasching des genannten Jahres (1535)
wollten die Studenten (der Prager Universität) ein Lustspiel von
Plautus (Miles) aufführen und bemühten sich um Auffindung
eines passenden Lokales. Der damalige Bürgermeister der Neu-
stadt Prag, Jakob Strnadt, erlaubte die Aufführung in dem
Neustädter Rathause, wo sich ein vollkommen tauglicher Raum
hierzu vorfand. Doch der Altstädter Magistrat verklagte deshalb
die Universität, dass sie eine von ihm nicht bewilligte Versamm-
lung veranstaltet habe, der Bakalar Modry, der den „Soldaten"
spielte und wahrscheinlich das Hauptverdienst um diese Vor-
stellung hatte, wurde vorgerufen, eingesperrt und erst infolge
eines scharfen Rekurses des Universitätsrektors nach drei Tagen
strenger Haft entlassen."
') Gödeke, Einleitung zum zweiten Bande der deutschen Dichter
des XVI. Jahrhunderts, pag. XVm.
2) Leonel da Costa. As primeiras quatro comedias . . . pag. XV.
3) Beiträge zur Geschichte Basels, herausgegeben von der histo-
rischen Gesellschaft zu Basel. I. 1839. IL 1843: Darin Bd. I. S. 169— 212.
Geschichte der dramatischen Kunst in Basel von C. Aug. Burckhardt.
U. J. D. S. 197.
4) Das Theater und Drama in Böhmen bis zum Anfange des XIX.
Jahrhunderts. 1877. S. 9.
in Zwickau, Prag, München u. s. w. 37
Im Jahre 1537 führt der „latheinisehe schullmayster Hanns
Binder" in Nor düngen „mit den Knaben ain comödj auss
dem T h e r e n c i u m " auf. *)
Bekannt ist die Teilnahme, welche die Güstrowsche
Schulordnung-, die ungefähr in das Jahr 1552 (oder 1553)
fällt, der alten Komödie widmet. Von ihr wird in Reichards
Theaterkalender von 1787 nach einem alten Manuskripte Fol-
g-endes mitgeteilt: „Cap. X. De ludis scenicis. Es soll auch
alle halbe Jahre eine lateinische Comoedia aus dem
Plauto oder Terentio für die Knaben, dass sie gut La-
tein lernen mögen, von den Schülern in der Schule,
jedoch extra habitum, agiret werden, denn es heisst:
Continet kumanae speculum Comoedia vitae
Turpiaque urbano facta lepore notet.
Es wehre auch unter den grossen Schülern, die der griechischen
Sprache erfahren sind, ein fein Exerzitium, dass sie bisweilen
einen Dialogum Luciani mit agirten, der allezeit ein lateinisch
Argument bette, umb der gemeinen Schüler willen. - Teutsche
Gomedien oder Tragedien sollen für denn gemeinen Mann noch
sonsten von den Schülern nicht agieret werden, es sei denn, dass
ös mit Unserm Vorwissen und auf unser Gutachten geschehe. " 2)
Über Aufführungen in München (in den Jahren 1557,
1562, 1566) verdanke ich den gefälligen Mitteilungen des Herrn
Dr. Karl Traut mann aus den Münchener Stadtkammerrech-
nungen die nachstehenden Daten:
1557: zahlt dem Poetn Martino Baltico: An 12 talern
erung von wegen zweyer Comedj ex plauto so er ainem erbaren
Batk zugefallen vnd den Discipuln zu guet auffm Rathhaus ge-
halten, nemlich Sme dem poetn 10 vnd seinen Discipuln 2.
Ad 27. februarij (1562) ditto zalt dem poeten gabriele
Khasstner Eerung von wegen der Coinedi zwayer zwidling-
Ex Plauto so Err auff dem Rathhaus gehallten 10 Taler. V und
den Discipeln 2 Taler thuet ... 13 fl 5 ß
Ad 19. aprilis [1566] (ditto) zalt dem poeten Gabriele
Casstner von wegen der Comedj so er durch seine Khnaben
halten lassen Ex Plauto Trinummum genannt Teutsch vnnd
Lateinisch 14 Taler zu einer Vererung.
Die im Jahre 155!) von Herzog Christoph in Württem-
*) Dr. K. Traut manu, Arckivaliscke Nachrichten über die Theater-
zustände der schwäbischen Reichsstädte im XVI. Jahrhundert, in
Schnorrs Archiv. Bd. XIII. S. öl.
2) Versuch einer Geschichte des Theaters in Mecklenburg-Schwerin
Von H. W. Bärensprun»-. Von den ersten Spuren theatralischer Vor-
stellungen bis zum Jahre 1835. Schwerin 1837. S. 7. — Vgl. Gervinus III, 118.
38 Aufführungen der Alten
berg erlassene „Ordnung- der latein. oder Particularschulen und
des Pädagogiums zu Stuttgart" erwartet von Terenz viel für
den Unterricht. ')
In Königsberg treffen wir die Aulularia des Plautus
in den Jahren 1560 und 1599 aufgeführt;2) Darstellungen des
Terenz in Breslau im Jahre 1562. 3)
Der Strassburger Rektor Job. Sturm4) (1538—1581) er-
innert sich, im Jahre 1565, einer Aufführung des Phormio in
der Klosterschule der Hieronymianer oder Brüder vom gemein-
samen Leben zu Lüttich, wo er als vierzehnjähriger Jüngling
im Jahre 1521 den Geta spielte. Seine Anschauung war, dass
schon Tertianer die Komödien des Plautus und Terentius auf-
führen sollten. 5)
Von Aufführungen aus dem Jahre 1567 am Gymnasium zu
Regensburg berichtet Chr. H. Kleinstäuber:6) „Schon unter
Osius (von 1565 — 1568 Rektor) wurden 1567 von den Schülern
der obersten zwei Klassen zwei Komödien des Terenz und dann
eine von Plautus, nachdem sie in der Schule gelesen und er-
klärt worden waren , öffentlich aufgeführt. (Hieronymi Osii
Scriptum continens ceu Oeconomiam quandam lectionum et exer-
citationum.) Dazu taugliche Jünglinge mussten die Rollen aus-
wendig lernen und in unterrichtsfreien Stunden einüben. (Ibid. L.
3 b.) Bisweilen wurde auch, wenn die Scholarchen die Erlaubnis
dazu gaben, eine Tragödie des Seneka oder eines andern nicht
klassischen Dramatikers vorgetragen. (Ibid. L. 4 a.)"
Die Anleitung des Osius „De comoediis pvblicis agendis"
lautet: „De Comoedijs dictum est supra, requiri ä scholae guber-
natoribus, vt quotannis duae publice exhibeantur, sintque eae aut
Terentianae aut Plautinae fabulae. Hac etiam in re, quantum
fieri potest, propter multiplicem vtilitatem, quam haec res affert
studiosis linguae latinae , scholae praefectis morem geremus.
Instituetur autem res hoc modo: Comoediam publice agendam
') Vgl. Johannes Kepler. Von Dr. Edm. Eeitlinger. Stuttg.
1868. Bd. I. S. 52.
2) Gödeke a. a. 0. Einl. p. XXXII. — Hagen. S. 32.
3) „Die erste Erwähnung einer biblischen Komödie [in Breslau]
findet sich bei Nicol. Pol, der zum Jahre 1562 erzählt, dass das neu
erbaute Elisabetan mit einem deutschen Stücke, Abel und Kain, und
einem lateinischen aus dem Tereuz eingeweiht worden sei." Palm, Dr. H.
Beiträge zur Geschichte der deutschen Litteratur des sechszehnten und
siebenzehnten Jahrhunderts. (Breslau 1877.) S. 119.
4) La vie et les travaux de Jean Sturm. (Strasb. 1855.)
•') Koch, Schul, priv. S. 91 und Eeitlinger, Kepler. I, 92.
6) Ausführliche Geschichte der Studienanstalt in Regensburg
(1538—1880) auf Seite 1—152 des XXXV. und S. 1—142 des XXXVI.
Bandes der „Verhandlungen des Historischen Vereines von Oberpfalz
und Regensburg". (Stadtamhof 1880.) S. 141.
in Breslau, Regensburg, Basel u. s. w. 39
etiam ante, quam integra enarrata & exposita fuerit, personis
idoneis exacte ediscendam proponemus, vt ita eö firmius earum
memoria haereat, cum prius edidieerint & publice interpretationein
ipsarum audiuerint adolescentes. Illud enim ita se habere, sclio-
lasticis experientia ostendet. Non autem nisi diebus, quibus
alias cessant publica studia, ad actionem publicam priuatim agendo
fabulas personati adolescentes praeparabuntur, ne occasionem buic
summant alia studia temere negligi."
Die kursächsiscbe Schulordnung verordnet 1580 die alljähr-
liche Aufführung der Komödien des Terenz und Plautus,1) und
noch später verordnete Kurfürst Christian IL (1601 — 1611)
eine zweimalige Aufführung im Jahre, doch privatim und ohne
Verkleidung. (Schulordnung Cap. IX, § 5.) „Sie sollten die
Komödien aus dem Plautus und Terenz wählen, auch
griechische, damit sie ihnen zur Wiederholung dessen dienten,
was sie in den Stunden gehört hatten. " 2) — Der codex latinus
No. 578 der Münchener Staatsbibliothek enthält Plauti Pseu-
dolus, exhibita Ingolstadii a. 1589.
In Basel begegnen wir im Jahre 1589 Aufführungen des
Terenz nach dem Schulplan unter dem Rektor Beat Heel. Am
7. August 1592 hatte eine solche statt; es wurde auf einer über
dem Garten des Gymnasiums errichteten Bühne gespielt. 3) — Anno
1569 nach Vollendung zweier Doktorpromotionen spielte man die
Aulularia des Plautus.4)
In Coburg treffen wir im Jahre 1599 den Pseudolus. „Da
es den 11. Mai (1599) am Gregoriusfeste sehr geregnet, habe der
Rektor auf dem Rathaus pseudolum Plauti (der Betrüger) ein
Lustspiel des Plautus achieret u. s. w., und seien ihm 5 fl. ver-
ehret worden. " 5)
Am Mittwoch den 9. Oktober 1583 wurde das neue Theater
in Strassburg mit einer (nicht genannten) Komödie des Plau-
tus eingeweiht;6) i. J. 1608 wurde dort der Amphitruo gespielt,7)
Im Ottoneum zu Kassel wurden Nachahmungen des
') Hase, Pas geistliche Schauspiel. S. 114. — K. Schmidt, Gesch.
der Pädagogik. 2. Aufl. (1870.) HI, 136.
-) Versuch einer vollständigen Geschichte der Chursächsischen
Fürsten- und Landschule zu Meissen von Joh. Aug\ Müller. Leinzio-
1787. I. Bd. S. 53. l °
3) Lib. director. Acad. Basil. Msk. in Beiträge zur Gesch. von Basel.
I, 199.
') Wurstisisches Diarium. Msk. Ebenda. I, 201.
5) Das herzogliche S. Hoftheater zu Coburg-Gotha. Am 1. Juni 1877,
dem Tage des fünfzigjährigen Bestehens. (S. 9.)
li) .Tun dt a. a. O. S. 32.
7) Jundt a. a. 0. S. 44.
40 Aufführungen der Alten
Terenz, ja sogar die Antigone des Sophokles griechisch,
gespielt. ' i
Die Geschichte der Stadt Blinzlau (zweiter Band, 1787) be-
richtet von verschiedenen theatralischen Aufführungen, darunter am
21. September 1612, dass „eine lateinische Komödie aus dem Te-
renz, ingleichen eine deutsche von einem Grosssprecher handelnde
agiert worden vom rector seholae et factore Val. Senftleben. "2)
Im Jahre 1624 spielte man in Nürnberg die Aulularia
des Plautus und die Adelphi des Terenz;3) aus 1618 führt
Will*) Menächmen an.
Weniger freundlich nahm man eine am 10. September 1629
von den Schülern des Berlinischen Gymnasiums gespielte
Komödie auf. Ein kurfürstlicher Erlass sprach seinen Tadel aus,
welcher sogar den Magistrat, der den Saal dazu lieh, traf. Welches
Stück dies war, ist allerdings nicht bekannt.5)
Alsbald nach den ernsten, schweren Zeiten des dreissig-
jährigen Krieges, in den Jahren 1652 und 1660, Hess man die
Schüler des Frankfurter Gymnasiums, „um die ingenia bei der
Schuljugend zu excolHren", im Schulhofe lateinische und deutsche
Komödien aufführen. 6)
Das Münchener Seminar spielte im Jahre 1679 Chremes
nach Terenz. Von diesem Stücke sagt das Tagebuch, „es
habe so grosses Aufsehen erregt, dass es fünfmal wiedergegeben
und auch bei Hof aufgeführt werden musste, worauf der Kurfürst
den Seminaristen fünf und vierzig Gulden geschenkt habe."7)
') Geschichte des Theaters und der Musik iu Kassel von Lynker.
1865. S. 248.
2) Palm a. a. 0. S. 1'24.
3) Nach Mitteilung des Herrn Dr. K. Traut mann, aus dem Nürn-
berger Katsmanual, Jahrgang 1624, No. 7, Fol. 2SA (Sitzung vom 22. Sep-
tember 1624): „M. Sophoniae Hasenmuller Ist Zwor erlaubt mit seinen
diseipuln, Aululariam Plauti vnd Adelphos Terentij Zu agiren, doch Jn
einem Priuathaus, dabey auch befohlen hiufuro Niemand Comoedias
agirn Zu gestatten, Er kab dann Zuuor dessen erlaubnus von den Herrn
Scholarchen erlaubt." — Über die Nürnberger Schulkomödie, deren An-
fänge sich schon in den ersten Jahren des XVI. Jahrhunderts finden,
vgl. Genee, Lehr- und Wander jähre des deutschen Schauspiels, S. 124. 125.
4) Georg Audr. Will, Bibliotheca Norica oder Kritisches
Verzeichnis aller Schriften, welche die Stadt Nürnberg angehen . . .
Fünfter Band (Altdorf 1775). S. 255: „Menoechmi M. A. Plauti in
publ. theatrum produeti in incl. Nor. Acad. Alt. Panegyri XLII.
Alt. 1618 (unter 21. Scenica S. Dramatica).
5) A. E. Brachvogel, Geschichte des königl. Theaters zu Berlin.
Berlin 1877. S. 27.
6) Deutsches Bürgertum im Mittelalter von Dr. G. L. Kriegk.
•Frankf. 1868. (S. 436.) — (Vgl. auch Fichards Abhandlungen im Frankf.
Archiv, LTL 131.)
7) Stubenvoll, Geschichte des k. Erziehungsinstitutes für Stu-
dierende in München. (München, Lindauer 1874.) S. 211.
in Bunzlau, Nürnberg u. s. w. 41
Die Chronik des Hoftheatei-s zu Hannover1) berichtet: ,.Die
Lustspiele des Terentius gelangten natürlich in der Original-
sprache zur Aufführung; so im Jahre 1690 der Phormio
und der Eunuchus. Letzteres Stück wurde im Saale des
städtischen Kathauses aufgeführt, und seit der Zeit ist dieser Saal
(der nachher unter dem Namen Lotteriesaal bekannte Raum) auch
zu andern theatralischen und nichttheatralischen Schaustellungen
benützt worden. Der Konrektor der Schule war auch hier noch
immer der sachverständige Leiter des Ganzen, und die Schüler
luden den Rat der Stadt, die Lehrer und sonstige Respektsper-
sonen in eleganten lateinischen Versen zu ihren Spielen ein."
Am 11. März 1693 fand in Rudolstadt eine Aufführung
der Andria statt. Siehe bei Gottsched (II, 261): „Einladung zu
dem terentianischen Freudenspiel, Andria genannt, welches
nebst andern Instigen Aufzügen, auf des hochgb. Grafen zu Ru-
dolstadt Geburtstag den 11. Mart. auf dem dazu bereiteten Sehul-
theater nachmittags um 2 Uhr wird vorgestellet werden von M.
Job. Ernst Müllern, Conr." (Rudolstadt bei Löwen in 4°.)
Samuel Chappuzeau (1625 — 1701) wohnte manchen la-
teinischen Aufführungen bei, von denen er erzählt:2) Aussi voyons
nous qu'ils ne sont pas tous bannis de nos Colleges, oü i'ay veu
representer des ouurages de Piaute & de Ter e nee aussi bien
que de Seneque . . . Dans les premiers on ne parle que Latin . . .
mais le Latin est entendu & des Acteurs & des Spectateurs.
Diese wenigen Beispiele mögen zeigen, wie in allen Städten,
wo eine Universität, ein Lyzeum oder Gymnasium, eine Aka-
demie u. dgl. war, die Stücke der lateinischen Komiker gespielt
wurden. 3)
In seltsamer Weise hat zunächst die Andria des Terenz
eine Behandlung erfahren in dem Buche: „Terenz zum Lehr-
buch für Schauspieldichter und Schauspieler mit Donats Commen-
tar übersetzt und mit eigenen Anmerkungen begleitet." (St.
Petersburg bei Logan. 1782. Erster Band.) Der ziemlich stark
selbstbewusste Verfasser stellt in der Vorrede auch einen ähnlich ver-
ballhornten Plautus in Aussicht. Der an sich schon eigenartigen
Behandlung der Andria ('210 S.) sind Auszüge für den Dichter,
den Schauspieler u. dgl. beigegeben.
Wo wir später, ja selbst noch in unserm Jahrhundert,
antiken Komödien begegnen, werden sie zwar in deutscher
') Müller, Chronik des Hoftheaters zu Hannover. (Hann. 1876.) S. 2.
2) Le theätre Erancais par Samuel Chappuzeau, aecompagne
d'une preface et de notes par Georges Monval. (Paris 1875.) S. 27. 28.
3) Wie die Jesuiten seihst in protestantischen Städten noch spät
diese Schulstücke pflegten, s. bei J. F. Hautz. Geschichte der Universität
Heidelberg. Mannheim 1863. II, 237 ff.
42 Goethes Teilnahme an
Sprache gespielt, zielen aber auf ein gelehrtes, zum mindesten
sehr gewähltes Publikum ab. Franz Romanus (1731 — 1787)
verbreitete die „Brüder" des Terenz über die deutsche Bühne. x)
Über acht bis neun Aufführungen des terentianischen Stückes
berichtet auch J. D. Falk.-') Grüner in Darmstadt hat „das
nicht sehr gelehrige Parterre bis zu Terenz und Holberg ge-
führt." 3) Vor allem aber zeigte sich Goethes nicht ermüdende
Teilnahme für die Alten, zunächt für Plautus und Terenz, in
wiederholten Vorstellungen des Weimarischen Theaters.4) A. W.
von Schlegel berichtet hiervon:5) „Ich habe einer Vorstellung
der Brüder des Terenz ganz im antiken Kostüme in Weimar
beigewohnt, die unter Goethes Leitung einen wahrhaft attischen
Abend gewährte. " 6)
Am 24. Oktober 1801 wurden in Weimar „Die Brüder"
des Terenz in der Bearbeitung des Kammerherrn von Ein-
sie del und zwar in Masken aufgeführt:7) derselbe Kammerherr
') Vgl. Lessing, Hamburg. Dramaturgie. (96 — 101 Stück.)
'2) Kleine Abhandlungen, die Poesie u. Kunst betreffend. (Weimar,
Hoffmann 1803.) S. 114.
3) Gervinus. V, 619.
4) Dr. E. AV. Weber, Zur Geschichte des Weimarischen Theaters.
Weimar .(H. Bchlau) 1865.
5) Über dramatische Kunst und Litteratur. Siebente Vorlesung.
6) Vgl. Gervinus. V, 620.
7) Weber a. a. 0. (S. 56.) Die grosse Liebe Goethes für das Alter-
tum, dessen einfachen und geläuterten Geschmack er damals hinzustellen
und weiter zu verbreiten suchte, sowie sein Bestreben, die Schai^ieler
in ihrer Kunst zu fordern, sollten den Zuschauern, besonders dem ge-
bildeten Teile derselben, einen Begriff von dem Maskenspiel der Alten
geben und den Schauspieler dahin führen, dass er den darzustellenden
Charakter, der sich in der Maske aussprach, in seinem Spiele völlig aus-
füllte. Es war dies eine Folge von der idealen Lichtung, welche die
Bühne genommen hatte; denn die Masken, das platte Kopieren der Na-
türlichkeit hindernd, beförderten die Darstellung der idealen Wahrheit.
Auf diese Weise sollte das Spiel einen Stil gewinnen.
Dieses Stück, wie Goethe sagt, verlangte eine derbe, charakte-
ristische, sinnlich-künstliche Darstellung. Diese wurde auch zum Teil
erreicht, wenn auch nicht das erste Mal, doch nach und nach, da es in
Weimar neunmal aufgeführt wurde, und auswärts, wie in Lauchstcdt.
den Hallensern grosse Freude bereitete. Voss als Micio, ein wohlhaben-
der atheniensischer Bürger, stellte in seiner Maske einen würdigen, schon
durch äussere Züge imponierenden Alten dar und sprach die leicht-
fliessenden fünffüssigen Jamben in Ruhe und edler Haltung vortrefflich.
Demea, dessen Bruder, ein vermögender Landmann, von seinem Besitz
in die Stadt gekommen, wurde von Malkolmi in einem polternden Tone,
in einem eckigen und heftigen Wesen, welches der Stil des Ganzen for-
dert, gespielt. Seinen ältesten Sohn Aeschinus, in Pflege bei Micio, gab
Cordemann, den zweiten, Ctesiphon, spielte Haide, an dem zu sehr das
Klagende bemerkbar war, während Aeschinus etwas Keckes und Muntres
hatte. Sostrata, die Mutter der Geliebten von Aeschinus, war Madame
Teller, ihre Vertraute, Canthara, Demoiselle Malkolmi. Eine Sklavin,
Ctesiphons Geliebte, gab Demoiselle Götz, kurz und leicht, wie eine
Aufführungen des Plautus und Terenz. 43
von Einsiedel bearbeitete den Eunuchen unter dem Titel
„Die Mohrin", als welche er am 19. Februar 1803 die Bühne
betrat.1) Niemeyers Andria2) und der Heauton timorume-
nos3) folgten in kurzer Zeit.
Am 23. April 1806 wurden „die Gefangenen" des Plautus,
von Einsiedel übersetzt, gegeben und fanden reichen Beifall.4)
Bakchantin gekleidet, mit einem Schleier nach griechischer Sitte um das
Haupt ; die weiblichen Figuren waren ohne Masken. Die beiden Brüder
erschienen angezogen wie die griechischen Jünglinge auf den alten Mo-
numenten. Der Verwandte und Freund von Sostrata, Hegio, von Graff
dargestellt, bildete einen schönen Greisenkopf; er sprach mit Ruhe und
Anstand. Heftiger Natur war Geta, der Diener Sostratas, Schall; den
Sklavenhändler Sannio gab Genast; die drei Sklaven Strato, Dromo,
Parmeno wurden von Benda, Ehlers und Eilenstein gegeben. Am meisten
trat hervor Becker (vgl. ebenda S. 207) als Syrus, der Diener des Aschi-
nus, ein lustiger Bruder, pfiffig und gefrässig, mit Hängebacken. Das
Stück Hess alle die kalt, die den Terenz nicht kannten. Masken und
Costüms sind in der Ausgabe von Einsiedel angegeben.
') Weber a. a. 0. (S. 80.) Es konnte nur umgeändert auf die
Bühne kommen; Karl August verlangte es, (S. Briefwechsel zwischen
Goethe und Schiller No. 884. Düntzers Erläuterungen S. "259 unten.)
„da es mit unsern Gewohnheiten und Begriffen zu sehr iu Widerspruch
stehe," und Einsiedel, darauf eingehend, änderte mit Mühe, wie er sich
ausdrückt, bis „die Mohrensklavin ganz weiss gewaschen war". Aber
trotz der Veränderungen wollte es nicht recht gefallen, und doch thaten
die Schauspieler ihr Möglichstes. Malkolmi gab den Laches, einen Alten,
Cordemann den ältesten Sohn desselben, Phädria, den Liebhaber der
Thais, welche Mad. Miller (Amalie Malkolmi) darstellte, Unzelmann den
Chärea, den jüngsten Sohn; Haide als Thraso, ein reicher Kriegsmann,
Nebenbuhler des Phädria, und Becker als Gnatho, des Kriegsniannes
Schmarotzer, erhielten ausgezeichneten Beifall. Parmeno, der Vertraute
beider Söhne, wurde von Ehlers mit grosser Gewandtheit gegeben. Auf
seinen Anschlag kommt Chärea als Mohrensklavin verkleidet in das Haus
der Thais und spinnt dort mit der Pamphila, welche Demoiselle Götz
darstellte, einer Mohrensklavin, ein Liebesverhältnis an, erhält sie dann
zum Weib, da sie die Schwester des Chremes, eines jungen Mannes von
edler Abkunft ist und als eine Bürgerstochter angesehen wird. In Lauch-
stedt wurde die Mohrin den 25. Juli gegeben.
2) Weber a. a. 0. Zu diesem terenzischen Stücke kam den 6. Juni
1803 Niemeyers (Ed. Genast, 1. Teil, 142, teilt diese Bearbeitung dem
Kammerherrn von Einsiedel zu; nach dem Briefwechsel hatte Niemeyer
in Halle die Fremde aus Andros für die Weimarische Bühne bearbeitet.
Briefwechsel No. 903. Düntzers Erläuterungen S. 245 unten, 253 u. 2G1)
Schauspiel in fünf Aufzügen „Die Fremde aus Andros" als Bearbeitung
der Andria des Terenz, welche auch bald darauf, den 23. Juni in Lauch-
stedt und den 7. September in Rudolstadt, gegeben ward, ohne Beifall
zu erlangen; in Weimar kam sie noch zweimal vor. (VgL.Gervinus V,619.)
3) Weber a. a. 0. Auch der Heauton timorumenos oder der Selbst-
peiniger, ein Lustspiel in fünf Aufzügen, wurde in Weimar später ge-
geben. Becker spielte in der Freunden aus Andros den Davus und in
dem Selbstpeiniger den Syrus meisterhaft. Dieser kam auch iu Lauch-
stedt auf die Bühne und in Weimar noch zweimal. Aber keines von
diesen Stücken erhielt die Geltung als das, was zuerst von den teren-
zischen auf die Bühne kam, die Brüder.
4) Ebenda. S. 168.
44 Neueste Plautusaufführung
Am "20. April 1807 erschien, gleichfalls in Einsiedeis Bearbei-
tung, „Das Gespenst1' des Plautus; es „gefiel aber wenig und
verschwand wieder."1) Am (3. Juni 1807 gab die Weimarer Truppe
in Leipzig „Die Brüder" in Masken; sie „gefielen aber nicht so
wie trüber in Lauchstedt, den Hallensern, den Studenten und
Professoren. " - 1
Am 9. April 1866 erprobten die Adelphi (in Einsiedeis
Bearbeitung) als Festvorstellung für die Philologenversammlung
ihre dramatische Kraft an der Münchner Hofbühne, und noch in
unsern Tagen finden in Meppen regelmässige Aufführungen der
Komödien des Terenz und einiger des Plautus statt,3) was
Kobert E. Prutz missbilligte.4)
Von einer lateinischen Aufführung des plautinischen Tri-
nummus durch Universitätsstudenten zu Berlin am 17. Februar
1859 im Konzertsaale des kgl. Schauspielhauses unter Leitung des
um Plautus hochverdienten Professors Geppert berichtet Koch:')
„Das sehr zahlreiche, aus der Elite der gebildeten männlichen Be-
völkerung zusammengesetzte Publikum folgte der in fast allen
Teilen höchst gelungenen Darstellung mit gespanntester Auf-
merksamkeit und äusserte vielfach seine Zufriedenheit: nament-
lich erweckten die Figuren des Sklaven und Sykophanten viel
Interesse. "
Dem Vorbilde der Berliner Studenten folgten sogar ameri-
kanische Damen. Die Ladies' Literary Society of Wa-
shington University in St. Louis führte am 23. Mai 1884
den Rudens des Plautus in lateinischer Sprache in Memo-
rial Hall auf,6) wobei auch englische Übersetzungen ausgegeben
>) Weber a. a. 0. S. 179.
-) Ebenda. S. 193.
3) Francke a. a. 0. S. 32. — Jährest) er icbt über das Gymnasium
31 eppen 1870.
') Vorlesungen über die Gesctffbhte des deutschen Theaters (Ber-
lin 1847), S. 121: „Ja. und was spreche ich von der Vergangenheit?! da
ja in diesen allerjüngsten Tagen, in dem Augenblick beinahe, da ich
dies ausspreche, iu der berühmten Metropole deutscher Bildung, zu an-
dern! Schutt und (Irans, den man hier ausgräbt, auch die akademischen
Aufführungen des Terenz, des Plautus u. s. w. in der That ausgegraben
w orden sind."
5) Schob priv. S. 86.
'■) Die Notiz verdanke ich der freundlichen Mitteilung des Profes-
sors der romanischen Sprachen der Johns Hopkins University zu Balti-
more, Herrn A. M. Elliot. Den mir zur Verfügung gestellten Zeitungs-
ausschnitten zufolge galt die Aufführung als Ereignis. Alle Bollen
wurden von Damen gespielt: (Daemones — M. Jennie Henderson;
Plesidippus — M. Lizzie Carr; Labrax — M. Ella Smith; Charmides —
M. Mary Ittner; Palaestra — M. Anna Chandler (auch als Arctu-
rus): Ampelisca — M. Callie Curtis: Grripus — M. Delpha Dowler;
Trachalio — M. Katie Arner.) Der Post-Dispatch betitelt seinen
eilenden Artikel: A strong success — the large audience delighted
von amerikanischen Damen. 45
wurden.1) — Auf diese Weise beschäftigten sich Jahrhunderte damit,
die alten Komiker auf die Bühne zu bringen. Bei dem lebhaften
Interesse, das man dem römischen Lustspiele entgegen-
brachte, ist es selbstverständlich, dass man nicht bei
der blossen Aufführung und Übersetzung stehen blieb;
man ahmte es vielmehr überall nach, teils zu blossen
Schulzwecken, teils auch, um wirklich neue Dich-
tungen zu schaffen; und wenn nun auch zugestanden werden
muss, dass an Stelle dieser Verskünsteleien Dichtungen in der
Muttersprache von ungleich höherem Werte gewesen wären, so ist
doch unbestreitbar, dass diese Imitationen wenigstens auf die
Form von sehr günstigem Einflüsse waren,-) oft auch den
ganzen Charakter des Stückes bestimmten. 3) ..Erst seit der
— English accentuation — Costums and details almost perfect — The
actors in love with their work — A pleasing surprising; und beginnt:
„The great success which attended the presentation of Plautus' comedy,
.Rudens', last night at the Memorial Hall indicates beyond doubt that
there is to be a renaissance of the Latin drama, and that St. Louis is
to be its chief theater. The talent is here, the culture is here, and the
interest is here, and nothing more is necessary to an assurance that
here after the Latin drama will be a principal among the inany forrns
of intellectual recreation which the more scholarly. of St. Louisians in-
dulge in." Auch der Eepublican spricht von einem „success hardly
anticipated by the projectors of the idea" und glaubt „The play will
undoubtedly give the classics a boom when they are presented in all
their beauty by such an array of beauty as graced the stage at Memo-
rial Hall". Gerne aber glauben wir dem Globe-Democrate: „Only a
small number of the audience could understand the lines." Doch aber
findet er: „Some of the Latin phrases were very pretty and had a deci-
dedly musical ring to even those unfarniliar with the beauties of that
tongue." — ■ Die Szene war für das ganze Stück die Seeküste mit dem
Altar der Venus. Prof. Jackson war derjenige, welcher mit den Damen
das Stück einstudierte.
J) Rudens : A Comedy. As represented in the original Latin, by the
Ladies' Literary Society of Washington University, May, 23, 1884. Trans-
lated by Members of the Society. St. Louis: Nixon -Jones Printing Co.
1884. (44 Seiten.) Der Prolog ist in ungereimten Versen, das Stück
in Prosa.
2) Jundt a. a. 0. S. 5. „Akte, Prolog, Epilog waren von den Rö-
mern" (u. S. 57). — E. Riedel, Schuldrama u. Theater. (Hamb. Voss 1885.)
3) Jundt, a. a. 0., giebt Beispiele dieses Einflusses. (S. 54.) Der
Messias in der Krippe des Georg Calaminus hat die Diener Dromo,
Congrio, Philergus, Syrus, Soscia, Parmeno . . . nach Plautus
und Terenz. (S. 5(5.) Einen echt römischen Charakter tragen an sicli dir
drei Komödien Anabion sive Lazarus redivivus (1541) des Joh. Sapidus
(Witz) (1520— 1526 Rektor in Schlettstatt, gest. 1561); Nabal des Ru.l.
Walther (1562) und Plagrum, der Prinzenraub von Dan. Cramer (1605).
— Eine jede beginnt mit einem Prolog nach plautinisch-terenzischer
Art. Im Lazarus ist der Prolog eine Verteidigungsrede des Dichters
wider seine mürrischen Gegner, wie dies durchgängig auch der Fall ist:
in den beiden andern Stücken hat er einen mein' plautinischen Zuschnitt
und besteht aus einer spasshai'ten Ansprache an das Publikum . . . Der
Prolog zum Nabal steht mit dem der Captivi in Beziehung u. s. w. —
46 Lateinische Schulkoniödien.
Übersetzung des Terenz,-' sagt Gervinus,1) „treffen wir in
Deutschland ordentlich in Akte und Szenen abgeteilte Stücke. " 2)
Lebhaft war die Beteiligung der Gelehrten an diesen
Schulkomödien. Konrad Celtis (geb. 1. Febr. 1459, gest.
1508) 3) dichtete solche lateinische Stücke;4) berühmt geworden
sind Reuchlins progymnasmata scenica (z. B. Sergius, Henno),
von denen Gottsched5) ausführlich handelt. In wie hohen
Ehren Reue hl in ob seiner Dichtungen stand, bezeugt die Pane-
gyris des Jacobi Dracontii Praemonstratensis, in welcher es heisst:
Primus adest Reuchlin nostris & solus in orbe,
Qui parat ad theatruni iam nova plectra novum.
Demissum superis nobis hunc censeo Vatem
Quo comicam stupida coepimus aure lyrani,
Dictam Caecilii dignam Plautive Cothurno.
Schon vor und mit Reuchlin hatten Schulen und Universi-
täten lateinische Stücke aufgeführt;6) später folgten Jakob
Locher, genannt Philomusus7) (De sene amatore, filio corrupto
et dotata muliere8); de Turcis et Suldano; de iudicio Paridis),
H. Bebel, Hegendorf, Melanthon, Nikol. Frischlin u. v. a.,
die einen grossen Einfluss auf die deutschen Dramen ausübten.9)
Einzelne Stücke, z. B. des bereits genannten Schon aeus
Tobaeus, wurden auch wieder ins Deutsche übersetzt: Tobaeus,
das ist eine schöne nützliche vnd biblische Comödia von dem
heiligen und Gottfürchtigen Mann Tobaeo: Erstlich Terentiano
Stylo lateinisch beschrieben, durch Cornelum Schon aeum Gou-
Man vergleiche auch des Joan. Burmeister Plauti renati s. sacri Mater
virgo (1621) als Beweis dieses Einflusses.
!) Gesch. d. d. L. II, 604.
2) Wie sehr die römische Komödie in der Form die Schulkomödie
beinflusste, zeigt unter anderm auch das von Seuffert (Schnorrs Archiv,
Tm. Bd. (1878 79), S. 361—393) veröffentlichte Jesuiteudrama Genovefa
(1673). Seuffert vergleicht u. a. mit Becht z. B. V. 420: Et ecce Prin-
ceps ipse prodit, alloqmar, mit Amphitruo V. 881, nunc hanc allo-
quar, das auf die nächste Szene überleitende Schlusswort alloquar.
(S. 362.)
3) C. Zell, De vita et scriptis Conradi Celtis. Friburgi 1827. —
Aschbach, Geschichte der Wiener Universität. (Wien 1877.) II, 189.
4) R. v. Raum er, Geschichte der germanischen Philologie, vor-
zugsweise in Deutschland. (München 1870.) S. 14.
5) Nöth. Vorr. 14, 142—166, wo auch Reuchlins Henno (1498),
den Hans Sachs deutsch gab, abgedruckt sich findet. — ■ Vgl. Johann
Reuchlin. sein Leben und seine Werke von Dr. Ludwig Geiger.
Lpz. 1871. S. 78-92.
6) Vgl. oben S. 35: Boioarii comoediae u. s. w.
') Zapf, Jakob Locher, genannt Philomusus. Nürnberg 1803. —
Allgemeine deutsche Biographie 1884. (S. 59—63, Heft 91.)
8) Siehe unter Asinaria. — Gottsched, Nöth. Vorr. II, 170.
3) Siehe Palm a. a. 0. S. 51. 52.
Lateinische Schulkornödien. 47
daimm, Gymnasiarcham scholae Harlemensis, jetzo aber in Teutsche
Rhytlimos vertiert und mit wenigen vermehrt durch den Edlen
vnd Ehrenuesten Bartliold von Gadensted. (Gedr. durch Joh.
In verl. Ambr. Kirchners 1605 in 80.)1)
Einige dieser lateinischen Dichter gelangten zu hoher Aner-
kennung. Wimpfelings (geb. 27. Juli 1450, gest. 17. Nov.
1528) „Stilpho" ist allbekannt;2) es ist eine Nachahmung des
Terenz. 3)
Ein gefeierter Imitator der Alten war Christoph Hegen-
dorf, dessen 1520 erschienene Comoedia nova Christophori
Hegend orffini salibus non omnino insulsis refertissima Lipsiae
non raro in doctissimorum virorum corona acta, obwohl sie in
Prosa geschrieben ist, nach Gottsched4) „eine starke Nachah-
mung des Terenz" ist; „ja sogar die Fabel ist der Hecyra
dieses Dichters gewissermassen ähnlich."
Von nicht minderem Einflüsse war Paul Rebhun. Er ver-
fasste u. a. im Jahre 1545 „Latine dicendi formulae ad infor-
mandam puerilem linguam ex Terentio collectae per Paulum
Perdicem, die aber erst 1580 in Görlitz gedruckt wurden.5)
Sein Hauptverdienst bestand zunächst darin, dass er auf Wechsel
des Metrums drang, „wobei ihn nicht bloss sein richtiges Gefühl,
sondern auch das Vorbild der wechselnden Metra des Plautus
und Terenz leiteten."6)
In Strassburg erreichte die lateinische Schulkomödie ihren
Höhepunkt. Hier war Terenz, Plautus und die Griechen
ständig.7) „Die ältesten theatralischen Darstellungen (zu Strass-
burg) im sechszehnten Jahrhundert waren nichts anderes als
akademische Spiele, historische, geistliche oder Gelegenheitsstücke
und griechische oder lateinische Komödien aus den Klassikern.
Die Vorstellungen fanden viele Jahre lang unter freiem Himmel
auf dem sogenannten Grasboden vor dem Gymnasium oder dem
Wilhelmitanerkloster statt unter den Benennungen dramata thea-
tralia, actiones comicae oder tragicae, comoediae academicae. Es
befindet sich auf der Stadtbibliothek eine Sammlung: von mehreren
1) Gottsched, Nöth. Vorr. I, 157.
2) Stilpho Jacobi Vymphelingii Sletstadini. 1495. — Ch. Schmidt.
Histoire litteraire de l'Alsace ä la fin du XVe et au commencement du
XVIe siecle. 2 voll. (Paris 1879.) I, 168.
3) P. v. Wiskowatoff, Jakob Wimpfeling. Berlin 1867. — Schuorrs
Archiv. VII. (1878.) S. 157—163. Jakob Wimpfelings Stylpho von
Gödeke, ebenda S. 164 — 176. — Jakob Wimpfeling als deutscher
Schriftsteller. (Vgl. auch II. 321—389.) - Schröder, Das Wiederauf-
blüheu der klass. Studien. Halle 1864. S. 88—97.
'•) Nöth. Vorr. II, 174.
5) Palm a. a. 0. S. 88.
6) Ebenda. S. 95.
7) Jundt a. a. O. S. 17.
48 Die alten Komiker in Italien.
Bänden solcher Theaterstücke, die zu Strassburg herauskamen
und gespielt wurden.-'1)
Auch der lateinische Lyriker Jacobus Bälde (1603 — 1668)
hat Lustspiele im Stile des Plautus und Terenz verfasst,
die zwar nicht auf uns gekommen sind, vom Dichter jedoch er-
wähnt werden. 2)
Der Lehrer Franz L, Quinziano Stoa, Arerfasste vierzehn
Tragödien weltlichen Inhalts in klassischer Form und lateinischer
Sprache. 3) Obwohl diese lateinischen Spiele von den deutschen
Hochschulen ihren Ausgang genommen zu haben scheinen, 4) lin-
den Avir sie doch bei allen Völkern mit humanistischen Stu-
dien. Wie in Italien und Frankreich, so spielte man auch in
England an den Akademien lateinische Stücke. War ton5) be-
merkt: At length our universities adopted the representation of
plays, in which the scholars by frequent exercice had undoubtely
attained a considerable degree of skill and address. So waren
besonders die Schüler des St. John College in Oxford wegen
ihrer lateinischen Kenntnisse berühmt.6)
Überblicken wir den Gang, Avelchen die Nachahmungen und
die Bearbeitungen der plautinischen und terentianischen Komö-
dien bei den verschiedenen Kulturvölkern genommen haben, so
ist es billig, bei Italien zu beginnen. Hingen doch die Italiener
der klassischen Sprache7) und Litteratur mit gänzlich anderen,
') J. F. Lob stein, Beiträge zur Geschichte der Musik im Elsass
und besonders in Strassburg. (Strassb. 1840.)
2) G. Westermayer, Jakobus Bälde, sein Leben und seine Werke.
München (Lindauer) 1868. S. 239.
3) Prölss. II, 1. S. 15.
4) Ernest Boysse (le theätre des jesuites, Paris 1880) sagt S. 11:
La tragedie latine n'apparait qu'au commencement du XVIe siecle. Si
l'on juge par la date de Pimpression des recueils, c'est dans les uni-
versites d'Allemagne qu'elle se montre d'abord. — Vgl. Mon-
taigne, Essais I, 25.
5) Hist. of Engl. litt. III, 305.
c) Ebenda. IV, 249.
7) Storia della litteratura italiana di Adolfo Bartoli (Firenze,
Sansoni 1880). III. vol. pag. 7: II latino si considerava in Italia come
in casa sua propria ; . . . il latino era per gl' Italiani lingua nazionale, e
per conseguenza erasi come legato non all' uso soltanto, ma al senti-
mento degl' Italiani; c' era questo gran fatto che scrivendo latiuo, i nostri
padri si ricordavano di essere stati i padroni del mondo, e quindi ama-
vano quella lingua perche la sentivano come cosa che faceva parte della
loro vita nazionale e non sapevano distaccarsene; ed avendo pure oramai
smarrita tutta o gran parte della civiltä che era da quella lingua rap-
presentata, si afferravano alle parole, si tenevano strettamente abbrac-
ciati ail im poATero segno, senza accorgersi ch' esso era vuoto,, e che 1' idea
che giä rap]n'esentaA-a era irrevocabilmeute fuggita dalla terra italiana.
Die alten Komiker in Italien. 49
ungleich wärmeren Gefühlen an, als alle übrigen Nationen. Denn
sie sahen in ihrer Litteratur nichts anderes, als die Weiterent-
wicklung der altklassischen. Sie hatten zu einer gewissen
Zeit wenig Auswahl, und so griff man zum Klassischen.1)
In richtiger Weise deutet auch Räumer-) darauf hin.:«
„Schon oft hat man auf eine wesentliche Verschiedenheit
zwischen der Wiederbelebung des klassischen Altertums in Italien
und in Deutschland hingewiesen. Man fand diese Verschieden-
heit mit Recht darin, dass sich in Deutschland mit der Wieder-
belebung des klassischen Altertums die Richtung auf das vollere
Verständnis und die unmittelbare Aneignung der Bibel und auf
die Erneuerung der Kirche verband, während in Italien das
biblisch-christliche Element den meisten Vertretern des Humanis-
mus sehr fern liegt und nur in ganz vereinzeinten Erscheinungen
zu Tage tritt. Neben diesem schon oft besprochenen Unterschied
aber giebt es einen zweiten," der bisher noch nicht genug hervor-
gehoben worden ist. Als die antiken Klassiker im vier-
zehnten und fünfzehnten Jahrhundert in Italien ihre
Auferstehung feierten, betrachteten sich die Italiener
als die geraden Nachkommen der alten Römer. Sie
sahen die Werke der grossen Alten als einen Teil ihrer
eigenen Litteratur an, der nur durch die Ungunst der
Zeiten in Vergessenheit geraten war, und behandelten
die Thaten der antiken Römer als die ruhmreichste
Seite ihrer eigenen Geschichte."
Ihre Nachahmung der Alten schloss sich darum unmittel-
bar an diese an. Sie „gingen in dieser Gattung", wie
Schlegel3) sagt, „anfangs von einer nicht genugsam auf den
Unterschied der Zeiten und Sitten Rücksicht nehmenden Nach-
ahmung der Alten aus."
Leicht erklärt sich aus dem allgemeinen Zustande Europas,
zur Zeit der Renaissance, die ungeheuere Begeisterung für die
alte Welt. Guizot4) äussert sich treffend hierüber: „L'antiquite
etait, il en faut convenir, sous le rapport politique, philosophique,
litteraire tres-superieure ä l'Europe des XIVe et XVe siecles. II
n'est pas donc etonnant qu'elle ait exerce un si grand empire. "
Italien schritt in seiner Begeisterung für das Altertum
dem übrigen Europa voran. Hier „begann man schon frühe
die alten Tragödien, besondei'S die des Seneka, daneben die
') F. Gregorovius, Lucrezia Borgia. Nach Urkunden und Korre-
spondenzen ihrer eigenen Zeit. (Stuttgart 1874.) 2. Bd. I, 232.
2) Gesch. der germ. Philol. S. 5.
3) Über dram. Kunst u. Litt, (Achte Vorlesung.)
'■) Histoire generale de la civilisation eu Europe par M. Guizot,
Bruxelles. Onzieme lecon. p. 277.
4
50 Ercole I. von Ferrara.
Lustspiele des Plautus und Terenz in der Ursprache aufzu-
führen, bald auch zu übersetzen und nachzubilden. Nur langsam
drang' diese Sitte nach Frankreich vor. Populär konnte diese
Dramendichtung nicht werden; dem grossen Publikum war sie
•unverständlich, und die Aufführung dieser mehr oder weniger
ängstlich den antiken Vorbildern sich anschliessenden Werke blieb
auf Hoffeste oder auf Schulen und Universitäten beschränkt. " l)
Von Italien her kam der Impuls zu Aufführungen
des Terenz.2) In Rom wurden die lateinischen Komiker zuerst
gespielt.3) Am thätigsten für sie war Pomponius Latus,4) und
die Päpste sahen gerne diesen Vorstellungen zu. 5)
Hervorragende Verdienste um Plautus hat sich besonders
Ercole I. von Ferrara erworben.6) Ihm lag unendlich viel
daran, diese Aufführungen in seiner Residenz mit gleichem Glänze
zu sehen, wie sie in Rom stattfanden. Er reiste mit seinem
ganzen Gefolge nach Mailand,7) um den Aufführungen des
dortigen Hofes beizuwohnen und sich ein Bild derselben machen
zu können.
Er führte am 25. Januar 1486 in seinem neuen Theater die
x) Geschichte der französischen Litteratur im XVII. Jahrhundert
von Ferdinand Lotheisse n. (Wien 1877.) I, 263.
*) Francke a. a. 0. S. 19. — Ruth. II, 498 ff.
3) „Primorum antistitum atriis pro theatris usus, in quibus Plauti,
Terentii, recentiorum etiam quaedam agerentur fabulae." Marcantonio
Sabellico im Leben des Pomponio Leto. — Vgl. Storia della lette-
ratura italiana del Cav. Abate Girolamo Tiraboschi. Nuova edi-
zione. Firenze (Molini, Landi e Co.) 1809. Tomo VI. Parte III. pag. 872.
4) Vgl. The Life and Pontificate of Leo the Tenth in four volumes
by William Roscoe (Liverpool 1805). I, 47. 48.
5) Muratori, Scriptor. Rerum Italicar. Bd. III. p. 2. fol. 1143.
6) Roscoe a. a. 0. I, 79. By Ercole ... a süperb theatre was
erected for the representation of dramatic Performances, in which the
first piece acted was the Menaechmus of Plautus, which is said to have
been translated into Italian for that purpose by the duke himself. —
Über Ercole belichtet Gregorovius (Lucrezia Borgia I, 229): „Er war
einer der leidenschaftlichsten Begründer des Renaissancetheaters. Er
hatte schon viele Jahre zuvor von Dichtern an seinem Hofe Stücke
des Plautus und Terenz in terza rima übersetzen und dann auf-
führen lassen. Guarino, Berrardo, Collenuccio, selbst Bojardo,
haben für ihn zu diesem Zwecke gearbeitet. Schon im Jahre 1486 waren
die Menächmi, das beliebteste Stück des Plautus, in einer italieni-
schen Umarbeitung zu Ferrara aufgeführt worden. Im Februar 1491
(vom 13. an), wo Ercole die glänzenden Feste der Vermählung seines
Sohnes Alfonso mit Anna Sforza gefeiert hatte, waren dieselben
Menächmen dargestellt, dann an den folgenden Tagen eine Komödie
des Terenz und der Amphitruo gegeben, welche Collenuccio für
die Bühne eingerichtet hatte." (Vgl. Klein, Gesch. des Dr. IV, 250.)
7) Ludwig der Mohr liess in Mailand viele übersetzte alte Stücke
aufführen.
Collenuccio u. a. 51
Menaeclimi, die er selbst übersetzt baben soll, auf,1) wofür er
tausend Dukaten aufwendete.2) Am 22. Mai 1493 wurden sie in
Gegenwart des Schwiegersohnes Ercole I., des Lodovico il
Moro, zum drittenmale aufgeführt. Dem Amj)bitruo begegnen
wir gleichfalls öfter; so am 26. Januar 1487 und am 12. Februar-
1491 in der Bearbeitung des Pandolfo Collenuccio.3) Ebenso
arbeiteten Niccolö da Correggio und Battista Guarino an
Übersetzungen plautinischer Stücke.
Ein Epigramm des Battista Guarino (aus dem Jahre 1496),
auf die ludi scenici Ducis Herculis, in quibus Plauti fabula Me-
nechmi acta fuit, rühmt von Ercole I. :
Plautini manes, numeri gaudete, salesque,
Cum simili exulta fratre Menechme tuo.
Quae fuerit Latus olim celebrata in theatris,
Herculea vobis scena revixit ope.
Die Vorliebe des Vaters für die antiken Komödien vererbte
sich auf seinen Sohn Alfonso I., auf dessen Befehl Celio Cal-
cagnio den Miles gloriosus übersetzte.4) Auf diese Weise ist
Ferraras Bedeutung für die Pflege des altklassischen Lustspieles
von hoher Bedeutung geworden,5) und Muratori6) berichtet an
verschiedenen Stellen7) über solche Aufführungen in Ferrara. 8)
„Als 1543 der Papst Paul III. Ferrara besuchte, mussten
die jungen Familienglieder des Herzogs (Alfonso von Este), unter
') II Duca Ercole da Este fece fare una festa in suo cortile ; fu una
facecia diPlauto, che si chiamava il Menechio. (Muratori, Script, rer.
Ital. Toino XXIV, pag. 278.) — PrÖlss. I, 2. 92.
2) Nap. Signorelli, Storia critica. HI, 71. — Tiraboschi. VI, 895.
— Apostolo Zeno lett. V. (2. ed.) p. 362. — Ruth. II, 116. — Über wei-
tere fünf Stücke desPlautus, welche Ercole aufführen Hess, s. Gre-
gorovius a. a. 0. I, 259 u. Ruth a. a. 0.
3) Siehe über den im Juli 1504 erfolgten Tod des Collenuccio
bei Giulio Perticari. Op. Bol. 1839. Bd. H. (Intorno la morte di Pan-
dolfo Collenuccio) uud über den Hergang bei Gregorovius (a. a. 0. I, 269).
4) Argelati, Bibl. dei volgarizzatori. IV, 360. Auch Ariosto über-
setzte auf Befehl des Herzogs plautinische und terentianische Stücke, die
alle bis auf den Namen verloren sind. Giraldi nennt die Andria und
den Eunuchen, Prospero den Phorrnio. (Prölss. I, 2. 107.)
5) Leop. v. Ranke, Die römischen Päpste, ihre Kirche, ihr Staat
im 16. und 17. Jahrhundert. 5. Aufl. Lpz. 1867. H, 258.
6) Script, rerum Italicarum. Mediolani 1738.
7) Bd. 8. 15. 18. 24.
8) Z. B. XXIV, 283. (1493.) Marti. Si fece im' altra Festa di Me-
nechmio & li furono tutti li predicti Signori. — XXIV, 278 (1487) addi
XXI di Zenaro. II Duca Hercole fece fare una Festa in lo Cortile con
uno Tribunale che parea uno Castello, che tenea da uno muro all' altro,
& fu una facezia di Plauto chiamata Cefalo, la quäle fu bella & di
grande spesa. — Vergl. jedoch über diese Cefalo des Niccolö da Cor-
reggio, die kein Stück des Plautus, sondern ein Pastoral ist, Tira-
boschi. VI, 848.
52 Poliziauo. P. Leto.
ihnen seine drei Töchter, in Verbindung mit der sechszehnjährigen
Olympia Morato, der klassisch gebildeten Tochter des Fulvio
Peregrino Morato, eine lateinische Komödie, die Adelphi des
Terenz,1) zum besten geben. — Auf Befehl des Kardinals
Hippolyt des Jüngern, welcher die prächtige Villa d'Este in
Tivoli erbauen Hess, wurde der Phormio des Terenz, zur Er-
heiterung jenes kunstsinnigen Herren, von vornehmen Jünglingen
aufgeführt. Julius Pogianu's dirigierte diese Aufführung und
schrieb einen Prolog dazu. " 2)
Allmählich versank Ferraras Glanz. Ein alter Diener, dessen
handschriftliche Chronik vorliegt, jammert in wehmütigen Worten:
Sic transit gloria mundi!3) Allein die Teilnahme an den rö-
mischen Komikern nahm darum nicht ab. Die zeitgenössischen
Schriftsteller widmeten den Alten eine besondere Aufmerksamkeit.
Angelo Poliziano begleitete eine im Mai 1488 erfolgte Me-
li ä c h m e n aufführung mit einem Prologe.4) Der Hof zu Man tu a
förderte das antike Drama mit aller Hingabe, und in Rom, wo
„die Geistlichkeit seit Sixtus IV. die Studien des Altertums fast
ganz an sich gerissen hatte,"5) fand es eine Stätte. Pomponio
Leto und seine Schüler — die Pompomancii — pflegten dasselbe
dort vor allem. 6) Mit besonderer Pracht wurde der erste Tag-
des neuen Jahres 1502 in Rom gefeiert. Am 2. Januar war ein
Stiergefecht auf dem St. Petersplatze; am Abend spielte man die
Menächmen des Plautus. Über diese Aufführung schreiben
Pozzi und Saraceni an den Herzog Herkules von Rom aus:
„Questa nocte in la Camera de Nostro Signore7) e stata recitata
la comedia del Menechino et con bona di quellui ch'havea la
persona del servo, et del parasito, et similmente del scorto, et de
la dona de Menechino, ma li menechini non dixero con multa
gratia, erano senza maschare, et non gli era scena alcuna: perche
la Camera non era capace: et in quello loco dove Menechino fu
preso per ordine del socero credendo chel fosse impacito cridando
che li fosse facto violentia, dixe essere maraviglia che se usasseno
tale violentie, sospite Cesare, Jove propitio, et votivo Hercule."8)
Es Avar also keine Szene da, wohl aber wenige Einlagen, und
') Francke a. a. 0. S. 19. — Dr. Karl Schmidt, Geschichte der
Pädagogik. 2. Aufl. von Dr. Wichard Lange. (Cöthen 1869.) II, 175.
2) Koch, Schob priv. S. 59. Dieser Prolog steht ebenda S. 83.
3) Ranke a. a. 0. II, 277.
4) Prölss. I, 2. S. 68. — Vgl. Dr. H. Alt, Theater und Kirche
in ihrem gegenseitigen Verhältnis historisch dargestellt. (Berlin 1846.)
S. 522 eine. Menächmen aufführuug in Este.
Prölss. I, 2. S. 91.
Burckhardt, Die Kultur der Renaissance. S. 277.
'•) Also im Gemache des Papstes selbst.
s) Gregorovius a. a. 0. I, 199. 200. 201. II, 97 (Beilagen).
Leo X. Cherea. 53
man sieht, dass es den Gästen, die an Ferraras Prunk gewöhnt
waren, nicht eben gefiel.
Papst Leo X., dessen ausgesprochener Wunsch seinem
Biographen Jovins gemäss war, „ut lingua latina nostro pontifi-
catn dicatur facta auctior, " ') that viel für die alten Komödien
und pflegte sie mit besonderer Vorliebe, da er ja selber ein
grosser Kenner der klassischen Litteratur war2) und am Theater
viel Vergnügen fand.3) „Leo X.," berichtet War ton,4) „de-
scended so far from bis apostolical dignity as to be a spectator
of the Poenulus of Plautus, which was performed in a tempo-
rary theatre in the court of the Capitol by the flower of the
Roman yonth, with the addition of the most costly decorations. " 5)
Dass man seit etwa 1520 aufgehört hatte, in Rom Plautus
und Terenz — denn auch dieser wurde dort eifrig gespielt6) —
aufzuführen, zählt Jovius mit unter die Ursachen des Verfalles
der Eloquenz. Wehmütig klagt er: „Die Aufführungen des Plau-
tus und Terenz, einst eine Übungsschule des lateinischen Aus-
drucks für die vornehmen Römer, sind durch die italienischen
Komödien verdrängt!" 7)
Wie beliebt diese Darstellungen der antiken Stücke waren,
zeigt der Umstand, dass der von einigen8) als Erfinder der
commedia deH'arte genannte Francesco Cherea, ein von Leo X.
besonders geschätzter Komiker, den Namen Terenziano Cherea
trug, weil er den gleichnamigen Charakter des jungen Chaerea
(im Eunuchus) so trefflich darstellte.9) Derselbe spielte auch im
Jahre 1508 den Menächmus. l0) Es waren also schon ziemlich
frühe nicht mehr bloss Hofkavaliere, sondern Berufsschauspieler,
welche sich mit der Aufführung antiker Dramen beschäftigten,
die in italienischen Übersetzungen gespielt wurden. So bedauert
Herzog Herkules in einem Briefe an Franz von Gonzaga (vom
5. Februar 1496), ihm die Kopien der plaxitinischen und terenti-
') Burckhardt, Die Kultur der Renaissance. S. 250.
2) Vgl. Ranke a. a. 0. I, 64 u. 71. — Dr. Heinr. Leo, Geschichte
der italienischen Staaten. (Hamb. 1832.) V. Band. S. 307.
3) W. E. Hart pole Lecky, Geschichte des Ursprungs und Ein-
flusses der Aufklärung in Europa. Deutsch von Dr. H. Jolowicz 1868.
IL Bd. S. 251.
^) History of Engl, litt, DJ, 326.
5) It was in 1513 on occasion of Juliano de Medicis, Leo's brother,
being made free of Ronie. P. Jovius, Vita Leonis X. Lib. LTI, p. 145.
°) Dr. W. Wachsmuth, Allgemeine Kulturgeschichte. Lpz. 1851 52.
H. Bd. S. 393.
■) Burckhardt a. a. O. S. 236. 251.
8) Franc. Sansovino, Venetia. Ven. 1581, p. 168. — Quadrio DU,
part. LT, p. 235.
9) Klein a. a. 0. IV, 903. — Ruth. II, 491.
10) Prölss a. a. ü. I, 2. 209.
54 Keaktion gegen die Alten.
anischen Stücke nicht schicken zu können, weil die Schauspieler
sie zerstreut hätten. ')
Es fehlte darum nicht an solchen, welche sich den klassischen
Komödien gegenüber feindlich verhielten. Antonio Francesco
Grazzini, genannt Lasca, der Plotzfisch (1503 — 1583), pole-
misiert gegen dieselben. Er findet, dass die Darstellungen der
Antike unsern Sitten und Anschauungen zuwiderlaufen;2) so be-
sonders im Prolog zu seinem Lustspiele la Strega. 3) Dort
äussert sich der Argomen to dem Prologo gegenüber: „Aristo-
tile, e Oratio uiddero i tempi loro, ma i nostri sono d' un' altra
maniera, habbiamo altri costumi, altra religione, e altro modo
di uiuere; e perö bisogna fare le Comedie in altro modo: In
Firenze non si uiue, come si uiueua gia in Atene, e in Roma;
non ci sono schiavi, non ci usano figliuoli adottiui, non ci uengono
i Ruffiani a uender le fanciulle, ne i Soldati dal di d' hoggi, ne i
sacchi delle Cittä, ö de i Castelli pigliano piu le bambine in fascia,
e alleuandole per lor figliole fanno loro la dote, ma attendono a
rubare quanto piu possono, e se per sorte capitasse loro nelle
mani 6 Fanciulle grandicelle, ö donne maritate (se gia non pen-
sassero cauarne buona taglia) torrebbero loro la Virginitä, e 1' ho-
nore Questi tuoi Dottori, e Artefici fanno un guazza-
buglio d' antico, e di moderno, di vecchio, e di nuovo, a tal che
le loro compositioni riescono sempre grette, secche, stittiche, e so-
üstiche, di sorte, che eile non piacciono quasi a persona, come s' e
veduto mille volte per esperienza."
In ganz ähnlicher Weise polemisiert Grazzini in seinem
Prologo (agli huomini) zu dem Lustspiele „La gelosia"4)
') Prölss a. a. 0. I, 2. 98.
2) Klein a. a. 0. IV, 738. — Prölss. I, 2. 133.
3) Commedie di Anton Francesco Grazzini detto il Lasca, ris-
contrate sui migliori codici e postillate da Pietro Fontani. (Firenze 1859.)
— La | Strega | Comedia | d' Anton Francesco | Grazini, Academico
Fio-|rentino detto il | Lasca. | Nuouamente data | in luce, e non recitata
mai | Con Priuilegi. | In Venetia. ( Appresso Bernardo Giunti, e Fra-
telli. | 1582. (59 foL). f. 12 sqq.
A) La Gelosia | Comedia | D' Anton. Francesco Grazini | Fiorentino. |
Detto il Lasca | Becitatasi | In Firenze publicamente il Carnouale | Del-
l'Anno 1550. | In Firenze 1551. | (52 fol.) - Ein weiterer Abdruck ist Ve-
netia (B. Giunti e Fratelli) 1582. (66 fol.) In dieser Ausgabe ist der
Prolog wesentlich gekürzt; dort (a gli huomini) heisst es nur, er habe
sich zweimal gegen den heiligen Geist verfehlt: l'una per non hauere
egli tolto ä gli Antichi, ö rubato ä i Moderni, e niassimamente il sog-
getto, e l'Inuenzione . . . l'altra perche in essa non sono ritrouamenti, ne
ricognizioni : la quäl cosa e tanto venuta ä noia, e in fastidio ä i Popoli:
che come ei senton nell' Argomento dire; che nella presa d' alcuna Citta,
ö nel sacco di qualche castello si siano perdute, ö smarrite, Bambine,
ö Fanciulli, fanno conto d' hauerle vdite, e volentieri se potessero con
loro honore si partirebbero. — Dies die einzige Polemik. — Beachtens-
wert ist, wie Sulz er (Theorie etc. I, 227 a) die Art der Alten bespricht,
Grazzini. 55
gegen die Nachahmer der alten Komödie: E peggio anchora che
essi accozzano il uecchio col nnouo, e 1' antico col moderno: e
fanno un guazzabnglio, e una mescolanza che non ha ne uia ne
uerso: ne capo ne coda e facciendo la Scena Citta moderne, e
rappresentando i tempi d' hoggi ui introducono nsanze passate,
e uecchie: e costumi antichi, e tralasciati: e si scnsano poi col
dire cosi fece Plauto, e cosi nsarono Terenzio, e Menandro: non
si accorgendo che in Firenze, in Pisa, in Lucca, non si uiue,
come si facena anticamente in Eoma, e in Atene: Tradnchino in
mal' hora, se non hanno hraenzione, e non rattopino, e guastino
1' altrui e il loro insieme: il senno, e la prndenza de gli huomini
e sapersi accomodare a i tempi Nella Comedia sna dunqne
non sono ritr ouamenti : poi che ne i giorni nostri non si sono
ueduti accadere giamai: e particolarmente nella Toscana: come di
que' Ruffiani anchora, ö Mercatanti che fanno incetta di Fanciulla:
e uanno uendendo feminine u. s. w.
Ferner berührt er dies sein Lieblingsthema wieder, wenn
auch kurz, im Prologo zu seinem Lustspiele „La Spiritata", a)
wo er erklärt, che in questa sua Fabula non saranno di quei ragiona-
menti hmghi, e rincresceuoli; ne di quei ritrouamenti, ne i
tempi nostri, impossibili & sciocchi; di che 1' altre Commedie
sogliono essere quasi tutte piene.
Es enthält diese Klage Grazzinis manches Wahre; allein es
ist nicht zu leugnen, dass selbst bei jenen Dichtern, welche sich
strenge an die klassischen Vorbilder hielten, ein Losringen von
denselben nicht zu verkennen ist, dass die Übersetzung sich
zu einer Lokalisierung, allmählich zu einer Nachdich-
tung und endlich zu einer ganz freien Arbeit empor-
schwang, in welcher nur mehr die klassische Form einen bis-
weilen recht heilsamen ZAvang auferlegte.2)
ihre Lösungen herbeizuführen. „Plautus und Terenz finden oft ihre Auf-
lösung dadurch, dass ein längst vergessener oder für todt gehaltener
Mensch plötzlich wieder erscheint; dass ein Vater sein Kind erkennet,
das er längst vergessen hatte. Dergleichen Auflösungen sind zwar noch
it/t möglich; sie müssen aber, um wahrscheinlich zu seyn, mit mehr
Vorsicht behandelt werden, als jene Alten nöthig hatten, bey denen der-
gleichen Zufälle durch die damals gewöhnliche Aussetzung der Kinder,
durch die Sclaverey, in welche man durch den Krieg oder Menschenraub
fallen konnte, durch die wenigere Verbindung der Völker unter einan-
der, durch Mangel der Mittel, die man gegenwärtig hat, einer verlohrnen
Person nachzufragen, viel natürlicher waren, als sie itzo sind." — Vgl.
indes über die Zulässigkeit mancher hier getadelter Dinge, (z. P>. der
Piraten) bei Prölss. I, 2. 134.
1) La Spiritata, | Commedia | di Antun Francesco | Grazini, | detto
il Lasca. | Recitatasi in Bologna, e in Firenze al pasto del Ma gnifico
Signore, il S. Bernardetto de | Medici, il Carnouale dell' anno | MDLX. |
In Fioreuza appresso i Giunti 1561. | (62 Seiten.)
2) Vgl. Riccoboni, Re'flexions historiques et critiques sur les diffe-
5(5 Übersetzer der Alten.
Schon die ersten Bearbeiter plautinischer und terentianischer
Lustspiele suchten, sich etwas freier zu halten. Collen uccio
erreicht eine fliessende Metrik; Girolamo Berrardo, der für
Ercole I. die Menächmen (1486), den Amphitruo (1487),
die Casina und Mostellaria bearbeitete,1) versucht eine ganz
geschickte Lokalisierung seiner Stoffe. Andere Dichter begnügen
sich mit der Benützung einzelner Episoden oder der Kontami-
nation mehrerer Stücke. So ist Niccolö Machiavellis (geb.
3. Mai 1469; gest. 22. Juni 1527) Clizia nach der Casina, des
Kardinals Bibbiena, Bernardo Divizios (geb. 4. Aug. 1470;
gest. 9. Nov. 1520), Calandra (Calandria) nach den Menächmi
gearbeitet. Lodovico Ariosto (geb. 8. Sept. 1474; gest. 6. Juni
1533) wohnte frühe schon den Aufführungen plautinischer Stücke
bei Herzog Herkules bei, 2) übersetzte später selbst für diesen
klassische Stücke3) und steht mit seinen Suppositi sowohl, als
mit der Cassaria, deren erstere an die Menächmen, letztere
an (die Mostellaria oder) Pseu dolus sich anlehnt, völlig auf
dem Boden der Alten.4) Während Gio. Giorgio Trissino
(1478 — 1550) in seinen Simillimi sich von Plautus' Menäch-
men fast nicht entfernt, verflicht Lorenzino de' Medici Szenen
der Adelphi, der Aulularia, Mostellaria und des Querolus
zu einer freien Komödie ,,L' Aridosia". Wenig über sein Ori-
ginal wagt sich Agnolo Firenzuola (1493 — 1543) hinaus in
seinen I Lucidi, lokalisierten Menächmi. Giovanni Battista
Gelli (1498 — 1563) steht ganz auf den Alten.5) Seine Sporta
ist auf der Aulularia aufgebaut, sein „Lo Errore" hat weniger
von der Casina, als Klein6) annimmt. Deshalb brauchte er
es nicht in die „Vorhölle des Unbesprechlichen" zu verweisen.
Die Form der Alten, ohne sie sklavisch dem Inhalte nach zu plün-
dern, weistauch Pietro Aretino (geb. 20. April 1492; gest. 1557)
in seinen Lustspielen auf; ebenso Jac. Nardi.
Angelo Beolco, genannt Ruzzante (geb. 1502; gest. 17.
März 1542), war nach Bernardino Scardeoni7) in Padua das,
rens tkeätres de l'Europe. Paris 1738. S. 145. „Les Italiens dans lcurs
premiers ouvrages de theätre ont ete des imitateurs peut-etre un peu
trop serviles de Piaute et de Terence. Ils furent cependant obliges
d'ecarter de leurs ouvrages les mceurs des anciens Romains, qui ne con-
venoient poiiit ä lern' siecle."
») Prölss. I, 2. S. 92.
s) Klein. IV, 278.
3) Ebenda. S. 294.
4) Vgl. Ebenda. S. 307. — Ruth. II, 499.
•'■) Prölss. 1,2.113.114. — Crescimbeni,Ist. della volg. poes. IV, 41.
6) IV, 842.
7) De antiquitate urbis Patavii 1560. II, 256. — Vgl. Sand, Masques
et bouftbns. II, 77.
Dolce. Cecclii. 57
was Plautus in Rom. Er hat die Asinaria zur Vaccaria
gestaltet. Ercole Bentivoglio (geb. 1506: gest. 1573)') hat
in seinen I fantasmi die Mostellaria lokalisiert.
Ein besonderes Verständnis für die alte Komödie
und ihre Modernisierung legten Dolce und Cecchi an
den Tag.
Lodovico Dolce (um 1508 zu Venedig geboren)2) starb
ebenda im Jahre 1568 in grösster Armut. Er hat Verschiedenes
aus römischen Klassikern (Ovid, Cicero, Seneka, Katull, Horaz,
Vergil) übersetzt. Von seinen zahlreichen Arbeiten berichtet
vielfach Argelatis Bibliothek.3) Sein II Marito ist dem
Amphitruo, II Capitano dem Miles gloriosus, II Ruffiano
dem Rudens des Plautus nachgedichtet, vielmehr lokalisiert
und modernisiert. Aber auch da, wo er nicht direkt ein antikes
Stück überträgt, ist Form und Idee den Alten nachgebildet. So
in II Ragazzo, einer Art Casina, und in der Fabritia,*) deren
Naivetät jener der Römer nicht nachsteht.5)
Ist an Dolce eine gewisse Frivolität mit Recht beklagt
worden, so hat es Cecchi verstanden, selbst schlüpfrige Stoffe in
anständige Form zu kleiden.
Giovammaria Cecchi (geb. 14. April 1518 zu Florenz;
gestorben an Katarrh in seiner Villa Gangalandi am 28. Oktober
1587) hatte bei allen seinen Lustspielen 6) die Alten im Auge,7)
und weitaus seine meisten Stücke fliessen aus römischen Quellen.8)
') Xacli Crescimbeni, Ist. della volg. poesia (IV, 36), starb Benti-
voglio im Jahre 1570 bereits sieben und siebenzig Jahre alt.
2) Prölss. I, 2. 126.
3) Z. B. HC, 55. 92. 124. 125. 126. 159. 195. IV, 122 und öfter. — Vgl.
auch Denina, Vicende della lett. II, 14.
4) Vinegia 1560. (65 fol.)
5) Vgl. z. B. die Szene, wo der Kuppler (Luppo) und Lisettas Schick-
sal (f. 12): „io giacqui due sole fiate con quel giouane (den sie gar nicht
kennt) & per la mala uentura ingrauidai", zur SjDrache kommen.
°) Commedie di Giovammaria Cecchi, notaio fiorentino del se-
colo XVI. pubblicate per cura di Gaetano Milanesi. Vol. I. IT. (Firenze,
F. le Monnier 1856.) Bd. I: II figliuolo prodigo. II Diamante. I Rivali.
GH Sciamiti. Le Pellegrine. Morte del Re Acab. LT. Bd. II Martello.
L' Ammalata. Le Cedole. La Maiana. Lo Sviato. La Conversione della
Scozia. — Crescimbeni, Ist. della volg. poes. V, 125.
7) Co mm. (HI.): Lesse con grandissima intensione e pigliandone ma-
raviglioso piacere, Plaut o e Terenzio. (IV.) II nostro Cecchi, segui-
tando le orme de' comici latini, e massimamente di Plauto, compose un
gran numero di commedie, di farse ecc. ... So beruft er sich auf den
Pönulus im Prolog zu „I Rivali" (p. 184); im Prologe zu Gli Scia-
miti (p. 290) sagt er:
Una commedia nuova, alla quäl Plauto
Ha dato non so che . . .
mit Beziehung auf die Mostellaria. II, 1. — Vgl. Prölss. I, 2. 131.
8) Biccoboni. U, 251. — C. F. Flögel, Geschichte der komischen
Litteratur. (Liegnitz u. Leipzig 1787.) IV, 139.
58 Cecchi. Groto Cieco cli Hadria.
Er verstand es, „die Formen der eommedia erudita auf die bürger-
lichen Verhältnisse des Florentinevlebens umzusetzen. " Sein Lust-
spiel ,, I dissimili" ist nach den Adelphi des Terenz, la
Majana nach dem Heauton timorumenos gearbeitet. „Doch
auch in vielen seiner freier empfundenen Komödien spielen Mo-
tive der römischen Dichter hinein; so in il Martello (die Liebes-
pein) Motive der Asinaria."1) Direkt benutzt hat Cecchi die
Cistellaria (Gl' Incantesimi), Mostellaria, den Mercator (la
Stiava), Trinummus (la Dote) und die Menächmi (la Moglie)
des Plautus. Riccoboni2) urteilt über diesen „grand amateur
des Latins" : „Les com^dies de Cecchi ont un grand merite;
l'auteur les a enrichies de toutes les beautes de Piaute et
de Terence qüil a scü accommoder si parfaitement ä nos moeurs
qu'elles ont perdu entre ses malus tout ce qui pourroit nous
deplaire dans l'Antiquite. C'est ce que doit se proposer tout
imitateur des Anciens; si l'on veiit donner sur notre theatre leurs
ouvrages traduites exactement il ne faut pas esperer de reussite;
nous en avons un bei exemple dans l'Andrienne de Terence, c'est
une des plus parfaites Pieces de l'Antiquite; on en voit sur le
theatre frainjois un traduction hdelle; mais eile ne fait plus d'effet;
le Spectateur souffre impatiemment les Esclaves et les Loix Ro-
maines. Des moeurs si eloignees des nötres nous rebutent. II est
donc plus prudent de ne prendre que des beautes detachees des
Auteurs qui nous ont precedes. C'est ä quoi nos Modernes n'ont
point manque. "
Auch Luigi Groto Cieco di Hadria (1541 — 13. Dezbr.
1585) steht auf den Alten. Eine Amphitruonachahmung birgt
sein Pastoraldrama La Calisto. Seinen Epidicus (l'Emilia) hat
Riccoboni nach Paris verpflanzt.3)
Domenichi gab eine gute Lokalisierung der Bacchides in
seinen Le due cortigiane; Benedetto Varchi (1502 — 1565)
versetzte die Hecyra des Terenz als La Suocera auf die ita-
lienische Bühne; er wehrt sich entschieden gegen den etwaigen
Vorwurf einer blossen Übersetzung. 4)
') Prölss. I, 2. 13L
2) Hist. I, 135.
3) Ebenda. I, 72. J'ai fait usage moi-meme du Canevas de cette
comedie que Luigi Groto avait imitee de l'Epidicus de Piaute et
je l'ai representee ä Paris avec succes sous le nom des Fourberies de
Scapin. — Crescimbeni. IV, 113.
4) Im Prologe (S. 8 der Ausgabe Firenze, Bartol. Sermartelli 15(39.
130 Seiten) heisst es: Una comedia, la quäle non e ne del tutto antica,
ne moderna affatto, ma parte moderna e parte antica, e benche ella sia
in lingua fiorentina e perö cavata in buona parte dalla latina: cavata
dico e non tradotta, se non se in quel modo che traducevano i La-
tini da' Greci.
Die alten Komiker in Spanien 59
Die Übersetzungen und Nachahmungen der klas-
sischen Komödien sind im fünfzehnten und sechszehnten
Jahrhundert zahllos,1) und auch später hörten sie nicht völlig
auf.2) Immer wieder griffen einzelne (z. B. Pariati in seinem
Anfitrione) zu den lateinischen Komikern, und auch Goldoni ist
nicht spurlos an ihnen vorübergegangen.
Noch jetzt finden sich in Italien vereinzeinte Vorstellungen
antiker Stücke.
G. P. Clerici, der die Gefangenen neuestens3) für Auf-
führungen bearbeitete, erzählt, wie er als Student solchen latei-
nischen Stücken beigewohnt4) und jüngst erst die Aulularia in
lateinischer Sprache gespielt gesehen habe. 5) Ein weiterer Be-
weis dieser nicht erloschenen Teilnahme an der Antike ist z. B.
auch die am 4. Oktober 1882 im Teatro Manzoni zu Mailand
erfolgte Aufführung des Plutits des Aristophanes in der freien
Bearbeitung von Goffredo Franceschi.
Von neueren italienischen Übersetzungen des Plautus sind
jene von Perluigi Donini (1844) und Gius. Rigutini e Te-
mistocle Gradi (1878) anzuführen. — Dem vorigen Jahrhundert
gehört die Übersetzung von Eug. Argelio (Nap. 1783) an.
Auch in Spanien fehlte es nicht an Nachahmungen, Über-
setzungen und Aufführungen der Alten. Der bekannte Marquis
de Santillana erzählt, dass ein angesehener Ritter aus der Zeit
des D. Pedro des Grausamen (1357 — 1367), namens Don
Pedro Gonzalez de Mendoza, spanische Gedichte in der Weise
1) Ginguene. VI, 312. Les anciens etaient alors l'objet d'une etude
assidue et d'une imitation constante . . . On copiaPlaute et Terence.
2) Tiraboschi. VII, 1329. Di Terenzio e di Plauto ancora non
vennero in luce tai traduzioni che si possano ramnientare con lode ; ma
niolte particolari commedie ne furono tradotte da diversi poeti. — Vgl.
Dr. E. Kuth, Geschichte der italienischen Poesie. (Lpz. 1847.) DI, 496.
Die Gründe hierfür s. ebenda S. 505. — Vgl. Denina, Vic. della lett.
II, 188. Tuttavia a' tempi di demente XDT. si fecero commedie con
cmalche regola e conformi al gusto di Plauto e di Terenzio.
3) Parma 1881.
4) Pag. VDII. IX. Mi sovenne allora che quand' ero studentello del
ginnasio avevo sentito a recitarla (= die Captivi) nella sua integritä
e nella sua lingua, dai convittori di un collegio.
5) Pag. Vit. Assistetti, non e molto, a una rappresentazione della
Commedia di Plauto che s' intitola l'Aulularia, ridotta per la Com-
pagnia drammatica Zerri e Lavaggi dal Prof. Trambusti. II suc-
cesso ch' ella ottenne, non clamoroso, ma pur sempre lusinghiero, e la
soddisfazione prodotta in me e in parecchi altri studiosi delle cose plau-
tine per cpiesto fatto, mi fecero pensare che altre commedie dcllo stesso
Autore avrebbero potuto ottenere una migliore accoglienza perche piü
conformi al gusto moderno.
60 und Portugal.
des Plautus und Terenz schrieb.1) Nicht minder wurden hier
in Klöstern und höheren Schulen bei feierlichen Gelegenheiten
lateinische Stücke gespielt, so z. B. Nineusis, comoedia de divite
epulone, die dem Juan de Valencia aus Loja zugeschrieben
wird. „Dem Terenz nachgeahmt, enthält es die Parabel von La-
zarus und dem reichen Manne. " 2) Diese Art blühte vornehmlich
unter Karl V.
Ovid war hier einer der beliebtesten Klassiker. Von seinen
Metamorphosen erschienen schon vor Calderon' sechs Übertra-
gungen.3) Mosen Antonio Vilaragut (geb. am Ende des vier-
zehnten Jahrhunderts) übersetzte Stücke des Seneka (Medea und
Herkules), die er dem Könige von Aragon, Juan L, widmete.4)
Im Jahre 1554 wurde von einem Ungenannten in Toledo
eine prosaische Übersetzung des plautinischen Amphitruo ge-
druckt. In der kurzen Vorrede sagt der Verfasser, er habe sich
bei seiner Arbeit auf Villa lobos und Meister Fern an Oliva
gestützt.5) Die Amphitruoübersetzung des Villalobos stammt
aus dem Jahre 1515. 6) Ungefähr um 1530 entstand die Über-
setzung des Amphitruo des Fernan Perez de Oliva. Ihr
Einfluss, sowie der vieler meist ungedruckt gebliebener Versuche
dieser Art auf die dramatische Litteratur ist nichtig. Dem
nationalen Drama blieb aus allerlei zum Teil sehr naheliegenden
Gründen die Antike völlig ferne. 7)
Im Jahre 1555 erschien anonym in Antwerpen eine Über-
setzung des Miles gloriosus,8) der auch die Menecmos beige-
druckt sind.
Pedro Simon de Abril von Alcaraz (geb. um 1530;
gest. nach 1589) übertrug im Jahre 1577 die sechs Komö-
dien des Terenz9) ins Spanische; ebenso den Plutus des
') Ad. Fried, von Scliack, Geschichte der dramatischen Litteratur
und Kunst in Spanien. Berlin 1845. I. Bd. S. 125. — ■ Sanchez, Poesias
anteriores. I, LIX. — Geschichte der schönen Litteratur in Spanien. Von
Georg Ticknor. Deutsch mit Zusätzen von Nikolaus Heinrich
Julius. Neue Ausgabe. Lpz. 1867. Bd. I. S. 211.
2) Ebenda. Bd. II. S. 790.
3) Ebenda. II, 47. A. 1.
4) Catälogo bibliogräfico y biogräfico del Teatro antiguo espanol
desde sus örigenes hasta mediados del siglo XVIIL por D. Cayetano
Alberto de la Barrera y Leirado. Madrid (Rivadeneyra) 1860. S.477.
5) Ticknor. IL 772.
«) Ebenda. I, 240. — Klein. IX, 123.
') Klein. IX, 124. — Ticknor. 1,207: Ein spanischer Bischof von
Barcelona wurde im siebenten Jahrhundert abgesetzt, weil er in seinem
Sprengel gestattete, dass Schauspiele mit Anspielung auf heidnische
Götterlehre gegeben wurden. (Mariana, Hist. VI, Cap. 3.)
8) Ebenda. II, 772.
9) Las seis comedias de Terencio escritas en Latin i tradueidas en
vulgär Castellano por Pedro Simon Abril, professor de letras hu-
Die alten Komiker Q\
Aristophanes. Der Übersetzung steht der lateinische Text zur
Seite. „Dem , Prologo' nach scheint es, dass sie in der Hoffnung'
verfasst wurden, dass sie unmittelbar zur Reform des spanischen
Theaters beitragen — vielleicht sogar öffentlich aufgeführt werden
würden. " *)
Noch ist der Buchhändler von Valencia Juan de Timo-
neda2) (gest. bald nach 1597) zu nennen, der 1559 seine pro-
saische Übersetzung der Menächmen herausgab. Er hat sich
mancherlei Änderungen des Originals erlaubt und die Szene nach
Sevilla verlegt. „Das Stück besteht nach dem Vorbild des
Lop e de Rueda aus vierzehn Auftritten, und die Sitten sind
ganz spanisch. Indem von einem jungen gewissenlosen Diener
die Rede ist, Avird sogar der Lazarillo de Törmes genannt.
Es herrscht aber in diesem Stücke oft das nämliche freie und
natürliche Gespräch des gemeinen Lebens, wie in den Stücken
Lop es, des Vorbildes des Timoneda, und man kann es mit
Vergnügen von einem Ende zum andern, als eine neue Ausgabe
des P 1 a u t u s , lesen. " 3)
So ziemlich in der Art des Terenz4) sind die acht Stücke
des Bartolome de Torres Naharro, die er in den ersten zwei
Dezennien des sechszehnten Jahrhunderts in Italien schrieb.5)
D. Jose [Jusepe] Antonio Gonzalez de Salas (geb. um
1588) übersetzte im Jahre 1633 Las Troyanas des Seneka.
Nicht lange vor dem Jahre 1788 spielte man an der Universität
Salamanca die Andriä des Terenz lateinisch. H)
Jorge de Montemayor und Lope de Rueda streifen die
Menächmi, letzterer auch den Miles gloriosus in seiner Me-
dora. Bearbeitungen des Amphitruo finden sich später bei D.
Santos Diez Gonzalez und D. Jose de Canizares.
In Portugal pflegten, besonders in Evora, die Jesuiten
das lateinische Schauspiel, das vornehmlich gegen das Theater
des Gil Vicente (1460 — 1536) gerichtet war.7) In der Re-
manas i Filosofia, natural de Alcaräz. Zaragoza 1577. Alcalä 1583.
Barcelona 1599. (4.Aufl. 1762 in 2Bde.) —Vgl. Barrera, Catälog. S. 3. —
Ticknor. 1,462. — Pellicer, Bibl. de traductores espanoles IT, 145. —
Bibl. esp. (Rivadeneyra Bd. II, 207), wo auch Proben der Hecyra sich
finden. — Klein. IX, 126.
") Supplementband zu Ticknor von Adolf Wolf. (Lpz. 1866.) S. 76.
2) Ticknor. 1,454.455. II, 190. 240. — Schack. 1,236. — Klein.
IX, 186.
3) Ticknor. I, 455. 456.
4) Siehe dagegen Ticknor. I, 241.
5) Bapp, Span. Theater. I, 10.
6) „Como affirma o grande D. Gregorio May ans e Siscär." Leonel
da Costa, „As prirneiras quatro comedias de P. Terencio." pag. XV.
7) Braga, theoria da historia da litteratura portugucza, 3 edicäo.
Porto 1881. (p. 165.)
62 i'1 Spanien und Portugal.
naissance wurde Terenz das allgemeine Vorbild.1) Der
berühmte und von Montaigne2) so hoch gepriesene Humanist
Andre de Gouvea — Andreas Goveanus3) — (der Engoulve
Moutarde des Rabelais) brachte die klassischen Studien in
Schwung, und mit ihnen hängt die Erhebung des klassischen
Theaters, zunächst unter Dr. Antonio Ferreira (1528 — 1569),
dessen Vorbild die Adelphi waren,4) zusammen.
Es geschah nicht ohne Kampf;5) doch gelang es Ferreira,
ein Lustspiel nach klassischem Muster auf die Bühne zu bringen6)
und sich ganz auf den Boden der Alten zu stellen.7)
Die praktischen Bestrebungen der Jesuiten, die auf Erlernung
des Lateinischen abzielten, und von denen deshalb vornehmlich
lateinische Aufführungen gepflegt wurden, 8) unterstützte haupt-
sächlich der Schotte Georgius Buchananus (1506 — 1582), so
lange er akademischer Lehrer in Coimbra war.9)
Mit grösserer Vorliebe hing man auch in Portugal an Te-
renz, als an Plautus;10) doch aber entwuchs der Schule von
Coimbra des Camöes „Auto dos Emphatrid es",11) der plauti-
nische Amphitruo.
') Braga (p. 168): „As comedias de Terencio . . . serviram
de typo para o renasciniento do theatro classico; os typos que Sä de
Miranda trac,ou näo existiarn ein Portugal, e querendo parodiar as
hetairas e o miles gloriosus, teve de localisar a aegäo na Italia e
retratar as cortegianas e condottieri."
2) Essais. I, 25: J'ay soustenu les premiers personages ez tragedies
latines de Buclianan de Guerente, et de Muret, qui se presenterent en
nostre College de Guienne avecques dignite: en cela Andreas Goveanus,
nostre prineipal, comnie en toutes aultres parties de sa charge, feut sans
comparaison le plus grand prineipal de France.
3) S. Berriat Saint-Prix, Nouvelle biograph. generale.
4) Braga a. a. 0. (S. 170): „Que obedeceu a essa influencia sob a
direc^äo de Diogo de Teive; os'Adelphos de Terencio lhe servi-
ram de molde."
5) Braga, Theoria S. 170. Pelos prologos das suas comedias se
conhece a grande lucta que houve para compor este theatro sem con-
di^öes de vida.
6) Vgl. Braga, Manuel da Historia da Litteratura. Porto 1875.
p. 275: „A comedia Bristo j>ertence ä (mesma) iruitacjio classica teren-
ciana, em que os personagens säo o Miles gloriosus ou o fanfarräo
italiano, a heteira grega ou a cortigiana italiana, e os filhos-
familias pervertidos entre estas duas forcas dissolventes."
7) Parnasso lusitano (5 voll. Paris 1826). I, p. XX: copiou-os
(d. h. die Alten), näo os imitou.
8) Visconde de Juromenha, Obras de Luiz de Camöes. Lisboa
1860 — 69. 6 Bde. I, 24: „Em latim para exercitar e desembaragar os
estudantes naquella lingua."
9) Braga, Historia do Theatro Portuguez. Porto 1870. II, 13 und
Introduccäo, p. 327 ff.
10) Ebenda. I, 192. H, 342.
"j Braga, Theoria p. 166.
Die alten Komiker in Frankreich. 63
Später griff das unglückliche Opfer des gemeinsten Fanatis-
mus, Antonio Jose da Silva (1705 — 1739), nochmal zum
Amphitruo. ') Weiter hat unter den Portugiesen der durch
Pomhal vernichtete Pedro Antonio Correa Garcäo (1724
bis 1772) Komödien im Geschmacke des Terenz geschrieben,
die „längere Zeit als Muster klassischer Gefeiltheit und Korrektheit
galten. " 2)
An Übersetzungen hat Portugal wenig hervorgebracht. In
der Vorrede des Herausgebers zu: As primeiras quatro comedias
de Publio Terencio Aphricano, traduzidas do Latim em verso solto
portuguez por Leonel da Costa. Lisboa (Simäo Thaddeo
Ferreira) 1788, heisst es (p. VI): „Lembrava-nos depois disto,
que tendo todas as Gentes cultas familiarizado a Terencio nos
seus Idiomas so Portugal o näo tinha." Leonel da Costas
Übersetzung, deren Verfasser im Jahre 1570 in Santarem ge-
boren wurde und ebenda am 28. Januar 1647 starb,3) blieb
bis 1788 Manuskript, wo der Buchhändler Jorge Bert r and sie
herausgab.
Als einen Grund, weshalb in Frankreich Plaut us und
Terenz gerne gespielt wurden, bezeichnet Emile Chasles4)
ihren grossen Reichtum an Sentenzen. „II se mele, " sagt er,
„aux recherches de l'erudition un goüt qui appartient a l'adules-
cence des litteratures, le goüt de sentences. Les premieres tra-
ductions de Terence sont offertes aux lecteurs comme des recueils
de belles pensees plutöt que comme des modeles de bonne comedie,
temoin celle de maitre Gilles Cybile:
II s'est montre tres-fort habile,
Car il a tout traduit Terence,
Oü il a mainte sentence.
Le grant Therence d'Antoine Verard se recommande par le
meme merite: •
Ne craignez point ä acheter ce livre,
Car maints propos d^cents y trouverez,
Les mots dores pes^s en juste livre
Sentencieux que chacun peut ensuivre,
La sont caches comme bien prouverez.
») Wolf, Wienersitzungsberichte 1860. S. 277.
2) S. Bouterwek, Geschichte der Künste und Wissenschaften.
(Gott. 1805.) IV, 380, und Simonde de Sismondi, De la litterature
du midi de l'Europe. IV, 539: Pedro Antonio Correa Gar§äo s'est
aussi efforce de reformer le thöätre et de donner ä sa patrie quelques
pieces dans la maniere de Terence.
3) Leonel da Costa, pag. XVI.
4) La comedie en France au seizieme siecle. Paris 1862. S. 10.
64 Die alten Komiker in Frankreich.
Dans la seconde edition du meine ouvrage on forme un
recueil special des fleurs, phrases, sentences et maximes de parier
de Terence."
Italienische Schauspieler waren es, welche die Fran-
zosen noch weiter mit den Alten bekannt machten. Die
Calandra wurde in Lyon am 27. September 1548 von Italienern
gespielt;1) ebenso der Capitano Spavento;2) ferner i duo Leli
simili,3) welche dem Herzog von Nemours gewidmet sind.4) Als
„die beiden Lelio" führten sie die Menächmen ein.5) Eine
solche Vorstellung fällt (nach Malherbes' Mitteilung) auf den
15. September 1613.
Wie in Italien fehlte es auch in Frankreich nicht an
Gegnern der Antike. Heftig eifert Tralage6) gegen die „ma-
nieres grossieres" der Alten. So (S. 11): Les anciens sont fort
grossiers dans leurs amours; il n'y a point de delicatesse ni de
sentimens tendres et passionnez; il debutent par uiie fille grosse.
II n'y a qu'a lire les comedies de Piaute et de Terence.
Leur Jupiter n'estoit amoureux d'une belle qu'autant de tems
qu'il en falloit pour lui faire un enfant; il ne se piquoit point de
constance. A peine 1' enfant estoit-il venu, qu'il avoit une nou-
velle maistresse. II n'y a qu'a lire les Metamorphoses d'Ovide.
Dans rAmphitryon de Moliere, l'amour d'un amant et celui d'un
mari y sont traitez d'une maniere bien differente, mais en mesme
tems ingenieuse, spirituelle et vraisemblable. Les anciens ne
connoissoient point ces finesses. Comparez l'Amphiti-yon de
Piaute et celui de Moliere et par lä vous jugerez du goust
different de ces deux auteurs, et combien les manieres des siecles
oü ils ont vecu estoient differentes; ferner nochmal (S. 49): Grande
dispute contre les anciens et les modernes. Piaute soutient que
son Amphitryon et son Avare valent beaucoup mieux que Moliere
a fait lä-dessus. Ce dernier, saus se deffendre, soutiendra que la
copie vaut mieux que l'original, remarquera la maniere grossiere
dont Piaute a traite ces deux sujets, fera voir la maniere fine et
delicate, dont il a fait parier Jupiter ä Alcmene; il soutiendra que
') Les comediens Italiens ä la cour de France sous Charles XL,
Henri III., Henri IV. et Louis XIII. par Armand Baschet. Paris
(Plön & C. 1882). S. 7.
2) Ebenda. S. 129. 173.
3) Ebenda. S. 319.
«) Ebenda. S. 320.
5) Ebenda. S. 244.
ß) Notes et documents sur l'histoire des theätres au XVne siecle
par Jean Nicolas du Tralage, extraits, mis en ordre et publies par le
Bibliophile Jacob. Paris 1880. — Vgl. auch Lotheissen, LV, 278,
und Hippolyte Rigault, Histoire de la quereile des anciens et des
modernes. Paris 1856.
Übersetzer des Terenz. Bai'f. 65
les anciens ne savent pas traiter tinement ce qui doit etre Farne
des pieces, l'amour et l'ambition.
Dieser sein Widerspruch kömmt ziemlicli spät; denn bereits
hatten sich die Formen der antiken Komödie und diese selbst in
Frankreich eingebürgert. Auf Bonaventure Desperiers (gest.
1514) und Octavien Saint-Gelais folgte Charles Estienne
mit seiner Übersetzung der Andria des Terenz im Jahre 1540. a)
Jean Bourlier übersetzte 1560, Jacques Bourle 1584
den ganzen Terenz.2)
Weitere vollständige Übersetzungen des Terenz stammen
neben anderen von 1567. Les | six Comedies | de Terence, tres-
excel | ent poete comique | mises en Fraucoys avec le | latin en
favevr des ievnes | enfans desireux de la pvrete et intelli|gence
de la lan'gve latine. | A Paris (Par Estienne Doart); aus 1681
und 1686 jene von Paul Rogier Sibour (Strasbourg), der 1699
eine weitere in Strassburg folgte.
Einzeln erschien im Jahre 1555 die Andria. Premiere | Co-
medie de | Terence, appel|lee l'Audrie. Nouvellement traduite
& mise en ryme Francoyse. \ A Lyon (Par Thibavld Payan).
In der Art der klassischen Lustspieldichter arbeitete auch
Antoine de Bai'f (1532 — 1589). Gewandt in Form imd Aus-
druck3) übertrug er frei4) den Eunuchus und Heauton timo-
rumenos des Terenz und den Miles gloriosus des Plautus,5)
die uns erhalten sind. 6) Einiges andere ist noch nicht veröffent-
') Chasles a. a. 0. S. 47. Eniin Estienne lui-meme avait dejä
traduit en 1540 l'Andrienne de Terence, malgre la ce.lebrite acquise ä
cette piece parmi nous depuis que Bonaventure Desperiers et Octavien
Saint-Gelais l'avaient fait passer dans notre langue. — Beauchamps,
Kecherches. I, 153.
2) Ebenda. II, 36. 55.
3) Poesies choisies de J. A. de Bai'f suivies de iitodsies inedites ed.
Becq de Foucquieres. Paris 1874. Einleitung p. XXXI. „Dans la co-
medie de Terence on remarquera, avec quelle aisance il (= Bai'f) con-
duit le dialogue, avec quelle francliise il aborde sans effort le ton de la
bonne coniedie et avec quelle legerete il nianie le nietre raj)ide qu'il a
choisi."
4) A. a. 0. S. 219 — 224. Cette comedie est imitee du Miles glo-
riosus tres-librement. (Periplecomenus = Bontams; Pleusides =
Finet; Palestrion = Constant.)
5) A. a. 0. p. XVI. II traduisit l'Eunuque de Terence en 1565
et le 28 janvier 1567 faisait representer le Brave, imite de Piaute en
l'hötel de Guise et devant le roi s'elevant avec plus de succes que Re-
myBelleau au style tempere de la comedie. — Beauchamps, B,e-
cherches sur les theätres de France (1735). II, 38.
6) Le manuscrit 867 (anc. 7229 3 Colbert 1291) entierement de la
main de Bai'f contient „L'Eunuque de Terence par Bayf". II a
52 ff. et se termine par la mention: Acheve lendemain de Noel devant
jour. 1565.
5
66 Greviu. Larivey.
licht,') oder nicht melir vorhanden.2) — Bai'f war ein begeisterter
Verehrer der Alten; ob auch nicht der erste und einzige.3) Von
Terenz sagt er:
Terence, auteur romain, que j'imite aujourd'hui,
Et comme il suit Menandre en nia langue j'ensuis.
Auch Jacques Grevins (geb. 1538; gest. 1570)4) Ideal
war die Komödie „en teile purete qu'anciennement Aristophane la
baillait aux Grecs, Piaute et Terence aux Romains". Vor
allem Plautus war sein Vorbild.5)
Einer der feinsten Nachahmer der Alten ist der Domherr
Pierre de Lar(r)ivey (1550 — 1612) (Giunti). Er bezeichnet
seine Stücke als „comedies facetieuses ä l'imitation des anciens
Grecs, Latins et modernes Italiens". Den Alten sind sie nach-
gebildet, wie er von seinem Lustspiel „les jaloux" (Fol. 226)
sagt: Comme eile est d'argument double, aussi la plus grande
partie de son subject a este prinse des deux premieres
de Terence: ä scavoir l'Andrie et l'Eunuque. Die „Esprits
gelten als sein bestes Stück;"6) doch ist das Lustspiel fast wört-
') A. a. 0. XXXIX. Les seules ceuvres qui soient iuedites et dont
les manuscrits soient ä retrouver sont la Medee, les Trachiniennes,
le Plutus et l'Heauton timorumenos.
2) Chasles a. a. 0. S. 75. De toutes ses productions la majeure
partie est aujourd'hui perdue; il nous reste pourtaut deux comedies
completes: le Brave et l'Eunuque.
3) Chasles a. a. 0. S. 84. Nous ne pretendons pas que l'intro-
duction de Terence aupres du public francais date de si tard. Baif ne
fut pas le seul au XVIe siecle qui travailla ä nous faire goüter le charme
du vieil auteur; mais il n'est que juste de lui marquer une place hono-
rable parmi ceux qui familiarisaient nos peres avec l'esprit de la litte-
rature antique. Ce fut son ambition et l'objet de son long travail.
Quaud il rappelait ses titres ä la faveur royale et priait Charles LX. de
ne pas les oublier, il se faisait gloire d'avoir uaturalise la comedie
romaine.
4) Nach Beauchamps Recherches. I, 27. Vgl. Bd. IV des Ancien
theätre francais. S. 225, gegen 1540.
5) Chasles a. a. 0. S. 129. Piaute surtout le charmait; il
admirait en lui l'homme autaut que le poete. Piaute, poete comique
d'un commun sentiment estime en son temps surtout plus excellent, ayant
dependu tout son bien en habillements sceniques devint, comme recite
Crinitus, en teile extre"niite qu'il fut coutraint se louer ä un meunieur
pour tourner les meules d'un moulin ä bras. Et lä etant en perpetuel
travail continua son oeuvre jusques ä cent cinquante comedies comme
racconte Aulus-Gelle.
6) Lotheissen. I, 277. — Vgl. auch Chasles a. a. 0. S. 120. La
plus cölebre (comedie de Larivey) sous tous les rapports est l'Aridosia
de Lorenzino de Medicis. Elle est en quelque sorte d'une vieille
famille de comedies; eile se rattache par ses origines ä des comedies
grecques qui sont perdues et ä deux celebres comedies latines: la
Mostellaria de Piaute et les Adelphes de Terence. Elle est
Rotrou. Scarron u. a. Moliere. 67
lieh aus Lorenzinos Aridosia übersetzt und zunächst nur der
„vielfachen Anregung-" ') halber, die es später, selbst Moliere
und Regnard, gab, bedeutsam.
Besondere Begeisterung schöpfte aus Plautus Jean Rotrou
(1609 — 1650), der den Arnphitruo, die Captivi undMenächmi
nachahmte. — Paul Scarron (1610 — 1660) lehnt sich an den
Miles gloriosus in einigen Szenen seines Jodelet und seines
Capitan an; dieselbe Komödie wirkte auf Savinien de Cyrano
Bergeracs2) (1620 — 1655) „Le pedant joue"; Mareschal
schrieb nach dem Miles seinen Capitan Fanfaron; Samuel
Chappuzeau3) (1625 — 1701) ist ein Vorläufer Molieres in Be-
nützung der Aulularia; der grosse Moliere (geb. 15. Januar
1622; gest. 17. Februar 1673) endlich selbst steht in mannig-
fachen Beziehungen zur alten Komödie.4) Treffend nennt Sainte-
Beuve Plautus „un des plus legitimes ancetres"5) des Moliere
und sagt von Terenz: „il y a tout un Terence dans Moliere."6)
Was er direkt aus Plautus zog, sein Amphitryon und
l'Avare (Arnphitruo und Aulularia), wird gelegentlich be-
leuchtet werden. „Die salon- und hoffähige Richtung, welche die
Komödie Molieres ursprünglich nahm, musste ihn mehr auf
Terenz weisen."7) So ahmte er die Adelphi nach in seiner
Ecole des Maris.8) Er hat den Phormio vor sich in seinen
„Fourberies de Scapin".9) „Die hochkomische Szene, in der
Pourceaugnac (1670 Ribou) von den Ärzten und dem Apo-
theker drangsaliert wird, zeigt die Benutzung . . . einer Stelle
aus Plautus' Menächmi. Das offenherzige Selbstbekenntnis der
N er ine und des Sbrigani ist ein Passus der plautinischen Asi-
parente chez nous de plusieurs pieces tres-connues : le Retour im-
prevu de Regnard, le Comedien poete de Montfleury et l'A-
vare de Moliere. Larivey au XVP-siecle en a fait les Esprits.
') Lotheisse n. I, 279. Anm.
2j Ebenda. LT, 451. Siehe dort auch die Beziehungen des Stückes
zu Molieres „Fourberies de Scapin". (Ebenda. IV, 55.)
3) Ebenda. IV, 109.
4) S. Moliere und die römische Komödie von R. Mahrenholtz.
S. 241 — 265 im 56. Band (1876) von Herrigs Archiv.
5) Portraits litteraires. II, 2.
G) Ibid. n, 38.
7) Molieres Leben und Werke vom Standpunkte der heutigen For-
schung von R. Mahrenholtz. Heilbronn 1881. S. 225—237.
8) Parfaict, Histoire du the"atre franeois, XIV, 346: M. Moliere a
pris daus les Adelphes le fond du sujet de sa piece intitulee „L'Ecole
des Maris". A l'article de cette comedie (tom. LX de cette Histoire
page 42 et suivantes), en rendant ä Terence la justice qui lui est due,
nous avons remarque l'art du poete francais et ce qu'il a ajoute pour
embellir son original.
J) Mahrenholtz a. a. O. S. 247. 255. — Humbert, le Phormion
de Terence et les Fourberies de Scapin. (Elberfeld 1859.) — Dziatzko
zum Phormio. S. 14, Anm. 3.
5*
68 Moliere und die alten Komiker.
naria. (Sie ist vielleicht schon in Ecoles des Fe mm es III, 2
nachgebildet worden.1)" Desj^ois findet im Depit nmoureux
neben vielem auch Parallelstellen ans Plautus' Amphitruo:2)
Rapp erinnert die Asinaria, „besonders in der Katastrophe,
ziemlich deutlich an Molieres Bourgeois gentilhomme". 3) In
den Femmes savantes sind ..noch viele klassische und un-
klassische Stücke für einzelne Stellen und Züge benützt worden.
Es sind Plautus' Asinaria und Cistellaria . . . ausgebeutet
worden. " 4 )
Das Verhältnis Molieres zu Terenz hat schon Tralage
in seinem Dialoge zwischen Moliere, Terence und Corneille be-
rührt.5) Der Schauplatz des Dialogue critique ist in die ely-
säischen Gefilde verlegt. Dort sagt Terence:
Vous etes un ingrat, Moliere, de vouloir critiquer mes Adelphes :
vous devriez vous souvenir que c'est une de mes plus helles
pieces; eile vous a servi ä votre „Escolle des Maris" qui est
"une piece que je scais que l'on voit encore avec plaisir sur le
theätre fräncois.
Moliere erwidert :
II est vrai que j'ai pris quelques choses de vos Adelphes.
Si vous en voulez ä ceux qui comparent l'un ä l'autre, ils vous
diront que je vous fais honneur et que ma copie vaut mieux
que votre original.
Gerne wird man Lotheissens Worte6) anerkennen: „Mo-
liere mit Plautus und Terenz in Hinsicht ihrer komischen Kraft
und ihrer dramatischen Begabung vergleichen zu wollen, ist ein
ziemlich massiger Versuch. Man vergleicht nicht, was so von
Grund aus verschieden ist."
Richtig lässt eine sonst unbedeutende Komödie von Guil-
laume Marcoureau de Brecourt (gest. 1685), „L'Ombre de
Moliere" (1674) Pluton über Molieres Rang entscheiden:
Entre Terence et Plante oecupe le milieu,
und poetisch fein bringt La Fontaines Grabschrift auf Moliere
diesen Gedanken zum Ausspruch:
Sous ce tombeau gisent Plante et Terence
Et cependant le seul Moliere y git:
Leurs trois talents ne formaient qu'w« esprit
Dont le bei art rejouissait la France.
') Mahrenholtz a. a. 0. S. 242.
2) Ebenda a. a. 0. S. 54.
3) Die plautiniscben Lustspiele. S. 921.
4) Mahrenboltz a. a. 0. S. 272.
5) Notes et documents sur l'histoire des theätres, ed. le Biblio-
phile Jacob. Paris 1880. S. 50.
6) Lotheissen. IV, 69.
P. Corneille u. a. Regnard. 69
Pierre Corneille (1606 — 1684) bringt die Gestalt des
prahlerischen Soldaten in seiner „Illusion comique" auf die
französische Bühne: der Fabeldichter Jean de la Fontaine
(geb. 8. Juli 1621; gest. 13. März 1695) gab 1654 eine freie
Bearbeitung1) des Eunuchen heraus, „die aber nicht viel be-
merkt wurde und auch die Begabung la Fontaines nicht er-
kennen liess. " 2)
Wiederum ein grosssprecherischer Soldat spielt in Denian-
villes Komödie „Le Capitan ou le Miles gloriosus" (1639);
ebenso weist das Lustspiel „Le Parasite"3) (Fripesauces, der
ewig Hungrige) des Francois Tristan l'Hermite (1601 —
1655) mit seinem Capitan und Parasiten auf die Alten hin.4)
An seiner Hand wandte sich Philippe Quinault (1635 — 1688)
zur Dichtimg, der in seinem l'amant indiscret (nach Niccolö
Barbieris „l'Inavvertito" 1629) auf den Bacchides steht, wäh-
rend Edme Boursault (1636 — 1701) in seinen „Menteurs qui
ne luentent point" die Menächmi im Sinne hatte. Mont-
fleury (1640 — 1685) kompilierte im ersten Akte seines Come-
dien poete die Mostellaria, Baron (1653 — 1729) bearbeitete
die Andria5) und die Adelphi6) des Terenz für die franzö-
sische Bühne.
Vollständig auf dem Boden des Plautus steht Mo-
lieres bedeutendster Nachfolger, Jean Francois Regnard
(1656 bis 5. Sept. 1710).
E. Fournier bemerkt hierüber:7) „Mais nous le repetons,
Piaute est, avec Catulle, celui dont Regnard s'inspire le
plus volontiers. Si Catulle est son poete, Piaute est son
comique. Moliere s'etait frotte ä lui avec grand profit, en lneme
temps qu'avec plus de profit encore il s'impregnait de Terence.
Regnard ne s'en prit qu'ä Piaute, et Terence n'a laisse que
je sache aucune trace sur son theätre. On ne le retrouve un
peu, par rettet, que dans les elegances de son style, oü les rudesses
de Piaute, au contraire, n'ont rien ä voir.
„C'est assez qu'il fournisse le fond, et il le fournit souvent.
') Chefs- d'ceuvre des auteurs comiques. I, 144: „. . . avait iinite
l'Eunuque de Terence en 1654.''
2) Lotheissen. III, 180.
a) Herausgegeben (1G54) von Aug. Courbe und auf S. 1 — 67 des
dritten Baudes von Les Contemporains de Moliere, ed. Fouruel.
(Paris 1875.)
4j Ebenda S. 7. Le type du Parasite est uu emprunt fait ü la co-
medie latine et c'est lä surtout qu'il laut chercher sou origine tbeätrale.
5) Siehe Ausführliches bei Parfaict, Hist. du theätre. Baud XIV.
S. 312. — Aufgeführt am 16. November 1703.
'') Ebenda. Bd. XIV. S. 346.
7) Oeuvres completes de Regnard, nouvelle edition par 31. Edouard
Fournier. Paris (Laplace, Sanchez et Comp.) S. X.
70 Regnard und Plautus.
„Les M^nechmes viennent de lui en droite ligne.
Regnard, qui tient, ce qui est d'une belle et louable franchise, a
ne dissimilier rien de son emprunt, ne deguise meme pas le nom
des deux jumeaux. II leur laisse celui que Piaute leur avait
donne ä Rome, et dont la forme grecque prouverait qu'il aurait
dejä ete porte dans quelque comedie atbenienne, ancetre probable
de la piece latine, comme celle-ci l'a ete de la piece fi-ancaise.
Disons pourtant que, si le nom est reste, le sens en a cbange,
et cela gräce a Regnard. Dans la comedie antique, Menechme
(menaicbmos) voulait dire un brave, un vaillant, ,qui attend sans
palir la pointe des lances'; depuis que la comedie de notre poete
l'a popularise, il ne signifie cbez nous qu'une personne de res-
semblance parfaite avec une autre. Comme bien des gens, qui
ne savent pas aller au fond des etymologies, s'imaginent qu'il
n'avait pas d'autre signification cbez les anciens, on ne nous en
voudra pas d'avoir indique le premier sens sous le second.
„Deux autres pieces de plus mince importance, la Serenade
et le Retour imprevu, doivent aussi beaucoup ä Piaute, qu'on
y attendait moins, et que rien, a premiere vue, n'y laisse pressentir.
Regnard en etait si bien rempli, ä ce qu'il semble, depuis les classes
qu'il le laissait deborder partout.
„La Serenade, oü il s'essayait — on verra que c'est une
de ses premieres pieces ä, la Comedie Francaise — et pour la-
quelle, l'experience propre lui manquant encore, il lui fallait
d'autant plus de celle d'autrui, s'est echappee avec ses vingt ou
vingt-cinq scenes, d'une scene unique de Piaute. La broderie
du moins ajoutait singulierement au canevas, et les fioritures au
tbeme! Elles le couvrirent meme si bien qu'on ne l'apercut
pas d'abord.
„Quarante ans seulement apres la mort de Regnard, Roy,
poete trop siffle et trop bätonne pour n'etre pas jaloux, füt-ce a
longue distance, des poetes jadis applaudis, depista l'innocent em-
prunt et le denonca dans une lettre ä Freron: ,L'intrigue de la
Serenade, ecrivit-il, est presque entiere dans le Pseu dolus
(scene II, acte 4). Le billet escamote par la meme adresse
opere le meme jeu. On a substitue le vol d'un collier au vol
d'un esclave.' Tout cela est vrai, mais sans que Regnard y
perde. Le comique et l'esprit qui sont la vie de sa jolie piece,
et qui en firent le succes, ne restent-ils pas ä son compte?
„Roy, pendant qu'il tient le tbeätre de Piaute, et qu'il le
depece pour en jeter les morceaux ä la tete de Regnard, ne
manque pas de lui reprocber l'autre dette que nous avons
annoncee, ce qu'il doit ä Piaute pour le Retour imprevu: ,Le
vieillard ci-edule, dans le Retour imprevu, dit-il, est le meme
ä qui l'on persuade, dans la Mostellaria, que sa maison est
Regnard und Plautus. Destouches. 71
oecupee par des esprits. La peur qu'on lui fait est le stratageme
pour l'empecher d'y entrer, de la voir demeublee et d'etre temoin
de la debauche qtii y regne. ,Rien de plus vrai encore, mais
qu'inrporte!' Lors meme que Roy ajouterait qne le premier acte
de Piaute est l'esquisse des premieres scenes de Regnard et que
le röle de Calfimadates est une ebauche de son marquis, Regnard
n'en serait pas plus eoupable. En fourrageant dans cette piece
il n'avait fait qu'aller sur des pistes, qui lui indiquaient une
cbasse permise: il suivait Pierre Larivey, qui au seizieme siecle
avait dejä braconne par la pour sa comedie des Esprits, et
Montfleury qui, plus tard, n'y avait pas menage ce qui lui
seniblait de bonne prise pour le premier acte de son Come-
dien poete.
„Je m'etonne que Roy, si bien en train de crier au plagiat
sur les trousses de Regnard, ne lui ait pas fait un gros crime
de ce que le Crispin du Legataire, pour finir la piece, invite le
public ä applaudir, comme un des acteurs du Pcenulus de Pla^^te,
en y terminant le Prologue; cette chicane-lä aurait valu les autres.
„Ces reminiscences de Regnard, qui toutes lui vinrent des
lectures faites dans les classes, semblent assez surprenantes,
lorsqu'on songe aux longues annees qui s'ecoulerent pour lui
entre le temps de ces classes et l'epoque, ou, beaucoup moins
prompt que Moliere, il se mit enfin au tbeätre; lorsqu'on se
rappelle aussi tout ce qu'il y eut, pour les lui faire oublier, de
distractions et de dissipations dans la jeunesse. Ce qu'on a su,
par une decouverte assez recente, sur sa facon de fixer les
Souvenirs et de preparer, pour ainsi dire, les ressources, les
materiaux de son esprit, a fait qu'on s'est moins etonne."
Wie Regnard die Menäcbmi, Mostellaria und Pseudo-
lus, so benützte Destoucbes (1680 — 1754) den Trinummus
zu seinem Lustspiele „le tresor cache" in gescbickter Weise.
Nocbmal nach Moliere griö' der Pater Lejay (1697) ziir
Aulularia.1) Der Inhalt des Philochrysus seu Avarus be-
titelten Dramas ist nach E. Boysse:2)
Philochrysus, riebe et avare, avait enfoui un tresor dans un
bois voisin de sa maison. II avait mis dans la confidence de
cette cachette son ami Panurgus. Celui-ci deterra le tresor et
s'en empara. Desespoir de Philochrysus en voyant la cassette
enlevee. Son esclave lui suggere alors une ruse pour la recouvrer.
L'avare va chez son voisin, il lui annonce 'qu'il vient d'heritcr
') Vgl. E. Boysse, lc theatre des Je'suites. Paris 1880. S. 212.
Le 15 de"ceinbrc (1G97) ä une heure apres-midi: Philochrysus seu Avarus
(drame).
2) A. a. 0.
72 Sedaiue. Riccoboni. Cailhava u. a.
une somme considerable et qu'il se propose de la joindre ä celle qui
est dejä dans la cassette. Panurgus approuve ce projet et se häte
d'aller reporter la cassette se reservant de la reprendre, quand eile
aura öu' enrichie d'un nouveau depot. Philochrysus rentre ainsi
en possession de son tresor, et revenu a de ineilleurs sentiments,
il donne la liberte ä son esclave et de l'argent ä "ses enfants.
Lejay, dessen Komödie im Karneval 1708 nochmal aufge-
führt wurde,1) bezieht sich selbst auf Moli er e (und damit Plau-
tus), sodass seine Erwähnung an dieser Stelle gerechtfertigt
erseheint. 2)
Unter den Operntexten des Sedaine (1719 — 1767) findet
sich auch ein Amphitryon; Helena Balleti Riccoboni hat
den Rudens als „le Naufrage" (1726) auf die Bühne ge-
bracht; Cailhava die Menächmi und den Miles gloriosus.
Nepomucene Lemercier (1771 — 1840) legte seiner Komödie
Piaute den Epidicus desselben Dichters zu gründe.
Eine Art neuen Schonaeus sah Frankreich noch i. J. 1751.
Dort erschien zu Paris (apud fratres Guerin & Lud. Fr. Delatour)
in den Selecta Latini Sermonis Exemplaria e scriptoribus pro-
batissimis (colligebat P. Chompre in utroque iure L.) die Prima
poeticae orationis excerptio seu Plauti et Terentii fabulae ad
Christianae iuventutis usum contraetae. Editio altera —
also die antiken Komiker christianisiert. Plaut us und Terenz,
sagt der Herausgeber, müssen zugeschnitten werden aus
Rücksichten auf die Sittlichkeit.3) Selbst „le fond des co-
medies " 4) ist schlimm genug. So ist eine durchgreifende Ent-
stellung,5) ja sogar eine Zerstörung des Metrums6) in dieser
Sammlung7) nötig geworden.
') E. Boysse a. a. 0. S. 239.
2) A. a. 0. S. 212: „Cette piece est du Pere Lejay, qui, dans sa
preface s'excuse de traiter ce sujet apres Piaute et apres Moliere, le
prince de la come'die francaise." II croit cependant que la matiere est
assez abondante pour fournir ä un poete des traits nouveaux.
3) S. a. a. 0. Avertissement (V): Piaute est souvent insupportable
par ses mauvaises plaisanteries. Tous les deux connoissent assez peu le
respect qui est du aux bonnes moeurs.
■i Kbenda, p. VII.
■5) Ainsi ce n'est ni Piaute ni Terence que nous donnons, et c'est
cependant l'un et l'autre tout pur pour le langage. (A. a. 0., p. IX.)
6) On a rompu saus sc ru pule la mesure d'un petit nombre de
vers, par l'interposition de quelques mots et meme de quelques phrases.
L'oreille. qui sent fort peu (!!) le mechanisme des vers de Piaute et de
Terence, pardonnera aisement ces licences.
7) Sie enthält von Plautus: Amphitruo (1 — 25), Aulularia (25
—49), Capteivei (49—81), Mostellaria (81—119), Menächmei (119
—149), Pseudolus (149—171), Persa (171—187), Rudens (187-203),
Triuummus (203—223); von Terenz: Auclria (223—245), Heauton
timorumeuos (245—257), Adelphi (257—277), Phormio (277—293).
Prevost. Pelisson u. a. ; Übersetzungen. 73
Zu dieser Textausgabe gehört die französische Übersetzung, l)
von welcher es der Übersetzer nicht für unmöglich hält, dass
sie in Kinderkreisen aufgeführt würde. a)
Als Charakteristikum, statt jeder weiteren Analyse, mag
erwähnt werden, dass sich im Amphitruo keine Alcumena
findet, sein Inhalt demnach stark gekürzt und geändert wer-
den musste. 3)
Die französische Lustspieldichtung basierte lange
Zeit vollständig auf -der antiken. Mannigfach sind auch
die Beziehungen späterer Autoren zu den Komikern. Der
Abbe Prevost (1697 — 1763) bietet mancherlei Berührungs-
punkte mit Terenz;4) der Sekretär Ludwig des XIV., Pelisson
(1624 — 1693), war ein grosser Verehrer des Terenz;5) ein
neueres Lustspiel, „le jeunes gens", von Leon Laya (1855)
ist eine Nachahmung der Adelphi des Terenz.6) Auch an
Aufführungen altklassischer Stücke fehlte es im modernen
Frankreich nicht. So gingen am 30. Nov. 1844 im Odeon die
Wolken des Aristophanes in der Bearbeitung von Hippolyte
Lucas über die Bühne.7)
Das Verhältnis der alten Komiker, Plautus und Terenz,
zu den neueren behandelt eingehend das Werk des Abbe d' Alibi -
gnac „la pratique du theatre" (Amsterdam 1715).
Durch Übersetzungen ist Plautus in Frankreich durch
Mad. Dacier (1651 — 1720) (1683. 1691), Michel de Marolles
') Traduction des modeles de latinite tires des meilleurs ecrivains.
Premier recueil de poe"sie ou petites comedies extraites de Plante et de
Terence ä l'usage de la jeunesse chrötienne. (Paris, Louis Francois de
La Tour 1751.)
2) Ebenda, Avertissement p. VIII: Dans les maisons particulieres
oü l'on enseigne aujourd'hui communement le Latin aux jeunes Demoi-
selles on peut aisement assembler cinq ou six petits Acteurs, freres et
soeurs, taut enfans de la Familie que de Parens et d'Amis et leur faire
apprendre quelques-uns de ces petits Drames, pour en amuser innocem-
ment des Peres et Meres, et pour les delasser apres des occupations
serieuses.
3) A. a. 0. (S. 1 u. 2.) Jupiter sous la figure d'Ampbitrion fait
semblant d'etre de retour, apres avoir vaincu les ennemis et paroit
horame parmi les hommes. II joue le personnage de Citoyen, et se
pr<5pare de ipioi rire, pendant qu'Amphitrion fait la guerre contre les
Telebeeus. Mercure prend la forme de Sosie, qui est aussi absent.
Lorsque les veritables Amphitrion et Sosie paroissent, od so moque d'eux
d'une facon siuguliere. II arrive de lä que tonte la niaison est dans la
confusion. Ce qui dure jusqu'ä ce (pie Jupiter, diaparoissant, fait con-
noitre avec im coup de tonnerre dans l'air, qu'il est l'auteur de ce ba-
dinage. So ist alles Übrige.
4) Sainte-Beuve, Causeries du lundi. IX. 131.
5) Ebenda. XIV, 196.
6) Sainte-Beuve, Ebenda. XII, 512.
') H. Lucas, Histoire. EU, 365.
74 Die alten Komiker und
(geb. 22. Juli 1600; gest. 1681) (1658), Phil, de Limiers
(1719), Gneudeville (1719), I. B. Levee et le Monnier
(1820), Naudet (1831), Sommer (1876) u.a. bekannt geworden.
Zahlreicher und meist auch von grösserer litterarischer
Bedeutung sind die T er enz Übersetzungen, worüber nachzusehen
ist bei Brunet, Manuel de l'amateur ... IV. Bd. 412—423,
und Schweiger, Handbuch der klass. Bibliographie II, 2.
Nicht anders erging es im allgemeinen in England. Schon
im Jahre 1178 und 1180 begegnen wir den Übersetzungen des
Ter enz, welche der Benediktinermönch Henry und der Abt
von Peterborough veranstalteten.1) Terenz wurde in England
überhaupt oft übersetzt, und wenn Price von einer fast vollstän-
digen Unbekanntheit des Terenz im Mittelalter spricht, so ist er
leicht zu widerlegen.2)
„Gegen 1490 beginnt man die Klassiker wieder zu lesen.
Zwischen 1550 und 1616 werden die Werke aller römischen und
griechischen Geschichtschreiber und Dichter von Belang ins
Englische übersetzt."3) So übertrugen z. B. Alexander Ne-
vyle, Jon Studley, Thomas Nuce, Jasper Heywood
(1559 — 1581) den Seneka.*) (Herkules 1561. Troas 1559.
Thyestes 1560.) Die Übersetzungen des Terenz sind
zahlreich.5)
') War ton. I, 213: Henry a Benedictin monk of Hyde abbey
near Winchester transcribed in the year 1178 Terence . . . Bene-
dict abbot of Peterborough, author of the latin chronicle of King
Henry II . . . transcribed Terence . . . about the year 1180.
2) Ebenda. IT, 217. M. Price 's assertion as to the almost total
obliviscence of Terence in the middle ages is not founded on fact. No
classic author is offener quoted by monkish writers, and in the Bri-
tish Museum alone there are above thirty Mss. copies written
between the tenth and fifteenth centuries.
3) H. Taine, Geschichte der englischen Litter atur. (Leipzig 1877
bis 1880.) Deutsch bearbeitet von L. Katscher (Bd. 1) und GL Gerth
(Bd. 2. 3). I, 241.
4) A history of English dramatic litterature to the death of Queen
Anne by Adolphus William Ward. London 1875 (Macmillan & Co.).
S. 106. - Collier. HI, 13. 14.
5) Ebenda. S. 141: An English version of the Andria of Terence
was printed in 1530, and seems to have intended for representation.
(Collier. I, 88.) Another translation of the Andria was printed in 1588.
„Old Chremes in the play" is mentioned in the Death of Robert Earl
of Huntington. — Das Dictionary of Old English Plays existing
either in print or in inanuscript from the earliest times to the close of
the seventeenth Century, including also notices of latin plays written
by English authors during the sanie period by James 0. Halliwell
Esq. F. R. S. London (John Russell Smith 1860) führt an: S. 17. Andria.
Terens in Englysh. or the translacyon out of Latin into Englysh of the
Tragiker in England. 75
Collier1) nennt auch ein interlude „Jack Juggler", das
zehn his fünfzehn Jahre nach der Andria des Terenz erschien
und auf dem Amphitruo des Plautus heruhte.
Jocasta, nach den Phönissen des Euripides, wurde 1566
first comedy of Tyrens, callyd Andria. [Black letter, but tlie text, by
the side of the translation, is printed in Roman cliaracters. No dated.
Supposed to be printed by Kastell.] — Andria. Comedy by Maurice
Kyffin. 4to. 1588. [Tbis appears to be tbe second translation in our
language of any of Terence's works. It is printed in tbe old black let-
ter and bas tbe following füll title: „Andria, tbe first Comoedie of Te-
rence, in Englisb. A Furtherance for tbe Attainement unto the right
Knowledge and true Proprietie of tbe Latin Tong."] Dieses Buch bat
zwei Widmungen. In der zweiten beisst es, dass Kyffin vor sieben
Jahren das Meiste dieser Komödie in Versen übersetzte, jetzt aber Prosa
vorzog. ■ — • Andria, comedy translated from Terence by Richard
Bernard. 4to. 1598. 1607. 1614. 1629. — Andria, Comedy translated
from Terence, by Thomas Newman. 8vo. 1627. [This translation was
made for scholar's private representation in their schools.] — The first
comedy of Pub. Terentius, called Andria; or the Woman of Andros.
English and Latin; claused for such as would write or speake the pure
language of this author after any method whosoever, by specially after
the method of Dr. Webbe. 4to. 1629. — Ferner findet sich die Andria
bei Charles Hoole, six comedies of Terence 1663 und in Comedies
made English by L. Echard (1694). — (S. 88.) Eunuchus. A trans-
lation of one of Terence's comedies by Richard Bernard. 4to. 1598. 1629.
— The Eunuch, a comedy translated by Thomas Newman 1627. (Ferner
bei Hoole 1663 und Echard 1694.) — Die Tragödie The Eunuch von
William Heminges (4to. 1687) hat nichts mit Terenz gemeinsam. —
(S. 114.) Heauton timorumenos. A comedy by Terence, translated
by R. Bernard. 4to. 1598. 1629.— (S. 194.).. Phormio. A comedy by
Richard Bernard. 4to. 1598. Weitere Übersetzungen von Hoole,
Patrick, Echard u. a. — (S. 115.) Hecyra, a comedy translated from
Terence by Richard Bernard. 4to. 1598. 1629. — Bernard (1598.
1607. 1614. 1629. 1641), Hoole (1663. 1670. 1676), Echard (1694) u. a.
lieferten auch Übersetzungen der Adelphi. — Collier. I, 89. DI, 363.
DU, 13. — Über Echard s. Voisenon, Oeuvres. IV, 144. — Ganz mecha-
nisch sind die Bearbeitungen nach Dr. Webbes System, z. H. The |
second comedie | of | Pvb. Terentivs | called | Eunvchvs, | or, | The Eu-
nuche | English and Latine: | Claused for such as would write or speake ]
the pure Language of this Author, after any Method | whatsoeuer but
especially after the Method | of Dr. Webbe. London 1629. (237 S.) Dort
ist z. B. die Einleitung des ersten Aktes, wie folgt:
"TVThat shal — —
' » I doe — 1 there-
— — fore ?
2. 1. 1. 1.
r\uid igitur
W> faciam
should I not goe?
2. 1. 1. 2.
Non eam
what, not now,
2. 1. 1. 3.
ne nunc quidem
when I am sent for
2. 1. 1. 4.
Cum accersor
u. s. w. Man hat es also hier mit keiner Kunstübersetzung, sondern
nur mit einem Schulversuch zu thun.
') A. a. 0. DJ, 16. „Founded upon a play by Plautus."
76 Aufführungen alter Komiker
gespielt in der Bearbeitung von Gascoigne, Francis Kinwelmarsh
und Christopher Yelverton. ')
In den Klöstern spielte man häufig Plautus und Terenz. *)
Studierende spielten wahrscheinlich in lateinischer Sprache vor
König Heinrich VIII. in Greenwich Plautus (1528), 3) die
Andria des Terenz in Oxford (1559), 4) die Aulularia (1564)
iu Gegenwart der Königin Elisaheth,5) unter deren Regierung
die lateinische Schulkomödie besonders blühte. 6) Indessen, das
Volk sich seines Theaters freute, spielten die Studierenden ihre
Komiker7) und waren so „almost the only, certainly the most
rational companies of players that existed1'.8) Ihre Lehrer ver-
sahen sie dabei mit den nötigen Stücken. 9)
Selbst griechische Lustspiele gelangten zur Aufführung,
') A. a. 0. ITC, 6. 16. — Warton (IV, 323) bezeichnet dieses ano-
nyme interlude, „licensed and prob ably printed in 1563", als „the ear-
liest adaptation from Plautus in the English language".
2) Ebenda (IV, 3): Robert Barnes, prior of the Augustins at
Cambridge, at Louvain, with the assistance of bis scholar Thomas
P am eil, explained within the walls of his own monastery Plautus,
Terence . . . (um 1530).
3) Ebenda (III, 289): ... in 1528 a goodly comedy of Plautus pro-
bably in Latin was played before Henry VUI. at Greenwich. (Holin-
shed. LH, 850.) — Flögel, Gesch. d. kom. Litt. IV, 211. — Nach Klein.
XIII, 116 im Jahre 1§20.
4) Ebenda (III, 304): In an audit-book of Trinity Colledge Ox-
ford (I think for the year 1559), I find the following disbursements
relating to this subject „pro apparatu in comoedia Andriae VII 1.
IX s. IV d. pro refectione praefectorum et doctorum magis illustrium
cum Bursariis prandentium tempore comoediae IV 1. VII d." that is for
dresses and scenes in acting Terence's Andria.
5) Ebenda (IU, 306): In the year 1564 Queen Elizabeth had ho-
noured the University of Cambridge with a royal visit. Here she was
present at the exhibition of the Aulularia of Plautus and the tra-
gedies of Dido . . . and Hezekiel. — Klein. XUI, 178.
c) A History of English literature by Thomas B. Schaw. London
1878. (S. 111): The times of Elizabeth and James were particularly fer-
tile in Latin dramas composed at the universities and these sovereigns . . .
were entertained by the students of Oxford and Cambridge with Latin
plays. — Collier. III, 13 A classical taste began to be generally ap-
parent very soon after Elizabeth came to the crown, and it produced
its effects upon our national drama.
T) AVarton (HI, 310). The scholars of the times 'were coinposing
and acting plays on historical subjects and in imitation of Plautus
and Terence.
*) Ebenda.
9) The learned school-master Udall (-{• 1556) did not deem it un-
worthy to provide amusement for his boys by writing comedies after
Plautus and Terence, for theni to perform. (Gorboduc, ed. L.
Toulmin Smith. Heilbronn 1883, S. VI.) — Vgl. auch zur Sache:
S. Payne Collier, The History of English Dramatic Poetry to the
time of Shakespeare; and annals of the sta^e to the restoration. Lon-
don 1831. H. Bd.
in England. Boister Doister. 77
so der Plutus des Aristophanes in Cambridge.1) Im Prologe zu
Udalls Roister Doister werden Plautus und Terenz aus-
drücklich genannt-,2) Shakespeare erwähnt im Hamlet3) Plau-
tus und Seneka: „Seneca cannot be too heavy, nor Plautus
too light;"4) Skelton lässt in seiner allegorischen Dichtung
Garland of Laurel alle ,,poets laureate" vor Pallas erscheinen,
darunter auch Mai st er Terence, „the famous comicur with
Plautus."5) In William Cartwrights (geb. zwischen 1611
und 1615; gest. 1643) ..The lady errant" (1651) ist eine Szene
dem Aristophanes entnommen.6)
Freilich fehlte es auch in England nicht an Agitationen
gegen die klassische Litteratur. Um frühere zu übergehen, müsste
man auf den berüchtigten Histriomastix des William Prynne7)
hinweisen, dessen allgemein theater feindliche Stellung sich auch
gegen die Alten kehrt. Alle Christen, meint er, hätten dahin
zu wirken, die Verbreitung der heidnischen Autoren zu verhin-
dern, vornehmlich „Ovids wanton Epistles and Bookes of love,
Catullus, Tibullus, Propertius, Martiall, the Comedies of Plau-
tus, Terence and other such amorous bookes savouring either
of Pagan Gods, of ethnicke rites and ceremonies or of scurrility
amorousnesse and prophanesse. " 8)
Allerdings war der Einfluss der lateinischen Komödiendichter
auf die Theaterentwicklung auch in England von ganz besonderer
Macht,9) und nicht mit Unrecht griff darum Prynne auch diese
an. Zu welch herrlichen Figuren die antiken Gestalten gerade.
') Ward a. a. 0. S. 141. It may be worth remembering that a
comedy of Aristophanes, the Plutus had been performed at Cambridge
in the original Greek about the same time (um 1588). (Morley, first
sketch. p. 301.)
2) Ebenda.
3) Akt 2. Szene 7.
4) Dazu bemerkt Warton (III, 309): I believe, the frequency of
these school-plays suggested the name of Seneca and Plautus as dramatic
authors, where Hamlet speaking of a variety of theatrical Performances
says: Seneca u. s. w. — Man bemerke jedoch die ganz richtige Charak-
terisierung beider als heavy und light.
5) War ton. HI, 281.
fi) Halliwell. S. 140.
7) Histriomastix, the Player's Scourge or Actor's Tragedy. Lond.
1633, doch schon 1632 erschienen. (Collier. H, 39.)
8) Warton. IV. 232.
!1) Ward a. a. 0. S. 146. „Comedy sprang more easily from the
lnoralities through the transitional phase of the interludes and with the
aid of the examples of Plautus aud Terence and secondarily of the
Italian comic dramatists." — Man vgl. unter anderm auch z. B. George
Gascoignes (gest. 7. Okt. 1577) „tragicall comedie" — The Glasse
of Gouernement — wo sich ganz in römischer Art Kuppler, prah-
lerische Krieger, Parasite, Sklaven u. dgl. finden. (S. Collier, Hist.
Dram. Poet. HI, 7.) — Child, Four Old Plays. Introduction XXIX.
78 Shakespeare. Th. Heywood.
in England sich ausgebildet haben, wird die weitere Darstellung
zu zeigen haben.
Die direkten Nachahmer des Plautus sind in Eng-
land weniger, als anderswo; unberechenbar jedoch ist
der Einfluss, welchen gerade hier die römischen Ko-
miker geübt haben, zahllos die Szenen, unzählbar die Stellen,
welche die an ihnen herangebildeten Dichter denselben ent-
nommen haben.
Shakespeare hat in seinem Lustspiele „the Comedy of
Errors" — gleichviel, woher er den Stoff schöpfte1) — die
Menächmi des Plautus verewigt. Während die einen hart-
näckig dem grossen Dichter die Fähigkeit absprechen, die antiken
Komiker zu lesen, suchen und finden andere bei ihm zahlreiche
Stellen, welche eine Kenntnis des Plautus2) und Terenz3) be-
weisen sollen.
Thomas Heywood (1582 — 1640) dichtete nach Plautus
die Sage vom Amphitruo in seinem „The silver age"; er be-
nützte einen guten Teil der Mostellaria in seinem „The
J) Siehe hierüber unter Menächmi. — Vgl. Paul Stapfer, Shake-
speare et l'antiquite. (Paris 1879.) Bd. I, S. 125. „De quelque maniere
que Shakespeare ait connu l'oeuvre de Piaute, les Mänechmes sont
la source classique de la comädie des Mäprises."
2) G. Colmau, der Übersetzer des Terenz (1765) äussert sich
hierüber (XXI): Besides the ressemblance of particular passages, scat-
tered up and down in different plays, it is well known, that the whole
Comedy of Errors is in great measure founded on the Menaechmi
of Plautus; but I do not recollect ever to have seen it observed, that
the disguise of the Pedant in the Taming of the Shrew, his assuming
the name and character of Vincentio together with his encountering the
real Vincentio, seem to be evidently taken from the disguise of the
Sycophanta in the Trinummus of the same author: and there is a
quotation from the Eunuch of Terence also, so familiarly introduced
into the dialogue of the Taming of a Shrew, that I think, it puts the
question of Shakespeare's having read the Roman comick
Poets in the original language out of all doubt.
Tranio: Master, it is no time to chide you now. Affection is not
rated from the heart. If love hath touch'd you, nought remains but so.
Bedime te captum quam queas minimo.
Lorenz (Ausg. des Miles) S. 262: „Dass W. Shakespeare den Plau-
tus kannte und schätzte, ist aus verschiedenen Thatsachen ersichtlich;
namentlich aus seiner Comedy of Errors; es ist auch möglich, dass
ihn bei den verschiedenen Katastrophen in Merry wives of Windsor
zuerst die Erinnerung an die Schlussszene im Miles gloriosus leitete;
er verdankt jedoch weder ihr noch überhaupt den plautinischen Schil-
derungen irgend etwas für jene unvergleichlichen prahlerischen und
feigen Wüstlinge und Spitzbuben."
3) Anklänge Shakespeares an Terenz bemerkte Colman: Preface
p. XX; XXIL S. 115. 150. 156. 274. 375. 380. 484. — Vgl. die Abhand-
lung (2) „Einflüsse des Altertums" bei Max Koch, Shakespeare
(Stuttg. 1885), S. 145 — 159, und die Einleitung zum ersten Bande
bei P. Stapfer.
Dryden. Shadwell. Fielding u. a. 79
English traveller". — Jolin Dryden (1631 — 1700) ahmte den
Amphitruo nach, welchen später Hawkesworth überarbeitete.
Shadwells „Miser", sowie Henry Fieldings (geb. 22. April
1707; gest. 8. Oktober 1754) „The Miser" verdanken ihre
Entstehung' weniger der Aulularia als Molieres „Avare"; sowie
auch des letzteren Vaudeville „The intriguing chambermaid"
zwar der Stoff der Mostellaria ist, jedoch zunächst auf Reg-
nard beruht.
Die Ausgaben der hervorragendsten englischen Bühnendichter
weisen zahlreiche Reminiszenzen an die alten Komiker auf. Nicht
bloss der gelehrte Ben Jonson (geb. 11. Juni 1574; gest. 16.
August 1637) steht in seinem Stücke The case is altered auf
dem Boden der Aulularia und Captivi und streift die
Mostellaria in seinem Alchemist, die Casina in seiner
Epicoene, den Miles mit seinem Kapitän Bobadill, auch
andere zeigen allenthalben die Spuren der Alten.
Der Verfasser des Stückes Timon1) ist sehr vertraut mit
den Lateinern und insbesondere mit Plautus. Die Namen
seiner Personen — Gelasimus, Philargurus, Grunnio —
weisen auf diesen Dichter hin; einzelne Stellen sind ihm wörtlich
entnommen. So weist z. B. (S. 9) „her gowne is rent" auf den
Truculentus (V. 53): „Aut aurum periit, aut conscissa est
pallula", hin.
Die Stelle (S. 52):
Grunnio: He teils
How many spyders are about his house,
Leaste any one of vs steale one of them;
And in a vessell cliarily does keepe
The vrine of his hungry faniily,
And sells it to the diares; when he sleepes,
Ties a pair of bellowes to his winde pipe.
Obba: Why soe?
Grunnio: Leaste in his sleepe he lose parte of his breathe
ist natürlich der Aulularia (V. 295) entnommen:
Strobilus: Quin, quom it dormitum, follem [sibi] obstringit ob gulani.
Congrio: Cur?
Strobilus: Ne quid animae forte amittat dormiens.
Die ganze an Erinnerungen an lateinische, ja sogar griechische
Autoren reiche Komödie beweist, dass ihr Verfasser „in Athen
wohl zu Hause [ist]; seine Hauptquelle ist Plautus; aber
auch Lucian und Aristophanes kennt er".2)
') Timon, a play. Now first printed. Edited by the Rev. Alex-
ander Dyce. London (Shakespeare Society) 1842.
2) Rapp, Studien. S. 127. 128.
80 Massinger. Middleton. Lilly u. a.
Philip Massinger (geb. 1584; gest. 17. März 1640) ist
überreich an Stellen, die Juvenal, Horaz, Sophokles entnommen
sind; sein „A very woman" hat eine Szene ans dem Curcnlio.
— Thomas Middleton (gest. 1628) hat zu seinem „No wit
(help) like a woman's" beim Epidicus des Plautus geborgt.
Eine ganze Reihe plautinischer Erinnerungen bietet das nach dem
Italiener de IIa Porta gearbeitete Stück Tomkins' Albuinazar.
John Lillys „A pleasant conceited comedie" : Mother Bombie
(gedr. 1594 und 1598) ist nach Rapp1) „im Sinne des Terenz"
geschrieben. Ebenso beruht der Gedanke von John Marstons
„The Parasitaster or the Fawn" (1606)2), auf Terenz'
Adelphi „und ist nachher von Moliere in der Ecole des Maris
methodischer entwickelt worden".3) Wieder nach den Adelphi
des Terenz ist „the scornful lady/J) (1616) des Dichterpaares
Beaumont (1585—1615) und Fletcher (1576— 1625)5) gear-
beitet. Das Lustspiel des Thomas Sh ad well „The squire of
Alsatia" (1688) beruht gleichfalls auf den Adelphi des Te-
renz.6) Ein grosser Verehrer des Terenz ist William Con-
greve (1672 [?] — 1729), der sich diesen Dichter, den er „the
most correct writer in the world" nennt, zum Vorbild
nimmt.7) Auch George Colman (1733 — 1794) benützt die
Alten. 8)
Ob in Anthony Mundays „John a Kent and John a Cum-
ber" (1595) wirklich ein Einfluss des Amphitruo thätig war,
wie Rapp9) annimmt, ob auf Addisons Gespenst mit der
Trommel die Mostellaria, auf Drydens Sir Martin Mar-all
') Studien. S. 37.
2) Haliwell. S. 188.
3) Rapp, Studien. S. 41.
A) Im zweiten Bande von „The works of Beaumont and Flet-
cher". Ausg. von Weber in vierzehn Bänden. Edinburg 1812.
5) Rapp, Studien. S. 65.
6) Haliwell a. a. 0. S. 236. „This play is founded on the Adel-
phi of Terence, the characters of the two eider Beifonds being
exactly those of the Mincio and Demea and the two younger Bel-
fonds, the Aeschinus and the Ctesipho of that celebrated comedy."
7) In der Widmung seines Lustspieles, „The way of the world"
an Ralph, Earl of Montague, sagt er: Some of the coarsest strokes of
Plautus so severely censured by Horace, were more likely to affect the
multitude; such who come with exspectation to laugh at the last act
of a play and are better entertamed with two or three unseasonable
jests than with the artful Solution of the fable. Alsdann folgt ein
grosses Lob des Terenz.
8) So bemerkt z. B. der Herausgeber von „The jealous wife", a
comedy of George Colman (London 1792), S. 3. „The short scene of
Charles's intoxication at the end of the third act is partly an imitation
of the behaviour of Syrus muck in the same circumstances, in the
Adelphi of Terence."
9j Studien. S. 55.
Die alten Komiker in den Niederlanden. Q\
die Bacchides,1) auf Murphys „The Citizen" der Mercator
eingewirkt hat, 2) mag dahingestellt hleiben. Mit besonderer Vor-
liebe aber bearbeiteten englische Lustspieldichter die Gestalt des
prahlerischen Thraso und Pyrgopolinices. Voran schreitet
Udall mit seinem Royster-Doyster, dem Miles gloriosus,
der in zahlreichen englischen Stücken, in Lillys Endimion,
Chapmans May-day, Beaumonts und Fletchers: A king
and no king und the custom of country, in W. Congreves
„Old batchelor" und vielen andern eine hervorragende Rolle
spielt, der Verbreitung, die er als Bobadill des Ben Jonson,
und der Verklärung, die er als John Falstaff bei Shakespeare
samt seinem Gefolge erreicht, nicht zu gedenken. (S. S. 106.)
Eine Übersetzung des Plautus lieferte 1767 Bonnel
Thornton.3)
In den Niederlanden treffen wir im Jahre 1615 eine
Nachahmung des Eunuchen des Terenz in dem Lustspiele
„Moortje" (das Mohrenmädchen) des Gerbrand Adriaanse
Brederoo (1585 — 1618). 4) Ein Jahr später schrieb Pieter
Cornelisz. Hooft (1581 — 1647), durch Brederoos Moortje ver-
anlasst, sein Lustspiel Warenar, eine Nachahmung und Lokali-
sierung der Aulularia des Plautus, die sich hohe Anerkennung
errang.5) Das Moortje wurde später von Dr. Coster nachge-
ahmt.6) Jonckbloet zeigt übrigens, aus welchen Gründen
diese lateinischen Komödien den Niederländern nicht besonders
anstunden.7) — Eine holländische Terenz Übersetzung stammt
(aus 1596) von Cornelis van Ghistele, eine weitere (aus 1633)
von Jacob Westerbaen (1599—1670).
In Dänemark entwickelte sich im sechszehnten Jahr-
hundert eine besondere Vorliebe für die antike Litteratur und
speziell die Komiker. Es erschienen Übersetzungen des Ovid,
Terenz u. a. Klassiker.8) König Friedrich IL (1559 — 1588)
*) T. Maccii Plauti comoediae, recensuit et enarravit Joannes
Ludovicus Ussing. (Havniae, sumptibus librariae Gyldendalianae 1875.)
Bd. IL S. 370.
2) Rapp, Studien. S. 170.
3) The Comedies of Plautus translated into familiär blank verse.
2 voll. London 17(37. (2. Ausg. 1769.)
4) W. J. A. Jonckbloet, Geschichte der niederländischen Litteratur.
Deutsche Ausg. von W.Berg. 2 Bde. (Lpz., Vogel 1870. 1872.) IL Bd. S. 129.
s) Ebenda. LI, 132.
6) Ebenda. II, 131.
*) Ebenda. IL, 133 ff.
8) Alberti Thura . . . | Conspectus | Danorum, | qui | partim com-
mentariis j suis eruditis, | partim quoque versio uibus Danicis, | de | lin-
guäe Romanae | et Graecae | scriptoribus | meruerunt . . . Hafniae 1740.
Eine Reihe von dänischen Humanisten siehe bei Graesse, Allgemeine
6
g2 Holberg und die alten Komiker.
liess den Terenz übersetzen und in prachtvoller Ausstattung vor
dem versammelten Hofe spielen. ')
Der bedeutendste Interpret der alten Komödiendichter ist in
Dänemark Ludvig Holberg (geh. 1684 in Bergen; gest.
28. Januar 1754) geworden. Mit Bewunderung hing er an den
Komikern Terenz und Plautus, besonders an letzterem, dessen
„Amphitruo, Aulularia und Menächmi noch immer die
schönsten Stücke sind, die wir haben."'2)
Bei dieser Anschauung von den Alten ahmte ihnen Holberg
eifrigst nach. Sein glücklicher Schiffbruch ist nach den
Wolken des Aristophanes. 3) Sein Abracadabra oder das
Hausgespenst basiert auf der Mostellaria des Plautus.4)
Der Dietrich Menschenschreck, oder wie Holberg das Stück
in der Lebensbeschreibung (H. S. 177) nennt, „Der listige
Heinrichs," ist dem Pseu dolus und stellenweise dem Curculio
nachgeahmt. Im Jacob von Thyboe hat er hauptsächlich den
Miles gloriosus des Plautus und den Thraso des Terenz
vor Augen gehabt.5) Auch in anderen Dingen verleugnet Hol-
berg seine Vorbilder nicht, deren Gestalten er insgesamt auf die
Bühne bringt, und deren er sich unwillkürlich oft erinnert. 6)
Litteraturgeschichte. II, 2. S. 934; bei Marinier, Histoire de la litte-
rature en Danemark et en Suede. Paris 1839. S. 27 — 39. — Vgl. Lud-
vig Holbero-. Sein Leben und seine Schriften. Von Robert Prutz.
Stuttgart 1857. S. 32.
') Marinier a. a. 0. S. 95. Souvent ä Copenhague, il (Frederic LT)
faisait venir les etudiants au chäteau pour representer des pieces dra-
matiques, et le jour de la naissance de son fils Chretien IV., il les appela
pour jouer une tragedie (!) de Terence. — Prutz. S. 33.
-) Verm. Briefe. Bd. HI, Brief 7. S. 37. — Prutz. S. 151.
3) Ebenda. S. 191.
<) Verm. Briefe. Bd. V. Brief 9. S. 72. - Prutz. S. 169. 190. 205.
5) Ebenda. S. 131. 190.
6) So gedenkt er in „Henrich og Pernille" des Amphitruo.
(Ludvig Holbergs Comedier udgivne for det Holbergske Samfund af
F. L. Liebenberg. [Kjöbenhavn 1849.] Fj erde Bind, p. 34.) Har jeg
mine dage hört magen til saadant? Her spilles jo samme historie
med mig som med Amphitrion. Mine huusfolk tar mig for een der
löber med limstangen. Jeg befaler. de svare at jeg har intet at befale.
Jeg spör om min Tiener, de sige han gik ud med Herren for en halv
tiime siden. Jeg siiger dem, at jeg er herre i huuset, de svare: ikke i
dette, men maaskee i et andet. Jeg giör mig vreed, de viiser mig dör-
ren, og truer mig med deres herre. 0m jeg stod paa mit hoved, saa
kan jag ikke begrübe det ringeste deraf. Men der ser jeg Arv. Hör
Arv. (Die dänische Schaubühne, geschrieben von dem Freyherrn Lud-
wig von Holberg und nun in die deutsche Sprache übersetzet. Dritter
Band. (Copenhagen u. Leipzig, verlegts Gabriel Christian Rothe 1750.)
Seite 217: Hab ich mein Lebtag dergleichen gesehen oder gehört? Hier
spielt man ja eben dieselbige Historie mit mir, wie mit Am-
phitrion. Mein Gesind will mich nicht erkennen. Ich befehle, und
meine Leute antworten, ich hätte nichts zu befehlen. Ich frage nach
meinen Laqvaien; so heissts: Er seye von einer halben Stunde mit sei-
Die alten Klassiker in Ungarn. 83
So verdient er wohl, von Gottsched als der „dänische
Terenz",1) von Prtitz2) als der „dänische Plautus" bezeichnet
zu werden, und in der Vorrede zur deutschen Schaubühne (1740) 3)
heisst es mit Recht: „dieser berühmte und sinnreiche Mann hat
in Dänemark dasjenige geleistet, was Plautus in Rom oder
Moliere in Frankreich gethan haben."
Weniger gepflegt waren die lateinischen Komiker in Schwe-
den, da noch im Jahre 1865 Henning Wendell in seiner
Übersetzung der Andria4) seine Arbeit als die erste derartige
in Schweden bezeichnen kann.5)
In Ungarn enthielt die reiche Corvina6) Handschriften aller
plautinischen und terentianischen Stücke. 7) Johannes Sambucus
(Zzämboki) gab im sechszehnten Jahrhundert den Plautus,8)
Esaias Budai (1685) den Terenz heraus.9) Schon früher finden
sich vereinzeinte Übersetzungen der Klassiker, wie die von Bartho-
lomaeus Frankfurter gefertigte Übertragung der Batracho-
myomaehie, sowie die in plautinischer Form und Stil
abgefasste Komödie „Gryllus". 10) Später (1782) übersetzte
nem gnädigen Herrn ausgegangen. Ich sage ihnen, ich sey der Herr im
Haus, so ist ihre Einwendung: nicht in diesem, vielleicht in einem an-
dern. Ich zürne, und sie weisen mir die Thür und drohen mir, es ihrem
Herrn zu klagen. Ohnmöglich kann ich diese Begebenheit begreifen.
Aber hier sehe ich Hansen." — .Der plautinische Amphitruo war im
Jahre 1723 in dänischer Übersetzung in Kopenhagen aufge-
führt worden. Hierüber berichtet Alb. Thura (I.e. S. 5): „Cornoedia
vero Plautina. Amphitruo dieta. Danice translata est, & in Theatro
Hafniensium Danico publice an. 1723 exhibita, moxque Hafn. aliquoties
edita in 8." — Der erste Band einer dänischen Übersetzung des
Plautus von Guldberg erschien 1812 in Kopenhagen.
•) Die dänische Schaubühne. S. V. — Prutz. S. 201.
2) A. a. 0. S. 222.
3) Vom Jahre 1740. (IL Teil Lpz. 1746.)
4) Flickan frän Andros. Lustspei af Publius Terentius Afer, af
H. Wendell. (Lund 1865.)
5) „Den öfersättning af Terentii Andria är, sävidt jag har mig be-
haut, den första i sitt slag pä svenska spräket." Dagegen
spräche allerdings eine Notiz in Schweigers Handbuch (LI, 2; S. 1083),
wo angeführt wird: Terence Comedier, pä svensk öfversatt. 3 tom. 12.
Stockholm 1699—1708.
u) Vgl. Litterarische Berichte aus Ungarn, herausgegeben von Paul
Hunfalvy. Zweiter Band (Budapest, Knoll 1878). S. 556—581. Die
Bibliothek des Königs Matthias Corvinus von Dr. Eugen Abel, wo
S. 581 berichtet wird, die Corvina sei den grösseren gleichzeitigen ita-
lienischen Bibliotheken (Laurentiana, Vaticaua, Marciana u. a.) gleich-
gestanden.
7) Ebenda. S. 569.
8) Ebenda. S. 238 — 262. Die klassische Philologie in Ungarn von
Dr. Eugen Abel. S. 247.
9) Ebenda. S. 249.
10) Ebenda. S. 247. „Andrerseits können auch die von Bartho-
6*
84 Die alten Komiker in Deutschland.
Alexander Kovasznay in ungenügender Weise Stücke von
Plantus und Terenz in Prosa (Mostellaria, Andria);') im
Jahre 1828 übersetzte Johan Kis die Andria und 1831 den
Eunuchus. -) Ob Georg Fejers, „der alte Geizhals", der nach
einer lateinischen Handschrift ins Ungarische übersetzt wurde, 3)
auf der Aulularia beruht, vermag ich nicht zu bestimmen.
Hinsichtlich seiner Vorliebe für die klassische Litte-
ratur und des Verständnisses derselben darf sich Deutsch-
land mit Italien messen.
Frühe begegnen wir hier der Gandersheimer Nonne Hrots-
witha (=Clamor validus), gegen 980(967), welche in ihren sechs
Stücken, dramatisierten Legenden, 4) der Freiheit der terentianischen
Komödien einen Damm entgegensetzen wollte. Das überschweng-
liche Lob, das ihr Gottsched,5) bei welchem sich Gallicanus
übersetzt findet, gespendet hat, kann man nicht teilen. Ihre
Stücke sind vielmehr nichts weiteres als verunglückte Nach-
ahmungen des terentianischen Stiles;6) Plautus kannte sie
nicht.7) Übrigens lässt selbst die äussere Form dieser Spiele
keinen Vergleich mit Terenz zu".8) Ihre Stücke waren trotz
der Annahme einiger Gelehrter9) für die Aufführung nicht be-
lomaeus Frankfurter verfässten Übersetzungen der homerischen Ba-
trachomyomachie und die in plautinischem Stile gehaltene Komödie
,Gryllus' als Zeichen dienen, dass die klassische Philologie auch bei
uns eine ernstere Richtung genommen hätte, wenn nicht die unglück-
liche Schlacht bei Mohäcs (15^6) mit Einem Schlage auf lange Zeit alles
wissenschaftliche Leben in Ungarn vernichtet hätte."
') Geschichte der ungrischen Dichtung von den ältesten Zeiten bis
auf Alex. Kisfaludy von Toldi. Übersetzt von Gustav Stein-
acker. Pest (Heckenast) 1863. S. 373.
2) Litterarische Berichte u. s. w. LT, 252.
3) Toldi. S. 449.
4) Abraham; Callimachus; Dulcitius; Fides et Spes, die Töchter der
Sapientia; Gallicanus; Paphnutius. (Ft. Koepke. Ottonische Studien.
II. Hrotsuit von Gandersheim.) (Berlin 1869.)
5) Nöth. Vorrath. IL 6-39.
6) K. Gödeke, Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung
aus den Quellen. 2. Aufl. (Dresden 1884.) I, 32. 486. — Ward. S. 3.
Hroswitha borrowed nothing but the outward form of Terence. — Ed.
du Meril, Origines lat. S. 16.
7) „Plauti comoedias Hrosuitham legisse Rudolphus Koepkius
in docto, quem de ea scripsit libro p. 142. 143. 145 existimat; sed ut
dubitanter loquatur." S. die Widerlegung inMauricii Hauptii opus-
cula. (Lipsiae 1876.) Vol. HI. S. 587. — Hase, Das geistliche Schau-
spiel. S. 9.
8) H. Kurtz, Geschichte der deutschen Litteratur mit ausgewählten
Stücken. (Lpz. 1873.) I. 715.
9) Z. B. Charles Magnin (1845) und W. E. Hartpole Lecky,
Hrotswitha. Notker Labeo. Nythart. 85
stimmt und kamen auch nie auf die Bühne. a) Sie waren nur auf
die Lektüre berechnet.2)
Schon am Beginne des elften Jahrhunderts übersetzte ein
Mönch von St. Gallen, Notker Labeo (gest. am 22. Juni
1022), die Andria des Terenz. 3) Die Arbeit, über welche er
an den Bischof von Sitten berichtete, ist verloren gegangen.
Bekannt ist auch, welchen Sinn der deutsche Kaiser Otto
der Grosse (936 — 973) für die Schönheit der Dichtungen des
Terenz besass.4)
Mit der Veröffentlichung der Komödien der Hrotswitha durch
den allenthalben5) thätigen Konrad Pickel (M eis sei), genannt
Celtis, aus Wipfeld (1459 — 1508), wurde auf Terenz nachhaltig
hingewiesen und dessen Nachahmung gefördert.
Das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts brachte in Deutsch-
land verschiedene Terenzübersetzungen. Aus dem Jahre 1486
stammt der Eunuchus des Nythart aus Ulm: Hernach volget
ain Maisterliche vnd wolgesetzte Comedia, zelesen vnd zehören
lüstig vnd kurtzwylig, die der Hochgelert vnd gross Maister vnd
Poet Tberencius gar subtill, mit grosser kunst vnd hohem flyss
gesetzt hat, darin man lernet die gemuet aigenschaft vnd sitten
Geschickte des Ursprungs und Einflusses der Aufklärung iu Europa.
Deutsch von Jolowicz. Lpz. 1868. II, 243. — Genee, Lehr- u. Wander-
jahre des deutschen Schauspiels. Berl. 1882. S. 7. — Glaser, Gesch.
des Theaters in Braunschweig. 1861. S. 3.
') Gottsched, Nöth. Vorr. I, 4 ff. — E. M. Plümike, Entwurf
einer Theatergeschichte von Berlin. (Berlin u. Stettin 1781.) S. 5 u. 6. —
Gervinus. II, 564. — Grimm, Latein. Gedichte des X. und XI. Jahr-
hunderts. — A. Koberstein, Grundriss der Geschichte der deutschen
Nationallitteratur. 6. Aufl. Lpz. 1884. I, 399. — Klein. III, 648—754.
— G. Frey tag, De Hrosuitha poetria. Vratislav. 1839.
2) Im Jahre 1501 hat Konrad Celtis diese Stücke herausgegeben
(vgl. Ch. Schmidt, Histoire litteraire de l'Alsace. I. S. 207. Anm. 47);
fernerhin Barack, Nürnb. 1858. — Vgl. Roswitha u. Conrad Celtes
von Jos. Aschbach. (Wien 1868.) — Hroswitha von Gandersheim.
Comödien, übersetzt und erläutert von J. Bendixen. Altona 1850, Lü-
beck 1858. — Flöge 1. IV, 281 ff.
3) Grimm, Göttinger Gelehrte Anzeigen 1835. Nr. 92. S. 911— 913.
— K. Gödeke, Deutsche Dichtung im Mittelalter. 2. Aufl. Dresden 1871.
S. 40. — Ward a. a. 0. S. 4. — Kehrein. Die dramatische Poesie der
•Deutschen. (Lpz. 1840.) I, 47. — Schnorrs Archiv. VII, 158. — Gö-
deke, Grundriss. (2. Aufl.) I, 26. 485. — Koberstein. (6. Aufl.) 1,87.
'') v. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit. I. Bd.
S. 322. „Als er (Otto) dann später die Lust spiele des Terenz las, sah
man ihn bei den ausgelassenen Stellen keine Miene verziehen; kein
Lächeln kam über seine Lippen; er empfand die Schönheit der Form;
sie nahm seine Aufmerksamkeil ganz gefangen."
5) Über Celtis' humanistische Thätigkeit in Ungarn s. Dr. Eug.
Abel, „Die gelehrte Donaugesellschaft des Konrad Celtes in Ungarn."
S. 321—349 des vierten Bandes der Litterarischen Berichte aus Ungarn.
Herausgegeben von Paul Hunfalvy. 1880.
86 Nythart.
der Menschen des gemainen Volks erkennen. Darumb ain yeden
so durch lesen oder hören dess wissen empfachet sich dester bass
vor aller Betrügnuss der bösen Menschen mag hütten vnd wissen
zebewaren.
Am Ende (fol. 93) steht: Dise Comedia hat Hanns Nythart
zu Vlm lassen trucken den Cunrad Dinekmut, in fol. Nach
Crists gebürt m. cccc. Ixxxvj Jar.
Das Werk liegt auf der Zwickauischen Bibliothek und ist
ein Foliant von vier und neunzig Blättern. Das Ganze enthält
überall Erklärungen zur Sache, so z. B. zum Titel „Eunuchus,
das ist in teutsch Hamling".1)
Im Jahre 1499 erschienen in Strassburg alle Komödien
des Terenz in Prosa von einem unbekannten Verfasser. „Te-
rentius der hochgelert vnd allerbruchelist Poet von Latin zu
Tütsch transferirt, nach dem Text vnd nach der gloss. In sinen
VI büchern vss dem ein yeglicher mensch erkennen mag die sitten
vnd gemüt der andern menschen. " 2)
Die Vorrede beweist, wie beliebt einzelne Stücke des Te-
renz damals waren. Die Teilnahme, welche einige derselben
fanden, veranlasste die Übersetzung weiterer. Das Titelblatt hat
einen Holzschnitt. Auf der zweiten Seite steht:
Zu Carthago in der Stat so hoch
Ward geboren ich Therencius, doch
Zu dem Römschen rieh kam ich gerobt
Von miner Vernunft vast hoch begobt
Aller menschen sytten beschriben hab
Gar von iugent an biss in das grab.
Wie auch die knecht die herren betriegen
Wie ein schnöd fraw und frihard lugen
Ein yeglicher der das lesen ist,
Der macht sich sicher zu aller frist.
Alsdann folgt die Vorrede: „allen vnd y ecklichen Erbern
frumen vnd redlichen Tütschen ist daz Buch getütscht vnd gedruckt
durch rat vnd angeben hochgelerter Kit, doktor vnd meister, die
das nützlich sie allen tütschen erkannt haben" u. s. w.
Jede Komödie hat ihre Holzschnitte. Das Bild zur Andria
findet sich in Gottscheds „Nöthigem Vorrath". Die Akte
heissen Übungen; die Auftritte Szenen; die Sprache ist sehr
ungewandt. Der ganze Band hat einhundert acht und sechzig
gezählte Blätter. Am Ende (Fol. 168) heisst es: Getruckt in
') Gottsched, Nöth. Vorr. I, 37. — Panzer, Annalen 1, No. 235.
— Koberstein. I, 399. — Gervinus. II, 60G. — Gödeke, Grundriss.
2. Aufl. I, 444. — R. Gene"e, Lehr- und Wanderjahre des deutschen
Schauspiels. Berlin 1882. S. 29 ff.
2) Gottsched, Nöth. Vorr. I, 3.
Albrecht von Eybe. 87
der keiserlichen vnd fryen statt Strassburg von Hanss grünynger.
Vnd seliclicli geendet vff zynstag vor sant Gregorientag. Nach
Christi geburt 1499.
Proben finden sich am angeführten Orte bei Gottsched;1)
ebenso bei Gödeke2) zu den Übersetzungen von 1486 und
1499. Die ersten Worte mögen als Muster der Arbeit hierstehen:
I. Auftritt. Symo. Sosia.
Jr die Ding hynnyn, nementz kynweg, gond darvon. Oder also
secundum donatum» Jr neinent binb die Ding hynnync ganzen hinwegk.
Sosia näher dich mird, mit wenigem ich dich will.
»Mit versag mangelt, das er nit anfacht mit dem eygen namen.
Desglichen das Virgilius anfacht mit dem eigen namen.
bEr meldet ein Vrsach den andern hinwegk zu zon, so er spricht.
Nemet hin die Ding synyn, das er mit argkwon ynstosse den Sosiam
blyben sin, vss vrsach im teilhafftig machen seiner heymligkeit u. s. w.
Im Jahre 1511 erschienen Albrechts von Eybe (geb. 24.
August 1420; gest. 24. Juli 1475) Menächmen und Bacchides
in Augsburg,3) von seinem Neffen, dem Bischof von Eichstädt,
Gabriel von Eybe, herausgegeben. „Spiegel der sitten im latein
genant Speculum morü. Von guten vnd bösen sitten. Von sünden
vnd tilgenden dargegen. Von ständen vnd ämptern mancherlay per-
sonell (bis hierher in rotem Drucke). Dabey auch nachvolgklich Co-
medien Plauti in Menechino et Bachide vnd Philegenia Vgolini.
kurtzweilig vn schimpflich zu lesen. Darauss man nemen mag leere
vnd vnderschied guter sitten und pöser dargegen. Die guten zu
begreiffen vnd die bösen zu vermeiden: Nach vermuttuiig des
Edeln hochgeleertn vnd wirdigen herrn Albrechts von Eybe. in
baiden rechten doctor der diss buch auss vil gütlicher leerer vnd
haidnischer natürlicher maister büchern arbaitsamlich getzogen vn
vom latein in teutsch gewendt hat." Auf sechs nicht numerierte
Blätter folgen einhundert ein und neunzig numerierte in klein
Folio. Auf Folio 190a heisst es: „Mit lob des allmechtigen ist
angefangen, volfürt vnd glücksäligklich geEiidet diss löblich buch
') Auch Kehrein a. a. 0. I, 74 führt (aus Ristgräf f, Hist. Antiq.
Wien 1815) Sprachproben als von Eybe stammend an. Wie er den Text
zitiert, geht daraus hervor, dass er die Anmerkungen abc zum Texte
schlägt und z. B. a und d ganz auslässt, statt hynb hynb, statt hync
hync u. s. w. schreibt. Allerdings spricht Kehrein (S. 71) auch von
Nachahmungen der (!) Phädria des Terenz.
2) Gödeke. (1. Aufl.) I. 139.
3) Den vollen Titel der Ausgabe von 1511, welche in der Augs-
burger Bibliothek sich findet, verdanke ich der freundlichen Mitteilung
des Herrn Bibliothekars Dr. Dobel dortselbst. Die Ausgaben von 1537
und 1550 besitzt die Münchener Bibliothek. — Proben finden sicli in
der deutschen Litteraturgeschichte von G. und F. Scholl. I, 50i> sqq. —
Biographisches bei Gödeke, Grundriss zur Geschichte der deutschen
Dichtung aus den Quellen. Zweite Aufl. 1884. S. 370. Die Ausg. von
1537 führt Gödeke nicht an.
88 Albrecht von Eybe.
(der Sittenspiegel genannt) in der Kaiserlichen Statt Augspurg.
durch angehen vnd Verlegung des fürsichtigen herren Johaii
Rynman von öringen, in der teutschen Nation fürtreffenden buch-
fürers. In dem jar do man zalt tausent fünfhundert vnd aylff jar.
Am ahent Mathei des hayligen Apostels vnd Ewangelisten. " ')
Die Ausgabe von 1518, 2) welche sich in Augsburg nicht be-
findet, besitzt nach Claus3) die Meusebachsche Sammlung der
kgl. Bibliothek zu Berlin.4) Die dritte Ausgabe ist vom Jahre
1537;5) die vierte endlich vom Jahre 1550 ist einem andern
Werke6) beigedruckt.
Albrecht von Eybe freute sich, mit etwas Neuem auftreten
zu können. In seiner Vorrede7) zur Bacchis heisst es: „Plau-
tus der poeta hat gemacht VIII bücher in latein, die
man gemaincklich hat, aber dieses (die Bacchides) hernach ge-
schriben püchlin mit sampt andren aylffen, die sein lange zeyt
wol bey fünff hundert jaren oder mer verlorn vnd verporgen
gewesen, vnd neylich im Concilio zu Basel wider gefun-
den, also dz die materi wider neyw ist bey gelerten vnd vnge-
lerten, vnd darumb desteer lustiger vnd girlicher zu lesen."
') S. Gottsched a. a. 0. — Ge. Willi. Zapf, Augsburgs Buch-
druckergeschichte nebst eleu Jahrbüchern derselben. Augsb. 1791. II, 49.
— (Panzers Annalen, S. 327. Bibl. Solgeri, tom. I. pag. 36.) — Ger-
vinus. H, 607. — Koberstein. 1,418. — Gödeke. Gdr. I, 140.
2) S. Zapf a. a. 0. II, 108. — (Pauzers Annalen, S. 421.) — Diese
Ausg. von 1518 hat Pareus zur Hand, da er „Eyben" zitiert, qui anno
Christi MDXIIX sie vernaculo sermone scripsit. (II. Ausg. p. P22.)
3) Über die Menächuien des Piautas und ihre Nachbildungen
besonders durch Shakespeare. Stettin (Progr. der Realschule I. 0.) 1861.
S. 20.
4) Nach Gottsched (Ncth. Vorr. DZ, 191) ist der Titel dieser
zweiten Auflage: Two Comedien des syunreichen poeten Plauti, näm-
lich in Menechmo vnd Bachide. Nachvolgeut ain Comedia Vgolini,
Philegenia genannt. Getewtscht durch den wirdigen vnd hochgelerteu
herrn Albrecht von Eybe, Doktor u. s. w. Augsjmrg 1518, in Quart.
5) Ihr Titel ist: Comedien Plauti | Teutsch. | Zwo Comedin des synj
reychfi. poeten Plauti, nämlich in Menechmo | vnnd Bachide. Nach-
uolgent ain Comedien | Vgolini Philegenia genannt. Geteütscht | durch
den wirdigen vfi hochgelertn herru | Alb recht von Eybe, Doktor etc.
(Vignette.) M. D. XXXVII.
Der. Schluss berichtet: Getruokt vnd vollendet in der Kaiserlichen |
Statt Augspurg, durch Haiurich | Steyner am V. tag Julij | MDXXXVII.
6) Schimpff vund | Ernst, durch alle Welthänndel. | Hiebei sein auch
die Comedien Plauti, imn Menechino, Bachi'de vnnd Philogenia Vgolini.
Kurtzweylig vnnd schimpfflich zu | lesen. Durch den Edlen, Hochge-
lerten vund wirdigen Hern | Albrechten von Eybe. Beyder Rechten
Doctor | auss dem Latein ins Teutsch gebrach. | Gedruckt zu Franckfurt
zum Bock | Bey Cyriaco Jacobo. | 1550. Folio XCV— CVI enthält die
Menächmen; dann folgt die Philogenia und dann erst Fol. CXV — CXXVI
Comedie in Bachide: alle ohne Bilder.
7) Ausgabe von 1537. F. IIJb.
Joachim Greif. 89
Die ersten beiden Jahrzehnte des sechszehnten Jahrhunderts
brachten einen kleinen Stillstand in den Übersetzungen der Ko-
miker. *) Doch aber war es die grösste Empfehlung, in ihrer
Manier gedichtet zu haben. Christoph Wirsung (1500 — 1571)
preist seine Celestina „ain hipsche Tragedia von zwaien lieb
habenden Menschen, ainem Ritter Calixtus und ainer edlen
Junkfrawen, Melibia genannt" (Augsb. 1520. 1534), ausdrücklich
als „plautinisch" an.
Johannes Agricola richtete (um 1520) den Terenz zu
leichterem Schulgebrauche ein.2) Der Thätigkeit der Reforma-
toren ist bereits gedacht worden.
Besondere Verdienste um die Verbreitung des Plautus und
Terenz erwarb sich Joachim Greff von Zwickau. Selbst als
Dichter thätig — - er schrieb Judith (1536), Abraham, Isak,
Moses (1540), Lazarus (1545) — dachte er daran, den ganzen
Terenz zu übersetzen. Als aber Harns Übersetzung der Andria
erschienen war, behielt er seinen Plan nur mehr für die übrigen
fünf Komödien des Terenz bei. 3)
Joachim Greffs Übersetzung der Aulularia des Plautus,
Avelche als sein Erstlingswerk gilt,4) erschien im Jahre 1535.
Sie führt den Titel:5) „Eine schöne Lü|stige Comedia des Poejten
Plauti Aulularia ge|nannt, durch Joachinum Greff von Zwickaw
deudsch | gemacht vnd jnn reim | verfasset, fast lüstig | vnd kurtz-
weilig I zu lesen. | Quisquis es, ö faueas, nostrisque labojribus
adsis | His quoque des ueniam | Magdeb. Sechs und siebenzig
Blätter in 8°. Am Schlüsse: Gedruckt zu Magdeburg, [ Anno
1. 5. 35.
Über diese Aulularia Greffs berichtet W. Seh er er:6) „Greff
hat die Aulularia mit der Ergänzung des Codrus Urceus im
ganzen ohne Zusätze oder auffallende Veränderungen übertragen.
Aber Sittenschilderung reizt seine Produktionslust. In der Szene
III, 10 (III, 5), wo Megadorus seine Sparsamkeitsrede hält,
welche Euklio bewundert, ist das Bild römischen Frauenlebens
durch ein deutsches ersetzt. Der Wagen fällt weg, an die Stelle
') Gottsched (N. V. I, 45): „Da nun im vorigen fünfzehnten Jahr-
hundert die beiden letzten Zehnden sich durch terenzische Übersetzungen
hervorgethan, so ist es allerdings ein Wunder, dass das erste Zehend
dieses neuen Jahrhunderts so ganz unfruchtbar erscheint, dass ich auch
nicht ein einziges Stück davon aufzuweisen habe oder anzuführen weiss."
-) Gervinus. II, 606.
3) Deutsche Studien von Wilh. Scherer. III. Dramen und Drama-
tiker. (Wien, Gerold 1878.) S. 16. (XC. Bd. S. 185 der Abh. der phil.
hist. Klasse der kais. Akad. Wien.) — Koberstein. I, 412. (6. Aufl.)
*} Ebenda. S. 15. 40.
5) Gottsched. I, G5. — Scherer. S. 16.
6) A. a. O. S. 41.
90 Joachim Greff.
von belagernden Handwerkern ist das beliebte unerschöpfliche
Thema des Putzes und der Moden getreten. Die reiche Frau
braucht ..gülden stück, seiden gewandt":
Seht, schmückt sich doch Jens Schneiders weib
Sie kaufft so wol auff jren leib,
Als eben ich, vnd offt vielleicht
Vil besser kleider, viel schöner gemeiht,
Von perln gestickt, von sammet vnd seidt
Von kettn vnd anderen silber geschmeidt.
Die reiche Frau macht Anspruch auf das beste von Silber
und Gold, Ketten, Gürtel, Borten, Ringe:
Ob sie wol hat zehn rock im Haus
Vom besten gewandt, das machts nicht aus,
Erst will sie haben von Damasck ein rock
Dazu ein gebrehm von gülden stück,
Noch ist es nichts, dann will sie han
Noch zweymal mehr von jrem man
Von Adlas gut vnd auch Karteg
Bringt sie noch viel mehr rock zu weg.
Aber sie will noch mehr: Schleier, Stirntuch, eine goldene
Haube, eine Pfaffenschaube, „eine newe kürsch". Damit nicht ge-
nug; sie braucht reichlich Dienerschaft, wie bei Plautus: zwei
Mägde, Knechte, „die sie zuweilen fürn aufm schütten". Mega-
dorus fasst seine Ansichten dahin zusammen:
Wo aber das geld der freyher ist
Da ist nichts guts zu aller frist,
Und wo auch Doktor Sieman regiert
Kein gut Regiment da nimmer wird.
Auch sonst hat Greff seine Vorlage nationalisiert und loka-
lisiert. Bei Plautus will Megadorus guten alten Wein schicken.
Euklio aber trinkt nur Wasser (III, 6). Bei Greff bietet Me-
gadorus „ein gute lagel Maluasier" an, itnd Euclio zieht „Hellisch
Bier" vor. Lyconides verlangt die von ihm verführte Tochter
Euclio s zum Weibe, „nachdems all Kaiserliche recht beschreibn".
Die Fides, die für Euclio Schatzhüterin sein soll, wird durch St.
Nikolaus ersetzt, der sich aber ebenso wenig bewährt:
Ich meint S. Niclaus wer ein frommer man
Fürwar es ist kein wert nicht dran
Und hat er noch so ein grawen bardt
So ist er doch ein schalk von art.
„Die Beteuerung des Lyconides ,ita me eiiciat Diespiter!' etc.
ist ersetzt durch ,So schlag mich todt S. Mertens pferd'. Die
Heiligen werden natürlich nicht ohne protestantische Tendenz so
verwendet. "
Muschler. Harn. 91
Ungefähr um das Jahr 1530 *) erschien Muschler s Über-
setzung der Hecyra des Terenz. „Die sechste und letzte Co-
media Terentii Ecyra genannt, aus dem Latein in teutsche reymen
gebracht, auch durch doct. Jo. Muschler zu Leipzig auf dem Rath-
hauss öffentlich gespielt, gedruckt zu Nürnberg durch Kunegund
Hergotin." Ohne Jahreszahl. Nach Gottsched2) wäre dies das
erste Stück, das Leipzig hervorgebracht, und das öffentlich von
einem Rektor der Niklasschule aufgeführt wurde. 3)
Gleichzeitig mit Joachim Greffs Aulularia (1535), d. h.
hinter derselben, erschien die Andria des Terenz in der deutschen
Bearbeitung von Heinrich Harn. Ob sie vordem selbständig ge-
druckt wurde, ist nicht bekannt. 4)
Der Titel (Bl. F. 4) lautet: Andria des | Terentii Comedia |
Deudsch gemacht vnd inn reim verfasset, Durch | Magistrum
Heinricum | Ham, | Fast lüstig vnd kurtzjweilig zu lesen. Zu
dieser Übersetzung Harns hat Greff Zusätze gemacht, welche
sämtlich J. G. gezeichnet sind. 5) Er führt selber die Übersetzung
seines Freundes Ham (Bl. F. 4)1) mit einer Empfehlung bei den
Lesern ein und sagt: „dass er diese Andria seines Freundes Ham
schier on seinen willen" mit seiner Aulularia habe drucken lassen,
um zu zeigen, dass er nicht bloss seine eigenen Arbeiten „wert
halte", und dass andere Leute auch etwas verstehen.6)
Ham, der im Jahre 1553 als Prediger abgesetzt worden
war, weil er gelehrt hatte, dass Maria Christum mit Schmerzen
gebar,7) beschäftigte sich noch weiter mit Terenz. Im Jahre
1602 erschien die Andria des Ham zu Wittenberg unter dem
gleichen Titel, wie die erste Ausgabe;8) schon im folgenden Jahre
(1603) gab sie Stephan Riceius wieder heraus;9) ebenso wurde
') Gödeke. Gdr. I, 288.
2) Nöth. Vorr. I, 65.
3) Diese Aufführung- fand im Jahre 1535 im Rathaussaale zu Leip-
zig durch Nikolaischüler statt. (Dr. Emil Kneschke, Zur Geschichte
des Theaters und der Musik in Leipzig.) Lpz. 1864. S. 1.
'■) Scherer a. a. 0. S. 16.
5) Ebenda. S. 17.
6) Ebenda... S. 16. — Gödeke. Gdr. I, 288. — Proben dieser Andria
giebt Degen, Übers, der Bömer. II, 181. — (Vgl. Gervinus. IL 607;
HI, 100.)
7) Kordes, Agricolas Schriften. Altona 1817. S. 304-308.
8) Gottsched, Nöth. Vorr. I, 150.
9) P. Terentii Comoedia Andria in vsum studiosae iuventutis ger-
manice reddita Ä^suis argumentis, phrasibus latini sermonis &c, edita
a Stephano RieTÄo. Accessit eadem Comoedia rhythmis germanicis
composita a M. Heinrico Ham. — Addita etiam sunt scholia in eandeni
Comoediam M. Z. Agricolac Islebii olim, edita 1600. Lipsiae impensis
Jac. Apelii in 8°. — (Gottsched. Nöth. Vorr. 1,64. 11,243. — Gödeke.
Gdr. I, 288.)
92 Hans Sachs.
sie im Jahre 1613 neu aufgelegt. Das Jahr 1614 brachte eine
neue Übersetzung von einem Lymberger.
Des Einflusses, den diese Beschäftigung mit den lateinischen
Lustspieldichtern mit sich bringen musste, ist bereits gedacht
worden. Selbst der urdeutsche Hans Sachs konnte sich desselben
nicht erwehren. Er schrieb die Menächmen im Jahre 1548 ')
und 15632) den Eunuchen, Von der Buhlerin Thais und ihren
zwei Buhlen, dem Ritter Thraso und Phädria, die freilich völlig
lokalisiert und seinem Publikum angepasst wurden.3) Hans
Sachs bearbeitete übrigens mehrere Stücke nach antiken Vor-
bildern, so die Elektra des Euripides, den Plutus des Aristo-
phanes, 4) eine Jokaste, eine Klytämnestra. 5) „Doch kannte
er die Originale natürlich nicht, sondern arbeitete nach früheren
Übersetzungen, oder wohl auch zum Teil nach Andeutungen, die
er in andern Schriften gefunden haben mochte. " 6)
Trotz der Unkenntnis der Originale warf sich „Hans Sachs
mit augenscheinlicher Freude auf alles, was er von den Schriften
der Alten erreichen konnte, und teilte in einer Reihe von Jahren
eine Unzahl von verschiedenen Erzählungen und Gedichten mit,
deren Stoff er aus Diodor (übersetzt von Herold 1554), aus
Herodot, Herodian, Plutarch, Justin, Xenophon (alle ganz oder
teilweise von Boner zwischen 1532 und 1540 übertragen), aus
Livius (von Schäferlein 1505), aus Plinius (1565 übersetzt),
aus Ovid, Vergil, Lucian, Homer, Apulejus, Musäus, Valerius
Maximus, Seneka, Cicero u. a. entnahm. " 7)
Man erblickt in Hans Sachs genau den Fortschritt. „Er
versuchte es schon in seinen frühesten Jahren, namentlich die
Gesprächsform Lucians und ähnliches noch in der Art des Rosen-
blüt und Hans Folzens zu bearbeiten; bald griff er die klassischen
Formen auf nach dem Muster des Terenz."8)
„Hans Sachs und nach ihm jeder Dramendichter nahm von
Terenz den Akt und die Szene und benannte sie höchstens
^ Gottsched a. a. 0. I, 91. 92, hält dies für die erste plaut mische
Komödie, die man ins Deutsche gebracht hat. Dies ist aber nicht ge-
nau; vgl. z. B. Greffs Aulularia.
2) So Koberstein. 1,403. — J. L. Hoff mann, Hans Sachs. Nürn-
berg 1847. S. 134, Anm. „Sein letztes Drama ist von 1564, die populäre
Bearbeitung des Eunuchen von Terenz."
3) Vgl. Hoffman. S. 105, Anm. — Gottsched a. a. 0. I, 112.
4) Gottsched, Nöth. Vorr. I, 61.
5) Wahrscheinlich diese Klytämnestra des Hans Sachs hat der an
deutschen Universitäten gebildete Humanist Peter Bornemisza nach
Ungarn gebracht. Toldi (übersetzt von Steinacker). S. 205.
c) Kurtz a. a. 0. II, 109.
') Gervinus a. a. 0. II, 708.
8) Ebenda. II, 714.
Jonas Bitner. 93
verdeutschend1) Handlungen, Ausfahrten, Fürtragen, Gespräche
u. s. w. " 2)
Bei seiner Popularisierung musste Hans Sachs natürlich die
Gestalten der Originale umtaufen. So nannte er den Ehemann
im Menächmus Lutz, den Knecht Heintz u. s. w., 3) wovon später
zu handeln ist.
Ehen diese Umgestaltung und Popularisierung aber erregte
ihm heftigen Widerspruch und scharfe Gegner. Ein solcher war
Jonas Bitner, der im Jahre 1570 seine gegen Hans Sachs
gerichteten Menaechmi „erst newlich verdollmetschet" erscheinen
Hess,4) damit man spüren möge, „dass Plauti Komödien viel ein
ander Werk seien, als die Komödien von Hans Sachsen. " 5)
In der Vorrede heisst es: Jonas Bitner, dem bilichen Leser:
„Lieber Leser, als ich mich nechstmal in vergangenem Jar durch
den achtbaren Herrn Josiam Eichel, Buchtrucker hab bewegen
und überreden lassen, dass des hochgelehrten Buchanan latei-
nischer Jephthes öffentlich in truck ausgienge, obgleich solcher
allein einer löblichen Bürgerschaft zu Ehren vnd Gefallen, dass
sie desto bass verstund und sich erinnert, was die lateinisch
tragödi wer, war in der teutschen Sprach verdolmetschet gespielet
worden, so teyl ich dir yetz von mir selbs mit, ein Comödi des
alten hochverständigen römischen Poeten Accii Plauti, die genannt
wärt: Menächmi, von zwey Zwillings Brüdern, auf dass du den
Vnterscheid lernest verstahn, der zwischen einer Comödi vnd Tra-
gödi ist. Vnd wiewol ich dir gegen einander halt, ein christliche
Tragödi vnd heydnische Comödi: so würstu sie doch bey der
Eigenschafft vnd ein jedes in seiner Arth woll wissen zu erkennen
vnd verteylen — — — ■
Ich hab aber die Comödi Plauti desto lieber lassen
teutsch werden, vnd im truck ausgehen, damit mennig-
lich spüren vnd sehen könnte, dass des sinnreichen vnd
hochverständigen Plauti Comödien viel ein ander Werk
seyen, den die Comödi von Hans Sachsen zu Nürnberg'
*) So heisst der Diakonus von Tübingen seine Akte Übungen, die
Szenen Hüttin; Thomas Kirchmayer (1541) den Akt Aussfahrt,
die Szene Gespräch.
2) Gervinus. EU, 98. — Vergl. das S. 45 Gesagte.
3) Gottsched a. a. 0. I, 91. 92.
4) Menächmi. Ein schöne lustige vnd schimpfliche Comödi des
alten vnd hochverstcndigen Poeten vnd römischen Comödischreibers
Marci Accii Plauti. Erst newlich aus lateinischer Sprach in die tewtsche
verdolmetschet. Getruckt zu Strassburg bei Theobald Berger am
Weinmarckt. Anno 1570. 8°. — Gottsched a. a. 0. 11,225. — F. Lob-
stein, Beiträge zur Geschichte der Musik im Elsass, besonders in Strass-
burg. (Strassb. 1840.) S. 126.
5) Gervinus. III, 101. — S. Weiteres von ihm bei Weller, An-
nalen. II, 250.
94 J- Ayrer. Boltz u. a.
ist an Tag- gebracht, da er gleichwol dieser Comödi ihren
Namen lasset, aber aus beyden Zwillingsbrüdern Menaechrais
zween Lutzen machet. Die fürnehmsten Schimpf reden, läster-
lichen vnd wunderlichen Irrthumb vnd schönsten Spruch vnd Lehre
vergizt vnd ausslasst, welche doch der Comödi eine rechte Ge-
stillt, Scheyn vnd Glantz bringen."
Auch unter Jakob Ayrers (gest. 26. Mtärz 1605) Dramen
findet sich eine Bearbeitung der Menächmen. ')
Im Jahre 1539 erschien Publij Terentij Aphri | sechs ver-
teutschte Comedien auss | eygen angeborner Lateinischen spraach |
auffs trevlichst transferiert | durch Valentinum Boltz von
Ruffach: Anno MDXXXIX, in Tübingen gedruckt. Der Über-
setzer nennt sich Diakonus zu Tübingen und sagt, er habe
es „den armen Schülerlin zu gute gethan, so nit allerwegen
mögen Interpretes haben. " 2) Der Verteidigung gegen die Vor-
würfe ungelehrter Theologen ist oben (S. 32) Erwähnung ge-
schehen. Die Übersetzung erschien noch öfter, so 1546 und
1559 in Tübingen.
Aus dem Jahre 1582 stammt des Martin Hayneccius
(1544 — 1611) aus Borna Übersetzung der Captivi3) „in meist
guten Quaternarien",4) die zugleich mit dem Allmansor und Hanso-
framea erschien. 5)
Der Pfarrer von Mohren ,Bapst von Rochlitz'6) hatte im
Jahre 1584 die Iphigenia in Aulis übersetzt; im Jahre 1590
folgte die Andria des Terenz in Versen und die Rithmologia.7)
Clemens Stephan von Buchaw übertrug im Jahre 1554,
dem Pfalzgrafen Otto zu Ehren, den Eunuehus und die Andria
in Versen. 8)
') Gervinus. III, 150. „J. Ayrer hat fünf Stücke aus der rö-
mischen Urgeschichte nach Livius, Bearbeitungen nach Frischlin und
PI auf us." — Vgl. Bibliothek des litter. Vereins in Stuttgart. 80. Band.
(18(55.) S. 3421.
2) Gottsched, Nöth. Vorr. I, 81. — Siehe Weiteres von ihm bei
"Well er, Annalen. II, 290.
3) Captivi, Der gefangenen Leute Treu, aus dem Marco Actio
Plauto übersetzt durch M. Mart. Hayneccium.
4) Palm. S. 100.
5) Gottsched. II, 235. — Gödeke. I, 288.
6) Gervinus. IT, 607.
7) Rithmologia in die sechs Comedien Terentii, darin eines jeden
Actus und Scenae summarischer Inhalt, neben vielen nothwendigen
Lehren der Jugend zum Unterricht, dessgleichen ein kurtzweiliges Spiel,
der Bawren Fassnacht genannt, durch Michel Bapst von Rochlitz.
MDXC in 8°. — Im Jahre 1596 wieder gedruckt. — Gottsched. I, 126.
8) Vgl. L. Rockinger, Die Pflege der Geschichte durch die Wit-
telsbacher. Akademische Festschrift zur Feier des Witteisbacher Jubi-
läums. München (Verlag der Akademie). Beil. S. 12. S. Weiteres über
ihn E. Well er, Annalen. II, 248.
Poner. Agricola. Zenckfrey. 95
Im Jalire 1566 erschien: Sechs Cornedien dess Pnblii Terentii
Aphri dess hochuerstendigen wolberedten vnd libliclien Poeten,
bührtig aus der statt Carthago (welcher vor vnsres Herrn Christi
geburt 132 Jar gelebt), jetzund new auss lateinischer spraach in
artig vnd künstlich rbeymen durch M. Johannem Episcopiuni
von Würzburgk verfasst, darin der Welt Stand, arth und We-
sen jetziger Zeit als in einem klaren Spiegel für die Augen gestellet
wirt, jederman sehr lustig vnd lieblich zu lesen. Frankfurt am
Mayn 80.1)
Josua Poner übersetzte (1586) den Eunuchen.2) Auf die
Vorrede folgt Dr. Luthers Zeugnis für dieses Lustspiel, welches
der Auslegung des hundertsten Psalmes entnommen ist. 3)
Agricolas (1492 — 1566) bereits genannte Ausgabe der
Andria,4) 1602 gedruckt, ist lediglich ein Schulbuch, das Schul-
zwecken dient.5) Am Ende heisst es, das Stück sei von
Agricola 1544 gemacht und 1585 in vielen Stellen verbessert
worden. 6)
In deutsche Reime brachte Heinrich Zenckfrey (1607)
die Aulularia als „Euclio", das ist Ein sehr Lustig figment,
Von einem alten Geitzhals, wie derselbige einen Topff voll Goldt
findet, welchen er niemandt, Ja seinen selbst eignen Henden nicht
trawen will, vnnd doch endlich vnversehener weyse darumb
kompt . . . newlich in deutsche Reym gebracht durch M. Henri-
cum Zenckfrey. Lygio-Sihr. Poetam Caes. (Theol. Cand. et
illustris apud Berolinensis Gymnasii Collega.) Gedruckt zu Frank-
furt a./d. Oder. Durch Nicolaum Voltzen. Anno 1607. (60 Fol.)7)
„Moritz (Landgraf von Hessen in den ersten Jahren des
siebenzehnten Jahrhunderts) liebte den Genuss des Theaters, wie
sich dasselbe sparsamer an andern Höfen fand. Er vervornehmte
>) Gottsched. I, 120.
2) EVNUXVS. Des Poeten P. Terentij andere Comödia, deutsch
gemacht und in Keim verfasset durch M. JosuamPonerum, dieser Zeit
zu Arnstadt, Pfarrherrn und Superattendenten. Mit einer Vorrede M.
Stephani Riccii des Eidern. Hinter der Vorrede steht die Jahreszahl 1586.
(44 fol.) Weimar.
3) Gottsched, Nöth. Vorr. I, 121. — Gödeke. Gedr. I, 288.
4) P. Terentii Cornoedia Andria gernianice reddita et scholiis illu-
strata Joanne Agricola Islebiensi Autore. MDXLHI. denuo recognita et
a pluribus mendis purgata Wittebergae ex typogr. Sim. Gronenbergii.
5) Z. B. Poeta, dieser Fabeln Meister, cum primum appulit animum,
im Anfang, da er ihm hat fürgenommen, ad scribendum, Comödien zu
schreiben u. s. w. — Ebenso ist Steph. ßiccius' oben angeführte Aus-
gabe der Andria Hams: Cum poeta primum adpulit animum ad scri-
bendum. da der Port Terelit ins sich zum erstenmale unterstanden hat,
oder ja fürgenommen hat, Comödien zu schreiben . . .
6) Gottsched, Nöth. Vorr. II, 242. — Gödeke. I, 288.
7) Breslau, poet. lat. rec. II. ad. 478. — Gödeke. I, 288. —
Schweiger (Handbuch) zitiert Zenckert.
96 Die fruchtbringende Gesellschaft.
das Mysterienspiel, die Fastnachtsschwänke und die herkömm-
lichen Komödien der gelehrten Schulen, indem er meist
lateinische Komödien im Geschmacke des Terenz dichtete und
durch die Hof- und Ritterschüler aufführen Hess. " ])
Auch die Mitglieder der fruchtbringenden Gesell-
schaft veranstalteten im jähre 1620 eine neue Übersetzung
des Terenz,2) die, obwohl in Prosa, ihre Vorgänger doch weit
übertrifft. 3)
Von dieser erschien im Jahre 1670 eine neue Auflage in
Hamburg.
Vor dem ersten Lustspiel steht von Terenzens Leben
und Schriften:
Carthago gross hat mir mein Vrsprung erst gegeben,
Der Römer Raub bin ich worden, nach Krieges-Recht,
Der Menschen jung vnd alt Sitten, Gebrauch, vnd Leben
Zeig ich, sampt wie berückt seinen Herrn mancher Knecht,
Und mit was Tück ein Hur vnd Kopier sey umbgeben,
Wers list vnd hüt sich nicht, bleibt vom Verstand wol schlecht.4)
Im Jahre 1623 folgte Michael Meisters Übersetzung;5) im
nächsten Jahre der Terenz des Höscheln und Schenck;6) im
Jahre 1626 eine Terenzausgabe des durch seine Weimarsche
Schulmethode bekannten Hofpredigers Job. Kromayer,7) mit
einer Vorrede, in welcher die Frage, ob man in den Schulen
Terenz lesen dürfe, erörtert und mit Beziehung auf Luthers
Tischreden bejaht wird.
„Es ist zwar offt vnd viel darvon geredet vnnd gerathschlaget
worden, ob man in vnsern Christlichen Schulen diesen Autorem,
den Terentium, mit gutem Gewissen brauchen vnnd behalten
J) Barthold, Geschichte der fruchtbringenden Gesellschaft. Ber-
lin 1848. S. 48.
2) Publii | Terentii. | Sechs Frewden | Spiel | zur Lehrart. | In deut-
sche Sprach | versetzet. | Cöthen | Im Fürstenthumb Anhalt. MDCXX.
3) Gottsched. I, 180. — Gödeke. I, 288.
4) Gottsched, Nöth. Vorr. I, 225. Dieselben sechs Verse stehen
S. 6 bei Kromayer.
5) Sechs Frewdenspiel, in gute reim, vbliche deutsche Sprache ver-
setzet, Vnd der studirenden Jugend zum besten, die lateinische Sprache
desto besser und füglicher zu erlangen in offenen Druck gegeben durch
Michaelcm Meisterum Zittaviensein Lusatium, Scholae Hallensis
Collegam & Cantorem ad D. Ulrici. Magdeb. in 8°. (Gottsched. I, 182.)
ü) Terentii Sechs Comedien lateinisch und deutsch durch David
Höscheln und Matth. Schenckium. Augsp. (Gottsched. I, 184.)
7) Publii Terentii | Sechs Frew den Spiel, | In die teutsche Sprache
versetzet. | Sind darzu gethan die Summa rien, Item, kurtze Moralische
Erinnerungen | von den Lastern, dafür sich j die Jugendt hüten, vnd
von den Tulgenden, derer sie sich befleissi gen sol. | Mit sonderbahrem
Privilegio. | ZuWeymar | bey Johann Wirschnern | Im Jahr | M.DC.XXVL
(495 S.)
Kromayer u. a. Übersetzer. 97
könne, weil er nicht allein ein Heyde ist, vnnd auch Exempel
darinnen fürkommen Heydnischer Abgöttischer Anraffungen, Sondern
auch von vnzüchtiger Lieb vnd Bulscbafft, vnd andern Lastern,
als der Kinder wider jhre Eltern, vnd der Knecbte vnd Gesindes
wider jhre Herren, vnd dergleichen darinnen fürlauffen, dadurch
zu besorgen, dass die Jugend geärgert vnnd vielmehr zum Bösen
entzündet vnnd gereitzet, als zum Guten vnterrichtet vnnd ange-
trieben werden möchte."
Dagegen wendet Kromayer ein, dass man dann auch die
Bibel nicht lesen dürfte, ferner, dass „der Terentius in seinen Co-
moedien mehr von den Tugenden vnd Ehrbarkeit handelt, als von
den Lastern".
Den einzelnen Szenen sind sorgfältige Nutzanwendungen
beigedruckt. So z. B. vor der Andria zehn Punkte: Spiegel der
Laster in diesen Comödien, welche zu fliehen sind; dann achtzehn
Punkte: Spiegel der Tugenden in dieser Comödi, denen man
nachstreben sol. Dann drei Punkte, auf welche diese Comödi
darauff geht.
Und so bei jeder Szene und bei jedem Akte.
Von einer weiteren zu Weimar erschienenen Terenzübersetzung
in Prosa1) vermutet Freyesleben,2) dass sie etwa gar von Kro-
mayer stamme.
So ging die Übersetzung terentianischer und, wenn auch ver-
einzelnter, plautinischer Stücke fort. Es kam im Jahre 1627 der
Terenz von Job. Eenio,3) 1674 von Wilh. Lymbergern, 4)
1691 ein neuer Abdruck der Ausgaben von 1620 und 1670, 5)
1692 Terentius italienisch und deutsch durch Anton Guagli-
ardi,6) 1743 des M. Accius Plautus Schauspiel Aulularia,
übersetzt und mit nötigen Anmerkungen versehen (Zelle);7) im
Jahre 1753 ein neuer Terenz auf der Ausgabe der Mad. Dacier
beruhend8) von Patzke u. s. w.
*) Publii Terentii sechs Frewden Spiel, in die teutsche Sprache ver-
setzet. Sind darzu angethan, die Summarien, Item, kurtze, Moralische
Erinnerungen, von den Lastern, darfür sich die Jugendt hüten, vnd von
den Tugenden, derer sie sich befleissigen sol. Mit sonderbahrem Privi-
legio. Zu Weymar bey Johann Wirschnern. 8°.
2} S. 25.
3) Publii Terentii Afri comoediae VI, superstites Latino germanice
editae a Joh. Renio. Diese Übersetzung erschien dann zu Leipzig 1(346
u. 1673 u. öfter. (Freyesleben 25. Gottsched. I, 199.)
4) Rinteln 1674. (Gottsched. I, 235.)
5) Publii Terentii Sechs Freuden-Spiel zur Lehr-Art. In die Hoch-
Deutsche Sprach versetzet. Hamburg. (Gottsched. I, 253.)
6) Gottsched. I, 254.
A Ebenda. I, 316.
8) Des Publius Terentius Lustspiele aus dem Lat. übersetzt und
theils mit wichtigen Anmerkungen der Frau Dacier, theils auch mit
7
98 Gruter. Pareus. Weise.
Gegen die Mitte des siebenzelmten Jahrhunderts fällt der
Streit Grnters mit Pareus. Opitz hatte hei Gruter plauti-
nische Kollegien in Heidelberg gehört. Dieser Gruter kam in
Streit mit dem Philologen Pareus, der 1648 starb. Pareus
gab Electa plautina heraus, wogegen Gruter „Asini cumani
fraterculus e Plauti electis electus" schrieb. Erst Ritschi hat
sich des verkannten Pareus wieder angenommen1) und die „ge-
hässige Leidenschaftlichkeit und bodenlose Gemeinheit der Invek-
tiven gegen Pareus'' aufgedeckt, besonders die Vorrede als
„Schandstück" bezeichnet. Auch Opitz (1597 — 1639) hatte Par-
tei gegen Pareus ergriffen.2)
Man kann nach alledem, was sich natürlich vielfach ergänzen
und erweitern Hesse, nicht in Abrede stellen, dass die lateinischen
Komiker überall bekannt und studiert waren und darum nicht
ohne Einfluss auf die deutsche Litteratur sein konnten. Sie
waren z. B. Christian Weises (1642 — 1708) Muster für das
Lustspiel;3) ja Ussing4) geht sogar noch weiter und leitet von
den Captivi des Plautus die sogenannte „comedie lar-
moyante" ab. „Nee iniuria," sagt er, „ab hoc fönte duetum
putatur genus illud, quod Galli ,1a comedie larmoyante' ap-
pellarunt et in Germaniam translatum Ifflandii et Kotzebuii
ingenia exeoluerunt. "
Ganz aus den Studien der Alten erwuchs G. E. Lessing
(1729 — 1781). Theophrast, Plautus und Terenz waren „seine
Welt".5) „Lessings ernstes Studium des Plautus und Terenz
hatte nicht allein einen nachhaltigen Nutzen für seine allgemeine
Bildung-, dasselbe erweckte in ihm auch eine leidenschaftliche
Liebe für die Komödie."6) Vor allem beschäftigte er sich mit
Plautus,7) und diese seine Hingabe an die alte Komödie bricht
eigenen Anmerkungen begleitet von Job. Sam. Patzken. Mit säubern
Kupfern. Halle im Magdeburgischen. 8°.
') Hallesche Allgem. Litteraturzeitung 1834. S. 539.
2) Palm a. a. 0. S. 179.
3) Dr. C. Le nicke, Geschichte der deutschen Dichtung neuerer Zeit.
Lpz. 1871. I. Bd. S. 349.
4) A. a. 0. H, 459.
5) „Theophrastus, Plautus und Terenz waren meine Welt, die ich
in dem engen Bezirke einer klostermässigen Schule mit aller Bequem-
lichkeit studierte." (Werke, Ausg. Lachmann. IV, 2. — Koberstein.
DI, 974. — Danzel-Guhrauer, Lessings Leben und Werke. Berlin 1881.
5. 128 — 162. — G. E. Lessing, Ein Lebensbild. Nach Jame Simes
Lessing, his life and writings, frei bearbeitet von Ad. Strodtmann.
Berlin 1878. S. 21. — Lessings Verhältnis zur altroni. Komödie von
Dr. K. Seidner. Mannheim 1881. S. 5. — Adolph Stahr, G. E. Lessing.
6. Aufl. 18G9. I. S. 23 u. 41.
6) Ad. Strodtmann a. a. 0. S. 22.
7) Danzel-Guhrauer. I, S. 142. Die ersten, von denen ein we-
sentlicher Einfluss auf Lessings Lustspieldichtungen erwartet werden
Lessing und sein Verhältnis 99
überall durch.1) — Zeugen der Beschäftigung Lessings mit
Plautus sind vorerst seine „Beiträge zur Historie und Auf-
nahme des Theaters",2) in welchen sich eine Abhandlung von
dem Leben und den Werken des Marcus Accius Plautus (S. 14
— 53), dann die Übersetzung der Captivi (S. 143 — 211), die
Kritik über die Gefangenen des Plautus (S. 369 — 435) und
der Beschluss der Kritik über die Gefangenen (S. 573 — 592) be-
finden. Ritschi hält diese Schrift zwar für Lessings nicht würdig.3)
Als Dichter schuf Lessing, gestützt auf Plautus, das
Lustspiel „Der Schatz", eine reine Frucht seiner Plautus-
studien. 4) Seine Grundsätze bei dieser Bearbeitung des Tri-
nummus waren: Mehr Handlung durch Verkürzung der Originale,
psychologische Motivierung durch Individualisierung der Cha-
raktere. 5)
Sein Lustspiel „Justin" sollte auf dem Pseudolus be-
ruhen,6) der Stichus sollte das Stück „Weiber sind Weiber"
geben. „Es sollte ein fünf aktiges Stück werden, wie das plauti-
tinische, aber das Motiv wird dort viel weiter ausgeführt. Die
Sprache ist frisch und ganz plautinisch. " 7)
kann, sind die römischen Komödiendichter, welche bei der Erneuerung
des deutschen Lustspiels noch nicht berücksichtigt waren, von denen
aber Lessings Interesse für das Drama zuerst erweckt worden war. Und
zwar scheint hier Plautus besonders in Betracht zu kommen. (Vgl. da-
gegen Koberstein. ILT, 3042.) — Adolph Stahr. I, 68. Lessing be-
gann mit den Alten und zwar mit den römischen Dichtern Plautus
und Seneka, über welche er die meisten Studien gemacht hatte. — ■
Ebenda. I, 129. Diese Jugendversuche waren erweckt worden durch
sein Studium der römischen Lustspieldichter, zumal des Plautus, und
der kernige Witz, der lebendige Dialog dieses Dichters waren nicht
ohne Einfluss auf Lessings dramatischen Stil geblieben.
') Vgl. z. B. das Lustspiel „Der junge Gelehrte", UI, 4, wo Damis
ausruft: „Ah. verberabilissime, non für sed trifur. Himmel! dass ich vor
Zorn sogar des Plautus Schimpfwörter brauchen muss. — (Vgl. Erich
Schmidt, Vorgeschichte der Jugendlustspiele Lessings in der Allgeni.
Zeitung vom 30. März 1883.) — Eugen Sierke, E. G. Lessing als
angehender Dramatiker, geschildert nach einer Vergleichung seines
„Schatzes" mit dem Trinummus des Plautus. Königsberg 1869. (Ge-
druckt bei H. Härtung.)
2) Stuttgard (J. Ben. Metzler) 1750.
3) Seidner a. a. 0. S. 13. Seidner verteidigt dieselbe.
'') Am Schlüsse der plautinischen Abhandlungen in den Beiträgen
zur Historie und Aufnahme des Theaters verspricht Lessing, den
„Schatz" hier zu veröffentlichen, aber es kam nicht dazu. Das hier
versprochene Stück ist der Schatz, nicht Minna von Barnhelm, wie
man aunahm. — S. Boxberger in Schnorrs Archiv. X. Bd. Heft 1.
5) Seidner a. a. 0. S. 9 u. 28.
<;) Ebenda. S. 11.
7) Ebenda. S. 11. — Vgl. Strodtmann a. a. 0. S. 57. „Das viel-
versprechende Fragment ,Weiber sind Weiber' ist eine freie Nach-
ahmung des Stichus von Plautus. Er zeichnet einen alten Murrkopf
von Vater, der sich über seine beiden Töchter beschwert, weil sie ihre
7*
100 zu Plautus. Linz.
Die Alten haben Lessing von Anfang- an auf eine neue
Bahn geführt.1) Die Neuhersche Gesellschaft, welche damals in
Leipzig spielte, wurde für Lessing „das praktische Konyersatorium
für seine früheren plautinischen und terentianischen Studien".2)
Lessing zunächst, und zwar sein „Schatz",3) führte Jo-
hann Michael Reinhold Lenz (geb. 1750; gest. 24. Mai
1792)4) auf Plaiitus. Im Jahre 1774 erschienen in Leipzig und
Frankfurt seine „fünf Lustspiele nach dem Plautus fürs
deutsche Theater", nämlich das Väterchen (Asinaria), die
Aussteuer (Aulularia), die Entführungen (Miles gloriosus), die
Buhlschwester (Truculentus) , die Türkensklavin (Curculio).5)
Eine Bearbeitung der Captivi ist verloren gegangen;6) vielleicht
dachte Lenz auch an die Menächmi. 7) Ob diese von Goethe
durchgesehenen8) Stücke aufgeführt wurden, ist zweifelhaft.9)
Männer, von denen sie verlassen worden sind, nicht aufgeben und die
ihnen von ihm zugedachten Bewerber nicht heiraten wollen. Der frühere
Abscheu der Töchter gegen ihre Eheherren bildet einen humoristischen
Kontrast zu ihrer jetzigen Treue, und es macht einen drolligen Effekt,
dass der Vater sein zorniges Schelten für sanfte Vorstellungen hält."
') Gervinus (IV, 112): „Das Vorbild des .Schatzes' (Trinummus)
zeigt schon, dass der junge Mann ganz andere Wege gehen wollte, als
Gottsched."
2) .T. Hillebrand, Die deutsche Natiouallitteratur etc. I, 208.
3) Dramatischer Nachlass von K. Weinhold. 1884. S. 7 u. 17.
") Nicht wie Tieck (I. Bd. CXX) vermutet 1780. — S. Aug. Stöber,
Der Dichter Lenz. Basel 1842. S. 41.
5) S. Gesammelte Schriften von J. M. R. Lenz, herausgegeben von
Tieck. Berlin (Reimer 1825). — Vgl. Kritik Lenzscher Plautusstücke
von Wieland. Teutscher Merkur, Septemberheft 1774. — Schirach-
sches Magazin der deutschen Kritik. LT. Teil des 3. Bds. 1774. —
Eschenburg, Allgemeine deutsche Bibliothek. 1775. XXVI. Bd. 2,470
bis 474. — Lenz schrieb selbst gegen seine Rezensenten .Verteidigung
der Verteidigung des Übersetzers der Lustspiele". S. bei Weinhold
S. 14—21.
6) Siehe bei Weinhold und hier unter Captivi.
7) Weinhold a. a. O. S. 28. „Wir haben endlich noch Spuren der
Beschäftigung von Lenz mit den Menächmi des Plautus. Auf ein Quart-
blatt, Notanda überschrieben, das allerlei Notizen und Aphorismen ent-
hält, hat er, an Menächmi Akt 2, Szene 3 anknüpfend, Betrachtungen
über das Verhältnis der Römer zu den Hetären niedergeschrieben und
über den Unterschied der römischen von der christlichen Ehe. Nur die
christliche Religion hat den Begriff eingeführt, dass die Ehe das Band
der höchsten Liebe sei, das heisst, dass man so lange wählen müsse, bis
man in der Wahl keine Grenzen mehr kennt, und alsdann erst sich auf
ewig verbinden. Diese Idee ist aber den Christen selber noch nicht
deutlich und bekannt genug, weil sie kein Exempel hat."
») Gödeke. Gdr. DZ, 1048. — Vgl. Hillebrand a. a. 0. I, 413.
— Kurz. LU, 124. „Lustspiele nach Plautus, die Lenz auf Goethes
Antrieb bearbeitete. Es sind im Ganzen die Stoffe und Situationen des
römischen Dichters beibehalten, die nur auf moderne Verhältnisse ange-
wendet sind. Doch hat der Dichter manche neue Einfälle hinzugefügt,
die sich an die Anlage des Plautus glücklich anschliessen."
9) „Ob je eines davon in Deutschland aufgeführt wurde, ist mir
Falk. Übersetzungen. 101
Daniel Falk (1770 — 1826) griff über Moliere hinweg- zum
Amphitruo des Plautns in einer Schöpfung von' weniger Be-
deutung, die auch der Miles beeinflnsste; ebenso Heinrich von
Kleist (1786—1811).
Auch in diesem Jahrhundert fehlt es nicht an Übersetzern
und Bearbeitern des Plautus und Terenz.1)
Von Übersetzungen des Plautus sind jene von Chr. Kuff-
ner (Wien 1806), J. T. L. Danz (Leipzig 1806 — 1809),
M. Rapp (Stuttgart 1838), W. Binder (Stuttgart 1862), Donner
(Leipzig 1864) anzumerken, sowie einzelne Stücke in „Komi-
sches Theater der Römer" 1 — 2 (Quedlinburg 1826). —
Einige lateinische Texte mit deutschen Bühnenweisungen
gaben Schulz und Heusinger (Braunschweig 1790). Die Qued-
linburger Übersetzung enthält den Pönulus, das Hausgespenst, den
prahlerischen Krieger, den Geizhals.
Ein Lustspiel, „Der Winkelschreiber" von Adolphi,
nach einer Idee des Terenz, gelangte am München er Hoftheater
am 8. Juli 1862 zur Aufführung.
Dieser belebende, in allen Kulturländern sich äussernde Ein-
ihiss auf die litterarische Produktion ist indessen nicht der einzige,
welchen die klassische Litteratur hervorgebracht hat. Eine
Reihe ständiger Figuren der früheren Komödie, ja ein-
zelne, welche noch der unsrigen angehören, leiten vom
Altertume ihre Herkunft ab.
Vorerst begegnen wir dem Sklaven. In wie vielen For-
men und Gestalten tritt er uns entgegen! In der commedia del-
1' arte sind sie zu Hauptfiguren geworden. „Man bezeichnete sie
unter dem allgemeinen Namen der Zanni (der Spassmacher oder
Clowns). Zu ihnen gehörte Pulcinella, der aus Venedig,
Arlecchino, der aus Bergamo stammte, sowie die andern, Bri-
ghella,2) Scapin, Franca-Trippa. Es sind die Sklaven der
antiken Komödie, die sich nur wenig verändert haben;3) auch in
nicht bekannt." Koberstein. I, 1648. —Vol. Morgenblatt 1838, No 3G.
Den Brief an Salzmann vom 6. März 1773. — Koberstein. II. 1516.
>) Vgl. Fuhrmann a. a. O. III, 80—86; 130—137. — Gödeke.
III. 217. 1297.
2) Masques et bouffons, texte et dessins par Maurice Saud. Gra-
vures par A. Manceau. 2 voll. Paris (Mich. Levy Freies 1860). II, 206.
(Brighella) ne songe qu'a voler comme l'Epidique de Piaute dont il
descend en ligne directe.
3) So bemerkt Fournel (Les contemporains de Moliere) II, 5 zu
(i. (iilberts lntrigues arnoureuses: Les intrigues amoureuses appartiennent
au genre de la comedie latiue, ou les valets sont la cheville ouvriere de
102 Der Sklave. Der Paedagog.
dem französischen Lustspiel werden wir ihnen begegnen. Sie lehen
hei Moliere als Scapin oder Scaramouche, zivilisieren und
modernisieren sich immer mehr, his sie ihren letzten Triumph als
Figaro feiern."1) „Wie auf die Sklaven in der alten Komödie
regnete es auf die Zanni Ohrfeigen und Prügel."2)
Christian Weise meint, „der Pickelhäring sei in der
Komödie nicht nötig, aher jede Nation habe solche Figuren, wie
ja schon im Plautus und Terenz die leichtfertigen Knechte
nichts anderes als unsere Pickelhäringe seien."3)
Aus gleichen Vorgängerinnen hat sich die Colomhina ent-
wickelt. Maurice Sand sieht in der Philematium der plau-
tinischen Mostella ria ihr Vorbild.4) Aus der schmeichlerischen
Sklavin ist die vertraute, vorlaute Dienerin, die Soubrette der
Franzosen geworden. 5)
Der Paedagog, Ludus, der plautinischen Bacchides ist das
Vorbild der Dottori und Pedanten, wie des Archiprotaco
in der Atalanta, und vieler anderer, die hier vorgeführt werden
und der italienischen Komödie unentbehrlich sind, geworden.
Besonders in den Lustspielen des Giovanni Francesco Lore-
dano spielt der Pedant eine hervorragende Rolle, eingreifender
als bei den meisten übrigen Komödiendichtern. So als Alfesi-
beo in „Li vani amori" (Nuovamente posta in luce, Venitia 1588,
all' Insegna della Speranza, 136 S.), als Agrimonio in „La
Turca" (Ebenda 1597, 64 fol.) u. s. w. — Der Pedant spricht
zum Teil lateinisch, zum Teil in italianisiertem Latein, und ist reich
an Zitaten aus lateinischen Klassikern. Häufig hat er die Schluss-
worte zu sprechen, z. B. in „la Turca": „Spectatores, la Fauola
e finita, & per non hauere in ea trouato la licenza, putabä
l'Autore essersi scordato di poruela, qxio circa, egli fuit a me
interrogatus de causa. Respondit, non essere necessaria.
Interrogatus perche? Dixit quotiescumque; tu tacerai,
la piece et menent toute l'action. Marot descend des Dave et des Syrus,
comme le Mascarille et le Scapin de Moliere. So Corbineli in le pe"dant
joue des Cyrano de Bergerac u. a.
') Lotheissen. I, 271.
2) Ebenda, Anm.
3) Palm a. a. 0. S. 56. — Wie der spanische gracioso so manche
Berührungspunkte mit dem italienischen Arlecchino hat, siehe bei
L. Riccoboni, Re'flexinns historiques et critiques sur les differens the-
ätres de l'Europe. Paris 1738. S. 80 ff.
4) A. a. 0. I, 205 u. 208. „De l'esclave flatteuse cynique et cor-
rompue est nee sur le theätre italien la Servetta ou Fantesca, servante
confidante, plus tard en France la Soubrette, emploi qui se confond
avec celui des villageoises eveillees et malicieuses. (212.) Ce type de
la Soubrette est toujours le meme; depuis Piaute jusqu'ä Gherardi et
depuis Gherardi jusqu'ä nos jours il a peu varie."
5) Prölss. I, 2. 221. 228.
Der Parasit. Der Miles gloriosus. 103
eglino si piglieranno il congiedo sua sponte. Hoc tantum
superest. Se la Comedia vi e piaciuta, datele il plauso amba-
bus manibus."
Der Pedant Fauonio in Giaconio Cencis Lustspiel „Gli
Errori" (Venet, olme Jabreszahl und Paginierung') spricht Sizi-
lianiscb mit Lateinisch untermischt; der Pedant Archibio in An-
drea Calmos „II Travaglia" Bergamaskisch und Lateinisch.
Ebenso erging es mit dem Parasiten.1) Er führt meist
bezeichnende Namen, z. B. Panfago, Edace,2) wie bei
den Alten. Gaster, in der Komödie Les Napolitains des
Franeois d'Amboise (des Freundes Lariveys), ist der Gnatho
des Terenz und sein Monolog dem Gnathos im Eunuchen
nachgeahmt.3) Mathew Merrygreek des Roister-Doister
ist der plautinische Artotrogus. 4) Viele Dichter lebten als
Parasite; man kannte Montmaur, und an ihn dachte Tristan
l'Hermite, als er seinen Parasiten Fripesauces, eine in Re-
den und Handlungen plautinische Parasitengestalt, schuf.
Am verbreitetsten aber ist die Figur des prahle-
rischen Soldaten, die Spielarten des Miles gloriosus bei
allen Völkern5) geworden — „Eisenfresser, die sämtlich in
Plautus' Miles gloriosus ihren Urahn verehren". Der Grundton
dieses prahlerischen Kriegers ist derselbe, gleichviel, was sein
Name ist, ob er Capitan Cuerno de Cornazon, Sangre y
Fuego, Matamoros,6) Rodomonte,7) Esgangarato, Coco-
') Theater und Kirche in ihrem gegenseitigen Verhältnis historisch
dargestellt von Dr. Heinrich Alt. (Berlin 1846.) S. 526. — Vgl. Les-
sing, Hamb. Dramaturgie. Achtzehntes Stück. „War ihr (der Römer)
Parasit etwas anders als der Harlekin. Hatte er nicht auch seine eigene,
besondere Tracht, in der er in einem Stücke über dem andern vorkam?"
2) So in Raffaelle Borghinis „La donna constante" (1582).
— Ruth. II, 594.
3) Chasles a. a. 0. S. 179. 180.
4) Ward a. a. 0. S. 157. Mathew Merry-greek is the Artotrogus
of Plautus.
5) Sand a. a. 0. I, 191. Aucun type n'eut autant de succes en
Europe au XVP et surtout au commencement du XVlLe siecle que celui
du capitan, tant dans la comedie improvisee que dans l'autre genre. En
Italie, en Espagne, en France, en Angleterre, le nombre des pieces oü
le capitan sous des noms tres-differents joue le premier röle, est con-
siderable. — Alt a. a. 0. S. 526.
6) Dieser spielt noch in Charles Lecocques Operette Girofle"-
Giroflä (Text von Alb. Vanloo und Eug. Leterrier) als der „weltbe-
rühmte Admiral."
„Ja, Matamoros, Held der Meere,
Wiid retten dieses Hauses Ehre,
Er hat gesiegt noch jedes Mal,
Dieser tapfre Admiral."
(No. 13 und Finale 20.)
7) Pro 1 ss. I, 2. 227. Vgl. diesen z. B. in der Komödie les Con-
tents (cc 1580) des Odet de Turnebe.
104 Der Miles gloriosus
drillo, Grillo, Spavento, Spezzafer, Fracassa, Spavento
da Vall' Inferna, Spezza Monti (frz. Tranclxe Montaigne),
Giangurgolo, Taglia-Cantoni, Rogantino, il Vappo,
Escobombardon della Papirotonda, Zerbino, Ceriruonia,
Mala Gamba, Bella Vita, Cardoni, Babeo, Rinoceronte,
Taille-Bras, Engoulevent u. s. w. beisst, oder sieb mit bisto-
riseben Namen, wie Cacciadiavolo in Ceccbis Martello,1)
einfuhrt.
Alle gleichen sich2) in der Tapferkeit, die sie an sich rüh-
men , 3) in dem geringen Mute , den sie an den Tag legen, 4) in
ihrem überwältigenden Eindrucke, den sie auf die Damenwelt
machen, in ihrem bombastischen Auftreten. 5)
Lotheis"sen6) entwickelt die Gestalt des Renommisten, wie
folgt:
„Das Original findet sich schon völlig ausgebildet in dem
Miles gloriosus des Plautus. Die Spanier verwandelten ihn
zuerst auf ihrer Bühne in einen Landsmann, einen Vetter Don
Quijotes, um die Prahlereien ihrer stolzen Hidalgos zu verhöhnen.
Die noch nicht lange beendigten Kämpfe gegen die Mauren
lieferten dem Renommisten den hauptsächlichsten Stoff zu seinen
Prahlereien, wie schon sein Name Capitan Mat amoros (Mauren-
töter) anzeigt. Nach Italien verpflanzt, behielt er seine spanische
Tracht, die ihn schon von weitem als Kriegsmann kenntlich
machte. Es versteckte sich wohl auch ein Stückchen nationaler
Rache in dieser Betonung des spanischen Charakters. Der Witz
des Unterdrückten verfolgte den stolzen Sieger. Italien stand
*) Ein Korsar aus den Jahren 1540 — 1550.
2) Fournel, les contemporains. IH, 22. Anm. „Tous les mata-
mores de notre vieille comedie ne peuvent tourner leur regard sur un
simple mortel sans le faire pour le moins fremir jusqu'ä la moelle des
os, quand ils ne le reduisent pas en poudre immediatenient. Du reste
ils sont tous jetäs dans un moule tellement uniforme qu'il
est inutile de relever ces continuelles analogies."
3) Sand a. a. 0. I, 175.
Ce capitan plein de boutades,
Estalant, en rodomontades
Sa grand' valeur aux assistants.
«) Ebenda. I, 183.
Ce capitan fait grand e"clat:
Et sa valeur est si parfaite
Qu'il est des derniers au combat
Et des premiers ä la retraite.
5) So im Parasite des Tristan l'Hermite (I, 5).
Voicy ce Capitan qui fait trembler la Terre
Et qui parle si haut qu'il semble d'un tonnere.
Weitere Beispiele s. unter Miles.
6) A. a. 0. I, S. 270. 271.
in späteren Lustspielen. 105
damals zum grossen Teile unter spanischer Herrschaft und hatte
viel von den Soldatenhaufen zu leiden. Der spanische Soldat
galt im sechszehnten Jahrhundert als der heste der Welt, um so
mehr Veranlassung fand die commedia dell' arte, eine Karrikatur
desselben zu gehen. Da kamen die Helden, der Capitan Spa-
vento della Valle Infernale (zu deutsch etwa , Ritter Schreck
von Höllenthal'), die Capitani Cocodrillo, Fracassa, Rodo-
monte, Rinoceronte, und wie sie alle heissen. Schon der
Name sollte Schrecken einflössen. Aber die Träger dieser furcht-
baren Namen entpuppten sich sehr bald als armselige Helden;
schwachmütig, erwiesen sie sich nur da herzhaft, wo sie glaubten,
ungestraft zu bleiben; nur mit Schwachen fingen sie Händel an,
und sobald sie Widerstand fanden, wussten sie tausend Ausflüchte,
um die Heldenkraft ihres Armes für diesmal nicht zu zeigen. Ihre
Hauptstärke bestand in den Aufschneidereien und prahlerischen
Reden. Der eine rühmt sich, den Gegner mit dem blossen Blick
seiner Augen durchbohrt zu haben; der andere hat alle Fürsten
des Orients bezwungen; wieder ein anderer erglüht bei der Ver-
folgimg einer Seeräuberflotte in solchem Zorn, dass der Hauch,
der sich seiner Brust entringt, einem Sturmwind gleich, über die
Flut hinbraust, die Segel der feindlichen Schiffe schwellt und diese
somit rettet.
Der Capitan ging auch in das französische Theater über;
noch Corneille braucht ihn in seinem Lustspiele ,1'Illusion
comique'. !) Aber Moliere kennt ihn nicht mehr. Zu seiner
Zeit hatte sich die Gesellschaft soweit verfeinert, dass sich für
bramarbasierende Lanzknechte kein Platz mehr fand, und an
Stelle des plumpen Kriegsmannes erscheint bei Moliere der gecken-
hafte, hohlköpfige Marquis."
Dieser trefflichen Schilderung des Capitan, für welche wir
seinerzeit die hervorragendsten Beispiele liefern werden, ist nur
noch die alte Erbschaft des Pyrgopolinices anzufügen — seine
herzgewinnende Grossmut und seine überwältigende Schönheit, die
ihm alle Weiber gewinnt. Er wird belästigt von dem schönen
Geschlechte, das vor ihm zu Füssen liegt. Prinzessinnen und
Königinnen senden aus den fernsten Ländern nach ihm, und wie
ihn überseeische Fürsten zum Schutze ihrer Throne rufen, so
mächtige Fürstinnen, um von ihm Heldensöhne zu bekommen. Und
doch ist er in der Wahl der Geliebten meist sehr bescheiden und
erntet selbst mit diesen geringen Ansprüchen nur Hohn, wenn nicht
gar Schlimmeres.
') Ja dieser Taillebras rettete das schwache Stück. Vgl. Sand
a. a. 0. I, 189. La tradition du theätre nous apprend que ce röle
de Matamore fit la f'ortune de l'Illusion comique. (Vgl. Lotkeissen.
n, 174. 175.)
206 Horribilicribrifax.
Die Figur des Capitan hat sich noch lange in Italien bei
Volksbelustigungen erhalten. a)
Wie im alten Rom und in Italien2) die Zeitverhältnisse den
Capitan schufen und ausschmücken halfen, so war dies allent-
halben, z.B. auch in Deutschland, der Fall. „Im Horribilicri-
brifax3) ist der Miles gloriosus des Plautus nach den Erschei-
nungen des dreissigjährigen Krieges verarbeitet."4) Gryphius
schildert in demselben das „bramarbasierende Wesen der
Söldner und überhaupt die Sitten der verschiedenen Stände nach
dem dreissigjährigen Kriege in ihrer ganzen Ehrlosigkeit und
Verdorbenheit " . 5)
Der Hauptmann Horribilicribrifax von Donnerkeil auf
Wursthausen und der Kapitän Daradiridatumtarides Windbrecher
von Tausendmord, der von allen Weibern geliebt zu werden
glaubt, findet sich auch in Jos. Aug. Adams „der Aben-
teuer er."6)
Ehe in der englischen Komödie der Miles seinen unerreichten
Höhepunkt in Shakespeares Falstaff fand, hatte er verschie-
*) S. Lorenz zum Miles S. 255. „Fast bis auf die letzten Dezen-
nien erhielt sich bei den Redouten und Karnevalslustbarkeiten der Ita-
liener (vgl. Goethe, Rom. Karn. XIX, 474 der Ausg. in 30 Bd.) eine
solche ruhmredige Figur, die schon früh im Volksmunde mit dem Namen
Rodomonte belegt worden zu sein scheint."
Aristophanes hat diese Art des Bramarbas noch nicht, ob auch
der sonst zwar verdienstvolle Feldherr Lamachos in den Acharnern
etwas prahlend und lächerlich auftritt.
Vgl. V. 572. IIöB-ev ßoijg ijxovoa TiotefiiGzrjQlag;
TIol xq?) ßotj&siv, nol xvdoifidv £(ißaXetv\
Tig PoQyöv' elsqysiQSV ex xov oüyfiaxog;
V. 620. kP.A' ovv tyoj (ihv tcüoi IIe/.o7iovv>]6ioig
Asl TtolsßTjGoj xccl zaoä<~a) itavruxfl
Kai vaval xccl nttpioi xaxä xb xccqxsqöv.
Komische Wirkung erzielt schon sein Auftreten. Müller (Aristophanis
Acharnenses. Edidit Albertus Müller. Hannoverae, Rümpler 1863), S. 105,
schildert ihn „Lamachus, bene armatus, maxiniam cristam in casside,
Gorgonis imaginem in clypeo gerens, e domo sua prodit. Totam eius
armaturam ridiculam fuisse cogitandum est". Dem Auftreten
entspricht die Rede. „Wer hat den Schlaf der Gorgone im Futterale
gestört?" möchte es Müller übersetzen.
2) Riccoboni a. a. 0. I, 56. La domination des Espagnols en Italie
attira quelques com£diens de leur nation dans le pays et cela donna
au theätre des capitains qui parlaient purement la langue espagnole ou
un nielange des deux langues. De ces capitans nous en avons d'excel-
lents. La memoire subsiste encore des capitans Spavento, Matamore e
Sangre e Fuego. Dort ist (No. X) einer abgebildet.
3) Ein Spavento. Ed. Tittmann, p. 20.
4) Lemcke a. a. 0. I, 316.
5) Kurz a. a. 0. DZ, 390. — Bouterwek, Geschichte der Künste
und Wissenschaften. X, 165.
G) Deutsches Theater für 1819. — Kehr ein a. a. 0. n, 337.
Falstaff. Pistol u. a. 107
dene Vorstufen durchgemacht. Roister-Doister beruht ganz
auf Plautus,1) nicht minder Sir Tophas in Lillys „Endi-
mion".2) Neben Shakespeares Falstaff stehen noch würdig
Parolles,3) Don Armado und „der Superlativ des Miles
gloriosus", der Fähnrich Pistol.4)
Nach dem Shakespeareschen Falstaff5) brachten Beau-
mont und Fletcher in a king and no a king und the Custom
of the country, sowie Ben Jonson6) (Every man in bis hu-
1110111') die Figur des Braggart, sogar mit Berufung auf
den Stammvater Plautus, allerdings mehr oder weniger mit
Beibehaltung der typischen Färbung des plautinischen Charakters
auf die Bühne.7)
Eine neue Gestalt des Miles (nach dem Thraso) schuf
L. Holberg in seinem Jacob von Tyboe; in Deutschland kam
noch ein Enkel desselben in der Preziosa (1811) des Pius
Alexander Wolff (1784—1828) im Schlossvogt Pedro:
Ich beschützte die Bagage,
Stets den Feind dicht hinter mir.
Mit dem einen Beine lief ich,
Mit dem andern wehrt' ich mich.
(III, 2) und seinen Heldenthaten „auf der grossen Retirade".
Übrigens auch in anderen Formen trat die Gestalt des gross-
sprecherischen Soldaten auf. Fäneste ist nichts anderes. „Der
') Ward. I, 140. Ralph Royster Doyster, the work of an English
scholar and schoolmaster, is descended directly from the Miles gloriosus
of Plautus.
2J Ebenda. I, 154. Sir Tophas in „Endimion" has far more assu-
redly a prototype in the Miles gloriosus of Plautus, than Falstaff has
one in Sir Tophas.
3) Vgl. Klein. IV, 571. Der Ruffo in Bernardo Accoltis Virginia
ist ein Parolles.
4) Ward. I, 553. Ancient Pistol is a mere modification of the
regulär italian (and new comedy) type of the Thraso; in Falstaff the
military element is only incidental; the conception of Bobadill has been
well defined as „the coward assuming the dignity of calm courage".
(Vgl. T. Davies, Dramatic Miscellanies, II, 54, where it is remarked,
that from Bobadill Congreve formed his Captain Bluffe in the old
Batchelor.) — Klein, IV, 741, bemerkt: Taddeo Scaliscenti in der
Strega des Ant. Francesco Grazzini sei ein Pistol. „Er könnte gar
wohl zu einigen Pinselstrichen des Fähnrich Pistol gesessen haben."
5) S. Jahrbuch der deutschen Shakespearegesellschaft, herausge-
geben durch Karl Elze. (Weimar 1878.) „Der Miles gloriosus bei
Shakespeare" von J. Thümmel. — Vorträge über Shakespeare-Charak-
tere von Jul. Thümmel. (Halle, Niemeyer 1881.) S. 257—276. „Der
Miles gloriosus bei Shakespeare."
6j Ward. I, 553. The immortal Bobadill a military braggart of
quite peculiar species, wholly distinet e. g. from Falstaff or from an-
cient Pistol.
7) Thümmel a. a. 0. S. 262.
103 Notwendige Umgestaltungen
Baron von Fäneste (cpaivsG&ai) [des Th. A. d'Aubigne] i) ist einer
jener widrigen, geldbedürftigen schmarotzenden Junker, -svie sie
nach den Religionskriegen so häufig zu sehen waren. Feig und
doch prahlerisch erinnern sie an den ,Capitan' der italienischen
Stegreifkomödie. Ihr Hauptgedanke ist zu renommieren; sie
wollen gross thun, vornehm erscheinen, für tapfer gelten. Der
Schein ist ihnen alles ; daher der Name des Barons. " 2)
Einige Stücke, vor allem die Andria des Terenz und die
Menächmi des Plautus,3) sind wahre Fundgruben für die späteren
Dichter geworden. Shakespeare freilich hat die Menächmi
wieder zur höchsten Vollendung gebracht.
Vielfach freilich waren die Umgestaltungen, die je nach
den Zeitanschauungen mit diesen antiken Komödien vorge-
nommen werden mussten. Hegendorf ahmte (1520) in seiner
comedia nova die Hecvra nach;4) der Landgraf Moritz von
Hessen, der 1592 zur Regierung kam und in Kassel so viel
für die Kunst wirkte, schrieb eine „Anglia" „als Nachahmung
der Andria des Terenz, worin er seiner Vorliebe für England
Ausdruck geben wollte";5) B. Varchi (1502 — 1565) hatte in
seiner Suocera die Hecyra,6) als Vorbild zugleich auch mit
dem Versuche, „dem Lustspiele einen anständigeren Inhalt zu
geben;" Beolco Ruzzante machte aus der Asinaria seine
Vaccaria;7) „aus der Kurtisanne hat er die reizende Fiori-
nitta gemacht."8)
Einschneidendere Änderungen machten besonders einzelne
Stücke nötig. So hat der Eunuch des Terenz viel zu denken
gemacht, das Stück war wohl vorzüglich, allein die Persön-
lichkeit passte nicht. Schon einfache Übersetzer glaubten An-
') Les aventures du Baron de Faeneste par Theodore Agrippa
d'Aubigne. Nouvelle Edition revue et annotee par M. Prosper Merimee.
Paris (P. Jannet 1855). Bibliotkeque ElzeVirienne.
2) Lotheissen. I, 130.
3) Riccoboni. 11,252. Les Me"nechmes de Piaute en tout teins
ont suffi aux poetes comiques modernes pour leur donner matiere süffi-
sante pour en faire une comedie parfaite et remplie. L'Andrienne de
Terence de meme n'a pas eu besoin qu'on lui ajoutät des scenes etant
assez complete dans son original pour une action de tke'ätre.
*) Francke a. a. 0. S. 123.
5) Deutsche Dichter des sechszehnten Jahrhunderts. Herausgegeben
von K. Gödeke u. Julius Tittmann. Vierzehnter Band. (Lpz. 1868.)
S. XIV. — Geschichte des Theaters und der Musik in Kassel. Bearbeitet
vom verstorbenen Hof-Theater- Sekretär W. Lynker. Herausgegeben
von Dr. Th. Köhler. Kassel (Th. Kay) 1865. S. 248.
6) La suocera. Comedia di Benedetto Varchi, in Fiorenza ap-
presso Bartolomeo Sermartelli 1569.
7j Prölss. I, 2. S. 113.
s) Ebenda. S. 221.
antiker Bühnenfiguren. 109
deruugen treffen zu müssen;1) um so mehr freie Bearbeiter. Im
Ottoneum zu Kassel wurde er z. B. als Cassandra gespielt.2)
Der Holländer Brederoo konnte nicht Lateinisch; man
empfahl ihm Terenz, und aus sehr mittelmässigen französischen
Übersetzungen des alten Dichters gewann er die nötige Kenntnis
desselben, um den Eunuchus umzuarbeiten.3) Die Person bei-
zubehalten ging nicht an; so wählte er eine „mooris", eine
Negerin. So gefiel das Stück recht wohl und wurde noch nach
achtzig Jahren aufgeführt.4)
In gleicher Weise machte Catarino Dolce aus dem Eu-
nuchen ein Lustspiel „La Mora", das im Jahre 1643 in Köln
erschien. 5)
Ähnlich manipulierten Brueys (1640 — 1723) und Palaprat
(1650 — 1721). Sie machten aus dem Eunuchen einen Stum-
men in ihrem Lustspiel „Le Muet" (comedie en prose en
cinq actes). 6)
Im Jahre 1703 versuchte Baron die Andria der franzö-
sischen Bühne entsprechend umzudichten in seiner „l'Andrienne",
comedie en vers en cinq actes. 7)
Hinter dem Titel der im Jahre 1777 erschienenen Ko-
mödie8) „Die Engländer in Berlin" würde kaum jemand „eine
moderne Übersetzung der Andria des Terenz" vermuten.9)
Selbst die Eigentümlichkeit des Poenulus, in welchem
Plautus in punischer Sprache reden lässt, soll andere Schrift-
*) Z. B. La Fontaine. S. bei Colman a. a. 0. S. 105. „There is
extant in the works of the celebrated Fontaine a comedy entitled l'Eu-
nuque being like Baron's Andria, founded on Terence witli such
alterations as tlie modern Poet thought adviseable in his
age and country."
a) Lynker a. a. O. S. 248.
3S Jonckbloet. n, 129.
4) S. Co mm elin, Beschrijving der stad van Amsterdam. H.Teil. S.863.
5) Nach Allacci. S. 220 in Colonia per Pietro Heningio, in 8°.
6) Vgl. die lange Abhandlung bei Parfaict. XIH. Bd. S. 247.
Die erste Aufführung war am 12. Juni 1691.
7J Parfaict. XIV, S. 312. „II falloit assujetir Terence ä nos mceurs,
& aux bienseances de notre theätre, & en meme temps conserver son
genie, son caractere, & ses beautes inimitables. C'est ce que l'auteur a
ose faire avec autant de bonheur que d'habilete : & l'on peut dire que
cet ouvrage seroit parfait dans son genre, si M. Baron avait pu aussi
bien imiter l'elegance du stile de son original."
8) Berlin, bei Arnold Wewer (in 8°).
9) S. das Theater- Journal für Deutschland vom Jahre 1777. (Gotha,
bey Carl Wilhelm Ettinger). Zweytes Stück. (S. 160, VIII.) „Moderne
Übersetzung heisst hier das, was die Herausgeber des Hamburgischen
Theaters verdeutscht nennen. Noch nie ist uns ein Stück vorgekommen,
wo diese Modernisierung, diese Umschaffung ausländischer Sitten und
fremden Sprachgenius in vaterländische, so glücklich und doch dem Ori-
ginal so treu bewerkstelligt worden wäre u. s. w."
HO Plautus selbst
steiler veranlasst haben, in fremden Idiomen sprechende Personen
auftreten zu lassen. Von Angelo Beolco Ruzzante vermutet
dies Riccoboni;1) Giovammaria Cecchi aber beruft sich in
seinem Prologe zu seinem Lustspiele „I Rivali"-) wegen seines
Spanisch sprechenden Soldaten Ignico ausdrücklich auf
Plautus.3)
Auch gegen diese Sitte führt Grazzini im Prolog zu seiner
Komödie „La Spiritata" (S. 55) Klage, indem er von ihr rüh-
mend hervorhebt: „Ne ci si udiranno ne Tedeschi, ne Spa-
gniuoli, ne Franciosi cinguettare in lingua Pappagallesca,
odiosa, e da uoi non intesa. "
Plautus und seine Lebensverhältnisse sind selber
Gegenstand dramatischer Behandlung geworden. Nepomucene
Louis Lemercier hat in seinem Lustspiel „Piaute ou la co-
medie latine",4) auf dem Epidicus aufbauend, ein Stück aus
dem Leben des Plautus zu geben versucht (1808); Pietro
Chiari (1700 — 1788), bekannt als Egerindo Criptonide, Pastor
Arcade della Colonia Parmense, schrieb (1755) einen Marco Accio
Plauto, (1754) II Terenzio.5) In neuerer Zeit (1876) hat in
ungleich genialerer Weise6) Pietro Cossa (geb. 29. Januar 1834;
') I, 51. Je crois que Ruzante (cc. 1530) a pris de Piaute l'ide'e de
mettre ses differents dialectes dans la comedie . . . Piaute dans sa co-
medie du Poeuulus iutroduit uu Carthaginois qui parle sa langue et qui
fait des jeux de mots avec la langue latine: ce qui devait produire un
plaisant admirable. Ruzante en a fait autant, en mettant dans la bouche
d'un de ses personnages la langue grecque vivante qui donue lieu ä des
jeux de mots avec l'italienne." — Auch Fl ö gel a. a. 0. IV, 142. „Es
ist sehr wahrscheinlich, wie Riccoboni glaubt, dass Ruzante die Idee zu
dieser Erfindung („die verschiedenen italienischen Dialekte aufs Theater
zu bringen") aus dem Plautus genommen." S. dagegen Pro lss. 1,2.217.
2) S. 148 des ersten Bandes der Commedie di Giov. Cecchi,
pubblicate da Gaetano Milanesi. (Firenze 1856.)
3) Eccetto uno Spagnuolo, il quäl, per essere
Un bravazzon, non ha trovato, credomi
Chi gli dia lingua; ond' e la sua restatagli:
Forse per farvi ancor con essa ridere.
Ne e questo peccato; poiclie Plaulo
Fece questo medesimo ttel Penolo.
4) Siehe unter Epidicus.
5) In den Commedie rappresentate ne' Teatri Grimani di Venezia,
coniinciando dall' anno 1749. D' Egerindo Criptonide Pastor Arcade
della Colonia Parmense. (Venezia 1752, Angiolo Pasinelli.) Bd. 1. 2. 3
sind diese beiden Stücke nicht enthalten.
u) Levin Schücking schreibt hierüber (Allgemeine Zeitung 1877,
No. 149 vom 29. Mai, S. 2256) in seinen Römischen Briefen X.: „Cossa
hat sich in die Kultur- und Sittenzustände der Römerwelt in einer Weise
hineingelebt, dass er in diesem „Plautus" ein höchst frappantes dra-
matisches Gemälde derselben zu geben im stände war; dazu bedarf es
nicht grosser psychologischer und gemütlicher Vertiefung, sondern nur
der rasch und leicht arbeitenden Phantasie und der gi-üncllichen Kennt-
dramatisch bearbeitet. 111
gest. 31. August 1881) in seinem Lustspiele „Plauto ed il suo
secolo" die gleiche Idee verfolgt.
Ja selbst als komische Figur hat Plautus herhalten
müssen. Weste rmayer erzählt im Leben J. Bälde s1) ge-
legentlich einer Aufführung des regnum veterum poetaruin von
einer Szene: „Plautus und Martial balgen sich, als die lustigen
Personen des Stückes, in grobkörnigem Gassenlatein herum."
nis der Zeit. Mit grossem Geschick ist der arme Plautus, der, ein Lust-
spielmanuskript in der Tasche und eine Schauspielertruppe um sich,
aus seinem Umbrien in die ewige Stadt einzieht, um dort sein Glück
zu machen — mit grossem Geschick ist er in Situationen gebracht,
welche ihn mit den unvergänglichen Typen seiner Werke, dem Miles
gloriosus, Grumio, dem Wucherer Balio, dem Davus, dem Ritter Cäcilius,
dem Urbild des Aniphitruo in Berührung bringen und uns diese in ihrer
Urgestalt in Fleisch und Blut zeigen. Ein Philologe müsste seine Freude
daran haben, und ein Lateinschüler könnte dadurch in drei Theater-
stunden mehr als in zwanzig Schulstunden lernen."
*) Georg Westermayer, Jacobus Bälde, sein Leben und seine
Werke. München (Lindauer 1868). S. 34.
ZWEITER TEIL.
(Die plautinischen Lustspiele und ihre hervorragendsten
Bearbeitungen.)
I. Amphitruo.
Unter den plautinischen Lustspielen ist der „Amphitruo"
nach mehr als einer Seite hin hemerkenswert. Die Komödie,
welche sich stets unter den acht1) bekannten fand, ist die einzige
dieses Dichters „mit mythologischem (komisch- wunderhaftem)
Stoffe, der etwas ethisch Bedenkliches hat, aber mit formeller
Meisterschaft und heiterster Laune behandelt ist".2) „Bedenklich
ist das frevle Spiel, welches mit der Tugend der treuen und edlen
Alkmene getrieben wird."3)
Der (übrigens unechte) Prolog 4) deutet die Eigenart des Stückes
am besten an. Er bezeichnet es (V. 50 — 63) als „Tragikomödie"
wegen der Mischung göttlicher und menschlicher Charaktere:
50. Nunc quam rem oratum huc ueni, primum proloquar:
Post argumentum huius eloquar tragoediae.
Quid contraxistis frontem? quia tragoecliam
Dixi futuram hanc? si uoltis, faciam ego ex tragoedia
55. Comoedia ut sit omnibus isdem uersibus.
Vtrum sit an non uoltis? set ego stultior,
Quasi nesciam uos uelle, qui diuos siem:
Teneo quid animi uostri super hac re siet.
Faciam ut conmixta sit haec tragicomoedia :
60. JSam me perpetuo facere ut sit comoedia,
Reges quo ueniant et di, non par arbitror.'0)
Quid igitur? quoniam hie seruos quoque partis habet,
Faciam sit, proinde ut dixi, tragicomoedia.6)
') Amphitruo, Asinaria, Aulularia, Captivi, Curculio, Casina,
Oistellaria, Epidicus. (Vgl. S. 18.)
2) W. S. Teuffels Geschichte der römischen Litteratur. Vierte
Auflage bearbeitet von Ludwig Schwabe. Lpz., Teubner 1882. p. 147.
3) Teuf fei, 1. c. p. 147. — S. dagegen Grundriss der römischen
Litteratur von G. Bernhardy. Fünfte Bearbeitung. (Braunschweig,
Schwetschke u. Sohn) 1872. S. 455 „die stark gezerrte Posse Amphitruo".
') Vgl. F Martius, Quaestiones Plautinae. De captivorum, Am-
phitruonis, Poenuli, Rudentis prologis. Berol. 1879.
b) Dasselbe berührt Lope deVega, s. LessingsHamb.Dram. G9.Stück.
6) Nach T. Macci Plauti Amphitruo. Ex recognitione Alfredi
F leckeisen i. Lipsiae (Teubner) 1879. — Spezialausgaben F. Ast (Lands-
hut 1818); Th. Verwaijen (Utrecht 1827): F. Lindemann (Lips. 1834);
F. W. Holtze (Lips. 1846).
116 I. Amphitruo.
Auch Lessing (Hamb. Drara. 55. Stück) handelt davon, indem
er Voltaires Erklärung' der Tragikomödie abweist.
Der Stoff ist gewiss der neuen Komödie entnommen. 1) Es
ist ein dem Altertume geläufiger Vorwurf, dessen Bearbeitung
mehreren alten Dichtern (Archippos, Epicharmos) zugeschrieben
wurde; auch plastische Darstellungen aus der Amphitruosage
fehlen nicht;2) indessen ist es kein Stück der alten attischen Ko-
mödie, ebensowenig des Archippos oder des Rhinthon, wie Binder
(Übers. S. 5) sagt.3)
Der Text des plautinischen Amphitruo ist verstümmelt auf
uns gekommen.4) Nach der zweiten Szene des vierten Aktes
(V. 1043) findet sich eine ziemlich bedeutende, durch das Fehlen
einer Blätterlage verursachte Lücke, die etwa vier Szenen von un-
gefähr dreihundert Versen vermissen lässt. Als das Stück im
fünfzehnten Jahrhundert zu Rom und Florenz gespielt wurde,5)
versuchte Hermolaus Barbarus, der Kardinal von Aquileja,
(1464 — 1493) ein Freund des Angelo Poliziano, der aus einem
altedlen venetianischen Geschlecht stammte, die fehlenden Szenen
zu ergänzen. Diese Nachdichtung ist nach Form und Inhalt
nichts weniger als gelungen zu nennen; Barbarus thut, als ob er
den Versuch selbst6) für nicht vorzüglich halte.
') S. Frd. Schultz, Plautus in seinem Verhältnisse zur mittleren
und neueren griechischen Komödie. Neustadt in Pr. 1866. — Ritschi,
Parerga, p. 271.
'-) Winckelmann, Gesch. d. K. S. 187. W. A. — Vgl. auch An-
nali dell' Istituto 1872. — 5 — 18. (Engelmann) in abweichender
Auffassung. — D'Hancarville, Antiq. Etrusc. IV. pl. CV. — Winckel-
mann, Monum. ined. n. 190. — C. 0. Müller, Denkmäler der alten
Kunst. II, 19. — Wieseler, Theatergebäude u. Denkmäler des Bühnen-
wesens. IX, 11. — Heydemann in Arch. Zeit. n. F. I, 34. — A. Bau-
meister, Denkmäler des klassischen Altertums. München u. Leipzig
(Oldenhourg) 1884. S. 48, und Ausführliches Lexikon der griech. und
röm. Mythologie von W. H. Röscher. Lpz. (Teubner) 1884.
3) Vgl. J. Vahlen, Rhein. Museum. XVI. S. 472, wo vermutet
wird, dass vielmehr Atellanen mit mythologischem Stoffe Rhinthonicae
seien, possenhafte Travestierungen mythisch-tragischer Gegenstände. —
Die Rhinthonicae sind so genannt von dem Phlyakograpken Rhinthon
aus Tarent, der tragische Stoffe lächerlich machte (tu TQayixa fxeva^QvS-
[a!l,ü)v elg ytlolov), auch V/MQOTQuyiuöiu oder Ixahxfj, wogegen Amphitruo
xü)(ji(i)6oTQayo)äla. (Teuffei, 1. c. pag. 30.) — Ladewig, Über den Ka-
non des Volcacius Sedigitus', Neustrelitz 1842. S. 23 ff. — S. W. Teuf fei,
Studien und Charakteristiken zur griech. und röm., sowie zur deutschen
Litteraturgeschichte. Lpz. (Teubner) 1871. S. 255. — Bernhardy, 1. c.
pag. 462.
4) Em. Hoff mann, De Plauti Amphitruonis exemplari et frag-
mentis. Vrat, 1848.
5) Oeuvres completes de Moliere. Nouvelle edition etc. par M.
Louis Moland. (Garnier Freres 1864.) Der fünfte Band der chefs-
d'ceuvre de la litterature francaise. Notice preliminaiiv. pag. 7.
6) Vgl. Politian, Epistol. XII, 25.
Charakteristik desselben. 117
Diese bei Plautus fehlenden Szenen haben der Phantasie
nachfolgender Bearbeiter freien Spielraum gelassen.
Der Inhalt des plautinischen Amphitruo, der zu so manchem
Anstoss Veranlassung wurde, A) fällt in einigen Stücken mit jenem
der Menaechmi zusammen, nur ist in letzterer Komödie der
freie Zufall das herrschende Element, während der Amphitruo
eine Wunderkomödie, eine göttliche Intrigue ist. Wohl liegt im*
Amphitruo eine beabsichtigte Geisse lung des Juppiterglau-
bens. 2) Es ist nicht mehr die Naivetät des Dichters und seines
Zeitalters, noch ist es ein erhabenes Bild, das Mercurius von dem
Vater der Götter und Menschen (in den angefochtenen V. 26 —
31) entwirft:
„Etenim ille, quoius huc iussu uenio, Iuppiter
JSon minus quam uostrum quiuis formidal malvm :
Humana matre natus, humano patre,
Mirari non est aequom, sibi si praetimet.
Atque ego quoque etiam, qui Iouis sum filius,
üontagione mei palris metuo malum."
oder, wenn er ihn ( V. 138) als Ausfluss seiner Allmacht stehlen
lässt:
Ea dona, quae illic Amphitruoni sunt data,
Apstulimus: facile mens pater quod uolt facit.
Die Fabel an sich ist nicht gerade sehr viel wert, vor allem
ist sie gewiss alles eher, als poetisch: dennoch aber zeichnet sich
die Gesamtarbeit durch Feinheit des Dialogs und eine wohlgefeilte
Diktion aus. Ganz besonders sind die Situationen einzelner Szenen
von hochkomischer Wirkung.3)
Wir haben nun den Gang der Handlung und die Gestalten des
plautinischen Lustspiels näher zu verfolgen, um zu ersehen, was
die zahlreichen späteren Bearbeiter ihrer Quelle verdanken.
') So findet Eapp (Span. Theat. I, 17) „El diablo predicador" des
Belmonte lasse sich „in der Frivolität etwa dem Amphitruo an die
Seite stellen".
2) J. Naudet (Theätre de Piaute, traduction nouvelle. Paris
[Panckoucke] 1845) urteilt hierüber (I, 24): L'Amphitryon de Piaute est
uu des plus insignes exemple des inconsequences de l'esprit humain.
CVsf peiit-etre au sortir du Capitole, oü ils venaient d'adresser au tres
Bon et tres Grand des actions de gräce ou des supplications que les
Romains allaient applaudir les histrions qui bafouaient Jupiter avec son
fils sur le proscenium; contradiction d'autant plus etrange, que les jeux
sceniques ne se donnaient qu'aux fetes solennelles, et que toutes ces
fetes etaient religieuses.
3) F. Osann, Über den Amphitruo des Plautus (Rhein. Museum
von Welcker und Näke. II, S. 305—335). — Welcker, Griech. Trag.
S. 1478—1481. — R. Steinhoff, Prologomena zu Plautus' Amphitruo.
Jahresbericht, über das herzogl. Gymnasium zu Blankenburg. Halber-
•~la.lt 1879. — H. Köstlin, Phil. 36, 358.
1 ] g I. Amphitruo.
Mercurius tritt auf und giebt im Prolog (V. 1 — 153) den
Inhalt der Komödie. Amphitruo, der Gatte der Alcumena
und Feldherr der Thebäer, ist abwesend im Kriege mit den
Teleboern. Juppiter, der von Liebe zur schönen Alcumena ent-
brannt ist, benutzt diesen Umstand zur Befriedigung seiner Lei-
denschaft. Er nimmt die Gestalt des fernen Amphitruo an, sowie
"Mercurius in jener des Sklaven Sosia auftritt, und täuscht auf
diese Weise Alcumena.
Mit dem ersten Akte erscheint Sosia. Amphitruo hat
ihn vorausgesandt, um seiner Gattin Alcumena seine siegreiche
Rückkehr anzukündigen. Mercurius, in der Gestalt des Sosia,
bewacht bereits das Haus, in welchem sich Juppiter in einer
eigens verlängerten Nacht Alcumenas freut. Mercurius tritt
dem Sklaven entgegen, verwehrt ihm den Eintritt in Amphitruos
Haus, jagt ihn mit Schimpfen und Schlägen von dannen und
macht ihn vollständig verwirrt, da Sosia in dem Fremdling un-
leugbar sein Ebenbild erblickt. — Juppiter tritt mit Alcumena
auf; er nimmt mit dem Grauen des Tages zärtlichen Abschied
von ihr; er habe sich, sagt er, nur vom Lager zu ihr herge-
stohlen; niemand dürfe seine Abwesenheit wahrnehmen. Schei-
dend schenkt er ihr die Trinkschale des Königs Pterelas, die
er nach dessen Besiegung als Lohn seiner Tapferkeit erhalten
hatte. Es wird Tag, und zwar ein viel kürzerer, auf dass die
lange Nacht ausgeglichen werde. (V. 550.)
Am Beginne des zweiten Aktes erzählt Sosia seinem
Herrn Amphitruo, was ihm begegnet sei. Ein anderer Sosia,
sein treuestes Ebenbild, habe ihn geprügelt und nicht in das Haus
eingelassen. (V. 632.) Indessen Amphitruo den Bericht nicht
verstehen kann, naht Alcumena, in einem sehr hübschen Mo-
nologe die wiederholte Trennung von ihrem teuern Gatten be-
klagend, doch aber des Ruhmes seines Heldensinnes sich freuend.
Plötzlich erblickt sie Amphitruo vor sich. Da sie seine Fragen
nicht verstehen, vielmehr ihm nur versichern kann, dass er diese
Nacht bei ihr gewesen und soeben erst geschieden sei, kömmt es
zu einer aufgeregten Szene, in welcher Amphitruo seiner Ge-
mahlin schwere Vorwürfe macht. Diese zeigt ihm den Becher
des Pterelas, den nun Amphitruo vergeblich in seinem Etuis
sucht, da ihn Mercurius gestohlen hat. In höchstem Unmute
verlässt Amphitruo Alcumena, um ihr durch das Zeugnis
ihres Verwandten Naucrates zu beweisen, dass er diese Nacht
bei ihm verbrachte. (V. 860.)
Der dritte Akt führt Juppiter ein, bedacht, Alcumena
keinen Schaden zuzufügen: denn (V. 871):
Nam mea sit culpa, quod egomet contraxerim,
Si id innocenti (inmerito damnosum) expetat.
Charakteristik desselben. 119
eine Gerechtigkeitspflicht, der schon früher (F 492) Mercurius
mit den Worten Ausdruck verlieh:
nemo id probro
Profecto ducet Alcumenae: nam deum
IXon par uidetur facere, delictum snum
Suamque ut culpam expetere in mortalem sinat.
Juppiter besänftigt, als Amphitruo die schmollende Alcu-
mena, indem er ihr förmlich Abbitte für seine früheren Reden
leistet, worauf sie sich versöhnen. Sosia, der dazu kömmt, sieht
mit Freude und Staunen diesen Friedensschluss (V. 957):
Iam pax est (facta) uos inter duos?
Nam quia uos tranquillos uideo, gaudeo et volup est mihi.
Er geht mit ihnen ins Haus. Mercurius aber, als Sosia, bleibt
wieder als Wache vor demselben. Vergeblich hat mittlerweile Am-
phitruo überall nach Naucrates gesucht; er will in seine Wohnung,
um Weiteres von Alcumena zu erfahren, Mercurius aber zieht
ihn, auf dem Dache stehend, auf. (F. 1034.) Hier ist die Lücke.
In dem Fragmente des vierten Aktes hören wir von
Blepharo, dass Alcumena eben entbunden werde. Erregt, mit
allen Drohungen, will Amphitruo ins Haus dringen; ein Donner-
schlag erfolgt; er stürzt zusammen. (F. 1052.)
Beim Beginne des fünften Aktes findet die Amme Bromia
ihren Herrn, Amphitruo, am Boden liegend; „sepultust quasi sit
mortuos." (F. 1074.) Sie berichtet ihm, der langsam zum Leben
erwacht, von Alcumenas schmerzloser Entbindung, und dass
sie zwei Knaben zur Welt gebracht habe, deren einer ein ihn
bedrohendes Schlaugenpaar getötet habe. Juppiter sei der Vater
des einen Knaben, worauf sich Amphitruo mit den Worten
tröstet (F. 1124):
Pol me hau paenitet,
Si licet boni dimidium mihi diuidere cum Ioue.
Zur Bestätigung des Gesagten erscheint noch Juppiter
selbst. Alcumena ist schuldlos und rein; denn (F. 1142):
Mea ui subactast facere.
Auch Amphitruo ist befriedigt; denn begrüsste er schon
bei der ersten Kunde die Geburt der Zwillinge als günstiges
Zeichen (F. 1089), so ist er mit Juppiters Versicherung, dass
der eine der beiden wirklich sein Sohn sei (F. 1135 — 1140),
und dass der andere ihm Ruhm und Ehre bringen werde, völlig
beruhigt: und das Stück schliesst mit einer Aufforderung an die
Zuschauer, Juppiter zuliebe zu klatschen (F. 1145):
Spectatores, nunc louis summt causa clare j)laudite !
120 I. Amphitruo.
Die Handlung des Stückes ist gewiss keine ganz befrie-
digende,1) indem der „denx ex machina" dieselbe gewaltsam
löst. Andrerseits lässt sieb nicht leugnen, dass selbst ein mytho-
logisch so bedeutsamer Vorgang, wie die Zeugung des Herkules,
nicht wichtig genug erscheint, um ihm die glückliche Ehe zweier
liebender Gatten so gewaltsam aufzuopfern. Mehrfach hat man
daraus auf die niedrige Anschauung jener Zeit vom Weibe
geschlossen. 2)
Die Feinheit jedoch, welche im Dialoge herrscht, und die
herrliche Komik, vor allem die überraschende Ähnlichkeit der
beiden Amphitruo und Sosia, auf welche in der Komödie wieder-
holt hingewiesen wird,3) und welche dem Zuschauer nur durch
die Flügelchen (pinulae) des Mercurius und das goldene Hutband
(torulus aureus) des Juppiter etwas aufgeklärt wird,4) muss des
') Vgl. indessen, wie Mercurius der abgedroschenen Motive spot-
tet, wie sie im Trinummus und in der Mostellaria gebraucht sind
{V. 986):
Nam mihi quidem hercle qui minus liceat deo minitarier
Populo, ni decedat mihi, quam seruolo in comoediis?
Ille nauem saluam nuntiat aut irati aduentum senis.
2) Vgl. Benoist,De personis muliebribus apudPlautum. Mars. 1862,
und auch den Vorwurf, dass das Weib den Schwur nicht achte (/'. 836):
Mulier es, audacter iuras,
den in ähnlicher Weise im „Miles gloriosus" Sceledrus der Philocomasium
macht (V. 456):
„Muliebri fecit fide."
3) V. 120. Nam meus pater nunc intus eceum Iuppiter
In Amphitruonis uortit sese imaginem,
Omnesque eum esse censent serui qui uident.
V. 441. Certe edepol, quom illuni contemplo et formam cognosco
meam,
Quem ad modum ego sum (saepe in speculum inspexi):
nimis similist mei.
Itidem habet petasum ac uestitum: tarn consimilist at-
que ego.
Sura, pes, statura, tonsus, oculi, nasum, uel labra,
Malae, mentum, barba, collus: totus. quid uerbis opust?
Si tergum cicatricosum, nihil hoc similist similius.
V. 457. Nam hie quidem omnem imaginem meam, quae antehac
fuerat, possidet.
V. 600. Tum formam una apstulit cum nomine.
Neque lac lacli magis est simile quam ille ego similis
est mei.
4) V. 142. Nunc internosse ut nos possitis facilius,
Ego has haOeo usque hie in petaso pinulas:
Tum meo patri autem torulus inerit aureus
Sub petaso: id Amphitruoni signum non erit.
Ea signa nemo horunce familiarium
Videre poterit, ueruni uos uidebitis.
Siehe hierüber R. Steinhoff. II, 7, Note 22.
Charakteristik desselben. 121
Erfolges auf der Bühne sicher sein. Sie führt zu so trefflich
ausgebeuteten Situationen, dass man gerne auf einige Zeit ver-
gisst, wie arg bedenklich vom moralischen Standpunkte aus dieses
Quiproquo ist.
Der Vergleich der Arbeiten der Nachfolger nötigt uns, die
Hauptzüge der Charaktere des plautinischen Stückes in Kürze zu
betrachten. Sie sind insgesamt scharf ausgeprägt.
Juppiter, der „Amphitruo" subditiuos" (F 497), ist nach
den Darstellungen seines eigenen Sohnes ohne sittlichen Halt in
seinen Anschauungen (F 104):
Nam ego uos nouisse credo iam ut sit meus pater,
Quam Über harum rerum et multarum siet
Quantusque amator, si ei quid conplacitumst semel.
Seine Gottheit giebt ihm zu allem, auch zum Diebstahl, wie wir
sahen, volle Macht. Er ist ein abscheulicher Lügner (F 506):
Nimis hie scitust sueophanta, qui quidem sit meus pater.
In seiner Lüsternheit teilt er des Sklaven Sosia Ansicht (F 287):
Vbi sunt isti scortatores, qui soli inuiti cubant?
Haec nox scitast exercendo scorto condueto male,
worauf Mercurius sagt:
Meus pater nunc pro huius uerbis recte et sapienter facit,
Qui conplexus cum Alcumena cubat amans, animo opsequens.
Noch klingt uns, wenn er sich in der letzten Szene pathe-
tisch als den Gott Juppiter zeigt (Iuppiter supremus, F. 1127;
quom sum Iuppiter, V. 1134; ego in caelum migro, F 1142),
sein Monolog vom dritten Akte, „qui interdum fio Iuppiter, quando
libet" (F 864), nicht ohne arge Beeinträchtigung seiner Göttlich-
keit im Ohre.
Auf derselben Stufe steht Mercurius, der sich schon im
Prologe als den Gott nicht gerade des schönsten Handels und
ehrlichsten Gewinnes und als Helfer „in omnibus rebus" einführt.
Er hat mit der Sklavengestalt den niedrigen Sklavensinn ange-
nommen (F 266):
Et enimuero quoniam formam huius cepi in me et statum,
Decet et facta moresque Indus habere me similis item.
Itaque me malum esse oportet, callidum, astutum ad modam
Atque hunc telo suo sibi, malitia, bis a foribus pellere.
Gegen diese beiden Göttergestalten heben sich Amphitruo
und Alcumena durch besondere Reinheit des Charakters ab.
Amphitruo („der unermüdliche Kriegsmann") ist kühn und tapfer
als Feldherr (F. 191):
122 I- Amphitruo.
Id ui et uirtute niilitum uictuin atque expugnatum oppidumst,
Imperio atque auspicio niei eri Amphitruonis maxume,
Qui praeda agroque adoreaque adfecit popularis suos
Regique Thebano Creoni regnum stabiliuit suum.
Milde gegen seinen Sklaven, will er ihn nicht mit Arbeit
überlasten (7 674):
Alium ego isti rei adlegabo: ne time!
Wahrheitsliebe ist ein Grundzug seines Charakters (7. 687):
„Quia uera didici dicere",
und so bringt er seiner Gattin, von der er überzeugt ist, dass
Theben kein besseres Weib hat, aufrichtige Liebe und Verehrung
entgegen. (7. 676):
Amphitruo uxorem salutat laetus speratam suam,
Quam omnium Thebis uir unam esse optumam diiudicat,
Quamque adeo ciues Thebani uero rumificant j^robam.
Gewiss ein Gegenstück zu Juppiter!
Die verführte Alcumena („die Starke") ist nicht minder mit
allen guten Zügen ausgestattet. Diese „uxor usuraria" Juppiters
(7. 498) ist eine vortreffliche Hausfrau, die sich der „res com-
munis" ernstlich annimmt (7. 499) und voll Liebe zu ihrem
Gatten ist. (7 640):
Sola hie mi nunc uideor, quia ille hinc abest, quem ego amo praeter omnis.
Plus aegri ex abitu (mei) uiri quam ex aduentu uoluptatis cepi.
Sie ist auch voll Teilnahme an seinem Ruhme, und dies ist
ihr einziger Trost gegenüber der Trennung von ihrem Gemahle;
ein Trost, den sie in jenem herrlichen Monologe des zweiten
Aktes, den alle Nachahmer von Geschmack sich angeeignet haben,
in so zarter Form zum Ausdruck bringt (7 642):
Set hoc me beat saltem, quoniani (ille) uicit
Perduellis et domum laudis conpos reuenit
und so weiter.
Sie ist sittsam (proba 7 678), keusch und treu, wie ihr
Schwur (7 831) bezeugt:
Per supremi regis regnum iuro et matrem familias
Iunonem, quam te uereri et metuerest par maxume,
Vt mi extra unum te mortalis nemo corpus corpore
Contigit, quo me inpudicam faceret.
und darin sucht sie ihre einzige Ehre. (7 839) :*)
') Vgl. Sulzer, Theorie etc. III, 702-'.
Charakteristik desselben. 123
Non ego illam mihi dotem esse duco, quae dos dicitur,
Set pudicitiam et pudorem et sedatum cupidinem,
Deum metum et parentum amorem et cognatuni concordiam,
Tibi morigera atque ut munifica sim bonis, prosim jjrobis.
Beleidigt in ihrer weiblichen Ehre, keiner Schuld sich be-
wusst (V. 885: „Quae neque sunt facta neque ego in nie— admisi,
arguit"), will sie Amphitruos Haus verlassen. Als ein Muster
weiblicher Denkart tritt sie mit dem ganzen Selbstbewusstsein der
Unschuld auf, da Juppiter sie versöhnen will (V. 925).
ALC. Ego istaec l'eci uerba uirtute inrita.
Nunc quando factis sum inpudicis apstinens.
Ab inpudicis dictis auorti uolo.
Valeas, tibi habeas res tuas, reddas meas.
Iuben mihi comites?
IV. Sanan' es?
ALC. Si non iubes,
Siuito: Pudicitiam egomet comitem ihixero.
u. s. w. in einer meisterhaften Szene.
Noch bleibt uns die Figur des Sosia — für die Nachfolger
eine der verwertbarsten.
Sosia ist das Muster eines Sklaven, wie ihn V. 266 — 269
schildert. Köstlich ist sein Auftreten. Er räsonniert über das
Sklavendasein und die Befehle des Herrn, der nicht ahnt, was ihr
Vollzug alles erheischt. (Vgl. F. 172):
Non reputat quid laborist.
Als echte Bedientenseele formt er sein Gesicht nach dem seines
Herrn (F. 959):
Atque ita seruoni par uidetur frugi esse instituere :
Proinde eri ut sint, ipse item sit: uoltum e uoltu conparet:
Tristis sit, si eri sint tristes, hilarus sit, si gaudeant.
Feige, wie kein zweiter, schneidet er dennoch gewaltig auf
(F. 199):
Nam quom pugnabant maxume. ego tum fugiebam maxume.
Verum quasi adfuerim tarnen simulabo atque audita eloquar.
Mercurius meint (F. 293):
Nullust hoc meticulosus aeque.
Beim Anblicke des Gegners weiss er nur den Schreckensruf
auszustossen: ,.Perii, dentes pruriunt!" So wird Sosia zu einer
höchst wirksamen komischen Figur, und die Szene, wo er zum ersten-
male mit Mercurius zusammentrifft, sowie die zweite Szene des
zweiten Aktes sind wahre Kabinetsstücke.
Das also ist das Vorbild der kommenden Bearbeitungen des
12-4 I- Amphitruo.
Ämphitruo, *) einer ziemlich weitverbreiteten Sage des Altertums,2)
die nach der Anschauung einzelner Forscher3) in verschiedenen
Erzählungen des Mittelalters wieder spielt.
Ed. Dumeril glaubt4) zwar, gestützt auf eine Stelle im
.,C armen p aschale" des (Caelius?) Sedulius,5) eines christ-
lichen Dichters aus der zweiten Hälfte des fünften Jahrhun-
derts, der sich stark über die profane, heidnische Bühne be-
schwert und dabei von „Ridiculove Greta" spricht, dass es schon
seit dem fünften Jahrhundert lateinische Bearbeitungen des plau-
tinischen Amphitruo gab, wie uns eine solche in dem Amphi-
tryon (oder besser dem Geta und Byrrhia) des Vitalis Bie-
sen sis6) (Vital de Blois) aus dem zwölften Jahrhundert vorliegt.
Richtig indessen hat A. Chassang7) die Unnahbarkeit dieser
Ansicht aus dem Umstände nachgewiesen, dass Geta einer der
gewöhnlichsten Sklavennamen war. Der genannte Vital de Blois
nun ist einer der hervorragendsten Klassizisten jener Zeit, in
welcher man viel nach klassischen Mustern, und besonders
nach Plautus , arbeitete. 8)
Der lateinische Text „Geta",9) dessen auch Jeremias von
Padua am Ende des dreizehnten Jahrhunderts in seinem „Epitoma
') Über Neubearbeitungen des Amphitruo handelt: Nyere
Digteres Bearbeidelser af Plautus „Amphitruo" af Emil Gigas auf
S. 113—140 von Det philologisk-kistoriske Samfunds Mindeskrift i an-
leduing af dets femogtyveaarige virksomhed 1854 — 1879. Udgivet med
Understöttelse fra Carlsberg-Fondet. Kjöbenhavn. Forlagt af Rudolph
Klein 1879. — Gigas kennt: Collenuccio, Villalobos, Perez de Oliva,
Dolce (il marito), Camöes, Rotrou, Moliere, Dryden, Jose da Silva, Kleist,
Falk. — Von einem im Winter 1878 79 im Breslauer wissenschaft-
lichen Vereine gehaltenen Vortrag über die modernen Bearbeitungen
des Amphitruo von Dr. A. AVinter berichtet R. Steinhoff (Das Fort-
leben des Plautus auf der Bühne 1881). S. 1. Anm. 3.
2) Moland, 1. c. pag. 3.
3) Ebenda, pag. 8. 9.
4) Ed. Dumeril. Orio\ lat. du theätre moderne, pag. 15.
5) Ausgaben von Chr. Cellarius (Halle 1704. 1739), Grüner (1747),
H. J. Arntzen (Leovard. 1761). F. Arevalus (Rom. 1794j. — Vgl.
Teuffei, pag. 1122 ff. — Bernhardy, pag. 1000 ff.
6) Vital de Blois, auch Gallus oder Galliens beioenannt, blühte
gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts und ist in Blois geboren.
Er war ein Zeitgenosse des Matthieu de Vendome. Von seinem
Leben weiss man nichts Näheres. Vgl. Histoire litteraire. XV. Bd.
S. 428. 429. — Biographie universelle. Paris 1816. — Fabric, Bibl. Lat.
cura Em. 1. 29.
7) A. Chassang, Des essais dramatiques imites de l'antiquite au
XTVe et au XVf siecle, Paris (Durand 1852), pag. 7.
8) M. Magnin, Cours inedit. Conf. Journal de l'instruction publique
vom 8. fevrier 1835.
9) Vgl. Histoire litteraire de la France (1852). Band XXH. Seite
41—48. - Teuffei, S. 147.1037. — Osann. 1. c. pag. V— XV1TI; auch
J. L. Klein, Geschichte des Dramas. (Lpz. 1866. in. pag. 638.)
Der Geta des Vitalis Blesensis. 125
sapientiae" Erwähnung thut, ohne jedoch den Dichter zu nennen
(„auctor libelli, qui incipit: Grecorum stiidia"), und den auch
War ton an der Bodleianischen Bibliothek zu Oxford gesehen
hatte, wurde im Jahre 1833 zum erstenmale von Angel o Mai
(Classicorum auctorum e Vaticanis codicibus editorum etc. curante
Angelo Maio. Romae 1828—1833, 10 voll, in 8°), in tomus V,
p. XLVH, S. 463 — 478, herausgegeben und zwar ohne Namen
des Verfassers.
Im Jahre 1836 teilte St. Endlicher (in seinem Catalogus
codicum philologorum latinorum bibliothecae palatinae Vindobonensis,
Vindobonae 1836 in 8°, S. 162) das in der Wiener Bibliothek befind-
liche Manuskript 277, n. 21, das er „Carmen de Amphitryone
et Alcmena" betitelt, obwohl es in demselben „Incipit Geta,
Explicit Geta" heisst, dem Matthieu de Vendome zu (Aucto-
rem esse Matthaeum Vindocinensem persuasum habeo). —
Im gleichen Jahre gab Frd. Osann den Text nach einer Hand-
schrift von Rom und zweien von Darmstadt heraus (Vitalis Ble-
sensis Amphitryon et Aulularia Eclogae. Edidit Fridericus
Osann. Darmstadii [Heil 1836], wobei er die Autorschaft des
Amphitryon und des Querolus (Aulularia) richtig dem Vital
de Blois zuteilte. Auch in zwei Manuskripten des vierzehnten
Jahrhunderts (aus Neapel und Florenz) wird Vital als Autor
genannt, nicht minder in einer Getahandschrift in Leyden (Ca-
talogus librorum manuscriptorum , qui inde ab anno 1741 biblio-
thecae Lugduno-Batavae accesserunt. Descripsit Jacobus Geel.
Lugd. Batav. 1852, S. 100), wo es heisst: Carmina Vitalis fer,
fama, parentibus ') alis.
Den Text Osanns hat im Jahre 1838 Thomas Wright
in Early Mysteries and other latin poems of the twelfth
and thirtheenth centuries (London 1838), S. 79—90, S. 127
— 133, abgedruckt, — Im Jahre 1840 erschien die Ausgabe von
C. W. Müller im Lektionskatalog der Universität Bern (Carol.
Guil. Mülleri Analectorum bernensium particula II: Vitalis
Blesensis Geta comoedia. Bernae 1840 in 8°, 48 Seiten). In
derselben sind drei Berner Handschriften mit jenen der Vaticana,
von Paris, München2) und Darmstadt verglichen.
Einen nochmaligen Abdruck bieten S. 486—505 des IV.
Bandes, 2 ser. (1848), von Anatole de Montaiglon, Bibliotheque
de l'Ecole des Chartes, receuil pcriodique paraissant tous les deux
mois. Paris seit 1839. 3)
') Wohl patentibus. Hist. litt. S. 947.
2) Cod. lat. Mon. 19463. Geta poema, saec. XII. — Cod. lat. Mon.
19473. saec. XII. Fol. 29—37. Poema de Amphitrione. — Cod. lat.
Mon. 18910. Fol. 201—214. über Geta, saec. XV.
3) Vgl. Bd. V, S. 425. — F. Bücheier, lat. Deklifl.3 20.
126 I- Amphitruo.
Nur eine Abschrift von Vitals Geta, und zwar eine mangel-
hafte, ist der im „Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche
Geschichtskunde, hrsg. von Georg Heinrich Pertz (Hann. 1820
— 1852, X voll, in 8°)", Bd. IX, S. 7, genannte Joh. Mussae
Amphitruon, der auch schliesst:
Explicit hie Geta, deeeptus ab Archade summo;
l'ilalis Blesis explicit Amphitruon.
„Explicit liher Amphitruonis per me Johann em Martinum
de Mussa in Bergolio, " einer Vorstadt von Alessandria in Piemont.
Der Amphitryon des Vital de Blois verdankt allerdings
nur die Hauptidee dem Lustspiele des Plautus. *) Es ist
weniger der eheliche Eingriff Juppiters, 2) Alkmene tritt ganz
in den Hintergrund;3) Vitals Tendenz ist gegen die um
sich greifende Scholastik gerichtet.4)
Den Hauptinhalt gieht uns der Dichter in seiner Einleitung:
Graecorum studia nimiumque diuque secutus
Amphitryon aberat, et sibi Geta comes.
Iutrat ad Alcmenam ficto Saturnius ore,
Cui comes Areas erat. Credidit esse virum.
5. Geta redit t andern praemissus ab Amphitryone.
Arcadis ille dolis se putat esse nihil.
Se dolet esse nihil, et ab Arcade lusus abibat;
Visa refert domino ; vir dolet; arma parat.
Laetus abit socio Pater Arcade; quaeritur illis
10. Moechus; abest; gaudent; lis cadit; ira tepet.
') Chassang, 1. c. pag. 23. Le Geta de Vital ne conserve de
1' Amphitryon que l'idee generale. — Vgl. hierüber auch die Prae-
fatio bei A. Mai.
2) Chassang, 1. c. pag. 24. Ce n'est comme dans Piaute le
tableau des inquietudes d'Amphitryon trompe puis averti et apaise
par Juppiter. Les maris ne sont pas en cas dans cette ceuvre,
dirigee contr e le goüt de scolastique qui commengait ä se repandre.
Amphitryon et Alcmene, relegues sur le second plan, sont effaces par
leurs esclaves; et toute la piece est dans le contraste entre le bon sens
im peu lourd de l'un et la sottise de l'autre, pauvre esprit infatue
de dialectique."
3) Hist. litt. XXII, 43. „Amphitryon, qui n'est plus ici un gene-
ral Thebain, mais un philosophe et qui acheve ses etudes aux ecoles
d'Athenes, est servi par Geta, philosopbe comme lui, et tres-habile en
argumentation scolastique, tandisque Byrrhia n'est qu'un grossier paysan."
4) Diese Tendenz beweisen vornehmlich V. 453 — 460:
Byrrhia subridens: aeeepit Graecia sanos
Hos, ait, insanos illa remisit eos.
Insanire facit stultuni dialectica quemvis,
Ars ea sit nunquam, Byrrhia, nota tibi.
Arte carere bonum est, quae per phantasmata quaedam
Aut asinos Jiomines, mit nihil esse facit.
Sic loqicus quivis, tu, Byrrhia, sis homo semper:
His Studium placeat: uneta popina tibi.
Der Geta des Vitalis Blesensis. 127
Schon der Prolog- zeigt die Tendenz. Dem Geta soll nicht
bewiesen werden, dass der andere Geta sei, sondern durch
Schlüsse und Scholastik dargethan werden, dass er nichts ist.
Das Gedicht beginnt mit Juppiters Plan, seine Liebe zu
Alkmene zu kühlen, indessen ihr Gatte Amphitryon zu Athen
(natürlich Paris) Philosophie treibt.
31. Juppiter Alcmenae studeat thalamo, vir Athenis
Pkilosopketur: amet Juppiter, ille legat.
Disputet Amphitryon, et fallat Juppiter; artes
Hie colat, Alcmenam Juppiter ipse suam.
Alkmene hört, dass ihr Gemahl zurückkehre. Freudig schickt
sie ihm ihren Sklaven Byrrhia ans Ufer entgegen, der murrend
den Befehl vollzieht. Unterdessen kömmt Juppiter als Amphi-
tryon, Mercurius als Geta heim. Nach herzlichster Begrüssung
Alkmenens werden die Thore geschlossen, vor welchen Mer-
eurius (Arkas) als Geta Wache hält (F 106). Indessen der
faule Byrrhia „lento pede claudus" dahinzieht und über den
Weg brummt, sieht er Geta herankommen, der eine gewaltige
Last Bücher vor seinem Herrn Amphitryon herschleppt. Da
er voraussichtlich dieselbe mit Geta teilen müsste, versteckt er
sich in eine Höhle, um diesen vorüberziehen zu lassen. Geta
jedoch hat ihn bereits erblickt. Er setzt sich vor die Höhle und
beginnt so laut zu sprechen, dass es Byrrhia hören muss. Er
könne als Logiker beweisen , dass ein Mensch ein Esel ist.
(F 167):
Simi logicus, faciam quaevis auimalia eunetos:
Byrrhia, qui nimis est lentus, asellus erit.
Diese Logik des Geta entsetzt den in der Höhle versteckten
Byrrhia (7. 169):
„ . . . qui Byrrhia fiat asellus?
Quod natura dedit, auferet iste mihi?
Byrrhia sie Getae quaeeunque problemata solvet;
Bespondebit, erit Byrrhia semper homo."
ruft er, sodass es Geta hört. ..Quid in hoc strepit et submur-
murat autro?" fragt er und wirft so lange Steine in die Höhle.
bis Byrrhia, sein lautes Plaudern bedauernd, hervorkriechen
muss. Er hat nun alle Bücher heimzuschleppen, indessen Geta
davoneilt, stolz, der Schrecken der Logiker zu werden. (F. 36):
Terrebit eunetos Hominis umbra lm-i.
Zu Hause aber findet er die Thür verschlossen. Geta und
Amphitryon, heisst es, sind längst eingelassen. Es folgt ein
langes logisches Räsonnement zwischen Mereurius und Geta,
128 I- Amphitruo.
wobei der erstere diesen streng logisch überzeugt, dass er Geta
sei. So geht denn Geta als „nichts" fort 5 denn, sagte ihm der
Gott (V. 279):
Oiune quod est, unum est; sed non sum qui loquor unus.
Ergo nihil Geta est, nee nihil esse potest.
Laut klagt nun Geta (V. 413):
Cum didicit Geta logicam, tunc desiit esse.
..Wehe den Logikern, wenn es allen so ergeht!" ruft er aus,
da naht Amphitryon mit Byrrhia. Ist er wohl auch nichts?
Er erzählt seinem Herrn den ganzen Vorfall; dieser bewaffnet,
voll Zorn über seinen Stellvertreter, sich und die beiden Sklaven.
Dadurch will Geta beweisen, dass er doch vorhanden sei. Mittler-
weile hat Juppiter Alkmene verlassen; Amphitryon dringt
bewaffnet ein und fragt nach dem Ehebrecher. Da aber Alk-
mene sieht, dass ihr Gatte ernstlich böse wird, sagt sie rasch
besonnen: „Es war ein Traum; ich glaubte nur, dich zu sehen."
(7. 525):
Vos equidem vidi, vel vos vidisse videbar;
Luserunt animos sompnia saepe meos.
Mit einer witzigen Bemerkung Byrrhias endet das Gedicht.
Diese fünfhundert zwei und dreissig Verse umfassende Dich-
tung, in ziemlich ungelenkem Latein geschrieben, jedoch ausge-
zeichnet durch satirische Schärfe, ') brachte bis zum Ende des
vierzehnten Jahrhunderts die plautinische Komödie förmlich in
Vergessenheit. Die Schriftsteller des dreizehnten und vierzehnten
Jahrhunderts sind reich an Anspielungen und Zitaten aus Vit als
Amphitryon, und von seiner grossen Beliebtheit zeugen zahlreiche
Handschriften. 2)
ImBarlaam und Josaphat des Rudolf von Ems (Sp. 251,
Z. 24 der Asg. von Pfeifer) heisst es:
und Geta was Archas.
Diese Stelle, von der Pfeifer sagt: „Diese Zeile verstehe
ich nicht," hat Reinhold Köhler (Germania, Vierteljahrsschrift
für deutsche Altertumskunde, Wien, XXII. Jahrgang, 1877,
S. 285) trefflich erklärt, indem er darauf hinwies, dass dies der
') Zu weit geht doch Chassang, wenn er 1. c. pag. 27 es „sans
contredit plus ingenieux que celui de Piaute et de Moliere" nennt. —
Bernbardy (Grdr.), S. 374, bezeichnet die Masse als „gut versifiziert".
2) Wrigbt kennt ihrer siebenzehn; davon vier in der Pariser
Nationalbibliothek. (Early mysteries. Praef. p. XVI sqq.) — Osann,
1. c. p. XI sqq.
Eustache Deschamps. 129
falsche Geta, nämlich Archas (d. i. Mercurius), ist. — Schon
Matthieu de Vendome erwähnt in seinen Aequivoca, vielleicht
vor dem zwölften Jahrhundert, den Vers ans Geta: Byrrhia, qui
nimis est lentus, asellus erit. - — Um das Jahr 1215 gedenken die
heiden Verse des Everard de Bethune:
„Ludit Geta gemens, qnia captus Mercuriali
Arte Jovem lectus Amphitryonis habet"
des Geta. — Der italienische Dichter Garn b in o ans Arezzo
(Versi di Gambino d' Arezzo, Bologna 1878, pag. 22) erwähnt
ihn wieder :
Non stette mai Gieta in tanto dubbio
Si 1' era dess' o diventato zero.
Gegen das Jahr 1421 übersetzte Eustache Deschamps1)
das Gedicht Vit als ins Französische. Das Manuskript befindet
sich in der Bibliotheque nationale zu Paris. (Mss. fr. n. 7219,
fol. 455.) ä)
Verschiedene Gelehrte haben im vorigen Jahrhundert der
Handschriften des Deschamps Erwähnung gethan, Crapelet hat
im Jahre 1832 dieselben sogar näher beschrieben; jedoch allen
entging dieses Gedicht, das erst der Marquis de Queux de
Saint-Hilaire im Jahre 1872 zum erstenmale herausgegeben hat. 3)
Die sonstigen Ausgaben der Werke des Eustache Deschamps4)
enthalten darum das Gedicht nicht.
Die Übersetzung ist ziemlich getreu, nur etwas
breiter geworden. Queux de St. Hilaire sagt (Introd. VII):
„Ce poeme n'est cependant pas une oeuvre originale d'Eustache
') Nach P. Tarbe zwischen 1345 — 1350 geboren. Recherches sur
la vie et les oeuvres d'Eustache Deschamps. p. I — XLI in den
Oeuvres inedites d'Eustache Deschamps. Paris (Techener) 1849.
2) Les manuscrits franyais de la Bibliotheque du Roi, leur histoire
etc. par Paulin Paris. Paris 1836—1848. I— VHI in 8°. Band VI,
S. 436. — Hist. litt. XX, 46—48.
3) Le traicte de Getta et d'Amphitrion. Poeme dialogue du
XVe siecle traduit du Latin de Vital de Blois par Eustache Des-
champs. Publie pour la premiere fois d' apres le manuscrit de la
Bibliotheque de Paris avec une Introduction et des Notes par le Mar-
<[uis de Queux de Saint-Hilaire. Paris (librairie des Bibliophiles,
1872). XXIV und 60. In 330 Exemplaren gedruckt. — Vgl. Revue cri-
tique 1873. LT, 148.
4) Poesies morales et historiqucs d'Eustache Deschamps, ecuyer,
huissier d'armes des rois Charles V. et Charles VI., publiees par Gr. A.
Crapelet. Paris 1832 in 8°. — Oeuvres completes d'Eustache Des-
champs, publiees d'apres le manuscrit de la Bil)liotheque nationale par
le Marquis de Queux de Saint-Hilaire. Paris (Firmin Didot 1878),
als zwei Bände der Societe des anciens textes franc.ais.
9
130 ■"■■ Ampbitruo.
Deschamps. II n'est que la traduction amplifie^e d'un
poeme latin."
Man vergleiche z. B. das Argumentum:
Ampkitrion estudioit
Et l'estude des Grieux sivoit,
Et Geta lui tint compaignie;
N'i avoit plus de sa niaisgnie.
Jupiter, qui Almeue ama,
En son mari se trausforma.
Archas aussi com Geta forme.
Celle cuida veoir lern* forme.
Geta devant des nefs s'en vient :
Archas li preuve qu'il est nient.
Dolens retourne. S'encontra
Son seigneur, et tout li compta.
Moult dolens fu. Tantost s'armerent;
Et li Dieu aussi s'en alerent.
Kiens ne treuvent, tant saichent querre.
Si revint joie, et failli guerre.
So der Eingang:
Ardet in Alcmenam Saturnius atque beatum
Amphitryona probans, se dolet esse Jovem
bei Deschamps:
Jupiter en l'amour ardoit
D'Almene, qui ne s'en gardoit,
Et prisoit la prosperite"
Assez plus que sa deite
D'Amphitrion qui femme estoit;
Et d'estre Dieu se repentoit.
ähnlich V. 31, Jnppiter Alcmenae (vgl. S. 127 oben).
Or lise bien et estudie
A Atbenes pbilosoj)hie,
En sa cbambre estudieray,
A Almene me deduiray.
Or pense Acbas de disputer
Et je penseray d'emputer
Et de prandre tout mon deport.
ferner V. 167, sum logicus (vergl. S. 127 oben).
Logicien suy; si feray
D'eux telz bestes que je voulray.
Birrea qui est pareceux
Feray amer un asne entr' eixlx.
und dann weiter ausgeschmückt (S. 20.):
Piez rons ara, teste cornue,
Pour esprouver ä ma venue
Si j'ay riens aprins ä Athenes.
Mal n'ay pas employ^ mes penes.
Eustache Deschamps. 131
worauf Birrea die Verse 169 sqq. ausdrückt (S. 21.):
Voy, pour le sang que Dieu raya.
Sei*as-tu asnes, Birrea?
Me touldra cilz, par s'escripture,
Les mains que m'a donne uature.
Les doiz, les piez, la teste ronde?
Est-il li plus saiges du nionde
Eu si pou d'eure devenus?
Je voy par ce tro qu'il est nus
Et qu'il porte un pesaut fardel;
Faire deust un cheval morel
Qui le portast, s'il feust si saiges.
Je ne croy pas touz ses langaiges.
Ja ne scara taut arguer
Qu'il te puisse faire muer;
Ains [tu] lui respondras en somnie:
Birrea sera tousjours homme.
Das einfache Schlusswort: Cimet a placent wird zu vier Versen:
A chaseun et ä tous ensemble
Plut la sentence, ce me senible.
Que Birrea determina.
A tant la riote fina.
Diese wenigen Beispiele mögen zeigen, in welcher Weise
E. Deschamps, der nicht überall das Original ganz verstand
(vgl. Queux de St. Hilaire, p. 56 — 60), die lateinische Dich-
tung paraphrasierte. Seine sprechenden Personen sind Almene,
Birrea, Amphitrion, Geta, Archas, Jupiter; den beschrei-
benden und erzählenden Teil hat der Acteur zu sprechen.
Auch ein italienischer Geta und Byrrhia ist erschienen.
Von wem jedoch die Bearbeitung in italienischer Sprache stammt,
ist streitig. Von einzelnen wird sie dem Boccaccio,1) von andern
') Eilippo Argelati in seiner Biblioteca degli volgarizzatori, o sia
Notizia dall' Opere volgarizzate d'autori che scrissero in lingue ruorte
prima del secolo XV. Tomi IV. Milano (Federico Agnelli) behandelt im
dritten Band (1767) auf Seite 229 die Autorschaft des Boccaccio ein-
gehend. Man hielt die Übersetzung für Boccaccios Arbeit, weil sie
die Verse enthielt:
Incliti e venerandi cittadini
Miser Znano bochazo huom luminoso
In fra gli altri poeti Fiorentini
Quest' Opera compose il viro famoso
Vulgarizzando di versi latini
Con 1' aiuto dapollo glorioso
Et io Lorenzo Amalagiso Frate
Stampare lo fatta perche idacer n' abbiate,
und weil auch Antonio Maria Salvini ein geschriebenes Exemplar
mit dem Titel hatte: Liber Gietae & Birriae traduetus de Latino in
vulgare per Dominum Joannem Bochatium poetam Florentiuuni.
eine Angabe, welche der Abschreiber auch am „Schlüsse (am 9. Dezem-
ber 1443) wiederholt. Vermutungen über den Übersetzer siehe a. a. 0.
u. auch bei Queux de St. Hilaire Getta et Amphitrion, Intr. IX u. XIX.
9*
132 I- Amphitruo.
teils dem Ghigo (Federigo) di Ottaviano Brunelleschi. oder
Pippo (Filippo) di ser Brunellesco, teils dem Acquettino
und ser Domenico da Prato zugeschrieben.1) Was Boccaccio
betrifft, so tbut er im achtzehnten Gesänge seiner „Amorosa
Visione" (novamente ridotta in luce ecc. In Vinetia appresso
Gabriel Giolito di Ferrari 1549) des Geta und Birria, sowie
der Geschichte der „Algmena di gratia ornata e piena
d'onestate" u. s. w. allerdings Erwähnung,2) doch gehört ihm
diese Schrift nicht,3) die bei den italienischen Litteratoren4) wenig
Lob gefunden hat, und die Quadrio5) ein „assai dozzinale e
scipito poema" nennt.
An Ausgaben6) dieser selten zu findenden Schrift verzeich-
nen Brunet, Passano und Arlia die folgenden sechs:
1) El libro del Birria e del Gieta in 4°. — Es endet:
Finisce el libro del Birria e del Gieta compo [sto in rima da
Filippo Brunelleschi e da Sei-] Domenico da Prato. Laus
deo] Amen. Bandini (Catalogo de' Codd. Laurenz. , pag. 50)
bemerkt hierzu: prodiit primum Florentiae ante annum MD. Da-
gegen versetzt Fossi (Catalog. Magliab. III, 23) es ins Jahr
1483 und glaubt, dass es bei S. Jacopo di Eipoli gedruckt ist.
2) Incomincia el libro chiamato Geta e Birria. Aus dem
Ende des XV. Jahrhunderts, in Folio.
3) Geta e Birria in 4°. Gotischer Druck. Aus dem Ende
des XV. Jahrhunderts.
4) Geta e Birria. Novella tracta dall' Amfitrione di
Plauto. Wohl aus Florenz und dem Anfange des XVI. Jahr-
hunderts.
5) Dasselbe. In Venezia per Gio. Antonio e Fratelli di
Sabbio. 1516 in 8°.
6) Geta e Birria. Novella riprodotta da un' antica stampa
e riscontrata co' testi a penna da C. Arlia. — Bologna presso 1' edi-
tore Gaetano Romagnoli 1879 (als 169. Lieferung der Scelta
di curiositä inedite o rare dal secolo XIII. al XVü. in
appendice alla Collezione di opere inedite e rare). XL Seiten
Einleitung; 82 Seiten Text.
') Vgl. G. B. Passano, I Novellieri italiani in poesia.
2) Von den plautinischen Komödien zitiert Boccaccio auch den
Amphitruo (neben der Aulularia und Cistellaria); s. G. Körting,
Boccaccios Leben und Werke. Lpz. 1880. S. 390.
3) Hist. litter. XXII, 48. Faussement attribue ä Boccacce. —
Vgl. bei Arlia X— XXIII.
'') Vgl. Giov. Mar. Oreschnbeni, Istoria della volgar poesia.
Roma 1698. III, 252.
5) Fr. Saverio Quadrio, Della storia e della ragione d' ogui
poesia volumi quattro. Bologua e Milauo 1739 — 1752. 4 voll. IV, 363.
11 ) Über die Lesarten der Texte s. bei Arlia XXVII -XXVIII.
Geta e Birria. 13$
Das in sechs Abschnitte zerfallende Gedicht zählt hundert
sechs und achtzig achtteilige Stanzen. ')
I. Aller Orten pries man Athen als den Sitz der Weisheit,
weshalb Anfitrione sich mächtig dorthin gezogen fühlt:
(4) Anfitrione alla sua donna Almena
Un giorno aperse tutta la sua irttenza.
(5) „Ad Atene vogl' ir sanza soggiorno:
Et infin ch' i' non so ben filosofia
A rivederti giä mai non ritorno."
Die reizende Almena, schöner „che pietra Orientale o chiara
Stella (6)", betrübt sich darüber gar sehr. Wäre sie doch lieber
gestorben, als einem Manne anverheiratet zu sein, der Weib und
Kind verlassen kann! Doch er tröstet sie:
(9) Onesto e 1' andar niio, po' ch' io n' acquisto
Senno, che sai ch' avanza ogn' altra cosa.
Ungern nur fügt sich Almena, und man rüstet sich zur Reise.
Im Hause waren zwei liebe Diener, Geta und Birria. Von Geta
wird ein seltsames Bild entworfen:
(12) Geta era divisato di persona,
Nero com' etiopo o indiano,
Sentie di tigna, e pure avie Corona
Di capei radi, e di colore strano;
Le gote e '1 naso, se '1 ver si ragiona,
Coprieno il mento, e con atto villano
Guardava altrui con gli occhi rossi e molli
Arrovesciati e di mosto satolli.
(13) AI volto rispondea ciascuna parte
XL. s. w. : dazu :
Pien di vizii era, e con ardente furia
Come porco era vinto da lussuria.
Aber er war treu und seinem Herrn ergeben und darum bei An-
fitrione sehr beliebt (15).
Nicht schöner Avar Birria; dazu aber:
(16) ... di pigrizia fu carnal fratello
Lentissimo oltramodo in ogni fatto.
Geta reist mit Anfitrione, worüber sich Birria innig freut:
(19) 0 dolcissima amica,
Fortuna, or arö io pur men fatica!
Der Abschied fällt beiden Gatten schwer, doch segelt der
wissensdurstige Gemahl ab, „lasciando in terra Almena, e '1
!) Fälschlich bei Sulzer, Theorie der schönen Künste. III, 407 b
zweihundert sechs und achtzig.
134 I- Amphitruo.
figlio". Indessen Almena untröstlich ist, hat Anfitrione Athen
erreicht und mit Feuereifer seine Studien begonnen:
(31) Quivi, cercaudo la Vera ragione,
Studiando vi sofferse molta pena,
E si fervente allo studio s' attenne,
Che presto buon filosofo divenne.
Mehr als sieben Jahre waren verflossen, da will er wieder
nach Hause zurückkehren (32). Er schreibt seiner Gattin, „per
un corriere" (33), dass er das Studium aufgeben wolle, und
bestimmt genau den Tag seiner Abfahrt.
IL Unterdessen hat Almenas himmlische Schönheit Juppiter
so sehr gefesselt, dass er seinem Vater Saturnus sein Liebesleid
klagt (41). Sein Leben schätzt er keine Drachme hoch, wenn Al-
mena seine Liebe nicht erwidert (42). Da rät ihm der Alte (44):
Va', mena Arcade per Geta famiglio,
E tu d! Anfitrion piglia la forma;
Cosi sanza vergogna di tal dama
Avrai ciö che '1 tuo cuor disia e braina.
Diesen Rat befolgt Juppiter (45). Almena und ihr Haus
freut sich ai\f Anfitrions Heimkehr. An den Hafen hat sie
einen eigenen Boten gestellt, der ihr sofort die Ankunft des Gatten
melden soll (50). Sobald die Nachricht von seinem Hiersein ein-
trifft, weckt sie den schlaftrunkenen Birria (52), der nicht glauben
will, dass sein Herr im Hafen sei (55). Erst, da ihm Almena
droht, geht er ihm entgegen, „pien d' ira e d' ogni mal talento"
(56). Juppiter und Merkur klopfen am Thore, Almena
lässt sie freudig ein; sie küssen sich hundertmale und pflegen
der Liebe.
III. Juppiter schickt den Sohn ab (61) und giebt Befehl,
niemanden einzulassen.
Serrö la porta, e quindi non partia:
Giove et Almena a letto se ne gia. (62)
Brummend ist Birria nach dem Hafen gegangen.
„Guai a colui ch' e sottoposto al giogo,
Come son' io, d' una femmina vana;
S' i' fussi porco, e mangiassi nel truogo,
Me' mi sarebbe ch' aver forma umana." (65)
Gewiss, sagt er, hat sie mit einem Geliebten eine Zusammen-
kunft, und nur deshalb ward Birria zum Hafen geschickt (66).
Er will umkehren, doch reut es ihn wieder. Anfitrion würde
ja doch der Gattin eher glauben und Birria sich so mit beiden
verfeinden (68). Doch will er einen Umweg machen, um mit
Geta nicht zusammenzutreffen und das Gepäck mit ihm tragen
Geta e Birria. 135
zu müssen. — Ant'itvions Schiff ist eingelaufen. Sofort wird
Geta an Almena geschickt (70); er bringt für sie gekaufte Ju-
welen und trägt einen Teil der Bücher (71, 72). Birria kömmt
des Weges; Geta thut jedoch, als sähe er ihn nicht (73). Da
eilt Birria in eine Höhle, aus welcher er erst hervorzugehen
gedenkt, wenn Geta vorüber wäre (74). Geta hat dies wohl
bemerkt. Er ruht sich aus und beginnt über Birria, der nun
zu Hause liege, zu schimpfen (75). Während sich Birria freut,
nicht gesehen zu werden (76), führt Geta einen langen Mono-
log. Viel hat er in Griechenland ausgestanden, doch nicht
ohne Erfolg.
Sommo loico son, onde si prova
Che 1' asino sia uom mostro per prova. (79)
Er spricht nun so weiter, wie er aus jedem Geschöpfe ein
anderes machen könne:
E Birria, perche e lento e poco vale,
Asino vo' che sia, perche si domi
La schiena sua.
Ungläubig äussert Birria für sich:
Ma non mi to' quel che mi die natura (80)
und auf Getas Aveiteres Selbstgespräch:
Dunque sarö io senrpre il Birria. (82)
Nach einiger Zeit thut Geta, als bemerke er Geräusch in
der Höhle. Er wirft Steine hinein, sodass Birrias Gesicht,
,,ch' era prima pel her rossa" (87) bleich wird und dieser end-
lich ruft:
Geta, non gittar, ch' i' sono
II Birria, e viver voglio per tuo dono.
Geta jedoch erwidert ihm (88):
Anima stolta,
Tu non se' il Birria . . .
Nach einigem Hin- und Herreden schickt Geta den Birria
an den Hafen, um das Gepäck zu holen; er selbst geht nach
Hause, indem er sich die Freuden des Empfanges ausmalt (94).
IV. Niemand aber kömmt ihm entgegen. Er li.t für Almena
reiche Geschenke (90):
Una nobil cintura iu drappo d' oro,
Di pietre prrziose nna Corona,
Con im fermaglio, che. val gran tesoro,
Ho qui con meco per la tua persona.
136 I- Amphitruo.
Da niemand öfthet, wirft er einen Stein an die Thüre (99).
Are ade (Merkur) ruft hinaus, Anfitrione liege bei Almena,
er (Geta) halte Wache (101). Darüber wird Geta stutzig. „Ich
bin ja Geta!" ruft er, worauf ihm Merkur erwidert:
„Anfitrion e 'n zambra, e io Geta sono." (104)
Nach einem Längeren Monolog wünscht Geta seinen Doppel-
gänger zu sehen (112) und bittet, er möge sich wenigstens zeigen.
Merkur will nicht hei'ausgehen, worauf Geta in Schimpfen aus-
bricht und vergeblich nach Almena ruft, um ihr die Ankunft des
Gatten mitzuteilen.
Nach langer Zwischenrede bittet Geta Merkur, ihm zu
sagen, was er in Griechenland getrieben habe:
Se tu questo saprai, piü non m' affanno,
Ma dirö che tu sie Geta et io zero . . . (124)
Nun erzählt Are ade seine Streiche in Griechenland; er habe
dort ein Mädchen geliebt, über seines Herren Geld verfügt, ,.come
se fussin miei" (126), überhaupt Anfitrione so viel gestohlen,
,,ch' a scrivere mancheria carta ed inchiostro" (127). In sehr
derber "Weise erzählt er (128), warum ihn alle Mädchen suchten,
und eine Reihe ausgeführter Schurkereien (130 — 134). Entsetzt
ruft Geta aus:
Non dir piü: tu se' Geta, i' nulla sono. (134)
und eilt traurig von dannen. Die Reden sind äusserst witzig. Es
sind also zwei Geta da und demnach:
Esser dovrie la parte men ch' el tutto. (137)
Endlich bricht Geta in den Fluch aus:
Loica! maledetto sia chi prima
Mi disse che tu eri il fior d' ogni arte! (140)
Durch die Logik ist er nichts geworden (142). Er
sieht Anfitrione kommen und wartet nur noch, „se per Geta il
saluta" (145).
V. Kaum hat Anfitrione seinen Diener erblickt, als er ihm
fast weinend zuruft: ..Geta! Was fehlt, dass Du noch hier bist?"
Geta fasst wieder Mut. Tornato m' e speranza (151)! sagt er.
Ich bin doch noch Geta; er heisst mich noch so (152). Anfi-
trione forscht besorgt weiter, und nun beginnt Geta das Uner-
hörte, zu erzählen. Anfitrione sei zu Hause; Geta gleichfalls,
was Birria zu den Worten veranlasst:
Savi eravate, ma or chiaro cornprendo
Che siate pazzi. (156)
Geta e Birria. 137
Besser blieb ich in der Küche daheim, ,,armando il corpo con
forza divina" (156), als ihr nach Athen ginget. Anfitrione
wird aufgebracht. Der bei meiner Frau ist, sagt er, ist ihr
Liebhaber, und der sich für Geta ausgiebt, ist in alle Schlechtig-
keit eingeweiht (160). Sie eilen bewaffnet nach ihrem Hause1)
(161). Nun glaubt auch Birria, man habe ihn deshalb zum
Hafen geschickt, und selbstgefällig meint er:
Vedi quant' e ignorante
Ciascun di loro! (162)
Anfitrione, Geta und Birria gehen nun auf das Haus
los, letzterer in seiner Weise teils spottend, teils sich feige zu-
rückziehend.
Juppiter hat seine Leidenschaft gekühlt und sagt, er wolle
nun zu den Schiffen, worauf er mit Merkur abzieht (160). Mit
Entsetzen erblickt Almen a den bewaffneten Anfitrione (173);
er legt das Schwert ab; Geta sucht (175):
Colui che Geta si facea,
Dicendo pur ch' era io.
Als Almena von Anfitrione spricht, der eben bei ihr
lag, reisst sich dieser schmerzlich von ihr los (177); Almena
kann dies nicht verstehen; Birria aber freut sich (179):
II Geta e pazzo e cid si vede aperto,
Che si tenia de' loici il piü felice,
L' arte il fa piü pazzo, e questo e sperto.
Indessen beruhigt sich Anfitrione und (180):
Ambo in zambra spogliarsi i ricchi panni
Per ristorar i perduti sett' anni.
Seines Originals, d. h. des Plautus, vergisst der Dichter nie.
So sagt er Str. 173:
Col nome seguo, col quäl cominciai,
Litteralmente come Plauto pone
Quest' operetta.
und in Str. 182:
II mio degno poeta Plaulo, il quäle
Fu d' esta commedia primo 'nventore,
Mostra colla sentenzia sua morale,
I famigliari ingauni, e '1 vano errore
A jircsso a quel che puö.
') Insino a qui (1G1) misse in rima Pippo Brunelleschi e da qui
inanzi ser Domenico da Prato.
138 I- Amphitruo.
Später erst verlor der „Geta" alhnählich seine Verbrei-
tung- und machte einer andern Geschmacksrichtung Platz.1) Es
folgten allenthalben direktere Nachahmungen der antiken
Komiker.2)
Der erste spanische Übersetzer des Amphitruo ist Don
Francisco Lopez de Villalobos, der Leibarzt Ferdinands des
Katholischen, Karls des V. und Philipps IL, vor seiner Thron-
besteigung (1556), dessen Geburtsort streitig ist.3) Sein Amphi-
trion erschien zuerst in Zaragoza im Jahre 1515;4) eine ver-
besserte Ausgabe (Zamora) stammt von 1543, 5) eine weitere von
Zaragoza 1544, von Sevilla und Zaragoza 1550, von Sevilla 1574. 6)
Die Übersetzung findet sich im 36. Bande der Biblioteca
de autores espanoles desde la formacion del lenguaje hasta
nuestros dias (Madrid, Kivadeneyra 1855). S. 461 — 493. 7)
Drei Gründe8) bewogen Villalobos zur Übersetzung des
J) Chassang, 1. c. pag\ 33. Le Geta avait fait oublier Piaute:
bientöt le triomphe de la scolastique, des mysteres, des moralite's fit
oublier en France le Geta.
2) Chassang, 1. c. pag. 61. Au XVe siecle Seneque n'est pas
oublie, mais les imitations de Piaute et de Terence sont les plus
nombreuses.
3) Vgl. Catälogo bibliogräfico y biogräfico del Teatro antiguo espa-
nol desde sus origenes hasta mediados del siglo XVH1. por D. Caye-
tano Alberto de la Barrera yLeirado. Madrid (Rivadeneyra) 1860.
pag. 478. 479.
4) Ad. Fried, von Schack, Geschichte der dramatischen Litte-
ratur und Kunst in Spanien. Berlin 1845. I. S. 207. — La eomedia de
Plauto llamada Amphytrion, que traducio el doctor Villalobos.
La quäl glossö eu algvnos pasages obscuros. Zaragoza 1515.
5) Libro intitulado: Los problemas de Villalobos, que tracta
de cuerpos naturales y morales, y dos diälogos de medicina. y el trac-
tado de las tres grandes. y una cancion. y la eomedia de Amphytrion.
— Colofon: Fue impresso el presete libro . . . en Zamora. Por el honrrado
varö Juan picardo . . . Acaböse ä nueue dias del mes de Febrero. Ano
del naeimieto de nuestro saluador .Jesuchristo de M. D. XIJJj Anos
(Folio in gotischen Lettern).
6) La eomedia de Plavto llamada Amphytrion que traduzio el
doctor Villalobos. La quäl glossö en algunos passos obscuros; nueua-
mente impressa y emendada por el niesmo Author. En Sevilla, en casa
de Hernando Diaz, en la calle de la Sierpe. Ano de M. D. LXXlili.
7) S. 405—460 enthält los Problemas.
8) Tres provechos principales se siguen de la traducion desta eo-
media: el primero es, que por ella los estudiantes de la poesia enten-
derän el latin del Plauto en Anfitrion, sin doetrina de maestro, y
no lo tengan en poco; porque, como este poeta es vetustisimo, el estilo
suyo es inusitado, muy fragoso y muy äspero ... El segundo es, que
todos los que quisieren pasar tiempo en leer la eomedia, verän en ella
que dioses eran aquellos que adoraba la gentilidad, y cuän lejos de razon
y de humanidad se fundaban sus ritos y religiones y cuäles eran las
Villalobos. 139
Amphitruo: einmal sollten die Studenten Lateinisch lernen, ohne
Anweisung eines Lehrers: zweitens soll die Hinfälligkeit der alten
Götter gezeigt werden, und drittens fand er seihst Gelegenheit
zu einigen Noten.
Über die Übersetzung selbst bemerkt Villalobos: Aqui se
vuelve de latin en romance la primera comedia del Plauto, cuyo
nombre es Anfitrion. La trasladaeion es fielmente hecha,
sin anadir ni quitar, salvo el prölogo que el poeta hace
en nombre de Mercurio y sus argumentos que esto era
bueno para representar la comedia en piiblico y hacer
farsa della. porque los miradores entendiesen bien los pasos todos.
Aqui 110 se pone aquello porque seria cosa desabrida y sin gusto.
Bastan los argumentos que yo pongo, porque dan mejor ä enten-
der la comedia y son mas sabrosos para los leyentes.
Die Übersetzung ist in Prosa und sehr genau und wird von
den spanischen Litteratoren hochgeschätzt.1) Nur sehr weniges,
was zur Aufführung geborte, blieb weg. Vor jeder Szene steht
eine Inhaltsangabe von ein paar Zeilen. Als Beleg der Arbeit
mögen einige Stellen dienen; z. B.
V. 153. Qui me alter est audacior homo mit qui confidentior,
luventutis mores qui sciam, qui hoc noctis solus ambulem?
Que hombre hay [en el mundo] mas osado que yo, 6 quien
es mas confiado, que conozco las eostumbres de los mancebos
desta tierra y voyme solo de noche [por aqui]'?
V. 1009. Naucratem quem conuenire uolui u. s. w.
Naucrates, en cuya busca yo iba, no estaba en el navio ni
en casa, ni he hallado en la ciudad quien le haya visto; porque
yo he andado arrastrado todas las plazas, las escuelas, las tiendas
de los aceites olorosos, al mercado y ä la canieceria, y adö hacen
las luchas, y adö libran los pleitos, ä los boticarios y ä los bar-
beros, y por todos los templos he andado.
doctrinas y los ejemplos que los dioses daban ä sus vasallos y servidores;
y maravillarse han, cömo podian creer tan vana bestialidad unos varones
tan säbios y tan illustres, que de su profunda sabiduria y claros hechos
dejaron inmortales memorias; y por eso juzgarän, cuänta es la sotileza
de! demonio para enganar, y cuänta merced nos ha hecho Dios en
desenganar; que nos ha mostrado la verdad por tan ciaras sentencias,
qur cd Camino que agora sahen los hoinbres rüsticos para salvarse, era
tenido en Ins tiempos antiguos por sciencia muy escondida y muy cer-
i'adn secreto. El tercero es, que en esta comedia hay algunos pasos y
dichos notables, segun por el discurso della se verän por mi mano nota-
<lns en la in argen.
') Bibl. esp. II, 183. La traduccion esta muy bien hecha ä ex-
cepcion de uno ü otro pasaje mal entendido por el traductor. — Vgl.
auch Catälogo bibliogräfico, pag. 478.
140 !■ Ampliitrun.
Eine Einteilung- in Akte und Szenen ist nicht getroffen.
Die Rede Juppiters, V. 861 — 882, fehlt; dafür findet sich die Be-
merkung: ,,Junto con esto se siguen ciertas palabras que habla
Jupiter con los miradores para cuando se representare la comedia
en piiblieo; no se ponen aqui, porque no valen nada." Auch
V. 1145 fehlt.
Als „ complimento de la comedia, sacado de otro
original" ist noch eine Szene zwischen Anfitrion, Alcumena,
Sosia, Bromia und Tesala angefügt.
Die Anmerkungen des Villalobos sind meist moralisierender
Natur. So bemerkt er z. B. zu V. 180, „Sum uero uere u er-
ber o," dass auch dem schlechten Menschen, wenn er etwas, was
nicht sein soll, sagt oder thut, ein göttlicher Wink zu teil wird.
„Esta es una de las maneras en que habla Dios con los hombres,
y llämase habla interior."
Der angefügte Prologo in zehn Kapiteln, datiert de Cala-
tayud, en 6 de octubre de 1515 afios, handelt noch „sobre ciertas
sentencias del autor".
Einschneidendere Änderungen erlaubte sich der Professor der
Theologie und Philosophie zu Salamanca , Maestro Fernan
Perez de Oliva, der um 1494 in Cordoba geboren und 1530
gestorben1) ist. Um das Jahr 1530 übersetzte er mehrere antike
Stücke,2) darunter den Amphitruo des Plautus, der viel-
fach von dem Werke des Villalobos abweicht. Zahlreiche
Kürzungen des Originals werden durch mannichfache
Einschiebungen, die meist sehr unglücklich geraten
sind, ersetzt. Sie. schaden fast überall dem Fortschritt der
Handlung und sind auch durch ihren Stil bedenklich. Es ist jene
unnatürliche, in allen Figuren sich bewegende Sprache, welche,
durch die Celestina veranlasst, damals als besonders schön galt.3)
Die kgl. Hof- und Staatsbibliothek zu München besitzt die
ziemlich seltene erste Ausgabe von Olivas Amphitruobearbeitung.
(A. lat. a. 509.) Das Exemplar umfasst vierzig Seiten und ist
in gotischen Lettern, ohne Angabe des Verfassers, der Jahreszahl,
des Druckortes hergestellt. Der Titel ist: f Muestra de la
lenjgua castellana en | el nascimiento | de Hercules.
f O Comedia de | Amphitrion . : .
Der nächste Abdruck des Amphitrion findet sich in den
Obras del maestro Fernan Perez de Oliva natural de
') Über sein Leben s. Rezabal yUgarte, Biblioteca de los Escri-
tores, que han sido individuos de los seis Colegios Majores. Madrid 1805.
p. 239.
2) La venganza de Agamemnon ist die Electra des So-
phokles; Hecuba triste die Hekabe des Euripides.
3) Schack a. a. O. I, 207.
Perez de Oliva. 141
Cordova, aus dem Jahre 1586 (En Cordova por Gabriel Rainos
Bejarano), auf fol. 38 — 74. In diesem mit lateinischen Lettern ge-
druckten Exemplar, das ich der Güte der k. Dresdener Bibliothek
verdanke, fehlt der Prologo des Mercurio, dagegen ist ein
A r g u m ento angefügt.
Ein dritter Abdruck des Amphitrion steht in der zwei-
bändigen Ausgabe der Werke des Oliva vom Jahre 1787, in 80.1)
Im Vorworte, das El maestro Fernan perez de oliua an
seinen Vetter August in d: oliva richtet, sagt er, er habe diese
Geburt des Herkules geschrieben, um zu zeigen, dass Spanisch
nicht unter dem Lateinischen stehe. „He te pues escrito el
nascimiento de Hercules: que primero escriuieron griegos: y
despues Plauto en latin: y he lo hecho no solamente a
imitacion de aquellos auctores: pero a conferencia de su
inuencion y sus lenguas: porque tengo yo en nuestra castellana
confianca: que no se dexara uencer. •'
Das ganze Stück ist nicht in Akte und Szenen geteilt: es
ist fortlaufende Prosa. Mercurio tritt als Prologo auf. Vor
langer Zeit habe sich Juppiter, ein mächtiger Mensch, als Gott
anbeten lassen: „muchos tiempos ha, que Jupiter, hombre muy
poderoso, entre gente vana se hizo adorar por dios: este tue mi
padre." Auch er war ein Gott, und ihre Macht währte, solange
die Menschen ohne religiöse Unterweisung waren; jetzt aber seien
sie soweit, „con la verdadera sabiduria de Dios," gekommen, dass
sie nur mehr zur Bühne, ,, por las fiestas, " passen. Eine der
drolligsten Geschichten (la mas agradable) sei die Geburt des
Herkules. Sodann erzählt er den Inhalt der Komödie.
Natürlich ist es nur die Furcht vor der Inquisition, die ihn
zu dieser Erklärung nötigt, wie die Venus des Camöes in den
Lusiaden-) gleichfalls von sich sagt, sie sei nur ein Trugbild.
') Dahin zu berichtigen ist die Notiz bei Georg Ticknor (Ge-
schichte der schönen Litteratur in Spanien. Deutsch mit Zusätzen heraus-
gegeben von Nikolaus Heinrich Julius. Leipzig, Brockhaus 1867),
wo es 1,417, Anm. 2 heisst: „Olivas Schriften sind mindestens zweimal
gedruckt worden, das erste mal durch seinen Neffen Ambrosio de Morales,
Cordoba 1585, 4° und wiederum Madrid 1787, 12° in zwei Bänden. Im
Verzeichnisse zu reinigender Schriften von 1667, S. 424 wird ihre Lesung
untersagt, bis sie gereinigt seien, wodurch denn auch die zweihundert-
jährige Unterbrechung ihres Abdrucks erklärt zu sein scheint. In der
Ausgabe von 1787 ist ein Bogen unterdrückt worden, um eine Anmerkung
des Murales wegzubringen. Man sehe den Index von 1790." — Vgl.
Catälogo bibliogräfico, S. 301 — 303. — Bibl. de aut. espaö., H,
S. 158 und 192. wo es gleichfalls irrtümlich heisst: sus obras easte-
llanas en prosa y verso permanecieron manuscritas hasta que su sobrino
Ambrosio de Morales las diö ;'i la prensa en el ano 1585.
2) Camöes, Lusiad. X, 82, enthält denselben Gedanken. — Vgl.
Reinhardstoettner, Luiz de Camöes, der Sänger der Lusiaden. Eine
biographische Skizze. 2. Aufl. (Lpz. 1879.) pag. 64.
142 I- Amphitruo.
Alcumena tritt auf und klagt um ihren fernen Gatten.
Sie begreift nicht, wie andere Frauen heiter sein können, da ihre
Männer abwesend sind. ,,Zeige Dich, Vater," ruft Mercurio,
worauf Juppiter vortritt. Nach einer kurzen Begrüssung findet
sie ihn schwarz und bartig (que fiero, quan negro y quan bar-
bado!). Sie erblickt auch Mercurio als Sosia (aqui estas, Sosia?
Seas bien ,uenido, no te auia uisto!) Juppiter berichtet ihr vom
Tode des Königs Phterela und schenkt ihr den Becher des-
selben fsu tac.a con que el beuia). Das Übrige will er ihr
drinnen erzählen. Sie treten ein.
Merkur philosophiert nun, man könnte seinen Vater für
..indigno de su magestad" halten, weil er menschliches Geschlecht
annahm, allein das Menschengeschlecht sei ja der Schmuck der
Welt. „Ciertamente el genero humano es el mejor ornamento del
mundo. "
Um sich die Langeweile zu vertreiben, sucht er ein Ver-
gnügen, da naht Sosia mit der Laterne. Das Dunkel, meint er,
ist schlimm, und wohl hat die Natur daran gethan, uns nachts
den Schlaf zu geben. Er betrachtet die Sterne und macht sich
den Bericht zurecht, den er Alcumena erstatten will. Dies zu-
nächst nach Plautus. Nach dieser langen Rede stellt sich ihm
Mercurio in den Weg, so ziemlich nach dem Vorbilde des
römischen Dichters. Sosia geht, um das Erlebte seinem Herrn
zu erzählen. Trotz seines Zitterns glaubt er noch immer: en mi
nunca vuo tanto esfuerco!
Juppiter scheidet von Alcumena und spricht dabei über-
mässig viel von einem wohl organisierten Staat, dem nationalen
und Diplomaten Kriege,1) dem Entstehen des Adels u. s. w. Die
Stelle ist bezeichnend genug, um hier Platz zu finden. IV. :
plazeme: porque te amo releuarte: lo que para mi solo juyzio
tenia reseruado. Has primero de entender, que la republica bien
instituyda ha de ser como el cuerpo sano, do todos los miembros
siruen cada vno en su officio. Enla primera hetad que los
hombres se ayuntaron en vna comun morada seguian este exemplo,
imitando las hormigas y las auejas, que primero que ellos tuuieron
republica. Los inuidiosos de aquellos comenearon despues a loar
el ocio y llamarlo libertad, y la solicitud de aprouechar enla re-
publica vileza y seruidumbre. Quando esta pestilencia primero
comen<;o a corromper los animos, los principes que entonces eran
') Assi que si los hombres no pudiessen ser enganados: no auria
quien fuesse ala guerra. Digo a aquella: que los principes fazen por
su arnbicion: porque do el descuydo y el reposo es mayor peligro: ver-
dadera fortaleza es entonces ponerse el hombre ala muerte: como quando
su terra peligra: o teme injuria: o rescibe detrimento su hazienda: o la
religion.
Perez de Oliva. 143
distrayan estos hombres dela republica: o por fuerca los oeupauan
en grandes edificios, que de aquellos tiempos quedaron. Pero
despues aqueste vicio entro en los mayores: los quales no queri-
endo guardar la ley comun de todos pusieron nombre de nobleza
ala esencion. Esta nobleza como vees por la mayor parte es
acompanada de soberuia: de tirania: de cacas: des juegos: de
persecucion de virgines: de disfamias: de injurias qne se bazen
alos buenos. No los vees estos nnestros nobles passar la vida
como suefio: contando qnanto passos ay enla cibdad: vertiendo
siempre por la boca las vanidades qne enla cabeca tienen: bur-
lando delos qne en bnen exercicio veen: loando el arreo y locuras
de ningeres perdidas: y palauras de trubanes: comemorando
aquellos becbos de sus antecessores: demuestran quan malos
sucessores ellos son. Estos tales: con todos los perdidos que en
su defensa biuen los sacamos de entrela gente que merescen paz:
y los lleuamos do hagan guerra. Esto entenderas no de todos
los nobles: porque los buenos son padres y defensores de todos:
dignos del gouierno y del amor de la republica. Digo aquellos en
quien ay amor para los buenos: afabilidad para los prudentes:
sufriiniento para los ignorantes: ayuda para los pobres: castigo
para los malos. Pero esotros criados en suenos de amor: y solo
cuidados de ceuar sus bestias y componer sus vestidos: y mollir
sus carnes: mugercillas los aprueuen: que en mi juyzio no bau
parte. Pues delo que he dicho veras, quanto ama su tierra: y
quan bien faga quien por limpiarla de gente perdida: se pone en
gran trabajo y peligro. Muchas cosas te he dicho: por Ventura
mas que quisiera , pero tu amor nie engana y nie haze ser
prolixo.
"Wie ferne steht dieses eitle Gerede dem Originale; dennoch
ist die freilich sehr bedächtige Kritik des Perez de Oliua, der
den Krieg eingerichtet hält, „para limpiar la republica de los hom-
bres danosos", und für eine „justicia universal que dellos se faze"
ansieht, sehr interessant.
Amphitrion und Sosia treten auf. Der Herr schenkt dem
Diener keinen Glauben; denn wenn jemand die Macht besässe,
sich in andere Gestalten zu verwandeln, so würde er sicherlich
eine andere, als die des Sosia wählen. Alcumena erscheint in
einem auf Plautus fussendem Monolog. (Todos los plazeres desta
vida no son sino aparejo u. s. w.) Sie erblickt ihren Gatten.
Die Verwirrung beginnt. Höchst eigentümlicherweise erzählt
Sosia als Intermezzo eine „gar wunderbare Geschichte (hystoria
muy marauillosa) von fast zwei Seiten von einem Manne, der sieb
für tot hielt, keine Speise mehr nahm und begraben sein wollte,
bis Alcumena den Becher als Beweis für die Wahrheit ihrer
Aiissage bringt. Der weitere Verlauf der Szene stützt sich auf
144 I« Amphitruo.
Plautus. .,Io ynocente soy" wiederholt sie nachdrücklichst.
Amphitrion geht, um Naukrates zu holen.
Juppiter versucht es nun, Alcumena zu versöhnen, (a
deshacer las injurias que le dixo amphitrion.) Anfänglich weist
sie ihn ah, „no has menester de perdon de quien no quieres
amistad".
Juppiter aber wird (fast wie hei Moliere) sentimental.
Er will sterben, und wenn einst sein Sohn (que en ti encerrado
queda) nach seinem Vater fragt, so soll er erfahren, dass ihn
die Grausamkeit seiner Mutter in den Tod getrieben hat. Dem
kann Alcumena nicht widerstehen. Sie treten ein. Mercurio
bewacht das Haus.
Vergeblich hat Amphitrion seinen Verwandten Naukrates
gesucht; er will ins Haus, Mercurio hält ihn ab. „Du bist
nicht Amphitrion/' ruft er ihm zu, „sondern irgend ein Zauberer.
Klopfe weiter nicht, sonst mache ich es mit Deinem Kopfe, wie
Du mit der Thüre!" „Que essa puerta nola toques: sino quieres
que yo haga de tu cabeca como tu hizieres della. "
Sosia und Blefaron besprechen den Vorfall. Blefaron
wendet sich an Amphitrion, der ihn zu Tische lud; dieser
klagt, dass sein Haus ihm und seinen Freunden verschlossen sei;
Sosia wehre ihm den Eintritt. Blefaron erwidert, Sosia könne
es nicht gewesen sein, da er ja bei ihm war. Juppiter zeigt
sich. „Valame Dios del cielo: o duermo o estoy velando: dos
amphitriones!" ruft Blefaron, worauf sich Sosia sofort für
Juppiter entscheidet: „Blefaron, aquel que sale de casa, es el
verdadero: estotro es algun encantador. " Juppiter ruft Sosia
und Blefaron zu sich, Amphitrion wird hitzig, Blefaron warnt
wiederholt vor Beleidigungen, da sie sich so ähnlich sehen, dass
„de quien las oye: a quien las dize: reduciran las injurias". Sie
begeben sich ins Haus. Amphitrion, aufs höchste erbittert,
will alle Freunde zusammenrufen. Das Feuer, das in ihm glüht,
kann nur Blut löschen; er will sein Haus anzünden, um alle zu
vernichten. Da kömmt Naukrates. Er hält von ferne Amphi-
trion für wahnwitzig („ciertamente en sus meneos muestra que
esta loco"). Amphitrion erzählt seine Erlebnisse. Naukrates
verlangt Eintritt und wird zugelassen. Indessen Amphitrion
seine traurige Lage beklagt, kehrt Naukrates entsetzt zurück.
Er hat Alcumena zwei Knaben gebären sehen; „der Vater des
ersteren ist Juppiter, der des zweiten Amphitrion," rief eine
unbekannte Stimme. „Y nascido el primero oymos una boz
clara de no se quien: que nos dezia: Jupiter es el padre del que
es nascido, nascera otro luego: que sera de Amphitrion. El vno
manifestara su padre en el gesto: y el otro en la virtud." Es
wird nun in wenig Worten die Erwürgung der zwei Schlangen
Oliva. Anonymus. 145
durch den kleinen Herkules berichtet. Amphitrion ist nicht
befriedigt. Er fällt, wieder der Inquisition zuliebe, aus
der Rolle und sagt, albern genug, „Naukrates, ich glaube, diese
Leute beteten Juppiter an, weil sie an ihren Göttern Vorbilder
des Lasters haben wollten, um sich zu entschuldigen; denn unter
den Guten wird er mit solchen Thaten für einen Tyrannen ge-
halten werden, da er seine Macht benützt, um seinen schnöden
Listen zu dienen. Gehen wir zu Alcumena, die ich nicht für
verdorben, sondern für betrogen halte." — „Und nun wird es
gut sein, dass wir davon nicht weiter sprechen," meint Naukrates,
und das Stück schliesst: „Hispania plaude!"
Vom Dialoge des Plautus hat Oliva wenig benützt, ob
auch die Szenerie im allgemeinen auf dem römischen Dichter be-
ruht. Sein Stück steht stilistisch unter dem des Villalobos;1)
wo er sich von Plautus weiter entfernt, wird es albern.2)
Aus der heiteren, lebensfrischen römischen Komödie hat Oliva,
trotz der Lobsprüche, welche sich in der Einleitung zur Ausgabe
von 1586 finden, einen matten Abklatsch geschaffen, der poetisch
wertlos, doch eine Tendenz — die Verhöhnung der antiken Gott-
heiten — in sich schliesst, eine Idee, die mehrere Dichter jener
Jahrhunderte — man denke an Francesco Bracciolinis
„Scherno degli Dei" — zu schauderhaften Leistungen verleitete.
In der ganzen Arbeit Olivas ist nicht ein Fünkchen jenes
reichen Witzes, den die plautinische Komödie so üppig sprüht.
Man darf wohl bestimmt annehmen, dass weder des Villa-
lobos, noch des Oliva Stücke auf die Bühne gekommen sind.3)
Trotzdem waren beider Männer Bestrebungen „als blosser littera-
rischer Vermittler der Bekanntschaft mit dem alten Drama"4) nicht
gänzlich bedeutungslos.
Gestützt auf Villalobos und Oliva, schrieb ein Anonymus
in Spanien nochmal einen Amphitryon:5) Comedia de Plauto
llamada Amphitrion, traducida de latin en lengua castellana.
Agora nueuamente impresa en muy dulce, apacible y sentencioso
cstilo 1554. — Nach dem Catälogo bibliogräfico S. 528. Colofon
final: Fue impresa la presente obra en la imperial ciudad de
Toledo, en casa de Juan de Ayla, en el ano de MDLIIII in 4°
tmd gotischen Lettern.
') Bibl. de auf. csjian. II, 158. La Version que hizö de Plauto
rs inferior ä la de Villalobos.
-) Bibl. de aut. espaü. II, 192. Oliva cada vez que se separa de
lo que Plauto escribiö, desatina; und Catäl. bibliogr. p. 302.
3) Ibid. II, 158. Estas piczas nunca se representaron.
*) Schack a. a. 0. I. 208.
5) Catälogo bibl. S. 528. ..El autor anönimo dice en un breve pro-
logo haberse aervido il<- las traducciones de Villalobos y Oliva."
10
146 I- Amphitrun.
Einen späteren spanischen Anfitrion von D. Santös Diez
Gonzalez (neben dessen El casamiento por fuerza) nennt
Leandro Fernandez de Moratin.1) Ich habe ihn nicht be-
kommen können. — Barrera führt'2) eine Komödie, Amor es
todo invencion: Jupiter y Anfitrion des Don Jose de
Canizares (1676 — 1750), auf.3) — Aus dem Jahre 1859 stammt
..El Anfitrion y la Andriana de Terencio," traducidos del
latin al castellano por D. Salvador Constanzo. Madrid (Cuesta).
Auch der grosse portugiesische Epiker Luiz de Caraöes,
der unsterbliche Dichter der Lusiaden (geb. 1524; gest. 10. Juni
1580), schrieb unter dem Titel: „Os Enfatriöes" (die Amphi-
truonen) ein Lustspiel, das eine Nachdichtung des plautini-
schen ist und erst später, im Jahre 1587, mit den Autos des
Antonio Prestes aufgefunden wurde. Es ist in der Art des
Gil Vicente (gest. 1536) abgefasst. Eine alte Sitte verband
mit den akademischen Festlichkeiten zu Coimbra die Aufführung
irgend eines Autos, oft nur einer Tragödie des Seneka oder
irgend einer anderen lateinischen Szene. Zu einer solchen soll es
nach einigen Annahmen gedichtet sein.4) Gewiss ist es ein unbe-
streitbares Verdienst des jungen Dichters, dass er in dieser Komödie
zu seiner Muttersprache und zu einem volkstümlichen Metrum
griff, selbst wenn es die Verherrlichung eines gelehrten Festes
gegolten haben soll.
Gegenüber dem plautinischen Originale hat sich der Dichter
bemüht, einiges zu mildern, was seinem Zeitalter denn doch zu
derb sein musste. Diese Rücksicht hat ihn zu mancher Änderung
veranlasst, die jedoch dem Stücke nicht immer zum Vorteile ge-
reichte.
') Obras dramäticas y liricas. Paris (Bobee 1825). Band I. S. 62
des (S. 45 — 47 stehenden) Catälogo de piezas dramäticas publicadas en
Espana desde el principio del siglo XVIII. hasta la epoca presente. —
Bibl. esp. n, 332.
2) p. 69.
3) Unter den Comedias escogidas de D. Jose de Canizares. (Ma-
drid imprenta de Ortega y Comp.) Bd. I, 1829. Bd. II, 1833, findet sieh
dieses Stück nicht. — Siehe über ihn Ticknor. II, 77 und 396. —
Bouterwek, Geschichte der Künste und Wissenschaften. III, 55f).
4) Theophilo Braga, Canv es. — Th. Braga, Manual pag. 245. —
Reinhardstoettner, Luiz de Camöes. pag. 11. — Die Annahme, dass
Camöes das Lustspiel im Jahre 1542 während seiner Studienzeit (Vis-
conde de Juromenha, Obras de Luiz de Camöes. Lisboa 1860 — 1869.
6 Bde. I, 24) oder in den Ferien (Braga, Historia do theatro Portuguez.
Porto 1870. I, 37) geschrieben habe, widerlegt Storck (Amphitryo S. 324.
325) mit gewichtigen Gründen und versetzt die Dichtung nach seine
Uuiversitätszeit.
Luiz de CamÖes. 147
Hören wir den Inhalt.1)
I. Akt. Alkmene klagt der Bromia über die lange Ab-
wesenheit ihres Gatten, ein Motiv, das Camöes vielleicht aus
Oliva entnahm, und befiehlt ihr, Feliseo zu schicken, um von
ihm zu erfahren, ob im Hafen keine Neuigkeiten einliefen. Feliseo
macht sich nach einigen neckischen Gesprächen mit Bromia auf
den Weg nach dem Hafen (1 — 5). Juppiter tritt mit Merkur auf
und erzählt ihm von seiner hoffnungslosen Liebe zu der keuschen
Alkmene. Da erteilt ihm Merkur den Rat, sich in Amphitruos
Gestalt zu verwandeln und sie auf diese Weise zu überlisten.
Er folgt diesem Vorschlage. Unterdessen meldet Kallisto von
der noch diese Nacht zu erfolgenden Rückkunft des siegreichen
Feldherrn Amphitruo (5 — 6).
IL Akt. Juppiter als Amphitruo, Merkur als Sosia treten
auf. Die Nacht soll verlängert werden. Nach herzlicher Be-
grüssung Alkmenens treten beide ins Haus, und Merkur hält
vor demselben Wache. Sosia, Amphitruos Diener, kömmt singend
auf die Bühne. Merkur tritt ihm entgegen, gebärdet sich als
Sosia und jagt den wirklichen Sosia, der bereits über seine eigene
Identität verwirrt ist, von dannen (1 — 7).
III. Akt. Juppiter nimmt von Alkmene Abschied. Amphi-
truo und Sosia treten auf. Letzterer erzählt seinem Herrn, was
ihm widerfahren sei (1 — 3). Klagend über ihres Gemahls frühes
Scheiden erscheint Alkmene; sie gewahrt Amphitruo und Sosia,
und da sie sich über ihr Hiersein wundert, beginnt die Ver-
wirrung. Sie schildert die Begegnung dieser Nacht und lässt zur
Bestätigung der Wahrheit ihrer Worte den ihr eben geschenkten
Becher des Pterelas durch Bromia holen. Amphitruo geht, um
Belferrao als Zeugen zu holen, dass er nicht bei seiner Gattin
gewesen sein könne, indes Alkmene nach ihrem Vetter Aurelio
schickt (3 — 6).
IV. Akt. Juppiter versöhnt Alkmene und geht mit ihr ins
Haus. Merkur hält vor demselben Wache. Er fertigt den heran-
') An selteneren Ausgaben sind zu verzeichnen nach Theophilo
Braga: „Bibliographia Camoniana." Lisboa 1880: Primeira parte dos
autoa e comedias portuguezas por Antonio Prestes e por Luis de
Camöes u. s. w. (Andre Lobato 1587 in 4°.) In dieser äusserst selte-
nen Sammlung finden sich die „Enfatriöcs" auf Seite 86. — Comedia
dos Enfatriöcs composta por Luis de Camöes. Lisboa (Vicente Al-
van.'s) 1615 in 4° zu zwei Kolonnen. — Hier zu Grunde uelegt ist: (»Inas
completas de Luiz de Camöes, correctas e emendadas pelo cuidado e
dili^encia de J. V. Barreto Peio e J. G. Monteiro. Hamburg (Lang-
hofij 1834. — Os Amphitriöes finden sich im dritten Bande S. 299
— 382. — Vor kurzem erschien #die erste deutsehe Übertragung des
Amphitriio, die vorzügliche Übersetzung von Wilhelm Storck auf
S. 1 — 105 des sechsten Bandes von „Luis' de Caiuüens sämtliche Ge-
dielite." Paderborn (Schöningh) 1885.
10*
148 I- Amphitruo.
kommenden Amphitrno in sehr grober Weise ab, indem er ihm
den Eintritt in seine Wohnung verweigert. Belferrao und Sosia
kommen herbei, was eine komische Situation verursacht, da sich
Sosia eines unehrerbietigen Benehmens gegen seinen Herrn nicht
bewusst ist (1 — 4).
V. Akt. Die beiden Amphitruo stehen einander gegenüber.
Beide berichten von ihren Siegen , beide zeigen die gleichen
Wunden, sodass sich Sosia für die Echtheit Juppiters entscheidet
und dieser wieder ins Haus zurückkehrt, das für Amphitruo ver-
schlossen bleibt (1 — 3). Aurelio ist auf Alkmenes Wunsch her-
beigeeilt und trifft den jammernden Amphitruo vor seiner Schwelle.
Um sich endlich klar zu werden, dringt er ins Haus ein (4 — 7)
und kömmt alsbald wieder heraus, um von einer überirdischen
Erscheinung zu berichten. Die Stimme Juppiters lässt sich von
innen vernehmen. Er sei der in seinen Werken grosse Gott; er
habe Amphitruos Gestalt angenommen, um das Geschlecht des-
selben zu ehren. Alkmene werde den Herkules gebären, von
dessen zwölf Arbeiten die Geschichte ruhmreich berichten werde.
Mehr sagt er nicht.
Emfim a razäo me obriga,
Que täo pouco delle diga,
Porque o tempo dirä muito.
Ohne ein Wort der Erwiderung von Seiten Amphitruos endet die
Komödie.
Camöes hat sich, wie bemerkt, bemüht, das Anstössige des
Originals nach Kräften zu mindern. Allein Plautus stand auf
dem Boden der Sage. Ist auch Juppiter, den Tendenzen des
Lustspieldichters entsprechend, bei Plautus mehrfach nicht gerade
von der Würde des höchsten Gottes umstrahlt, so war sein ganzes
Abenteuer doch gewissermassen ein grosses Werk, das er be-
absichtigt und überlegt ausführte (vgl. V. 873 — 879 Nunc
memet u. s. w.) — nämlich die gewollte Zeugung des grössten
Heroen der alten Welt, zu der sich Juppiter nach der Mythologie
eine dreimal längere Nacht wählte, wodurch schon symbolisch die
Bedeutung dieses Werkes und des Herkules selbst angezeigt
wurde.1) Da die Geburt des Herkules überdies an sich zur
Lösung des plautinischen Stückes führt, so könnte dies geradezu
„die Geburt des Herkules" heissen. Jenes gewaltige mytholo-
') L. Preller, Griechische Mythologie. 3. Aufl. von E. Plew.
Berlin 1875. II. Bd. pag. 177. — J. S. Er seh und J. G, Gruber, All-
gemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste. Lpz. 1819. HI, 403.
— Storck (a. a. 0. S. 322) findet allerdings, es werde bei dieser meiner
Auffassung Plautus „in eine ideale Sphäre gehoben, w'elche ihm
nicht eignet ".
Luiz de Camöes. 149
gisehe Ereignis wird bei Camöes nur die Folge von Juppiters
Liebesdrang, obne dass bierbei des Heroen gedacht würde.
Juppiter, ernstlicb in Alkmene verliebt, klagt, dass der Pfeil des
kleinen Liebesgottes mächtiger als er selbst sei und ibn, den
höchsten der Götter, zwinge, jener zu dienen, welche ihn als
Gott anbetet (I, 5):
Oh grande e alto destino!
Oh potencia täo profunda!
Que a setta d' um menino
Fa^a que meu ser divino
Se perca por cousa humana!
Que m' aproveitam os ceos,
Onde minha essencia mora
Com tanto poder, se agora
A quem me adora por deos,
Sirvo eu como a senhora?
u. s. w.
Vergeblich hofft er, die ,, tugendhafte Frau" für sich zu ge-
winnen. Den Ausweg bietet erst Merkurs List, die Gestalt des
fernen Amphitruo anzunehmen.
Es ist also das Ganze nicht Juppiters Werk und
Erfindung.
Bei seiner Liebesqual sagt ihm Merkur (a. a. 0.):
Senhor, tudo pode ser;
Que para quem muito quer,
Sempre a affeicäo e manhosa.
Seu marido estä ausente
Na guerra longa daqui.
Tu qu' es Jupiter potente
Tomaräs sua figura em ti;
Que o faräs mui facilmente.
E eu me transformarei
Na de Sosea, criado seu.
u. s. w.
Freudig ergreift Juppiter den ihm gebotenen Vorschlag und
gesteht später, dass einzig Amor wirke, indem er auf Merkurs
Worte (II, 1)
Muito mais faräs, senhor,
erwidert:
Näo o faz senäo o Amor
Que n' isto pode mais que eu.
Merkur ist es auch, der ihn (a. a, 0.) über die Vorgänge im
Lager unterrichtet, der somit alles ins Werk setzt, und dem
Juppiter dies auch mit den Worten:
Pois tudo tens ordenado
Por täo nova e subtil arte ...
250 I- Ampliitruo.
gerne zugesteht. Nur der Befehl an Phöbns, die Nacht auszu-
dehnen (II 1):
Que faca mais devagar
Seu curso neste Hemispherio,
geht direkt von Juppiter aus.
Merkur übernimmt nun die Rolle des plautinischen Merkur,
nachdem beide in ihrer Umgestaltung den Originalen aufs ge-
naueste gleichen.1) Mit Sosias Gestalt hat er auch dessen
spanische Sprache angenommen2) und hält auf Juppiters Geheiss
Wache vor dem Hause. Wie dieser, prahlt er bei dessen Heim-
kehr (II, 2):
Pues tambien yo no crei
Que en rni vida te viese
Segun las muertes que vi.
Amphitruo ist, wie bei Plautus, der tapfere heldenhafte Sieger
(II, 2). Wehmütig stimmt ihn, wie den Mohren von Venedig,
der ganze Vorgang hauptsächlich darum, weil er seine Ehre für
verloren hält. Er klagt (V, 2):
Porque e roubada
Minha honra sem temor,
E minha cara tomada,
E vossa prima enganada
Por um grande encantador.
Sein Schicksal rührt ihn zu Thränen. Weinend gedenkt er
(V, 6) seines einstigen ehelichen Glückes:
E quando vejo a verdade
Do nosso amor e amizade
Desfeita com tanta mägoa
Encbem-se-me os olhos d' ägoa
E a alma de saudade.
Das ist der letzte Monolog, den er spricht, und (die Zwischen-
fragen „que vai lä? que cousas väo?" ausgenommen) seine letzten
Worte. So sehen wir ihn erschüttert und innerlich vernichtet,
bis Juppiter spricht und sich als Gott zeigt.
Auch der Amphitruo des Plautus ist tief erschüttert durch
') Mercurio: Quem täo proprio se transforma
Tenho por opiniäo,
Que na tal transformacäo
Lhe prestou natura a forma,
Com que fez Amphitriäo.
Jupiter; Pois tu no gesto e na cor
Estäs Sösea, escravo seu.
2) So sprachen in den portugiesischen Komödien jener Zeit Leute
aus dem niedern Volke. Diener u. dgl.
Luiz de Camöes. 15 1
die Störung seines häuslichen Glückes; er ist bemitleidenswert,
wenn er (V. 1082) Bromea fragt:
Sein nie tuum esse erum Amphitruonem?
Aber wir sehen ihn wieder langsam aufleben und zufrieden,
ja nicht ohne Stolz, des Vorgangs gedenken. Ob wohl der
Amphitruo des Camöes ähnlich wie der des Plautus mit Juppiters
Schlussworten zufrieden ist? Er selbst spricht es mit keinem Worte
aus, und der Leser hat nach seiner Stimmung in der vorletzten
Szene kaum einen Grund, dies anzunehmen. Der Schluss bringt
eine Versöhnung nicht zum Ausdrucke.
Wie im Originale ist auch hier Alkmene das edle Weib,
dem sein Gatte alles ist.
Ah, Senlior Amphitriäo,
Onde estä todo meu bem
seufzt sie (I, 1); er wohnt in ihrem Herzen; sie spricht:
Co' 0 cora^äo
Que dentro n' alnia vos tem.
Sie fragt, ob er im Felde oder sie zu Hause mehr geduldet
habe. Sie hat ihn stets geliebt und als treue Gattin gepflegt:
Sempre de mi foi amado,
Tanto quauto em mi se sente,
Co' o corayäo liado,
Que se de mi era ausente,
Nelle 0 via figurado.
E pois mulker, que cumprisse
Melhor qu' eu fidelidade,
Näo a vi, nem quem me visse
Que dos limites sahisse
Um poueo da honestade.
Als ausnehmend tugendhaft rühmt sie auch Juppiter (I, 5):
Mas que remedio hei de ter
Contra mullier täo terribil,
Que se näo pode vencer?
Tu hjo ves qu' esta mullier
Se preza de virtuosa?
Ihre innige Liebe zu ihrem Gatten leuchtet besonders beim
Wiedersehen (II, 2) hervor:
Oh presenga mais querida
Que quantas formou Amor!
Isto r verdade. SenliorV
Acabe-se aqui a vida,
Por näo ver prazer maior.
152 !• Amphitruo.
Der Sklave Sösea, der spanisch spricht, steht tief unter dem
des Plautus. Nur die Feigheit und das Prahlen hat er mit
diesem gemein (II, 5):
Yo como muerto le vi
Juro ä mi fe, que le di
Mas de dos mit cuchülazos.
Gerade in dieser Szene ist er ganz und gar eine Gestalt der
damaligen Bühne geworden.
Die übrigen Personen des Stückes, der dichtende1) Feliseo,
Belferräo, Alkmenes Vetter, Aurelio, endlich Kallisto sind
zum grössten Teile Zuthaten des Dichters. Bromia hat im all-
gemeinen dieselbe Aufgahe, wie bei Plautus, nur berichtet bei
Camöes Aurelio von der göttlichen Erscheinung.
Hat somit der portugiesische Dichter im grossen Ganzen
manches ändern zu müssen geglaubt, manches andere, wie die
gewiss glückliche Gegenüberstellung der beiden Amphitruo in der
ersten Szene des fünften Aktes, nach den Supposita zu Plautus
glücklich verwertet, wobei stets eine verschiedene Grund-
idee vorlag . — bei Plautus die beabsichtigte Zeugung des
Herkules, die immer (vgl. z.B. auch V. 479 sqq.) hervorgehoben
wird, bei Camöes das Quiproquo der beiden Amphitruo,
was schon der Titel (Os Amphitriöes) sagt — so hat er sich doch
in vielen Stücken wieder engstens an das Original angeschlossen.
Wir sehen die Szene, wo Juppiter Alkmenen den Becher
des Königs Ptereläs übergiebt. Amphitruo bekam ihn als Ehren-
geschenk (II, 1):
Como em sinal da victoria,
Esta copa lhe foi dada,
Por ella bebia el Rei . . .
Bei Plautus (7. 534):
Nunc tibi hanc pateram, quae dono mi illi ob uirtutem datast,
Pterela rex, qui potitauit condono.
Der Abschied Pseudoamphitruos von Alkmene (III, 1):
Vos me vereis cä, Senhora,
Primeiro do que cuidais,
erinnert an Juppiters Wort (V. 545):
Prius [enim] tua opinione hie adero.
') Derartige Dichter, welche ihre Liebespoesien jedem, der des
Weges kommt, zum besten geben, mit der Versicherung, dass sie selbst
ohne fremde Beihilfe dieselben verfertigten, wie Feliseo auf Kallisto s
Frage: „Senhor, vös so o fizestes?" emphatisch erwidert: „Si que ninguem
me ajoudou!" (I, 6) waren ständige komische Figuren der damaligen
Bühne. - Vgl. die höchst gelungene Farce „De quem tem Farelos"
des Gil Vicente.
Luiz de Camoes.
153
Die treffliche Szene, in welcher der plautinische Mercurius
den Sklaven Sosia in Angst versetzen will, hat sich Canaöes ge-
wandt angeeignet; „aher er hat sie selbständig benutzt und vor-
trefflich lungestaltet."1) Dem (7. 309):
Quisquis homo huc profecto uenerit, pugnos edet
entspricht bei Camoes (II, 6):
No veo pasar ninguno,
En quien yo nie pueda hartar.
Dem (F. 321):
das:
Ölet homo quidam malo suo
La carne de algun humano
Me seria mui sabrosa.
Dem (7. 325):
genau:
Vox mi ad auris aduolauit
Ina roz de hombre ahora
A la oreja me rolö.
So auch die Weigerung, seinen Namen zu nennen:
343. M.
S.
M.
362. M.
S.
364. M.
S.
366. M.
370.
390. S.
M.
S.
M.
S.
)/.
Seruosne es an liber?
Vtquomque animo conlubi-
tumst meo.
Ain tu uero?
Quis erus est igitur tibi?
Amphitruo, qui nunc The-
banis praefectust legio-
nibus.
Quid ais? quid nomen ti-
bist?
Sosiam uocant Thebani.
Ne tu istic bodie malo tuo
conpositis mendaciis
Aduenisti . . .
Nunc profecto vapula ob
mendacium.
Non loquar nisi pace facta.
Non nocebo.
Tuae fide credo?
Meae.
Animum aduorte . . . Am-
phitruonia ego sum ser-
uos Sosia.
Etiam denuo?
3J. i Quien? ,;Quieres hablar?
S. Soi quienmi voluntad quiere.
M. ,;Piensas que puedas hablar?
M. ;Di! ,; Quien eres?
iS'. Un criado
Del Senor Amphitrion.
M. ,;Como te Hamas, mal hombre?
iS'. Sosea soi, se non me oiste.
M. Con tan nueva falsedad
Andais por esta ciudad.
jPues, si sois Sosea, tomad!
S. Tregoas me has de prometer,
Dirtelohe siu profia.
M. Prometo.
S. Pues,. hermauo, tu sabräs
Que mi amo Amphitrion.
M. ; Tu amo? ;Pues Uevaräs?
ferner die Erzählung von seinen kriegerischen Erlebnissen und
seiner Weinprobe :
') Storck a. a. 0. S. 338.
154 ■"■• Amphitruo.
427. iS. Legiones quoin pugnabant
ruaxurne,
Quid in tabernaclo fe-
cisti ?
M. Cadus erat uirii; inde in-
pleui hirneam.
S. <;Empero, tu que hacias, cuando
la batalla vias?
.)/. Cuando mi Senor andaba
Peleando y derramaba
La sangre de algun mezquino;
Con una bota de vino
Yo la niia acrescentaba.
u . s. w.
Der Monolog Alkmenes (III, 3) ist nach dem des Plautus
(V. 633 sqq.) gearbeitet, doch stark zusammengezogen;
ebenso die Szene mit dem Becher, die Schilderung, wie der
Pseudoamphitruo sich zu Hause benahm, diese letztere nur etwas
verhüllter u. dgl. mehr.
Camöes hat in dieser Komödie schon hu Ausseren die
Schule des Gil Vicente vertreten, was, wie Th. Braga treffend
bemerkt,1) an einem Manne Wunder nehmen muss, welcher die
klassische Renaissance kannte und sich an der italienischen
Litteratur begeisterte. Die Arbeit des Camöes ist von
hohem poetischen Werte;2) die Redondilhenform ist
prächtig gelungen. Es ist ein klassisches Produkt, aber
echt national, antik, aber völlig dem Geiste und Geschmacke
der Zeit angepasst.
Von allen Amphitruobearbeitungen ist die des Camöes durch
Formvollendung die berechtigtste, sich der Molieres hinsichtlich
der metrischen Eleganz an die Seite zu stellen. Es ist. reine
Musik, was des Camöes Verse aussprechen.
Auch F. Bouterwek3) fällt über die Dichtung des Camöes
ein sehr günstiges Urteil. „Eine wahre Bereicherung des portu-
giesischen Theaters war der Aniphitryo . . . . Das Verdienst
der Erfindung dieses echt komischen Stückes gehört zwar dem
PI a\i tu s, dessen Aniphitryo von Camöes nur frei bearbeitet
ist. Aber eben diese Bearbeitung hätte in der Geschichte des
portugiesischen Theaters Epoche machen müssen, wenn die Nation
geneigt gewesen wäre, sich eine so glückliche Verschmelzung der
nationalen Formen des Schauspiels mit den antiken gefallen zu
lassen. Wer den Aniphitryo des Plautus nicht kennt, muss
das Lustspiel gleiches Namens von Camöes für ein Originalwerk
halten. Die ganze Fabel des Stückes ist modernisiert, ohne die
1) Manual da Historia da litteratura portugueza. (Porto 1875.)
pag. 245: „Admira por certo ver Camöes, que conhecia intimamente a
Renascenca classica, e que se inspirava da poesia italiana, seguir no
theatro a eschola de Gil Vicente."
2) Ibid. „Bastaram estes tres Autos de Camöes (sc. Os Amphitriöes,
El Bei Seleuco, Filodemo) para revelarem um grande poeta em
nada inferior a Gil Vicente."
3j Geschichte der portugiesischen Poesie und Beredtsamkeit. (Göt-
tingen 1805.) S. 207.
Jos§ da Silva. 155
komische Kraft der Situationen zu schwächen. Juppiter musste
zwar bleiben, wer er war, aber Merkur, der den verkleideten
Juppiter begleitet, macht den Bedienten ganz in portugiesischem
Stil. Amphitryo stellt einen Schiffskapitän nach portugiesischen
Begriffen vor. Aus dem Sosia, dem Bedienten des Amphitryo, ist
ein netter Gracioso geworden, der Spanisch spricht, ob er gleich
den Namen Sosia beibehalten hat. Die burlesken Szenen, in
denen dieser Sosia figuriert, sind noch dadurch erhöhet, dass
Merkur, der gewöhnlich Portugiesisch spricht, sogleich Spanisch
zu sprechen anfangt, wenn er als Pseudososia seine Rolle spielt."
Fast zwei Jahrhunderte nach Camöes griff nochmal ein
genialer portugiesischer Dichter , das Opfer schändlichster In-
toleranz,') zum Amphitruo — der „Jude" Don Antonio
Jose da Silva (S. 63), dessen geschickte Behandlung des
Stoffes ziemlich viele neue Seiten bietet.'2) Das Stück3) ist in
zwei Teile zu je sieben Szenen gefasst und in Prosa ge-
schrieben; nur die Arien und Chöre sind in Versen gedichtet.
Es führt den Titel: Amfitriäo, ou Jupiter, e Alcmena,
Opera que se representou no Theatro de Bairro Alto de Lisboa,
no mez de Maio de 1736. Aus der „Advertencia do Collector"
(S. 9) erfahren wir, dass die hier gesammelten Stücke zwischen
1733 — 1738 sehr gefielen; doch wird der Name des Verfassers
als eines der Inquisition verfallenen Juden nirgend genannt,4)
') Vgl. über dieses traurige Opfer der Inquisition F. Ho ff mann,
Geschichte der Inquisition. Bonn 1878. II. Bd. S. 88 ff. — Simonde
de Sismondi, De la litterature du midi de l'Europe. IV, 538.
2) Le Bresil litteraire par Ferd. Wolf. (Berlin, A. Asher&Co. 1863.)
S. 39. „Pour se faire une idee du talent d'invention et de la verve co-
mique dAntonio Jose, on n'a qu'ä comparer par exemple son Arnphi-
tryito avec ceux de Piaute et de Camöes, et l'on sera surpris du parti
conipletement nouveau que le poete bresilien a su tirer de ce sujet,
surtout des scenes entre Alcmene et son epoux."
3) Es findet sich im ersten Bande des Theatro comico Portuguez
ou Colleccäo das Operas portuguezas que se repentäräo na Casa do
Theatro publico do Bairro Alto de Lisboa. Lisb. 1744—1746. 4 voll, in 8°.
— Ein zweiter Abdruck der zwei ersten Bände (in der k. Bibliothek
zu Wien) ist von 1747, Lisb. na regia officina Sylviana, e da Academia
Real. — Ein dritter in 4 Bd. von 1759 — 1761. — Vor mir liegt der
vierte Abdruck (quarta impressäo) von 1787 (na officina de Simäo Thad-
deo Ferreira), dessen erster Band, S. 298 — 427, unser Stück enthält. —
Vgl. Wolf, Bres...litt. S. 36 und Varnhagen, Florilegio. I, 206—208.
4) Von der Ängstlichkeit des Herausgebers zeugt seine bornierte
am Schlüsse angebrachte Protestacäo do Collector: „As palavras Deoses,
Nurnen, Fado, Divindade, Omnipotencia e Soberania se devem
somente entender no sentido Poetico, e näo de nenhuma outra maneira ;
porque somente se usa dellas nestas Obras como necessarias para adorno
da composicäo Dramatica, e expressäo dos Episodios Comicos e näo com
intencäo de offender em cousa alguma aos dogmas da Santa Madre
Igreja, a quem como obediente filho, nie sujeito em tudo o que ella
determina." — Wem kömmt nicht des Camöes Entschuldigung (IX, 90 ff.)
in den Sinn, der seine Lusiaden freilich 1572 nicht 1787 hinausgab!
156 !• Amphitruo.
weshalb z. B. bei Barrera (Catäl. bibl. S. 528) da Silvas
Amphitruo als „manuscrita" angeführt wird.
Erster Teil. — 1. Juppiter, von den himmlischen Chören
umgeben, klagt, dass er zu Alcmena heisse Liebe fühle:
De amor todo abrazado
Mi sento quasi louco. (S. 303.)
Mercurio schlägt ihm vor, Amphitruos Gestalt, der eben
im Kriege mit den Thelebanern (!) und ihrem Könige Terela
liegt, anzunehmen; er selbst wolle sich in die „mais vil creatura",
den Sklaven Amfitriäos, der hier Saramago heisst, verwandeln.
Juppiter nimmt diesen Vorschlag gerne an. 2. Alcmena jammert
mit ihrer Sklavin Cornucopia, der Frau Saramagos, über die
lange Abwesenheit ihres Gemahls; nach einem Menuett Alcmenas
kömmt Cornucopia mit der frohen Botschaft, dass ihr Sara-
mago, und also auch Amfitriäo, zurückgekehrt sei. Alle Zweifel
lösen sich, da wirklich Juppiter und Merkur in den Gestalten
beider eintreten. Nach einer herzlichen Begrüssung findet Alc-
mena, dass ihr Gatte, entgegen seinem gewöhnlichen Wesen,
zärtlicher vom Kriege zurückgekehrt sei, als er ging, und auch
Merkur sah Juppiter nie so zerflossen („täo derretido" S. 310).
Juppiter erzählt die Geschichte seines Sieges und schenkt Alc-
mena ein Schmuckstück vom Helme des Königs Terela. Als-
dann begeben sie sich zur Euhe. Merkur hat alle Mühe, seine
Cornucopia los zu werden. Auch sie hat während seiner Ab-
wesenheit Anfechtungen ihrer Treue erfahren, selbst Geld ist ihr
angeboten worden. Mercurio findet es ungeschickt, dass sie es
nicht angenommen habe. 3. Saramago tritt auf; er kömmt vom
Kriege. Erst tritt ihm ein Hund entgegen, alsdann Merkur, der
sich als den richtigen Saramago gebärdet. Nun fragt ihn
Saramago: Conheceo vossa merce em casa de Amfitriäo hum
criado esgalgado, cara de piolho ladro, corpo de parafuso, pernas
de disciplina, com hum pe de cantiga, e outro pe de vento?
(S. 319.) Nach einigem Streiten entfernt sich Saramago, da ihm
Mercurio eine Tracht Prügel (hum diluvio de pancadas S. 321)
in Aussicht stellt. Mit den Worten: Pois a Deos, Senhor Sara-
mago, eilt er ab, die Mercurio (fast wie Geta): „A Deos, Senhor
cousa nenhuma!" erwidert. 4. Waldgegend. Amfitriäo mit
Polidaz klagt, wie lange ihm die dreimonatliche Abwesenheit
von Hause vorkam. Tiresias begrüsst namens der Republik
den siegreichen Oberfeldherrn und teilt ihm mit, dass man ihm
einen grossen Triumph (hum notavel triunfo S. 322) vorbereite.
Saramago naht. Sein Gespräch ist unklar. Er ist nicht er;
von Alcmena weiss er nichts, da er von sich selbst nichts weiss
(S. 323). Nun erzählt er, zuerst sei ihm ein Hund entgegenge-
Jose da Silva. 157
kommen, der mit dem Schweife seine Freude bekundete, „donde
inferi que ha creaturas que tem a lingua no rabo, " dann sein
Ebenbild. Man geht nach Hause, um zu sehen, in wie weit
Saramago die Wahrheit sprach.
Juno mit Iris tritt auf. Sie weiss bereits von Juppiters
Metamorphose und den Plänen ihres treulosen Gatten, dem sie
Rache schwört. Er soll erfahren, wie wehe es ihr thut :
Que de zelos a impiedade
Ate os ceos ha de chegar. (S. 327.)
5. Juppiter trennt sich von Alcmena. „Ai, Alcmena, se
tu mi disseras essas finezas näo como a Amfitriäo senäo como a
Jupiter" (S. 328) sagt er ihr bedeutungsvoll. Ebenso scheidet
Mercurio von Cornucopia mit den Worten: Vale, vel, valete,1)
wie einer „quem se despede em latim" (S. 330). — Juno tritt
mit Iris ins Haus und bittet Alcmena knieend um Entschuldi-
gung für ihre Freiheit. Unter dem Namen Felisarda will sie
ihr eben ihre traurige Geschichte erzählen, da klopft Amfitriäo
draussen und wird eingelassen und von Alcmena begrüsst. Er
findet aber den Empfang etwas frostig, bis ihm Alcmena sagt,
dass er ja diese Nacht schon bei ihr gewesen sei. Juno ahnt
sofort, dass der Pseudoamphitruo ihr Gatte Juppiter war. Am-
fitriäo jedoch stutzt und Saramago fällt ein: Näo te disse eu
que havia cä outro Saramago? Pois por forca havia de haver
outro Amfitriäo (S. 334). Alcmena erzählt umständlich, was er
bei seiner Ankunft that, und wie er ihr das Kleinod überreichte,
woraus Juno zur Gewissheit entnimmt „que este he o verdadeiro
Amfitriäo" (S. 336). Dieselbe Szene wiederholt sich zwischen
Saramago und Cornucopia. Auch er sagt zornig: „näo fui
eu com quem te emsamaragaste." Eben als sie Frieden
schliessen wollen, kömmt Mercurio dazu, und, um Saramago
ganz toll zu machen, verändert er mehrmals Cornucopias Ge-
siebt. Nach verschiedenen Missverständnissen naht Iris unter
dem Namen Corriola, der Saramago ohne Erfolg den Hof
macht.
IL Juppiter dankt Merkur, da ja alles von ihm aixsging
(sendo a idea tua S. 347). Er will sich bei Alcmena noch
länger freuen, obwohl ihn Mercurio an Juno erinnert. Polida/,
meldet, dass der Triumphzug bereit sei, worauf Juppiter geht, und
(7) als Amphitruo von den Matronen bekränzt und unter dein
Vivatrufen des Volkes denselben mitmacht.
') Lateinische Stellen finden sich öfter, /.. B. S. 319 inter am-
bobus (!) errasti, 325 heu mihi! 340 chibarritum nie feeit, 34.". quoad
ine. 345 propter unumquodque fcale ei illud magis u. ö.
158 I- Amphitruo.
Zweiter Teil. — 1. Juno und Iris beraten sich; letztere
will sich mit Sararnago einlassen, um den rechten Amphitruo zu
entdecken. Tiresias, der um Amfitriäo zu sprechen kam,
wird hingerissen von Junos Schönheit, „que mais parece divina do
que htunana" (S. 353), und Juno beschliesst ihrerseits, auch ihn
zu benützen. Sie erzählt ihm, sie sei die unglückliche Prinzessin
von Teleba, Flerida, die hier unter dem Namen Feiisa r da
lebe. Sie sei gekommen, um sich an Amfitriäo, dem Mörder
ihres Vaters, zu rächen und auch Alcmena zu strafen. Tiresias
möge ihr behilflich sein, was er auch verspricht.
2. Noch immer träumt Sararnago von Corriola; da naht
Iris. Cornucopia belauscht sie. Iris gesteht ihm ihre Liebe,
doch seiner Frau halber wolle sie ihm entsagen. Cornucopia
stürzt vor, um ihren Mann zu retten. — Während Alcmena mit
Cornucopia über ihres Gatten Benehmen klagt, zeigen sich
Juppiter und Mercurio. Letzterer geht sofort, um Amfi-
triäo s Ankunft zu verhindern. Juppiter will die beleidigte
Alcmena versöhnen. Nur Sararnago kann nicht begreifen,
,.quem era aquelloutro eu que cä esteve primeiro do que eu
viesse" (S. 361). Zweifelnd geht er ab, da er nach Polidaz
gesandt wird. Während Juppiter Alcmena wieder besänftigt,
tritt Juno ein. Sie ist 'in Zweifel, ob Juppiter oder Amphi-
truo vor ihr stehe, aber: se eile, como Deidade sabe enganar os
meus olhos, eu que tambem logro a mesma prerogativa, usarei
do mesmo engano (S. 362). Juno-Felisarda ist der Ansicht,
Amfitriäo habe keine Verzeihung verdient, obwohl Juppiter-
Amfitriäo sie bittet, bei Alcmena seine Partei zu vertreten.
Dennoch gelingt es ihm, Alcmena wieder zu gewinnen, und er
geht mit ihr.
3. Vorsaal. — Merkur wird des Wartens überdrüssig und
in der ganzen Sache ungeduldig. Wann soll dies enden? Mit
Europa, Danae, Leda u. a. hat Juppiter nicht so viel gemacht.
Amfitriäo tritt ein. „Sararnago, kennst Du mich?" „„Soll
ich die ganze Welt kennen?"" „Mich, Deinen Herrn?" „„Mein
Herr ist nur Amfitriäo."" Er kehrt ihm den Rücken und
sperrt die Thüre ab. Unmittelbar darauf kömmt Sararnago
mit Polidaz. Amfitriäo prügelt ihn wegen seines ungebühr-
lichen Betragens, was Polidaz nicht begreifen kann. Es sei un-
möglich, erklärt er, dass Sararnago eben seinem Herrn die
Thüre versperrt habe, da er nicht von ihm weggekommen sei,
vielmehr in seinem Auftrage ihn geholt habe. „Schickte ich
etwa um Polidaz?" fragt Amfitriäo. „„Gewiss! Vor einer
Viertelstunde."" Amfitriäo wird ruhiger; er ahnt einen
schlimmen Streich. Sie schicken sich an, die Thüre einzurennen,
da tritt Juppiter heraus, und die beiden Amphitruo erblicken
Jose da Silva. 159
einander staunend. Auch Alcmena kömmt dazu. Sie kann nur
fragen: „vos rogo me digais, quäl de vos he o meu esposo?"
(S. 370), worauf heide rufen: „sou eu!" „Dann ist es keiner!"
stammelt Alcmena. Auch Juno, die dazutritt, kann beide nicht
unterscheiden, so ähnlich sind sie (S. 371); nicht minder Cornu-
copia. Jeder der beiden Avill Alcmena gewinnen, jeder be-
schwört: „o fingido he este!" (S. 373.) Es entspinnt sich ein
Kampf; Alcmena sinkt in Junos Arme, die gerne wollte,
dass sie nicht mehr erwachte. Die Amphitruo sind gegangen,
dafür ist Mercurio aufgetreten, und so stehen sich nun zwei
Saramago gegenüber. Saramago holt einen Spiegel und be-
schaut sich in demselben:
He verdade! Eu sou aquelle;
E tambem aquelle e eu!
Esta boca he couio a delle,
0 nariz he como o seu. (S. 384.)
Die Szene der beiden Amphitruo wiederholt sich. Jeder
will Cornucopia haben, die nun glaubt, es könne wie mit
Alcmena durch eine Ohnmacht gelöst werden. Sie sinkt zu-
sammen, doch ohne Erfolg, und wird in einen Zwerg (anao) ver-
wandelt.
4. Noch immer ist Juno trostlos über ihres Gatten Untreue.
Dieser kömmt und fragt nach Alcmena. Juno hetzt ihn nun
gegen Alcmena und Amfitriäo: denn seine Ehre sei beleidigt.
Mit dem gleichen Gefühle verletzter Mannesehre kömmt Sara-
mago. Er belauscht Tiresias, der Juno als Flerida (statt
Felisarda) begrüsst und von ihr aufgefordert wird, Alcmena im
Garten zu töten. Saramago will eiligst Alcmena von dem
Mordanschlag in Kenntnis setzen, wird aber von Juno in einen
Baumstamm verwandelt, als welcher er übrigens an allem Folgen-
den Anteil nimmt. Mercurio und Cornucopia schlagen an
den Baum, der schreit. Sie gehen ab, um zu sehen, wer schrie.
Juppiter schneidet mit einem Dolche in den Baum Alcmenas
Namen, worauf dieser blutet. Der Gott merkt, dass dies Sara-
mago sei, und verwandelt ihn in seine alte Gestalt; so wird
Saramago „desarvorado" (S. 396). — Iris will ihr Verhältnis
zu Saramago benützen, um zu erfahren, wer der wahre Amphi-
truo ist, bald aber steht wieder Mercurio vor ihr und ver-
spricht ihr, sie aufzuklären.
5. Alcmena setzt sich, ihr Los betrauernd, an der Quelle
nieder. Juppiter naht mit gezogenem Degen. Kein Baum, in
den er nicht ihren Namen geschnitten ! Er sieht sie an der
Quelle eingeschlafen. Da kömmt von einer Seite Amfitriäo
mit dem Schwerte, von der andern Tiresias mit einem Dolche
160 I- Amphitruo.
Jeder will Alcmena töten; der eine ans Eifersucht, der andere,
um sein Wort einzulösen. Juppiter schützt sie, indem er mit
Amfitriäo hart aneinander gerät. Auf Alcmenas Hilferuf eilen
Mercurio, Polidaz, Juno, Cornucopia, Iris und ein Soldat
herbei. Wer ist nun der wirkliche Amfitriäo, wer Saramago?
Amfitriäo wird als der falsche erklärt und auf des Tiresias
Befehl in den Kerker geführt; Juno ahnt indes, dass die Strafe
den Unschuldigen ereile. Um Juno gefällig zu sein, möchte
Tiresias auch Alcmena im Kerker wissen: „pois näo negas,
que admittiste os dous Amfitriöes, sempre violaste a pureza do
thalamo" (S. 400). Juppiter jedoch erklärt, solches stehe nur
ihm, dem Gatten, zu. Da nun Tiresias verkündet, auch die
Republik sei beleidigt, rät Juppiter Alcmena, sie möge ge-
trost gehen und sich Juppiter anheimstellen. Auch Saramago
wird abgeführt.
6. Kerker. — Zu drei Gefangenen kömmt Saramago,
alsdann Amfitriäo, in dessen Arie (S. 415):
Sorte tyranna, estrella rigorosa
Ferd. Wolf) wohl nicht mit Unrecht da Silvas eigenes Un-
glück besungen sieht. Saramago und sein Herr suchen sich
wieder über das Vorgefallene zu verständigen, da treten Juno
und Iris verschleiert ein, um den unschuldig Eingekerkerten die
Freiheit zu geben.
7. Juppiters Tempel. — Tiresias, von Juno fortge-
setzt getrieben, will Alcmena opfern; nun glaubt Juppiter, es
sei an der Zeit einzugreifen, umsomehr als Amfitriäo mit
Saramago hereinstürzt, um, wenn niemand sie opfern wolle,
dies selbst zu thun. „Halt ein!" donnert Juppiter gegen
Tiresias. „Ich bin unvei'letzlich ! " (quanto a mim, ninguem me
pöde castigar S. 423). „Wer bist Du denn?" lautet die Frage.
Verwandlung. Das Empyreum, wie in der ersten Szene, und
die Worte (S. 424):
Sabei que Jove sou omnipotente
Que abrazado de amor da bella Alcmena
Vendo ser impossivel o alcancalla
Tomei de Amfitriäo a forma humana
erklären alles. Amfitriäo darf nicht ungehalten sein:
Pois desse passatempo que aqui tive
Hercules nascerä u. s. w.
') Le Bresil litter. S. 33. „On riait ä la representation de ses
pieces, mais il ne manquait pas de personnes qui rapportaient p. e. ili's
passages de l'Ampbitriäo aux souffrances qu'il avait endurees dans les
cachots de l'inquisition."
Jose da Silva. 161
Er ist vielmehr beglückt und ruft aus: „Oh mil vezes feliz eu
que tive a fortuna de que o mesmo Jupiter quizesse divinizar o
meu venturoso thalamo-' (S. 424), und auch Alcmena will be-
glückwünscht sein: „Esposo Amfitriäo , de-me os parahens de
tanta felicidade. " Selbst Juno erklärt sich zufrieden, und
Mercurio und Iris geben sich zu erkennen. Juppiter ge-
währt Amfitriäo einen neuen Trhimph als Sieger über die
Telebaner, da er an seiner Statt den ersten durchgemacht habe.
Der Chor (S. 426):
Que pasmo! che assombro!
Que voe täo alta
A setta do amor?
schliesst das Stück.
Da Silvas Oper — eine Art von Märchenspiel oder Zauber-
posse — zeigt , wie wenig es vom ästhetischen Stand-
punkte geraten war, vom Original abzugehen. Die
Arien und Rezitative sind mit grossem Geschick den Italienern,
zunächst Apostolo Zeno und Metastasio, nachgeahmt, die
prosaischen Szenen oft an witzigen Wortspielen reich , oft in
liebenswürdig einfacher und volkstümlicher Sprache geschrieben.
Im Ganzen genommen aber, scheint doch Ferd. Wolfs begeistertes
Lob (S. 155) etwas zu weit zu gehen, wenn auch keineswegs
geleugnet werden soll, dass da Silva eine ganze Reihe neuer
Intriguen und Verwechslungen zu schaffen gewusst hat. Da-
durch freilich, dass der mythologische Hintergrund zu-
rückgeschoben und selbst die einstige Geburt des Her-
kules nur ganz kurz angedeutet wurde, ist das Ganze
zu einem blossen Abenteuer Juppiters, des „mancebo
muito galhardo, e juvenil morador do monte Olympo", wie ihn
Juno (S. 424) nennt, herabgesunken.
Plautus gegenüber ist das Stück nicht nur um Cornucopia
(wie bei Moliere um Cleanthis) erweitert, sondern auch die
Verwechslungsszenen durch Junos und Iris' Verkleidungen noch
wesentlich vermehrt worden.
Genau zu Plautus stimmt szenisch äusserst wenig, dem
Texte nach fast nichts.
Unter den romanischen Völkern haben sich be-
sonders die Italiener für Plautus interessiert. Der Herzog
von Ferrara, Herkules L, Hess am 26. Januar 1487 den
Amphitruo1) aufführen (S. 51), der auch am 12. Februar 1491 bei
') Addi XXVI di Zenaro 1487 il Duca Hercole fece i'are in dicto
Cortile a tempo di notte la Festa di Amphitrione & di Sosia cou
11
162 I- Amphitruo.
der Hochzeit seines Solines Alfonso I. mit Anna Sforza wieder
auf die Bühne kam. ') Diese Übersetzung des Amphitruo stammt
von Pandolfo Collenuccio2) (S. 51). Sie ist betitelt: „Comedia
di Plavto | intitolata l'Amphitriona, tradotta dal la tino al
uolgare , per Pandolfo Colon1 nutio, & con ogni diligentia
corretta & nuouamente stampata" 1530, mit einer hübschen Vignette,
Plautus darstellend (in Vinegia per Nicolo d'Aristotile detto
Zoppino. 64 Fol.). Sie ist in der von Collenuccio mit besonderer
Leichtigkeit3) gehandhabten terza rima und im engsten An-
schluss an Plautus gearbeitet, z. B. Alcmenas Monolog:
Tutti i piacer che 'n questa uita s' anno,
Son poca cosa in compavatione
De fatiche infinite e molto affanno,
Nel quäl esser si trouan le persone.
u. s. w.
Das ganze Szenarium stimmt mit Plautus überein;
uno Paradiso con stelle & altre rode, che fu una bella cosa; ma non si
pote finire, perche cominciö a piovere & bisognö lasciare stare a höre V
di notte, «Sc dovea durare fino a le IX. (Script, rer. ital. Tom. XXIV.
pag. 279.)
') In meggio de la sala ghe era uno Paradiso, e dopoi dicta Festa
feceno la Comedia di Amphitrione. (Script, rer. ital. Tom. XXIV.
pag. 282.) — „Wie man sich vollends die Aufführung des plaut inischeu
Amphitruo daselbst (1491, bei Alfonsos erster Vermählung mit Anna
Sforza) zu denken habe, ob vielleicht schon mehr als Pantomime mit
Musik, denn als Drama, bleibt zweifelhaft. (Strozii poetae pag. 232 im
IV. Buche der Äolosticha des Tito Strozza.) Das Eingelegte überwog
jedenfalls das Stück selber; da sah man, von einem rauschenden Or-
chester begleitet, einen Chortanz von Jünglingen in Epheu gehüllt, iu
künstlich verschlungenen Figuren; dann erschien Apoll, schlug die Lyra
mit dem Piektrum und sang dazu ein Preislied auf das Haus Este; zu-
nächst folgte gleichsam als Intermezzo im Intermezzo eine bäurische
Genreszene oder Posse, worauf wieder die Mythologie mit Venus, Bacchus
und ihrem Gefolge die Szene in Beschlag nahm und eine Pantomime —
Paris auf dem Ida — vorging. Nun erst kam die zweite Hälfte der Fabel
des Amphitruo mit deutlicher Anspielung auf die künftige Geburt eines
Herkules aus dem Hause Este." (Burckhard-t, S. 316. 317.)
2) L' Anfitrione fu opera di Pandolfo Collenuccio da Pe-
saro che fu per qualche anno iu Ferrara, e si ha in fatti alle stampe
questa commedia da lui tradotta iu terza rima e stampata poi in Ve-
nezia.nel 1530. (Drammaturgia di Leone Allacci, diuisa iu sette iu-
dici. In Roma (Per il Mascardi 1666), pag. 28. — Argelati, Bibl. degli
volgarizzatori, Tom. m, pag. 228. IV, 357. 358. — Fontanini, Biblio-
teca dell' eloquenza ital. colle note del Zeno. Tomo I, pag. 202. — Vgl.
Tiraboschi. VI, p. 878. — Dr. E. Ruth, Geschichte der italienischen
Poesie. (Lpz. 1847.) II, 116.
3) So auch seine: Comedia Dilettosa raccolta uel vecchio testamento
miovamente ristampata, nella quäle si ragiona de Jacob et de Joseph,
composta dal MEagnifico Caualiero & Dottore, Messere Pandolpho Col-
lenutio da Pesaro ad instantia dello Illustriss. & Eccellentiss. Signor
Duca Hercole de Ferrara. Iu terza rima liistoriata. Stampata in Vi-
negia 1547 (ohne Paginierung).
Colleuuccio. Dolce. 163
nur in den Supposita waltet er freier. Mit dem Beginne des
fünften Aktes liegt Amphitruo nicht vor seinem Hause, viel-
mehr klopft er an die Thüre:
Aprite, aprite, aprite, o uui di drento,
Se non ch' io stello 1' uscio in un mornento.
Bromia erzählt die Geburt der Kinder und das Weitere
nach dem Originale. Die Rede Juppiters (bono aninio es
V. 1131) ist, um die Thaten des Herkules zu erzählen, von den
dreizehn Versen des Originales auf einhundert drei und
zwanzig ausgedehnt worden. Eigentümlich ist der Schluss.
Amphitruo erwidert Juppiter, wie bei Plautus {V. 1143,
1144); dann aber, man hat wohl anzunehmen, als Juppiter
verschwunden ist, spricht er etwas anders. Der Gott hätte ihm
seine Gnade in andrer Weise als durch den Umgang mit seiner
Frau erzeigen können, wohl ein Apart an das Publikum (Fol. 64):
Di tanta humanita, che 1' immortale
Giove m' ha usata, contento seria,
Se pur fatto m' hauesse altro signale
D' amor, che usar con la mogliera mia:
Che tal domestichezza manifesta
Non mi ua molto per la fantasia,
E a dire il uero, non me piacque in testa
Portar 1' insegna de le corna mai.
Ma pur lä sorte mia dogliosa e mesta
Portaro in pace, e gli miei affanni e guai
Ch' io non son solo eletto a tali honori
Et ho per tutto de i compagni assai.
Ma uui, presenti e chari spettatori,
Ridendo e giubilaudo fate segno,
Se la comedia piace a uostri cuori.
Dio ue conserui ne lo eterno regno.
Ohne Zweifel zählt die Bearbeitung des Collenuccio zu
den formell vollendetsten dieser Komödie.
Vollständig auf dem Amphitruo beruht,1) obwohl äusser-
ten von ihm unabhängig scheinend, die Komödie „II marito"
(der Gatte) des Lodovico Dolce (S. 57). Venedig 1545. Der
mir vorliegende Abdruck ist betitelt: „II marito. Comedia di
M. Lodovico Dolce. Di nuouo corretta e ristampata. In
Vinegia appresso Gabriel Giolito de' Ferrari. 1560. 24 Fol. —
Im Prolog setzt Dolce die Gründe auseinander, die ihn zur Be-
arbeitung dieses Stückes veranlassten:
x) Zeno in den Annotaz. zu Fontanini. Tom. I, pag. 371. —
Argelati (IV, <3G1): Questa commedia, diceilZeno, esser tolta intiera-
mente dall' Anfitrione di Plauto. — Ruth. II, 499 u. 585.
11*
\Q4: I- Amphitruo.
Poi, che '1 mondo ha cangiato aspetto, et uedesi
Ogni di uariar costumi & huomini,
E leggi, e Signorie, e linguaggi, & habiti;
Marauiglia non e, se le Comedie
Si fan diuersamente al nostro secolo,
Qual con uoci legate, e quäl con libere.
E se 1' autor, che gia ui diede il Milite
Di Plauto ; ') hora ui da quest' altra fauola
Fatta con altri uersi & altri numeri
Da 1' uso de' moderni assai dissimili.
Hör, se grato u' e ognihor ueder si uarie
Mutationi; e renouar effigie
Saria a ciascun di uoi, penso, gratissimo,
S' ei si potesse : spettatori. piacciui
Feder /' Anfitrio trasformato in Mutin.
Sehen wir nun, wie Dolce, dem als Übersetzer2) und
Dramatiker3) Bühnengewandtheit nicht fehlte, die Umgestaltung'
zu Stande brachte.
I. Akt. Die erste Szene des ersten Aktes führt uns in
die Situation ein. Mutio, der Gatte Virginias, ist nach zehn-
oder zwölfmonatlicher Abwesenheit im Kriege mit den Türken
mit seinem Diener Nespilo zurückgekehrt. Unterdessen hat be-
reits einige Monate lang Fabritio bei Virginia die Stelle ihres
Gatten vertreten. Er sieht dem abwesenden Mutio völlig ähn-
lich, und sein Diener Roscio gleicht aufs genaueste Nespilo,
sodass niemand sie unterscheiden kann (I, 1):
. . . come e simile
II mio padrone a questo Messer Mutio:
Et io del tutto m' assemiglio a Nespilo.
Non uider mai tutte le etä de gli huoruini
Aspetti piü conformi; ne miracolo
Uguale a questo.4)
') In seinem „II Capitano".
2) Vgl. S. 57.
3) Tiraboschi. VII, p. 1326 u. S. 57. -*- Allacci (p. 448) führt
von ihm fünf Lustspiele und achtzehn Tragödien auf; Riccoboni
(DI, 45) sechszehn Tragödien.
'*) Dolce findet diese Voraussetzung selbst so unwahrscheinlich,
dass er (DU, 2) nochmal darauf zurückkommt:
e tanto simile
II mio Fabritio a Mutio che fu ageuole
A lui condursi del marito in cambio
(II che pare ad udir cosa impossibile)
E goderla piu mesi in pace e in ocio:
S' aggiunge che '1 famiglio di Fabritio
E simile al famiglio di quel Mutio
Per modo tal. che non fe Michel Angelo,
Titian, e Rafael, ch' e tanto celebre,
Ritratto mai, ch' al uiuo piu assomiglisi,
Di quel, che fan tra lor.
Dolces „H Marito". 165
Der Diener Roscio hat Mutio landen sehen. ' Nespilo
tritt auf, um seiner Herrin die Ankunft ihres Gatten zu melden;
vor dem Hause jedoch jagt ihn Roscio mit Schlägen weiter und
behauptet, er sei selber Nespilo, was diesen bei der grossen
Ähnlichkeit völlig verwirrt macht. Fabritio nimmt von Virginia
Abschied, da er auf des Kaisers Geheiss zu Feld ziehen muss.
IL Akt. Nespilo berichtet seinem Herrn Mutio, dass ein
Doppelgänger ihn abhielt, seinem Befehle gemäss seiner Gattin
die Botschaft zu überbringen. Dieser schenkt seinen Worten
keinen Glauben; da tritt Virginia, über die so plötzliche Ab-
reise ihres Gatten klagend, auf. Sie erblickt Mutio, der auf sie
zueilt und sie voll Liebe umarmt; sie versichert ihm aber, dass
er soeben erst von ihr weggegangen sei und auch sonst bei ihr
gelebt habe, und dass sie gesegneten Leibes sei, was eine allge-
meine Verwirrung veranlasst.
III. Akt. Fabritio ist zurückgekehrt , um die entsetzte
Virginia zu beschwichtigen. Er erzählt ihr, er sei deshalb so
sehr aufgeregt gewesen, weil sich hier in Padua ein Nekromant ')
aufhalte, dem es möglich sei, sich in alle Gestalten, besonders in
jene von Ehemännern, zu verwandeln und die Weiber zu be-
rücken. Er geht alsdann mit Virginia ins Haus, Roscio er-
hält Auftrag, zu schliessen und niemand einzulassen.. — Emilio,
Fabritios Freund, und Celio treffen sich und unterhalten sich
über Fabritio, der nun doch, da Mutio zurückgekehrt sei, von
Virginia werde lassen müssen.
IV. Akt. Mutio kömmt zu seinem Hause zurück und
findet es verschlossen. Roscio verwehrt ihm den Eintritt, da
Mutio eben gespeist habe und mit Virginia der Ruhe pflege.
Indessen Mutio hierüber laut klagt, kömmt Nespilo, mit Giulio
über die Vorgänge im Hause seines Herrn sprechend. Mutio
zieht seinen Diener wegen seiner soeben gegen ihn bewiesenen
Unart zur Rechenschaft; doch Giulio beweist für den staunenden
Diener, dass dieser schon seit einer Stunde bei ihm sei, also hier
nicht gewesen sein könne. Auf Mutios stürmischeres Pochen
treten Fabritio und Roscio aus dem Hause. Giulio eilt ab;
denn es ist ihm unmöglich, die rechten beiden zu bestimmen.
V. Akt. Fabritio klagt, Emilio gegenüber, dass nun leider
die Stunde gekommen sei, um für immer von Virginia zu
scheiden. Wie aber soll es sich lösen? Emilio erzählt ihm
nun, dass Fra Girolamo da Pesaro, ein schlauer Mönch, es
') Über den Nekromanten dieser Zeit siehe J. Burckhardt,
Die Kultur der Renaissance. Basel 1860. S. 544. — In Cecchis „I
Sciämiti" (DI,5) wird ein Nekromant Malagigi genannt. — Ariost
schreibt eine eigene Komödie, die (1573) Jean de la Taille ins Fran-
zösische übersetzte.
166 I. Amphitruo.
auf sich genommen habe, Mutio zu beschwichtigen. Bald tritt
der Möncb mit Mutio auf. Er setzt dem staunenden Mutio
auseinander, dass ein Poltergeist — spirito folletico — , deren
es in der Luft eine Million gebe, seine Stelle vertreten habe;
das sei aber kein Teufel; denn diese könnten kein Weib be-
fruchten :
Che i Demoni non possono concipere;
0 per dir meglio ingrauidar le femine:
Perche non hanno senie: ne 1' altissimo
Permetteria, che Donna con battesimo
Ingrauidata fosse dal Dimonio.
Das wollte er ihm, wenn er gelehrte Studien hinter sich hätte
(se hauessi lettere), aus Skotus und Laktantius beweisen.
Auf Mutios kritische Frage, ob seine Frau von einem solchen
Geiste gesegneten Leibes sei:
Dunque; mia moglie e d' un Folleto grauida?
erfährt er die Antwort, sie sei es von ihm, was er zwar gerne
annehmen möchte, dennoch aber nicht glauben kann.
F. Gir. E di te stesso. ,
Mut. E di me stesso?
F. Gir. Mutio,
M' intenderai, se m' odi con patientia.
Mut. Caro 1' haurö: ma mi par impossibile.
Bruder Girolamo erwidert ihm, das komme davon, dass er
von Theologie nichts verstehe. Ein solcher spirito folletico
habe ihn eines Nachts vom Lager nach Padua im Schlafe ge-
tragen :
Cosi avien che tua moglie e di te grauida.
Mutio glaubt dies zwar nicht geradezu:
Padre, lasciamo andar si fatti termini :
Ch' io non so quel che me ne dica o credami.
Es lässt sich nicht mehr ändern; so will er Avenigstens in sein
Haus zurück.
Bruder Girolamo nimmt ihm den Eid ab, dass er das Kind
seiner Frau als das seinige anerkennen werde, und so tritt er
schliesslich anscheinend versöhnt mit seiner Gattin ins Haus ein.
Ohne Zweifel ist dieses Stück eine schamlose Karrikatur
der plautinischen Komödie, die erbärmlichste Ent-
stellung derselben. Je weiter wir uns eben von dem mytho-
logischen Hintergrunde entfernen, desto sittlich bedenklicher wird
der Stoff. Dazu kömmt noch Dole es brutale, derbe Durch-
führung, so gewandt auch die Sprache sein mag. Ein infolge
Dolces „II Marito". 167
eines schwer anzunehmenden Zufalles dem Gatten aufs Haar
gleichender Wüstling, dessen Diener jenem des Gatten nicht
minder ähnlich ist, herückt die ehrsame Ehefrau des im Kriege
weilenden Kämpfers. Das schnödeste Motiv des ganzen Stückes
ist der Umstand, dass der gewissenlose Verführer triumphiert.
Den gerechtfertigten Schmerz und die innere Folter des unglück-
lichen Mutio findet Fahritio komisch (DU, 3):
Hai uisto e inteso tutto; a pena possomi
ßitener da le risa. 0, come arrabia
II pouerin; per certo non fu fauola
Giamai si bella d' ascoltarsi, o legger
Quanto parrä a ciascun si fatta historia.
Der Beschwichtigung des bethörten Gatten durch den
namens der Religion handelnden Mönch hört Fabritio
mit seinem Freunde Emilio zu, und dieser sagt, als sie vorüber
ist, in zynischer Weise (V, 4):
Hör uedi, come il Bue lasciato ha uolgersi
Dal santo Padre.
Und nicht minder frech sind die Worte, mit welchen sich
Fabritio an die Zuschauer wendet und sie fragt, ob sich unter
ihnen nicht auch einige finden, die ein ähnliches Schicksal ruhig
erdulden :
Ne ui marauigliate: che ben trouansi
Molti tra üoi, che tal costume seguono
Senza noia o disturbo.
Gerade der Umstand, dass die Religion Mutio beruhigen
soll, dass ein Mönch, so heilig wie Girolamo (V, 1):
in tutta Padoua
Non c' e frate piu santo ne piu pratico
Ne la scrittura . . .
freilich zugleich nicht minder schlau (ibid.):
e fra Girolamo
E ghiotto, & ha a le man tutte le astutie,
Che puote hauere im frate dotto e pratico
De le cose del mondo ....
die Religion benützt, um einen so unsaubern Knoten zu
lösen, dem getäuschten Ehemann die Hölle androht, falls er
anders als versöhnlich handle (V, 2):
Che in ueritä tu ti uedresti misero
E in uita e dopo im nie,
dass er ihn schwören lässt und, wie ein echter Jesuit, sogar den
Fall der reservatio mentalis vorsieht:
168 I- Amphitruo.
cio dico; perche gli huomini
Spesse fiate con la bocca giurano,
Ma il cuor parla altramente,
dass er ihm Geld fürs St. Antoniuskloster abnimmt und ihn für
den andern Tag zur Beichte zitiert, ist das Schändlichste an der
ganzen Komödie.1) Allein Dolce gesteht ja in seinem Prologe
zum „Ragazzo" zur Charakteristik seines Auditoriums, dass, um
zu gefallen, „jedes Wort und jede Handlung unanständig sein
muss." Er schrieb also mit Berechnung für den Kitzel des
Publikums! 2)
Man vergegenwärtige sich Mutios verhängnisvolle Lage,
seinen wahren Schmerz, die Schilderung, welche (III, 3) Celio
von ihm entwirft:
io P ho veduto, e uditolo
Per istrada doler, gridar, distruggersi
D' hauer trouata la mogliera grauida:
E uuol saper chi e quel, che con 1' imagine
Sua, come mostra hauere inteso, gli liabbia
Tolto 1' honor. Tu sai come per picciolo
Sospetto i Padouani amazzar sogliono
Gli huomini e le mogliere.
wie er selbst daran denkt, sich den Tod zu geben (IV, 3):
Che tardi piu? che non t' amazzi?
und stelle dagegen den Triumph des sittlich verkommenen
Fabritio, so haben wir das Bild jener schändlichen Komödie,
die späterhin in verschiedenen Ländern Sitte wurde, und deren
!) Freilich erinnert man sich hierbei des Paters Timoteo in Ma-
chiavellis „Mandragola" und seines Einflusses auf Lucrezia, so wie
manches andern Mönches der italienischen Komödie.
2) Bekannt und öfter zitiert (Ginguene VI, 293. Kuth II, 509)
ist Dolce s Prolog zum „Ragazzo", wo er (Ausg. von 1550, S. 4) schliesst:
„Ma se forse parrä ad alcuno, che in lei (sc. commedia) si esca alcuna
uolta fuore de' termini della honesta, douerete pensare, che a uoler
bene esprimere i costumi d' hoggidi, bisognerebbe, che le
parole & gli atti interi fossero lasciuia." — Ähnlich sagt Gio.
Batt. della Porta von seiner Komödie Olimpia: Se fusse un poco vana,
o lasciuetta, iscusatela, che il hello e '1 buono non pottero mai
imparentarsi insieme (!) — • Nur ganz vereinzelt finden wir eine
Reaktion gegen diese Unsittlichkeit der Bühnendichter. So wird im
Prologe der Komödie La Balia [La | Balia | Comedia | di M. | Girolamo
Razzi. | Nuouamente stampata. \ In Fiorenza | Appresso i Givnti, | 1560.
(55 Fol.)] dieser Punkt berührt. Man macht der antiken Komödie den
Vorwurf, dass sie weniger sittliche Figuren vorführe. 0 direte uoi, fährt
Razzi weiter, si ueggiono pure nelle Comedie antiche, cosi fatti per-
sonaggi, & somiglianti azzioni. Si ueggiono; ma altrimenti, che nella
maggior parte delle moderne; nelle quali sono introdotti solamente
per dire, & fare mille sceleratezze , & non per ammaestrar gl' huomini,
e incaminargli ä uirtuosamente operare.
Dolces „II Marito". 169
Witz einzig darin lag, dass jeder ehrliche Mann dem Gelächter
der Zuschauer preisgegehen wurde, jeder Schurke als Sieger von
dannen ging.1)
Die Charaktere des Lustspieles sind nicht scharf ausgeprägt.
Dem leichtgläubigen, dummen2) Mutio, der seine Gattin über
alles lieht,3) dem es aber an persönlichem Mut zur rechten Zeit
gehricht,4) steht die keusche,5) überaus schöne6) Virginia zur
Seite, das unschuldige Spielzeug7) Fahritios.
Ein Anlauf zu etwas Charakterdarstellung ist im ersten
Akte an der Figur des feigen8) Nespilo gemacht worden, wo
dieser über die Fürsten als die Anstifter der Kriege schmäht und
seiner Philosophie vom ewigen Frieden Worte verleiht;9) aher es
ist nur ein Anlauf, eine Reminiszenz des vom Kriege heim-
kehrenden plautinischen Sosia, der über Herren und Knechte
philosophiert.
Hat nun Dolce so das Stück wesentlich geändert und aus
dem mythologischen Faktum der plautinischen Komödie ein ah-
*) Über die grenzenlose Unsittlichkeit der damaligen italienischen
Bühne siehe bei Kuth II, 505—515.
2) , Questo Mutio
E sciocco, & ama la consorte. Facile
Cosa sarä, ch' ogni nouella e frottola
Del frate creda come il Credo: massima
Mente c' ha in lui deuotion plenaria,
Come dimostra hauerla.
3) Er nennt seine Frau (IV, 1):
Mutio, la moglie tua, la tua Virginia;
Ch' era il tuo bene, il tuo cuor, la tua anima.
4) HI, 4. Mutio,
Ancor ch' ei sia soldato e nato in Padoua,
E . . . piu sciocco e timido
Che non fu '1 Calandrin di Gian Boccaccio.
5) I, 4. s' io credessimi,
Signor mio caro, ch' in uoi qualche dubbio
Fosse de la mia fe, ch' e chiara e lucida,
Hora io farei quel che gia fe Lucretia.
6) III. 4. Virginia e bella . . .
7) L' innocentia
Difenda Dio di questa bella giouane:
Che, s' ha meco peccato in adulterio
Col corpo suo, non peccö gia con 1' animo.
Giacer credendo col marito proprio.
8) I, 2. Non e huom piu timido
Di questo sciocco.
,J) I, 2. Maledetti sian 1' armi, i Duchi, e i Prencipi.
Che '1 mondo spesso sottosopra uolgono.
0 che uiuer saria dolce e pacirico,
Se ognun si stesse nel suo stato a godersi
Cio che possede; e non cei*casse togliere
Quel che e d1 altrui, spingendo a morte gli huoniini.
170 I- Amphitruo.
scheuliches Gemälde sittlichen Verfalls gemacht,1) so sind doch
der direkten Anklänge an Plautus zu viele, um einen kurzen
Vergleich mit dem Originale gänzlich ahzuweisen. Inshesondere
die ersten Akte sind, wie schon die Inhaltsangabe zeigte, auf
Plautus aufgebaut, oft mit wörtlicher Benutzung des Originales.
So z. B. Merkurs Bramarbasieren.
V. 302. Agite pugni: iam diust quom uentri uictum non datis.
Iam pridem uidetur factum, heri quod homines quattuor
In soporem conlocastis nudos.
I, 2. 0 pugna mie durissime
Piu che dianiante; perche state a cintola?
Parui egli si gran tempo che a quattr' huomini
La terza notte uoi faceste correre
La ceruella in sugli ochi?
V. 306. Quattuor uiros sopori se dedisse hie autumat:
Metuo ne nunierum augeam illum.
I, 2. Ei dice eh' a quattr' huomini
Ha spezzato la testa. Io resto in dubbio
Che me ne faccia il quinto e aecresca il numero.
V. 343. Merc. Seruosne es an über?
Sos. Utquomque animo conlubitumst meo.
I, 2. Io son quello che mi piace d' essere . . .
Sei famiglio o huomo libero?
V. 389. Merc. Immo indutiae parumper fiant, siquid uis loqui.
Sos. Non loquar nisi pace facta.
Merc. Die, siquid uis: non nocebo.
Sos. Tuae fide credo?
Merc. Meae.
I, 2. Rose. Tregua facciasi
Fin che tu parli.
Nesp. Pace io chieggio, domine,
Altrimenti io non parlo.
Rose. Paria che licentia
Ti do di dir, senza ch' io t' habbia a offendere.
Nesp. Io credo a la tua fede.
Rose. Le poi credere.
V. 394. Amphitruonis ego sunt seruos Sosia.
I, 2. Nespilo io sono, e seruitor di Mutio.
V. 402. Hie homo sanus non est.
I, 2. Infine, tu sei pazzo.
V. 403. Sos. Quod mihi praedicas uitium, id tibist.
Quid, nialum, non suni ego seruos Amphitruonis Sosia?
Nonne hac noctu nostra nauis huc ex portu Persico
Venit . . .
Nonne ego nunc sto ante aedis nostras?
') Vgl. Ginguenes Urteil über die Komödie VI, 291. „L'exacte
ressemblance de Jupiter avec l'epoux d'Alcmene et de Mercure avec
Sosie, etant l'effet d'un pouvoir surnaturel, est mythologique-
raent vraisemblable : celle de deux bourgeois italiens et de leurs deux
valets, si entiere que toute une ville s'y meprend, et qu'une femme
honnete, mais sensible, y est trompee de jour et de nuit, est hors de
toute vraisemblance."
u. s. w.
Dolces „II Marito". m
Non loquor . . .
Quid igitur ego dubito? aut quor non intro eo in nostram
m n . . domum?
Merc. Omma ementitu 's: equidem sum Amphitruonis Sosia
I, 2. Nesp. , Questo uitio
E tuo. Hör non son' io seruo di Mutio?
Non son uenuto io seco di Vinegia? non e
Questa la casa nostra? . . .
io pur parlo . . .
. . . perche rimango adunque e dubito
D' entrar in casa?
C' n,, • • • •Non Pessar d' entraruici,
Lh ella e mia casa: mio padrone e Mutio:
Io Nespilo suo seruo . . .
So der Beginn des zweiten Aktes:
V. 551. Am. Age i tu secundum.
S°s- Sequor, supsequor te.
Am. Scelestissunmni te arbitror.
^os- Nam quaniobrem?
Am. Quia ld quod neque est neque fuit neque futurumst
Mini praedicas . . .
Am. . . . iam quidem hercle ego tibi istam
Scelestam, scelus, linguam, apscidam.
Sos- „ . J Tuus sum
froinde ut commodumst et lubet, quicque facias.
Tarnen quin loquar baec uti facta sunt hie,
Nunquam ullo modo me potes deterrere.
Am. Scelestissume, audes mihi praedicare id,
Domi te esse nunc, qui bic ades.
os' Vera dico u. s. w.
II, 1. Mut. Camina pur.
flesf- Camino.
Mut. Temerario !
Nesp. Percbe mi dite temerario?
Mut- . . Bestia,
Ardisci tu di raecontarmi fauole
Mai non piu intese al mondo & impossibili?
se tu non taci, Asino, cauoti
Quella linguaccia.
Nesp. Uoi padron potetemi
Amazzar, se uolete: ma il contrario
Non diro mai s' ho detto il uer.
*■**■ Tristissimo,
Ancor uai repheando; e affermi d' essere
Ne la mia casa: e tuttauolta ueggoti
Su questa strada inanzi gli occhi propra?
Nesp. S' io dico uer . . .
Ganz ähnlich ist auch Virginias Monolog (II, 2) dem der
Alcumena (V. 633):
Satin parua res est uoluptatum in uita atque in aetate a°-unda
rraequam quod molestumst? . . .
Nam ego id nunc experior domo atque ipsa de me scio . . .
] 72 I- Amphitruo.
Certo tutti i diletti, che si godono
Nel mondo, a paragon le molestie
Si ponno addimandar pochi e breuissimi.
In me ueggo 1' esempio, e sento e prouolo . . .
Alcumena glaubt, als sie ihren Gatten wieder sieht, er
wolle ihre Liebe prüfen:
( V. 661.) An ille me temptat sciens
Atque id se uolt experiri, suum abituni ut desiderem?
ebenso Virginia (LI, 2):
Forse uole ispiar, s' io mi ramarico
De la partita sua.
Solcher Reminiszenzen ergeben sich im Stücke noch viele, z. B.
( V. 1031.) Merc. Prodigum te fuisse oportet olim in adulescentia.
Am. Quidum?
Merc. Quia senecta in aetate a me mendicas malum.
Io uoglio creder che sii stato prodigo
Quand' eri giouanetto: c' hör limosina
Cerchi da me di pugna e calci.
Sie beweisen, wie sehr Dolce stets sein Original vor Augen
schwebte: was zugleich den Unterschied jener so oft ge-
rühmten klassischen Unbefangenheit gegenüber dem
beabsichtigten Kitzel späterer Zeiten — Natur und
Raffiniertheit — in ihren Gegensätzen deutlich zu er-
kennen giebt.
Wieder auf den Amphitruo, doch in gar eigentümlicher
Form, griff Luigi Groto Cieco di Hadria (1541 — 1585) zu-
rück in seinem Pastoraldrama La Calisto.1) einem höchst lasziven
Werke, das seit 1561 gespielt und in umgearbeiteter Form am
24. Februar 1582 aufgeführt wurde. Die Grundidee ist aus den
Metamorphosen Ovids (II, 400 sqq.), die Inszenierung aber nach
dem Amphitruo.
Juppiter, von Liebe zu Kailist o brennend, nimmt die
Gestalt Dianas an, Mercurius jene der Isse, jener Nymphe,
welche Diana nach Kallisto am meisten liebt. Mercurius hat
zu wachen, damit die Dazwischenkunft Dianas oder Junos
Juppiter nicht überrasche. Mercurius benutzt gleichfalls
seine Maske, um die Nymphe Seluaggia zu überlisten. Es
folgen dann dieselben Verwechslungen, wie im Amphitruo, und
') La Calisto, nuoua fauola pastorale di Luigi Groto Cieco di
Hadria. Nuouamente stampata. In Venetia (appresso Fabio e Agostin
Zoppini Fratelli) 1583. — Eine Pastorale „Jupiter et Calisto" (1770)
schrieb auch der Abbe Yoisenon. (Oeuvres complettes. Paris 1781.
IH. Band. S. 97—113.)
Groto Cieco. Pariati. 173
Missverständnisse aller Art, da Apollo als Schäfer der Nymphe
Isse seine Gefühle ausdrücken will und hald diese bald Mer-
curius in ihrer Gestalt vor sich hat. Endlich entdecken sich die
drei Götter vor einander, nnd das Schäferspiel endet zu allge-
meiner Zufriedenheit. Die Nymphen können zwar nicht mehr
als solche Dianen dienen; sie erhalten jede einen ihrer früheren
Verehrer (Siluio und Gemulo), die trotz dessen, was vorging,
überglücklich sind, ähnlich Amphitruo, der sein Gut mit dem
Gotte teilte.1)
An Seltsamkeiten ist hier vieles zusammengetragen. Die
Szene ist in „Parrasia, che si chiamo poi Arcadia''. Schon
der Prolog weist auf Plautus hin:
Qui parleran gli Dei, come giä in Plauto.
Am Schlüsse des ersten Aktes singen die drei Grazien, am
Schlüsse des zweiten vier Schwäne, am Schlüsse des dritten alle
Bäume, am Schlüsse des vierten die Wolken. Am Ende (V, 3)
löst Juppiter gewaltsam die Verwirrung, wie im Amphitruo:
Horsü Diana per trarti di dubbio,
Io son Gioue tuo -paare, <$• e Mercurio
Quesli . . .
La cagion del uenir nostro in Parrasia
Fu 1' anior verso due de le tue uergiui,
Ver Calisto, e Seluaggia. A queste pouere
Ninfe ingannate dal uiso, e da 1' habito,
Indi da noi con forte uiolentia
Sforzate, da perdon. Verso lor placati,
Poich' eile non ne ban colpa, anzi ramarico.
Hin und wieder findet sich noch in der italienischen Litteratur
ein Spiel von der Geburt des Herkules, wie z. B. das von
Riccoboni (I, 160) angeführte „II Natale d'Ercole" (1605)
des Michel Angelo Buonarroti, il giovine (geb. 1563), 2) des
Neffen des grossen Meisters. Eine spätere Bearbeitung des Amphi-
truo von Pariati (geb. 1665 in Reggio; gest. 1733 in Wien
als „kaiserlicher Kammerdichter") erwähnt Vapereau.3) Es ist.
dies wohl nur ein Operntext, wie seine übrigen „tragicommedie
per musica".
') Ginguene. VI. 363. — Ruth. DZ, 615.
2) Nach Allacci (S. 223): II Natal d' Ercole di Michelagnolo
Buonaroti. Fauola rappresentata al Serenissimo D. Alfonso <r Este
nella venuta sua ä Firenze. In Firenze nella stamperia de' Giunti.
1605. 4°. — Vgl. Pro 1 ss. I, 2. 190; Crescimbeni, Ist. della volg-. poes.
IV, 154.
3) Vapereau, Diotionnaire universcl des Ktteratures. Tom. I,
pag. 83. „Amphitryon, comedie de Piaute, imitee sous le meme
titre par Moliere, Dryden et Pariati." — Es ist der bei G. Maffei,
174 I- Amphitruo.
An Übersetzungen nennt Argelati1) jene von P. Don
Mauro Sellori, anagrammatisch Romolo dal Seri, (Roma,
Orazio Campana 1702) und zwei Manuskripte, deren eines von
Mons. Niccolö Fortiguerra. Eine andere Übersetzung stammt
von Pietro Piareta.2) Eine Oper „ Anfitrione", Musik von
Gasparini Francesco, wurde nach Clement3) zu Rom im
Jahre 1707 aufgeführt.
In Frankreich war der Amphitruo des Plautus seit
dem Jahre 1500 durch die Übersetzung von Jean Meschinot
(f 1509) 4) in seinen poesies diverses (Brug. 4) bekannt.
Charles Feau (geb. 1605 zu Marseille) griff in seinem Lust-
spiele, „Brusquet I. Busquet II," zu einigen Szenen des
Amphitruo5) (um 1634.) Im Jahre 1638 erschien die erste
vollständige Bearbeitung des Amphitruo für die französische
Bühne von Jean Rotrou (S. 67) unter dem Titel „les
Sosies." 6)
In der Reihe der Szenen, im Dialoge, kurz durchweg
folgt Rotrou fast wörtlich dem Plautus; nur einige Zu-
thaten sind von ihm, so der etwas steife Prolog der Juno, in
storia della letteratura italiana (Milano 1825) III, 163 genannte „Pietro
Pariati, poeta di mediocrissimo merito". Er war einer der Gelegen-
heitsdichter am kaiserlichen Hofe zu Wien, wo sein „Creso" (1723)
und München, wo seine „la pubblica felicitä" (1722) erschien. Die 1752
in Leipzig und Frankfurt erschienenen „Sechs Lustspiele nach dem
neuesten Geschmack" enthalten als No 6 „Archelaus von Kappadozien
aus dem Italienischen des Pariati". — Sein Amphitruo war mir
nicht zugänglich. Auch Dr. Marcus Landau, der in seinem Buche
„Die italienische Litteratur am österreichischen Hofe" (Wien, Gerold 1879)
auf S. 44 — 47 von Pariati handelt, nennt seinen Amphitruo nicht.
') S. 230. 231.
2) Fabritius (Bibliothec. lat. medii aevi) I, 6. — E. Sommer, Les
Comedies de Piaute. I. Bd. S. 4.
3) Dictionnaire lyrique ou histoire des operas par Felix Clement
et Pierre Larousse. Paris. Seite 40.
4) Nach Sulz er HI, 192 & und LH, 704 b. Eine spätere Übersetzung
von 1761 ist von Girauld.
5) Siehe Beauchamps, Recherches n, 137. Comedie imitee du
Sosie de Piaute, & tiree de l'eloge de Strozzi de Brantome vers 1634.
Das Stück hatte einen kolossalen Erfolg nach den Mitteilungen des
P. Bougerel. — Über Brusquet s. Oeuvres completes de Pierre de
Bourdeilles, abbe et seigneur de Branthöme ed. Prosper Merimee
et Louis Lacour. Paris 1858. Zweiter Band. S. 246 — 292.
6) Die Jahreszahl 1638 trägt das „les Sosies" titulierte Exemplar.
Paris (chez Antonie de Sommaville, au Palais, dans la galerie des
Merciers ä l'Escu de France). Ebenso (aber les deux Sosies) bei Mo-
land V, 9 und Ussing I, 231. — • Dagegen 1636 iu der Ausgabe von
Th. Desoer. Paris 1820. III, 352—456.
Jean de Rotrou. 175
welchem sie ihrer glühenden Eifersucht Luft macht und ihrem
Gatten in Herkules einen gefährlichen Nebenbuhler prophezeit.
Lui-meme contre lui servira ma colere.
Der erste Akt stimmt Szene für Szene mit dem Originale
überein. Merkur hält vor dem Hause, als Sosia, in der dreifach
langen Nacht Wache und jagt den verwirrten Sosia von dannen.
Juppiter trennt sich von Alkmene. Ebenso ist der zweite
Akt mit Plautus übereinstimmend; die thessala ancilla heisst
hier Cephalie. In den dritten Akt ist als sechste Szene ein
Gespräch Merkurs mit Cephalie eingeflochten. Der vierte
Akt führt zum Streite Amphitryons mit Merkur. Sosia
kömmt mit den Hauptleuten, die er auf Juppiter s Geheiss zum
Mahle geladen hat. Er behauptet Amphitruo gegenüber, da
ihn dieser zur Rede stellt, dass er ja selbst so befohlen habe,
worüber dieser in heftigen Zorn gerät. Unterdessen tritt Juppiter
aus dem Hause und begrüsst die Hauptleute. Beide Amphitryonen
stehen sich gegenüber und berichten in sehr gelungenen Er-
zählungen (IV, 4) von ihren Heldenthaten. Die Hauptleute ver-
mögen nicht, den richtigen zu unterscheiden, sie folgen aber
Juppiter, da der erste meint (IV, 4):
L'avis oü je m'arrete
Est de suivre celui chez qui la table est prete;
und der zweite:
Point, point d'Amphitryon, oü Ton ne dine point.
Amphitryon wird aus seinem Hause hinausgesperrt.
Im fünften Akte prügelt Merkur Sosia aus dem Hause,
weil er sich in die Küche gewagt hatte. Diese schmähliche Be-
handlung veranlasst ihn, sich in einem längeren Monologe für
seinen Herrn, den wirklichen Amphitryon, zu entscheiden. Mit
dem heroischen Entschlüsse (V, 1):
Cherchous le malheureux et suivons sa fortune,
Compaguon de son sort partageons son souci;
S'il perit, perissons, s'il vit, vivons aussi.
geht er, ihn zu suchen. Juppiter nimmt von Alkmene Ab-
schied, um zum Könige Kreon zu gehen. Ahnungsvoll sagt ei-
serner Gattin , dass ihr künftiger Sohn einmal für ein Kind
Juppiters gelten könne (V, 2):
Adieu, conserve-toi pour ce fruit precieux
Qui va aaitre ä la terre ä la honte des cieux,
Et dont j'osois predire et non sans conuoissance,
Que Jupin sera cru l'auteur de sa uaissance.
176 I- Amphitruo.
Indessen die drei zurückgebliebenen Hauptleute über das
Wunder der beiden Amphitryonen sprechen, naht Amphitryon
mit Sosia und den Wachen des Königs Kreon, um gewaltsam
in das Haus zu dringen. Ein mächtiger Donnerschlag schleudert
sie zu Boden. Cephalie tritt aus dem Innern des Hauses und
berichtet, wie Alkmene schmerzlos zwei Knaben geboren habe.
Unter wiederholtem Donner öffnet sich der Himmel, Juppiter
klärt alles auf. Amphitryon, der anfangs noch sehr wenig er-
baut schien und (V, 5) äusserte:
Je plaindrois mon homieur d'un affront glorieux,
D'avoir eu pour rival le monarque des Dieux!
Ma couche est partage, Alcmene est infidele,
Mais l'affront en est doux, et la honte en est belle.
L'outrage est obligeant ; le rang du suborneur
Avecque mon injure accorde mon honneur.
fügt sich trotz des bedenklichen Wortes (V, 6):
Alcmene . . .
Peut entre ses honneurs conter un adult'ere ;
Son crime la releve, il accroit son renom . . .
wobei „adultere" und „crime"' spitzig genug klingen; auch der
erste Hauptmann sagt ihm:
Vous partagez des biens avecque Jupiter.
Nur Sosia meint, wohl im Einklang mit dem Zuschauer, :
Cet honneur, ce me semble, est un triste avantage :
On appelle cela lui sucrer le breuvage.
Wie schon die Inhaltsangabe zeigt, hat Rotrou Plautus
vollständig kopiert. Man könnte den lateinischen und franzö-
sischen Text neben einander stellen; der letztere ist nur eine
poetische Übertragung des Originals. Selten, dass er eine
etwas zu derbe Stelle des Urtextes (z. B. V. 666 ff.) unterdrückt
oder einige Worte des Dialogs halber einflickt. Stets schliesst er
sich aufs engste an Plautus an, selbst in minder verständlichen
Ausdrücken, wie z. B. (I, 3):
Toi qui portes Vulcain en cette corne esclave . . .
nach 7. 341:
Tu, qui Volcanum in cornu conclusum geris.
mit Hinweis auf die Hornlampe, welche Sosia trägt.1)
') Diese Hornlampe, die wohl auch Aulularia III, 6 unter la-
terna Punica gemeint ist (vgl. Rapp, Die plaut. Lustsp., S. 875), gehörte
Jean de Rotrou. 177
Freier waltet Rotrou da, wo die Lücke des Originals ihm
das Recht zu völlig selbständiger Arbeit einräumte, in den ein-
leitenden Worten Junos und, wo er einige Zwischenreden Mer-
kurs, wie die Einführung in die erste Szene, die vierte
Szene des ersten Aktes u. a. m., wesentlich zusammenzog und
ans dem erläuternden Prologe des plautinischen Merkur zum
grossen Teile bühnengerechte Monologe machte. So ist es
Rotrou gelungen, ein ganz vortreffliches Bühnenstück moderner
Gestaltung zu schaffen, das mit grossem Beifälle aufgenommen
wurde.1)
Amphitryon hielt sich auf der Bühne und vorzüglich als
Ballet. Im Jahre 1(350, kurz vor seinem Tode,-) setzte Rotrou
selbst ein grossartiges Maschinenstück „laNaissance d'Hercule"
für das Maraistheater in Szene, dessen Beschreibung sich bei
Rene Baudry3) findet, und in welchem, dem Originale zuwider,
einige Erweiterungen der Handlung vorkommen. Im vierten
Akt macht Juno Lärm unter den Unsterblichen, und im fünften
kömmt, statt der mythologischen zAvei Schlangen, ein ganzer
Schwärm gegen das Kind Herkules, dem Juppiter seinen
Adler zu Hilfe schickt, um die Schlangen zu vernichten. Man
sieht die Absicht, zunächst Maschinen zu verwenden.
Am 23. Februar 1653 wurde das grossartige „Ballet de
la Nuit" von Benserade,4) in Szene gesetzt von Torelli,
vor dem Hofe zur Feier des glücklichen Feldzuges von 1652
aufgeführt. In diesem findet sich die Pantomime (comedie
muette) des „Amphitryon" als sechste ., entree" der zweiten
„veille".
M. Hesselin als Juppiter leitete das Ballet mit folgenden
bezeichnenden Versen ein:
zu den unentbehrlichen Requisiten der Amphitryonenauf'führungen. Iü
der Bibliotheque nationale zu Paris findet sich (Man. Fol. 24, 330) ein
Register mit dem Titel: „Memoire de. plusieurs decorations qui servent
aux pieces contenues en ce present livre, comence par Laurent Ma-
helot et continue par Michel Laurent en l'annee 1673. Dort finden
sich als Requisiten zu (Molieres) Amphitryon: „Le theätre est une
place de ville. II laut im balcon, dessous une porte; pour le prologue,
une machine pour Mercure, un char pour la Nuit. Au troisieme acte,
Mercure s'en retourne et Jupiter sur son char. II faut une lanterne
sourde, une hatte." S. Despois, le theätre francais sous Louis XIY.
(Paris 1874), pag. 414.
') Lotheissen. H, 184.
-) Guizot (Corneille et son temps), pag. 373. On a aussi le des-
sein du poeme de la grande piece de machine de la „Naissance d'Her-
cule", deruier mivrii^e de M. Botroii, represcnte sur le theätre du Marais
et imprime eu 1649. C'est probablement un ballet d'Amphitryon.
i Bioland. V, 9.
4) Moland. V. 10.11. Siehe Fournel, Les Contemporains de ftfo-
liere. Bd. II. S. 353—406. Vgl. auch ebenda S. 219. 281.
12
178 I- Amphitruo.
Daus le ciel oü je suis, regne une paix profonde;
La donnant ä nies sens ce qu'ils veulent d'abord,
Sans trop m'inquieter des affaires du monde,
J'en laisse la conduite au sort.
Assez commodenient, de crainte qu'il m'ennuie.
Je prends les passetenips les plus delicieux
Et pour mes Danaes j'ay toujours de la pluie,
Ce que n'ont pas les autres dieux.
Je gouste le nectar bien mieux qu'ils ne le goustent,
Et, plaignant les mortels qui s'attachent au bien,
Quand ce n'est que de l'or que mes plaisirs me coustent.
Mes plaisirs ne nie coustent rien.
Je scais vivre ä ma mode, et rien ne m'importune ;
A tout ce que je veux, on ne dit jamais non,
Et sgavez-vous quelle est ma meilleure fortune?
C'est que je n'ay point de Junon.
Personne dans mon ciel ne me cliante ma gamme,
De foudre et de tonnere il ne m'en faut point lä;
Mais si je m'avisois d'epouser une femme,
J'aurai bientost de tout cela.
Konnte man Ludwig1 XIV. greifbarer zeichnen?
Über die weiteren Personen des Ballets führt Fournel1)
an: Outre Jupiter, Alcmene et Bromia, dont les costumes n'ont
rien de particulier, le dessinateur a reproduit ici Amphitryon
avec la physiognomie et l'habit d'un Sganarelle, ptiis So sie en
casaque de valet, semee de plaques rondes de diverses couleurs.
On voit aussi le docteur, ealque sur le type de la comedie
italienne.
Die Pantomime hat vier Akte. Der erste behandelt den
Abschied Amphitruos, der mit seinem Diener Sosia abreist.
Der zweite Akt erinnert vollständig an Camöes. Hier klagt
Juppiter dem Merkur seine Liebe zu Alkmene und erhält
von ihm den Rat, sich in Amphitryqns Gestalt zu verwandeln.
Alles Übrige ist nach Plautus gearbeitet. Verwickelung und
Lösung ist in den vierten Akt gelegt.
Diese Amphitryon ballets wurden im achtzehnten Jahr-
hundert ziemlich häufig. So findet sich z. B. Amphitryon,
hallet hero-comique en trois actes en vers libres par M. (Venard)
de la J(onchere);2) früher schon wurde ein Ballet Amphitrion
im Jahre 1680 aufgeführt.3) Oft auch sind es Vaudevilles
gewoi-den, wie der Amphitryon, parodie de piece en musique
en trois actes avec prologue en pantomime et couplets de vaude-
') A. a. 0. S. 382, Amn.
2) Im ersten Bande S. 179—228 des Tlieätre lyrique de M. de
la J. in 8°. Paris, veuve Duchesne, Jombert fils.
3) Beauchamps, Kecherches HE, 82. „Amphitrion avec des
entrees de ballet. Composees par le sieur Beauchamp, & des recits
chantes par les demoiselles de S. Christophe, Reber & les sieurs
Morel et Lange ais, represente ä l'hötel de Condö . . .
Molieres Amphitryon. 179
villes par M. Raguenet: dargestellt auf dem Theater von Lille
am 11. Januar 1713 11) oder der ungedruckte Amphitryon, ou
les deux arlequins piece en trois actes., tonte en vaudeville par
l'abbe Pellegrini, dargestellt von der „troupe de Pellegrini" ä
la foire Saint-Germain den 3. Februar 1714.2)
Rotrous „les Sosies" waren, ob sie auch noch „dem
Plautus in höchst mechanischer Weise nachgedichtet" 3) waren,
ein gerne gesehenes Stück, bis sie durch Molieres (S. 67)
Meisterwerk von der Bühne verdrängt wurden. Am 13. Januar
16684) kam die Neubearbeitung Molieres „Amphitryon" auf
die Bretter und wurde neun und zwanzigmal nach einander auf-
geführt.5) Mit Molieres Bearbeitung war der Amphitruo
ein Stück für die ganze Welt geworden. Über das Ver-
hältnis Molieres zu Plautus kann man sich kürzer fassen,
da es vielfach schon Gegenstand eingehender Erörterung ge-
worden ist.6)
Molieres Lustspiel umfasst drei Akte.7) Mercure und
die Nacht führen den Zuschauer in die Situation ein. So sie
tritt auf, um seiner Herrin Alcmene Kunde von ihrem Gatten
zu bringen; er wird jedoch von Mercure mit Schlägen fern-
gehalten. Juppiter nimmt von Alcmene Abschied. Den Schluss
des Aktes bildet die Begegnung Mercures mit Cleanthis, einer
Gesellschafterin Alcmenes, die an So sie verheiratet ist. Sie hält
Mercure für ihren Gatten und ist über seine Kälte stark erzürnt.
Mit dem Beginne des zweiten Aktes erzählt So sie seinem
Herrn Amphitryon, was er erleben musste. Dieser ist sehr
zornig über den Bericht, dem er keinen Glauben beimisst. Noch
während er den Sklaven schilt, naht Alcmene. Die beiden
Gatten können sich nicht verständigen und scheiden aufgebracht
von einander. Dieselbe gelungene Szene wiederholt sich zwischen
So sie und Cleanthis, welche ihrem Manne in der gleichen
Weise sein voriges Benehmen und die kalte Begrüssung bei
') Gedruckt in 12° zu 23 Seiten ohne Angabe des Druckorts.
2) S. für alles die Nachweise im Dictionnaire universel du
Theätre en France von Gaizet uud Burtal. Erster Teil. S. 141.
3) Mahrenholtz. S. 65.
■i Irrtümlich ist der 16. Januar genannt in C. Humbert, Ge-
schichte des Tartüffe in „Zeitschrift für neufz. Sprache" 1881. JJJ, 1. 56.
5) Moland V, 16.
Vgl /.. B. Rapp, Die plant. Lustspiele. VI, pag. 810—816.
Mahrenholtz, in Herrigs Archiv, ">i>. Bd., S. 250 ff. — Mahren-
holtz, S. 225-230 u. 351—355. - - Moliere, Sein Leben und seine
Werke von F. Lotheissen. Pkf. ;i M.
7) Der erste Druck von 166s bei Ribou. — Ausgabe von Moland
1864, s. S.116, Anm.5 — Oeuvres de Moliere, uouvelle edition par Eugene
Despois et Paul Mesnard. Paris (Hachette) 1881. Sechster Band.
S. 309—172.
12*
1 80 I. Amphitruo.
seiner Ankunft vorwirft. Juppiter gelingt es indessen, Alc-
mene wieder zu versöhnen, während Cl6"antliis bei So sie
weniger Erfolg hat. Er . will sich nicht beschwichtigen lassen,
vielmehr ruft er (II, 7):
Je veux etre ä raon tour en colere.
Im dritten Akte hält Mercure den Amphitryon in
grober Weise von seinem Hause ferne, indem er ihm wiederholt
die Versicherung giebt, Amphitryon sei bereits drinnen bei
Alcmene. Unterdessen hat Sosie auf Juppiters Befehl die
Offiziere des Heeres eingeladen, von denen zwei — Naucrates
und Polida s — eben recht kommen, um Sosie vor dem gegen
ihn Avütenden Amphitryon zu schützen. Juppiter tritt aus
dem Hause und steht so Amphitryon gegenüber. Die Offiziere
gehen mit Juppiter zur Tafel, Amphitryon eilt ab, um seine
Freunde zu versammeln. Eine Szene zwischen Mercure und
Sosie giebt ihm hierzu Gelegenheit. Alsbald kömmt er mit
Offizieren des Heeres — Argatiphantidas und P au siel es —
zurück. Cleanthis, die aus dem Hause tritt, sieht zu ihrem
Entsetzen vor sich ihren Herrn, den sie soeben erst innen sah.
Endlich giebt sich Mercure zu erkennen, worauf auch Juppiter
aus seiner Verwandlung tritt und die Geburt eines „Hercule"
in Aussicht stellt.
Die Worte, die Juppiter gebraucht (IH, 11):
Un partage avec Jupiter
N'a rien qui deslionore;
Et, sans doute, il ne peut etre que glorieux
De se voir le rival du souverain des dieux,
sind eigentlich dasselbe, was Mercure dem Sosie als Trost für
seine ausgestandenen Prügel sagt (III, 10):
Et les coups de bäton d'un dieu
Font honneur a qui les endure.
Der ganze Vorgang verdient die witzige Bemerkung des
Sosie, die sprichwörtlich geworden ist und fast bei allen Zeit-
genossen Moli er es wiederkehrt:
Le seigneur Jupiter sail dorer la pilule
und sein Schlusswort :
Sur telles affaires toujours
Le meilleur est de ne rien dire.
Hat Moliere auch das Sujet des Plautus benützt, so hat er
dabei doch etwas völlig Modernes geschaffen. Vielfach hat man
(z. B. Paul Lindau) in Juppiter den König Ludwig XIV., in
Molieres Amphitryon. 181
Alcmene die Madame de Montespan und im Amphitryon
ihren Gatten sehen wollen,1) wogegen allerdings die letzte Szene
zu sprechen scheint.2)
Bei der Modernisierung des alten Stoffes ist Moliere mit
aller ihm eigenen Feinheit und Bühnenkenntnis zu
Werke gegangen und hat so ein reizendes Stück geschaffen.3)
Sein Juppiter ist der galante, feine Franzose, der Mann seines
Zeitalters, so zwar, dass er sich den Tod gehen wollte, gelänge es
ihm nicht, Alcmene umzustimmen (II, 6):
He bien! puisque vous le voulez,
II faut donc me charsrer du crime.
S'il n'est point de pardon que je doive esperer, ■
Cette epee aussitöt, par un coup favorable,
Va percer ä vos yeux le coeur d'un miserable.
Einige Zwischenreden des plautinischen Merkur mussten ge-
kürzt werden, andere Szenen erforderten eine Erweiterung; an
Stelle des Bechers des Pterelas erschienen hier:
Cinq fort gros diamants en nceud proprement mis,
Dont leur chef se paroit, comme d'un rare ouvrage.
(I, 2; II, 1.)
Jedenfalls eine der glücklichsten Ideen Molieres
war es, auch dem Sosie eine Frau in Cleanthis zu
geben, ein Punkt, um den auch Shakespeare in seinem „Comedy
of Errors" die plautinischen Menaechmi erweiterte. Zweifel-
haft mag es allerdings bleiben, ob wie, Rapp4) und Auger5)
vermuten, hierzu der Vers des Plautus (F. 659):
Quid? me non rere expectatum amicae uenturum meae?
dem Dichter Veranlassung gab. Sollte einem so bühnengewandten
Lustspieldichter wie Moliere nicht vor Augen geschwebt haben,
wie drastisch das Verhältnis des Dieners Sosie zu seinem Weibe
1) Roederer, Memoires pour servir ä l'histoire de la societe polie
en France. 1835. (Cap. XXII.) — Moland, Bd. I, pag. 202. Diese An-
nahme hat sogar ein neueres, hübsches Lustspiel veranlasst, „Moliere
• t .Montespan", comedie en un acte et en vers von Frangois Fabie,
am 15. Januar 1879 aufgeführt. Der Marquis de Montespan will
Moliere prügeln, weil er seine Gemahlin biossgestellt habe. (Vgl.
Molieriste. DJ, 371. 372.)
2) Moland. V, 123, Anm. 1. — Gerusez, Histoire de la litt, frang.,
pag. 338. — Mah renholt z. S. 226. 227. — Ausg. von Despois. S. 316
—326. — Lotheissen. IV, 49.
3) Vgl. ein Urteil von Alex. Dumas über Amphitryon im Mo-
lieriste. II. S. 343.
4) Rapp. VI. S. 812.
5) Moland. V. S. 57.
182 I- Amphitruo.
sich von dein des Herrn Amphitryon zu seiner Gemahlin ab-
heben würde? Besonders wo so hübsche Gegensätze, wie die
feurige Cleanthis und der kalte So sie, den Moli er e selbst
spielte, den liebesglühenden Gatten Amphitryon und Alcmene
einander gegenüber standen.
Zur Klage der Cleanthis über So sie (II, 3):
Enfm ma flamme eut beau s'emanciper,
Sa chaste ardeur en toi ne trouva rien que glace;
Et dans un tel retour, je te vis la tromper
Jusqu'ä faire refus de prendre au lit la place
Que les lois de Thymen t'obligent d'occuper,
(und ähnlich I, 4) passt der feurige Juppiter, und die Ver-
söhnung Juppiters und A lernen es (II, 6), die Folge leiden-
schaftlicher Liebe, hat ihr Gegenbild bereits in der nächsten
Szene (II, 7) an dem Trotze des So sie.
Ebenso wie Rotrou musste Moli er e nach den Erforder-
nissen seiner Bühne einiges dem Zuschauer in veränderter Gestalt
vorführen. Eine „Alcumena satura" (F. 666) entsprach den
ästhetischen Anschauungen jener Tage nicht mehr:
L'hymen ne les a joints que depuis quelques jours,
erzählt M er eure der Nacht im Prologe; und da es galt:
sans cesse
Garder le de'corum de la divinite,
wie sich die Nacht ausdrückt, so durfte die Handlung an sich
keinen Anstoss geben.
Moliere hat mit Plautus und Rotrou frei geschaltet.
Der wörtlich dem römischen Dichter entnommenen Reden sind
nicht viele , wie z. B. :
V. 388. Sos. Opsecro ut per pacem liceat te adloqui, ut ne uapulem.
Merc. Immo mdutiae parumper flaut.
I, 2. Sos. Mais promets-moi, de gräce,
Que les coups n'en seront point.
Signons une treve.
Merc. Va, je t'aecorde ce point.
oder die bekannte Szene mit dem Weine, mit der Äusserung:
V. 431. Mira sunt nisi latuit intus illic in illac hirnea.
I, 2. Et l'on n'y peut dire rien,
S'il n'etoit dans la bouteille.
oder :
F. 603. Prius mnlto ante aedis stabam quam illo adueneram.
I, 2. J'etois venu, je vous jure,
Avant que je fusse arrive.
und dergleichen.
Molieres Amphitryon. Ig3
Dagegen dankt Moliere seinem Vorgänger Rotrou fast den
ganzen Aufbau und die Szenerie, ja sogar den Dialog des
Stückes, wenn man auch mit Mahrenholtz (S. 355) zugeben
muss, dass dies „auf das gemeinsame Original zurückzu-
führen" ist. Gemeiniglich nehmen sich in solchen Fragen die
Literarhistoriker ihrer Lieblingsschriftsteller mit besonderer Wärme
an. Während der Herausgeber Rotrous (1820) sogar vermutet,
Moliere habe seinen Amphitryon in freiem Metrum geschrieben,
um sich des Vorwurfes des Plagiates zu erwehren,1) wie ihn
Grimarest vorbrachte, glaubten andere, Rotrou herabsetzen zu
müssen, was Despois (Ausg. S. 334) genügend zurückgewiesen
hat. Moliere hat auch sonst Rotrou benützt,2) vor allem aber
ist dies im Amphitryon geschehen,3) wo besonders witzige
Worte passend verwertet wurden.4)
') Oeuvres de Jean Rotrou. 111,357: „Ces imitations seroient en-
core plus remarquables, si la piece de Moliere eüt ete ecrite en grauds
vers comme celle de Rotrou. Peut-etre meme Moliere n'a-t-il
ecrit son Amphitryon en vers libres qu'afin de pouvoir s'em-
parer plus facilemeut des idees de son predecesseur sans se
faire accuser de plaglat."
2) Vgl. Lotheissen. II, 361.
3) Vgl. dagegen Mahrenholtz S. 351. „Moliere hat Rotrous Stück
jedenfalls gekannt und einzelne ganz ungefähre Reminiszenzen und
Anklänge gebe ich namentlich bei I, 3 u. V, 1 (Moliere I, 2; III, 7) zu.
Von einer geflissentlichen und bewussten Nachahmung kann aber
nicht die Rede sein." — ; Vgl. auch Despois (Ausg.) S. 332.
4) Guizot (Corneille et son tempsj pag. 381. „On a beaucoup
parle de ce que 1' Amphitryon de Moliere avait du aux Sosies de Rotrou,
mais sans faire attention, que les principaux traits de la ressemblance
qu'on apercoit entre les deux ouvrages se trouvent egaleraent dans l'ori-
ginal de Piaute. Ce que Moliere a pu emprunter ä Rotrou, ou, comme
lui, ä quelque auteur plus moderne, se borne ä deux ou trois vers*) et
ä l'idee de la scene oü Mercure chasse de la maison Sosie, qui s'est in-
troduit pour diner. Dans le reste de la piece, Rotrou suit pas ä pas
le poete latin en elaguant quelques details sans interet pour nous et en
rendant d'une maniere assez plaisante, ceux qui peuvent nous convenir;
mais il ne se les approprie point, comme Moliere, par ce tour de plai-
santerie vif et naturel, et par ces heureuses additions qui fönt d' Amphi-
tryon im ouvrage original qu'on ne peut disputer ä la scene frangaise;
Rotrou s'est contente de traduire, avec assez de goüt, ce que Moliere a
depuis imite avec genie."
*) Tels que celui-ci:
Si l'on niangeoit des yeux, il m'auroit devore (Sos. IV, 2)
Si des regards on pouvoit inordre,
XI m'auroit dej'a devore. (Ampliit. III, 2.)
et celui-ci que Rotrou met dans la bouche de l'un des capitaines invites par Jupiter, au noni
d' Amphitryon:
Point, point d'Amphitryon, oh l'on ne dine point (Sos. IV, 4)
ce qui est beaucoup plus convenablement dans la bouche de Sosie:
Le vdrituble Amphitryon
Est l'Amphitryon oü l'on dine. (Ampli. III, 5.)
La re'rlexion du Sosie de Moliere:
Le seigneur Jupiter sait dorer la pilule (III, 11)
est encore imite"e de celle-ci du Sosie de Rotrou, qni ne l'a point trouve'e dans Piaute:
On appelle cela lui sucrer le brcuvage. (Sos. V, 6.)
Vgl. auch Mo Und. V, 2ti. 38. 118. —
184 I- Amphitruo.
Allous, mais que les coups, s'il se peut, n'en soient plus
bittet So sie (II, 1).
Point, point d'Amphitryon oü l'ou ne dine point.
ist die Entscheidung des Hauptmanns (IV, 4).
On appelle cela lui sucrer le breuvage (V, 6),
was wiederkehrt bei Moliere:
Mais promets-nioi de gräce,
Que les coups n'en seront point (I, 2).
Le veritable Amphitryon
Est 1' Amphitryon oü l'on dine (III, 5).
Le seigneur Jupiter sait dorer la pilule. (III, 11.)
Die ausserordentlichen Vorzüge des Moliere'schen Amphitryon
haben ihn bis auf den heutigen Tag der Bühne erhalten. Am
15. Januar 1871 zur Zeit der Pariserokkupation wurde er dort
zu Molieres Gedächtnis gespielt; am 2. April 1878 gab Sarah
Bernhardt die Alcmene.1)
Die Versifikation Molieres in diesem Stücke ist
ein Meisterwerk ohne Gleichen.'2) Die Zeitgenossen sahen
im Amphitryon eine hervorragende Bühnenleistung,3) bald auch
folgten Übersetzungen desselben in die fremden Sprachen.4)
l) Despois (Ausg.) S. 345. 346. 347.
-) Vgl. u. a. Voltaire, Ecrivains du siecle de Louis XIV. (Moliere.)
L' Amphitryon est un recueil d'epigrammes et de madrigaux faits avec
un art qu'on n'a point imite depuis. — A. Vinet, Poetes du siecle de
Louis XIV. (Paris 1861), nennt (pag. 387) den Amphitryon Molieres „une
merveille sous le rapport de la versification".
3) De Vise, ein Freund des Thomas Corneille, rühmt von sei-
nem „Bacchus et Ariadne", „d'avoir su joindre le comique au serieux:
ce qu'il n'etait vu que dans Amphitryon". — M. Hippol. Lucas,
Histoire philosophique et litteraire du theätre francais. (Paris 1862.)
4) Dr. Heinr. Schweitzer, „Moliere und seine Bühne", I. Heft
(Lpz. Thomas 1879), pag. . XXXV. „Den Ruhm, zuerst die einzelnen
Stücke übersetzt zu haben, teilen wir allerdings mit den Holländern.
Von 1670 datiert auch ihre Übersetzung des Amphitryon von Ab r.
Peys, der auch Corneille und Rotrou übersetzt hat." — Die Holländer
haben indes den Amphitruo sonst nicht nachgeahmt. — Despois (Ausg.).
S. 351, führt an Übertragungen des Amphitryon auf: deux hollandaises
(1670. 1679?), deux suedoises (1745. 1786), deux danoises (1724. 1879?),
trois russes (l'une fut representee ä la cour de Pierre le Grand ä la fin
du XVHe siecle, les deux autres sont de 1768 et de 1874), deux polo-
naises (1783. 1818), une roumaine (1835), une en grec moderne (1836).
Dazu wäre anzufügen die imgarische von Kernen y Käroly, Amphi-
tryon 1879. (Schweitzer a. a. 0. IH, 88.) — Molieriste. I, 350:
„M. Richard Kauffmann, ecrivain danois des plus spirituels et des
plus lettres, vient de publier une traduction danoise de 1' Amphitryon de
Moliere. Cette traduction a ete representee pour la premiere fois sur
le theätre royal de Copenhague par les comediens ordinaires du roi le
10 septembre 1878. Voici le titre danois du livret de M. Kauffmann:
Amphitryon, Komedie paa rimede vers af Moliere. Oversat af Richard
Kauffmann. Kjöbenhavn. C. A. Reitzels Forlag 1879. (Vgl. auch
Schweitzer a.' a. O. II, 210.)
Molieres Amphitryon. 135
Die Frage, ob Plautus, ob Moli er e Bedeutenderes ge-
leistet habe, bat viele beschäftigt.1) Madame Dacier und nach
dem Zeugnisse des Monchesnay Boileau2) traten für Plau-
tus ein, Bayle und Auger für Moliere. Treffend bemerkt
J. Naudet, der Übersetzer des Plautus über die beiden Lustspiele:
„Ce sont deux spectacles tout divers sur un seul fond comique.
Les deux auteurs ont bien fait chacun pour le goüt de son temps
et de son pays;"3) und Lessing in den „Beiträgen": ..Wenn
ein Meister, wie Moliere war, einen Plautus zum Vorgänger
hat, so ist es ja kein Wunder, wenn er ihn übertrifft. Wo man
auf das Gute nicht sinnen darf, da kann man leicht auf die Ver-
meidung der Fehler denken."
Bei Plautus steht oben an die religiöse Mythe. Er glänzt
durch mehr Witz, ob dieser auch oft derber wird. Moliere hat
ein treffliches Intriguenstück geschaffen, wenn auch der Schluss
vielfach seltsam berührt. Ohne dem Originale etwas zu ent-
ziehen , ohne irgend welche tiefer einschneidende Änderungen
schrieb Moliere eine feine Komödie, die nur unter der Hand
eines solchen Meisters so biegsam und geschmeidig werden konnte.
Welcher Amphitryon es war, dem im Jahre 1681 der
Dauphin und seine Gemahlin beiwohnten, lässt sich nicht fest-
stellen. In der Correspondance de Roger de Eabutin,
comte de Bussy, avec sa famille et ses amis . . . par Ludovic
Lalaune. V. Band (Paris 1859), S. 245, heisst es in einem
Brief des Marquis de Bussy vom 6. März 1681: ,.De lä ils (der
Dauphin und seine Gemahlin) allerent chez M. M. Malo, pres des
Jesuites de la rue Saint-Antoine (in Paris) voir un petit opera
de la comedie d'Amphitryon avec des entr'actes en
musique."
Es scheint also, die Bühne den Amphitryon bereits lange
als Oper gesehen zu haben, ehe der bekannte Komponist des
Richard Löwenherz ihn in Musik setzte. Am 15. März 1786 4)
liess Andre-Erneste-Modeste Gretry (geb. den 11. Februar
1741: gest. 1813) zum ersten Male aufführen: Amphitryon,
opera en trois actes. Der Text hierzu ist von dem Dichter Ch.
S^daine (geb. 2. Juni 1719; gest. 17. Mai 1797), der u. a. auch
den Text zu Richard Löwenherz lieferte. Sein Amphitryon
ist indessen den Ausgaben seiner Werke nicht beigegeben, und
') Siehe darüber auch M. Hipp. Lucas. 1. c, pa<>\ 190.
2) Moland. V. 11.
3) Ebenda. V. 124.
4) Diese Aufführung hatte vor dem Hofe von Versailles statt; eine
weitere am 15. Juli 1788 in der Akademie. (M. L. Moland, Theätre
de Sedaine. Paris (Garnier Freres) 1878. Iutroduetion pat»-. XIX. —
Despois (Ausg.) S. 351. — Schweitzer a. a. 0. f. XXXVII, 2:
186 I- Amphitruo.
auch der Recueil general des operas bouffons qui ont 6t6
representes ä Paris (Lieges 1777) enthält ihn nicht, obwohl
sich in ihm viele Operetten und Singspiele Sedaines finden. Die
schwache Arbeit Gretrys1) errang wenig Erfolg2) und zählt zu den
vergessenen Tondichtungen, was wohl Ursache ist, dass auch die Par-
titur der Oper schwer zu bekommen und mir nicht zugänglich war.
Noch am 5. April 1875 wurde in Paris eine Oper „Amphi-
tryon" aufgeführt (paroles des. Mss. Beaumont et Nuitter,
Musik von Lacome), die indessen keinen Beifall errang.3)
Der englischen Litteratur ist der Amphitruo gleichfalls
nicht fremd geblieben. Spuren desselben finden sich in mehreren
älteren Stücken. Das oben (S. 75) erwähnte Interlude von
Jack Juggler,4) das wahrscheinlich unter Edward VI. (1547
— 1553) gespielt wurde,5) beruht auf Szenen des Amphi-
truo.6) Zwar hat sich der unbekannte Dichter wenig an das
Original gehalten,7) doch aber gesteht er im Prolog seine
Abhängigkeit von Plautus:
') F. Crozet, Revue de la musique dramatique en France (Gre-
noble, Paris 1867), pag. 44. C'est une des faibles produetions de Gretry;
eile contient cependant plusieurs airs remarquables, notamment l'air:
„C'est au plus grand des immortels" et celui-ci „Jupiter dans le ciel
meme". S. auch pag. 469. — Clement, dict. lyrique, p. 38.
-) Crozet, 1. c, pag. 413. Ces ouvrages ont eu peu de succes et
n'ont rien ajoute ä la reputation de leur auteur.
3) Vapereau, Les annales du theätre et de la musique. I. annee
(1875). Paris 1876. S. 423.
■i A uew Enterlued för | Chyldren to playe, named Jacke Jugeler,
both | wytte, and very playsent. Newly | Imprented. | The Players names.j
Mayster Boungrace. A galant | Dame coye. A Gentelwoman. | Jacke
Jugler. The vyce. | Jenkin careaway. A Lackey. | Ales trype and go.
A mayd. — Herausgegeben von Joseph Haslewood. Kent 1820, und
auf S. 1 — 49 der Four old Plays. Herausgegeben von Francis James
Child. (Cambridge, George Nichols 1848.)
•') Klein. XHI, 113. — Child, Introd. VIII, IX.
«) Collier, Hist. Dram. Poet, n, 366.
7) Child, Introd. XI. Jack Jugler can hardly be called an imi-
tation of the comedy of Plautus. It is the play ofAmphitryon
without the part of Amphitryon, and resembles more than any
thing eise one of those pieces made up of the comic portions of plays,
which used to be called „drolls". In fact, Jack Jugler is a caricature
even of the comic parts. All dignity is stripped from the characters,
every ridiculous feature is much exaggerated, and the language and
ineidents are ingeniously vulgarized to reduce every thing to the gro-
tesque, the quaintness of the expressions greatly heightening the enect
to a modern reader. The amiable Alcmena becomes „a verie cursed
shrew". General Amphitryon sinks into Master Boungrace, a common-
place „gentilman", somewhat subjeet, we suspect, to being imposed upon
by his wife and servants. Bromia, the insignificant and well-conducted
attendant, is changed into the smart and malicious Aulsoon tripe and goo.
Interlude von Jack Juggler. 187
And for that purpose onlye this maker clid it write
Taking the (/räumt therof of Plautus first commedie
And the first sentence of yc same for higher things endite
In no wise he wold, for yet the time is so quesie
That he that speaketh best, is lest thanke worthie
Therfore . . .
u. s. w. Die Rolle des plautinischen Merkur spielt Jack Juggler.
Er hat sich in die Kleider des Jenkin Careaway, des Dieners
des Mai st er Boungrace, gesteckt, um diesem einen Streich zu
spielen :
I passed by, and then called vnto my mynd
Sartayne old rekeaninges that were behynd
Betwin Jenkine & nie, whom partlie to reconrpence
I trust by gods grace, ere I goo hence
This garruents, cape, and all other geare
That now you see, apon me here
I have doon oon, all lyke vnto his
For the nons, and my purpose is
To make Jenkine byliue yf I can
That he is not him seife, but an other man
U. s. w.
Careaway, der Soi-genlose:
„My name is Careawaie, let all sorow passe,''
tritt auf. Er hat von seinem Herrn Boungrace einen Auftrag
an seine Herrin, Dame Coye, zu überbringen: er hat sich aber
unterwegs verhalten. Während er über die Lüge nachsinnt, die
ihm hinaushelfen soll (hie cogitabundo similis sedeat), und dann
an die Thüre seines Hauses klopft (hie pulset ostium), tritt ihm
Jack Juggler entgegen, und es folgt eine dem Plautus nach-
geahmte Szene, bei welcher Jenkin Careaway den Sosia des
Amphitruo spielt. Wie Merkur beginnt Jake Jugler:
Knoke at the gate handelye agayne if thou dare
And seing thou wolt not bye faire words beware
Now fistes, me thinks yesterdaye. VII. yers past
That four men a sleepe at my fete you cast
And this same day you did no maner good
Nor were not washen in warme blöd.
worauf Jenkin Careaway mit Sosia erwidert:
What whorson is this that washith in warme blöd
Sum diuell broken loose, out of hell for wood
Four has he slayne, and now well I see
That it must be my chaunce the fift to bee.
u. s. w.
Das ,, pugnos edes" des Plautus ist wörtlich überge-
gangen :
Now handes bestur you aboul Ins lyppes and face
And streake out all his teth without any grace
Gentleman are you disposed to eate any fist mete.
188 I- Ampbitruo.
was Careaway mit den Worten abweist:
I have Bupped I thanke you syr and lyste not to eate
Gene it to them that are haungrie if you be wyse.
Jacke Jugler erklärt seinem Rivalen den Zweck seines
Hierseins :
For I am coruniaunded for to watche & giue diligence
Tbat in my good maister Boungraces absence
Noo misfortune may happen to bis house sertayue.
Careaway beansprucht die Stelle des Dieners des Hauses:
Marye I defye tbee, and planly vnto tbee teil
That I am a seruaunt of tbis bouse, and bere I dwelb
Boungrace ist sein Herr:
My maisters iiame is maister Boungrace
I bave dwelled witb bim a longe space
And I am ienkin Careaway bis page,
so ganz Sosia. Nun rückt ihm Jake Jugler schärfer zu
Leibe :
Darest tbou too my face say tbou art I.
[Tun te audes Sosiam esse dicere,
Qui ego sunt. ( V. 373.)]
und mit Merkur ..Hie homo sanus non est" (F. 402) ruft er:
Tbis bedlem kuaue witbout dougbt is mad.
Wiederholt wird wie bei Plan tu s die Frage nach dem Herrn
gestellt, stets muss Careaway, wie Sosia, Maister Boungrace
als den seinigen bezeichnen:
/. J. Wbo is tby maister V
Care. Mayster Boungrace.
J. J. I woll make tbe cbaung y' song, ere we pas tbis place
For be is my maister, and a gaine to tbee I saye
Tbat I am bis ieukiu Careawaye
Wbo art tbou now teil me plaine.
Care. Noo bodye, but wbom please you sertayue.
Der Bitte Sosias (F. 388):
Opsecro, >n per pacem liceat te adloqui, ut ne uapulem u. s. w.
entspricht das Fernere:
Care. But syr mygbt I be bolde to say on tbyng
Witbout any bloues, aud without any beatynge.
J. J. Truce for a wbyle say one wbat tby lust.
Care. May a man too your boneste by your woord trust
I pray you swere by tbe masse you woll do me no yll.
J. J. By my faitb I promise pardone tbee I woll.
189
Cure. What and you kepe no promise.
J. J. Tken vpon cai
I praie god light as much or more as hath on ye to daye.
Care. Now dare I speake so mote I tkee
Maister boungrace is my maister, and tke name of mee
Is ienken careaway
das ganz mit dem Original übereinstimmt.
Wie Merkur erzählt nun Jack Juggler, was ihm von
seinem Herrn befohlen wurde, und wie er den Befehl vollzog.
Wie Sosias muss Careaway sagen:
How the diuell should they name there
For I dyd them all in my owne sleue bere
He lyeth not a worde in all this
Nor doth in any one poynt myse . . .
Endlich zweifelt Careaway an seinem eigenen Selbst:
J. J. How now art thou Careawaye or not?
Care. By the lorde I doubt, by sayest thou nay to that.
und er muss gestehen:
I haue sene my seife a thousand tinies in a glasse
But soo lyke myselfe as he is neuer was
He hath in euerye poynt my clothing & mi geare,
My hed, my cape, my shirt and notted heare
And of the same coloure, my yes, nose and lyppes
My chekes cbine, neake, feete, leges and hippes
Of the same stature, and hyght and age
And is in euery poynt maister Boungrace page
u. s. w. und findet:
There was neuer Ape so lyke vnto Ape
As he is to me in feature and shape.
Dennoch tröstet er sich mit der Hoffnung, dass nun sein
anderes Ich (that other I) auch für ihn die Prügel aushalten
werde, die er durch seine Fahrlässigkeit verdiente; doch darin
täuscht er sich. Dame Coye ist sehr ungehalten, dass sie um
ihr Abendessen kam. Careawaye berichtet ihr, wie Sosia
seinem Herrn, seine Erlebnisse:
. . . the faulte is neither in mi maister nor in me nor you
But in an other knaue that was here euen now
And his name was ienkin Careawaie,
so dass sie zu dem Urteil kömmt:
Truely this wage pastie is either drunken or mad,
und auch der dazugekommene Maister Boungrace ist der Meinung:
I durst a good mede, and a wager laye
That thou laiest doune and sleppest by the waie
And dremid all this that thou haste me tolde.
190 I- Amphitruo.
Careaway erhält die Prügel und kann sich nur wundern:
How he 1 escapid. / me beat me thus.
In längerer Rede sehliesst er das Interlude, auf das eine
Art Epilog folgt und der Schluss: Finis. | Imprinted at London
in Lothbury by me | Wyllyani Copland.
Dieses äusserst seltene1) Stück, von dem auch Hasle-
wood 1820 nur fünf und dreissig Exemplare für den Rox-
burghe Club drucken liess, ist eines der ältesten in der engli-
schen Litteratur, das auf einem klassischen Vorbilde beruht.2)
Ferner vermutet Rapp,3) dass auf den ,. John a Kent and
John a Cumber" des Anthony Munday4) (geb. 1553;
gest. 1633), herausgegeben von Collier 1851 nach einer Hand-
schrift von 1595, „auch Plautus' Amphitruo gewirkt habe, an
der Stelle, wo je ein Zauberer des andern Gestalt annimmt und
namentlich, da beide in Einer Gestalt einer oben auf der Mauer,
der andere unten auftreten, ganz wie die beiden Sosia". Indessen
zwingt nichts in dem Stücke, mit Rapp anzunehmen, dass es
Beziehungen zum Amphitruo hat. Die beiden berühmten
Zauberer John a Kent (a man whom all this Brittishe Isle
admires for bis rare knowledge in the deepest arts S. 27) und
John a Cumber (the only man renownde for magick skill S. 28)
erscheinen allerdings ein paarmal (S. 35. 45) in gleicher Ge-
stalt und veranlassen eine vorübergehende Überraschung.
Powesse. My Lordes, see one appeareth on the walles.
Tis John a Kent! How? John a Kent is beere.
Soine sly magitian hath usurpte tliy shai)e,
An this day made us all infortunate.
John (a Kent). What ere thou be, I charge thee teil thy nainc
Cumber. My name is John: what sayst thou to the same?
John. I would thou wert the John that I could wishe!
Cumber. If John a Kember, then, the same it is.
Hierzu bedurfte es aber des Amphitruo gewiss
nicht. Auch weist sonst im Stücke nichts auf die alte
Komödie.5)
') Haslewood Preface.
2) Collier, Hist. Dram. Poet. II, 366 nach Chile! , Introd. VIII:
Jack Jugler is one of the very oldest pieces in our language fouuded
upon a classic original.
3) Studien. S. 55.
4) John a Kent and John a Cumber; A Comedy by Anthony
Munday. Printed from the original manuscriiit . . . by J. Payne Collier.
London 1851. S. 1—63.
5) Wir geben den summarischen Inhalt des Stückes am besten mit
den Worten des Herausgebers (Introduction XVn): „John a Cumber is
the competitor of John a Kent in supernaTural power andmagical de-
lusion, and all we know of him is that he is represented as a native of
Tomkins' Albumazar. 191
Wiederum Berührungspunkte mit dem Ampliitruo, wenn
auch entferntere, hat der Albumazar des Tomkis1) (Tomkins),
dessen Quelle wohl das italienische Lustspiel Lo Astrologo, | Co-
media | Nuoua ] di Gio. Battista | Dalla Porta | Napolitano.
Con Privilegio. | In Venetia 1606. | Appresso Pietro Ciera (64
fol.), ist. Nur wenige Namen (Guglielmo, Vignarolo) sind in der
englischen Komödie geändert worden. Das italienische Stück
stimmt fast wörtlich zum englischen, doch ist es in Prosa
geschrieben.
Das englische Stück ist nicht vor 1614 vollendet und im
gleichen Jahre Donnerstag den 9. März von den Studenten zu
Cambridge in Trinity College Hall vor dem König Jakob
gespielt worden. 2) Die allseitig hervortretenden Anklänge an die
Alten und die gelehrten Reminiszenzen, denen man allenthalben
begegnet, berechtigen zu der Annahme, dass dem schriften-
kundigen Verfasser wirklich mehrmals Plautus vorgeschwebt ist.3)
Der alte Pandolfo verzehrt sich in Liebe zu Fla via, der
Scotland, and a wigard, who is called in by the Earl of Morton, a peer
of that country, and by tlie Earl of Pembroke, to assist theni in their
designs upon Sidanen and Marian. These designs are perfectly honou-
rable, and are zealously seconded by the fathers of the ladies; but in
the end they and their coadjutor are outwitted and defeated: the wea-
pons employed by John a Cumber are turned against himself and he
becomes tkrough the instrumentality of John a Kent, an object of con-
tempt and ridicule with the very persons who expected to profit by his
success." — Doch wohl kaum ein Anklang an Amphitruo; oder es giebt
deren zahllose. Wenn im Amis et Amiles (ed. Konrad Hofmann,
2. Aufl. Erlangen 1882) die beiden Freunde sich so ähnlich sehen, dass
das Volk sie nicht unterscheiden kann (tant sont li conte yngal et d'un
sanblant V. 3124), und die Gattin des Amiles selbst (F. 3139) sagt:
je sai de voir et croi a enc'iant,
l'uns de vos dous a en moi part moult graut
et s'est Amiles li hardis combatans;
mais je n'en sai faire connoissement,
so müsste man auch hierbei der beiden Amphitruo gedenken, „eme les
dous contes ne desseverroit hom, qui est Amiles ne Amis lis barons."
(F. 3104.)
') Albumazar, a comedy. London, printed by Nioholas Okes
for Walter Burre. 1615. 4*°- — Albumazar, a comedy. Newly revised
and corrected by a speciall hand. London, printed by Nicholas Okes.
1634. 4t0- — A select collection of Old Plays in twelve volumes. Lon-
don (Septimus Prowett) 1825, enthält im siebenten Bande, S. 101 — 215.
den Albumazar ... — Vgl. Collier. I, 393. III, 325.
2) Old Plays. VII, 104.
3) Eapp, Studien S. 15. „Feine Arbeit eines Gelehrten. Das Haupt-
motiv, der durch einen l!< -trüber nachgeäffte Verlnreugeglaubte kommt
selbst wieder, ist aus drei p 1 autinischen Stücken abstrahiert: Tri-
nummus, Mostellaria und Amphitruo; noch aus andern Reminiszenzen.
Diese Nachahmung ist aber fein versteckt und motiviert durch eine der
italienischen Komödie nachgemachte Mystifikation durch einen Astro-
logen." — Das Stück ist ja eben italienisch!
192 I< Amphitruo.
Tochter des fernen Antonio, von dem man glaubt, er sei zur
See zu gründe gegangen. Da er Flavias Herz nicht gewinnen
kann, lässt er sich von Gaunern vorspiegeln, der Astrolog Al-
bum azar könnte Pandolfos Farmer Trincalo in Antonios
Gestalt verzaubern. Als solcher würde er dann seiner Tochter
befehlen, Pandolfo ohne Widerrede zu heiraten. Unter vielen
Zeremonien nimmt Albumazar diese Metamorphose vor. Flavia
hat aber unterdessen bereits von der Thorheit des Alten ver-
nommen. Da alles richtig vorbereitet ist, kömmt der tot ge-
glaubte Antonio von seiner mühevollen Seereise zurück. Sein
Monolog (IV, 1):
Thus by great favour of propitious stars
From fearful storms, shipwreck and ragirig billows,
Merciless jaws of deatk am I return'd
To th' safe and quiet bosom of my country.
u. s. w., erinnert an des Theuropides Auftreten in der Mo-
stellaria. ')
Zuerst begegnet ihm Pandolfos Diener, Cricca, der ihn
für den umgestalteten Antonio hält.
0 wond'rous power of stars,
And skill of art t: apply it! You that are marry'd
May justly fear lest tnis astrologer
Cloath your wives' servants in your shape, and use you
As Jupiter (lid Amphitryo.
meint Cricca, und dem dazukommenden Pandolfo ruft er zu:
Sir, here 's your farmer Trincalo transform'd
So just, as he were melted, and new cast
In the true mould of old Antonio,
worauf Pandolfo freudig einstimmt:
Just so he look'd,
And thus he walk'd; this is his face, his hair.
His eyes and countenance.
Dies führt natürlich zu fortgesetzten Missverständnissen, da
Pandolfo glaubt, seinen Diener Trincalo vor sich zu haben,
was sich bald ernster gestaltet, als auch die Tochter Flavia
ihren Vater, von dem sie glaubt, das Meer habe ihn ver-
schlungen, von der Thüre weist und sein Sohn Lelio ihn
von der Schwelle jagt, ja Trincalo sich Antonio gegen-
über als Besitzer des Hauses gebärdet. Endlich sehen Lelio und
Cricca mit Bewundern Antonio und Trincalo neben einander.
') Vers 431 sqq.
Tomkins' Albumazar. 193
Didst thou not inform me
That Trincalo was turn'cl to Antonio?
fragt Lelio erstaunt, und alsbald erkennt er aucli in Antonio
seinen Vater. Pandolfo ist noch entzückt über Albumazar:
there 's Trincalo
Antoniated, or Antonio Intrinculate;1)
bald aber wird er enttäuscht. Doch findet sich zur glücklieben
Lösung (wie im Trinummus) ein vorher gestohlener Schatz
wieder, welchen dann Eugen io, Pandolfo s Sohn und Bräutigam
Flavias, als Aussteuer erhält.
Auch in dem im Jahre 1675 aufgeführten Stücke „the
country wit" des John Crowne2) will man3) einige Szenen
auf dem Amphitruo nach Moli er es Bearbeitung beruhend finden.
Gleichwohl wird eine engere Verwandtschaft der beiden
Stücke kaum nachgewiesen werden können.
Indessen fehlt es nicht an vollständigen Durchführungen
des Amphitruo in England. Ben Jonson hatte die Idee,
einen Amphitruo zu schreiben; gab sie jedoch auf, weil
er an der Möglichkeit, sie wahrscheinlich zu gestalten, ver-
zweifelte, 4)
Dagegen griff Thomas Heywood (S. 78.) zum Amphitruo.
Er schrieb vier zusammenhängende Stücke auf Grundlage der alten
mythologischen Erzählungen: The golden age 1611 in 4°; the
silver age 1613 in 4°: the brazen age 1613 in 4° und the
iron age 1632 in 4° die sich einer grossen Volkstümlichkeit er-
freuten.5) The silver age enthält die Geschichte von
Juppiter und Alkmene. The | Silver Age | inclvding | The
loue of Jupiter to Alcmena: | The birth of Hercules, | and | the
rape of Proserpine | conclvding | with the Arraignment of the
Moone. | Written by Thomas Heywood | London | Printed by
Nicholas Okes etc. 1613. 6)
') Man erinnert sich an Drydens „unsosiated" u. a., wovon im.
Weiteren (S. 228, A. 1) die Kede ist.
'-) Enthalten auf S. 1 — 131 des dritten Bandes von The dramatic
works of John Crowne. With prefatory memoir and notes. Edin-
burgh, London 1874. (Dramatists of the Restoration.) — ■ Die Einleitung
(3) sagt: A large portion of the plot as well as of the language has been
taken from Moliere's Comedy „Le Sicilien; ou l'amour peintre".
3) Molieriste. ILT, 59: Les scenes entre Ramble et Merry sont
basees sur quelques scenes d'Amphitryon.
4) Ben Jonson, Ausg. von Gifford. Bd. I. S. CXTX. „that he had
au intention to have made a play like Plautus's Amphitruo, but
left it off, for that he could never find two so like one to the other
that he could persuade the spectat or, that they were one."
5) Ausg. Collier. S. V. The popularity of the works is undoubted
and is testified, among other things, by the author bimself.
6) Im zweiten Bande von: The dramatic works of Thomas Hey-
13
194 I- Araphitruo.
Homer leitet das Stück ein. Nachdem alle möglichen mytho-
logischen Personen (Bellerophon, Acrisius, Perseus, Andromeda,
Danaus) aufgetreten sind, führt Homer (II, 1) die Personen des
Amphitruo ein.
Üur scene is Thebes; here fair Alcmena dwells:
Her husband in bis warfare tbrives abroad,
And by bis cbivalry his foes expels.
He absent, now descends tb' Olympic god,
Enamour'd of Alcmena, and transshapes
Himself unto her busband: Ganimede
He makes assistant in bis amorous rapes,
Wbilst be prefers tbe eartb' before Juno's bed.
Lend us your wonted patience, witbout scorn,
To find bow Hercules was got and born.
Amphitrio tritt mit zwei Hauptleuten und Socia auf. Er
erhält einen Becher, den er einschliesst und seiner Gattin schickt.
Bei ihm ist Blepharo, the master of the ship. Dies alles ist
hloss Pantomime, die Homer erklärt:
Creon, tbat now reigns bere, tbe Tbeban king,
Alcmena's busband, great Amphitrio, made
His general, wbo to bis lord dotb bring
His enemy's head, tbat did bis land invade.
Tbink bim returning bome, but sends before
By letters to acquaint his beauteous wife
Of bis success ....
Unter Blitz und Donner erscheint Juppiter in einer Wolke.
Mag Juno toben, so viel sie wolle, Alcmena, „the fair Alcmena,
like the seaman's star shooting her glistering heautyupto heaven,"
ist jetzt sein einziges Ziel. Ganimede ist in Socias Gestalt
ahgeschickt worden und kehrt ehen zurück. Juppiter hat aus
drei Nächten eine einzige gemacht:
to take our fill
Of dalliance with tbis beauteous Tbeban dame.
Die Antipoden nahen infolge davon drei Tage lang Licht.
Ganimede klopft an der Thüre luid wird von drei Dienern ein-
gelassen, welche sofort in ihm Socia erkennen und ihre Herrin
von seiner Ankunft benachrichtigen. Alcmena mit Thessala
von der einen Seite, Juppiter-Amphitruo und Ganimede-
Socia von der anderen hegegnen sich. AI cm e na s Freude ist
gewaltig. Juppiter beginnt von seinen kriegerischen Thaten:
I, as a great General to tbe Tbeban King
Marcbed 'gainst tbe Teleboans ....
wood, with a life of tbe poet and remarks on bis writings by J. Payne
Collier Esq. London (printed for the Shakespeare Society) 1851.
Thomas Heywood. ;[95
Er überreicht seiner Gemahlin den Becher des Pterela, von
dem uns Ganimede sagt, dass ihn „Mercnry stole out of Amphi-
trio's casket". Juppiter verlangt, zu Bette zu gehen. Gani-
mede sieht ihn mit Alcumena abtreten, nicht ohne Amphitrio
zu bemitleiden.
Xun tritt Socia mit einem Briefe auf. Er findet, dass diese
Nacht ,.as long as two nights already" sei, „and I think 't is
now entering in the third." Ganimede tritt ihm in den Weg,
indessen sich Socia noch über die lange Nacht wundert. „He
that hired a wench to lie with bim all this night, has time
enough, I think, to take bis pennyworths. " Da er pochen will,
wehrt es ihm Ganimede. „Klopfe nicht, oder du wirst geklopft.'-
Es folgen dann die von den Engländern so meisterhaft behandelten
Wortspiele, z. B. :
Soc. If thou be Socia . . . where dost thou lie?
Gan. Where I do lie? Why, in the porter's lodge.
Soc. You are deceived; you lie in your throat. There 's but one
Socia belongs to this house and that am I.
Nach mannigfachem Hin- und Herreden meint Ganimede „the
fellow 's mad". Vergeblich erzählt Socia von seinen Erlebnissen.
Das Gespräch kömmt auch auf den Becher Pterelas. „Where did
I put it?" fragt Socia, und ruhig versetzt Ganimede: „That I
know not; but I p\it it into a casket, sign'd by my lord's signet. ■•
..Und als die Schlacht anhub," fragt Socia, „was thatst du da?"
Gan. As soon as they began to fight, I begun to run.
Soc. Whither?
Gan. Into my lord's tent, and there hid me under a bed.
„Und mein Brief — ?" zögert Socia. „Den habe ich
bereits übergeben," lautet die Antwort. Da stürzt Socia ver-
zweifelt von dannen, und Ganimede hält weiter Wache.
Fair Alcmena,
Is great already by Amphitrio,
And near her time; and if she prove by Jupiter.
He by his power and god-hood, will oontract
Both birth in one, to make her throws the less,
And at one instant she shall cliild two issues.
Begot by Jove and by Amphitrio.
Juppiter und Alcmena nein neu Abschied von einander.
We generals
Cannot be absent from our charges long,
entschuldigt sich der Gott und o-eht mit Ganimede:
Come, Ganimede, 't is done
And fair Alcmena sped with a younu son.
13 *
}96 !• Amphitruo.
Amphitrio mit Socia und Gefolge tritt auf. Niemand
will Socias Berichte glauben. Vergeblich erzählt er nochmal die
ganze Begebenheit; alle rufen ihm „Fie, Socia, fie!" zu. — Alc-
mena mit ihren Dienerinnen kommt zu ihnen und wird von
Amphitrio „return'd a conqueror" begrüsst.
„Glad to enfold in his victorious arms
The nine-month absent body, whose ripe birth
Swells with such beauty in thy constant womb."
Alcmena aber spricht von „yesternight". Umsonst ver-
sichert Amphitrio, er sei soeben erst in Theben gelandet, und
halb befriedigt, fast schadenfroh bemerkt Socia: „We have found
one Socia, but we are like to lose an Amphitrio.1' Amphitrio
aber befürchtet, die Verrücktheit seines Dieners habe sich seiner
Frau mitgeteilt. Einer der Hauptleute meint, man könnte die
generals part als Zeugen aufrufen, Alcmena aber führt ihre
Dienerinnen vor, und schon die erste erklärt „you were here
yesternight", was die übrigen mit ,,'t is most certain" bestätigen.
Alcmena schildert den Abend weiter, „you slept in these my
arms," worauf Amphitrio heftig auffährt. Alcmena liefert den
Schlüssel zum Futterale des Bechers ab, was den ersten Haupt-
mann zu der Frage veranlasst, wie sie darum wissen könne.
Amphitrios Verdacht kehrt sich gegen Socia. Thessala
bringt den Becher; das Siegel ist unversehrt, doch das Kleinod
ist weg. Wütend und seine Leute prügelnd eilt Amphitrio ab.
Da kömmt Juppiter. Er wird von Alcmena mit Vorwürfen
empfangen, und nur schwer gelingt es ihm, sie zu beschwich-
tigen. Socia kömmt mit Blepharo. Ganimede geht an Socia
musternd vorüber. „I should have seen your face, when I looked
myself in a glass: your sweet phisnomy should be of my acquain-
tance," meint Socia.
Amphitrio ist zurückgekehrt und will sich den Eingang in
sein Haus erzwingen, wobei er von Ganimede mit beleidigenden
Worten zurückgetrieben wird. Als nun Socia mit Blepharo
dazukömmt, stürzt er auf jenen los, sodass Blepharo, von des
Sklaven Unschuld überzeugt, anfängt, an Amphitrios Verstand
zu zweifeln. Bei Juppiters und Ganimedes Auftreten findet
sieh Blepharo gar nicht mehr zurecht. Two Socias! two Am-
phitrios! ruft er und der erste Hauptmann: Conjurrng! Witch-
craft! Nach Juppiters Rede entscheiden sich alle für diesen.
There can be but one Amphitrio and this appears to be he by his
noble carriage, sagt der zweite Hauptmann. Zu ihm stellt sich
Ganimede mit den Worten: „The true Socia must go with the true
Amphitrio." Es ist eine köstliche Scene, da Amphitrio und
Socia allein zurückbleiben:
Thomas Heywood. Dryden. 197
Amph. What art thou?
Soc. Nay, what art thou?
Amph. I am not myself.
Soc. You would not believe me, when I said I was not myself,
why should I believe you?
Amphitrio schläft, auf Socia gestützt, ein. Da steigt Juno
mit Iris vom Himmel herab; sie hegt, wie bei da Silva, Rache-
gedanken gegen Alcmena. Unter Donner aber und in Regen-
bogenglanz zeigt sich Juppiter und zwingt alle zu knien. Er
befiehlt Amphitrio:
. . . peace
With fair Alcmena, she that never bosomed
Mortal save thee . . .
So wie Amphitrio hört, dass seine Frau Lucinas Hilfe be-
dürfe, sagt er:
Jove is our patron and his power our awe,
His majesty our wonder, his will our law.
Im dritten Akte (S. 131) erfahren wir von der Hebamme
Galant his, dass Alcmena entbunden wurde, und zwar von zwei
Knaben, „one like my lord Amphitrio, but the other the bravest
chopping lad." Der junge Herkules erdrosselt die beiden
Schlangen (snakes); es tritt alsdann König Eurystheus auf, und
die Geschichte entfernt sich von Amphitruo, um auf die Thaten
des Herkules überzugehen.
In dem Verzeichnisse der Vorstellungen, welche englische
Komödianten im Jahre 1626 am Hofe zu Dresden gaben, heisst
es:') Junius 4. Ist eine Comoedia von Amphitrione gespielt
worden. Colin2) sagt von dieser Aufführung: „The comedy of
Amphitryon was probably one based on Plautus. " Sollte es
die Episode von Hey wo od gewesen sein? (Vgl. S. 214.)
Im Jahre 1690 erschien John Drydens (1631—1700)
Amphitryon: or the two Socia's, a comedy3) in 4°. Die
Widmungsepistel (The Epistle Dedicatory to the honorable Sir
William Levison Gower, Baronet) ist vom 24. Oktober 1690 da-
tiert. Er sagt in derselben, die Namen des Plautus und Mo-
') A. Cohn, Shakespeare in Germany. London 1865. S. CXV.
2) A. a. 0. S. cxvn.
3) Die nächsten Ausgaben nach James 0. Halliwell (A dictionary
of Old Plays, London 1860), S. 16. sind von 1691 u. 1694. — Ferner ist
der Amphitryon enthalten im ersten Bande von „The English The-
atre in eight Volumes, containing the most valuable Plays which have
been acted on the London Stage". London 1765, pag. 157 — 239. — In
der Ausgabe von Dryden, London 1762. VI. Bd., S. 161; im VIII. Bd.
der Werke Drydens 1821 (Edinb.), einem Abdrucke der Londoner Ausg.
(1808) von Walter Scott.
198 I- Amphitruo.
liere seien mit seiner Arbeit verknüpft: ,,'t is trne, were this
Comedy wholly mine, I slionld call it a Trifle, and perhaps not
tliink it wortli your Patronage; but when the Names of Plau-
tus and Moli er e are join'd in it, that is, the two greatest Na-
mes of ancient and modern Comedy, I must not presume so far
on tlieir Reputation to tliink their best and most unquestion'd
Prodnctions can be tei'in'd little." Er sagt ferner über die von
ihm gemachten Änderungen und Znsätze: „I will not give you
the Tronble of acquainting yon what I have added, or alter'd in
either of them, so much, it may be, for the worse, but only
that the Difference of our Stage from the Roman and
the French dit require so. But I am afraid, for my own
Interest, the World will to easely discover, that more than
half of it is mine; and the Rest is rather a lame Imi-
tation of their Excellencies, than a just Translation. 'T is
enough, that the Reader know by you that I never deserve nor
desire any Applause from it."
Im Weiteren verbreitet er sich über Plautus und Moliere und
wünscht, „at least not to compare him (den Amphitryon) too
strictly with Moliere's."
Zu dem Stücke, in dem Dryden geschickt Poesie und
Prosa1) wechseln lässt, hat Heinr. Pur cell eine sehr gerühmte'2)
Musik geschrieben, mit welcher es in London 1691 aufge-
führt wurde.
Der Inhalt der Dry denschen Komödie ist folgender:
I. Akt. Mercury und Phöbus treten auf. Ersterer erzählt
von einem Streite (a devilish quarrel), den soeben Juppiter mit
Juno gehabt, und von den Absichten, welche der Gott auf ein
irdisches Weib habe:
Some Mortal we presume of Cadmus' Blood;
Some Theban Beauty; some new Semele,
Or some Europa,
wie Phöbus vermutet. Juppiter erscheint und schilt die beiden,
dass sie über seine Handlungen Kritik üben. Er liebe, weil es
das Fatum so verlange:
I love, because 't was in the Fates I should.
') Halliwell, 1. c. „Our author, as Thornton observes, has thought
proper to distinguish the serious from the comic parts, by giving the
Erst in verse and the other in prose, which it may feared in the latter
part has too offen lead him into such low and farcial stuff as neither
his Latin nor his French original betrayed him into."
2) Halliwell, 1. c. The music of the songs was composed by
Pu reell. — Clement, Dict. lyr., S. 38. C'est un des meilleurs ouvrages
de ce compositeur distingue.
John Dryden. 199
Nach einer breiten Auseinandersetzung über das Fatum
gegenüber dem moralisierenden Phöbus teilt er ihnen mit,
dass diese Nacht zum Besten der Menschheit Herkules erzeugt
werden soll:
yet, thus t'ar know.
That, for the good of human Kind, this Night
I shall heget a future Hercules;
Who shall redress the Wrongs of injur'd Mortals,
Shall conquer Monsters, and reform the World,
worauf Mercury spöttisch bemerkt: „Ay, Brother Phoebus; and
our Fatlier made all those Monsters for Hercules to conquer, and
contriv'd all those Vices on purpose for him to reform too,
there 's the Jest on 't." 1. Da nun der tapfere Thebanerfeld-
herr Amphitryon morgen früh ankommen soll, erhält Phöbus
den Auftrag, die Nacht zu verlängern, und Mercury den, sich
in Socias Gestalt zu hüllen. Die Nacht erscheint auf ihrem
Wagen und hält ein höchst langweiliges Zwiegespräch mit Mer-
cury. 2. Der über die lange Abwesenheit ihres Gatten klagen-
den Alcmena bringt Phädra die Nachricht von Amphitryons
Heimkehr. 3. Juppiter als Amphitryon empfängt Alcmena.
Die Weiber bestürmen ihn mit Fragen; Alcmena will Nach-
richten vom Kriege, Bromia von ihrem Manne Socia, Phädra
von ihrem Geliebten Gripus. Aber er hat nur Worte für Alc-
mena und betritt mit ihr das Haus.
IL Akt. 1. Socia tritt mit der Laterne auf. Sein Mo-
nolog stimmt genau zu Plautus. Er beklagt den Dienst bei
einem grossen Herrn: „the greätest Plague of a Serving-Man, is
to be hir'd to some great Lord" (vgl. V. 166, Opulento ho-
mini dura hoc magis seruitus est u. s. w.). Mercury vor
dem Hause tritt ihm entgegen. Die ganze Szene entwickelt
sich nach Plautus. — 2. Juppiter nimmt Abschied von
Alcmena in einer Moliere nachgebildeten Szene. Mercury
macht nun der Phädra eine Liebeserklärung, worüber ihn
Bromia, die ihn für ihren Socia hält, ertappt. Da sie ihn
prügeln will — a type of Juno — berührt er sie mit seinem
caduceus, worauf sie in Schlaf sinkt und Mercury mit den
Worten abgeht:
For two such Tongues will break the Poles asunder;
And, hourly scolding, make perpetual Thunder.
III. Akt. 1. Socia berichtet seinem Hei-rn Amphitryon,
was er erlebte. Dieser glaubt es nicht und schimpft ihn heftig.
— Alcmena tritt mit Phädra auf; sie wollen zum Tempel
gehen. Das Missverständnis zwischen ihr und Amphitryon hat
zur Folge, dass sie mit den Worten scheidet:
200 I- Amphitruo.
Oh! Nothing now can please me:
Darkness and Solitude, and Sighs, and Tears,
And all th' inseparable Train of Grief,
Attend niy Steps for ever . . .
Phädra fordert nun von Socia das ihr von Mercury ver-
sprochene Geschenk, den goldenen Becher (Gold Goblet), wovon
er natürlich nichts weiss; ebenso kömmt Brornia, ihn zu schelten,
dass er sie in Schlaf versetzt habe.
Juppiter naht in der Absicht, Alcmena zu versöhnen. Er
schickt Socia ab, um die Kriegsgefährten Polidas, Tranio,
Gripus u. a. zum Festmahle zu laden. Alcmena erscheint auf
dem Balkon. Juppiter winkt der Musik; es folgt Gesang und
Tanz. Alcmena aber zieht sich mit düsteren Blicken zurück.
IV. Akt. 1. Juppiter besänftigt Alcmena und geht mit
ihr ab; ebenso begütigt Mercury Phädra, indem er ihr den
versprochenen Becher, den er mittlerweile dem Gripus stahl,
als Geschenk überreicht. Da Mercury Amphitryon herannahen
sieht, steigt er rasch auf den Balkon und schmäht auf ihn von
oben herab, obwohl er sich selber gestehen muss: This is no very
charitable Action of a God, to use bim ill, who has never offended
me, but my Planet disposes me to malice; oder wie sich Moli eres
Mercure ungleich feiner ausdrückt (III, 2):
Ce n'est pas d'un dieu plein de charite;
Et je me sens, par ma planete,
A la malice un peu porte.
Amphitryon gerät in heftigen Zorn. Polidas, Tranio
und Gripus nahen mit Socia, der seinem Herrn gegenüber
aufrecht erhält, er habe den Befehl erhalten, sie zu Gast zu
laden. Zornig eilt Amphitryon um Soldaten, welche ihm das
Thor gewaltsam öffnen sollen. Da zeigt sich Juppiter auf dem
Balkon. Obwohl die unten Stehenden nicht begreifen können,
wie er hinaufkam, treten sie doch zum Mahle ein. Socia, der
gleichfalls hineingehen will („My Ticket is my Hunger," sagt
er), wird von Mercury fortgewiesen. Während seines Streites
mit Mercury tritt Phädra auf und ist entsetzt, zwei Socia vor
sich zu sehen. „What have we here? a Couple of you, or do I
see double?" — Mercury treibt den hungrigen Socia weiter und
giebt Phädra, auf den Boden stampfend, ein Ballet mit Gesang
und dem Hirtenspiel Thyrsis und Iris. (Pastoral Dialogue be-
twixt Thyrsis and Iris.)
V. Akt. 1. Phädra zeigt dem staunenden Gripus den
Becher, welchen sie von seinem Rivalen bekam; er erkennt ihn
sofort als den seinigen. Mercury ist herbeigeeilt und zwingt
nun Gripus, alle Ansprüche auf Phädra aufzugeben. Amphi-
Jolm Dryden. 201
tryon naht mit Waffen und befiehlt Phädra, sofort seine Gattin
zu holen, worauf ihm diese erwidert, der echte Amphi tryon
sei bereits im Hause. Zornigen Mutes will Amphitryon gegen
dasselbe losstürmen, da tritt Juppiter mit Tranio und Polidas
heraus. Beide sind nicht zu unterscheiden. (Two Amphitryons
— both shine out alike — two Drops of Water cannot be more
like — They are two very sames.)
Amphitryon zieht sein Schwert und will Juppiter nieder-
stechen, Tranio und Polidas halten ihn zurück. Niemand wagt
es, eine Entscheidung zu treffen. Alcmena schlägt sich auf die
Seite Juppiters.
Thy Words, thy Thoughts, thy soul is all Aniphitryon;
Th' Impostor has thy Features, not thy Mind,
ruft sie. Juppiter lädt nun alle zu einer Aufklärung ins Haus.
Come in, my Friends: and thou, who seemest Amphitryon;
That all who are in Doubt, may know the true.
In der Zwischenzeit giebt sich Mercury der Bromia und
Phädra, sowie dem Gripus und dem dazukommenden Socia
als den Gott Merkur zu erkennen. Donnerschläge folgen.
Aniphitryon und Alcmena eilen aus dem Hause, Juppiter
erscheint („in a Machine") und löst das Rätsel, alles nach
Moliere.
Our Sovereign Lord Jupiter is a sly
Companion; he knows how to gild a bitter Pill,
sagt Socia. Alle beglückwünschen Amphitryon, nur Mercury
enthält sich dessen; ,,'t is a nice point!" meint er. Amphi-
tryon wird Juppiters Gunst gerne dulden — ,.he 's a good
Heathen!"
Noch fügte Dryden einen von Phädra gesprochenen Epi-
log bei, welcher die schöne alte Zeit preist. Wie schön hatten
es die Heidendamen!
Adult'ry was no Sin ;
For Jove the good Example did begin.
Dryden hat in seiner Vorrede recht. Seine Arbeit ist
halb Plautus, halb Moliere.1) Moliere ist aber immer-
') Hawkesworth, sein späterer Bearbeiter (S. 79. "204) sagt (VIII)
von ihm: Dryden in whom sometbing great and something little unhappily
kept Company at most times, in the course of bis stage eontract f'ound
it easier to new model old materials than to create w\\: 1 n ■ arcordingly
took up this play as Moliere had lct't it, and added, besides its English
dress, much that was strictly bis own.
202 I. Amphitruo.
hin seine Haupt quelle, die er meist wörtlich übertrug. Dem
Plautus nähert er sich darum an jenen Stellen zunächst, wo
ihm Moli er e am treusten blieh, so z. B. II, 1 in dem ersten
Auftreten des Socia, in seiner Begegnung mit Merkur und die
ganze Szene hindurch. Was Moliere kürzte, nahm auch Dryden
nicht auf; dagegen hat er die Dialoge übermässig erweitert
und die ganze Fabel entsetzlich gedehnt, besonders einzelne
Szenen mit ganz schalen, nichtssagenden Reden ausgestattet und
eine Unmasse seichter Witze über mythologische Dinge einge-
flochten. l) Darum hat er gerade von dem frischen Duft der Mo-
liereschen Komödie nicht das Geringste in sich. Während
bei Moliere vornehmlich in diesem Werke die hohe Kunst der
Versifikation Bewunderung erzwingt, hat Dryden sein Lustspiel
prosaisch gemacht und eine grosse Anzahl sehr derber, vom mo-
ralischen Gesichtspunkte aus höchst zweifelhafter Stellen in das
ohnehin schon so freie Sujet verlegt. 2) Sehr berechtigt ist darum
Hippol. Taines Urteil3) über ihn. „Wenn er ein etwas freies
Stück übersetzt, den Amphitryon zum Beispiel, so findet er es
noch zu zahm xmd züchtig. Alles Schonende und Zarte streift
er ab, und gerade das Anstössige verschärft er. So sagt
Juppiter:
For Kings and Priests are in a manner bound
For Reverence sake, to be close hypocrites.
Darauf legt er offen und unumwunden seinen Despotismus dar.
Im Grunde dienen ihm seine Sophismen und seine Schamlosigkeit
nur dazu, um die Theologen und ihre unumschränkte Gottheit in
Verruf zu bringen.
Fate is what I,
By Virtue of Omnipotence, have made it,
Ana Power omnipotent can do no Wrong,
Not to myself, because I will it so;
Nor yet to Men, for what they are, is mine.
This Night I will enjoy Amphitryon's Wife;
For when I made her, I decreed her such
As I should please to love.
') Bisweilen auch mit satirischer Färbung, wie V, 1 gegen die
Priester: „Our Jupiter is a great Comedian, he counterfeits most ad-
mirably: Sure bis Priests have copy 'd their Hypocrisy froni their Master."
2) Man vergleiche z.B. Phädras Bemerkung 1,2: My Lady's Eyes
are pinking to Bedward too; now is she to look very sleeply counter-
feiting yawning . . .; Juppiters Wort (JJ, 2): Teil me and sooth my
Passion, ere I go . . .; und dann: No, no, that very Name of Wife and
Marriage is Poison to the dearest Sweets of Love u. s. f. Dies findet
sich allerdings (I, 3) auch bei Moliere, aber in wie unendlich feiner
Wendung. Ygl. hierzu die Bemerkung bei Mol and, V, 53.
3) Geschichte der englischen Litteratur von H. Taine. Autorisierte
deutsche Ausgabe. Zweiter Band. Das klassische Zeitalter der eng-
lischen Litteratur. Bearbeitet von Gustav Gerth. Lpz. (Günther) 1878,
S. 35. 36.
John Drydeu. 203
..Diese offne Pedanterie wird zur offenen Begierde, sobald er
Alkmene erblickt. Kein Detail ist übergangen. Juppiter
spricht sich gründlieh aus, und zwar in Gegenwart der Dienerin;
und als er am andern Morgen fort will, da umfangt sie ihn, sie
will ihn nicht fortlassen und überbietet ihn noch in den vertrau-
lichsten Andeutungen. J) All die edlen Formen feinster Galanterie
sind hier abgelegt, wie ein lästiges Gewand; der ungenierteste
Zynismus ist an Stelle aristokratischer Dezenz getreten. Der
Dichter hat bei dieser Szene sich nicht Ludwig XIV. und Frau
von Montespan, sondern Karl IL und die Castlemaine zum Vor-
bild genommen."
Diese prickelnden Beisätze zeigen genau den Geist jener
Zeit, dem Dryden so sehr nachgab, Dryden, der ja noch stark
von jenem sittenlosen Lustspiele seiner Vorgänger infiziert ist,
von dem sich loszureissen er sich allerdings später bemühte.2)
Ganz nach dem Geschmacke jener Zeit sind auch die von ihm
neu geschaffenen Gestalten, so z. B. die beiden Schwätzerinnen
Phädra und Bromia, steif, mit einer Art von Witz, die, da sie
nicht aus dem Herzen kömmt, nicht zum Herzen spricht, man
möchte sagen, voll akademischen Geredes, wäre es nicht zum grössten
Teile inhalts- und geschmacklos. 3)
') Als Juppiter gehen will, darauf hinweisend, dass der Morgen
graut, sägt Alkmene zu ihm:
But you and I will draw our Curtains close,
Extiuguish Daylight, and put out the Sun.
( 'ome back, my Lord . . .
You have not yet laid long enough in Bed
To warm your widowed Side. (II, 2.)
Mau vergleiche die römische Matrone des Plautus und das tugend-
hafte Weib bei Moliere mit dieser mitteilsamen Persönlichkeit.
2) Vgl H. Hettner, Geschichte der englischen Litteratur. 3. Aufl.
1872, pag. 94.
3) Treffend urteilt Francis James Child in seinen oben (S. 186 A. 4.)
angeführten Four Old Plays (Introd. IX), wo er Walter Scotts Wort
anführt,- der Drydens Amphitryon als „one of the happiest effusions
of Dryden's comic muse" bezeichnet: „This is not the place to expatiate
im the merits of the Latin play: but the assertion may be hazarded
without much risk, that both the original and Thorton's Version are,
taken as wholes, considerably superior to any of the imitations. Indeed,
tln- cliaracter of Alcmena. as drawn by Plautus, so truly innocent. simple
and loving, her distress on being suspected by her husband, and bis
agony at finding her, as he believes, dishonest, immediately suggest. as
the accomplishfjd translator has observed, a not discreditable comparison
witli our Othello. We may add, too, that the conclusiüii of the fourth
act, where Amphitryon, „perplexed in the extreme," and defying the
gods in the intcnsitv of Ins despair, rushes to the house to wreak liis
vinneance on his family and is Struck down by lightening rises to gran-
deur, ahuost to sublimity, and niust produce immense dramatic effect
in the representation. Very Little of this »öri of thing appears
in the modern play. Wliat Dryden has made of Alcmena will
204 I- Ampkitruo.
Ins Jahr 1694 fällt L. Echards Übersetzung des plau-
tinischerj Amphitruo1) in 8°, der 1746 jene von Th. Coocke
in 120 folgte.-)
Im Jahre 1764 wurde im Drury-Lane Theater eine Oper
Alcmena von Michel Arne und Battishill gespielt.3)
In einer späteren Zeit, als man an die Bühne vom Stand-
punkte der Sittlichkeit höhere Anforderungen zu stellen begann,
musste, wenn Drydens Amphitryon sich auf derselben halten
sollte, so manches unterdrückt werden. Diese Neubearbeitung
des Drydenschen Amphitryon übernahm Dr. Hawkesworth im
Jahre 1792. 4)
Die Gründe dieser Neubearbeitung und einzelner Änderungen
werden in der „Preface", wie folgt, auseinandergesetzt: The
abilities of Dryden, as a writer, are so generally and so justly
acknowledged to be of the first class, that it would be something
worse than impropriety to alter any of his productions without
assigning the reason. For the alteration of his Amphitryon,
indeed, the reason is evident; for it is so tainted with the pro-
faneness and immodesty of the time in which he wrote, that the
present time, however selfish and coiTupt, has too much regard
to externa! decorum, to permit the representation of it upon the
stage, without drawing a veil, at least over some inaccuracies,
which were remarked on the examination, which these alter-
ations made necessary, also are removed, of which the following
are the chief.
In the scene between Sosia and Mercury in the second
act, Amphitryon is supposed to have seilt a buckle of diamonds
by Sosia, as a present to Alcmena; fort Sosia first asks Mercury,
if Amphitryon did send a certain servant with a present
be unterstood, when we observe that he adapted her to the
Standard of contemporary taste. Yet Scott has strangely said,
that „in the scenes of higher cast, Dryden far outstrips both the French
and Roman poet" !
Im zweiten Band der Memoirs of John Dryden (Paris 1826),
S. 55, spricht Walter Scott vom Amphitryon „in which Dryden
displays his comic powers to more advantage than anywhere".
!) Halliwell, pag. 16. Amphitryon. Comedy translated front
Plautus, by L. Echard. 8°. 1694.
2) Sulz er. III, 704b.
3J Clement, Dict. lyrique, page 19.
4) Amphitryon; or, the two Socias. A comedy, as altered
from Dryden by Dr. Hawkesworth. Adapted for theatrical represen-
tation, as performed at the Theatres-Royal, Drury-Lane and Covent
Garden. Regulated from the Prompt -Books. By permission of the
Managers. London. Printed for the proprietors under the direction of
John Bell, British library, Strand 1792.
Dr. Hawkesworth. 205
to bis wife;1) and soon af'ter asks liim ,,what tbat present was",
whieh by Mercury's answer appears to be tbe diamond buckle;
yet in tbe scene between Ampbitryon and Alcmena in tbe tbivd
act, Avben Alcmena asks bim, as a proof of bis having been witb
her before, from whose bands she bad tbe jewel, be cries ont:
..Tbis is amazing; bave I already given you those diamonds? tbe
present I reserved". — And instead of supposing tbat Sosia
bad delivered tbem as part of his errand, whieh be pretended,
be could not execute, be appeals to him for tbeir being in safe
cnstody reserved to be presented by himself. Tbis is an incon-
sistency pecnliar to Dryden; for neitber Plautus nor Moliere any-
where mention tbe present to bave been sent by Sosia.
Tbere is anotber inaccnracy of tbe same kind, whieh occurs
botb in Plautus and Moliere. It appears in tbe second act, tbat
one part of Sosia's errand was to give Alcmena a particular
account of tbe battle; and Sosia's account of his being prevent-
ed, is so extravagant and absurd, tbat Ampbitryon cannot believe
it: yet, when Alcmena, in tbe tbird act, asks Ampbitryon, bow
she came to know what be bad sent Sosia to teil her,
Ampbitryon in astonisbment, seems to admit tbat she could know
the particulars only from himself, and does not consider her
question as a proof tbat Sosia had indeed delivered his message,
though for some reasons he had pretended the contrary, and for-
ged an incredible story to account for his neglect. As it would
bave been much more natural for Ampbitryon to bave supposed
tbat Sosia had told him a lie, than tbat Alcmena bad, by a
miracle, learned, what only he and Sosia could teil her, witbout
seeing either of tbem, tbis inaccuracy is removed, by introducing
such a supposition, and making the dialogue correspond witb it.
In the second act, Jupiter, in the character of Ampbitryon,
leaves Alcmena witb much reluctance, pretending haste to return
to tbe camp, and great solicitude to keep his visit to her a
secret from the Tbebans: yet when he appears again in tbe tbird
act, wbich he knew would be taken for tbe tbird appearance of
Anipbitryon, just af'ter his departure, wbich seems to be absolu-
tely necessary to maintain his boiTOwed cbaracter consistontly:
and witbout dropping the last bint of liis being no longer soli-
citous to conceal his excursion from the camp, he sends Sosia
to invite several of tbe Citizens to dinner.
Many other inaccuracies less considerable and less apparent,
bave been removed, whicb it is not necessary to point out:
') Über solche Inkonsequenzen s. bei Sauppe, Wanderungen auf
dem Gebiete der Sprache und Litteratur, S. 222. (Geppert. Plautin.
Studien. I, 61.)
206 !■ Amphitruo.
whoever shall rliink it worth while diligently to compare the play
as it stood with the altered copy, can scarce fail to see the reason
of the alterations, as they occur.
Auch sonst findet Dr. Hawkesworth vieles zu tadeln, vor
allem das etwas zu freie Benehmen, mit dem sich Amphitryon
und Alcmena vor ihrer Dienerschaft geben. Nochmal fasst er
seine Verbesserungen in den Worten (V.) zusammen: If, after all,
it be asked, why this play was altered at all, I answer, because
it might otherwise have been revived, either by other managers,
or at another house, without being altered, otherwise than being
maimed; some parts, indeed, would have been left out, but as
nothing would have been substituted in the stead, it would have
become imperf'ect in proportion as it became less vicious; and
would still have been so vicious in the very constituent parts,
as to sully, and, perhaps, corrupt almost every mind, betöre
which it had been represented. But though I should have been
sorry, to see the Joint work of Plautus, Moliere and Dryden so
mutilated as to lose that proportion of parts, by which alone
those parts can constitute a whole; yet my principal view was
effectually to prevent the exhibition of it in a condition, in which
it could not be safely seen: and this, I hope, will be admitted
as a sufficient apology for my having thus employed some
hours of that time, which shall return no more, by those avIio
have little regard for Amphitryon as a piece of ancient humour,
retouched and heightened by two of the most eminent masters
that modern times have produced.
Dem Prolog Drydens ist ein neuer beigegeben, der wieder-
holt den Zweck der Neubearbeitung deutlich ausspricht:
(X) The scenes, which Plaulus drew, to-night we shew
Touch'd by Moliere, by Dryden taught to glow.
Drydeu! — in evil days bis genius rose,
When wit and decency were constant foes.
Freed froni bis faults we bring bim to tbe fair.
And urge once more bis claim to beauty's care.
(XI) Yet not on wbat we give, our fame must rise:
In what we take away, our merit lies.
To make wit bonest was our only claim:
If we succeed, some praise we boldly ask —
To make wit bouest is no easy task.
Unter den Personen ist Tranio unter den „dramatis per-
sonae" als Traneo, im Stücke aber wieder als Tranio bezeich-
net. Die Kürzungen sind sehr zahlreich. Das lange' Gespräch
zwischen Mercury und Phöbus (I, 1) beschränkt sich auf drei-
Hawkesworth u. a. 207
zehn Zeilen. Juppiter erzählt ganz kurz seine Absicht; weniger
zugeschnitten ist Mercurys Gespräch mit der Nacht. Auch in
der nächsten Szene — Juppiter-Amphitryons und Alcmenas
Begrüssung — haben nur einige etwas, anstössige Worte fallen
müssen. In dieser Art ist das ganze Stück gehalten.
Ausser den oben angeführten Änderungen hat sich Hawkes-
worth keine Zuthaten erlaubt, als hin und wieder einige durch
Auslassungen nötig gewordene Verse und Stichworte. Unterdrückt
sind auch die Gesänge am Schlüsse des dritten Aktes (Celia,
that I once was blest), Mercury's song, das Pastorale Thyrsis und
Iris (IV.); dafür findet sich neu eingelegt ein „song by a person
who enters in the character of Plutus" (S. 88) und dann ein Ge-
sang einer Nymphe „in the character of Wit".
Sosias Schlussworte sind andere, als bei Dryden. Statt
der Drydenschen :
For, let the wicked World say what they please,
The fair Wife makes her Husband live at Ease;
The Lover keeps him too; and but receives,
Like Jove, the Remnants, that Amphitryon leaves:
'T is true the Lady has enough in störe
To satisfy those two and eke two more:
In fiue, the Man, who weighs the Matter fully,
Wou'd rather be the Cuckold than the Gully.
hat Hawkesworth die folgenden:
But — down ambition! let me not complain —
Enough that I am Sosia once again!
Though not a cuckold, yet content I '11 be;
The great nian's happiness is not for me.
But of niyself shall I be robb'd no more?
Your voice „ye learned Thebans" I implore —
Give me your suffrage, I'll be Sosia still;
Let bully Merc'ry there do what he will.
Phädras Epilog fehlt.
Dass Drydens Amphitryon auch in dieser Gestalt kein
Glück machen werde, ahnt der Bearbeiter selbst. „In the present
age a mythological play will rarely find a very splendid fortune, "
sagt er. Dazu bedurfte es der Feinheit und Vollendung eines
Moliere. Dryden war diesem Probleme nicht gewachsen; ja
es scheint fast, als hätten ihn Nebenzwecke zu diesem Stoffe
veranlasst.
An die Hawkesworthsche Bearbeitung Drydens hat
sich späterhin der Schauspieler Wo od ward angelehnt und noch-
mal, wohl durch Moliere angeregt, von dessen Amphitryon
1714 die Übersetzung von Ozell und 1732 eine andere in
208 I- Anrphitruo.
England erschienen war,1) John Oxenford (geh. 1812; gest.
21. Febr. 1877). 2)
Eine deutsche Bearbeitung des Amphitruo lieferte im
Jahre 1608 Wolfahrt Spangenberg:3) Comödia, inhaltend die
Empfengknüss vnd Geburt Herculis, auss dem Lateinischen
Maccii Accii Plautii, verteutscht durch M. Wolfahrt Span-
genberg.
Es war mir nicht möglich, irgendwo ein Exemplar dieses
Stückes aufzutreiben.
Eine der seltsamsten Paraphrasen des Amphitruo ist des
Johannes Burmeister Stück Sacri Mater Virgo,4) eines der
seltensten Bücher, dessen Kenntnis ich der Freundlichkeit der
kgl. Bibliothek zu Berlin verdanke. Hier ist in einer manchmal
fast bedenklichen Weise die Geburt Christi in den Amphi-
truo verlegt. Den Inhalt des Stückes mag uns am besten des
Dichters eigenes Argumentum Germanicum Matris Virginis
(S. 99 ff.) geben.
Hören wir ihn selber:
') Le Molieriste. EU, pag. 61. 62.
2) Le Molieriste. I, 318. LAinphitryon de M. John Oxenford,
d' apres Dryden est copie sur celui de Moli er e. — Despois (Ausg.),
S. 351. Parmi les versions separees d'Amph,itryon nous citons . . . une
autre egalement d' apres Dryden faite aux Etas unis par John Oxen-
ford. — Ob dies etwa die Komödie des J. Oxenford: I and my Double.
A farce in two acts . . . as performed at the Theatre Royal English
Opera (zu Ende der dreissiger Jahre gedruckt), ist, habe ich nicht eru-
ieren können. In F. Bornmüllers Schriftsteller-Lexikon, Lpz. 1882,
S. 545, ist keine Komödie Amphitruo aufgeführt, wohl aber erwähnt,
dass Oxenford mehrere seiner Stücke dem Französischen und
Deutschen entnahm.
3) Er war aus Mansfeld (geb. um 1570, Sohn des Cyriacus Sp.),
lebte aber später in Strassburg (gest. wahrscheinlich 1637). Er
nannte sich auch Lycosthenes Psellionoros Androp ediacus und
gab unter diesem Namen in Nürnberg seine „Singschul", eine Art
Geschichte der Meistersänger, heraus, die Gottsched (I, 186) ins Jahr
1630 setzt. Er übersetzte griechische und lateinische Dramen und schrieb
eigene Stücke (Simson 1604; Mammons Sold 1614). (Koberstein. I, 427.
Kurz. II, 104. Schnorrs Archiv. XI, S. 319. Anzeiger für deutsches
Altertum. I, S. 159. Strassburger Studien. I, S. 374— 379.)
4) M. A. Plauti | Renati | sive | Sacri | Mater-Virgo | Comoedia prima
ex Am Iphitruone | Ad ] Admirandvm Conjceptionis et Incarjnationis Filii
Dei | Misterium | inversa. | Joan. | Burmeistero Lu nae-burg. P. L. Caes.
Recen sente | Ignobilis Bura Lucratur | Invidia Bucca Lacrumatur | Lune-
burgae | Excudebat, Andreas Michaelis | M. DC. XXI. | 108 Seiten. —
S. Gödeke, Grundriss. I, 138. — Nach freundlicher Mitteilung des
Herrn Stadtbibliothekars W. Görges in Lüneburg enthält die dortige
Bibliothek von Burmeister nur: Martialis Renati Parodiarum sacra-
i'iiin pars prima, media, ultima. Goslaviae (Stern) 1612. 12°.
J. Burmeister. 209
Als in Jerusalem der Stadt
Joseph ein newn Tempi gebawt hat,
Auff König Herodis befehl:
Wird gesendet auss dem Himmel
Der Engel Gabriel von Gott,
Gen Nazareth mit dem Gebot:
Das Maria die Jungfraw rein,
Würd ohn Manns zu thun schwanger sein,
Durch Krafft des heilgn Geists gebärn
Der Welt Heyland, Christum den HErrn.
Welchs dem Asmodi gefeit nicht,
Daher grossen Betruch anrieht:
Herodes hat Joseph verehrt
Ein güldn Pocal, den offeriert
Asmodes Jungfrawn Mariae
Vntr der gestalt des Sosiae.
Treibt von der Thür den Sosiam,
Verwirrt Joseph vnd Mariam.
Als Joseph Mariam schwangr sieht,
Vnd jhrem bericht trawet nicht,
Vermeint er ohn allen scheu
Das sie ihm gewordn sey vntreu,
Gedenckt derwegn billicher massn,
Nach dem Gesetz sie zu verlassn.
Der Engel thut Joseph bericht,
Ihn im Geheimbnuss vnterricht,
Joseph trawet des Engels Wort,
Nimpt Marian an also fort,
Vnd werden eins in ihrem Sinn,
Gen Bethlehem zu reisen hin,
Des Keysers Gebott nach zu lebn,
Vnd von jhrn Gütern schätz zu gebn.
Asmodes aber Buhet nicht,
Zu Bethlehem vnruh anrieht,
Bringt auss durch ein falsches Geschrey
Das Maria geschwengert sey,
Wiedr das Gesetz, für der Hochzeit,
Ein Priester begert darvon bescheidt
Zu wissn, denselben mit vngebuer
Treibt Asmodes ab von der Thür.
Der Priester meint, dz durch den Knecht
Joseph diss alles angelecht,
Maria vnd Joseph geben bericht,
Der Priester aber wils glauben nicht,
Das die sach so geschaffen sey,
Endtlich verbleibet es darbey:
Da sich in der Geburt rechtr massn,
Wurdn Zeiclm der Jungfrawschafft findn lassn,
Vnd die Wehmuttr bröcht Zeugnus dar
Wolt er gleubn das es were wahr.
Darauff den Hirten auff dem Fehlt,
Der Engl Christi Geburt vermeldt.
Die Wehmuttr, mit verwundrung sehr
Sagt, dz vnverletztr Jungfrawn Ehr,
Maria geborn ein Wundr Kind,
Darzu der Hirtn Zeugnus sich findt,
Joseph Erfrewt sich der Geschieht,
Vnd wird alls mit Frewdn aussgericht:
14
210 I- Amphitruo.
Argumentum actus | primi:
Josejdis Knecht Sosia bericht
Wie des Templs gebäwt sey verriebt.
Und das wegn angewantem fleiss,
Joseph erlanget Ehr vnd Preiss,
Sey dem König wordn lieb vnd werth.
Mit einem Güldn Pocal verehrt,
Wie er abr solches in der still
Des Josephs Braut verkündigen will,
Steht Asmodes dar für der Thür,
Vnd treibt jhn ab mit vngebuer,
Gibt für das er sey Josephs Knecht,
Sosia muss jhm geben recht,
Wird geschlagn, muss betrübt weg gehn,
Vnd lassn jhn für der Thüre stehn,
Asmodes meint durch seine List,
Zu verhindern was vorhanden ist,
Kans abr zu wege bringen nicht.
Gabriel sein Werbung aussricht,
Das auss des heilign Geistes Krafft,
Ohn Verletzung der Jungfrawschafft
Maria schwanger soll gebarn
Der Welt Heyland, Christum den HErrn,
Wordurch Asmodes sehr erschreckt
Jedoch seinen betruch bedeckt.
Argumentum actus | seeundi:
Im andern Act Joseph kompt herein
Mit Sosia dem Knechte sein,
Welchr bericht das er gleichr Figur,
Am Gesicht, Kleidung vnd Statur,
Ein andern Sosiam gesehen,
Zu Nazareth für der Thür stehn,
Joseph vermeint es sey erlogn,
Odr Sosia sey wordn betrogn.
Maria find sich schwangr zu handt,
Als Joseph erfahrt jhrn zustandt,
Ist jhm die sach verdechtig sehr,
Will jhren Wortn nicht glauben mehr
Gedenckt auff mittl sie zuverlassn,
Maria ist betrübt vbr die massn,
Das jhr beweist wird solche schmach.
Doch thut sie GOtt befehlen jhr sach.
Argumentum actus | tertii:
Im Traum der Engel Gabriel
Trost des trawrigen Josephs Seel,
Entdeckt ihm das Geheimbnuss gross,
Vnd macht sein Hertz des argwohns loss,
Des Propheten Zeugnüss erklert,
Vnd drauff ferner an jhn begehrt,
Weil Maria Ehr: vnd Tugent voll,
Er sie billig annemen soll,
Joseph bald auff des Engels Rhat
Sich mit Maria versühnt hat,
J. Burmeister. 211
Verreisen beid gen Bethlehem.
Asm ödes erschreckt in geheim
Erdenckt ein ander Bubenstück,
Sie zu bringen in Vngelück.
Argumentum actus j quarti:
Im virdten Actu werd jhr hörn
Wie Asmodes erfüllt die Ohrn
Des Priesters mit einm falschn Geschrey,
Als wann Maria schwanger sey
Durch Hurerey, will wissen grund,
Vnd fordern abtracht für die Sund.
Asmodes hat verschlossn die Thür,
Lest den Priestr verspot stehn dafür.
Der Priestr an Sosia rächet sich,
Weil Asmodes jhrn war einlich,
Mariam vnd Joseph zur red stelt,
Das Geheimbnus jhm wird vermeldt,
Mit der Schrifft zeugnus bewehrt ebn,
Noch will er jhnn keinn glauben geben :
Es sey, den das die Jungfrawschafft
In der Geburt sehn lass jhr Krafft.
Argumentum actus | quinti:
Der Engl verkündigt auff dem Feldt
Denn Hirtn, das der Heyland der Welt
Zu Bethlehem geboren sey.
Die Wehmutter bezeuget frey,
Das Maria das Kindt geborn,
Vnd jhr Jungfrawschafft nit verlorn,
Die Hirten bringen Newe Meer,
Joseph frewt sich vbr die mass sehr,
Danckt Gott, sie verfügn sich zu haus,
Vnd geht das Spiel mit Frewden auss.
Die Personen des Stückes sind: Gabriel, Prologus; Sosia,
Servos; Joseph; Maria, Virgo; Asmodes; Flamen Judaicus; Obste-
trix; Pastores, tres.
Der Text ist wörtlich, soweit es der Inhalt zulässt, mit dem
plautinisclien Originale übereinstimmend.
Gabriel als Prologus hat sich die Worte des Mercurius angeeignet:
Vt vos in vostris voltis caerimoniis
t/horo, foro, toröque me laetum sacris
Afficere atque adjuvare in rebus Omnibus:
Et ut res prece'sque vestrorum omnium
Beue, exaudiri voltis, peregreq; & domi
Bonoque atq; amplö auctare perpetuö lucrö
u. s. w. bis V. 12:
Mihi esse ab ahnd Jehova, ut praesim nuncüs.
(V. 15.) Ita lmic facieti^ Uistoriae silentium,
14*
dann :
212 I- Amphitruo.
bis die mythologischen Berichte (V. 19) weitere Änderungen
nötig machen:
Bei jussu venio: GABR1ELIS est mihi
Nomen. Me huc misit ad vos oratum Dens
( V. 24.) Verum profectö hoc petere me precariö
A vobis jussit CHRISTUS Qtüv&QomoQ. Licet
Etenim il/e essentiä aeterno aequalis patri,
Quia tarnen carnem vostram, sine labe, induit,
Humana matre natus divinö patre:
Mirari non est aequum, si sibi praetimet,
Ne capti ab ASMUÜE hoste, Adami ut filii,
Contagione Uta detis turbas novas.
Propterea face advenio, & pacem ad vos adfero.
Verum rem, at inauditam ante, vobis nuncio.
Nam ver'e ä verö sum vobis nuncius datus.
Nam falsa verum nnnciare non decet
Falsa autem ä vero petere insipientia 'st.
Quippe ille falsum, är vanum ignorat, neque tenet.
Nunc jäm hüc animum ad ea, quae loquar, advortite.
Debetis velle quae velim: mcruit enim
Qui me misit de vobis, atque Ecclesiä.
Nam quid ego memorem (ut alios in tragoediis
Vidi heroas Josephum, Mosen, Josuam,
Samsonem, Jsaidem, commemorare quae bona
Suis fecissent) queis benefactis unicus
Deum regnator, architectus omnibus?
Set mos is nunquäm tri-uni fuit DEU
Ut exprobraret quod bonus faceret bonis
und so geht es fort, meist sich an das Original anschliessend bis
zur Exposition der Lage (V. 97):
Haec urbs est NAZARETB. In hisce habitat aedibus
MARIA virqo, nata ex JEBOLAK IM 0 patre,
JOSEPBl sponsa fahrt de DA V IBIS tribu.
Is nunc JOSEPH profectus est Hierosolymam.
Nam rex HERODES templum slrui curat novum:
Is prius quam hinc abiit ä rege conductus ad opus
Hüne virffinem MARI AM despondit sibi:
Sed non usuram cepit ejus corporis.
Jam ego vos novisse credo, ut sit bonitas DEL
Es folgt ein weiterer theologischer Abschnitt über den
Sündenfall und die Erlösung; der Schluss nähert sich wieder dem
plautinischen Wortlaut.
Das Zusammentreffen des Sosia und Asmodes schliesst sich
enge ans Original an.
Qui me alter est audacior homo? 4' simul impru/l entior?
Qui militareis mores sciam, qui hoc noctis solus ambulem?
Quid faciam nunc, si latrocinatis manus me apprehender/t?
beginnt Sosia seine Rede. Was der plautinische Sklave vom
Teleboerkrieg sich zurecht richtet, gilt hier für den Tempelbau:
J. Burmeister. 213
Id. su>/>]>tt< regio atque opificüm operä sfructum est aedißcium,
Arte atq; industriä heri uiei J0SEPH.1 maxume,
Qui. pro discretione, operi praefecit artifieeis, suä
Regiq : sie HER0D1 Magno reguum stabilivit suum.
Me ab urbe praemisit douium, haec ut sponsae nunciem suae.
Ut struxerit /c//t/>/i arcam duetu, imperio, auspicio suo.
Ea nunc meditabor, quo modo Uli dicam, quum illo advenero.
Si dixero mendacium. solens: meo niore fecero.
Xam quom struebanl Uli, ego laborem fugiebam maxume.
u. s. w. Hinsichtlich der langen Nacht meint Sosia (nach V. 271):
Certe edepol scio. si quiequam :st quod credam certo sciam
Credo ego hac noctu MESSlAM promissum adfore,
Xam ecce Libra horoscopat cum spica virginis,
Et cum praesepi Cancer alte in coelo culminat !
vl. s. w. Asmodes freut sich des Dunkels wie Merkur (V. '277 i:
Perge. nox ut oecoepisti; gere fraudi morem meae.
In dieser Weise ist das ganze Stück durchgeführt. Weniges
ist vom Dichter neu eingesetzt: so die dritte Szene des ersten
Aktes zwischen Gabriel, Maria und Asmodes nach Lucas I, V. 23,
31, 35, 36, sowie auch sonst Stellen aus den heiligen Büchern
häufig sind.
Die Hirten auf dem Felde tragen die klassischen Namen
Mopsus, Menalcas, Tityrus. Die Rolle der Bromia hat hier die
obstetrix. Joseph schliesst das Stück:
Nunc ibo intro ad Infantem & puerperam.
Vos, speetatores, CHRISTI nati caussä, etare plaudite.
Es folgt „Ein Geistlich Hirten Gesang von der Geburt Christi,
welches zum besehluss der Comoediae von den Hirten kau gesungen
werden", das nicht ohne poetischen Schwung ist.
Noch enthält das Stück drei Szenen, welche beliebig ein-
geschaltet werden können: „Tres sequentes Scenae parerga traetant,
nee inversö Plauti stylo constant, poterunt igitur, proactoris ar-
bitrio, sine Comoediae dispendio, vel notatis locis inseri, vel pror-
BUS omitti." Sie bandeln zwischen Asmodes. Moj)sus, .Menalcas,
Tityrus; Menalcas, Tityrus, Mopsus: Mopsus, Martha, Flamen.
Zahlreiche Epigramme, die vor dem Stücke stehen, das Bur-
meister in seiner Widmung an den Herzog Adolph Friedrieh
von Mecklenburg als ..ex Plauto ad Christum inversam comoe-
diam" bezeichnet, zeugen von der Aufmerksamkeit, die man dem-
selben wi '.niete. Burmeister selbst bezeichnet in seiner Vor-
rede an den Leser die Arbeit als eine mühevolle. ..Tantum opus
(d. h. den ganzen Plaut us so zu bearbeiten) requirit multum
214 I- Amphitruo.
temporis, nee parum laboris." Er steht aber schon bei der sechsten
Komödie, der Casina, die er Susanna1) betitelt hat, und hofft
das ganze Werk vollenden zu können.
Wohl zu weit ist es gegangen,2) wenn man bei Johann
Georg Schoch, Comedia vom Studentenleben, Leipzig 1618, 3)
Beziehungen zum plautini sehen Amphitruo finden will.
Es ist dort keinerlei Reminiszenz an Amphitruo,
als dass Mercurius das Stück einleitet; er kümmere sich nun
auch um die Studenten: „Ihr wundert euch, woher ich, ein Schutz-
Herr sonsten der Kauffleute und Diebe, anietzo auff die Stu-
denten komme. Ich bin so wol der freyen Künste als der Kauff-
manschaft ihr Gott und Patron, beydes wil ich euch in diesem
lustigen Schau-Spiel für Augen stellen." Ebenso tritt er wieder in
der fünften Handlung auf. Man darf wohl sagen ohne jede Be-
ziehung zu Plautus.
Ob das Spiel „auss ainer alten Römischen historj vom hercu-
les", um dessen Aufführungsbewilligung im November 1549 ita-
lienische Wandertruppen in Nürnberg baten,4) ein Amphitruo
(oder das Stück Senekas) war, ist zweifelhaft.
Ein Amphitruo wurde im Jahre 1626 und öfter in Dres-
den gespielt (vgl. oben S. 197). Hierüber berichtet Fürstenau:5)
.,Vom Jahre 1626 liegt uns das erste Verzeichnis der von den
, Engländern' während der Monate Januar, Februar, Mai, Juni,
Juli, September, Oktober und Dezember in Dresden am Hofe ge-
spielten Stücke vor. Dasselbe enthält das ganze damalige Re-
pertoir der Engländer, worunter viele Stücke Shakespeares . . .
Ausserdem kommen vor die Tragikomödien und Komödien vom
Hamman und Esther . . . vom Amphitrione" : und nochmal6)
„Im Komödienhause (zu Dresden) kamen an neuen Stücken zur
Darstellung . . . das Freudenspiel von Juppiter und Amphitryonen . . .
Von diesen Schauspielen wurden kurze gedruckte Inhaltsanzeigen
verteilt. "
An weitem Bearbeitungen nennt Gottsched:7) „Die in Lor-
») „Jam enim in sextä CASINA laboro, quam SUSANN AM voco."
2) Grässe (Handbuch III, 617) sagt nur: „Merkur spielt wahr-
scheinlich nach dem Muster des plautinischen Amphitruo die
Holle eines Vor- und Zwischenredners."
3) Mir zur Hand war Joh. G. Schochs | Comoedia | Vom ] Studenten-
Leben | LEIPZIG | zu finden bey Johann Wittigauen. 1658. — Grässe
a. a. 0. nennt (wohl irrtümlich) eine Ausg. von 1668. — C. W. Böt-
tiger, Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen (Hamb. 1831)
H, 217, führt 1657 als Entstehungsjahr der Komödie an.
4) Dr. K. Trautmann in Schnorrs Archiv XUI, S. 67, Anm. 1.
5) Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden.
Dresden 1861. Bd. I, S. 97.
•) A. a. 0. I, 229.
') Nöth. Vorr. I, 232.
Amphitruo in Dresden. 215
beer verwandelte Daphne. Musical. Schauspiel. Dresden; dabei
sind aucli zugleich aufgeführt worden: 1. Nimrod in einem
Quintan Rennen. 2. Der keusche Joseph, theatralisch. 3. Saul
und David. 4. Jupiter und Amphitryon. 5. Die heilige
Märterinn Dorothea.
Eine weitere Oper „Jupiter und Alcmene" nennt Gott-
sched1) (Lpz.) im Jahre 1696: wiederum2) Jupiter und Alc-
mena (Lpz.) aus dem Jahre 1704.
Auch sonst fehlt es in Deutschland nicht an Mitteilungen,
dass Amphitruobearbeitungen gespielt wurden. Ein Festbericht
aus Dresden (Februar 1678) von Gabriel Tzschimmer, 3) 1680
in Nürnberg gedruckt, schildert als neunte Nummer eine Am-
phitruoaiifführung. Dort heisst es auf Seite 303:
„Nach selbiger (d. h. nach der Tafel) aber, die Comoedia
von Amphitryone im Comoedien-Hause agieret.
Inhalt der Comoediae von Jupiter | und Amphitryo. |
„Sobald als Jupiter auf die Alcmena ein Liebes-Aujge ge-
worfFen, verstellet er sich in die Gestalt ihres | Ehemannes, des
Amphitryonis, eben zu der Zeit, | da derselbe wider die Feinde
') A. a. 0. 1,263. — Emil Weiler. Annalen der poetischen National -
litteratur im XVI. und XVII. Jahrhundert, (Freiburg i. B., 1862—1864.)
H, 280.
2) Gottsched, a. a. 0. I, 275.
3) Der Titel des Prachtwerkes ist: Die | Durchlauchtigste | Zusam-
menkunft, | Oder: | Historische Erzehlung, | Was | Der Durchlauchtigste
Fürst und Herr, | Herr Johann Georg der Ander, | Herzog zu Sachsen,
Jülich, Cleve, und Bergk, des | Heiligeu Römischen Reichs Ertz-Marschall,
und Churfürst, Landgraf in Thüringen, Marggraf zu Meissen, auch Ober-
und Nieder-Lausitz, | Burggraf zu Magdeburgk, Graf zu der Marck und
Ravens- bergk, Herr zum Ravenstein | Bey | Anwesenheit | Seiner Ckur-
fürstlichen Durchlauchtigkeit Hochgeehrtesten Herren | Gebrüdere, dero
Gemahlinnen, Prinzen, und Princessin'nen, zu sonderbahren Ehren, und
Belustigung, in Dero Residenz und | Haubt-Vestung Dresden im Monat
Februar io, des | MDCLXXV1TI sten Jahres | An allerhand ] Aufzügen,
Ritterlichen Exercitien, Schau-Spielen, | Schiessen, Jagten, Operen, Co-
moedien, Balleten, Mas queraden, Königreiche, Feuerwercke, und
andern Denkwürdiges aufführen und vorstellen lassen, | Alles | Auf gnä-
digsten Befehl, und Anordnung Höchstermeldter Sr. Churfürstl. | Durchl.
genau bemercket, und das vornehste nach dem Leben in unter[schie-
dene Kupffer gebracht,] Nebenst etlichen hierzu gefügten | Erläuterungen, |
Nachdenklichen Geschichten, heilsamen Sitten-Lehren, Politischen Er-
innerungen, | und gef asten Sprüchen; wie nicht weniger Religions-Estats-
Kriegs-Jagt- | und andern diessfalls dienlichen Sachen. | Allen Edlen Ge-
müthern zu fernerer Aufmunterung Heroischer Tugenden, Anführungen
kluger | Welt- und Staats -Händel, und dann zur Bespieglung Mensch-
licher Glückseeligkeit, Ehre, I Hoheit, Fälle, Anstösse, Mängel und Ge-
brechen herfür gegeben, | und zum Drucke befördert [ Durch | Gabriel
Tzschimmern. | Nürnberg. | In Verlegung Johann Hoffmauns, Buch- und
Kunsthändlers. | Gedruckt daselbst bey Christian Siegmund Froberger.
ANNO MDCLXXX. — (Vgl. auch Gottsched ä. a. 0. I, 244. Freyes-
leben 51.)
216 I- Amphitruo.
des Vaterlandes, auf | Befehl des Königes Creontis, zu Felde ge-
zogen. Alc'mena empfäliet ihn mit grosser Liebe und Freund-
lichkeit, und | meinet nichts anders, als oh es ihr Mann sey.
Mercurius nimht | des Amphitryons seines Knechts Sosiä Gestalt
an sich, und betreugt [ (S. 304) heydes den Herrn und Knecht,
nachdem Sie wieder | nacher Hause kommen. Amphitryo geräth
deswegen mit | seinem Weibe in einen Zanck, und beschuldiget
Eines das Andere des Ehebruchs. Als derowegen Blepharo, der
vornehmste | Schiffer über dasjenige Schiff, worauf Amphitryo
zu Hause | gekommen, desswegen zum Schiedesmann verordnet,
kau er | nicht, wer der rechte Amphitryo sey, entscheiden, sondern
die | Verwirrung, wird die länge je grösser, so-gar, dass auch
Amphitryo wegen seiner Ungedult, von allen seinen Dienern ver|
lassen, und Jupiter vor dem rechten Amphitryo gehalten wird. |
Inmittelst mercket die Eiffersüchtige Juno des Jupiters heimliche
Liebe, kommet dannenhero in Gesellschaft der Göttin Iris | herunter,
und will sich, vermittelst der Zauberey, wodurch beydes | die
Mutter und Frucht ümbkommen sollte, an der Alcmena | rächnen.
Jupiter aber hintertreibet solches, und nachdem J der Handel
offenbahr, gebiehret die Alcmena Zwillinge, dar unter einer Hercu-
les genannt, wormit die gantze Action ihr | Ende, und darauf
ein Engländischer Tantz gehalten."
Interessant ist, wie in den meisten Bearbeitiingen Juno und
Iris mitspielen und erstere einen Racheplan gegen die unschuldige
Alcmena hegt.
Eine andere Mitteilung über eine deutsche Amphitruo-
aufführung im Jahre 1716 zu Wien verdanken wir der Lady
Wortley Montague (geb. um 1690 als Lady Mary Pierre-
pont; gest. 1762). Sie berichtet von einer solchen in einem
Briefe1) an Pope von Wien, datiert vom 14. September 1716.
Es muss bei derselben sehr derb hergegangen sein.-) Juppiter
fällt aus einem Guckloche in den Wolken, betrügt Alkmenes
Schneider um ein besetztes Kleid und einen Juden um einen
Diamantring; ja selbst der freilich damals sehr übliche Witz, dass
die beiden Sosia ihre Hosen verloren, erregte lauten Beifall.
Nachdem sich Lady Montague über das Opernhaus und
eine Aufführung der Alcina sehr günstig geäussert hat, fährt
sie fort: But if their operas are thus delightful, their comedies
are in as high a degree ridiculous. They have but one play-
') The letters and works of Lady Mary Wortley Montague,
edited by her great grandson Lord Wliamcliffe. Second edition,
revised in three volumes. London (Rieh. Bentley 1837). I. Bd., S. 286 ff.
2) Vgl. auch E. Devrient, Geschichte der deutschen Schauspiel-
kunst. Lpz. 1848. Bd. I, S. 336, und in Bonnel Thornton's englischer
Übersetzung des Amphitryon.
Wiener Aufführung. Falk. 217
house, where I liad a curiosity to go to a German comedy , and
was very glad it happened to be the story of Amphitrion.
As that subject has been already handled by a Latin, French
and English poet, I was eurious to see, what an Austrian antlior
would make of it. I understand enongb of that langnage to
compreliend the greatest part of it; and besides, I took with nie
a lady, who had the goodness to explain to nie every word. The
way is, to take a box, which holds four, for yonrself and Com-
pany. The fixed price is a gold dncat. I thought the honse
very low and dark; but I confess, the comedy admirably re-
compensed that defect. I never langhed so much in my
life. It began with Jnpiter's falling in love out of a peep-hole
in the clouds, and ended with the birth of Hercules. But what
was most pleasant, was the use Jupiter made of bis metamor-
phosis; for you no sooner saw him under the figure of Amphi-
trion, but instead of flying to Alcmena with the raptures Mr.
Dryden puts into bis mouth, he sends for Amphitrion's taylor and
cheats him of a laced coat, and bis banker of a bag of money,
a Jew of a diamond ring, and bespeakes a great supper in bis
name; and the greatest part of the comedy turns upon poor
Amphitrion's being tormented by these people for their debts.
Mercury uses Sosia in the same manner. But I could not easily
pardon the liberty the poet has taken of larding bis play with not
only indecent expressions but such gross words as I don't think
our mob would suffer from a mountebank. Besides, the two So-
sias very fairly let down their breeches in the direct view of the
boxes, whieh were füll of people of the first rank, that seemed
very well pleased with their entertainment, and assured nie this
was a celebrated piece.
Der Umstand, dass Johann Daniel Falk (S. 101) später
einen Amphitruon schrieb, legt die auch von H. Kurz1) be-
merkte, sonst nicht gerade zwingende Annahme nahe, dass ihm
schon in seinem „Uhu" eine Szene aus Mo Her es Stück vor-
schwebte. Im „Taschenbuch für Freunde des Scherzes
und der Satire, hrsgb. von J. D. Falk" (Leipzig in der
Sommerschen Buchhandlung 1797), findet sich im ersten Bändchen,
S. 215 — 316, „Die Uhu". Eine dram[a]tisch- satirische Rha-
') Kurz. III, 284. Die dramatische Szene „Die Uhu"..., in wel-
cher er die pfäffischen Umtriebe eines Woller und Konsorten persiflieren
wollte. Allein es tritt dieser Hauptzweck kaum hervor ... Es fehlte
ihm überhaupt an Erfindungsgabe, und die beste Stelle des Stückes
ist gerade dem Amphitryon des Moliere abgeborgt, dessen
Stoff er später selbständig bearbeitete, wobei er freilich bei seinem
gänzlichen Mangel an dramatischem Talent unendlich weit hinter seinem
Vorbild zurückblieb.
218 I- Amphitruo.
psodie, mit Chören von Uhu'n, Raben und Nachteulen; dazu eine
Musikbeilage (zu S. 243) von Dittersdorf (Rabenchor).1)
Im ersten Auftritt des dritten Aktes treffen sich die Geister
Friedrichs des Grossen und Voltaires. Letzterer besitzt von
Pluto selbst einen Ring.
In Mann und Weib, Low' oder Mücke,
Kurz in beliebige Gestalt
Umformt er uns im Augenblicke.
Und so nehmen Voltaire und Friedrich die Gestalt von
Johann, dem Diener des Trismegistus, an. Die nun folgenden
Szenen erinnern allerdings an die Vorgänge mit Sosia. Wenn
Johann Voltaire in seiner Maske sieht (S. 208):
Was seh' ich? Alle guten Geister! — —
Der Schurke gleicht mir ganz und gar,
Von Kopf zu Fuss bei einem Haar.
und später (S. 306):
Und wie ein Ei dem andern Ei,
Sahn wir uns ähnlich alle drei,
wenn Voltaire alsdann die häuslichen Verhältnisse und seine
Personalien so genau schildert, wie Merkur im Plaut us jene des
Amphitruo, und Johann das Geständnis abzwingt (S. 301):
Der Kerl weiss alles!
so erinnert dies wohl an die Parallelszene beiPlautus undMoliere.
Der dritte Auftritt führt die Verwirrung allerdings noch
weiter, wenn auch Friedrich in Johanns Gestalt erscheint und
diesem die angemasste „Livrey" abziehen will.
Wieder an Plautus erinnert der fünfte Auftritt, in welchem
Johann seinem Herrn, dem Doktor Trismegistus, den ganzen
Voi'gang erzählt (S. 305):
„Mein Nichts-Ich trat sogleich hervor
Und schalt mich Lümmel, Bärenhäuter,
Halunke, und was weiss ich weiter?
Der Schimpf verdross mein Ich, und drob
Ward es zuletzt gewaltig grob.
') Kehre in. H, 319. Sein satirisches Stück „Die Uhu" bezieht
sich auf den damaligen Religionszustand in Preussen, wo einige die
alte Finsternis und den Gewissenszwang einführen wollten. — Schlimmer
urteilt Hillebrand (H, 507): „Die Uhu nicht ohne aristophanischen
Anstrich" . . . „Übrigens hatte Falk fast von Anfang an selbst in sei-
nem freidenkenden Skeptizismus den Keim des Pietismus' geborgen und
gehest."
J. D. Falk. 219
Mein Nicht-Ich log- mir ins Gesicht,
Als sei ich Euer Diener nicht.
Es sei das reine Ich allein,
Und Ich, ich inüsste Nicht-Ich sein."
Die weitere Verwandlung Voltaires in einen Apfelbaum u. a.
verlässt dann das Original.
Sieben Jahre später erschien: Amphitruon. Lustspiel in
fünf Aufzügen von J. D. Falk. Halle, in der Ruffschen Verlags-
handlung 1804. Erste Abteilung (292 S.); zweite Abteilung (202 S.);
jede mit einem Bilde geziert. ')
„Der Vorbericht (Weimar, den 8. März 1803) bezeichnet den
Amphitruon als aus dem Studium zu den Abbandlungen aus dem
Gebiete der Poesie und Kunst hervorgegangen. Seine Tendenz ist
klar in folgenden Worten (S. VI) dargelegt: „Die Fragmente der
beiden Hauptkomiker, Menander und Pbilemon, sollen mir dabei
zum Leitfaden dienen. Vorläufig nur so viel, dass gegen hundert
Berührungspunkte der Deutschen mit dem gemütvollen Griechen,
sich kaum einer und ein halber mit dem espritreichen, nach Witz,
Schimmer und Pointen haschenden Franzosen vorfinden dürfte.
Von der ganzen Galerie von Charakteren, dem Trupp von Origi-
nalen, den die neuere Komödie, selbst in ihrer Ausartung
ins Individuum, auf den Platz gebietet, giebt uns Tereuz nur
einen äusserst unvollständigen und sehr schwachen Begriff. Selbst
auf die Gefahr, modern gescholten zu werden, will ich es daher
versuchen, nicht das Leben aus den Fragmenten, sondern die
Fragmente aus dem Leben zu erläutern: ein frischer Griff in die
Umgebungen der Mitwelt wird mir dabei zum Kommentar dienen.
Der Geizige, der Abergläubische, der Weiberhasser, der Menschen-
feind, der Griesgram, der genialische Lügner und Aufschneider,
der Prahler, der Muhmenhans, der Stock (Niais-Margites), der
Strick, der Gauner, der Superklug u. s. w. leben noch zu unsern
Zeiten, wie zu denen des Menander. Auch die verschiedenen
Stände, der Stand des Landmanns, des Fischers, des Kochs, des
Bäckers, des Mundschenken, des Schmarotzers, des Soldaten, des
Bettlers, des Priesters, der Philosophen, der Spinnerinnen, der
Korbträgerinnen, der Begeherinnen heiliger Vorabende - - alles
Typen, die häufig in den übriggebliebenen Fragmenten vor-
kommen — sind keineswegs ausgestorben, sondern nur in andern
Verkleidungen auch unter uns vorbanden."
Nach diesen Grundsätzen hat Falk das Personal wesentlich
erweitert. Da finden sich, neben den Hauptpersonen der Komö-
die, der Oberkoch Dorisens, die beiden Parasiten Licht
und Schatten, der grosssprecherische Soldat Thraso, eine
Eine weitere Ausgabe erschien 1826.
220 I- Amphitruo.
Reminiszenz des Miles Gloriosus, der Bader Bybachides, der
Oberhirte Melantlios, ein Paar Fischer, noch ein Paar Fischer;
Meister in Erz; Meister des Beils; Schneider, Färber, Töpfer, Hir-
ten, Köche und Sklaven.
Erster Aufzug-. Juppiter „in einer griechischen Feldherrn-
kleidung'" tritt auf. Juno hat nicht bemerkt, wohin er ging, da
ihn eine Geschäftsreise vom Olymp ferne hält. Sein Sehnen gilt
Amphitruons Weibe (S. 7):
Indes im Lager er den Feind bekämpft,
Will ich von ihm Gestalt und Stimm' erborgend,
Sein Weib bethörend, mir den süssen Lohn
Verstohlner Liebe zu gewinnen suchen.
Damit verbindet er aber noch eine andere hier zum erstenmal e
auftretende Absicht:
So straf ich, während ich in meiner Brust
Geheimen Wunsch befriedige, zugleich
Auch seine, des Gemahles, Eifersucht,
Die oft Alkmenen unerträglich quält.
Die Nacht hat Auftrag, länger zu währen. Merkur, in
Sosias Sklaventracht, bringt Juppiter die Botschaft, dass vor
Telebois ein Sieg erfochten wurde (S. 9):
Und eingedenk der zärtlichen Alkmene
Schickt ihr Gemahl aus reich erworb'ner Beute
Ihr einen kostbar'n, goldgestickten Schleier.
Auf die Mitteilung hin, dass Amphitruon noch diese Nacht
eintreffen werde, will Juppiter sofort „unverrichtetes Gewerbs"
zum Olymp zurück Merkur aber setzt ihm seine Pläne aus-
einander. Alkmene soll einen zweiten, jenem ganz ähnlichen
Schleier erhalten, Amphitruon aber werde er (als Sosia) derb
abweisen. Dabei bedauert Merkur nur, dass er Sosias Weib,
Andria, in seiner Verkleidung nicht losbringen werde.
Noch ehe er geht, legt er die eingelaufenen Bittgesuche vor.
Die Megarer bitten um Regen, die Phönizier um Wind u. s. w. !)
— Die dritte Szene führt ins Innere des Hauses. Alkmene
ist umgeben von Sklavinnen und ihrem Sohne Amyntichus; sie
erfährt, dass Thraso und die Parasiten angelangt seien, und lässt
sie rufen. Unterdessen erweist sich Amyntichus in seinen Spielen
') In Versen, welche den Spott des alten Schartenmeyer (Nörd-
lingen 1873, Strophe 238) herausfordern würden, geht das Gesuch an
Aolus hinüber:
(S. 18.) . . . jegliche Supplik gelang'
An ihr bestimmt Departement.
J. P. Falk. 221
als einen jungen, seines Vaters würdigen Helden. Amphitruons
Heldengeist (S. 39):
„Er lebt aufs neu in diesem Knaben auf."
Damokleia, die Schaffherin, bringt Doriscus und die
beiden Parasiten, denen bald Sosia (Merkur) folgt. Er erzählt
vom Kriege. Durch ihn lässt Amphitruon reiche Opfer, und
was ganz gegen seine frühere Gewohnheit ist, eine üppige Tafel
bestellen. Eine launige Darstellung des Koches, wie er in
Theben, durch die Parasiten gehoben, zu Ehren und Ansehen kam,
schliesst den Akt.
Der zweite Aufzug beginnt mit einem Zwiegespräch
Juppiters und Merkurs. Letzterer hat den Schleier über-
bracht. „Die Nacht verlängert sich zu süsser Ruh" (S. 87);
Juppiter geht zu Alkmene. Da naht Sosia mit der stereo-
typen Laterne. Er übt den Bericht ein, den er Alkmene ab-
statten soll, und will eben ins Haus eintreten, als er Merkur
gewahr wird. Nach kurzem Wortwechsel überzeugt er sich von
der genauen Ähnlichkeit seines Gegners mit ihm (S. 102):
„Er ist's! Mein Wuchs, mein Gang, dieselbe Zierlichkeit,
Dasselbe Ebenmass im Bau der Glieder.
Wie angebrannte Stoppeln rotes Haar
Auch an den Zähnenlücken — eins, zwei, drei —
Fehlt keine — soviel schlug mir Andria entzwei!
Du bist's, ja ich erkenn' Dich, Sosia!
Dahier ist meines linken Backens Warze."
Sosia geht, um Amphitruon zu holen. Es folgt eine Szene
ehelichen Zwistes zwischen Merkur (Sosia) und Andria mit
ihren drei Kindern, die Merkur nicht als echt anerkennen will. —
Elektryon, Alkmenes Vater, ist gekommen, um seinen zurück-
gekehrten Schwiegersohn zu begrüssen. Merkur jedoch weist
ihn ab (S. 139):
Und wenn Amphitruon auch selbst erschien',
So lautet mein Befehl, ihn abzuweisen.
Beleidigt,
..Der berühmt gewordne Feldherr schämt
Sich jetzo wohl des ländlichen Verwandten," (S. 141)
eilt er zu seinem Gastfreund Eteokles. — Der Bader By-
bachides wird von Merkur auf den nächsten Morgen bestellt,
da dem Amphitruon „im Kniegelenk ein Pfeil zusamt dem
Widerhaken" (S. 148) sitzt. — Die Parasiten mit Doriscus
222 I- Amphitruo.
nahen mit Thraso. Merkur, welcher das Dach bestiegen hat,
jagt sie weg und verpflichtet alsdann den Oberkoch Dorisens,
die von ihm im Namen Amphitruons befohlene Gasterei zu ver-
anstalten. - — Sosia, noch immer unklar über seinen Doppelgänger,
trifft wieder mit Merkur zusammen, der ihm einige Züge aus
seinem Privatleben vorhält. Es kömmt zum Streit, dann zu
Schlägen, bis Sosia endlich findet, er sei hier entbehrlich, und
Merkur umarmt mit den Worten:
Somit entbietet Sosia. der Zweite,
Hier Sosia, dem Ersten, Lebewohl.
Der dritte Aufzug führt Amphitruo und Sosia zusam-
men. Letzterer erstattet ausführlichen Bericht: Amphitruo
jedoch argwöhnt, es sei ihm unterwegs der Schleier abhandenge-
kommen, und er habe sich deshalb das ganze Märchen ersonnen.
Er schickt ihn darum ins Haus. Unmittelbar darauf erblickt er
Merkur auf dem Balkon; dieser beschimpft ihn und wirft Ziegel-
steine gegen ihn, sodass Amphitruon forteilt, um zwei Fischer
zu holen, die ihm behilflich sein sollen, in sein Haus zu ge-
langen. Vergeblich hat sich unterdessen Sosia bemüht, dem
Befehle seines Herrn gemäss über den Zaun zu steigen; er ist
zu hoch. Der Bader kömmt des Weges. Sosia lässt sich von
ihm auf der Bühne zur Hälfte rasieren, da tritt Amphitruo
mit den Fischern auf. Sosia wird gebunden und in einen Sack
gesteckt, um so, zur Strafe für sein Benehmen gegen seinen
Herrn, ins Meer geworfen zu werden. Als er bereits abgeführt
ist, bereut Ampitruo den strengen Befehl. — Der Bader ist zur
Exekution hinzugekommen. Er erzählt Merkur unter gewaltigem
Aufschneiden, wie er eben einem, den man ersäufen wollte, zu
Hilfe kam. Seine prahlerischen Reden, die an Falstaffs Schlachten-
berichte erinnern, unterbricht Merkur (S. 245):
Wie, Ihr erkanntet sie an ihren roten Mützen;
Und konntet keine Hand vor Angen sehen?
Zehn Kerle waren's nur, womit Ihr fochtet,
Und vierzehn sind hernach entflohn?
Unterdessen erblickt Bybachides mit Entsetzen Merkurs wieder
„zollbreit angewachsenen" Bart. — Amphitruon, der die Fischer
nicht mehr erreicht hat, kehrt zurück und erblickt Merkur, den
er staunend fragt: „Zuerst — wie kamst du aus dem Fluss?"
..Ich war nie drinnen" (S. 251), lautet die Antwort. Die Fischer
kommen gleichfalls, ihres Auftrags ledig, zurück und erblicken un-
begreiflicherweise Merkur, der alle beschwichtigt. — Noch führt
uns der Dichter eine Liebesszene zwischen Juppiter und Alkmene
vor, in welcher er ihr die bedeutungsvollen Worte spricht (S. 264):
J. D. Falk. 223
Du magst Dir den Gemahl, wie billig, loben.
Ich zieh' ihm dennoch den Geliebten vor.
Vierter Aufzug-. Das Opfer ist vollbracht. Juppiter
und Alkuiene sitzen bei der reichen Tafel; der Sänger Da mo-
do kl es singt zur Leier das Lied von Danae und Juppiter.
Alkmenes Rede bringt Juppiter zum Nachdenken. Sie hat
vor Juppiters Altar nur die Eine Bitte vorgebracht (S. 19):
„Gieb nicht zu, dass eine fremde Liebe
Den schönen Bund uns stören möge, der
Amphitruon, mich und dies Kind vereinigt."
und der Gott schien sie ihr gewährt zu haben. „Er hat's!"
(S. 20), ruft er nach kurzer Überlegung (S. 21):
Du? — Ein Schutzgott dieses Hauses?
Du könntest — wolltest — Nimmer — nimmermehr.
Vergangen sei dies Blendwerk! Tag soll sein!
So bricht der Morgen an. Juppiter reisst sich rasch von
Alkmene los; sie eilt ihm nach. Amphitruo sieht beide und
belauscht mit Entsetzen ihr Gespräch. Vergeblich sucht er sich
zur Ruhe zu bereden, da sie fort sind. Er tritt ins Haus zu
Alkmene. Diese aber, um ihn für die Kälte, mit der er sich eben
losriss, zu strafen, behandelt ihn ein wenig nachlässig. Sie bejaht
auf seine Fragen, dass sie im Garten war, und findet an Damo-
kleia eine eifrige Verteidigerin. Amphitruon sucht Alkme-
nes Vater, Elektryon, auf.
Unterdessen fasst Juppiter den Plan, Amphitruon mit
einem Landgute, das er sich längst wünschte, zu beschenken. Er
soll erfahren (S. 65):
„Dass er und Juppiter heut' Nebenbuhler waren."
Sosia, der durch andere Fischer glücklich gerettet wurde,
begegnet Juppiter und ergeht sich mit ihm in einen endlosen
Dialog, wie er an Juppiters Stelle die Welt regieren würde.
Die Stelle, wo er von Amphitruons Sklaven, Sosia, spricht (S. 75):
Ich habe viel von ihm vernommen
Ich muss euch sagen, dieser Mensch gefällt mir;
Er hat so was Grundehrlich's im Gesicht,
Was gleich beim ersten Anblick für ihn spricht.
u. s. w., erinnert wiederum an Falstaff und jene köstliche Szene
(I, 2, 4), wo er den König Heinrich spielt und von dem „virtuous
man ... of a cheertül look, a pleasing eye and a most noble
224 I- Amphitruo.
carriage" spricht. — Juppiter verschwindet, imd ein mit Speisen
wohl besetzter Tisch steigt für Sosia ans der Erde empor. Eben
schickt er sich jubelnd an zu essen, da kommt Amphitruon
mit Elektryon, und erzürnt lässt er Sosia Fussschellen anlegen.
Fünfter Aufzug. Elektryon hat das Haus betreten, um
zwischen Amphitruon und seiner Tochter zu vermitteln. Zwei
Fischer, die in ihren Netzen Sosia aus dem Asopus zogen, und
deren Fischerzeug dabei zerriss, verlangen Ersatz, den ihnen
Amphitruon gewährt. Das Volk drängt sich heran, um an den
durch Sosia öffentlich versprochenen Gastmählern teilzunehmen.
Der Oberhirt Melanthos berichtet, dass alle bestellten Stiere,
Schafe u. dgl. bereit seien. Amphitruon begreift alles dies
nicht. Alkmene erzählt, ihm von seiner Heimkehr aus dem
Felde und ihrer Begrüssung, da naht Juppiter und Merkur
und nun — „Zwei Amphitruonen! Zwei Sosien!" Alkmene
entscheidet sich für Juppiter (S. 134):
„Du bist Amphitruon, und jener ein Betrüger."
Elektryon wagt es nicht, für einen Partei zu ergreifen; sie ha-
ben beide die gleiche Narbe am Arme; nur der Steuermann
Nausikrates entscheidet sich für Juppiter. Dieselbe Szene
wiederholt sich zwischen Andria und den beiden Sosien. Am-
phitruo gewinnt nur Thraso und die beiden Parasiten für
sich. Als das thebanische Volk zusammenströmt, zeigen sich die
beiden Amphitruonen und Sosien. Juppiter wehrt sich
gegen Amphitruons Angriffe. Nach kurzem Zaudern ruft der
Parasit Licht, da Juppiter sie zu Tische lädt (S. 177):
. . . Thebaner, nun wird's klar! Ich dächte,
Wer uns zu essen giebt —
Volk: Ja, ja! das ist der rechte.
In einer Unterredung beschwichtigt Juppiter Amphitruon.
Damokleia wisse am besten um Alkmenes Unschuld. Amphi-
truon ahnt, dass er es mit einem höheren Wesen zu thun habe
(S. 182); er wird zufrieden.
„Der Argwohn schlägt nicht mehr mir um das Haupt die Schwingen ;
Ich fühle Ruh in meine Seele dringen:
Das dank' ich Dir!"
sagt er zu Juppiter. Damokleia versichert:
„Nicht hat er die Gemahlin Dir berührt."
Der „reiche Gutsbesitzer Hasdrubal" überbringt Amphi-
truon ein Inventar seines neu erstandenen Landgutes, das dieser
J. D. Falk. 225
denn anch freudig „als ein Geschenk der Götter14 annimmt.
Merkur und Juppiter verabschieden sich in ihrer wahren, gött-
lichen Gestalt:
„Ich kam, ich sah, ich fand weit mehr, als ich gesucht:
Nur — dass ich wieder ging, sowie ich kam.
Dass ich Alkmenes stille Bitt' erhörte,
Ihr nicht des Hauses schönen Frieden störte —
War wohl natürlich. Könnt' ich minder thun?"
sagt (S. 200) der scheidende Juppiter. Und das Volk hegrüsst ihn:
„Der ist's, durch den die Linsen und die Bohnen wachsen."
Molieres reizendem Lustspiele gegenübergestellt, kann
Falks Amphitruon kaum jemand begeistern. Indem er die
mythologische Grundidee verrückt, wird Juppiter in eine eigen-
tümliche Situation gebracht, die zwischen Schwäche und Edelmut,
Lüsternheit und Entsagung schwankt. Er hat höchstens Juppiters
Wort (II, 179) zur Geltung gebracht:
Mag die Fabel von den zwein Amphitruonen
Noch eine Fabel für die spät'ste Nachwelt sein.
Um wirksam zu sein, mussten die Charaktere in ihrer Zeit-
anschauung verbleiben. Der Gott des Himmels und der Erde, der
erst in Liebe für eine Sterbliche glüht, sich selbst aber, gleich-
kam beschönigend, vorredet, er strafe nur Amphitruons unbe-
gründete Eifersucht (I, 7, 64), der dann in einen Kampf mit sich
selbst als Alkmenes Schutzgeist gerät, der nirgend Entschie-
denheit zeigt, sich erst von Merkur Pläne schmieden lässt, dann
aber doch wieder meint (II, 65):
Noch soll, eh' wir zurück uns zum Olymp verfügen,
Erst die Verwirrung hier ein wenig uns genügen,
verdient nicht viel mehr, denn als der gepriesen zu werden, „durch
den die Linsen und die Bohnen wachsen."
Fast alle Motive Molieres finden sich bei Falk ver-
\\ er t et; allein die überschwängliche Breite, mit der es der Dich-
ter versucht, Charakterbilder zu entwerfen, wenn er Fischer und
Gewerbemeister halb antik, halb modern zeichnen und durch ge-
wisse allgemeine Züge charakterisieren will, schadet dem Ganzen
merklich. Es fehlt nicht an schönen Stellen, doch finden sich
dieselben nur zu oft im unrechten Munde. Es ist kein Mangel
an Bildern, die an sich wohl gelungen sind, allein sie passen
häufig nicht in den Rahmen der Geschichte. Es mangelt fast immer
das dramatische Leben, und die oft sehr seltsame Sprache mindert
bisweilen selbst den Erfolg des Satirischen.
. 15
226 I- Amphitruo.
Heinrich von Kleists (1776—1811) „Amphitryon" er-
schien 1807 in 8° zu Dresden; die neue (wohlfeilere) Ausgabe1)
von 1818 (Dresden, Arnoldi) von Adam H. Müller mit einer
schwer verständlichen Vorrede des Herausgebers scheint nur eine
Titelauflage zu sein. Adam H. Müller sagt (11): ,. Eigentümlich
und im edelsten Sinne des Werks (Wortes?) original ist diese
Bearbeitung des Moliere . . . (V.) Mir scheint dieser Amphitryon
weder in antiker noch moderner Manier gearbeitet: Der Autor
verlangt auch keine mechanische Verbindung von beiden, sondern
strebt nach einer gewissen poetischen Gegenwart, in der
sich das Antike und Moderne — wie sehr sie auch ihr unterge-
ordnet sein möchten, dereinst, wenn gethan sein wird, was Goethe
entworfen hat — dennoch Wohlgefallen werden."
..Erwägt man," fährt Müller weiter, „die Bedeutung des
deutschen und die Frivolität des Moliereschen Amphitryon, erwägt
man die einzelnen von Kleist hinzugefügten komischen Züge, so
muss man die Gutmütigkeit bewundern, mit der die komischen
Szenen dem Moliere nachgebildet sind: der deutsche Leser hat
von dieser mehrmaligen Rückkehr zu dem französichen Vorbilde
den Gewinn, kräftig an das Verhältnis des poetischen Vermögens
der beiden Nationen erinnert zu werden."
Im ersten Akte tritt Sosias (hierl und as) auf. Merkur,
in der Gestalt des Sosias, jagt ihn unter Prügeln weiter.
Juppiter nimmt von Alkmene Abschied, nicht ohne durchblicken
zu lassen, wer er sei, wenn er (I, 4) sagt:
Versprich mir denn, dass dieses heit're Fest,
Das wir jetzt frohem Wiedersehn gefeiert,
Dir nicht aus dem Gedächtnis weichen soll;
Dass Du den Göttertag, den wir durchlebt,
Geliebteste, mit Deiner »-eitern Ehe
Gemeinem Taglauf nicht verwechseln willst.
Versprich, sag' ich. dass Du an mich willst denken,
Wenn einst Amphitryon zurückekehrt*) —
Alk. Nun ja. Was soll man dazu sagen?
Jupp. Dank Dir!
Es hat mehr Sinn und Deutung, als Du glaubst.
Charis, welche bei Kleist dieRolle von Molieres Cleanthis
spielt, bespricht sich mit Merkur, den sie für ihren Gatten Sosias
hält. Sie scheiden, ohne sich zu verständigen.
J) In der Hempel ausgäbe Bd. I, 199 ff.
2) Weniger bedeutsam bei Moliere nach dem Gespräche über Ehe
und Liebe (I, 3):
Jup. Mais, belle Alcmene, au moins quand vous verrez Ve'poux,
Songez ä l'amant, je vous prie.
Ate. Je ne separe point ce qu'unissent les Dieux.
H. von Kleist. 227
Am Beginne des zweiten Aktes erzählt Sosias dem Aniphi-
tryon, was ihm widerfahr. AI knien e tritt mit Charis aus dem
Hause: es folgt die Szene der Verwicklung. Alkmene zeigt zum
Beweise der Wahrheit das Diadem des Lahdakus vor, den Amphi-
tryon erschlug, und das er ihr schenkte. Sie kann das Benehmen
ihres Gatten nur für Verstellung (II, 2) nehmen, wie auch Mo-
lieres Alkmene thut (II, 2):
„Abscheulich ist der Kunstgriff, er empört mich.
Wenn Du Dich einer andern zugewendet,
Bezwungen durch der Liebe Pfeil, es hätte
Dein Wunsch, mir würdig selbst vertraut, so schnell Dich,
Als diese feige List zum Ziel geführt."
Eine ähnliche Szene entwickelt sich zwischen Charis und
Sosias. Die vierte Szene gehört Kleists Erfindung. Alkmene
kömmt mit Amphitryons Diadem, auf dem sie die Buchstaben
J statt A findet. Sie wird darüber verwirrt :
Nicht nur entblosst bin ich von jedem Zeugnis.
Ein Zeugnis wider mich ist dieser Stein.
Da naht Juppiter. Er sagt ihr:
Es war kein Sterblicher, der Dir erschienen.
Zeus selbst, der Donnergott, hat Dich besucht.
— — Juppiter, sagt' ich
Und wiederhol's. Kein anderer, als er,
Ist in verfloss'ner Nacht erschienen Dir.
Diese Mitteilung veranlasst Charis, auch in ihrem Sosias einen
Gott zu suchen (II, 6):
Und der sich für Sosias hier mir giebt,
Der wäre einer der Unsterblichen,
Apollon, Hermes oder Ganymed?
eine Vermutung, welche der plumpe Sosias nur zu schnell mir
den Worten enttäuscht:
Apollon, ich" Inst Du des Teufels? — Der eiue
Macht mich zum Hund, der andre mich zum Gott? —
Ich bin der alte, wohlbekauute Esel
Sosins.
In der ersten Szene des dritten Aktes klagt Amphitryon
über sein Schicksal: doch glaubt er noch an die Unschuld seiner
Gattin. Merkur besehimpfl ihn vom Altan herab und warnt ihn,
„das Glück der beiden Liebenden- drinnen nicht zu stören.
Sosias kömmt mit den Feldhcrrn zurück, die er nach Juppiters
15*
228 I- Amphitruo.
Willen eingeladen hat, worüber ihn Amphitryon heftig ausschilt.
Juppiter tritt ans dem Hause hervor, die Feldherrn entscheiden
sich für ihn, wie Sosias sagt (III, 5):
Der ist der wirkliche Amphitryon,
Bei dem zu Mittag jetzt gegessen wird.
Amphitryon zieht sich zurück, um „eine Schar von bewaff-
neten Freunden" zu holen. Juppiter geht mit den Feldherrn
zu Tische, den hungernden Sosias jedoch hält Merkur heraussen,
indem er ihm ausmalt, dass ihm sein Weib Charis ein präch-
tiges Mahl zubereitet habe, das er jetzt für ihn einzunehmen
gedenke.
Amphitryon ist mit Obersten und Volk zurückgekehrt, die
treu zu ihm stehen. Ebenso bittet Sosias (III, 10) um Schutz:
Und kurz ich bin entsosiatisiert,
Wie man Euch entamphitryonisiert.1)
Wieder tritt Juppiter seinem Rivalen entgegen; auch
Alkmene entscheidet sich für den Gott; doch will sie gehen;
denn ihre Ehre ist verletzt. Da nimmt Juppiter seine wahre
Gestalt an; er löst die Verwirrung und verspricht die Geburt des
Herkules, nachdem ihn Amphitryon gebeten hat:
Was Du dem Tyndarus gethan, thust Du
Auch dem Amphitryon: Schenk einen Sohn,
Gross wie die Tyndariden, ihm. ,
Alle sind zufrieden und sprechen von Ruhm und Triumph.
Nach keiner Seite hin fällt, wie bei vielen andern Bearbeitern,
eine spöttische Rede, wenn man nicht etwa der früheren Worte
des Sosias über diese Himmelsehen (II, 6) noch gedenkt:
Sos. Dergleichen Heirat war mir stets zuwider.
Char. Zuwider? Warum das? Ich wüsste nicht —
Sos. Hm! Wenn ich Dir die Wahrheit sagen soll,
Es ist — ein Pferd und Esel.
Char. Pferd und Esel!
Eiu Gott und eine Fürstin!
Kleist ist wieder auf den rein mythologischen Boden zurück-
') Dies Wortspiel hat schon Moli er e (H, 8):
Et l'on me des-Sosie enfin,
Comme on vous des-Amphitryonne,
wobei die Herausgeber auf den Trinummus des Plautus {V. 977):
Proin tute itidem ut charmidatu 's, rursum te decharmida
hinweisen. — Auch Dryden (HE, 1):
„and also Unsosiated me". (Vgl. S. 193, A. 1)
H. von Kleist. 229
gegangen und hat ihn in manchem Stücke veredelt und verfeinert. *)
Von Moliere hat er sich nur da losgesagt, wo er glauhte, ein-
zelnes noch mehr idealisieren zu können , darum besonders im
zweiten Teile. Alkmene ist etwas selbstthätiger und unabhängiger
bis zum Schlüsse, als inf anderen Bearbeitungen, weil sie seit dem
zweiten Akte den ganzen Vorgang ahnt. So sind also beson-
ders die vierte und fünfte Szene des zweiten Aktes Kleists
eigene Arbeit. Moliere hat er freilich, trotz stellenweise engsten
Anschlusses, bei weitem nicht erreicht.2)
Auch das „Neue Blatt" 1881, Nr. 10, 11, 12, enthält eine
Amphitryon-Geschichte. 3)
Eine deutsche Übersetzung des Amphitruo stammt von
A. C. Borheck (Köln 1803)*) und Rost*) (Leipzig 1829, Progr.
58 Seiten).
IL Asinaria.6)
Es ist ein durchaus unsauberer Stoff,7) den uns Plautus in
seiner Asinaria vorführt; dazu gesellt sich ein fühlbarer Mangel
dramatischer Gestaltung. Ein Sohn, der, um seine Geliebte sich
auf ein Jahr zu sichern, dieselbe seinem Vater auf eine Nacht
überlassen muss, da dieser sie ihm um das Geld, um welches er
1) Gödeke, Gdrss. DT, 1. Abt., S. 48. „Amphitryon, der ihn
nicht der Possen, sondern des eigentümlichen Problems halber anzog."
2) Koberstein. III, 3152. „Amphitryon ist eine keineswegs
geglückte Umarbeitung von Molieres gleichnamigem Stücke." —
Kurz. III, 465. Der Amphitryon kann nicht in Anschlag gebracht
werden, da er nur nach dem Französischen des Moliere bearbeitet ist,
den er zudem in keiner Weise erreicht. — Gervinus. V, 750. „Den
Amphitryon des Moliere hat er verzerrt."
3) St ein ho ff, Das Fortleben des Plautus etc. S. 14, Anm. 5. —
Wollte man freilich aller irgendwie ähnlicher Auftritte gedenken, so
dürfte man in erster Linie die wirksame Szene in Karl Gutzkows
(1811—1878) Lustspiel „Das Urbild des Tartüffe" (S. 139 des vier-
ten Bandes der dramatischen Werke, Leipzig, Lorck) nicht vergessen,
wo (V, 4) Lionne, Delarive, Dubois, Lefevre, dann (V, 5) Ludwig XTV.
den Präsidenten Lamoi»iion für den als Tartüffe verkleideten Moliere
haltfii, und wo (V. t>i Moliere in seiner Maske Lamoignon gegenübersteht.
*) Gödeke. DI, 217.
5) Schweiger. EE, 2. S. 775.
6) Ausgabe von E. J. Richter, Nürnberg. 1833. — Hier zitiert nach
A. Fleckeisen.
7) Teuffei (G. d. r. L.), S. 147, nennt die Asinaria „von possen-
haftem Stoffe, aber mannigfaltiger und lebendiger Charakterzeichnung
und mit Szenen von grosser komischer Wirkung".
230 H. Asiuaria.
die Mutter betrogen hat, von der kupplerischen Mutter loskauft, ist
gewiss kein anziehender, geschweige denn ein ästhetischer Vorwurf.
Vnum hunc diem perpetere, quoniaui tibi potestatera dedi,
Cum hac annum ut esses atque amanti argenti feci copiam
meint (V. 847) der Vater, worauf dem Sohn nichts mehr zu er-
widern bleibt, als:
Hern,
Istoc me facto tibi deuinxti.
Es ist wohl dem Zuschauer aus der Seele gesprochen, wenn Arte-
mona ihrem liederlichen Gatten zuruft (V. 932):
Istoscin patrem aequomst mores liberis largirier?
Nilne te pudet?
Cano capite te cuculum uxor ex lustris rapit.
Das Stück ist zum mindesten ein Sittenbild trauriger Fami-
lienverhältnisse, die um so düsterer aussehen, wenn wir aus dem
Munde der caterua zum Schlüsse hören müssen, der alte Sünder
habe nichts Ungewohntes oder Seltsames gethan, vielmehr würde
es jeder ebenso machen (V. 942):
Hie senex siquid clam uxorem suo animo fecit uolup,
Neque nouom neque mirum fecit nee secus quam alii solent.
Nee quisquamst tarn ingenio duro nee tarn firmo pectore,
Quin, ubi quieque occassionis sit, sibi faciat bene.
Inmitten solcher sittlicher Verkommenheit überrascht nichts
mehr, als die, man darf sagen, moderne Sentimentalität des Argu-
rippus und der Dirne Philenion, „eine leidenschaftlich-sentimen-
tale Geschlechtsliebe", wie Rapp (d. pl. L., S. 919) bemerkt, wie
man sie dem Altertume zuzugestehen sonst nicht geneigt ist. Sie
erreicht in der dritten Szene des dritten Aktes ihren über-
raschenden Höhepunkt. Philenion hält ihren Geliebten noch
länger bei sich zurück, und auf die Frage (V. 591):
Quor me retentas?
erwidert sie die leidenschaftlichen Worte:
Quia tui amans abeuntis egeo.
Seinem aufmunternden „salue" entgegnet sie (V. 593):
Saluere me iubes, quoi tu abieus adfers morbum?
Der Honig scheint ihm nimmer süss, seit er sie liebt (V. 614):
0 melle Julei dulcior tu 's,
Charakteristik derselben. 231
worauf sie nicht minder glühend antwortet:
Certe enmi tu mihi uita 's:
Complectere.
Freudig umarmt er sie (facio lubens), mid sie stösst den Wunsch
aus, der fast an Egmonts Klärchen erinnert: „So lass mich sterben!
Die Welt hat keine Freuden auf diese1' (HL. Akt):
Vtinam sie eeferamur!
Argurippus meint bei dem Gedanken einer Trennung von ihr
(F. 620):
„oculi sunt tibi lacrumantes."
Philenion spricht von dem sichern Tode, den ihr ihre Mutter
durch Auflösung dieses Liebesverhältnisses bereitet (F. 595):
Acerbum funus filiae faciet, si te carendumst,
und er hat sich mit dem Gedanken des Selbstmordes vertraut ge-
macht. Mit tragischen Worten reisst er sich von ihr los (F. .606):
Bene uale: aput Orcum te uidebo:
Nam equidem me iam quantum potis a uita abiudicabo.
Ganz modern und völlig zu unsern Liebesszenen passend ist
Philenions Einwurf (F. 608):
Quor tu opsecro inmerito meo me morti dedere optas?
und des Argurippus tiefempfundene, liebevolle Antwort (F. 609):
Egon te? quam si [egol intellegam deficere uita, iam ipse
Vitam meam tibi largiar et de mea ad tuam addam.
In elegischer Stimmung preist er — gewiss seltsam im Munde
eines römischen Bürgers! — die Sklaven glücklich (F. 629):
Vt uostrae fortunae meis praecedunt, Libane, longe
Hodie qui numquam ad uesperum uiuam.
Sie haben ihn verloren (F. 621):
Patronus qui uobis fuit futurus, perdidistis.
Derartig ist die ganze Szene. Unter wie vielen Schmeichel-
worten und Kosenamen bittet Philenion den Sklaven Leonida,
sich ihrer anzunehmen, bis sie mit den tiefgefühlten Worten
(F. 665):
„ne nos diiunge amantis"
232 II. Asinaria.
schliesst. Es ist ein vollendetes Bild modernen Liebesleids, eine
Bestätigung des Ausrufes, der sich dem zusehenden Leonida.
( V. 616) entringt:
0 Libane, ut miser [is] est homo qui amat!
Es sind in der That die „egtotsg vtczq {ikv ayav el&6vTegu ,
und zwar in einer Form, wie wir sie im Altertume sich selten
äussern sehen.
Der erste Akt beginnt mit einer Unterredung des Haus-
vaters Demaenetus mit seinem Sklaven Libanus. Der Sklave
soll irgend einen Streich ersinnen, um dem Haussolme zn Geld zu
verhelfen, das er für seine Geliebte braucht (7 102).
Fabricare quiduis, quiduis conminiscere :
Perficito [id] argentum kodie ut habeat filius,
Amicae quod det.
Die nächste Szene bringt das Zwiegespräch des Argurippus mit
der schändlichen Mutter Cleaereta, die ihre Tochter Philenion,
als gute Ware (7 172),
Par pari daturn liostimentumst, opera pro pecunia,
an denjenigen verkauft, der ihr zuerst bar zwanzig Minen erlegt
(7 230):
uigiuti minas:
Atque ea lege: si alius ad me prius attulerit. tu uale!
Argurippus hat sie eben nicht zur Hand und schwebt nun in
höchster Gefahr, seine, wie wir gesehen haben, so heiss geliebte
Philenion an einen pünktlicheren Zahler, den jungen Diabulus,
zu verlieren. Keine Vorstellung beugt den niedrigen Sinn der kupple-
rischen Mutter. Bei dieser Szene entfaltet sich uns ein hochinter-
essantes Sittenbild. Das Kupplerwesen der alten Metropole wird hier
in einer Weise beleuchtet, wie es derber nicht in Shakespeares
„Perikles" geschieht, als die (7 133)
pellecebrae, pernicies, adulescentuni exitium.
Das Meer ist nicht räuberischer als die Kuppler:
Nam mare haut est mare: uos mare acerrumum:
Nam iu ruari repperi, hie elaui bonis.
Rücksichtslosigkeit kennzeichnet die Kupplerin (7 173):
Quid me aecussas, si facio officium meum?
Nam neque fictum usquamst neque pictum neque scriptum -in poematis,
Vbi lena bene agat cum quiquam amante. quae frugi esse uolt.
Charakteristik derselben. 233
Den Liebhaber behandelt die Kupplerin wie einen Fisch, der nur
frisch etwas taugt (V. 178):
Quasi piscis itidemst amator lenae: nequamst nisi recens.
Is habet sucum, is suauitatem: eum quouis pacto condias
Vel patinarium uel assum uorses quo pacto lubet.
Des Kupplers Thüre gleicht dem Handelshafen; ohne Zoll giebt es
keinen Durchgang (V. 240).
Portitorum simillumae sunt ianuae lenoniae :
Si adfers, tum patent: si non est, quod des, aedes non patent.
Später setzt sie dann dieselben Grundsätze ihrer Tochter aus-
einander (F. 536): Non uoto ted amare qui dämmt, qua amen-
fcur gratia. Den hast du zu lieben, der dich dafür bezahlt.
Alles dies kehrt in den italienischen und französischen
Komödien wörtlich an unzähligen Stellen wieder.
Verzweifelt: „Interii, si non inuenio ego illas uiginti minas':
(F. 243), eilt Argurippus ab, um das Geld irgendwo auf-
zutreiben.
Am Beginne des zweiten Aktes tritt der Sklave Liba-
nus auf. Das Geld muss geschafft werden. In gleicher Absicht
kömmt sein Nebensklave Leonida. Er weiss einen Ausweg.
Demänetus hat an einen Handelsmann aus Pella einige arka-
dische Esel durch Saurea, den atriensis (F. 582), verkaufen
lassen. Soeben schickt der Kaufmann durch einen Handlungs-
diener das Geld, damit es Saurea übergeben werde. Der Diener
keimt Saurea nicht, und so giebt sich Leonida für denselben
aus. Der Mercator, der mit dem Gelde angekommen ist,
fragt Libanus, wie Saurea ungefähr aussehe. Dieser schildert
ihn natürlich mit Leonidas Zügen, und Leonida tritt nun als
Saurea auf. Obwohl Saurea handelnd nicht erscheint, sehen
wir doch in dieser Szene ein treffliches Bild dieses übermütigen
atriensis in seiner ganzen Brutalität, zu der ihm seine Stellung
als Dotalsklave der Hausfrau das Recht einräumt (F. 85).
Dotalem seruom Sauream [ne] uxor tua
Adduxit, quoi plus in manu sit quam tibi.
Der Bedientenwitz des Leonida macht sich hier Luft gegen
den verhassten, stets mit Prügeln bereiten Saurea, bei dem
selbst Juppiters Fürbitte für einen Sklaven vergeblich wäre
(F. 414):
Si quidem hercle nunc summüm Iouem te dicas detinuisse
Atque is prceator atlsiH. nialam rem ecfügies numquam.
l>;54 II. Asinaria.
Allein der Handelsdiener will niemand sein Geld geben,
den er nicht kennt. Er erwidert auf alle Versicherungen des
Pseudosaurea „hau negassim" (V. 503) und geht mit den Skla-
ven, die ihn vergeblich überreden wollen, ihnen die Summe ein-
zuhändigen, ab.
Die erste Szene des dritten Aktes führt Cleaereta im.
Gespräche mit ihrer Tochter Phile nion ein. Vergeblich bittet
das Mädchen um Aufschub. Libanus und Leonida kehren vom
Markte heim; der alte Demänetus hat Leonida als seinen
..atriensis" Saurea bestätigt, dem der Mercator hierauf die
zwanzig Silberminen ausgeliefert hat. Argurippus und Phile-
nion spielen die oben erörterte zärtliche Liebesszene, welche
Libanus und Leonida ungesehen belauschen. Endlich treten
beide vor. Libanus richtet an den jungen Herrn die Frage, ob
denn die Frau, die er da in den Armen halte, Rauch sei, weil ihm
Thränen in die Augen kämen. Lange halten die beiden Sklaven die
Liebenden hin, indem bald Libanus, bald Leonida sagt, er ver-
füge über die geforderte Summe; endlich liefert Libanus das
Geld aus (7. 734):
uigmti minae bonae mala opera partae,
als eine Spende des Vaters, doch mit der Bedingung (F. 736):
Noctem huius et cenam ut sibi dares.
Drinnen wartet der Alte bereits, der, um seiner Frau zu entgehen,
durch ein Hinterpförtchen hereingeschlüpft war.
Im vierten Akte sehen wir den Parasiten, der in dieser
Komödie, wie öfter, keinen Namen hat, mit dem Nebenbuhler
des Argurippus, Diabulus, wegen Philenion unterhandeln.
Er hat ihm einen ausführlichen, von der Kupplerin zu unterzeich-
nenden Kontrakt auf ein Jahr entworfen. Hier ist im Lustspiele
eine Textlücke. Diabulus sieht im Hause Demänetus, Argu-
rippus und Philenion bei Tische. Voll Zorn, dass er zu spät
gekommen, will er zur Frau des Demänetus eilen, um ihr selbst
die Schandthaten ihres Mannes darzustellen, was dann der Parasit
für ihn übernimmt.
Der fünfte Akt führt uns eine geteilte Szene vor. Wir
erblicken das Gelage in Cleaeretas Haus und die Vorgänge auf der
Strasse. Der Vater fragt den Sohn, ob es ihm nicht „molestunr'
(F. 830) sei, dass seine Geliebte bei ihm liege. Die seltsame Ant-
wort des Sohnes lautet:
Pietas, pater, oculis dolorem prohibet.
Indessen im Hause gezecht wird, hat der Parasit Demä-
Charakteristik derselben. 235
netus' Frau, Artemona, herbeigeführt. Sie sieht das schänd-
liche Treiben ihres Gatten und hört, was noch mehr, seine ge-
meinen Reden und frivolen Witze über sie. Endlich (F. 891) eilt
sie hinein, der Parasit zieht sich zurück, und drinnen entwickelt
sich eine leicht erklärliche, häusliche Szene.
So schliesst das Stück, gewiss in nicht befriedigender Weise.
Wenn etwas daran wohlthuend wirkt, so ist es höchstens der Um-
stand, dass der Alte nicht zur Erreichung seines Zweckes mit Phi-
lenion kam. Trotz der geringen Befriedigung aber, welche das
Stück bietet, verkündet uns doch der Prolog:
(V. 13.) Inest lepos ludusque in liac comoedia:
Ridicula res est.
Ist nun allerdings der Totaleindruck kein günstiger und
der Schluss ein ziemlich unvermittelter, so bieten doch die vorge-
führten Personen als Bilder der Gesellschaft und lebende Typen
mannigfaches Interesse.
Der alte Demänetus, ein Greis mit dem Stabe {V. 124), ist
eine traurige Erscheinung. Sein Vater hatte ihm eine elende Er-
ziehung zukommen lassen; er hatte ihm, dem Jüngling, vom
Kuppler selbst die Mädchen geholt (V. 68):
Volo me patris mei similem, qui caussa mea
Nauclerico ipse ornatu per fallaciam
Quam amabam abduxit ab lenone mulierem.
Auch sein Vater hatte sich in alten Tagen seiner Schelmenstreiche
nicht geschämt:
„Neque puduit eum id aetatis sucophantias
Struere,"
denn ihm lag daran:
„beneficiis me emere gnatum suum sibi."
Und dies Vorbild will er nachahmen (F. 73).
Eos me decretumst persequi mores patris.
Er hat nur den Wunsch, es möchten alle Eltern so mit ihren
Kindern verfahren (F 64):
Omnes parentes, Libane, liberis suis,
Qui mi auscultabunt, facient opsequentiam.
Dadurch glaubt er, die Liebe der Seinigen zu erringen (F 67):
„uolo amari a meis."
236 H- Asinaria.
Allerdings sind derartige Charaktere nicht mir dem alten Rom
eigen gewesen!
In seiner Blindheit rechnet er es sich zur Ehre an, dass ihn
sein Sohn in alle Geheimnisse einweihe (F 80) :
quom is me dignum quoi concrederet
Habuit, me habere honorem eius ingenio decet:
Quom me adiit, ut pudentem gnatum aequomst, patrem
Cupio esse amicae, quod det argentum suae.
Sowie er seinen Sohn verzieht, zittert er vor seinem Weihe. Sein
Sklave beschwört ihn nur bei ihr (F. 19):
Perqxtc illam, quam tu metuis, uxorem tuam.
Er ist ohne jegliche Autorität in seinem Hause; er hat sie längst
schon um die Mitgift seiner Frau hingegeben (F. 87):
Argentum accepi, dote inperium uendidi.
Er selbst hat nichts, als was er seiner Frau stiehlt (F. 92):
Nudo detrahere uestimenta me iubes.
Tene ego defraudem, quoi ipsi nihil est in manu,
Nisi quid tu porro uxorem defraudaueris
hält ihm sein Sklave vor. Von ihm etwas haben wollen, hiesse zu-
gleich: piscari in aere et uenari . . . reticulo in medio mari (F. 99).
Er ist ein grundverdorbener Mensch („omnium pol nequissuraus, "
F. 922), oder wie ihn seine Frau bezeichnet (F. 870):
Ego censeo
Eum etiam hominem [aut] in senatu dare operam aut cluentibus:
Ibi labore delassatum noctem totam stertere.
Opere illic foris faciundo lassus noctu [ad me] aduenit:
Funduni alienum arat, incultum familiärem deserit.
Is etiam corrumptus porro suum corrupit filium.
Er hat etwas von dem verliebten Falstaff an sich, der
alte Sünder (decrepitus senex, F. 863), wenn er (F. 883) gesteht:
Me ex amore huius [esse] corrumptum oppido,
wenn er bei Liebeslust, Wein und Würfelspiel ( F. 904) alle Rück-
sicht bei Seite setzt, den Plan fasst, seiner Frau den Mantel zu
stehlen, um ihn der Philenion zu schenken (F. 885). Wir glauben
ihm, dass er, Philenion mit seiner Frau vergleichend, jene schö-
ner findet (F. 893), und die Gattin am liebsten hat, wenn sie nicht
da ist (F. 899):
Egone illam *? nunc amo, quia non adest;
Charakteristik derselben. 237
aber es ist empörend, wenn er laut ihren Tod wünscht (F 905):
Te, Philenium, mihi atque uxori mortem, hoc Veneriumst,
in Gegenwart seines Sohnes, und da der Zuschauer die Frau zu-
hören sieht.
Mag immerhin Artemona etwas „inportuna atque incom-
moda" (F 62) und die Ehe mit einer dotata uxor (F 903) er-
fahrungsgemäss nicht immer die glücklichste sein, er hat verdient,
was sie ihm droht (F. 869):
ne [ego] illum ecastor miserum habebo.
Des verliebten Argurippus, den seine Mutter um so viel knapper
hält, als ihn sein Vater verwöhnt hat (F. 78):
illum mater arte contenteque habet,
der seiner Teuern sein Herz zu Füssen legt (F. 141):
amans meum animum isti dedi
und ausgezogen (despoliatus, F. 204) von der Kupplerin scheidet,
ist bereits mehrfach Erwähnung geschehen, ebenso seiner Phile-
nion, der „satis dicacula amatrix" (F. 511), der ihre Mutter den
Vorwurf macht (F. 526):
Vitro amas, ultro expetessis, ultro ad te arcessi iubes:
Illos qui dant eos derides: qui deludunt deperis.
An te id expectare oportet, siquis promittat tibi
Te facturum diuitem, si moriatur mater sua?
nicht minder der schmutzigen Cleaereta, welche Laster verkauft,
wie ein ehrlicher Kaufmann seine Ware (F. 200):
Quom a pistore panem petimus, uinum ex oenopolio,
Si aes habent, dant mercem: eadem nos discipulina utimur:
Semper oculatae manus sunt nostrae, credunt quod uident.
Vetus est „nihili coctiost", scis cuius: uou dico amplius.
und die nicht zu befriedigen ist (F. 169): „numquamne expleri
potes?"
Der schlaue Handlungsdiener, der dennoch betrogen wird,
ebenso Diabulus, sind nebensächliche Figuren. Mit den üblichen
Farben ist auch der Parasit gezeichnet, der Mann ohne eigene
Ansicht, der zu seinem „rex" (F. 919) steht und sein Faktotum
ist (F. 748):
tu pöeta 's prossus ad eam rem unicus,
238 H. Asinaria.
der die Frau des Demänetus lieimlicli aufhetzt (F 868) oder
durch Spott ihren Zorn steigert (F 900):
Amat homo hie te, ut praedicat
und dann zur gelegenen Zeit den Rückzug anzutreten weiss
(F. 912):
Tempus est subducere hinc me: pulcre hoc gliscit proelium,
in der Hoffnung, Argurippus werde sich zu einem Kompromisse
mit Diabulus verstehen (F. 917):
Argurippus exorari spero poterit ut sinat
Sese alternas cum illo noctis hac frui.
Der Schwerpunkt fällt auf die beiden Sklaven Libanus und
Leonida, zwei Muster von Schurken. Nach Argurippus' Wor-
ten sieht Libanus ehrlicher aus (F. 681):
„Virum quidem pol optumum et non similem furis huius."
Sein Herr hat ihn ins Vertrauen gezogen, und so ist sein Wort
(F. 114):
Quin te quoque ipsum facio hau magni, si hoc patro
gerechtfertigt. Sein Herr sagt von ihm, es gebe keinen gewand-
teren Menschen, als er; er setze alles durch (F. 118):
Non esse seruos peior hoc quisquam potest
Nee magis uorsutus nee quo ab caueas aegrius.
Eidem homini, siquid recte curatum uelis,
Mandes: moriri sese misere mauolet,
Quam uou perfectum reddat quod promisserit.
Ebenso zu jedem niedrigen Streiche bereit ist Leonida. Er
sagt (F. 313):
• Tantum facinus modo ego inueni, ut nos dicamur duo
Omnium dignissumi esse quo cruciatus confluant.
In der Not muss man Stand halten (F. 323):
Hern, ista uirtus est, quando ussust, qui malum fert fortiter.
Fortiter malum qui patitur, idem jiost potitur bonum.
Trefflich zeichnet Libanus sein äusseres Auftreten (F. 400):
Macilentis malis, rufulust, aliquantum uentriosus
Truculentis oculis, commoda statura, tristi fronte.
Eine äusserst gelungene Schilderung ihrer Charaktere und ihres
Charakteristik derselben. 239
ganzen Wesens geben sich die beiden Sklaven im dritten Akte,
wo Leonida von Libanns erzählt (F 561):
Vbi fidentem fraudaueris, ubi ero infidelis fueris,
Vbi uerbis conceptis scieus lubeuter periuraris,
Vbi parietes perfoderis, in furto ubi sis praehensus.
Vbi saepe caussam dixeris pendens aduorsus octo
Artutos audacis uiros, ualentis uirgatores
und ihm Libanus erwidert (F. 567):
Verum edepol etiam tua quoque male facta iterari multa
Et uero possunt: ubi scieus Meli infidus fueris,
Vbi praeusus iu furto sies mauufesto et uerberatus,
Vbi periuraris, ubi sacro manus sis admolitus,
Vbi eris damuo molestiae et dedecori saepe fueris,
Vbi creditum quod sit tibi datum esse pernegaris,
Vbi amicae quam amico tuo fueris magis fidelis,
Vbi saepe ad languorem tua duritia dederis octo
Validos lictores ulmeis adfectos lentis uirgis.
Und beide sind mit der gegenseitigen Schilderung einverstanden
(F 577):
„Vt meque teque maxume atque ingenio uostro decuit.
Im übrigen leuchtet allenthalben die jammervolle Stellung
der Sklaven durch. Eutenschläge und Geisseihiebe sind ihre
ständigen Reminiszenzen. „Gumnasium flagri", „catenarum Co-
lone" (F. 297), betitelt Leonida den Libanus, „custos car-
ceris", „uirgarum lasciuia", entgegnet ihm dieser. „Etiam de
tergo ducentas piagas praegnatis dabo" (F. 276), sagt Leonida,
„Largitur peculium: omnem in tergo thesaurum gerit", erwidert
ihm Libanus u. s. w.
Ausserdem bietet das Lustspiel hier und dort satirische An-
spielungen, wie die Auspizienparodie des Libanus (F. 258 ff.),
den Spott auf die Aushilfsgottheiten (F. 723 ff.) u. ä.
Hinsichtlich der Herkunft des Stückes sagt der Prolog')
(F. 10):
. . . buic est uomeu Graece Onar/o fabulae:
Demophilus scripsit. .. \laccius uortit barbare."
Riccoboni (I, 281) hält auch in diesem Stücke die Einheit
des Ortes fest: „On ouvroit une de ces deux portes laterales et Ton
decouvroit dans le Peristile de la maison une Table avec les acteurs
qui mangeoient. "
!) Ritschi. Opusc. II, 683.
240 II. Asinaria.
Die Asinaria des Plautns zählte zu denjenigen Komödien,
welche die Römische Akademie auf dem Qnirinal aufführen
liess. Wir wissen durch Paolo Cortese von einer um das Jahr
1480 in lateinischer Sprache zu Rom veranstalteten Darstellung,
sowie von einer in italienischer Sprache aus dem Jahre 1514. ^
Weitere Übersetzungen und Aufführungen in Italien folgten.2)
In den späteren Bearbeitungen ist manches mit der Casina und
den Bacchides zusammengeflossen, wovon dort die Rede sein wird:
vor allem ist der schwache Vater Demänetus eine häufig
auftretende Figur geworden.
Zu einer eigentümlichen dramatischen Szene des be-
kannten Humanisten Jakob Locher, genannt Philomusus,3)
hat, wie C. Bursian zuerst bemerkt hat,4) die Asinaria Veran-
lassung gegeben. Es ist das „Ludicrum drama: plautino
more | fictum: a Jacobo locker Pliilomuso: de sene ama-
to|re: filio corrupto: & dotata muliere". Mit Titel und
Brief acht Seiten ohne Jahreszahl und Druckort. Nach dem Bilde
folgen die vier Verse:
Curue senex naso fluido: rügosoque vultu
Qui nocuo pueros ledis amore bonos
Vilia scorta colis lustrans geniale lupanar
Hinc merito pateris tu muliebre iuguni.
') T. Maccii Plauti comoediae recensuit et enarravit Joannes
Ludovicus Ussing. Havniae (suniptibus librariae Gyldendalianae)
1875. Band I, S. 348. „Quare iis teniporibus, quibus in Italia renatae
sunt litterae et latino sermone agebatur, velut Romana academia Pom-
ponio Laeto praeside c. annum 1480 scena structa in Quirinali Monte
Asinariam Plauti Latine egit et Italicis versibus translata Ve-
netiis acta est a. 1514 et in Monasterio S. Stephani et alibi." — ■ Tira-
boscbi. VI, 873. — Nach Brunet (Manuel III, 767) am 11. Februar
1514 gespielt.
2) L' Asinaria Comedia ridicolosa di Plauto, intitolata Asi-
naria, tradotta di Latino in volgare in terza rima e rappresentata nel
Monasterio di Santo Stepbano in Venezia. — L' Asinaria, Comedia di
Plauto, tradotta in terza rima. In Venetia per Bencio da Lecco. 1528,
in 8°. — (Argelati. 11,231. Allacci, Drammaturgia, pag.59.) — L' Asi-
naria, Comedia di Plauto, traducta de Latino in Vulgär, rappresen-
tata adi XL Febraro del MDXLV in Vinetia nel Monasterio de Sancto
Stefano, (nachZeno 1545 in Venedig gedruckt; nach Riccoboni (I, 139)
im Jahre 1528 dort selbst gespielt: Le tems de l'Impression de 1' Asi-
naria et la Singularite du lieu oü on en a donne la representation
meritent qu'on y fasse attention.) — L' Asinaria di Plauto, tradotta
da Francesco Brunamonti in versi sciolti. ( Argelati. II, 232.)
3) Geb. zwischen 23. und 31. Juli 1471 in Ehingen aD.; gest. am
4. Dezember 1528 zu Ingolstadt. (Allgemeine deutsche Biographie.
91. Lieferung. 1884.) (Lpz., Dunker & Humblodt.) S. 59 - 63. „Fünf
Dramen . . . das fünfte endlich ist eine kurze Nachahmung des Plau-
tus (speziell der Asinaria) mit prosaischer Diktion." (Hehle.) —
Gödeke, Gdr. (2. Aufl.) 1,426. — Peter Paul Finauers Versuch einer
bäuerischen gelehrten Geschichte. München 1767, S. 89. — Schröder,
Das Wiederaufblühen der klassischen Studien (1864), S. 271—278. (S. 46.)
4) Francke a. a. 0. S. 122.
Lochers Ludicrum Drama. 241
Das Argumentum besagt:
Corripit insanum niulier dotata maritum
Factaque libratis uerbis scelerata lacessit.
At tandem seruus pacem componit amicam;
Sic letum fineni spectabile drama tenebit.
Es ist also eine Episode der Asinaria, so weit es das
eheliche Leben des Demaenetus und der Artemona be-
trifft, doch spielen wohl auch Stalino und Cleostrata aus der
Casina herein. Das Ganze ist ein witzloses, geistesarmes Ding,
das nur in wenigen Worten, wie der dotata uxor u. ä., an das
Original erinnert. Immerhin aber mag die Seltenheit des
Textes1) und die Kürze des Stückes den Abdruck desselben
rechtfertigen.
lnterlocution.es: Eriphila vxor.
Gerontius maritus. Staphilus seruus.
Eriphila. Salue, amator diacule: iam ne sat est, quod tuo
cum cano vertiee, hirtaque fronte: prostibulis, sordulentis lustris:
olentibus lupis tantopere studuisti? non mihi ecastor licuit: in
meretricis spurcissimeque edibus lene: tibi insanienti turbas publi-
citus eiere: aut te manifesto eriminarier? At at nunc licebit
cum te intra parietes domesticos: ubi nemo homo ex insidiis:
facta tua sordida, clanculum aueupare possiet: vti permeritus es:
probe castigabo: Prob dij immortales, quantam marito meo veeor-
diam infudistis: quem per cerito necessum est circumferre: ut
expiatus resipiscat: qui nunc2) honestatis ciuiliumque morum
nblitus. Munus scortatoris: Haneonis: ac perduetoris pessumi
füngitur: et abiectissimi lenonis meritoriam conducit tabernam.
Gerontius. Heu miserum me! exanclata prima est pugnä
in propatulo! rursus advorsum me: meis in edibus dotalis vxor,
seeundarn instaurat pugnam: o estro percita palladio: scutum ha-
stamque pugnacis bellone: cum impetu demens vibrat: et facie
gorgonis anguinea: toruiorem frontem ostentat. Heu oppido mihi
metuo: ne facinus predicet meum: et istuc in curia martis, ad
areopagitas deferat: meque quoi fides auetoritasque magistratuum
aftatim habebatur: famosum ac contemptibilem faxit: vt miser
etatem malam: malo cum dolore viuam.
>Staphilus. Quidnam est here: quod rain male te angit:
quod tarn mestum vultum prae te3) fers? age sis ego pol faxo
meis (4) sycophantijs : dolis: illecebris: blandiusculis: vt vxor tua
') Nach dem Exemplar diT Miinchuer Universitätsbibliothek
P. lat. rec. 24. (Zapf, Jakob Locher. Nürnberg 1803, S. 139.)
2) Orig. num.
3) Or. se.
IC.
242 IL Asinaria.
apprime imperiosa, silentium faciat: convitiis parcat: teque: vt
prius solebat: in amplexum admittat. Iva in feminis nil nisi
breuis fnror est: quem facile possunt lenia uerba atque parasy-
tica mitigare. Face tu si sapis pro maledictis bona duis verba :
et multa spondeas que nee dij seruare velint. Ut cicada, ita pol
mulier est: que cum semel clamare verbis: strepere dentibus
oeeepsit: vix modum: ad lassitudinem etiam: litibus ac iurgijs
imponit.
Eriphila. Quid te mi vir: amator belle: senectutis speci-
men? ab animo alienauit, vt relicta coniuge? ad scortum ires:
prob1) pudor! quam insignis lambecula tue fronti inusta est: qui
te publicitus vna nostro cum gnato in lustra fetida, confers: in
conspectuque gnati meretricem amplecteris: oscularis: impudiceque
traetas? talos iacis:2) mustum potitas: baebique et cei*eris agitas
certamina. Hoccine est officium patris? heccine pietas? biccine
sunt mores? quos unico nostro gnato tradis. 0 turpem patrem!
turpiorem filium! qui se ab sene delyro seduci perpetitur. Offi-
cium parentis, vt etbici 25nil°S0Pn<cintes tradunt. Gnatum inge-
nuum bonis artibus: liberalibusque diseiplinis erudire: sanis mori-
bus instituere: ad virtutis munera, ac maiorum illustria facta
cobortari: ad sapientie professores ducere: ad templa, atque
deorum sacrifitia. Sed tu decrepitus: in cuius corpore ossa vix
ossibus coberent: et cutis laxa, et maxille dissute sunt: qui fuste
inambulas: et quasi sepulcbralis vmbra pollinctorem cum vespillonibus
prestolaris. qui quidem lippitudine pressa geris lumina. Gnatum ad
scortorum lustra abditumque ganeum duetitas: vt dignos patre suo
mores imbibat.
Gerontius. Nunquid oblectandi gratia: senibus interdum las-
ciuiendi licentiam concedere fas est?
Eriphila. Fateor quidem lusus et iocos posse senibus con-
cedi: retinendus tarnen modus est, ne immoderata voluptate elati:
in sordulentam dilabantur turpitudinem.
Gerontius. Philosopbi mebercle soeratici o mea mai'ita: et
attici nostri prineipes, lusibus et apopbtegmatis operam dedere!
band tarnen usque eorum facta exprobrata fuere!
Eriphila. Hern insipidum senem! neque pre metu mussare:
neque scelus suum occultum habere potest, causam nempe suam
futilibus, ac anilibus fabulis purgare annititur. queso te ecastor!
Estne simile? cum honestis ciuibus ludere iocarique, dictis et
factis urbanis: elegantibus: ingenio (5) sis, facetis, et scortari:
lustra querere: vxori sue palam et uestes suppilare:3) corruptele
') Or. procli.
2) Asinar. V. 904.
3) Asinar. F. 885 und 888.
Lochers Ludicrum Drama. 243
simul et luxui surnptus suppeditare. Tollerabile istuc pol fores!
nisi etiam gnatum contaminares. cui opem atque suppetias fers ad
turpissimaui obscenitatis libidinem saturandam, nisi multuna loqua-
ces nos omnes mulieres haberenmr: vt equum esset te durms ca-
stigarem: nam pol misera discrutior animi cum mihi tanta viri probra
ante oculos adlata conspicio.
Gerontius. Parce precor vxor: pauxillum est quod leci quid
si mores, quos turpiter institutos ais: emendauero: frugique et conti-
nentem, et sophrona: eastumque me facio, et solius vxoris amantem:
alieniqne amoris osorem.
Eriphila. Creduat istuc dea fides: quam totiens ') fiderupa
periurijs tuis polluisti ego pol vix credere ausim. quid si propter
etatem languidam: in te libido extinguitur: tu tarnen post cineres
heredem filium, tui similem, relinquis non didicisti, quid iuuenilis
etatule inscitia et petulantia nimis licentiosa procliuisque in res
vetitas lasciuia senum constituenda et regenda prudentia siet? Nonne
hec etas a libidinibus arcenda est: tute gnatum ad ignein adductitas
proprius vbi plus calescat sumptus clanculum subministras: vt pec-
candi lasciuiendique licentia: otius crescat: istanc etatulam in la-
bore: in patientia: in algore in media: et animi et corporis, exer-
cendam censeo: vt eorum in bellicis, ciuilibusque officijs industria
excellentius enitescat.
Gerontius. 0 Staphile quam egre audio vxoris conuitia:
que sua vociferatione me exanimatum facit: et tergum ex-
dorsuat. nisi dea muta obstrepenti mulieri silentium iusserit:
elinguandamque dederit: et tu istanc placabilem mihi feceris,
hodie pre dolore nimio, Acherontis2) mortuas ad vndas, exani-
mis rapiar.
Staphilus. Os comprime: vbi bilem vitream excreauerit:
grauedinem capitis expuerit et salsam pituitam excoxerit: diccaculis
sycophantijs iratam serenabo.
Eriphila. Quid hij consilij seorsum capiunt: de me? vt
puto: loquitur: non compesco labellum: pritist][tiani coniugis mei
malefacta tota protulero.
Gerontius. Agedum illisce turbis tandem face finem: peccaui
fateor: dictis tuis audiens ero: teque dijs cunctis! et me hercule
mortalibus feminis omnibus anteponam: dies et noctes te vnicam
amplectabor! te animam meam: cor iiieiun medullam meam: vitam
meam, spem atque solatium meum esse dicam. si quid verum est
arpagatum3) et clam argenti subductum: propediem (6) restituctur:
sine me queso durius obiurgare.
') Ol*, totians.
-) Or. Achorontis.
3) Nach Aulularia, V, 200, aurum mihi intus harpagatum est.
16*
244 n. Asinaria.
Eriphila. Jam blandiris; pessume: cum spurcas tuas per-
lecebras amplius tegere nequis. 0 infelicem, mobilemque rempnbli-
cam! que tuis consiliis gubernanda committitur. delo insula insta-
bilior erit : in qua natus fertur latone [natus] Apollo, mobilior itidem
instilis Lyaneis quas quidem Gv{i7tkr)yddag appellant: tu qui tarn
stulta facis : non regis : sed lacessis reipublice statum : Miror si clinia
cherestratus : Demosthenes, callistratus, in partem senatus te ad-
mittunt! luxuria: qua lumbi tni salaces exastnant: cum omni etatisit
turpis: tum senectuti foedissima est. At in te tritum grecorum adagium
compleri video, quo dicitur „xat ov ysQtov iL Kai [iiüQog" hoc: et
tu senex es atque insanus.
Stapbilus. Et in te male mulieris adimpletur ') prouerbium.
que ianua est diaboli: ictus scorpionis pelagus innauigabile : quod cum
semel tempestate: ac procellis concitatust: tristia parit naufragia:
melius est enim: vt sapiens canit: in terra deserta: vepribus in-
eulta: inbospitali ac desolata, virum bonum habitare quam cum
vxore iracunda, ac litigiosa: facili enim ex causa irritata: crabrones
imitatur: et discordiarum semina passim iactitat. Hern quid
queror? faxo iam vt manus iungantnr: paxque in edibus inter
herum et vxorem interueniat: letumque nostris atticis cinibns:
qui in theatro exitum rei operiuntur: harum turbaram finem ex-
bibeamus.
Gerontius. Accede, queso, ad eam blandis verbis ani-
mnm mulce.
Stapbilus. Specta nie ad tutum portum tranquillum ad-
nauigabimus: et ex muliere omninm pessuma tibi optumam,
ex penitissimo corde amabilem reformabo matronam. 0 mea hera!
paucis te volo: noli moleste f'erre: si verna tecum verba funditat.
Eriphila. Quid est? eloquere quod iubet. ausculto.
Stapbilus. Rogo te per deos coniugales: ne denuo aduorsum
herum excandescas: vite sue metuo: nisi pacem feceris.
Eriphila. Quid tum?
Staphilus. Quod et laqueum emit, quem in femore sinistro sub
pallio gerit quo gulam frangere tendit: et se pensilem facere haud
dubitat: aut si istuc non fecerit! de transenna se dare precipitem ait:
nisi tute senem ludificatum mitius tractaris.
Eriphila. Verum ne istuc est: Quid ais? cesso igitur vi-
mm-) obiurgare: at Syngraphum durum faciam, quem ni serua-
uerit mihi dotem recipere licebit: res meas rehabere et diuortium
celebrare.
Staphilus. Recte feceris. Non temerariust istuc, quod antici-
pas: presagacem (7) habes animum: ixbi malam malitiam ariolaris.
') Or. adimpletus.
2) 0. vir.
Lochers Ludicrum Drama. 245
Si herum ad mortem compuleris omnes attice nurus te vti vesauam
ac crudelem, detestarentur: et viduam etatem: annosque mestos
longo tempore victitares: te omnes mortales contemnerent, nemini
tecum foret commertium. Sed iam specta: adduco virum propiua:
vt astans auribus arectis syngraphum accipiat. Hem tu Geronti
accede: pacem adfuturam tibi spero. fac (vt lubens) legibus,
quas lectitabit ac quiescas: sponteque polliceris: perlege sis
eriphila: vt finem spectatores hilarem tandem sortiantur. Tenor
syngraphi.
Eriphila. Eristrati filia cum Gerontio stratonis filio marito
reconciliata durabit: si huiusce syngraphi tenorem seruassit: vt
ante diluculum e lecto surgat: salute prius data, deorum phana
ingrediatur! dein curiam martis visitet: ex officio ciuilibus nego-
tiis satisfaciat: domum sine mora remeet: prandeat cum vxore:
potitet, lauet: cenet: nusquam ad conuiuia pergat: nisi vxorem vna
ducat: nihil argenti nummorum: annulorum habeat: nullius rei ex-
positor siet: cuncta sint sub vxoris imperio, omnium rerum arbi-
tratus vxoris sit, nunquam rideat nisi me ridentem videat. Actus
et mores suos e vultu meo formet: et si omnino negotiari velit:
lanam purget: operas aranearum emaculet: telum in stamine fingat:
aut alijs domesticis negocijs diem conterat. nullam aliam feminam
salutet: nee hirquis ocellis intueatur : ad res cupidas omnes aditus occlu-
sus siet: me bis noctu osculetur: basia mollia prebeat: semel legibus
coniugalibus satisfaciat: meque sibi semper charissimam, ac ioeun-
dissimam esse autumet: quas leges ni seruauerit: iam deos coniu-
gales: pronubam iunonem, lucinam: hymeneum, venerem, plutoniam
persephonem, laresque ac focos obtestor: secum diuortium agam:
et sese desertum relinquam.
Gerontius. 0 mea uxor Utorj xal ipu/^] anima et vita
mea: illasce leges non transgrediar. Da mihi basium: sine
vt te amplecter: que dulei melle dulcius suauius ori meo pre-
bere potes.
Staphilus. Jungite manus: pacemque atque fidem, iunetis
manibus, iunctoque complexu firmate.
Eriphila: Intro mi vir. obliuio omnium rerum obfirmata
•sit: cena est apposita: et mulsum compotitemus: tristisque placa-
bitur etas.
Da plausum manibus, docilis speetator, acutum:
Pectore si memori dieta iocosa tenes.
Exemplar vite, res comica dicitur esse:
Que mores hominum, faetaque praua notat.
Concita per totas vxor discurrit athenas:
Lustra 2>i'ocax iutrat cum lutuleata senex,
Euellit canos turpi furiosa marito:
Imponitque Lugum, quod patienter agit.
246 II. Asiuaria.
At Staphilus taudem dextras coniungit: et acres
Componit motus, connubiumque nouat.
Esse nihil peius (fateor) muliere proterua:
Que propriam turbat seditione domum.
Odit ubique senis pruritum luxuriantis,
Mens mea: tentigo quem medicata rapit.
Quilibet etatis rectos consideret actus
Usque sue: finem prospitiatque bonum.
Inter uirtutem statuat diuortia prudens
Et vitium: pueris sit pia norma senex.
Non semper castos facit indulgentia patrum,
Filiolos: prodest ruga seuera magis.
Da plausum leuibus palmis spectator ouantem:
Si tibi ridiculi perplacuere sales.
Dij bene vortant!
Man sieht, wie unendlich wenig „Plautino more Actum"
an dieser Szene ist. Eigentlich ist sie ein Nachspiel zur Asi-
naria, der letzte Auftritt; denn Libanus hat immerhin die
Pflicht, um das Lustspiel befriedigend zu lösen, die beiden
Gatten wieder zu versöhnen. Der „syngraphus" der Eri-
phila ist ohne Zweifel aus dem des Parasiten (V. 746) ent-
standen, worauf die Einleitung (F. 751) und einige Einzelnheiten
hinweisen.
Des Plautus „Eselskomödie" wurde zu einer „Vaccaria" *)
in der Bearbeitung des bekannten Angelo Beolco,2) genannt
Ruz(z)ante aus Padua (S. 56), welche wohl die nicht lange vor-
her erschienene Übersetzung der Asinaria veranlasste.3) Es ist
eine geschickte Modernisierung der antiken Komödie,4) ohne
') Weil vacche (Kühe) an die Stelle der plautinischen Esel
traten.
2) Tvtte | le opere | Del Famosissimo | Evzante. | Di nuouo con dili-
genza riuedute, & corrette. | Et aggiuntoui un Sonetto, & una Canzone
dell' istesso Auttore. | AI M. Mag. Sig. Vespasiano Zogiano | Gentilhuomo
"Vicentino. | In Vicenza | Per gli Heredi di Perin Libraro MDXCVIEL —
Die Widmung des Druckers (Vicenza, 20. September 1584) sagt von den
Stücken des Ruzante „egli racconti tutto il buono, & il bello,
che ha detto Terentio, & Plauto". — Die mir vorliegende Samm-
lung enthält. Piovana 1598. 54 fol. (Eine andere mir bekannt gewor-
dene Ausg. der Piovana, Comedia, overo Noella del Tasco di Ruzante
erschien im Jahre 1548 in Vinegia appresso Gabriel Giolito de Ferrari,
54 fol.) ; Anconitana 1598, 40 fol. ; Rkodiana 1598, 63 fol.; Vaccaria 1598,
55 fol.; Fiorina 1598, 16 fol.; Moschetta 1598, 31 fol.; und Due Dialoghi
di Rvzante. In lingua Rustica. Sententiosi, Argvti, Et ridiculosissimi
1598, 22 fol. Dialogo facettissimo Et Ridiculosissimo di Rvzante. Reci-
tato ä Fossön alla caccia. Del MDXCVIDI, 10 fol. Tre Orationi di Rv-
zante. Recitate in lingua rustica, ohne Jahreszahl, 31 fol.
3) Sand, Masques et bouffons. U, 156, Anm. 1.
4) Sand, 1. c. U, 168. Cette Vaccaria de Ruzante est exces-
Ruzzantes Vaccaria. 247
dass sich der gewandte Dichter1) weit von derselben ent-
fernt hätte.
Den Prolog- übernimmt der spirito foletto, indem er das
Verhältnis des Dichters zu Plautus aiiseinandersetzt. Auch
PI au tu s könnte heutigen Tages nicht mehr anders denn der
Dichter der Vaccaria schreiben: Vno che di lä Actio, & di qua
Plauto e nominato, manda a dirui, che, douendosi questa sera
recitare una Comedia, non uogliate biasmarla se ella non e latina,
6 in uerso, 6 di lingua tutta polita, perche s' egli fosse fra' uiui
a questi tempi, non farebbe le sue Comedie d' altra maniera, che
di questa medesima, di cui sete spettatori. Et soggiunge, che
non uogliate far giudicio di questa alle sue, che scritte lasciö,
che ui giura per Hercule & per Apolline, eh.' eile furono recitate
altramente che non sono stampate hoggidi, perche molte cose
stanno bene nella j>enna, che nella Scena starebbon male. Hör io non
ho da dir, ne aspettar alla risposta, se uplete, che saluti aleuno di
lä. Mi parto.
Einen zweiten längeren Prolog spricht der Diener (faini-
glio) Truffo.
I. Akt. (1.) Der alte Placido, der Demänetus des Plau-
tus, bespricht sich mit seinem Diener Truffo (Libanus) über
die Verhältnisse seines Sohnes Flavio. Dieser bedarf fünfzig
Gulden, um seine Geliebte, Fiorinetta, von der Kupplerin loszu-
kaufen. Wie Demänetus will Placido ein Freund der Jugend
sein. Wie jener (V. 49):
Aut quor postremo filio suscenseam,
Patres ut faciunt ceteri?
sagt er: „Pensitu forse ch' io uoglio essere come e la maggior
degli altri padri che son tali contra i ngliuoli, che fanno de-
siderarsi la morte trent' anni avanti la morte?" Wie Demäne-
tus (7. 52):
Equidem scio iam filius quod amet meus
Istanc meretricem e proxumo Philenium,
kennt Placido das Vorleben dieses Mädchens. „Non creditu
eh'io sappi, che Flavio ama Fiorinetta? colei che pur questo anno
cominciö a diuentar cortigiana. " Aber das thut nichts „perche
sivement remarquable d'autant plus que laissant de cöte toute l'ordure
antique de l'Asinaire, il a su en tirer une piece romanesque, diver-
tissante et d'un comique plus naif et plus vrai . . . Jbid. II, 155. La piece
de Ruzante est meilleure que celle de Piaute.
') Sand, Le. II, 165. Euzante est un realiste aussi, il appelle les
choses par leur nom et ne farde point les meeurs brutales et licen-
cieuses de son temps.
248 II. Asinaria.
costei non e monaca." Wie der alte Vater des Demänetus, so
hat auch jener des Placido ihm einst seine Geliebte seihst zu-
geführt. (F 68, oben S. 235): „Io mi ricordo che mio padre,
uedendomi innamorato di una giouinetta . . . si uesti in forma di
mercante, & tolse con inganno al ruffiano colei ch' io amauo &
la menö fino al mio letto, " ja (F 71 neque puduit u. s. w.) „ne
hebbe rispetto, uecchio, in quell' etä far una bareria si fatta non
per altro, se non perch' io lo ricontracambiassi dell' amore che
mi portaua. " Truffo soll also die fünfzig Gulden auf irgend
welche Weise schaffen. Das kann nur geschehen, indem die
Frau betrogen wird, worauf Truffo bereitwilligst eingeht. (V. 109):
Siquid te uolam,
Vlri erisl
Quando ti uorrö, doue sarai tu?
Truffo ist zufrieden mit dem Handel: A sere don piaserä a i nie
parön, ch' a no stago pi con uü dasche a m' hai dö licientia ch'
a faghe sta noella de sti dinari u. s. w.
(2.) Der nun folgende Monolog des Truffo findet sich bei
Plaut us nicht. Truffo will seinen Mitsklaven Vezzo für seinen
Plan gewinnen und geht, ihn zu suchen.
(3.) Flavio (Argurippus) ist eben aus dem Hause der
Kupplerin gewiesen worden und beschwert sich bitter über die ihm
widerfahrene Behandlung. Dem
(V. 127.) Sicine hoc fit? foras aedibus me eicier?
Promerenti optume hocin preti redditur?
u. s. w. entspricht genau:
A questo modo si fa? cosi mi cacciate di casa? questo e '1 merto
del bene ch' io ui ho fatto; dann unter Auslassung einiger speziell
Rom betreffender Reden (F. 131, Ibo ego ad trisuiros u. s. w.) fährt
er wieder so ziemlich mit Plautus (F. 145)
Reddam ego te ex fera fame mansuetera,
weiter: „Io ti farö ritornare piaceuole, come si fanno le tue pari
bestie, con la fame."
(4.) Celega, die kupplerische Mutter Cleaereta, tritt aus
dem Hause. In energischer Rede hält sie Flavio sein Betragen
vor: Pensi tu, che le carni di mia figlia, che tu hai goduto tanto
tempo, non uagliano trenta, ouer quaranta desgratiati fiorini,
che tu hai speso in casa mia? Flavio bittet, sie möge bis zum
Tode seiner Mutter warten, „vedrai a quell' hora chi sarä Flauio."
Aber hierzu hat Celega wenig Lust. Sie gebraucht (nach Plau-
tus, F. 215) den Vergleich mit dem Vogelsteller und erklärt,
Ruzzantes Vaccaria. 249
nicht warten zu können. Polidoro (Diabnlns) bitte sie schon
seit einem halben Jahre, „per hauer mia fig-lia. " Wer also zuerst
bezahlt, soll sie haben. „Dunque chi di uoi piü tosto uerrä, harä
il pallio & V altro, la uesica." Das Geld muss demnach geschafft
werden, und das plautinische (F. 248):
Nam si mutuas non potero, certmnst sumam faenore,
drückt Flavio zeitgemäss aus: „ilprimo viaggio ch' io faccio, uoglio
che sia allo heb reo."
II. Akt. (1.) Die beiden Diener Truffo imd Vezzo (Leo-
nida) verabreden ihren Plan. Vezzo hat sich als „Fattore"
zu verkleiden und als solcher die „tresento liere" in Empfang zu
nehmen, welche der „mercante" an die gekauften Kühe noch
schuldet. Der „mercante" tritt auf, wie im Original (V. 381):
Vt demoustratae sunt mihi, hasce aedis esse oportet,
Demaenetus ubi dicitur habitare.
„Se colui me ha ben insegnato, questa e la contrata oue stä quel
Placido, al quäle io ho da esborsar questi danari." Das Geld
darf er nur dem Fattore einhändigen, den er aber nicht kennt.
Er will sich nun informieren. Hier hat Beolco einiges hinzu-
gethan; doch ist er alsbald wieder zum Original zurückgekehrt
(F. 384):
Quis nostras sie frangit foris? ohe, inquam, siquid audis.
„Chi sbatte a quell' usso? 0 la, no aldiuü an?
Dem sich aufdrängenden Truffo erwidert der mercante
die Worte des mercator (F. 385): „Nemo etiam tetigit, sanun
es?" mit Hinzuziehung von F. 387 :l) „Tu sei molto amico di
queste tue porte, io non le ho ancor tocche, che tu rispondi. "
Der mercante lässt sich nun, wie bei Plautus, den Fattore
schildern und verlangt, zum Herrn zugelassen zu werden. Da
tritt (2.) Vezzo, als Fattore verkleidet, auf. Er zankt im Hause,
wie Leonida (F. 407):
neminem meum dictum magni facere?
„Non fanno stima delle mie parole." Wie der mercator (F. 410):
„Nimis inperiosust, " fragt der mercante, „che diauolo di lingua
e questo?" Truffo stellt nun dem Fattore den Fremden vor:
„Messier Fattore, sto hom da ben ha portö dinari e perque el
uorrae tornar sta sera a Vicenza el ue priega, ch' al desbratte
') Den dort Libanus spricht: saue ego sum amicus uostris.
250 II- Asinaria.
ananzo quh a naghe." Während des Handels aber kömmt der
wirkliche Fattore und bereitet den beiden Sklaven eine gewaltige
Verlegenheit. Um dies hat Beoleo sein Stück erweitert
und in einer der italienischen Komödie geläufigen
Weise die Beigabe durchgeführt. Trnffo zieht den über
Vezzos Verkleidung staunenden Fattore beiseite und erzählt
ihm eine Geschichte. . Soeben sei dieser Mensch gekommen mit
der Versicherung, dass im Hause ein Schatz zu heben sei, „questü
si sä cattar tresoro sotterö, sconto sotto terra." Vezzo habe,
um den Betrug, den er vermute, zu entlarven, die Kleider des
Fattore angelegt, „perche el no poesse me tornare a redoman-
darue i danari ne a vü ne al parön." (3.) Der mercante wendet
Vezzo gegenüber alle Vorsicht an, wie bei Plautus; dagegen
gelingt es, dem Fattore zehn Dukaten abzulocken, um dem Schatze
gehörig nachzugehen.
III. Akt. (1. 2.) Celega unterrichtet ihre Tochter Fiori-
netta,1) wie sie sich Polidoro, ihrem neuen Herrn, gegenüber
zu verhalten habe. Sie giebt sich alle Mühe, ihre Tochter zu
gewinnen, der sie stets die Wahrheit gesagt habe. „Tu sai pur
che io ti dico sempre il uero, che la prima uolta che tu dormiste
con Flauio, perche tu non haueui mai piu dormito con aleuno
& haueui tanta paura, e credeui che el fusse si gran cosa dormir
con un huomo, & io ti confortai che non temessi che la mattina,
te ne troueresti contenta, & cosi fü. Non e. vero?" Warum
glaubst du mir jetzt nicht? Flavio hat nichts mehr; so ist
keine Liebe mehr denkbar. Umsonst wendet Fiorinetta gegen
Messer Polidoro ein: „Egli ha il mal francese, " und möchte
lieber verheiratet sein, als so leben; die Mutter befiehlt ihr, sich
für Polidoros Ankunft zu schmücken. (3.) Truffo und Vezzo
freuen sich ihrer Errungenschaft, als (4.) Flavio und Fiorinetta,
um Abschied zu nehmen, auftreten. Wie Philenium will Fiori-
netta ihren Geliebten nicht lassen. Aber die Mutter stösst ihn
ja weg. Perche non mi lascitu andar cuor mio? Perche mi
ritientu? fragt er mit Argurippus (V. 591, Quor me reten-
tas?). Sie versichert ihn ihrer treuen Liebe, wozu, wie bei
Plautus, die beiden Sklaven rückwärts ihre Bemerkungen
machen. Ihre Liebeserklärungen sind etwas breiter gehalten, als
im Originale. Endlich treten die Sklaven vor. In langen Wor-
ten berichten sie, wie sie zu dem Gelde kamen; lange halten sie
den gepeinigten Flavio und die zitternde Fiorinetta hin. Endlich
legen sie das Geld in seine Hand, und stolz kann nun Flavio
') Sand, Masques et bouffons. II, 155. Cette Fiorinetta, c'est
la Pliilenie de Demoplrile et de Plante, remise en lumiere au seizieme
siecle et transforme'e selon le sfoüt de la renaissance.
Ruzzantes Vaccaria. 251
sagen: „Chiama dunque tua madre, Fiorinetta, che numeremo li
danari!"
IV. Akt. (1.) Polidoro hält seine Sache für gewonnen, da
er hört, sein Nebenbuhler Flavio könne das nötige Geld nicht
auftreiben, um sein Mädchen loszukaufen. Er ruft einen Notar,
und dieser errichtet eine Urkunde, dass heute, im Jahre 1533,
Donna Celega ihm ihre Tochter auf ein Jahr überlasse „per
scudi cinquanta d'oro." Sie darf niemand empfangen, keinen
Brief, kein Sonett annehmen, nicht ans Fenster treten, keinen
Ball besuchen, ja nicht einmal ausgehen „ad udir comedia."
Niemanden darf sie durch Husten u. dgl. ein Zeichen geben u. s.w.,
im allgemeinen nach dem syngraphus des Parasiten, doch
mit Bedingungen, welche auch dem Notar zu hart erscheinen.
Indessen kommt Polidoro zu spät und ärgert sich gewaltig über
den Alten, der seinem Sohne zu dem Sündengeld verhalf und nun
sogar ein flottes Abendessen giebt. — Placido macht, wie De-
mänetus, seinem Sohne den berüchtigten Antrag (V. 830):
„Da questa sera inanzi Fiorinetta sia tua, ne ti dei dolere, ch' io
la godi una sera, douendola tu godere tiitto quest' anno," ganz
nach Plautus. Auch hier erwidert Flavio (vgl. V. 840) auf
Placidos Verlangen: „Guardami ridendo, ch' io ti crederö",
ruhig: „Vedete, s' io rido." — Unterdessen (8. Sz.) hat der Pa-
rasit Loron die Gattin Placidos, Rospina (Artemona), von
allem in Kenntnis gesetzt. Soll Placido wirklich ihrem Sohne die
Summe verschafft haben? Loron bestätigt es ähnlich dem Para-
siten (7. 854):
Neque diuini neque mi humani posthac quicquam adcreduas,
Artemona, si kuius rei me mendacem esse inueneris,
mit den Worten: „Nö me tegni, ne turco, ne moro, ne pagän,
ne zodio, ne Christian, s' a me catte in bosia." Sie soll nun ihren
Gatten sehen: „Voliu ueere el uostro zogiello assento a desco
ape d' una bella putta?" Ihn belauschend, überzeugt sie sich
von seiner Galanterie gegen Fiorinetta, oft will sie losfahren,
immer hält sie Loron noch zurück. Darum also, klagt sie mit
Artemona (F. 840), ist er abends müde, dorme tutta la notte
come un tasso, & io, niisera, credo che nel palazzo, nelle corti, di-
nanzi ä Giudici faccia quelle fatiche. Zornig dringt sie ins Haus
ein. Loron aber eilt zu Polidoro, „dirghe, eh' a he guagno
el disnare. "
Den fünften Akt hat Beolco, in richtiger Weise
fühlend, dass ein Abschluss fehlt, selbst erfunden.
Rospina ist versöhnt; Placido voll des Glückes, dass seine
Gattin aus einer „aspera, superba, avara" eine „mansueta, lm-
mile e liberale" geworden sei. Rospina sieht ein, dass sie zu
252 II. Asinaria.
viel den Mann gespielt habe. — Celega sucht durch ihre Not
ihr schändliches Gewei-be zu beschönigen. Fiorinetta ist ihre
Tochter nicht, und Ro spina beendet nun die ganze Sache zur
Befriedigung aller Beteiligten.
Mit strengstem Anschluss an sein Original hat Beolco eine
frische, heitere, ganz in ihrer Zeit und in ihren Lokalitäten spie-
lende Komödie zu schaffen verstanden. Schwieriger zu lesen sind
nur die in bergamaskischem Dialekte geschriebenen Szenen.1)
ohne dass sie jedoch für den einigermassen Sprachkundigen
„Babeltürmchen" oder „Hieroglyphensärge", wie Klein'-)
meint, wären.
Eine weitere italienische Bearbeitung der Asinaria ist
die Komödie „II Martello"3) des Florentiners Giovammaria
Cecchi4) (S. 57). Im Prologe sagt Cecchi, er habe sich eine
plautinische Komödie (che fu da lui chiamata 1' Asinaria)
„rimbusta a suo dorso" und „su composto ui sua fauola", so
jedoch:
Aggiuugnendo e leuando, come. raeglio
Gli e parso, e cid non per corregger Planta.
Ma per accomodarsi a' tempi e gli huomini.
Fabio ist der Liebhaber des Stückes. Wie Demaenetus
versteht sich sein Vater Girolamo dazu, das ihm nötige Geld
zu verschaffen, indem er seine Frau Paper a, Fabios Stief-
mutter, um eine Summe (80 Scudi) prellt, die ein Pächter ihr
abzuliefern hat. Girolamo spielt selber den Verwalter seiner
Frau, Gualfredi, und lässt sich von dem Pächter Ton di
Bartolo das Geld aushändigen. Er verlangt für sich nur den
ersten Anteil an Angelica, der Kurtisane, die fälschlich als
Fabios Geliebte gilt. Papera stört ihn im Genüsse dieses ihm
gerne zugestandenen Glückes und treibt ihn nach Hause: A casa,
uecchio matto, a casa! (V, 3.) Der treue Diener Fabios, der
ihm zur Flucht mit seiner Geliebten Selvaggia verhilft, ist
Nebbia. Aus den Enthüllungen, welche Angelica der belei-
digten Gattin Papera macht, ergiebt sich, dass Selvaggia die
geraubte Tochter Paperas aus erster Ehe ist. — Neben diesen
Figuren spielt der „bravo di Mantova", der Capitan Lan-
franco Cacciadiavolo und die übliche Parasitengestalt
des Sparecchia, der (genau nach den Vorgängen im miles
') Darüber klagt auch Riccoboni. I, 52: II est difficile de les
goüter par la difficulte qu'il y a d'entendre taut de differentes langues.
2) IY, 907.
3) Vgl. Ussing. I, 343. — Klein. IV, 646—657. — Lorenz zum
Miles gloriosus. S. 255.
4) Vgl. Ariosto, Commedie, herausgegeben von Tortoli. S. 50.
R. Lenz: Das Väterchen. 253
gloriosus) die Grosssprecherei seines Herrn durch sein ständiges
Beistimmen nährt.
Meines Wissens zum erstenmale findet sich bei Sulz er
(Theorie d. Seh. K. 1793) III, S. 704h, über die Asinaria die
Mitteilung-: „Im Deutschen hat Job. Burmeister, Lüneburg
1625, 8°, eine sonderbare, auf die Geschichte von den Vorhäuten
der Philister gegründete Nachahmung' davon gegeben." Diese
Notiz wiederholt wörtlich Wilhelm David Fuhrmann in
seinem „Handbuch der klassischen Litteratur" oder An-
leitung zur Kenntnis der griechischen und römischen klassischen
Schriftsteller. Rudolstadt 1809. III. Bd., S. 40. — Alle meine
Bemühungen um das, wie es scheint, äusserst seltene Buch
waren erfolglos. (Vgl. S. 214).
Wohl die letzte Bearbeitung des plautini sehen Stückes
ist die von Reinhold Lenz (S. 100) in dem Lustspiele „Das
Väterchen". ')
I. Akt. (1.) Herr Negoziant Schlinge ist ein guter Mann
und schlechter Pädagog. Er ist „nicht von der gewöhnlichen
Air Väter". Darauf ist er stolz, und es freut ihn, dass sein
Diener Johann seinem Sohne Ludwig bei allen seinen Streichen
so behilflich ist. „Wollte Gott," meint er, „alle Väter dächten,
wie ich, so würden sie mit ihren Kindern nicht anders umgehen,
als mit ihren guten Freunden. Das ist mein einziger Ehrgeiz,
hör' mal, mein seliger Vater hat mir's ebenso gemacht. Es ist
kein Schelmstück gewesen, wo er mir nicht mit Rat und That
an die Hand ging, wenn ich's ihm entdeckte. Damit gewann er
mir denn das Herz ab; ich hätte mich vierteln für ihn lassen,
und das möcht' ich von meinem Sohn auch gern." Nun
braucht der Junge Geld. Er soll der Jungfer Klär eben, viel-
mehr ihrer alten Mutter, zweihundert Gulden Hauszins schaffen,
..und wenn er ihr das Geld nicht schaffen kann, soll er ihr den
Fuss nicht mehr ins Haus setzen." Die Mutter aber hält den
Jungen zu streng; er selber kann nichts machen; denn um die
Aussteuer seiner Frau — also auch einer uxor dotalis — hat
er seine Hosen verkauft. Johann soll nun um jeden Preis das
Geld schaffen. (2.) In der zweiten Szene werden wir Zeugen
eines heftigen Streites zwischen Ludwig und Klärchens Mutter,
Frau Gervas. Sie hat ihm die Thür gewiesen, „diese Pest
der jungen Leute. Das Meer ist nicht so falsch," klagt er mit
') Im zweiten Bande, S. 3 — 37 von „Gesammelte Schriften von
J. M. R. Lenz". Herausgegeben von Ludwig Ti eck. Berlin 1S2S Ge-
druckt und verlegt bei G. Reimer.
254 n. Asinaria.
Argurippus (V. 134), „wie ihr; jenes hat meinem Vater Geld
gebracht, ihr habt's verschlungen. Aber ich will dich mit Hunger
dressieren, wilde Bestie," droht er Frau Gervas, die sich in
ihrer ganzen Niedrigkeit zeigt und sich endlich mit dreihundert
Gulden begnüg-en und auf die Bedingung eingehen will, dass ein
Jahr lang keine andere Mannsperson über ihre Schwelle komme.
Ludwig will das Geld, und sei es um neun und neunzig Prozent,
sich verschaffen.
II. Akt. (1.) Johann, der den Auftrag seines Herrn über-
nommen hat, hat sich mittlerweile verschlafen. Zu ihm kömmt
(2.) der zweite Diener Bertrand, mit dem er sich nun bespricht.
Die Hilfe kömmt unerwartet rasch. Der Haushofmeister der
Frau Schlinge, Herr Koller, hat an den Amtmann aus Dill-
hofen ein Reitpferd verkauft, und nun ist ein Bauer da, der dem
Herrn das Geld aushändigen soll. Herrn Schlinge kennt er
wohl, nicht aber den Haushofmeister. Da nun Herr Schlinge
alles im vornhinein gestattet hat, so gilt es, den Bauer zu
prellen. (3.) Der Bauer wird von Johann empfangen; auf seine
Frage, wie Herr Koller aussehe, schildert ihn Johann: „Er hat
rotes Haar, eingefallene Backen, boshafte Augen, eine niedrige
Stirn." Der Bauer erinnert sich, ihn bereits gesehen zu haben.
(4.) Unter heftigem Schimpfen tritt Berti- and als Haushofmeister
ein; der misstrauische Bauer jedoch zahlt ihm das Geld nicht aus,
sodass ihn Berti- and zu Herrn Schlinge führen muss.
III. Akt. (1.) Frau Gervas ist mit ihrer Tochter Klärchen
Ludwigs halber in bösen Konflikt geraten. „Heut Abend um
sieben, das ist der letzte Termin, da Herr Reich versprochen,
zu mir zu kommen, wenn dein Ludwig nicht eher bei der
Hand ist," so lautet ihr letztes Wort. (2.) Unterdessen hat der
alte Herr Schlinge mit Freuden die dreihundert Gulden von
dem Bauer in Empfang genommen und sofort seinem Sohne ge-
schickt; jedoch' nicht so ganz bedingungslos. „Ich soll ihm
(Ludwig) sagen," erzählt Berti- and seinem Kollegen Johann,
„dass der Alte sich dafür heute Abend mit seiner Liebsten was
zu gute thun will." (3.) Klärchen kann sich trotz des Gebotes
ihrer Mutter von Ludwig nicht trennen. Endlich liefern unter
allerlei Scherzen die Bedienten Ludwig das Geld aus. Auch die
Konkurrenz seines Vaters nimmt Ludwig ruhig hin. „Er ist
doch besser als Reich," tröstet er sich.
IV. Akt. Der vierte Akt umfasst nur drei Seiten. Herr
Reich setzt mit einem Bakkalaureus einen Kontrakt auf, dem-
zufolge er an Frau Gervas dreihundert Gulden zahlen wolle,
wogegen sie und ihre Tochter eine Reihe anderer Bedin-
gungen, vor allem seine alleinigen Rechte auf Klär eben, ein-
zugehen haben.
R. Lenz: Das Väterchen. 255
V. Akt. (1.) Zu seinem grossen Verdrusse hat Herr Reich
von Herrn Schiinges Einmischung erfahren. Seine Frau soll
nun alles wissen, und der Bakkalaureus übernimmt es, sie
mit den Vorgängen vertraut zu machen. (2.) Bei Frau Gervas
findet eine kleine „Kollation" statt, an welcher Herr Schlinge,
Ludwig und Klärchen teilnehmen. Während bei derselben
Vater und Sohn bereits auf einander eifersüchtig werden und
fast an einander geraten, erfährt (3.) Frau Schlinge durch den
Bakkalaureus die Streiche ihres Gatten. Sie sieht, an der
Thüre des Hauses der Frau Gervas stehend, „wie er's an die
Brust drückt," hört, wie er zu Klärchen sagt: „Ich könnte
meiner Frau mit guter Manier das neue Mäntelchen stehlen, das
ich ihr habe machen lassen, das neue, atlassene, mit Gold durch-
wirkt;" sie ist Zeugin, wie er sie küsst und ausruft: „0 was das
für ein süsser Atem ist gegen meiner Frau ihrem!" Endlich wird es
Frau Schlinge zu bunt; sie fährt unter die erschreckte Gesellschaft
und führt ihren Mann nach Hause, der ihr mit den Worten folgt:
„Weh, welch ein Souper wird das geben."
Ob das Lustspiel trotz genauen Anschlusses an Plautus und
der völligen Modernisierung im stände wäre, auf unsrer Bühne
sich zu halten, erscheint mehr als zweifelhaft.
Ins Deutsche übersetzte die Asinaria A. C. Bor heck*)
(Köln 1803).
III. Aulularia.2) (Querolus.)
Unglücklicherweise ist die Aulularia, „eines der ausge-
zeichnetsten Stücke des Plautus, nach Anlage wie Ausführung" 3)
nicht vollständig auf uns gekommen. Gerade die Lösung
fehlt. Die alten argumenta deuten zwar darauf hin, wie dieselbe
stattgefunden haben mag:
Laetusque natam collocat Lyconnli
sagt das eine:
Ab eo donatur auro, uxore, et filio
>) Gödeke. III, 217.
2) Ausgaben: Güller (Köln 1825); E. J. Richter (Nürnberg 1833):
Deenik (Leiden 183;")); J. Hildyard (London 1839); Thom. Vallauri
(Turin 1853); W. Wagner (Cambridge 1876); E. Benoist (Paris 1878);
C. M. Francken (Groningen 1877). — Hier ist zitiert nach Plauti Co-
moediae, ed. Carol. Herrn. Weise, Quedlinburg 1837. Bd. I, S. 91 — 129.
— Vgl. C. M. Francken, Hct origiueel van PL Aulul., Versl. en Mede-
deel. d. Konigl. Akadem. II. 1882.
3) Teuf fei (G. d. r. L.), S. 147.
256 HI. Aulularia.
das andere. Demgemäss hat Antonius Codrus Urceus, Pro-
fessor zu Bologna, der unter den Kaisern Sigismund und
Friedrich III. lebte, das Stück ergänzt (s. hei Danz); allein
Lessing sagt (Beiträge 48): „seine und des Plautus, Arbeit
unterscheiden sich allzusehr." Kürzer ist das Supplement von
P. Pareus. Auch M. Rapp (Die pL L., S. 902 — 909) hat einen
Schluss zu dem Stücke gedichtet, ist aber (S. 827) der Meinung,
dass man denselben „nicht besonders plautinisch", sondern
„ einigermassen modern" finden wird.
Die Aulularia (Topfgeschichte), so genannt von dem Gcld-
topfe — olla — den Euklio auffindet, ist von jeher als eines
der hervorragenderen Stücke des Plautus angesehen worden.
Schlegel sagt: „der Schatz des Euklio sei wie ein unsichtbarer
böser Geist, der das Ganze beherrscht und den Zuschauer in fort-
währender Spannung erhält."
Der Hausgott (Lar fa miliaris) eröffnet das Stück mit
einem Prologe. Diesen (sowie den zum Rudens) möchte Teuf fei
„von dem Verdammungsurteile ausgenommen" wissen. Diese
beiden und der von Ritschi schon als echt verteidigte zum
Trinummus haben „die positive Eigentümlichkeit mit einander
gemein, dass sie alle einem göttlichen Wesen in den Mund ge-
legt werden: beim Trinummus der Luxuria und Inopia, beim
Rudens dem Arcturus und in der Aulularia dem Lar fami-
liaris". Auch bestehen sonst keine direkten Verdachtgründe.
Der Hausgott sagt, er beschütze dieses Haus schon viele
Jahre (7. 3):
Hanc dorn um
Iam multos annos est quum possideo et colo.
Der Grossvater habe ihm einmal einen Schatz in Gold (auri
thesaurum, V. 7) übergeben, den, unter dem Herde vergraben,
dieser seither bewachte. Sein Geiz hielt ihn ab, seinem Sohne
hiervon Mitteilung zu machen; um den Hausgott aber kümmerte
sich der Sohn wenig und ebenso wenig der Enkel, des Hauses
dermaliger Besitzer. Die Tochter aber dieses Mannes ehrte ihn
reichlich mit Opfern und ihr zuliebe (eius honoris gratia, V. 25)
fügte es der Lar so, dass Euklio den Schatz entdeckte. Noch
giebt er einige Andeutungen über den Fortgang der Handlung.
Im ersten Akte schmäht Euklio seine Magd, die alte
Staphyla, die „circumspectatrix cum oculis emissitiis" [V. 41),
die alles auszuspionieren suche. Er fürchtet, sie möchte von dem
Schatze erfahren, dessen Entdeckung er niemand anvertraut, den
er vielmehr vergraben hat. Während er, wie öfter in dem Stücke,
Studien und Charakteristiken u. s. w., S. 25G.
Charakteristik derselben. 257
auf einige Augenblicke die Bühne verlässt, um nach seinem Geld-
topfe zu sehen (F. 65):
Nunc ibo, ut uisam, estne ita aurum, ut condidi,
Quod me sollicitat plurimis miserum modis.
erzählt uns Staphyla von ihrer Verlegenheit. Euklios Tochter,
Phädra. ist daran, jeden Augenblick niederzukommen (F. 75):
propinqua partitudo quoi appetit.
Der Alte kömmt beruhigt zurück, da er alles in Ordnung
fand (F 79):
Nunc defaecato demum animo egredior domo,
Postquam perspexi salua esse intus omnia.
Er wiederholt seine Warnungen, ja niemand einzulassen, selbst
die Göttin Fortuna nicht (F. 100):
Si Bona Fortuna ueniat, ue intromiseris
und schickt seine Dienerin ins Haus. Aus seinem Selbst-
gespräche erfahren wir, dass er zum ..magister curiae" (F. 107)
gehe, um bei der Geldverteilung sich einen Sesterz zu holen, da-
mit ja niemand in ihm einen vermöglichen Mann vermute.
Im zweiten Akte tritt der alte Megadorus mit seiner
Schwester Eunomia auf. Er vertraut ihr, dass er willens sei,
Euklios Tochter, die er liebgewonnen habe, zu freien. Eunomia
verspricht ihm, obwohl sie über die Weiber im allgemeinen nicht
eben günstig urteilt,1) ihre Beihilfe. Euklio kömmt eben des
Weges, um nach Hause zu eilen, wo sein Herz weilt (F. 180):
„nam egomet sum hie, animus dornt est."
Da eröffnet ihm Megadorus seinen Wunsch. Euklio aber
vermutet, Megadorus wisse um den gefundenen Schatz (F. 215):
„aurum huic ölet"
und werbe nur deshalb um seine Tochter. Er hält ihm seine Ar-
mut entgegen; als aber endlich Megadorus erklärt, er wolle das
Mädchen ohne jede Mitgift heiraten, wodurch Euklios Ein-
wurf (F. 237):
At nil est dotis quod dem
') V. 123. Quamquam haud falsa sum, nos odiosas haberi.
Nam multum loquaces merito omnes habemur:
Nee rautam profecto repertam ullam esse
Eodie mulierem dieunf ullo in saeclo.
V. 136. Decet equidem aera proloqui.
Nam optima nulla potest eligi; alia alia peior, frater, est.
17
258 IH- Aulularia.
gegenstandslos wird, giebt er es zu, nachdem er vorher noch schnell
ins Haus gelaufen war, um nach dem Golde zu sehen. — Von
S t a phy 1 a erfahren wir noch, dass Phädras Niederkunft unmittelbar
bevorstehe (F. 269):
„probrum atque partitudo prope adest ut fiat palam."
Im dritten Akte1) erblicken wir den Sklaven Strobilus,2)
Köche (Anthrax, Congrio) und andere mit den Vorrichtungen
zur Hochzeit des Megadorus beschäftigt, wobei Strobilus
einige Anekdoten von Euklios Geiz zum besten giebt. Die
Szene mit den Köchen wird etwas ausgedehnt.3) Von Pytho-
dikus erfahren wir einiges über die üblichen Diebstähle der
Köche, die er als „rapaeidae" (F. 363) bezeichnet. Euklio tritt
auf und entwickelt sein Sparsystem. Auch er wollte heute zur
Hochzeit seiner Tochter etwas heimtragen und ging deshalb auf
den Markt, allein (7. 366):
rogito piscis; indicant
Caros. agninani carinii, carinii bubulam,
Vitulinam, cetum, porcinam, cara omnia;
Atque eo fueruut cariora: aes non erat.
1) Nach. Rapps Einteilung.
2) Hier tritt der Sklave Strobilus als dem Megadorus gehörig
auf (F. 273 ff.) uud schafft für diesen; später ist er Eigentum seines
Neffen Lykonides, ja er spricht sogar, als wisse er von des Mega-
dorus Hochzeit nichts. Darum haben einzelne Kritiker zwei Stro-
bilus angenommen. Rapp (S. 910) findet diese Trennung in einen
Strobilus geminus noch „viel lächerlicher, als jene kleinen Inkonse-
quenzen, und wenn Köpke in seiner Einleitung zum Stücke bemerkt,
Plautus habe diesen beiden Sklaven lieber einerlei Namen gegeben.
um sie durch Einen Schauspieler spielen lassen zu können, so glaub'
ich, hat er der Wahrheit näher geraten". Rapp (S. 911) glaubt, Stro-
bilus, als „die lustige und verschlagene Person unseres Stückes", sei
vom Dichter zwiefach verwendet worden. „In den ersten Akten braucht
er einen Sklaven, der das Küchenregiment führt und den Hochzeitschmaus
anordnet; er nennt ihn Strobilus und lässt ihn bei dem Oheim Me-
gador dienen. In den letzten Akten braucht er einen verschlagenen
Sklaven, der dem Herrn in seiner Liebschaft hilft und gelegentlich dem
Geizigen den Geldtopf wegstiehlt. Da er jenen ersten Strobilus nicht
mehr nötig hat, so steckt er ihn jetzt in die Livree des Neffen Lyko-
nides." Vgl. Binder, S. 68. — In ähnlicher Weise äussert sich Wil-
helm Wagner (T. M. Plavti Aulularia, with notes critical and
exegetical and an introduction on Plautian prosody, Cambridge 1866),
S. 138. One of the greatest difficulties in the Aulularia (if it be not
the greatest) consists in the name and character of the slave Stro-
bilus, who makes bis appearance in the first scene of this (IV) act.
That the Strobilus of the first scene of the third act cannot
be the same person with this, I have shown de Aulularia,
pag. "24 sqq. Vgl. Brix, Jahrbücher 1865. S. 56.
3) Vgl. die Acharner des Aristophanes nach Rapp, S. 859, Anm.
Charakteristik derselben. 259
So ging er denn heim mit einem „Weihräuchlein" und ,. Blu-
menkränzchen'- für seine Tochter (F. 378):
Ximc tusculum emi et has Coronas floreas.
Das möge genügen, denn seine Absicht ist (F 377):
Quam minumo sumptu filiam ut nuptum dareni.
Plötzlich hört er ein Geräusch im Hause; Congrio ruft um
einen grössern Topf (F. 383):
Aulam maiorem, si pote, ex uicinia
Pete: haec est parua: capere non quit.
Das bringt ihn zur Verzweiflung (F. 385):
Peru liercle! aurum rapitur: aula quaeritur,
da er es mit seinem Topf in Zusammenhang bringt. Ins Haus
geeilt, prügelt er die Köche und wirft sie zum Thor hinaus.
Sein Streit mit Congrio setzt sich auf der Strasse fort; er jagt
ihn weiter. Euklio ist ohnehin aufgeregt, weil Staphylas
Hahn1) an der Stelle scharrte, wo der Topf vergraben
liegt. Mit einem Schlage streckte er ihn zu Boden. — Mega-
dorus tritt auf mit einem Monologe über Ehen ohne Mitgift, in
denen er gewissermassen die Lösung der sozialen Frage findet
(F. 472):
Nam, meo quidem animo, si idem faciant ceteri,
Opulentiores pauperiorum filias
Ut indotatas ducant uxores domuni:
Et multo fiat ciuitas concordior,
Et inuidia nos minore utamur, quam utimur.
Die modernen Weiber mit ihrer reichen Mitgift brauchen
zu viel und sind in ihren Ansprüchen zu unbescheiden. Darum
(F. 485):
Quo lubeat, uubant. dum dos ue fiat comes.
Hoc ita si fiat, mores meliores sibi
Pareut. pro dote quos feraut, quam nunc ferunt.
Diese Grundsätze begeistern den lauschenden Euklio, und
gerne würde er das Weitere hören, vermutete er nicht in einzelnen
Worten seines künftigen Schwiegersohnes wiederum Anspielungen
auf seinen Geldtopf, von dem er nun doch scheiden muss, da er
zu viele Feinde hat (F. 575 j:
') Eine Szene, deren Rabelais iPantagruel Prolog zum d ritten
Buch) Erwähnun»- thut, wenn er spricht von dem coeq d'Euclion laut
celebre par Piaute en sa Marmite.
17*
9(50 III. Aulularia.
Edepol nae tu, aula, multos inimicos habes.
Nunc hoc mihi factu est optumum, ut ted auferam,
Aula, in Fidei fanum.
Also zum Tempel der Fides (7 581):
Ibo ad te, fretus tua, Fides, fiducia.
Den vierten Akt leitet Strobilus ein. Er spi'icht von
den Verpflichtungen des Dieners, hier aber als Sklave des Lyko-
nides (7 582):
Hoc est servi facinus frugi, facere quod ego persequor;
Nee morae molestiaeque inperium herile habeat sibi.
Nam qui hero ex sententia servire seruus postulat:
In herum matura, in se sera condecet capessere,
Sin dormitet, ita dormitet, seruom sese ut cogitet.
Er setzt sich dann an den Altar (7. 601):
iu ara hie adsidam sacra.
Euklio tritt aus dem Tempel, wo er seinen Geldtopf ver-
steckte. Strobilus belauscht ihn; er tritt nach ihm in das
Heiligtum ein. Rabengekrächze ruft Euklio zurück; er eilt
nochmal in den Tempel und zerrt aus demselben Strobilus her-
vor. Er untersucht ihn, was er geraubt habe:
(7. 635.) Euch Ostende huc manus!
Strob. Hem tibi!
Euch Ostende!
Stroh. Eccas !
Euch Video. Age, ostende etiam tertiam!
Strob. Laruae hunc atque intemperiae insaniaeque agitant
senem;
und dann nochmal:
( V. C>44.) Euch Age, rursum ostende huc manum
Dexteram !
Strob. Hem !
Euch Nunc laeuam ostende!
Strob. Quiu equidem ambas profero.
Euch Iam scrutari mitto.
Der Fides traut er nun nicht mehr. Er holt seinen Geld-
topf, um ihn im Haine des Sil van Tis zu vergraben (7. 662):
Fidei censebam maxumam multo fidem
Esse : ea subleuit os mihi penissume.
— Siluano potius credam quam Fidei.
Charakteristik derselben. 261
Auch dies hat Strobilus gehört und eilt ihm nach, um ihn
von irgend einem Baume herab zu beobachten.
Im fünften Akte hören wir den jungen Lykonides seiner
Mutter gestehen, dass er im Rausche mit Phädra gefehlt habe.
Alsbald vernehmen wir auch den Schmerzensruf des kreissenden
Mädchens. Er eilt hinein (7. 696):
ubi de capite meo sunt comitia.
Strobilus tritt auf mit dem Geldtopfe, den er nach Hause
schleppt. Er schwimmt in Wonne {V. 697):
Pices diuitiis, qui aureos niontes colunt,
Ego solus supero. — — — — —
Ego sum ille rex Philippus. 0 lepidum diem!
— Ibo, ut hoc condam, domum.
Alsbald stürzt Euklio herein, der den Diebstahl entdeckt hat.
Er ist in Verzweiflung, sein Lebensglück ist dahin. Seiner ent-
setzlichen Stimmung macht er in dem berühmten, so oft nach-
geahmten Monologe Luft (V. 709 ff.):
Peru, interii, occidi! Quo curram? quo non curram? Tene, tene! —
Quem quis?
Nescio: nil uideo: caecus eo, atque equidem, quo eam, aut ubi sira, aut
qui sim,
Nequeo cum aninio certum inuestigare. Opsecro uos ego, mihi auxilio,
Oro, obtestor, sitis et hominem demonstretis, qui eam apstulerit.
Quid est? quid ridetis? Noui omnis: scio lüres esse hie conplures,
Qui uestitu et creta oecultant sese atque sedent, quasi sint frugi.
Quid ais tu? Tibi credere certumst: nain esse bonum, e uoltu cognosco.
Hern, nemo habet horum? — Occidisti! Die igitur, quis eam habet! Nescis?
Heu ine miserum! misere perii! Male perditu', pessume ornatus eo:
Tantum gemiti et malae maestitiae hie dies mihi optulit,
Famem et pauperiem. Perditus penissume sum ego omnium
In terra. Nam quid mihi opus est uita, qui tantum auri perdidi,
Quod custodiui sedulo? Egomet me defraudaui
Auimumque meum geniumque meum. Nuuc meo alii laetificantur
Damno et malo. Pati nequeo.
Lykonides hört den rasenden Alten schreien und glaubt,
er tobe wegen seiner Tochter. Er bittet ihn um Verzeihung
(V. 730):
quia istuc facinus, quod tuom
Sollicat animum, id ego feci et fateor.
Wein und Liebe vermochte ihn zu der That (F. 742):
„quia uini uitio atque amoris feci,"
und so obwaltet längere Zeit das Missverständnis, indem Euklio
262 HI- Aulularia.
„ea, illa" als seine „aula", Lykonides als Phädra versteht.
Endlich klärt es sich auf, da Enklio direkt seinen Geldtopf ver-
langt (7 760):
Aulam auri. inquam, te reposco, quam tu confessus 's mihi
Te apstulisse.
Lykonides erzählt nun, dass Megadorus auf das Mädchen
Verzicht leisten wolle, dass er sie, selbst am Ceresfeste berauscht,
entehrt habe, jetzt aber zu seinem ehelichen "Weibe machen werde,
wenn Euklio sie ihm gäbe. Dieser eilt ins Haus, um sich von-
allem zu überzeugen.
Strobilus, noch entzückt von seinem Funde, tritt auf
(7. 806):
Quadrilibrem aulam auro onustam ego habeo: quis nie est diuitior?
Zu ihm kömmt Lykonides, und damit endet unser Text.
Die wahrscheinlichste Lösung ist wohl, dass Euklio durch
des Lykonides Vermittlung sein Gold wieder erhält und hierüber
selig zu allem Andern sein „Ja!" spricht.
Den Schluss der Supposita des Urceus bilden Nutzan-
wendungen über Freigebigkeit und Geiz; der alte Euklio wird
mit einemmale freigebig — welch ein Unding!1) — • Zum Teile
wird er es auch bei Rapp, indem er dem Brautpaar ein Fünftel
seines Gutes als Mitgift schenkt (S. 908):
„Ihr hochgeehrten Gäste, seid gegrüsst; euch naht
Der arme Euklio, der durch seines Hausgotts Gunst
Zu einem kleinen Reichtum kam. Staphyla mag
Mir Zeuge sein, dass ich dem jungen Paare heut'
Ein Fünftel meines Guts zur Mitgift zugelobt,"
was Megadoriis dankend ablehnt, da er für seinen Erben
sorgen werde.
Auch Binder (S. 8) meint, „der Schluss kann kein anderer
gewesen sein, als dass Euklio von Lykonides durch List oder
Überredung dahingebracht oder in einer ungewohnten Anwandlung
von Freigebigkeit oder noch wahrscheinlicher, um die ewige Angst,
seinen Geldtopf endlich doch noch zu verlieren, los zu werden,
dem jungen Manne diesen als Mitgift bei der nun vollzogenen
Vermählung mit seiner Tochter überlässt. Dies geht auch aus
dem wahrscheinlich sehr alten Argumentum hervor, welches
als Akrostichon dem Lustspiele voransteht, und dessen letzter Vers
also lautet:
„Ab eo donatur auro, uxore et filio."
') Rapp. S. 912.
Charakteristik derselben. 263
Das Hauptinteresse konzentriert selbstverständlich der übrigens
von manchen getadelte') Geizhals Euklio auf sich, der sich
tiberall belauscht und betrogen wähnt. Jeder Blick eines andern
gilt seinem verborgenen Sehatze, jedes Wort hat Bezug auf sein
geheim gehaltenes Gold: nur Verräter schaut er um sich. Selbst
von rückwärts sieht seine Schaffnerin (F 64):
„quae in occipitio quoque habet oculos, pessuma."
Sie hat das Gerede von der Aussteuer seiner Tochter unter die
Leute gebracht (F. 266):
deblaterasti iam uicinis omnibus.
Meae me filiae daturum dotem.
Ja selbst der Haushahn ist sein Feind. Ihn haben die Köche
bestochen, damit er ihnen die Stelle zeige, wo sein Schatz ver-
borgen liegt (V. 464):
Credo ego edepol illi mercedem gallo pollicitos cocos,
Si id palam fecisset.
Da ihn der Schmerz um sein geraubtes Gut überwältigt, ver-
mutet er sogar unter den Zuschauern den Dieb (F. 713), eine
Äusserung, die ihm mit Unrecht von allzudelikaten Kritikern ver-
dacht wurde.-) Alles will er dtirchsuchen , die zwei Hände sind
ihm noch nicht genug. In seiner Überreizung und Gier verlangt
er selbst (F. 636) die dritte.3)
») Vgl. z. B. Hurds Urteil bei Lessing (Hamb. Drain., 92. Stück):
„Hierin haben Moliere und vor ihm Plautus gefehlt; statt der Ab-
bildung eines geizigen Mannes haben sie uns eine grillenhafte Schil-
derung der Leidenschaft des Geizes gegeben. Ich nenne es eine
grillenhafte Schilderung, weil sie kein Urbild in der Natur hat. Ich
nenne es eine widrige Schilderung; denn da es die Schilderung einer
einfachen unvermischten Leidenschaft ist, so fehlen ihr alle die
Lichter und Schatten, deren richtige Verbindung allein ihr Kraft und
Leben erteilen könnte. Diese Lichter und Schatten sind die Ver-
mischung verschiedener Leidenschaften, welche mit der vornehmsten
oder herrschenden Leidenschaft zusammen den menschlichen Cha-
rakter ausmachen u. s. w."
2) W. Wagner, 1. c. zu Vers 709.
3) Zu dem „ostende etiam tertiana", das mehrere Nachahmer
darunter auch Hooft) haben, macht der englische Übersetzer der Aii-
lularia, Thornton, eine interessante Bemerkung, in welcher dieselbe
Stelle auch bei dem gelehrten Verfasser des Albumazar (s. S. 1!»1) nach-
gewiesen wird (s. hei \Y. Wagner, 1. c. S. 144 1: This lias heen ceu-
sured as being to extravagant and entirely out of aature; but con-
sidering the very ridiculous humour of the Miser as drawn by our
Author, it will not perhaps appear out of character. Euclio talks in
•the same strain ni' the cooks being all of Geryon's race and having six
hands a piece. Midiere, however, who has imitated this scene, has not
264 III. Aulularia.
Nach Staphylas Worten (F. 67) war er früher nicht so;
es nvuss ihm erst ein Unheil begegnet sein. Überall giebt er
sich für einen armen Mann aus (F. 185): „Pol ego haud perbene
a pecunia;" er brüstet sich, wie Megadorus sagt, seiner Ar-
mut (F. 205):
Neque illo quisquam est alter hodie ex paupertate parcior.
F. 226 nennt er sich „pauperum pauperrumum" ; so F. 538; und
auch Strobilus heisst F. 598 Phädra „filiam hnius Euclionis
pauperis".
Damit rechtfertigt er der Welt gegenüber seinen schändlichen
Geiz, der sich in schmutzigster Weise äussert. Niemand darf sein
Haus betreten; weder Feuer noc% Wasser, noch Axt (F. 91 ff.)
hat er für einen Nachbarn. Den Rauch lässt er nicht zum Dach
hinaus, ja wenn er nachts zu Bette geht, schnürt er sich einen
Blasbalg vor den Mund, damit keine Luft unnütz zu gründe geht
(F. 292):
Quin diuum atque hominum clamat continuo fidem,
Suam rem periisse, seque eradicarier,
De suo tigillo fumus si qua exit foras.
Quin, quom it dormitum, follem [sibi] opstringit ob gulam.1)
Wenn er sich die Hände wäscht, reut ihn das Wasser (F. 301):
Aquam hercle plorat, quom lauat, profundere.
ventured this seemingly absurd joke, as undoubtedly he thought i-
would appear too outre to a modern audience; and our own countryt
meu Shadwell and Fielding have copied his example, probably for
the same reason. But there is a discret imitation of this whole passage
in the old play of Albumazar (Act III, scene 8), where Trincalo (who is
made to fancy himself Antonio), questions Konca about his purse, which
the latter has stolen from bim:
Trine. 0 my purse!
Dear master Ronca.
Rone. What 's your pleasure, Sir?
Trine. Show me your band.
Rone. Here 't is!
Trine. But where 's the other?
Rone. Why, here.
Trine. But I mean, where 's your other band?
Rone. Think you me the giant witb an bundred bands?
Trine. Give me your rigbt!
Rone. My rigbt?
Trine. Your left.
Rone. My left?
Trine. Now botb!
Hone. Tbere 's botb, my dear Antonio!
*) Die erstaunte Frage des Congrio „Cur"? wird (V. 296) beant-
wortet: „Ne quid animae forte amittat dormiens."
Charakteristik derselben. 265
Die Nägelabfälle, die ihm der Barbier zuschnitt, sammelte er
jüngst (V. 305):
Quin ipsi pridem tonsor unguis deniserat:
Collegit omnia, apstulit, praesegmina,
und noch viele andere Streiche erzählt Strobilus den Köchen.
Der wackere Sklave Strobilus ist oben schon aus V. 582
charakterisiert worden; ebenso hat sich Megadorus als ein guter
Alter durch seine Anschauungen über Arm und Reich gezeigt,
dem an Eunomia eine gute Schwester1) und dem Lykonides,
der sich rühmen kann, seine Mutter nie belogen zu haben, 2) eine
brave Mutter3) zur Seite steht.
Neben der Aulularia stand, besonders im Mittel-
aitor, den Nachahmern eine andere, ungleich wertlosere
Quelle zur Verfügung in dem Lustspiele Querolus („Der
Unzufriedene"), welches man allenthalben als plautinisch ansah.4)
Thatsächlich ist das Stück, dessen Verfasser5) und Ent-
stehungszeit6) unbekannt sind, auf der Aulularia des Plau-
tus aufgebaut und oft auch so benannt worden.7) Es ist
') V. 127. Verum hoc, frater, unum tarnen cogitato,
Tibi proximam me, niihique esse item te.
2) V. 685. Egone ut te aduorsum mentiar, mater mea?
3) V. 681. Scis tute facta velle me, quae tu velis.
4) Teuf fei, G. d. r. L. S. 148. 1036. — Haupt, Opusc. HI, 587.
— Du Meril, Origines latines du theätre moderne, pag. 14. 15. —
J.J.Ampere, Histoire litteraire de la France avant le douzieme siecle.
I. Bd. S. 260. — Maurice Meyer, Etudes sur la comedie latine.
S. 108 — 114. — Klinckhamer, pag. XXIEE. — Jubinal, Mysteres ine-
dits. 1837. — L. Quicherat, Melanges en phüologie. Paris 1879, pao. 158.
— W. Wagner im Litt. Centr.-Bl. v. 1875. S. 752. — Klein. DJ, 638. —
Histoire litter. XV, 428—434. — Weitere bibliographische An-
gaben s. bei Havet S. 22 — 32.
5) Barthius (Advers.) u. a. glauben, der Querolus stamme von
Gildas (geb. 520 in Somerset); dagegen s. b. Klinckhamer XXV. —
Andere nennen fälschlich den Axius Paulus. Vgl. R. Dezeimeris,
Sur l'auteur de Querolus. Bord. 1876. — R. Dezeimeris, Etudes sur
le Querolus. Bord. 1881.
6) Über die Entstehungszeit des Querolus s. bei Havet S. 2
— 11. — Klinckhamer. XXVII. — Orelli, Epist. ad Madvigium, in
Edit. Cic. Rhetor. Tur. 1830. S. 68. — Lessing (Beiträge S. 51. 52). —
Du Meril, Origines. S. 13 ff.
7) Die Überschrift iu den Msk. ist: Plauti aulularia. — Praef.
5, 22. Querolus an Aulularia haec fabula dicatur, vestrum (specta-
tores) iudicium erit. — M.Haupt, Opusc. (Lpz. 1876. III. S. 587. 588.)
„In Monumeutürum Boicorum voluminia XXVIII, parte II, edita est Bur-
chardi Episcopi Pataviensis et Madalwiui chorepiscopi complacitatio
facta anno MCCCCIV; inter libros, quos Madalwinus in manum Bur-
chardi tradidit, pag. 202 Plauti Aulularia commemoratur. Puto nou
fuisse Plauti fabulam, sed Querolum, qui Lllo nomine in codi-
cibus dicitur veluti in Vaticano, de quo Adolphus Michaelis in Mela
Partheii j>ag. X exposuit."
266 in. AuMaria.
eine ziemlich wertlose und unbedeutende1) Produktion, in welcher
die christliche Anschauung unverkennbar ist. 2) Der Querolus, eine
Art von Misanthrop,3) war im Mittelalter viel gelesen und ver-
breitet.4) Der Text ist in der Handschrift in Prosa; Klinckhamer
hat die Herstellung von Versen übernommen; ebenso, aber in der
Form anders, L. Havet mit einer unter dem Texte stehenden
französischen Übertragung. 5)
Der Querolus ist fünfmal herausgegeben worden; die
erste Ausgabe von Pierre Daniel erschien zu Paris 1564
in 8°. Querolus, nunc primum a P. Daniele luce donata;
Daniels Ausgabe findet sich abgedruckt im Plautus des
J. Cominus, Padua 1764. P. Daniel wollte nochmal eine
kritische Ausgabe des Querolus veranstalten, starb aber darüber
im Jahre 1603. — Die nächste Ausgabe besorgten Rittershuis
und Gruter, bei H. Commelinus (Heidelberg) 1595; dann
Pareus 1610, 1616, 1619, 1641. Der Text des Pareus ist
abgedruckt in der Collectio Pisaurensis von 1766, tom. IV.,
S. 201. — Eine beabsichtigte Alisgabe des Johann Christian
Wernsdorf (gest. 1793) blieb Manuskript; ebenso die Notizen
des holländischen Gelehrten Herman Cannegieter (gest. 1804).
Im Jahre 1829 erschien Querolus sive Aulularia incerti
auctoris comoedia togata. Reeensuit et illustravit S. C. Klinck-
hamer. Amstelod. (Gartman). Klinckhamers Prosatext findet
1) Bernhardy (Grundriss), S. 458, nennt den Querolus „ein geist-
loses Lustspiel . . . gezogen aus der vielleicht schon vor dem vierten
Jahrhundert aufgelösten Aulularia". — Binder (S. 9) heisst ihn „ein
geistloses Machwerk". Lobender spricht sich Ch. Magnin über den
Querolus in der Revue des deux mondes 183f>, II, S. 656, aus.
~) Adolphus William Ward, A history of English dramatic lit-
terature to the death of Queen Anne. London 1875. (Macrnillan & Co.)
S. 2. „The Querolus, variously dated as composed in the fourth or
the seventh Century, distinctly announces itself as an imitation of
the Aulularia of Plautus. It is a comedy with a sufficiently in-
genious plot, conveying the familiär moral of the ,biter bit'; but the
influence of the Christian doctrine of charity is perceptible
in the management of its close."
3) Gervinus. I, 563.
4) Havet. S. 31. Le Querolus a ete tres-lu au moyen-äge,
comme le prouvent les nombreux extraits qu'en presentent divers ma-
nuscrits. Chez les modernes il est reste singulierement ignore. Dans
tout le Moliere il n'y a pas im trait qui derive de Querolus. — Die
wichtigsten Handschriften sind Leid, und Par. S. X. Über eine in
Wolfenbüttel von den Franzosen entwendete s. Haupt, Opusc DU,
588: „Erat olim in bibliotheca Guelferbytana liber Gudianus 319, qui
Querolum ex codice antiquo Remensi a Samuele Sciassio excriptum
continebat. Eum librum Galli rapuerunt annoque MDCCCXV reddere
iussi non reddiderunt, supposito fraudulenter exemplari impresso Coni-
meliniano."
5) Vgl. zur Metrik des Querolus bei Teuffei. S. 1036.
Der Querolus. 267
sich im Plautus von Lemaire (1832), Bd. III, 543 und ist ins
Italienische übersetzt worden. „Querulo ossia Aulularia di
autore incerto, commedia togata. tradotta per la prima volta.
Venezia 1851 in 8"." Aus 1875 (Lpz.) stammt die Ausgabe
von R. Peiper und von 1880 die letzte von L. Havet. (Le
Querolus. Comedie latine anonyme. Texte en vers restitue
d'apres im principe nouveau et traduit pour la premiere f'ois en
francais. Precede dun examen litteraire de la piece par L. Havet.
Paris [Vieweg] 1880, 363 S. als der 41. Band der Bibliotheque
de l'Ecole des Haute s E tu des.
Der Inhalt des Querolus ist (nach Klinckhamer) folgender:
I. Akt. (1.) Der Lar familiaris tritt auf: „Queroli nunc
sortem administro, huius non grati, non mali." Aus seiner Rede.
erfahren wir: Pater huius Queroli Euclio fuit, avarus et cautus
senex. Hie enorme pondus auri olim in ornam condidit. Sic
quasi paterna venerans aurum celabat palam. Peregre vadens
ornam domi sepeliit ac reliquit ante aras meas. Tumulum suis,
mihi thesaurum commendavit. Abiit neque rediit senex. Peregre
moriens uni tantummodo rem indicavit, fraudulento et perfido.
C'ui tarnen, sive oblitus, sive supervacuum putans, de busto et
titulo nihil exponit. Querolo iuxta fatum hoc cecidit. Nunc ergo
thesaurus habetur Omnibus ignotus et notus tarnen. Erat sane
facile nobis aurum domino ostendere aut responso aut somnio.
Sed ut agnoscant homines nemini auferri posse, quod dederit
deus, aurum, quod fidei malae creditum est, furto conservabitur.
Für ergo iam nunc aderit, per quem nobis salva res erit. Iste
ornam cum reppererit, hustum putabit: sie ille prospexit senex.
Praedam qui abstulerit, reportabit totumque reddet, parte con-
tentus fuit. Itaque bene perfidus alteri fraudem infert, damnum
sibi. Tarnen ne frustra memet videritis, exponere quaedam volo.
Querolus iste noster, sicut nostis, omnibus est molestus, ipsi, si
fas est, deo: bomo ridicule iraeundus, itaque ridendus magis. Dis-
serere cum isthoc volupe est, et confutare vanam hominum scien-
tiam u. s. w.
Nach dieser Einleitung tritt (2.) Querolus jammernd auf:
..0 fortuna! o fors fortuna! o fatum sceleratum atque impium!"
Der Lar, durch seinen tridens geschützt, begrüsst ihn: »Ego sum.
Lar familiaris, fatum quod vos dicitis." — ..Te ego iamdudum
quaero," versetzt Querolus. Nach einigem Hin- und Herreden
lässt sich der Lar endlich vernehmen: ..Pennovet Qosmet, Querole,
tua quamvis inanis quaerimonia. Idcirco itaque veni, ut ratio
tibi ex integro redderetur, quod nemini antehac contigit. " Quero-
lus soll denn die Gründe seiner ewigen Unzufriedenheit aus-
einandersetzen, und, obwohl er damit nicht ans Ende zu kommen
glaubt, stellt er doch die erste Frage: „Quare iniustis bene est
268 III. Aulularia.
et iustis male?" — Die alte Geschichte! „Nun," meint der Lar,
„ehe ich mich auf eine Antwort einlasse, sprich, in wessen Na-
men redest du? für dich oder für die Welt?" „Et populo et
mihi." Der Lar nimmt nun Querolus scharf ins Examen und
endet: „Immo, nihil est actum, Querole, nisi sequantur haec duo:
primnm contra meritum tuum miserum non esse ut comprobem,
secundo etiam felicem tete esse iam nunc ipse intellegas". Du bist
durch eigene Schuld unglücklich. Querolus erwidert allerlei; das
Gespräch wird unendlich langatmig. Überraschend ist nur, wie von
dieser ganzen, den Kirchenvätern entnommenen Exposition
Havet (p. 2) sagen kann: „Sans doute, il ne contient aucune
trace de doctrine chretienne, quoiqu' on en ait pu dire."
(3.) Ein Monolog des Querolus beendigt den ersten Akt.
IL Akt. (1.) Der „parasitus et magus" Mandrogerus
tritt auf. Viele rühmen sich, wilde Tiere zu jagen. „Quanto
mihi maius est ingenium et hierum, qui homines venor publice?
Divites et potentes et litteratos maxime. Mandrogerus ego sum,
parasitorum omnium long-e praestantissimus. " Der syeophanta
erzählt, es habe ihm geträumt, in ihre Hände sei ein ansehnlicher
Schatz gelangt; Sardanapalus aber: „insomnis fundus vidi".
Aber auch Mandrogerus weiss von einem „somnium prorsus
manifestissimum" zu berichten. Jemand sagte ihm „nee cuiquam
alteri concessum esse aurum illud invenire nisi mihi" ; freilich
fügt er hinzu „hoc tantummodo mihi profecturum, quod consump-
sisset gula". „Doch, da stehen wir ja vor des Querolus Haus!"
Querolus tritt aus demselben (3.) und lauscht, wie Sardana-
palus und der syeophanta über einen mächtigen Zauberer sich
besprechen, dessen Weisheit alles übertrifft. „Ubi te aspexerit
primum, tuo te vocat nomine, dein parentes, servos, atque omnem
familiam exponit u. s. w. Das reizt Querolus; er gesellt sich
zu den Sprechenden: „Salvete amici! Ihr unterhieltet euch da
von einem Zauberer?" „„Ja."- „Verlasst mich doch nicht so
schnell. Wie heisst er denn?" „ „Mandragerontus." " Die
Idee des Querolus steht fest: „Adgrediamur hominem, atque a
publico sevocemus, ut secreto disserat."
(3.) Mandragerontus erscheint auf der Bühne. Er wird
vom syeophanta um allerlei befragt und erteilt über die An-
wesenden die gewünschten Personalberichte zum grossen Staunen
des Querolus, den er zuletzt entspricht „Querole, mala fortuna
te premit", worauf dieser „agnosco" erwidert. Der Zauberer
nennt ihm nun die Namen seiner SklaA'en und schildert ihm sein
ganzes Haus, was Querolus veranlasst, die Fremden, da sie es
wünschen, in seine Wohnung einzulassen. (4.) Pantomalus, der
Sklave des Querolus, bleibt allein zurück und schildert in einer
hübschen, freilich viel zu gedehnten Rede das Sklavenleben, von
Der Querolus. 269
dem Obersatze ausgebend: „omneis quidem dominos malos esse
constat et manifestissimum est.'' Diese Szene hat Havet (gegen
Klinckbamer nnd Peiper) zum ersten Auftritte des dritten
Aktes gemacht.
III. Akt. (1.) Mandrogerus und Querolus tragen einen
Koffer aus dem Hause; damit hat Querolus „sein Unglück selbst
aus dem Hause getragen. Das ganze Haus ist jetzt davon frei."
Aber „mala haec fortuna, quam abstulimus, redire temptabit do-
mum", deshalb hat Querolus drei Tage und drei Nächte einge-
seblossen in seiner Behausung zu verweilen. Querolus ist mit
allem zufrieden; er schliesst die Thore fest ab. Seras et catenas
adhibe! ruft ihm Mandrogerus nach. ..Tanquam pro memet
fecero", versichert ihm Querolus. (2.) Mandrogerus ist mit
dem Erfolge sehr zufrieden. „Inventus, spoliatus, clausus est homo!"
jubelt er. „Wo soll nun aber die Urne geplündert werden?"
fragt er seine Genossen. „Sed ubinam ornam respicimus?" Doch
genug! wir haben sie. Sie ziehen sich mit ihr zurück, um den
Schatz herauszuholen.
IV. Akt. (1.) Der Nachbar des Querolus, Arbiter, fragt,
was der alte Brummer Querolus mache, worauf ihm Panto-
labus sagt, es gehe etwas besser mit ihm. (2.) Unterdessen
haben die Strolche die Urne weggeschafft und erbrochen. Sie
enthielt aber laut Aufschrift nur Asche. „Plus est quam homi-
n em perdidisse, damnum vere plangitur . . . Aurum in cinerem
versum est." So hat mich also, klagt Mandrogerus, der alte
Euklio betrogen. Die Aufschrift lautet nur: Trierinus Tricipitini
filius conditus et sepultus hie iacet. Ärgerlich veranlasst Man-
drogerus seine Kameraden, die Aschenurne durch das Fenster
hineinzuwerfen, was diese auch sogleich vollziehen.
V. Akt. (1.) Der Lar familiaris berichtet von den Vor-
gängen. „Tandem urna peperit auri gravida pondera, vilisque
mater grande puerperium dedit, indigna quae frangeretur. " Aber
Mandrogerus soll für seinen Betrug gestraft werden. „Sed
Mandragerontem illiam furem ac perfidum nunc illaqueari volo;
qui, ubi primum hoc audierit, remque omnem agnoverit, continuo
rediturus est, ut thesaurum dividat. Codicillos enim proferre
audebit, quibus ita coheres scriptus est, si aulam Querolo sine
fraude ostenderet." (2.) Querolus erzählt hocherfreut seinen
Nachbarn die ganze Geschichte. Da sieht er Mandrogerus
kommen: „Fraudulentn isti magnam iniciamus calumniam; thesau-
rum mostrum ab hoc ereptum poscamus modo, atque adstruamus
ab ipso nobis alienum mortuum esse coniectum domi. ■' (3.) Man-
drogerus tritt auf, als ob nichts vorgefallen wäre: Ave, nii
Querole! Sofort fährt ihn Querolus hart an: Etiam salutas,
fureifer, quasi hodie me non videris. Mandrogerus aber stellt
270 III. Aulularia.
sich auf den Rechtsboden und verlangt von Querolus Anteil
am Schatze: „coheres ego sum, non frater tibi." Er produziert
nun wirklich einen Brief des verstorbenen Euklio an seinen Sohn
Querolus, dessen Hauptinhalt lautet: „huic tu medium thesauri
dabis, si fides ipsius atque opera expostulat." Querolus fasst
die Sache anders an. „Age, " sagt er, „amice, quoniam institutus
es heres, da, quod possit dividi. " „„Ich habe ja den Schatz ent-
deckt und ausgehändigt. " " Darüber entspinnt sich ein Wort-
wechsel, bei welchem Mandrogerus besonders seine Redlichkeit be-
tont. „Du hattest also mein Geld?" — „„Ja."" — „So gieb es mir!"
— „ „Es ist ja bereits geschehen, als es zum Fenster hineingeworfen
wurde."" „Der Schatz ist nicht da; also her damit!" Da fängt
Mandrogerus pathetisch an: „0 tempora, o mores! o pater
Euclio! Hanccine mihi tu domi fidem praedicabas!" „Ei!" ruft
Querolus, „sieh, Arbiter, dieser Mensch ist noch bei weitem
schlechter, als ich annahm. Er hat am Ende gar die Urne durch
das Fenster geworfen. Kennst du die Scherben?" „ „Gewiss." -
Panto malus bringt einige, welche Mandrogerus anerkennt.
„So hast du also auch die Toten geschändet! Thesaurum abstu-
listi, violasti sepulcrum, perdite; domum meam non solum compi-
lasti, verum etiam polluisti, sacrilege!" Verzweifelnd will sich
Mandrogerus davon machen, aber Querolus hält ihn fest; er
gehört vor den Prätor, sodass er nur mehr fussfällig bitten kann:
Nil nisi veniam expostulo. Hinsichtlich der Beleidigung der
Asche des Toten will Querolus auf Arbiters Fürbitte nach-
sehen; wo aber liegt der Schatz? Nach langer Folter erst
tröstet Querolus den Mandrogerus: „Nil praeter sacrilegium
perpetrasti; aurum autem ibi non fuit. " Auf des Mandrogerus
Frage, warum die Urne trotzdem so schwer wog, erwidert Que-
rolus die witzigen Worte: „Nescis, magus, nihil gravius esse
fortuna mala?" Alles war nur ein Scherz des alten Euklio;
„niulta haec laeta habuit senex. "
(4.) Noch treten die Genossen des Mandrogerus auf: Et
nosmet scimus, Querole, sagt der sycophanta, quoniam tres
edaces domus una non capit. Verum quaesumus, viatici nobis ali-
quid ut adspergas, quoniam spem omnem amisimus.
Eine Lücke im Texte beraubt uns des übrigens leicht denk-
baren Schlusses.
Vitalis Blesensis (S. 124) hat wie den Amphitruo, so
auch den Querolus — oder wie er ihn nannte, Aulularia —
in elegischem Versmasse bearbeitet.1) Seine Aulularia umfasst
*) Der Querolus des Vitalis Blesensis ist zuerst herausgegeben
worden als Anhang zum Lustspiele Querolus in der Ausgabe von
K. Kittershuis (Commelinus). Heidelberg 1595. Weiteres s. S. 125.
Die Aulularia des Vitalis Blesensis. 271
mit dem ..arg- um ent um" von zehn Versen und dem Prologus
von achtzehn Versen im ganzen siebenhundertneunzig in vier
Bücher abgeteilte Verse. Das Argumentum besagt:
„Committens oleae fragili Queruli pater aurum.
fecerat in titulo funeris esse ndeni.
It peregre. Servo moriens secreta recludit;
in Querulum rediens cogitat ille dolum.
5. Fit magus utque donium Queruli expiet hanc subit.- Olla
tollitur; in titulo fallitur: ossa putat.
Redditur; iniicitur laribus; coufringitur : aurum
f'undit. Adest Querulus; fusa talenta legit.
Mentitur servus, quod reddidit ultro, fidemque
10. invenit in fraude. Creditur. Acta placent.
Über sein Verhältnis zu Plautus sagt der Prologus unter
anderem :
— — Plautum sequor et tarnen ipsa
materiae series exigit alta sibi.
Haec mea vel Plauti conioedia nomen ab olla
traxit; sed Plauti quae i'uit illa mea est.
25. Curtavi Plautum: Plautum haec iactata1) beavit :
ut placeat Plautus, scripta Vitalis emunt.
Amphitryon nuper, nunc Aulularia tandem
senserunt senio pressa Vitalis opem,
im guten Glauben an die Abstammung des Querolus von
Plautus.
Liber I. In langen Versen beklagt sich Querulus über
sein Schicksal: alle Leiden der Welt treffen ihn (V. 43):
Natus ego ut quererer, semper Querulusque vocatus,
ut vivam querulus et mea lata queror.
Der Vater des Querulus, der alte Geizhals Euklio,
') "Wohl iactura. — Vgl. auch Histoire litteraire de la France.
XXEL S. 40. „Plusieurs editions ont multiplie le texte de l'ancien
Querolus en prose, ecrit dans les Gaules, dit-on vers le quatrieme
siecle, et dont Vital de Blois ä la fin du douzieme reproduisit
la fable avec une extreme liberte. Lorsqu'il mettait en vers ele-
giaques ou la piece meme qui nous reste ou peut-etre quelque autre plus
moderne encore, comme l'a suppose dorn Liron (Bibliotheque chartraine
ou Traite des auteurs et hommes illustres du diocese de Chartres par
dorn Jean Liron. Paris 1718) il parait qu'il croyait faire une imitation
de l'Aululaire de Piaute comme il en avail nagnere imite 1' Amphitryon . ..
Ce Querolus de Vital de Blois. qui n'esl point l'Aululaire quoiqu'on lui
en (lonne aussi le titre, tnais qui en est du nioins, comme l'ancien
drame, une espeee de continuatiou, a ete pour uns predecesseurs
l'objet d'une complßte analyse d'apres L'ödition donnee ä Heidelberg par
Commelin. en 1595, ei qui 3 ete reproduite par M. (»saun en 1836." —
In der Bibliothek zu Douai (ygl. Catalogue des manuscrits de la Biblio-
theque de Douai 1848, S. 137) ist Hdsch. n. 46t Vitalis Gallici Blesensis
Aulularia.
272 HL Aulularia.
kommt in der Fremde zum Sterben. Er ruft seinen Sklaven
Sardana, dem er nicht Herr, sondern Vater war (V. 192), und
gesteht ihm, dass an der Stelle des Hauses, wo der Lar steht,
(7. 200):
„olla fidelis habet mille talenta mihi,"
zehn derselben sollen Eigentum des Sklaven werden (V. 238):
„Mille talenta feret; tu tibi sume decem."
Da der Greis begraben ist, fasst Sardana treulose Pläne. Er
gedenkt, den ganzen Schatz für sich zu behalten, tmd malt sich
die Zukunft schön aus CV. 278,:
Non ultra dicar Sardana, Paulus ero.
Liber II. Sieben Tage nach dem Tode des Alten kömmt
der Sklave Sardana in der Heimat an (V. 299):
„Romani genus et linguam praeponit Achivae."
Dort gewinnt er Gnatho und Clinia für sich (F. 304):
„per quos dispensat, quem parat ille dolum."
Sie sollen ihm zur Hebung des Schatzes behilflich sein und ihn
bei Querulus als Zauberer einführen (V. 326):
magica qui sit in arte potens;
qui piet aduersam sortem quique imperet astris,
carmina qui superis imperiosa facit.
Wie durch Zufall wollen sie ihrer Verabredung gemäss sich vor
dem Hause des Querulus treffen und (V. 337):
advenisse magum dicatur, ut audiat ille
arte tarnen, ne res arte putetur agi.
Gehörig über alles unterrichtet {V. 379):
hie est modus ille,
haec via, qua Querulus deeipiendus erit,
machen sie sich an das Unternehmen.
Liber III. „Dicta placent" (7. 381). Gnatho begiebt
sich vor das Haus des Querulus und lobt vor allem die Stadt
Rom. Wacker sekundiert ihm der dazu gekommene Clinia
(V. 421):
Die, ait, o Gnatho. quis sit, quem laudibus effers,
et cur Romanum nomen ad astra feras.
Des Vitalis Blesensis Aulularia. 273
Gnatho thut sehr geheimnisvoll; instat ei Clinia (V. 431), und
dies Spiel setzen sie eifriger fort, da sie wahrnehmen, dass Que-
rulus sie, wie sie es erwarteten, belausche (V. 469):
et postibus applicat aurem,
Totus in auditu, ne sibi verba labent.
Gnatho erzählt nun von den "Wunderthaten des Paulus, worauf
ihnen Querulus erstaunt nacheilt (V. 535):
et dextra Gnathone manu Cliniaque sinistra
arreptis orat multiplicatque preces.
Sie quoque particrpem non invideatis, amici,
cui mea calliditas omnia scire dsdit.
Liber IV. Man geht zu Sardanas Aufenthalt mit Querulus.
Sardana spricht ihn, mit seinen Verhältnissen wohl vertraut, an
und macht ihm die überraschendsten Mitteilungen (V. 600):
Divino Querulus stupet et putat ore loquutum
et, tibi suni melius quam mihi notus, ait.
Sed rogo te, Paule, Romanae gloria gentis
arte tua Querulus desinat esse miser.
Endlich lässt sich Sardana erbitten (F. 604):
„viucitis, inquit eis,"
und beginnt seine Zauberkünste (V. 635):
Sors inimica, fuge!
Die „arca" wird ausgegraben; leer kann sie nicht sein;
denn (7. 649):
Nil vacuum est; levitate sua circumfluus aSr
non patitur vacuum vel semel esse locum
ii. s. w. Fenster und Thüren werden verschlossen und Querulus
fortgeschickt. Sardana imd seine Gefährten wollen den Topf
wegschleppen, da entdecken sie mit Entsetzen die Aufschrift des-
selben: ,,ossa". Er enthält also nichts als Gebeine (V. 687):
Ossa Tipericii Tiperi patris haec tenet olla,
condita cum nituit Caesare Roma suo.
Sardana ist ausser sich (V. 701):
Vae mihi, qui spatia terrarum immensa cucurri,
ut labor iste daret ossa legenda mihi.
Da klirrt Metall. Wirklich rollen tausend Talente hervor.
18
274 HI. Aulularia.
Decepta est fraus mea fraude mea!
ruft (V. 746) Sardana, ärgerlich, dass er sich durch den Titel täu-
schen Hess. Querulus kehrt zurück, als wisse er nichts [V. 763):
Se facit ignaruin Querulus, quasi nesciat aururn,
und alles löst sich zur Befriedigung' (F. 789):
Vera putat Querulus; in partem Sardana venit.
Fert lucra ficta fides. Lis cadit. Acta placent.
Der Verse mit scholastischer Tendenz sind, wie im
Amphitruo, auch hier zahlreiche, und in geschwätziger Breite
werden philosophische Punkte erörtert. Auch an Wortspielen ist
die Ekloge reich.
Aus diesen beiden Quellen haben Jahrhunderte lang-
bedeutende Schriftsteller den Stoff zu ihren „Geizigen"
geholt.1) Die feinere Komödie hielt sich an Plautus;
andere (besonders Italiener) griffen gerne zum Teile
nach dem Querolus.
Als Hauptgrundlage seiner Komödie la Sporta2) (1543)
hat Gio. Battista Gelli (S. 56) die Aulularia des Plautus
genommen. 3)
Allerdings ist auch Terenz benutzt worden:4) doch
1) Gr. Claus, De Aulularia Plauti fabula iisque scriptoribus , qui
eam imitati suut. Stettin 1862. 73 S. — Klapp, L'avare ancien et mo-
derne tel qu'il a ete peint dans la litterature. Parchini. Gymn. Prog.
1877. 19 S.
2) Ausg. La Sporta, commedia di Giovanbattista Gelli, Acca-
deniico fiorentino. In Firenze 1543 in 8°, ohne Drucker; sehr selten;
ebenda 1548 in 8°, ohne Drucker (sie stammt von Torrentino); ebenda
1587 (presso Giorgio Mar es co tti); ebenda 1550 in 8° (appresso Bernardo
Giunta, 41 fol.) selten; ebenda 1556. 156(3. 1593. 1596. 1602 (di Crusca,
ina posta in dubbio da molti). Venezia 1552 (Gio. Griffio) in 12°;
ebenda 1553 (Bartol. Cesano) in 8°; Trevigi 1601 (Fabr. Zanetti) in 8°
(edizione castrata come alcune altre moderne; non giä quella del 1566
di Firenze che e intera benche si asserisca altrimenti). Firenze 1602
(appresso i Giunti) in 12° (perö e di Napoli). Senza luogo, stampatore
ed anno in 12° con altre di varj antichi: il luogo e Napoli e 1' anno 1731.
— Milano 1807 (societä tipografica). S. 1 — 103 (vgl. hier pag. XVIII).
3) Ussing. II, 272. Ex Aulularia Johannes Baptista Gelli
in fabulam, quae la Sporta dicitur, Fiorentiae anno 1543 actam non
pauca transtulit. — Wie einige diese Komödie dem Machiavelli zu-
schreiben wollten, siehe bei Allacci, S. 301. 302.
4) Ausg. von 1807: S. VLU. La Sporta e giudiziosameute imitata
in parte da Plauto e da Terenzio. — Quadrio, Storia e Rag. d' ogni
poesia III, part. II, sagt: „Dalla Sporta del Gelli egualmente che dal-
I' Aulularia di Plauto trasse pure il Moliere il suo Avaro."
Gellis Sporta. 275
weist der Dichter selbst auf Plautus hin, Ausg. von 1807
(S. 4): „Plauto, il quäle io ho il piü ch' io posso imitato," und
verteidigt sich (S. 8) gegen jene: „che dicessero che egli ha tolto
da Plauto e Terenzio la maggior parte delle cose che ci sono,"
mit dem allen Plautusnachahmern üblichen Hinweise, dass
Plautus und Terenz dasselbe mit Menander, Cäcilius
u. a. thaten.
Über den Inhalt der Sporta heisst es (S. 9): II nome della
Commedia e la Sporta ed e cosi detta da una sporta di danari
che im certo Ghirigoro de' Macci trovö giä nel disfare im suo
casolaroccio, e temendo, come fanno il piü de' vecchi che chiunche
ei vedeva non gliela togliesse, in varj luogi la nasconde. La
quäle alfin trovata da Franzino servitore d' Alamanno Cavicciuli,
che aveva ingravidato al detto vecchio una figliuola, e datale la
fede di torla per moglie, serve per dota di quella, e scopresi il
parentado con soddisfazione di ciascuna delle parti.
Die Durchführung ist die nachfolgende:
I. Akt. (1.) Der alte Ghirigoro de' Macci treibt seine
Magd, Brigida, aus dem Hause. Sie sieht und hört zu viel.
Fuora, fuora, Brigida, dich' io . . . Deh pon mente come la spi-
ritata guarda altrui a traverso, e come ella strabuzza quegli occhi
di struzzolo che credi tu vedere? Voll Verdacht geht er ins
Haus, worauf wir von Brigida hören, seit etwa einem Monate
sei der Alte ganz toll geworden. Wäre er nicht ganz ausser
sich, so hätte er längst sehen müssen, come la sua figliuola e
grossa, e non passerä forse domani che ella partorirä, che di giä
eil' ha cominciato a nicehiare (S. 13). Zudem lässt sie der Alte
fast verhungern, und wenn die Nachbarin Mona und ihr Geliebter
Alamanno sie nicht heimlich unterhalten würden, so wäre sie
längst Hungers gestorben. (2.) Ghirigoro hat sich wieder beruhigt.
Oh io son tutto scarico ch' io ho trovato la Sporta, dove io nascosi.
Brigida tornati a tua posta in casa, e serra 1' uscio, e abbia cura
che e' non ci sia tolto nulla, sjn-icht er mit dem plautinischen
Euklio (F. 79 und im folgenden). Nochmal erhält Brigida
den Auftrag, alles gut zu versperren, nachdem ihre Bitte um etwas
Kost für die kranke Tochter mit dem Hinweise auf die wohl-
tl tätigen Folgen des Fastens abgewiesen wurde. Erst da Bri-
gida sich entfernt hat, vernehmen wir, mit welch ängstlicher
Sorgfalt Ghirigoro seine „sporta" hütet. (3.) Die Gevatterin
Mona Lald omine, die gerne zu gunsten Alamannos sprechen
möchte, liegt Ghirigoro an, seine Tochter zu verheiraten. Er
aber giebt ihr die entschiedene Antwort: „io vi dico per ultimo,
che se voi trovate uno, che voglia moglie e non dota, io gliela
darö." Nach seinem Abgange erfahren wir von Mona Lald li-
mine, dass Alamanno nichts sehnlicher wünsche, als Ghirigoros
18*
27G HL Aulularia.
Tochter zu heiraten; aber er fürchte seine Mutter Lisbetta,
deren Geiz niemals zugeben würde, dass er ein Mädchen ohne
Mitgift heimführe.
II. Akt. (1.) Wir lernen Mona Lisbetta so kennen, wie
sie Mona Laldomine in der letzten Szene des vorigen Aufzugs
geschildert hat. Ihr Sohn verwendet zu viel auf die Kleider, ')
auch hätte er nicht studieren sollen; denn „la maggior parte di
questi che v' attendono son poveri" (S. 24). Nach alledem hat
Alamanno wenig Aussicht auf Erfolg. (2.) So bespricht er sich
mit seinem Diener Franzino, und diesem kömmt, um nur etwas
Geld zu machen, eine eigentümliche Idee. Frau Lisbetta hat
,.calze rosate" und „quella spada fornita d' argento" in Verwahr.
Alamanno soll nun seine Tante, die Nonne suor Domitilla
bitten, sie möge sich durch ihren Fattore diese Requisiten zu
einer theatralischen Aufführung im Kloster ausbitten. Die Sachen
wollten sie dann versetzen, um zu Geld zu kommen. Alamanno
ist völlig damit einverstanden.
(3.) Unterdessen ist Lapo Cavicciuli, Alamannos Onkel,
durch sein vereinsamtes Leben auf die Idee geraten, noch in
seinen alten Tagen zu freien. Er trifft seine Schwester Ginevra
und Mona Lisbetta, die eben von der Kirche kommen. (4.)
Lisbetta klagt über ihren Sohn und giebt nicht die geringste
Schuld seines Betragens Lapo, der sein Vormund war. (5.) Da
dieser mit seiner Schwester allein ist, lenkt er das Gespräch auf
seine Heiratsgedanken. Da er reich ist und keiner Aussteuer
bedarf, . so dürfe seine Braut ja auch ein armes Mädchen sein, und
die beste in Florenz, meint Ginevra, wäre Ghirigoros Tochter.
Wenn er sich erböte „di torla senza dote" (S. 67), so gäbe sie
der Alte mit Freuden her. Lapo macht sich nun auf, um das
Mädchen zu freien. (6.) Mona Laldomine berichtet Alamanno
noch von Fiamettas Zustand. ..Questa cosa non si puö piü teuer
segreta." Es inuss sich entscheiden.
III. Akt. (1.) Ghirigoro argwöhnt, dass Brigida und
andere Leute um seine „Sporta" wissen „tale mi ha riso in
bocca e inchinatomi che un mese fa faceva vista di non mi vedere,"
ganz wie Euklio (V. 113):
Nam nunc quom celo sedulo omnis, ne sciant,
Omnes uidentur scire, et me benignius
Omnes salutant, quam salutabant prius
u. s. w. Noch mehr steigert sich sein Verdacht, als Lapo seine
') In Molieres Avare (1,5) ist dies ein Vorwurf, denHarpagon
seinem Sohn C'leante macht: Je voudrais bien savoir ä' quoi servent
tous cos rubans u. s. w.
Gellis Sporta. 277
Werbung um Fiametta vorbringt, die er nicht begreifen kann.
„Io non vorrei, " sagt er, „che tu credessi che io avessi trovato
qualche tesoro/' worauf ihm Lapo entgegnet: „Io non penso che
tu abbi trovato tesoro, io . . . e quando tu 1' avessi trovato,
credo che tu lo renderesti" (S. 45). 2) Nochmal schärft ihm Ghiri-
goro ein: Senza dote, intendi bene! Lapo ist es zufrieden.
(2.) Ghirigoro teilt Brigida mit, dass er eben die Verhei-
ratung seiner Tochter abgemacht habe. Diese findet zwar, dass
ein Mädchen, wie Fiametta, mit achtzehn Jahren nicht mehr
für einen Fünfziger passe; aber er erwidert ihr: Ed io ti so dire
che ella lo torrä o io la caccerö in un munistero (S. 48). -)
(3.) Der Fattore des Klosters, Gherardo, tritt mit einer sehr
schlimmen Schilderung der Klosterfrauen auf. Dort herrscht nur
Zank und Uneinigkeit. (4.) Mona Lisbetta giebt dem Fattore
die erbetenen Gegenstände zur Theatervorstellung, wobei Ala-
in anno thut, als sei er mit seiner Mutter ungehalten, die den
Nonnen soviele Gefälligkeiten erweise. Unmittelbar darauf aber
wird Franzin o abgeschickt, die Effekten aus dem Kloster abzu-
holen. (5.) Lapo glaubt, seinen Neffen Alamanno mit der Mit-
teilung zu erfreuen, dass er sich mit Fiametta verlobt habe;
der Neffe kömmt aber darüber in so heftige Aufregung, dass ihn
Lapo, gleichfalls erzürnt, mit den AVorten entlässt: „non far piü
conto ch'io ti sia zio!" (S. 57.) Szene 6 und 7 sind von neben-
sächlicher Bedeutung.
IV. Akt. (1.) Alamanno erzählt Franzino, was ihn be-
drohe. Nun gilt es, sich offen zu erklären. Nur eines fehlt
noch: „se noi trovassimo un modo da darli (seiner Mutter) ad
intendere che questa fanciulla avesse dota presso che ragionevole.
Di lei e del parentado, so io ch' ella si contenterebbe" (S. 66).
Franzino gerät nun auf den Gedanken, dass sein Vetter, der
Frate del Carmine, ein sehr gesuchter Beichtvater, viel Geld
„in deposito" habe. Vielleicht wird er auf zwei Monate das
Nötigste leihen. (2.) Polo und Berto sind von Lapo beauf-
tragt, für das Souper zur Verlobung zu sorgen. Sie sprechen,
wie bei Plautus, über Ghirigoros Geiz. (3.) Brigida lässt
die Köche ein, da (4.) kömmt Ghirigoro vom Markte heim; er
wollte kaufen, doch alles war zu teuer. „Io vengo di mercato
vecchio e sommi aggirato, aggirato per torre qualcosa da cena,
e in fine ogni cosa vale un occhio d' uomo" (S. 72). Wie
Euklio den Ruf nach einer „aula" vernimmt, so hört Ghiri-
') Nach Plautus J'. 239:
Eucl. Eo dico, ne nie thesauros reperisse ceiisi-as.
Met/. Novi: lic tloccas.
2) Dieselbe Drohung bei Molieres Avare (V, 4).
278 III. Aulularia.
goro von einer „Sporta" reden. „Ohime! che sent' io dire di
sporta? egli aranno trovato e' mia danari? ohime, ohime, io sono
spacciato." (5.) Er schleift mm Polo und Berto heraus: „Fuora,
fuora, assassino, ladro, io ti farö impiccare. Si che e' si va cosi
per le case d' altrui eh? di che cercavi' tu sotto qtiella scala, che
non vi sta se non spazzatura. " Nachdem diese Sache erledigt ist,
erfahren wir, weshalb er von allen Seiten für seine „sporta" fürchte,
sodass ,, inline io ho deliberato di cavarmela di casa", sowie der
eben nahende Lapo vorüber ist.
(6.) Lapo tritt auf mit der Rede des Megadorus (V. 469):
„Io ho riscontro di molti amici miei e tutti mi dicono per una
bocca che io ho fatto bene e che se gli altri cittadini, quando e'
voglion tor moglie cercassino di avere una fanciulla lor pari, ben
allevata, e di buone brigate, e non andassero dreto a roba, co-
m'ho fatt' io, e' si viverebbero molto piü in pace che e' non si
fa" u. s. w. Nach kurzer Unterredung mit Ghirigoro geht er,
und dieser holt seine „Sporta", die „so viele Feinde hat", um
sie in eine abgelegene Kirche zu tragen. Dann mag die Hochzeit
ruhig gefeiert werden.
V. Akt. (1.) Weitläufig setzt Ghirigoro dem Zuschauer
auseinander, wie er seine „Sporta" vergrub, „sotto quello ingi-
nocchiatojo, che e drento alle porta appie di quel San Martino, e
a lui accesi una candela." Aber es kam ihm vor, als sei er
beobachtet worden; deshalb nahm er die „sporta" wieder heraus,
um sie jetzt, „fra la Porta alla Croce e Pinti," zu verstecken.
Aber hinter ihm her schleicht Franzino; denn sein Geld würde
alles lösen. „Che se io gli potessi torre quella sporta, ella po-
trebbe, essere quella che acconcierebbe ogni cosa" (S. 82). (2.)
Mona Laidom ine berichtet, dass Fiametta eines Söhnleins
genesen ist. Sie lässt durch Lucia, Lisbettas Magd, diese
rufen, erzählt ihr Fiamettas Niederkunft, sowie, dass ihr Sohn
AI am anno der Vater des Knäbleins sei. Lisbetta ist trostlos.
Wenn sie aber Geld hätte? E quando 1' avesse la dota che se
gli conviene? forscht Mona Laldomine, worauf Lisbetta er-
widert: Non so, pensarevi allora. (3.) Lucia spricht nicht das
Beste von ihrer Herrin. (4.) Franzino hat sein Ziel erreicht.
Jubelnd bringt er den Schatz: Ecco la sporta che il vecchio andö
a nascondere lungo le mural triumphiert er (S. 89). (5.) Lapo
erfährt durch Ginevra, was mit seiner Braut vorging. Er
tröstet sich, dass er so wegkam und das Glück ihm wohlwollte,
„io veggo che la fortuna ha tenuto piü conto di me ch' io non
faceva di me stesso" (S. 93). (6.) Indessen AI am anno über die
Geburt seines Söhnleins spricht, stürzt Ghirigoro rasend herein.
Der überall verwertete Monolog Euklios, „perii, interii, occidi!"
ist hier auffallenderweise nicht verwendet. Er klagt nur: „Oh
Gellis Sporta.
279
sciagurato me! io sono rovinato!" Dagegen folgt die komisch
wirksame Verwechslung mit der Sporta und Fiametta nach dem
Originale.
Alain. Ghirigoro, non vi lamentate piü, state cli buona voglia!
Ghir. Come di buona voglia?
Alam. Di buona voglia, si; che quello cli che voi vi dolete, 1' ho fatto io.
Ghir. Tu eh?
Alam. Messer, si, io.
Ghir. Oh ribaldo! e perche hai tu voluto cosi rovinar me e la fa-
miglia mia?
Alam. La gioventü fa di queste cose: abbiate pazienzia.
Ghir. Che gioventü? tu te n' avvedrai.
Alam. Io so ch' io ho errato: ma io vi priego che voi mi perdoniate:
perche io non 1' ho fatto per farvi male ed enne stato causa
1' amore.
Ghir. 0 guarda che scuse! credevi tu che send' ella mia, io non gli
avessi amore anch' io?
Alam. Credevolo.
Ghir. E sapevi ch' ella era mia?
Alam. Sapevolo.
Ghir. Perche dunque la toccasti senza la voglia mia?
Alam. Per tormela per me: e per me la voglio.
Ghir. Se tu non me la rendi . . .
Alam. E che volete voi ch' io vi renda?
Ghir. Quello che tu m' hai tolto, io me n' andrö agl' Otto, e farö che
tu me la renderai a ogni modo.
Alam. E che?
Ghir. La mia sporta
u. s. w. Fr an z in o kömmt dazu, und die Sache wird zur allge-
meinen Zufriedenheit gelöst.
Seltsam freilich ändert sich der alte Geizhals: Mi vo' mutar
al tutto, sagt er, di natura ch' io conosco ora che Iddio m' ha
fatto questo solamente perche io discacci da me V avarizia, nella
quäle io son vivuto insin qui (S. 101), eine Unnatürlichkeit,
welche Gelli nur wenig mit folgenden Worten modi-
fiziert: E massimamente poi che io trovai questi danari
smurando un mio casolaraccio; e veggo che Iddio me li
mando perche io maritassi questa mia figliuola, perche egli non
abbandona mai persona nelle cose necessarie, und so noch weiter
moralisierend.
Gelli beruht auf Plautus und offenbar auf Lorenzinos
de' Medici Aridosia. Vielfach erinnert Moliere an ihn.
Gellis Sprache ist rein und fliessend und seine Komödie reich an
Einzelnheiten, die ein Licht auf die Zeitverhältnisse werfen. Wir
hören vom Theater, wo die Nonnen spielten und sich „veston da
xiomo con quelle calze tirate, con la brachetta e con ogni cosa che
eile pajon proprio soldati" (S. 52). Wir sehen den Aberglauben
oder Betrug der Mönche gegeisselt, welche den Leuten vormachen,
280 III- Aulularia.
dass die Seelen ihrer Wohlthäter jedes Jahr am 17. September
aus dem Fegfeuer entkommen und manches andere.
Der Zeit nach vor Gellis Sporta gehört zwar die Ari-
dosia des Lorenzino de' Medici, der oft irrtümlich der
Vater Leos X. genannt Avird;1) aber sie ist keine so reine Nach-
ahmung der Aulularia, wie die Sporta. Hier spielt die Asi-
naria, die Mostellaria, der Querolus und eine Reihe
klassischer Reminiszenzen mit. Über den Titel sagt uns der
Prologo (S. 3): Comedia, intitolata Aridosia, da Aridosia detta.
Aridosio chiamato per essere piü arido che la pomice; er ist
also mit Beziehung auf V. 290:
Pumex non aeque est aridus atque hie est senex
gewählt. Von den verschiedenen Ausgaben2) ist der neueste Druck
von Triest 1858.
I. Akt. (1.) Marcantonio, der Bruder Aridosios, be-
spricht sich mit seiner Frau Mona Lucrezia über Familienver-
hältnisse. Der Geiz seines Bruders wachse von Tag zu Tag. Er
erreiche aber damit seinem Sohn Tiberio gegenüber sehr wenig.
So strenge er ihn auch halte, sei dieser doch in die Sklavin des
benachbarten Ruffo verliebt. Marcantonio, der Demänetus
der Asinaria, ist der Ansicht, man müsse der Jugend Freiheit
gewähren, und verfolgt diesen Grundsatz bei seinem Adoptivsöhne
Erminio nur zu viel; weshalb ihm seine Frau auch vorhält,
dass Erminio in eine Nonne von Santa Osanna verliebt sei.
(2.) Lucido, Erminios Diener, Avird nun \*on Marcantonio
eingehend wegen des Liebeshandels befragt. Er gesteht die Sache
zu; aber die Liebe kennt kein Gebot, „ed ella e una bellissima
figliuola. " Zudem ist sie noch nicht eingekleidet. Die Nonnen
haben nur von ihrem Reichtum erfahren und sie deshalb zu fangen
gesucht und Avohl bewacht. Der Vater hofft das Beste für seinen
Sohn, und Lucido hat alle Veranlassung Aron ihm zu rühmen,
„oh che padre dabbene e questo! io credo che s' ei potesse, che
di sua raano la caA*erebbe del monistero per metterla a canto a
Erminio-' — so ganz der Alte der Asinaria. Die dritte
Szene ist AA^ieder der Asinaria entnommen, sie ist das
Liebesverhältnis des Argurippus und der Philenium.
Tiberio und Livia, die Sklavin des Ruffo, hängen in zärt-
lichster Liebe an einander. Der Ruffo aber verlangt ungestüm
sein Geld — fünfzig Scudi — für ihre Loskaufung, „che questa
') Vgl. Ancieu thöätre francois. Band V. AA-ert. pag. XVIII.
— Prölss. II, 1. 29. — Auch Larivey teilt diesen Irrtum.
2) Lucca 1549. — Hier ist zitiert nach: Aridosio | Commedia I
Del Signor j Lorenzino | De' Medici. In Firenze | Appresso i Giunti 1605.
Lorenzino de' Medici. 281
e la mia possessione e la mia bottega, senza la quäle vivere non
posso." Tiberio will ibm beute die Hälfte, morgen den Rest
bezahlen; der Ruffo aber will beute nocb sein Geld bar aufge-
zählt. Lange beschwört ihn Tiberio, er wolle ihn morgen, ,.a
ventiquattro ore," befriedigen; das Äusserste, worauf sich der
Ruffo einlässt, ist „infino a venti ore". Nun soll Lucido (wie
Libanus in der Asinaria) Rat schaffen. (4.) Lucido spricht
von dem Unheil der Liebe. „Non e cosa che faccia piü im-
pazzar gli uomini che lo amore. " Wenn der alte Aridosio
davon eine Ahnung hätte, würde er rasend werden, „perche ne
maggior misero ne maggior ipocrito fu mai, e non vuol che Ti-
berio guardi non che tocchi una donna. " Lucido hat aber den
strengsten Auftrag von seinem Herrn Erminio, Tiberio in
allem dienstbar zu sein, obwohl er selbst eben sich in arger
Verlegenheit befindet. (5.) Lucido belauscht das Selbstgespräch
seines Herrn. Non credo ch' egli accada in cento anni ad uno
che alla prima volta1) ingravidö una donna (S. 18). Seine Lage
ist trostlos. Lucido ruft ihn zum Essen, an welchem Tiberio
und seine Li via teilnehmen wollen; jetzt gerade allerdings „stanno
nel letto e fanno le maggior bravate che voi sentissi mai: lui
vuole ammazzar suo padre, se torna di villa, lei il Ruffo, come
verrä per il resto de' danari".
II. Akt. (1.) Cesare leitet die Szene mit einer langen
Rede ein, deren Grundton ist: „Ungleich verteilt sind die Güter
des Lebens." Er liebt Aridosio s Tochter aufs innigste; ihr
Vater aber giebt ihr keinen Heller Mitgift, und der seinige be-
steht hinwiederum auf tausend Golddukaten Aussteuer. Wohl
meint Cesare: lo cereo lei e non la dote, e lei ignuda, non che
senza dote mi bastava. Ma mio padre mi comandö che senza
mille ducati d' oro mai concludessi il parentado (S. 24). Lucido
bringt ihm die Nachricht, dass Aridosio von seinem Landgute
nach Florenz gekommen sei. Er ruft nun auch Tiberio und
Erminio (2) und macht ihnen die gleiche Mitteilung. Zugleich
schlägt er Tiberio vor, mit seiner Geliebten im Hause Arido-
sios zu bleiben, und so oft er sich aussen schneuze, drinnen
einen Höllenspektakel zu veranstalten. „Quand' io mi spurgo,
fate il maggior romor che sia possibile, con la panca e con il
letto, e gittate giü qualche tegolo, quaudo sentite brigate intorno
all uscio; e non uscite un jota di questa commissione che voi
e me rovinereste a un tratto" (S. 28). Tiberio erklärt sich ein-
verstanden, Cesare zieht sich zurück, und der alte Geizhals
Aridosio tritt auf.
Die Idee der dritten Szene ist der Mostellaria ent-
•) Vgl. S. 57. A. 5.
282 ni. Aulularia.
nommen. Lucido teilt dem Alten mit, dass sein Haus von
Teufeln besessen, „piena di diavoli", sei. So oft er sich schneuzt,
bricht drinnen Verabredetermassen gewaltiger Lärm los. Arido-
sio ist trostlos über die Geister, die nicht einmal Miete bezahlen,
„almanco ne pagassin la pigione!" (S. 30.) Nur Tiberios Sün-
den, klagt er, haben dies verschuldet. Von Lucido hört er,
dass die Geister Nächte lang singen und lärmen. Was soll ich
nun, fragt er sich, mit meinen zweitausend Dukaten machen? Wo
sie unterbringen? Das hört der im Hintergrunde der Bühne alles
beobachtende Cesare; er sieht, wie Aridosio nach Lucidos
Abgang seine Börse unter dem Pflaster vor dem verhexten Hause
vergräbt, wo er sie früher schon öfter verborgen und immer
wieder unberührt gefunden hatte. „Ma non ti lassar trovare,
borsa mia, animä mia, speranza mia! In manus tuas, Domine,
commendo spiritum meum" J) (sie!), murmelt er (S. 34). Kaum
ist er weg, holt sich Cesare den Schatz aus dem Verstecke.
(4.) Lucido kömmt mit Aridosio zurück. Ein Priester hat sich
zur Aussegnung, des Hauses bereit gefunden. Er wird alsbald
kommen. (5.) Erminio tritt mit Lucido auf und versetzt
Aridosio in eine Höllenangst, da er mehrmals die Stelle betritt,
wo seine Börse vergraben liegt, ja einmal sogar dort seinen
Handschuh verliert und sich bückt, ihn aufzuheben. Aridosio
entfernt sich unruhig, worauf (6.) eine Nonne erscheint und be-
richtet, dass Fiametta ihrer Entbindung nahe, trotzdem aber
nicht zu hoffen sei, dass die Priorin sie freigebe.
III. Akt. (1.) Lucido freut sich der dummen Leichtgläu-
bigheit des alten Aridosio; er würde am Ende noch an fliegende
Esel glauben, „i putti farebbero oggidi lor credere chi gli asini
volassero" (S. 42). Auf sein Pochen „tic toc tic toc!u öffnet Ti-
ber io das Haus, muss aber alsbald, da der Alte herankömmt,
wieder in dasselbe zurücktreten. (2.) Aridosio hat stets das
Pflaster im Auge. Da kömmt Lucido mit dem Priester Ser
Ja com o. Dieser trägt eine Kerze und beginnt seine Exorzismen:
.,Hanc tua Penelope lento tibi mittit, Vlixes; Nil mihi rescribas,
attamen ipse ueni!" worauf die „Geister" drinnen rumoren. Be-
fragt, unter welchen Bedingungen sie das Haus verlassen wollten,
verlangen sie Aridosio s Ring, was er in seinem Schrecken zu-
gesteht, falls er bei Abnahme desselben nicht gekratzt würde.
(3.) Auf solche Weise erhält Tiberio den auf dreissig Scudi
gewerteten Ring und kann seine Li via loskaufen. Lucido
übernimmt mit dem Priester die Verhandlung mit den Teufeln;
') Ein noch gröberer Missbrauch heiliger Worte findet sich in
Pietro Aretinos „Cortigiana" (V, 8), wo in das Paternoster eine
Ehebruchsanleitung eingefügt ist.
Lorenzino de' Medici. 283
worauf (4.) Aridosio dem Geistlichen für seine Hilfe dankt; er
hätte ihm ans Erkenntlichkeit den Ring geschenkt, wenn er ihn
nicht an die Geister hätte abgehen müssen. „Vi ginro per questa
croce, che, se io non avessi dato quel rubino agli spiriti che io
ve lo donerei." (5.) Unterdessen hat der Kuppler gehört, dass
Aridosio wieder in Florenz sei. Er eilt herbei, um über seinen
Sohn Klage zn führen, der ihm noch den Rest einer Summe
schulde, um die er ein Mädchen freikaufte. Zwar habe ihm
Tiberio einen Rubin angeboten, doch hege er an seiner Echt-
heit grosse Zweifel. Glücklicherweise (6.) kömmt Lucido noch
rechtzeitig dazu, und es gelingt ihm, dem bereits stutzig ge-
wordenen Alten einzureden, dass der Kuppler ein Narr sei. In-
dessen Lucido im Auftrage Aridosios zu Marcantonio geht,
um für seinen Herrn ein billiges Frühstück zu bestellen, sucht
der alte Geizhals nach seiner Börse und (7.) findet sie zu seinem
Entsetzen leer: Ohne, 1' e si leggieri: ohne ch' e drento? ohne
eh' io son morto: al ladro, al ladro! tenete ognun che fugge,
serrate le porte, gli usci, le finestre. Meschino a me, dov' e il
mio cuore? misero me, dove vad' io? dove sono? a chi dico? Mi
raccomando, mi raccomando, ch' io son morto: insegnatemi, chi
m' ha rubato la vita mia, 1' anima mia. Avessi io almanco un
capestro da impiccarmi: ella e pur vota: o Dio, chi e stato quel
crudele, che m' ha tolto ad un tempo la vita, 1' onore e la roba!
0 sciagurato a me, che questo di m' ha fätto il piu infelice
uomo del mondo. E che ho io piü bisogno di vivere? che ho
perduto tutti i miei danari, quelli ch' io aveva adunati, e ch' io
amava piü che gli occhi propri, quelli ch' io aveva accumulati,
fin col cavarmi il pan di bocca. An Wirksamkeit steht dieser
Monolog wohl weit unter jenem des Euklio. Lucido (8.)
kömmt dazu. Er muss der Räuber sein. ..Tu m' hai rubati i
miei danari, ladroncello, rendemeli qua!" Auf Lucidos Erwi-
derung: „Io non so quello che mi vogliate dire" (S. 60), eilt
er trostlos ab mit dem Rufe: „0 borsa mia! o borsa mia! ohne!"
IV. Akt. (1.) Cesare erzählt Er mini o, Avie er in den
Besitz des Geldes gekommen sei, worauf ihm dieser als ehrlicher
Mann sagt, dass ihm ja doch nichts übrig bleibe, als dasselbe
seinem rechtmässigen Besitzer zurückzuerstatten. (2.) Erminios
Pflegevater will mit seinem Adoptivsöhne sprechen. Auf Ermi-
nios Frage: „Che volete comandarmi," erwidert ihm der gute
Alte: ..Tu sai che sempre bench' io potessi comandarti, ti ho
pregato, ne adesso voglio cominciare; ma ti voglio awertire"
S. 63). Er rät ihm nun wohlwollend, obgleich ex selber erfahren
habe, was es heisse, verliebt zu sein, von seiner Nonne zu lassen,
da selbst dem verworfensten Mensehen ..Y iisare con monache"
als eine Sünde erscheint. Erminio hört nicht ohne Eindruck
28-1 III. Aulularia.
diese Vorstellungen. (3.) Jammernd tritt Aridosio auf. Er
ahnt bereits, dass Lucido seine Leichtgläubigkeit arg missbraucht
und ihm von Geistern vorgeredet habe, sodass er nun der Spott
von ganz Florenz sei (S. 67). Vergebens versucht Erminio,
ihn für Tiberio und Li via, die sich als Tochter des Messer
Alfonso herausgestellt hat, zu gewinnen. (4. 5.) Von der
lustigen Nonne Mona Pas quin a erfahren wir Neues vom Kloster
und Fiametta. (6.) Messer Alfonso ist von Tortona ange-
langt und hat hier seine fünfzehn Jahre vermisste Tochter ge-
funden. Dass er sie im Hause des Kupplers fand, hat ihm freilich
wenig Vergnügen bereitet. In der letzten (7.) Szene berichtet
Mona Pasquina dem alten Marcantonio, dass die Geliebte
seines Sohnes ein prächtiges Knäblein geboren habe. Anfangs
versteht Marcantonio die Sache nicht. „Che ha fatto Erminio?"
fragt er die Nonne. ,.Un figliuolo," ist ihre Antwort. Er will
nun die weiteren Schritte thun, um die Angelegenheit zum Besten
aller zu ordnen.
V. Akt. (1.) Messer Alfonso unterhandelt mit dem
Kuppler wegen seiner Tochter. Er ist zwar ziemlich ungehalten,
dieselbe, „vituperata" zu finden, allein er erhält die Versicherung,
dass mit einer Aussteuer, die er ja leicht gewähren kann, Ti-
berio sie sofort heirate. In der nächsten (2.) Szene hat der
Dichter in ähnlicher Weise, wie Plautus und andere Nach-
ahmer, ein Missverständnis angebracht. „Sie ist gefunden," ju-
belt der Kuppler, mit Beziehung auf Li via; Aridosio aber
meint seine Börse.
Ruf. Aridosio, buone nuove!
Ar. Che e trovata? . . .
Ruf. Trovata e . . . i segni tutti si riscontrano.
Ar. 0 ringraziato sialddio! io ho paura di non mi venir manco per
1' allegrezza.
Ruf Vedete voi che farä ciocche voi vorrete.
Ar. Pensal tu se mi e grato. E chi 1' avea?
Ruf Oh! non sapete che io 1' aveva io?
Ar. Non io. Ma che facevi tu delle cose mie?
Ruf. Iuanzi ch' io la dessi a Tiberio era mia e non vestra.
u. s. w., und so klärt sich der Irrtum mit „figlia" und „borsa"
auf, was den Geizhals bitter enttäuscht. (3.) Messer Alfonso
will nun seine Tochter sehen. Auf die Frage, wo Tiberio und
Li via seien, versichert ihm Lucido „nel letto", was Alfonso
wiederum nicht gerne hört. — Marcantonio (5.) teilt seinem
Adoptivsöhne mit, dass er Vater eines Knaben geworden sei, und
dass er bei der Priorin Fiamettas Freilassung und Heiratsbe-
willigung durchgesetzt habe. Die frohen Nachrichten häufen
sich. Lucido (6.) berichtet, dass Alfonso seinem künftigen
Schwiegersohne, „dappoi ch' egli ha avuto la verginitä della figliuo-
Italienische Übersetzungen derselben. 285
la" (S. 84), sechstausend Scudi Mitgift ausgesprochen habe, wo-
gegen geAviss auch Tiberios Vater nichts mehr einzuwenden
habe. Aridosio wird von seinem Bruder Marcantonio ge-
wonnen, der ihm den von Cesare entwendeten Schatz zurückzu-
stellen verspricht. Aridosio spricht mit den Worten der Bibel:
Ich glaube nicht daran, s' io non li vedo e non li tocco (S. 87).
Da er nun wieder im Besitze des geraubten Goldes ist, wird der
alte Geizhals selig. „Tu mi hai reso la vita, 1' onore, la roba
e T essere che insieme con questa aveva perduta" (S. 88). Mit
einer dreifachen Hochzeit endet das Lustspiel.
Die hochfeine Sprache und der klassische Ton der Komödie
Lorenzinos machten es wohl begreiflich, dass sie auf die Littera-
tur der nächsten Jahrzehnte nicht ohne Einfluss blieb. Die Cha-
raktere, die uns der Dichter vorführt, sind insgesamt gut ausge-
prägt, Alle Personen, z. B. der alte Aridosio „quel mostro
d' Aridosio (S. 22) . . . egli avaro, invidioso, ipoerito, superbo,
dappoco, bugiardo, ladro, senza fede, senza vergogna, senza amore
e insomma e un mostro ingenerato da' vizi e dalla sciocchezza-'
(S. 23), seine Tochter Cassandra, „la piü bella, la piü gentile
non dico di Firenze, ma di tutta Italia" (S. 83), die lustige
Nonne, „vorrei star quegli Otto di sempre nel letto con qualche
mio innamorato" (S. 71), die Priorin, „piü superba che un toro"
(S. 82), u. a. sind, ob sie handelnd auftreten, oder ob ihrer nur
Erwähnung geschieht, trefflich gezeichnet.
Aridosio ist eine der geschicktesten Kontami-
nationen plautinischer Komödien, bei der indessen der
Schwerpunkt doch auf dem Geizhalse und seinem ge-
stohlenen Schatze — immerhin also auf der Aulularia
— bleibt.
An italienischen Übersetzungen der Aulularia hat es
nicht gefehlt. Paride Ceresara übertrug das Lustspiel;1)
Carlo Maria Maggi gab es in Versen, in Mailänder Dialekt,
heraus im ersten Bande seiner Commedie e Rime. Milano
1701 in 12°. Eine weitere handschriftliche Übersetzung, in
versi toscani von P. Giuseppe Maria Stampa, liegt nach Ar-
gelati'2) als Manuskript in Como; wiederum in versi toscani ist
die Übersetzung (II vecchio avaro) von Lisimbo Oristoniano
Pastor Arcade.3) Firenze 1747 und 1750 bei Andrea Bon-
ducci. Im Jahre 1763 erschien eine weitere von einem Unge-
nannten in Pisa in 4°. 4)
J) Tiraboschi. VII, 179.
2) II, 232, wo auch die übrigen nachzusehen sind.
3) Nach Sulz er. III, 7041'. Lor. Guazzesi (in 8°).
4) S. ebenda.
286 HI. Aulularia.
Lorenziiios de' Mediei Aridosio führt zu den Franzosen
hinüber. Larivey (S. 66) hat sich des italienischen Stückes
bemächtigt und dasselbe in seiner Komödie „Les Esprits",1)
deren Titel mehr auf die Mostellaria hinweist, so benützt,
dass er oft nur eine ganz wörtliche Übersetzung des
italienischen Stückes gab.2) Nur Feliciane, die Livia
des Lorenz ino de' Mediei, tritt in diesem Lustspiele, von dem
der Prolog (Fol. 111) sagt: „II a faicte ceste Comedie a Limi-
tation & de Piaute & de Terence ensemble," nicht als han-
delnde Person auf.
I. Akt. (1.) Der alte Hilaire bespricht sich mit seiner
Frau Elizabet über seinen Adoptivsohn Fortune. Er huldigt
milden Erziehungsprinzipien, damit die Söhne ihren Vätern in
Liebe anhangen. Sein alter, geiziger Bruder Severin halte
seinen Sohn Urbain sehr streng und zwinge ihn, immer auf dem
Lande zu leben, doch aber sei er nicht besser, als andere. Dem
envidert seine Frau, die zwar nachsichtig, aber doch nicht
schwach sein möchte, von Fortune „qu'il est deuenu amoureux
d'vne nonnaine que ie ne veux nommer pour ceste heure". Der
Alte will hierüber Gewissheit haben und wendet sich an den
eben kommenden (2.) Diener Frontin. Von ihm erfährt er,
dass sein Pflegesohn wirklich eine Nonne liebe, aber „eile n'est
religieuse et ne voudroit pas estre, aussi n'a eile faict profession".
Hilaire findet es „excusable, puisque eile n'est professe". Doch
aber ist die Sache bedenklich; denn ,,elle est grosse de son fäit
& si preste d'enfanter quelle n'attend que l'heure. " (3.) Urbain
ist in Streit mit dem maquerau (Kuppler) Ruffin. Der letztere
will sein Geld — dix escus — unverzüglich. Die Geliebte er-
scheint, wie bereits gesagt, im Stücke nicht. (4.) Frontin phi-
losophiert über die Liebe genau so wie Lorenziiios Lucido.
„II n'y a chose qui face plus raffolir les hommes que l'amotir."
Zudem beklagt er Fortunes Schicksal, „grossir vne fille du pre-
mier eoup." (5.) Fortune will Nachrichten von seiner Geliebten
Apoline, Frontin weiss aber leider nichts. Nur von Urbain
und seiner Feliciane kann er, wie bei Lorenzino, berichten: „Ur-
bain & Feliciane sont au lict ou ils fönt brauades; l'vn veut
!) Les six | premieres | comedies | facecievses | de | Pierre de. Lari-
vey | Champenois. | A l'imitation des anciens Grecs, Latins | & modernes
Italiens. A Paris j chez Abel l'Angelier, tenant sa | boutique au pre-
niier pillier de | la grand' salle du Palais. 1579. Fol. 111 — 166 enthält
Les Esprits. — Ancien theätre Francois. Bd. V. S. 199—292. Die Stücke
werden bei Hipp. Lucas (Hist. d. theätre), LTI, 270, als im Jahre 1578
gespielt aufgeführt.
2) Lariveys Les Esprits als Quelle zu Molieres Avare unter
Berücksichtigung der Aulularia des Plautus von R. V. Me lirer. Jena
(Dissertation) 1873. 35 S. 8°.
Lariveys Esprits. 287
tuer son pere, s'il retoiirne dxi vilage. Et l'autre Ruffin, s'il
vient demaiider de l'argent.
II. Akt. (1.) Desire, der Liebhaber von Severins Toch-
ter, Laurence, hält die gleiche Rede wie Cesare in der italie-
nischen Komödie. Sein Vater gestattet ihm nur eine Frau mit
Geld, Severin aber, „ce monstre qui n'est digne de uiure, " giebt
ihr keine Aussteuer. „Mon pere voyant la cruelle auarice de ce
vilain nie deffendit espouser la fille qu'elle ne m'apportast pour
le nioiiis mille escus sinon que ie ne me presentasse iamais devant
luy. " Fr on tin meldet ihm, dass Severin in die Stadt zurück-
gekehrt sei, ebenso ruft er Urbain aus dem Hause (2.), um ihm
dieselbe Mitteilung zu machen. Er giebt ihm nun den Rat:
„Fermez la porte aux verrouils par dedans & n'y laissez entrer
personne du nionde . . . quand vous m'entendez cracher, alors
faictes le plus grand tintamarre, qu'il vous sera possible & iettez
mesmes des tuilles en la rue." Urbain kehrt ins Haus zurück.
(3.) Da Severin in dasselbe eintreten will, hält ihn Frontin
auf, fast mit den Worten Tranios in der Mostellaria (V. 446):
„Qui est ce fol qui touche ä ceste porte?" Er darf nicht
klopfen; denn ,.la maison est plaine de diables". Alsdann ..il
crache & ceux du logis fönt bruict". Wie sein Vorbild Arido-
sio hätte auch Severin zunächst den Wunsch „au moins s'ils
en payoient les louages". Alles andere ist genau, wie in der
italienischen Komödie; Severin vergräbt seinen Schatz. (Inmanus
tuas u. s. w.) Desire holt ihn. Nur die Szene (6.), wo die
Nonne im Aridosio auftritt, fehlt hier.
III. Akt. (1.) Alles ist genau nach dem Italienischen,
nur dass die Stelle des Priesters der sorcier M. Josse vertritt,
dessen Zaubersprüche etwas anders sind. „Barbara piramidum si-
leat miracula memphis, " und da Severin befürchtet, dass die
Geister kein Latein verstehen:
Esprits niaudits des infernalles ombres
Qui repairez ceans soir et matin,
Je vous commande au nom de Severin
Qu'en deslogiez, sans nous donner eucombres
u. s. f. Die Bedingungen der Geister (erst „nous ruynerons ceste
maison", endlich „l'anneau du doigt de Severin") sind wie im
italienischen Originale. Urbain hat nun (3.) den Ring; Seve-
rin dankt M. Josse für seine Dienste (4.); Ruffin dringt zu
Severin mit dem Ringe (5.) und wird noch rechtzeitig von
Frontin als Narr erklärt. (6.) Severin entdeckt den Diebstahl
und bricht in die Klage aus: „Jesus! qu'elle est legere! vierge
Marie, qu'est cecy qu'on m'a mis dedans? helas, ie suis destruict,
ie suis perdu, ie suis ruyne! Au volleur, au larron, au larron!
288 ITI. Aulularia.
prenez-le, arrestez tons ceux qui passent, fermez les portes, les
lmys, les fenestres. Miserable que ie suis. On cour-ie? a qui
le dis-ie? ie ne s<jays, oü ie suis, que ie fais ny ie vas. helas,
nies amys, ie nie recommande a vous tous, secourez-moy, ie vous
prie, ie suis mort, ie suis perdu. Enseignez-moy qui m'a des-
robbe' mon ame, ma vie, raon coeur, & toute mon esperance; que
n'ay-ie un licol pour me pendre? car i'aime mieux mourir que
viure ainsi. helas eile est toute vuyde. vray dieu qui est celuy
qui tout a vn coup m'a rauy mes biens, mon honneur, et ma vie?
Ali cbetif que ie suis que ce iour m'a este" malencontreux ! A
quoy veux-ie plus viure, puisque i'ay perdu mes escus que i'auois
si soigneusement amassez & que i'aimois & tenois plus cliers que
mes propres yeux? mes escus, que i'avois espargnez retirant le
pain de ma boucbe n'osant manger mon Saul? Et qu'vn autre
ioyt maintenant de mon mal & de mon dommage." Front in
trifft ihn über seinem Jammer. „Tu m'as desrobbe mes escus,
larron que tu es; 9a ren les moy, ren les moy ou ie t'estrangle-
ray," fährt er ihn an. „Ie ne scays que vous voulez dire," ver-
setzt Frontin. Ma bourse, helas, ma pauvre bourse! ruft er
im Gehen.
IV. Akt. Alles entwickelt sich, wie im italienischen
Stücke. (1.) Der ehrliche Fortune (2.), der gutmütige, für die
Leiden seines Sohnes so empfängliche Hilaire (Mon fils, i'ay
pitie de toy pour auoir moy-mesme autre fois essaye que c'est de
l'amour), der sich nur an der „Nonne" etwas stösst, der trost-
lose Severin, Pasquetta, die Nonne Mona Pasquina, die
hier als „seruante" auftritt, (4.) der glücklich zurückgekehrte
Vater Felicianes, Gerard, Pasquetta, als Berichterstatteriii über
Apolines Entbindung an Hilaire (5.), sind uns lauter wohlbe-
kannte Figuren.
V. Akt. (1.) Ebenso genau kennen wir Gerards Unter-
handlung mit dem Kuppler Ruffin wegen seiner Tochter und die
Szene mit dem komischen Missverständnis (2.).
Ruff. Seigneur Severin, bonnes nouvelles!
Sev. Quoi? est-elle trouuee?
Ruf. Oy!
Sev. Dieu soit loue, le coeur me saute de ioye.
Ruft'. Voyez, il fera ce que vous voudrez.
Sev. Pense, si ces nouuelles me sont agreables . . . Qui l'auoit?
Ruff. Le sgavez-vous pas bieu, c'etait moy.
Sev. Et que faisois-tu de ce qui m'ai"»partient?
Ruff". Deuant que ie la liurasse a Vrbaiu, ie I'ay eue quelque peu
en ma maison
u. s. w., bis sich die Sache auf klärt. Auch hier sind Urbain und
Feliciane „au lict" (3.); Hilaire bringt seinem Sohne die frohe
Lariveys Esprits. 289
Botschaft, „TAbbesse veut que tu l'espouses (5.); Frontin mel-
det, das Gerard seinem Schwiegersöhne fünfzehntausend Franken
Mitgift zahle (6.): Severin erhält sein Geld wieder, da er an
sein Glück nicht glauben kann, „si ie ne les voy & les touche."
Und da er es hat, ruft er mit Aridosio: „Vous m'auez rendu la
vie, l'honneur & les biens que i'auois perduz avee cecy."
Obwohl Lariveys Arbeit eigentlich nur eine Übersetzung
aus dem Italienischen ist, ist sie doch litterarisch von Be-
deutung geworden.1) Lotheissen (I. Bd., S. 277, 278) urteilt
hierüber: „Severins Geiz zu schildern, ist aus der Aulularia
des Plautus die bekannte Szene herübergenommen, in welcher
der Geizhals den Topf mit Gold vergräbt und bald darauf zu
seiner Verzweiflung die Entwendung desselben wahrnimmt. Auch
Severin vergräbt einen Beutel mit Goldstücken und wird dabei
belauscht, ganz wie später Harpagon bei Moliere. Die Charak-
teristik Severins bietet jedoch Züge, welche sich weder bei Plau-
tus noch bei Moliere finden, die aber vortrefflich sind. So z. B.
in der Szene, in welcher Severin immer wieder zu dem ver-
grabenen Schatz zurückkehrt, um ihn zu bewachen, wie er jedem
misstraut, der in seine Nähe kommt, und ganz ohne Grund ..au
voleur!" (II, 5) ruft. Ebenso drastisch ist auch seine Verzweiflung
geschildert bei der Entdeckung des Diebstahls (III, 6) , obwohl
man hier vielfach an Plautus erinnert wird. Derjenige, der ihm
das Geld entwendet hat, ist der Liebhaber seiner Tochter, der
seinen Raub benützt, um vom Alten die Einwilligung zur Heirat
zu erzwingen, weil derselbe nur dadurch wieder in den Besitz
seines Schatzes gelangen kann. Auch muss er gestatten, dass
Urbain heiratet, was er gerne thut, als er hört, dass dessen Ge-
liebte reich ist. Sie bekömmt eine Mitgift von fünfzehntausend
Franken. ,Fünfzehntausend Franken!' ruft Severin neidisch aus,
,dann wird er ja reicher, als ich!' — ein feiner Zug, der von
den Späteren nicht benützt worden ist, sowenig wie das bezeich-
nende "Wort, mit dem Severin seine Goldstücke wieder begrüsst.
(, Götter, es sind dieselben,' ruft er liebevoll aus und enthüllt
damit seinen ganzen Charakter.) Doch sind alle diese Züge schon
in dem italienischen Stück enthalten. Lariveys Verdienst liegt
also nicht in der Konzeption der Stücke, sondern vielmehr in der
Behandlung der Sprache. Sein Dialog ist knapp, kräftig und
klar, alter auch ohne Scheu. Dennoch können seine Lustspiele,
trotz seines Bestrebens, sie dem französischen Leben anzupassen,
den fremden Ursprung niemals ganz verbergen."
Noch ehe in Prankreich Moliere die Krone aller Nachah-
') Vergleiche die abfällige Kritik in den Oeuvres compldtea <1 e
Regnard. (Paris, Delahays 1854.» S. 592. 593.
19
290 m. Aulularia.
orangen der Aulularia schuf, griff Samuel Ghappuzeau
(S. 67) zu derselben Quelle in seinem Lustspiele Le riche vilain,
011 la Dame d'Intrigue, en trois actes.1) 72 S. Hierüber be-
richtet Monval:2) „C'est le titre, sous lequel füt represente, en
(Irccinbre 1663 sur le theätre royal de l'Hotel de Bourgogne
,1'avare dupe ou l'homme de paille' acbeve d'imprimer pour
la premiere Ibis le 23 novembre 1663 s&ns nom d'auteur. 3) La
reimpression faite vers 1664 ou 65 sous le titre ,1a dame d'intri-
gne ou le riebe vilain', est dediee ä S. A. R. Mme la Ducbesse
de Savoye, reine de Chypre."
..Dans cette comedie Chappuzeau parait avoir fourni a Mo-
liere, qui ne negligeait ou dedaignait aueune source d'inspiration,
quelques traits de l'Avare. Harpagon n'est pas sans rapports
avec son Crispin, vieillard soupconneux et mefiant, avare et ladre
au dernier point;4) sa dame d'intrigne, Ruffine, deviendra aise-
ment Frosine sous la plume de Moliere, qui la qualifie ,femme
d'intrigne'. Quant au valet Philipin, ce sera la Fleche cinq ans
plus tard. — Chappuzeau s'est servi de Juvenal, de Piaute5)
et d'un auteur espagnol qu'il ne nomine pas et qu'il a ,babille
ä nötre mode.' II decouvre ingenüment ses larcins et eite ses
sources. "
Direkt bat Chappuzeau freilich Plautus fast nicht
benützt.
Die Rede des Geronte über die Mitgift (I, 3) erinnert in
manchen Stücken an den p 1 au tini sehen Megadorus:
Un grancl clot est suivy d'une grantle arrogance;
Femrae qui n'en a point n'ose faire depense.
Elle est souple. eile est hjimble, ou a toujours la paix
n. s. w.
Dies findet sich umgekehrt bei Moliere im Munde Fro-
sines: nicht minder das Missverständnis mit Tresor (II, 3) bei
Moliere (V, 3), und vieles andere.
J) Enthalten iu „Les oontemporains de Moliere, reeucil de
eomedies rares ou peu connues jouees de 1(>50 — 1680", ]»ar Victor Fnur-
nel. Paris 1863. I. Bd. S. 355—400.
2) Le theätre franeois par Samuel Chappuzeau, aecompagne
d'une preface et de notes j^ar Georges Monval. Paris 187f>.
3) Le privilege etait du 28 septeinbre 1G6"2, et la piece parut sans
dedicace, ä Paris, chez Guillaunie de Luyne, in 12°, en 1663.
A) Moliere et Chappuzeau ont puise ä la meine source 1' Aulu-
laria de Piaute (acte IV, scene 4) oü Euclion examine les maius de
Strobile, qu'il soupgonne de lui avöir derobe" quelque objjet. „Tertiam"
demandait le personnage de Piaute; „l'autre?" dit Chappuzeau; „les
autres?" osera Moliere.
5) „Piaute m'a aussi un peu aide dans Le portraii que je fais
d'un riche vilain," saut Cliappuzeau im A;vertissement. (Xzl. Mahren-
holtz, Moliere. S. 205.)
Chappuzeau. Moliere. 291
Speziell auf Plautus, nur mit Umgehung des „etiam
tertiam", weist die Szene, wo Crispin den Diener des Lycaste
Pliilipin untersucht:
Crisp. Ca, montre-moy la main!
Phil. Tenez!
(II tend la main droite ouverte, puis toutes les deux ensemble.)
Crisp. L'autre!
Phil. Tenez, voyez jusqu'ä demain.
Crisp. L'autre!
Phil. Allez la cherclier, en ay-je une douzaine?
Molieres herrliche Schöpfung „l'Avare", comedie en cinq
actes, stammt aus dem Jahre 1667, der erste Druck von Ribou
aus 1669, von dem Ch. L. Livet im Jahre 1883 (Paris) einen
Abdruck veranstaltet hat.
Die allgemeine Verbreitung des Moli er eschen Stückes ge-
stattet, über dasselbe in kürzeren Worten hinwegzugehen.1)
I. Akt. (1.) Valere ist in Elise, die Tochter des Geiz-
halses Harpagon,-) verliebt, eine Leidenschaft, die auch Elise
erwidert, umsomehr, als Valere sie einst aus den Fluten ge-
rettet hat. Um bei ihr sein und den Alten für sich stimmen zu
können, hat er sich in seine Dienste begeben und sich sein Ver-
trauen zu erringen verstanden. (2.) Aber auch Cleante, Har-
pagons Sohn, hat zu Mariane, einem braven, aber armen
Mädchen, Liebe gefasst und entdeckt eben seiner Schwester sein
Geheimnis; beide sind zwar ohne Aussicht auf Erfolg, aber ..nous
joindrons apres nos forces pour attaquer la durete de son humeur".
(3.) Harpagons Misstrauen trifft vor allem la Fleche, den
Diener seines Sohnes, den er in seinem Argwohn als „mattre
jure filou, vrai gibier de potence", bezeichnet. Er durchsucht
ihm die Taschen, lässt sich die Hände weisen und jagt ihn dann
zum Hause hinaus. (4.) Harpagon weiss im ganzen Hause sein
Geld nicht zu bergen; „les coffres-forts, " meint er, „me sont su-
spects, et je ne veux jamais m'y her." Sein Misstrauen steigert
sich, da er seine beiden Kinder (5.) leise miteinander sprechen
siebt: er versichert sie seiner Armut und teilt ihnen dann mit,
«lass er im Sinne habe, Mariane zu beiraten, was Cleante ver-
l) Vgl. Schlegel. Vorlesungen über dram. Kunst und Litteratur.
11,237. — Herrigs Arohiv. Bd. XVEL S. 376 (Artikel von Eumberl :
Bd. LVI. S. 2f>4 (Artikel von Mahrenholtz). — Mahrenhöltz, Mo-
liere. S. 230-237.*
-j CTssing. II, 272. Molierii autem „Avarus" vulgo nota est,
qui i|ini(| avaro honiiui aomen imposuit Earpagonis Ihm; ex Codri
Urcei supplementis sumpsit, ubi vs. 26 sqq. haec leguntur:
Tenaccs niniiuui dominos nostra aetas tulit,
Quos Harpagones Harpyies ei Tantalos vocare soleo.
Vr
292 HI. Aulularia.
anlasst, sicli vor Entsetzen davon zu machen, (ß.) Elise erhält im
weiteren Kunde von seinen sonstigen Plänen. Beide sollen heiraten,
Cleante ..une eertaine veuve" und Elise den alten „seigneür
Auselme, un homme mür, prudent et sage, qui n'a pas plus de
cinquante ans, et dont on vante les grands biens-'. Vergebens
weigert sich Elise einer solchen Verheiratung. Valere (7.)
wird von dem Alten als Schiedsrichter aufgerufen, wobei Har-
pagon den Schwerpunkt darauf verlegt, dass Anselme seine
Tochter ohne Mitgift heirate. Dieses „sans dot", das Har-
pagon immer wieder vorkehrt, findet auch Valere scheinbar für
einen mächtigen Grund: „cela ferme la bouche ä tout. Sans
dot!" Harpagon eilt ab, da er einen Hund bellen hört (8.),
worauf Valere die ungehaltene Elise über seine Absichten, den
Alten immer mehr zu gewinnen, aufklärt; was ihm auch so sehr
(9.) gelingt, dass ihn Harpagon (10.) sogar bittet, auf seine
Tochter weiter einzuwirken und sagt: „heureux qui peut avoir un
domestique de la sorte!-'
IL Akt. (1.) Cleante erfährt von seinem Diener la Fleche,
unter welchen Bedingungen ihm ein Wucherer Geld zu leihen sich
hei'beiliesse. Ausser den hohen Zinsen hätte er noch eine Beihe
wertloser Utensilien an Geldesstatt anzunehmen. Die Xot zwingt
ihn, auf alles einzugehen: da stellt es sich heraus (2.), dass der
Wucherer sein eigener Vater Harpagon ist,1) und es kömmt
.''■. zu einer heftigen Szene zwischen Vater und Sohn, die nur
durch Frosines Ankunft und die Sorge des Alten, der nach
seinem Gelde sieht (4.), unterbrochen wird. Unterdes schildert
la Fleche in einigen Zügen den Geiz Harpagons „de tous les
humains, l'humain le moins humain, le mortel de tous les mortels
le plus dur et le plus serre ... et donner est un mot pour qui il a
tant d'aversion qu'il ne dit jamais ,je vous donne', mais ,je vous
prete le bon jour'." Frosine hat alsbald (6.) Gelegenheit, diese
Wahrnehmung selbst zu machen. Alle ihre Schmeicheleien über
sein blühendes Aussehen und seine Hoffnungen bei Mariane
vermögen ihn nicht, ihr mit etwas Geld auszuhelfen.
III. Akt. (1. — 6.) Harpagon will seiner Braut zuliebe ein
Souper veranstalten, weshalb er seine ganze Dienerschaft zu-
sammenruft und ihr die nötigen Verhaltungsmassregeln giebt.
Sparsamkeit ist das erste Gebot. Valere unterstützt ihn hierbei
treulichst und erregt dadurch das besondere Missfallen des
Kutscher-Kochs maltre Jacques. Mariane wird durch Fro-
1 Diese Szene findet sich ähnlich in der Belle Plaideuse (1655)
von Franeois le Metel, sieur de Boisrobert (gest. 16i>2). Vgl. Loth-
eissen. IV, 51. — Beauchamps, Becherehes. II. 134. — ' Rigault,
Hist. S. 77.
Molieres Avare. 293
sine bei Harpagon eingeführt (7. 8.) und von diesem freund-
lichst begrüsst (9.), was sie aber durchaus nicht für ihn ge-
winnt (10.) Cleante macht an Stelle seines Vaters die Honneurs
(11.) in einer Weise, die für den letzteren unerträglich wird, da
ihm Cleante einen prächtigen Diamant vom Finger zieht und
ihn Mariane, trotz allen Widerstrebens des Vaters, verehrt. (12.)
Harpagon wird abgerufen (13. 14.) und überträgt Valere die
Aufsicht. (15.)
IV. Akt. (1.) Cleante, Mariane, Elise und Frosine
beraten sich über die weiter zu ergreifenden Schritte. Harpa-
gon kömmt (2.) noch eben recht, um zu sehen, Avie sein Sohn
seiner künftigen Stiefmutter die Hand küsst. Da er mit Cleante
allein ist (2.), sucht er ihn auszuforschen und erfährt denn auch,
dass sein Sohn Mariane liebe (3.), und dass „toutes vos menaces
ne feront rien". Maitre Jacques wird als Schiedsrichter
gerufen (4.) und versteht sich trefflich aus der unangenehmen
Sache zu ziehen, indem er mit jedem vereinzeint verhandelt und
jeden glauben macht, der andere gebe nach. Kaum ist maitre
Jacques fort, (5.) so geraten sie beide heftig aneinander, und mit
allen Flüchen eilt der Alte ab. La Fleche hat die Kassette Har-
pagons im Garten erspäht und ausgegraben (6.) und überbringt
sie nun Cleante mit den Worten „voici votre affaire". Harpa-
gon hat den Diebstahl sofort entdeckt und giebt (7.) seinem
Schmerz in dem trefflichen, stellenweise Plaut us entlehnten
Monologe J) Ausdruck.
„Au voleur! au voleur! a Tassassiii! au meurtrier! Justice, juste
ciel! Je suis perdu, je suis assassine; on m'a coupe la gorge: ou m'a
derobe mon argent. Qui peut-ce etre? Qu'est-il devenu? Oü est-il? Ou
se cache-t-il? Que ferai-je pour le trouver? Oü courir? Oü ne pas cou-
rir? N'est-il point lä? N'est-il point ici? Qui est-ce? Arrete. (A lui
meme, se prenant par le bras.) Rends-moi mon argeut, coquin . . . Ah!
c'est moi! Mon esprit est trouble, et j'ignore oü je suis, que je suis et
ce que je fais. Helas! mon pauvre argent! mon pauvre argent! mon
eher ami! on m'a prive de toi; et puisque tu m'es enleve, j'ai perdu
mon support, ma consolation, ma joie: tout est fini pour moi et je u'ai
plus que faire au nionde. Sans toi, il m'est impossible de vivre. C'eu
est fait; je n'en puis plus; je nie meurs; je suis niort; je suis enterre.
N'y a-t-il personne qui veuille me ressusciter, en me rendaut mon eher
argent, ou en m'apprenant qui l'a pris? Euh! que dites-vous? Ce n"est
personne. II faut qui que ce soit qui ait fait le coup, qu'avec beaueoup
de soin on ait epiä l'heure; et l'on a choisi justement le temps que je
parlais ä mon traitre de fils. Sortons. Je veux aller querir la justice,
et faire donner la question ä toute ma maison, ä servants, ä valets, ä
fils, ä fille, et ä moi aussi. Que de gena assembles! Je ne jette mes
') Willi. Wagner (Ausg. der Aulularia) bemerkt zu /'. 7n.">
(Peru u. s. w.) (S. 148): „Moliere's masterly Imitation of this sceue
should be compared with Plautus, though it is difficult to deeide,
which is the better, the original or the imitatiou."
294- ni. Aulularia.
regards sur personne, qui ne me donne des soupgons, et tout nie semble
iiion voleur. He! de quoi est-ce qu'on parle lä? de celui qui m'a Ae-
robe? Quel bruit fait-on lä-liaut? Est-ce mon voleur qui y est? De
gräce, si l'on sait des nouvelles de mon voleur, je vous supplie que l'on
m'en dise. N'est-il point cache lä parmi vous? Ils me regardent tous,
et se mettent ä rire. Vous verrez qu'ils ont part, saus doute au vol
que l'ou m'a fait. Ällons, vite, des commissaires, des archers, des pre-
vots, des juges, des genes, des potences, et des bourreaux. Je veux
faire pendre tout le monde; et si je ne retrouve mon argent, je me
pendrai moi-meme apres."
V. Akt. (1.) Der Gerichtskommissär ist zur Unter-
suchung gekommen. Diesen Umstand benützt maitre Jacques (2.),
seine Rache an V alere zu kühlen, indem er den Verdacht des
Diebstahls auf diesen lenkt. Valere (3.) glaubt, Harpagon
habe seine Liebe zu Elise entdeckt: und obwohl er vor dem
Vater etwas reiner dasteht, als Lykonides und seine Nachfolger,
sagt er doch: ,.il est vrai que j'ai commis une offense envers
vous". Und was konnte ihn hierzu veranlassen? ..Die Liebe."
..Bei amour, bei amour, ma foi, l'amour de mes louis d'or!" Ver-
geblich versichert Valere, dass ihn nicht die Rücksicht auf eine
reiche Aussteuer dazu führte: das Missverständnis ist hier lange
fortgesponnen.
Val. Je ne Tai point enlevee; et eile est encore ckez vous.
Harp. (apart) 0 ma chere cassette! (Haut) Elle n:est point sortie de
ma maison?
Val. Xon, Monsieur.
Harp. He, dis-moi donc un peu; tu n'y as point touche?
Val. Moi, y toucher . . .
u. s. w., bis es sich endlich aufklärt. Elises Liebe bringt Har-
pagon von neuem zum Wüten (4.); er macht ihr die heftigsten
Vorwürfe. (5.) Um sich zu rechtfertigen, erklärt in Anselmes
Gegenwart Valere, dass er nicht gewöhnlicher Abkunft sei. Er
sei der Sohn des Don Thomas Alburci, und so stellt es sich
heraus, dass Anselme der Vater Val er es und Mari an es ist.
Nun hält sich Harpagon an den Vater des Diebes. Cleante
aber (6.) beendet den Schmerz Harpagons, indem er ihm ver-
spricht, sein Geld ihm zurückzuerstatten, wenn er ihm Mariane
giebt. Für den alten Geizhals hat sonst nichts auf der Welt
Wert. Gleichgültig gegen das Schicksal seiner Kinder lässt ei-
nlies geschehen, da er seine „chere cassette" erhält und Anselme
den Kommissär bezahlt.
Wenn man Moli er es unmittelbarste Vorgänger, von dem
antiken Dichter Plautus ganz abgesehen,1) ins Auge fasst, so
') Brom ig, Vergleich, der Aulularia und des Avare'. Burgstein-
furt 1854. — Saegelken, De Molierii fabula avari nomine inscripta.
Molieres Avare. 295
kann man nicht rühmend genug anerkennen, wie anständig Mo-
liere den Stoff gestaltet hat, der ursprünglich mit so der-
ben Szenen ausgestattet war: und wie er trotzdem keine der-
selben gänzlich aufgegeben hat, ob er auch nicht gerade sehr
vieles direkt aus Plautus zog1) und besonders wörtlich
wenig in den „Avare" überging.2)
Trotz abwerfender Urteile über Moliere3) und des Tadels,
der verschiedenen Einzelheiten, zum Teile mit Recht, geworden
ist, 4) muss man sich doch auf die Seite jener 5) stellen, die M o -
Bremae 1856. — H. König, L: Avare de Moliere et l'Aululaire de
Piaute. Corback (Gym. Progr.) 1871. 11 S. 4°. — J. Scheltz, L'Avare
de Moliere et l'Aululaire de Piaute. Eisleben (Realschul-Progr.) 1872.
— Wi Klingelhöf fer, Piaute iinite par Moliere et par Shakespeare,
üarrnstadt 1873. — H. Groon, Comparaison entre l'Avare de Moliere
et l'Aululaire de Piaute. (Programm des k. Domgymnasiums.) Verden
1874 75. (S. 2— 32.) — Vgl. Lotkeissen. IV, 51 und 69.
') Ussing. I, 272. Molierii autem act. I, scen. 3. compares, si
placet, cum Plauti v. 40 sqq. et 622 sqq.; act. IV, scen. 7. cum v. 705
sqq.; act. V, scen. 3. cum v. 723 sqq. — Groon, 1. c. pag. 28. Aulul. I, 1
u. IV, 4 = Mol. I, 3; Aulul. IV, 9 = Mol. IV, 7; Aulul. IV, 2 = Mol. V, 3.
-) Etwa V. 41. Circumspectatrix u. s. w. = I, 3 „im traitre dont
les yeux maudits assiegent toutes mes actions". V. 45. Tibi ego ratio-
nem reddam stimulorum meorum = ebenda: C'est bien ä toi, pendard,
ä me demander des raisons; V. 52. At ut scelesta sola secum murmurat
= ebenda: Tu murmures entre les dents; V. 636. Ostende etiam tertiam
= les autres; V. 653. Euch Juppiter te dique perdant. Strob. Haud
agit male gratias = I, 3.. Harp. Va-t-en & tous les diables! La Fleche:
Me voilä fort bien congedie; das „sans dot" stammt aus V. 237. At nil
est dotis quod dem. V. 290. Pumex non aeque aridus = II, 5. II n'est
rien de plus sec et de plus aride que ses bonnes gräces et ses caresses;
und natürlich V. 709. Peru u. s. w.
3) Vgl. Hurds Urteil oben S. 263, A. 1. Auch Schlegel kritisiert
den „Avare" so scharf, dass Taschereau (Hist. de la vie et des ouvr.
de Moliere) meint, es geschehe nur aus Rache „ä venger son pays de
l'oppression de Napoleon". (!)
') Vgl. z. B. Kreyssig (Gesch. der frz. Nationallitteratur): „Ein
erfahrener Wucherer, der seinen Geldkasten vergräbt, ein Mann, der
nicht zwei brennende Lichter im Zimmer leiden mag (V, 5), der ohn-
mächtig wird, wenn sein Koch ihm den Küchenzettel eines massigen
Abendbrots vorträgt — und dieser seltene Mann im Besitz von Kutsch-
pferden, eines Intendanten und zum Überfluss sterblich in ein armes
Mädchen verliebt und ein Nebenbuhler seines Sohnes — das siud Farben,
die sich in dem Porträt einer einzigen Person nicht vertragen, möge
der Glanz jeder einzelnen immerhin nichts zu wünschen übrig lassen."
S. gegen diesen letzten Einwurf bei Sulzer I, 4SÜ-1 „der Misanthrop
niuss," wie Diderot sagt, „sich in eine Kokette, Harpagou in ein armes
Mädchen verlieben." — Groon, 1. c. pag. 24. erklärt sieh auch gegen die
Szene zwischen Harpagon und Frosine, und jene, wo das Souper bestellt
wird, und fiudet (pag. 26) Plautus gegenüber, dass dort die aula, liier
aber Cleante und Valeres Liebe die Hauptsache sei.
:>) Fuhrmann (Ildbch. III. 11): .. I »er (iei/.iev des Moliere übertrifft
jedoch das Plautussche Original weit." — W. Wau'ner. De Plauti Au-
lularia (Bonn 1864), zweifelt nicht, „quin Molierius Plautum lonue
superaverit".
296 IH- Aulularia.
Her es grossen Fortschritt gegenüber Plautus anerkennen und
mit Malirenlioltz zugestehen,1) dass er ..tiberall sein Vorbild
verschönert und verbessert" habe. Welche Fülle neuer Szenen
hat Moli er e geschaffen! Welch vollendetes Lustspiel hat er zu-
stande gebracht, ohne die Grundlinien zu verwischen! Jede
Figur, jedes Wort lässt sich noch aus dem Urbilde heraus ent-
wickeln, ob sie auch zu dem sittlichen Anstände gehoben
ist, den die moderne Bühne verlangt. Wahrlich der alte.
Dichter darf es dem französischen Autor danken, dass er eines sei-
ner Lustspiele so populär gemacht und auf Jahrhunderte hinaus der
Bühne aller Nationen in so klassischer Form wiedergeschenkt hat.
Nach dem Erscheinen des Moliereschen „Avare" hatten die
direkten Nachahmungen der plautinischen Aulularia so ziem-
lich ihr Ende genommen. Rein hold Lenz ausgenommen, war
für alle späteren Moliere die Quelle, und vielleicht nur ein
flüchtiger Blick traf das Original. Congreves Lustspiel
„Love for LoA^e1'2) basiert auf dem Avare3) und andern Mo-
liereschen Stücken. In zahlreichen Übersetzungen ging der
übrigens auch in der Heimat mannigfach umgestaltete4) Avare
durch die Welt. In Deutschland finden sich in einer älteren
Sammlung übersetzter prosaischer Stücke (Frankfurt 1670, 8°, 3. T.,)
schon Molieresche Stücke, z.B. der Geizige;5) nachher spielte
man im Jahre 1735 in Hamburg nach Job. Neubers6) Über-
setzung den Geizhals, später in der Bearbeitung von Heinrich
Zsc hocke, die in Weimar im Jahre 1806 keinen Beifall errang.7)
In Spanien ist aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts ..El
Avariento" des Don Manuel de Iparraguirre8) und ..El
Avaro" des Don Luciano Francisco Cornelia9) zu nennen.
') Moliere. S. 235.
2) London (H. Scheurleer, F. Z. 1752). 126 S.
3) Malirenlioltz a. a. 0. S. 324. 378.
4) Clans, 1. c. S. 69: LAvare, comedie de Moliere en cinq actes,
mise en vers avec des changeniens, par M. Mailhol. Bouillon, de
l'imprimerie de la societe typographique 1775, zuerst im Odeon 1813
dargestellt. — Harpagon, comedie en trois actes d'apres Moliere.
arrangee pour im divertissement de jeunes gens, et adoptee au theätre
du College de Cambrai par Alteyrac (Cambrai, Hurez 1806). — L'Avare,
comedie en cinq actes et en prose de Moliere, mise en vers blancs . . .
par le comte de St. Leu. Korne 1825. — ■ L'Avare, comedie en cinq
actes de Moliere, mise en vers, par Antonie Eastoul. Avignon 1836.
5) Haniburgische Tlieatergescliichte von Joh. Fried. Schütze.
Hamburg 1794. S. 39.
6) Schweitzer. S. 126.
7) Weber (Zur Gesch. des Weim. Theat.). S. 165. ..In Weimar
gefiel Molieres Geiziger in der Bearbeitung von Zschocke nicht.
Er wurde am 13. Nov. 1806 und nur uoch einmal gegeben."
8) Barrera y Leirado, Catäl. S. 196. — Moratin.l. c. S. 50.
•') Moratin, 1. c. S. 62.
Molieres Avare. 297
In Dänemark war 1722 das Theater zu Kopenhagen mit einer
Übersetzung- von Molieres Geizigem eröffnet worden.1) In
Holland hatte man den Geizhals des Pluismei;'2) in Ungarn
die Bearbeitung von Christoph Simai, der sich mancherlei nicht
gerade zweckmässige Änderungen erlaubte;3) ferner die neueren
Übersetzungen von Gabriel Döbrentey4) und Gabriel
Kazinezky. 5)
Einer späteren Umgestaltung des Moliereschen Lustspieles
zu dem lateinischen Stücke Philoehrysus seil Avarus des
Jesuitenpaters Leja)7 (1697) ist schon oben (S. 72) gedacht
worden. Der Monolog des Avarus, der den Diebstahl entdeckt
hat, mag am besten zeigen, in welchem Verhältnisse das Stück
zu seinen Quellen steht, weshalb er hier in der Übersetzung
Boy ss es6) folgt:
') Prutz, Holberg. S. 146.
2) Molieriste. 1,155. En Hollande toutes les traduetions publiees
vers la fin du XVHe et le commencenient du XVIIIe siede sout eu vers.
Je ne citerai que la traduetion de l'Avare par Pluismer. (Bibliog. Mo-
lieresque n°- 703.)
3) Molieriste. I, 184. La premiere comedie importante du po&te
traduite en hongrois a paru aussi dans le courant de la meine annee:
Christophe Simai, de l'ordre des Peres pies a traduit l'Avare. Sa
traduetion a paru dans le premier volume du „Magyar Jatekszin", edite
par Jean Endrödi. La traduetion avait pour titre „Zsugori, telhetetlen
fosveny ember" (Harpagon, l'avare insatiable). Simai n'a pas traduit.
mais il a remanie cette comedie ce que beaueoup d'ecrivains ont
fait dans presque toutes les litteratures de l'Europe. II a change les
noms des personnages en noms hongrois ; il a transporte la scene ä Rt'v-
Komärom. Mais le tradueteur ne se contenta pas de changer les noms
et la scene. Simai voulut rendre le sujet plus iuteressant et il fit pre-
ceder sa comedie de cette exposition singuliere: ,.Au temps de l'Empe-
reur Leopold, dit-il, les revoltes ont ruine la maison d'un noble; son
fils, ainsi chasse de la maison paternelle fut eleve par des gens com-
patissants. Plus tard il se mit ä la recherehe de son pere. Apres l'avoir
cherche en maint endroits il suivit l'indication d'un marchand et se
rendit ä Rev-Komärom. Avant de retrouver ses parents et sa scbut il
y prit service dans la maison d'un homme riebe nomine .Lencses', le
meme que nous appelons dans la jüece .Zsugori' (vHaiq)agon) ä cause de
son avarice sordide. Plus tard, il epousa Christine, la fille de son maitre,
qu'il avait sauvee au peril de sa propre vie des mains de quelques va-
gabonds." Le tradueteur a invente cette histoire pour donner uue cer-
taine actualite ä sa piece et pour exciter l'interet des lecteurs. Les
changements de Simai, comme bien on pense, ne furent pas avautageux
ä 1' original. — Vgl. Schweitzer. 3. S. 84.
') Molieriste. I, 186. L'Avare de Döbrentey (1821) n'esl plus
une imitation, c'est une traduetion fidele et consciencieuse de l'origimil.
Döbrentey a siqiprime la XUe scene du IIP acte et la scene V de
l'acte IV, dans lesquelles — ä son avis — s'etait egare le genie de Me-
liere. — Schweitzer. S. 86.
5) Im Jahre 1863. — Molieriste. L 187. — Schweitzer. S. 87.
r') A. a. 0. S. 213.
298 HI. Aulularia.
„Par Lei! Pur Lei! Au secours! Arretez les fuyards! Tuez-les! . . .
i II entre en scene.) Malheur ä moi! Oü aller? Que faire? Tout nie man-
que, Les forces, l'äme, la voix. Quoi? Qu'est-ce? J'entends, je vois des
voleurs ici. lä, partout. Ils s'eufuient de ce cöte . . . Ali! je les tiens . . .
Miserables! Rendez-moi mon argent ou bien . . . Mais non, mes yeux me
tronvpent ... Tis s'echappent de mes mains. Je n'ai plus qu'ä mourir.
A quoi bou vivre. si la joie, l'honneur de ma vie, si mon or m'est en-
leve? (Ses enfants, sou frere, son esclave aecoureut.) Ali! voilä les
traitres, voilä cette bände de voleurs. Quel supplice leur inniger?
Courez! courez! que l'on prepare les cbaines, les prisons, le l'er, les
croix, que toute cette infame maison perisse! Ah! detestables enfants
qui avez commis ce crime! Et vous neu avez point de honte? (On lui
demande, de quel crime il s'agit.) Quel crime? Vous deniandez quel
crime vous avez commis; alors que vous depouillez votre pere. Rendez-
moi mon argent, ou vous perirez. (II menace son fils aine qui proteste.)
C'est donc le plus jeune qui est le coupable. Viens ici! Avoue ton
crime, ou je te corrigerai si bien que tu rendras ton äme sous les coups.
(Le plus jeune sc defend, montre ses poches. A son neveu.) C'est donc
le fils de Pamphile qui a conseille ce crime. (Celui-ci reclame. A son
esclave.) Je t'attendais, voleur; par quel sortilege as-tu reussi jusqu'ä
present ä eviter la mort de mes propres mains . . . Mais rien n'est perdu.
Cette main frappera ta tete criminelle. (II le frappe. Son frere inter-
vient.) Toi aussi, tu es leur complice; tu ue rougis pas de tremper dans
de pareilles machinations. Helas! que devenir! Toute ma maison con-
spire contre moi. Domestiques, frere, enfants, tout le monde en veut
ä ma vie. (II s'attendrit.) Vous tous, par ces genoux que j'embrasse,
que j'inonde de mes larmes, rendez-moi mon argent si vous l'avez."
Eine Übersetzung der Aulularia lieferte 1761 Grirauld.1)
Direkt aus der lateinischen Quelle schöpfte der
Niederländer P. C. Hooft (S. 81). Sein „Warenar",'2) der
im Jahre 1617 in der Amsterdamschen Akademie aufgeführt
wurde, ist genaii nach der Aulularia gearbeitet und hat
das Lob, das ihm Hugo de Groot,3) der grosse Dichter
') Schweiger, Handbuch. II, 2.
2) Cluchtighe Comedy van Ware-nar, dat is, Aulularia. nae 's
lants gelegentheit verduitscht. Die Ausg. von 1617 (C. L. van der Plassen,
Amsterdam, 4°) ist selten und in drei Exemplaren auf der Haarlemer
Stadtbibliothek; 1626 (Amst,, W. J. Wijngaerts, 4°); 1630 (Rotterdam,
J. van Waesbergen, 4°); 1634 (Amst., 4°) (fälschlich oft als erste Ausg.
zitiert); 1638 (Amst.. D. C. Hout-Haeck, 4°); 1657. 1661 (Amst., Lescailje,
8°); 1667, 8°; 1678 (Amst.. J. Boumann, 8°); 1695 (Amst., Lescailje, 8U);
17l9 (Amst., Lescailje, 8"); 1724 (Amst., 8°); 1726. 1729. — Im Jahre 1841
hat die Letterkundige Paculteit der Hochschule Leiden eine philo-
logische Erklärung Warenars und einen Vergleich mit Plautus und
Moliere als Preisaufgabe gestellt, die M. de Vries löste, und deren
Bearbeitung sich in der vortrefflichen Ausgabe findet: P. C. Hoofts
Waren ar, met eene inleiding en aanteekeningen door M. de Vries.
Leiden (H. W. Hazenberg & Co.) 1843.
3) Hugo de Groot schreibt in einem Briefe an P. 'C. Hooft vom
24. Januar 1617: ..Ik zende VE. wederom de Aulularia, een trans-
Hoofts Warenar. 299
Vondel,1) Janus Broekhousius, -) u. a. reichlich spendeten,
treulich verdient.
Das Stück leitet ein Prolog- (voorreden) der Miltheit und
Gierigheit ein, und noch zum Schlüsse berichtet uns die
Miltheit:
Dit spei zal Pottery heeten, zoo gy 't meught veeleu,
Spraekinakende gemeent. Plautus heeft het doen speien
Voor burgers en eelen van 't Roomsche bloet.
'T is een Huis-got die by hem de voorreden doet;
Maer om dat gy van zulk got niet veel hebt hooren zeggen,
Zoo heeft de Overzetter diens rol my, Miltheit, toe gaen leggen:
Plautus stelt de geschienis al hat inen ze 't Athen bespeurt,
Maer wat is 'ver ook dat 't Amsterdam niet en beurt?
Dus nemen wy best behende plaeten en straetjens;
Niemant trek hem iet aen, 't zyn maer hoofde lozose praetjens.
Eerste Bedryf. (1.) Der Geizhals Warenar hadert mit
seiner Magd Reym, dass sie stets als Aufpasserin herumstehe.
Aus seinem Selbstgespräche entnehmen wir, dass er befürchtet,
sie möchte ihm seinen Schatz „aus dem Neste nehmen".
Krijght ze de snof van de pot mit gelt iu de neus,
Ik bin armer man as de gevangen slaven.
Nu moet ik de vloer ieus weer op gaen graven,
En zien of ze noch staet zoo ik ze heb esteld.
Er eilt ah, um nach seinem Schatze zu sehen, und wir er-
fahren nun von Reym, dass Warenar ein böser Herr sei.
Nächte lang wache er: man wisse den Grund nicht. Noch mehr
Sorge aber bereite ihr die Tochter des Alten, „die op haer
uiterste gaet, beladen niet kint, en haest zal moeten baeren. •'
(2.) Befriedigt kehrt Warenar zurück; dem Schatze fehlt nichts.
Seine Vorschriften an Reym haben zunächst seine Armut im
Auge. „Arm ben ik, dat weet ik wel." (3.) Frau Gertruid
redet ihrem Bruder Rijkert zu, sich eine Frau zu nehmen und
empfiehlt ihm nachdrücklichst Warenars Tochter. (4.) Warenar
laat, 't welk, mijns ordeels, het origineel in veele de eleu
overtreft. Ik heb het zelve niet eens, maar meermaal overlezen, met
zonderling plaizier, zulks dat ik het mede stel onder de instrumenten,
gedient hebbende tot herneeminge van mijne gezoudtheit."
') fPoe'zy D. II. bl. 234. 1G70.) Ein eigenes Epigramm: op In f
kluchtspel vau Warenar met zynen pot:
Den Eidder Hooft beving een zucht
Te volgen Phallus nutte klucht,
Op Warnars naem een vrekke zot,
Beangst, bekommeri vom- zyn' pot u. s. w.
2) Ad Tibulliuin, pag. 128: „Noli commjttere, quin inspicias
Hoofdii nostri Aululariam, expressissim'äm verissimamque
imaginem antiquae ac vernaculae festivitatis."
300 III. Aulularia.
kömmt eben recht. Nach kurzem Gespräche mit Rijkert kömmt
er wieder auf seine Armut zu klagen.
Ik klaegh over de armoed' die ik moet lyen;
Ik heb daer een eenige dochter te vryen,
Daer ik niet mee geven kau, myn lieve maet,
Zoo komt het toe datier ook niemant nae staet.
Da ihm nun Rijkert sagt, er habe ihm etwas zu sagen, be-
fürchtet Warenar bereits, er habe es auf seinen Sehatz —
het katshooft1) — abgesehen und macht sich schnell fort, um
nach demselben zu sehen. Es ist alles in Ordnung. Rijkert
verlangt nun Warenars Tochter zur Ehe. Er beansprucht keine
Mitgift, und so soll noch diesen Abend die Hochzeit beschrieben
werden. Immerhin aber vermutet Warenar noch, dass Rijkert
um den Schatz wisse und darum das Mädchen freie. (5.) Er macht
darum Reym arge Vorwürfe, dass sie überall Gerüchte von seinem
Reichtum verbreite und
„dat ik myn dochter met groot goet ten huwelijk gae besteden".
Endlich teilt er ihr mit, dass sie diesen Abend verlobt werden
soll. Reym meint zwar, das würde Kosten verursachen, „dat
zel wat kosten;" aber Warenar fällt erfreut ein: „Im Gegen-
teile, der Bräutigam hält mich frei!" „de bruigom houdt me vry."
— Reym ist selbstverständlich über die Mitteilung stark betroffen.
Braut — in diesem Zustande!
De bruit, de bruit te worden! en z' is op hei uitersle zweier!
Tweede Bedryf. (1.) Das Mahl zur Verlobung wird be-
reitet. Lekker, der Diener (jongen), Casper (hoofmeester) und
der Koch Teeuwes wollen in Thätigkeit treten, wobei ihnen
Reym die Versicherimg giebt, dass Holz und sonstiges Brenn-
material nicht zu ünden sei. (2.) Warenar ist unterdessen auf dem
Markte gewesen, hat aber seine Einkäufe beschränkt:
„'T wordt zoo liebt niet ewonnen as verslempt of verzopen."
Da hört er drinnen im Hause Teeuwes dem Küchenjungen von
einem kleinen Topfe etwas zurufen:
„deze pol is te klein!"
Sofort stürzt er ins Haus, sein Herz klopft aus Angst um seinen
Geldtopf.
') Mit „Katzenkopf" bezeichnet er ein nach oben sich erwei-
terndes Gefäss von der Gestalt eines Katzenkopfes, dessen Henkel die
Ohren der Katze vorstellen sollen.
Hoofts Warenar. 30l
Derde Bedryf. (1.) Teeuwes klagt über die schmähliche
Behandlung, die er von Warenar erlitten habe. (2.) Alsbald
setzt dieser seine Beschimpfungen fort, da die Köche ohne seine
Erlaubnis und in seiner Abwesenheit in sein Haus gedrungen
seien. Wieder sieht er nach dem Schatze und schickt (3.) dann
den Koch in die Küche zurück. (4.) Rijkerts Verlobung be-
schäftigt ihn noch fortgesetzt; er glaubt noch immer, er habe es
auf sein Geld abgesehen. Selbst als er Zeuge eines langen
Monologes (5.) wird, in welchem Eijkert die Vorzüge aus-
einandersetzt, die darin liegen, wenn einer ein armes Mädchen
heiratet, da die reiche Frau auch in ihren Ansprüchen weit-
gehe und so ihre Mitgift wieder verbrauche, freut er sich zwar
momentan dieser Anschauungen seines Schwiegersohnes, doch aber
glaubt er, im ferneren Gespräch wieder Anspielungen auf seinen
Schatz zu finden:
..Hy weet van de Pot; de meit heeft me verraen -
Eijkert entfernt sich, um abends mit dem Notar wiederzukommen.
Warenar aber fasst den Entschluss, seinen Geldtopf auf dem
Armensünderfriedhof (het Ellendige kerkhof) zu verscharren.
Vierde Bedryf. (1.) Lekker hat nach langem vergeh-
lichem Suchen den Liebhaber von Warenars Tochter, Klärchen,
den jungen Ritsert, gefunden und erzählt nun, welchen Eindruck
auf den Jüngling die Nachricht machte, dass sein Oheim seine
Geliebte heiraten wolle. Da er Warenar heranschleichen sieht,
tritt er zurück, um ihn zu beobachten. (2.) Warenar kommt
mit seinem Topfe zu dem Armensünderfriedhof. Sein Herz:
„deeunt in nie lijf. of 't ien danskaemer was ;"
Da entdeckt er Lekker; erzürnt prügelt er ihn und jagt ihn mit
dem Befehle weiter, sich nicht mehr umzusehen. — Die nächste
(3.) Szene spielt vor Warenars Hause. Ritsert gesteht seiner
Mutter, dass er Klaartje, Warenars Tochter, liebe, und dass
sie von ihm guter Hoffnung sei; sie möge doch mit dem Onkel
darüber sprechen. — Lekker hat mittlerweile Warenars Rat,
nicht umzusehen, schlecht befolgt. Er hat den Alten belauscht
and kommt nun mit dem entwendeten Geldtopfe, sich seines
Reichtums freuend:
..im bin ik /im rijk as 't waeter diep is."
Kaum ist er weg, so stürzt Warenar, der sein Geld ver-
misst. herein:
302 HI. Aulularia.
Ocli hadd' ik hei weer m waer slechts esturven dan.
Wat l<i im i m\ over, ik bin ien bedurven mau.
Houdt den dief! houdt den dief! Wat dief? 'k wel niet, liy is al deur.
Heeft 'er niemant de dief ezieu? niemant niet? niemant niet?
Of ky gaet, of liy staet, of hy loopt, of liy vliedt,
Ik zel hem nae schrijven in alle langden.
Vroome burgers, ik hidd' 'et je mit gevouwe hangden.
Vroome burgers, stae< by, helpt mijn op deze tocht
Wal grinnikje? onder jou luv is al mee versckiet van dieven
Ja wel, verlies ik het gelt, ik verlies mijn zinnen.
Auf sein Angstgeschrei läuft Ritsert herzu. Was ist zu thun?
Er muss es denn eingestehen:
,,'T groote woord moet'er uit!"
Er glaubt nämlich, Warenar habe von dem Zustande seiner
Tochter erfahren. Er tritt denn hin vor ihn: „Ik heb't ge-
daen, ik ken 't. „„Wat zeghje daer?"" ruft der Alte. „De
waerheit. "
Auf Warenars weiteren Vorhalt erwidert Ritsert:
'k was 'er toe gedrongen, het heeft zoo willen zijn.
— Ik beken 't, ik heb groffelijk misdreven,
En bidd' jou, neemt het dus euvel niet. maer wilt het my vergeven.
Im Trünke und aus Liebe ist es geschehen, und es muss und
wird nun wohl so bleiben. „Was! So bleiben? Her damit!" dounert
Warenar, worauf Ritsert naiv entgegnet:
Wat wilje van mijn hebben? jou dochters maeghdom?
Hon zoud: ik je daer aen helpen, 't is immers te laet.
Doch will er alles gut machen: niemand anderm soll sie mehr ge-
hören. „Geefje niet weer?" „„Was denn?"" „De Pot mit het
gout." ..„Ich weiss von keinem C4olde. "" „Du hast es aber ein-
gestanden." „„Wie? ein Dieb soll ich sein?"" Nun erst wird alles
klar. Um die Tochter handelt es sich.
Ik heb liaer onteert,
En z' is rechtevoort op 't uiterste zwanger.
Noch mehr jammernd geht Warenar ins Haus, Ritsert
bleibt vor demselben stehen.
Vyfde Bedryf. (1.) Hier wartend, belauscht Ritsert Lekker,
der, noch seines Glückes voll, auftritt:
Grien keuningh mijns gelijk, 't zy Turk of Karsten.
Hooi'ts Warenar. 303
Da er sich entdeckt glaubt, gesteht er Ritsert seinen ge-
lungenen Diebstahl, ist aber sehr enttäuscht zu hören, dass Rit-
sert Warenars künftiger Schwiegersohn ist. — Zu Reym (2.)
gesellt sich Gertruid (3.), und im Gespräche mit ihr giebt Reym
eine prächtige Schilderung von Klaartjes Persönlichkeit und
ihrer häuslichen Geschicklichkeit. (4.) Lekker redet Ritsert
zu, den Schatz noch nicht zurückzugeben.
..*T weer geven körnt vroegh genoegh."
Ritsert aber will kein unrechtes Gut; er begrüsst (5.) den auf-
tretenden Warenar mit der freudigen Nachricht:
„Jon Pot is bekouwen mit al het gout."
Warenar ist wohl befriedigt: allein er hat sich geändert.
0 Pot, wat hebje nie hertzeer ekost!
k wil niet weer an den dangs, 'k heb 'er qualijk by ervaeren;
;k zel mijn leven gien potten mit gelt meer bewaeren;
Ik bin dat spul al moe, dat 's rain nit ezeit.
Er hat genug, um für seine Person zu leben, und schenkt
die Summe den Verlobten. Selbst Lekker (6.) erhält für sich
noch fünfhundert Gulden.
H'ooft hat sich genau an Plautus gehalten, ohne
gerade ein knechtischer Übersetzer desselben zu blei-
ben.1) Vor allem hat er den Schluss selbständig er-
funden,-) worüber Jonckbloet (Gesch. d. nied. Litt., deutsch
') Ausg. von de Vries, S. XXIV. ..Hij kende de blijspelen van
Plautus enTerentius, hij bragt er uren van kunstgenot mede door . . .
Zelfs eene oppervlakklige vergelijkiug zal toonen, dat Hooft meer is
geweest dan een bloot vertaler, dat hij oordeelkundig uagevolgd en het
stuk met nieuwe vindingeu verrijkt heeft."
2) Ibid., S. XXrX. „Zoodanig eu verschil (von Plautus) heeft plaats
in de voorrede, die het blijspel voorafgaat, en sterker nog in het gansche
laatste bedrijf ... In het laatste bedrijf van het blijspel moest eene
grootere afwijking van het oorspronkelijke den oordeelkundigen navolger
noodzakelijk voorkommen. Dit gedeelte hing te naauw met de Eomein-
sche zeden te zamen, dan dal hei op een Hollandsch töoneel gepasl
zoude geweesl zijn. De slaaf bij Plautus, den scliat bemagtigd hebbende,
deell dit gelukje terstond aan zijnen meester Lyconides mede. Wal
toch zou een slaaf mel eene zoo groote som gelds kunnen aanvahgen?
De strenge tucht, waaronder hij gebukl ging, maakte hem hei bezil van
goud even lastig als autteloos, en de onverhoopte vnnd kon hem niet
anders opbrengen, dan de hoop op bei verkrijgen zijner vrijheid. Maar
Lyconides weigert hem die. Welnu. hij geeft voor hei geheele berigl uit
scherts te hebben verzonnen, en niel eerder komt hij toi de bekentenis
der waarheid, niet eerder stell hij zijnen heer den gevonden schal ter
band, dan nadal hij daarvoor zijne vrijlating bedongen heeft. Maar
geheel anders zou een hedendaagsch Loonbediende in een dergelijk geval
304 III. Aulularia.
von W. Berg) II, 134 sieh äussert: „Hooft hat auch den
Schluss geändert. Da sich bei Plautus der Sklave des Schatzes
bemächtigt, zeigt er es sogleich seinem Herrn an, indem er da-
durch seine Freiheit zu erhalten hofft. Als ihm das nicht ge-
lingt, giebt er vor, das Erzählte nur ersonnen zu haben; schliess-
lich wird er freigelassen und stellt seinem Herrn den Schatz
wieder zurück. Für diese Szene hatte natürlich die Amsterdamer
Welt keinen Boden: deshalb liess Hooft den geraubten Topf
mit Geld von Lekker verbergen, der den Inhalt zu seinem
eigenen Vorteil verbrauchen wollte. Ritsert überfallt ihn, ent-
deckt sein Geheimnis und zwingt ihn, den Schatz dem Eigen-
tümer zurückzugeben. Diese Veränderung erhält in allen ihren
Einzelnheiten eine echte Amsterdamer, aber zugleich auch eine
echt komische Färbung. Auch die andern Szenen des letzten
Aktes sind Hoofts Erfindung. ... Er dichtete einen neuen
Schluss hinzu, in welchem unter anderm der Magd Reym Lob-
spruch auf Klaartjen vorkömmt, der wirklich ganz eigen-
artig ist.-' J)
Wie bei Plautus, ist die Strasse die Szene geblieben; doch
ist die ganze Handlung lokalisiert. Wie genau indessen sich
Hooft an Plautus hielt, und wie geschickt er die richtigen
Worte fand, um das Original deckend wiederzugeben, mögen
einige (meist schon von Prof. Vries in seiner Ausgabe bezeich-
nete) Stellen erweisen.
V. 40. Exi, in quam', age u. s. w.
Her uit. zegh ik. her uit: ik zegh je fluks her uit.
Zij wroet mit heur oogen as ien varken mit zijn snuit.
V. 71. TSescio pol, quae illunc hominem intemperiae tenent.
Me dmickt dat jou de Bolwurm quelt.
V. 150. Lapides loqueris.
Stien veur mijn pot.
V. 215. Aurum huic olel.
Hij heeft de pot gerooken.
V. 237. At nil est dotis quo l dem.
Ik kan 'er niet mee geven
V. 238. du in in Kilo morata
Ik trouw ze om haer goed manieren.
V. 269. niam probrum atqua partitudo prope adest
en z' is op het uiterste zwaer.
handelen. Hooft gevoelde dit, en daarom laat hij Lekker den ont-
vreemden pot verbergen, ten einde hij van den inhoud, na aftrek der
door hem zoek gemaakte gelden van zijnen heer. eens regt vrolijk en
lustig zijn mögt, Doch Ritsert overtalt hem, ontdekt zijn geheim, en
zijne hoop is verijdeld. Hij moet den schat aan den eigenaar afstaan,
en mag zieh gelukkig rekenen. er op het laatst nog niet een ruim ge-
schenk af te komen . . . (XXXI) Zo heeft dan Hooft in het laatste ge-
il'.'lt.- van het stuk zijn voorbeld verre overtroffen."
■) Vffl. Bakhuizen van den Brink. Gids. 1843. S. 571.
Hoofts Warenar. 305
V. 218. sed erus nuptias
Mens hodie faciet.
Mijn miesters kylik gaet t' aevout voort.
V. 415. Res ipsa testis est.
Den kemel zij myn tuych!
V. 469. Narraui amicis multis u. s. w.
Somma, daer heb ik esproken mit al de vrienden,
Zij pryzen de vryster, zij pryzen de vaer.
3Iij dimkt ook, dat 'et wel dapper orber waer.
Dat de rijke vrijers alteinet een arme dochter gingen trouwen,
'T zou dienen om de stat in beter eendraght te houwen,
Voorzeker, wy zouwen min gequelt zijn van de nijt.
T. 492. Nulla ergo dicat u. s. w.
Dan waer uit. bet geen men nu daegelijks boort snappen:
Waerom zon ik niet? 't zijn mijn sckijven die 'er klappen,
Ik beb 'er zoo viel ingebrocbt. of mier as jy:
'k wil Sondaegbs in 't tamast gaen, en 's werkedaeghs in ar-
mozy u. s. w.
V. 546. Quid sit, me rogitas u. s. w.
Dat meugbje wel vraegen, je zoudt me daer 't huis vol dieven.
Wat bad ik daer ien krioel, wat was 'er gewauwels,
En biele galgb mit koks en drie vier bondert krauwel,
AI eerlooze scbelmen. overgeven en st out.
Elk mit twie paer banden, nae mijn beste onthout.
V. 575. Edepol nae tu, aula, multos inimicos habes.
0 Pot, wat gaet 'er mennigb man op jou lijf!
V. 635. Osteiide huc manus u. s. w.
War. War zijn jou bangden?
Lekk. Daer is de een. en daer is de aer.
War. Fluks de derde mee !
V. 742. Quia nun uilio atque amoris feci.
Ik beb bet uit een dronkenscbap en uit liefden gedaen.
Ebenso ist die Rede des Strobilns (Y. 697: Pices diuitiis)
und jene des Lykonides mit Enklio (Y. 724 ff.) genau beibe-
halten. Wenn Strobilus (P. 750) sagt:
„Ego sum ille rex Philippus,"
so denkt Hootts Lekker zunächst an Philipp von Spanien und
dünkt sieh:
Ik bin de koningh van Spanjen.
Die Charakteristik der einzelnen Personen ist dieselbe ge-
blieben. Hooft hat „den Fehler des Originals-:1) ein Armer,
der einen Geldtopf findet, wird eher verschwenderisch, als geizig.
Richtiger hat darum Molieres Harpagon sein Geld erworben,
nicht gefunden. Ein weiterer Fehler Hoofts ist es. dass er sei-
nen Geizhals sich so schnell bessern läs^t. Auch (lies tli.i! Rtoliere
nicht, weshalb ihm de Vries den Vorzug giebt.
Hoofts Lustspiel, auf dessen Abfassung der Dichter nur neun
') de Vries. S. XXXV; Jonckbloet, 1. c. II, 184.
20
306 III. Aulularia.
Tage verwendete,1) fand eine vorzügliche Aufnahme und wurde
noch 1670 gespielt.
Was sich hei den Engländern an Nachahmungen der
Aulularia findet, ist durch Molieres Avare veranlasst, nicht
direkt aus Plan tu s geschöpft worden.
Im Jahre 1672 erschien „The Miser: a Comedy acted hy
His Majesty's Servants, at the Theater Royal. Written hy Tho-
mas Shadwell. London. Printed for Thomas Collins and
John Ford."
In dem preface erklärt er seine Abhängigkeit von Moliere
mit folgenden Worten: The foundation of this play I took from
one of Moliere's called L'Avare, hut that having too few per-
sons, and to little action for an English Theatre, I added to
both so much that I lnay call more than half of this play
my own.
Eine zweite Auflage erschien im Jahre 1691 :2) A comedy
called the Miser. Acted at the Theatre Royal. Written hy
Thomas Shadwell. London. Printed for H. H. & T. C. and sold
hy Francis Sannders &&.
Auf keinem der beiden Titelblätter wird Molieres Name
genannt.
Der Freundlichkeit der k. Bibliothek zu Berlin verdanke
ich die Kenntnis einer französischen Übersetzung Shadwells
in ..Lettre sur le theatre anglois, avec une traduetion de 1' Avare,
Comedie de M. Shadwell, et de la femme de Campagne, Co-
medie de Wicherley. 1752." (Bd. I, S. 71—408.) Die alberne.
Verballhornung des Moli er eschen Avare, der hier als der
reiche Goldingham der Schrecken seiner Kinder Theodore und
Theodora ist, weicht ziemlich stark vom Originale ab, obwohl
wieder lange Szenen fast wörtlich mit demselben übereinstimmen.
Es ist leicht begreiflich, dass Shadwells (1640 — 1692) Arbeit
ihm keine Anerkennung eintragen konnte.3)
>) Jouckbloet. n, 132.
- Nach Haliwell, S. 171; wo es ferner heisst: „by the author's
own confession (it) is founded on tlie Avare of Moliere which is itself
also builted on tlie Aulularia of Plautus. Shadwell, however, has hy
no means been a niere translator, but also added considerably to bis
original." — Le Molieriste. I, 150. L'Avare tres-connu des Anglais
par les traduetions, imitations, adaptations ou alterations de Shadwell
(et de Fielding).
3) Mahrenholtz in Herrigs Archiv. Bd. LXI. S.. 349. — M. de
Muralt urteilt in seinen Lettres sur les Anglois j(pag. 26) über
Shadwell: „Ces nouveaux personnages, dont parle Shadwell, jouent une
espece de farees entre eux qui se passent ä enivrer un jeune homnie, ä
Shadwell. Wycherley. Steele. 307
Die Aulularia, deren lateinische Aufführung 1564 in
Cambridge bereits (S. 76) erwähnt wurde, hat auch Ben Jonson
in „The Devil is an Ass" (F. 91, Quod quispiam ignem quaerat
— - ne intromiseris, V. 100) im Ange gehabt. *)
Fuhrmann (Hdb. III, 41) giebt an: „Desgleichen Wicher-
lys2) Geiziger sind Nachahmungen dieses Stücks." Ein solches
Stück Wycherlys ist mir nicht bekannt geworden. In The
dramatic works of Wycherley, Congreve, Vanbrugh and Farquhar,
with biographical and critical notices by Leigh Hunt (London,
Routledge, Warne 1860), finden sich nur die bekannten vier
Stücke: (Love in a wood or St. James's Park. The gentleman
dancing-master. The country-wife. The Piain Dealer.) Hettner
und Taine führen kein weiteres an, Rapp kennt es nicht. Auch
in der biographischen Einleitung von Leigh Hunt (IX — XIX)
ist keine Nachahmung der Aulularia oder des Avare, wobl
aber der Misanthrope Moli eres erwähnt:3) und weder Pope,
wo er von der Chronologie der Stücke Wycherlys handelt (S. X),
noch ein Artikel des Athenaeums vom 27. Jan. 1841 (S. LXXXII)
kennen ein solches Stück.
Eine flüchtige Reminiszenz4) des Moliereschen Avare
rindet sich auch in Steeles (gest. 21. Sept. 1729) Lustspiel
..The tender husband, or the accomplished fools", das
1704 erschien,5) im fünften Akte, in der zweiten Szene. Das
übrige Stück hat mit Moliere nichts zu thun. In wenig Wor-
ten wird (S. 19) von einem ..unnatural longdived father" oder
(S. 25) „a fellow that drolls on the strength of fifty thousand
pounds- gesprochen, und Sir Harr}* Gubbins Anschauungen
über Aussteuer (Girls are drugs, Sir, mere drugs) entsprechen
mutatis mutandis jenen Harpagons. Die Moliere direkt
nachgeahmte Szene beruht auf der Schilderung des Inventars
(Avare II, 1), das der Wucherer an Geldesstatt absetzen will.
(S. 83):
le filouter et ä lui faire epouser une fille de joie. C'esi La moitie de la
]'!<<•<' que l'auteur reclame si modestement, et que jamais personne ne
confondra, je crois, avec l'autre moitie.- (Bei Rigault, Eist, de la
querelle etc. S. 312.)
'i Vgl. auch Ben Jonson, eil. Gifford. V. 50 u. liier S. :l!s.
-) Auch Wicherley, Wycherlj ; geboren um L640; gestorben 1715
(nicht 1705).
3) Sein j,Plain-Dealer is an English version, in it^ principal cha-
racteristics, of the Misanthrope "I' Moliere". (Ed. Leigh Hunt.
pag. xvn.)
') Vielleicht besser gesprochen mit Rapp (Stud.) S. 269 ..ein viel
zu plumpes Plagial an- Molieres A.vare".
5) Das Lustspiel finde! sich „adapted for theatrical representation
as performed at the Theatres-royal, Drurj baue and Covenl Garden".
London 1791 (John Bell). Nach dieser Ausgabe ist hier zitiert.
20*
308 III. Aulularia.
Sir Harry: Nay, if yo come to your Iteras — Look ye, Mr. Tipkirt,
this is an Inventory of such Goods as were left to my Xiece Bridget by
her decessed Father, aud which I expect shall be forth -Coming at her
Marriage to my Son. — Imprimis a golden Locket of her Mother's, with
something very ingenious in Latin on the inside of it. Item, a Couple
of Musquets, with two Shoulderbelts and Bandeliers. Item, a large
silver Caudle-cup. with a true Story eugraven on it.
Pounce. But, Sir Harry —
Sir Harri/. Item, a base Yiol. with almost all the Strings to it,
aud only a small Hole on the Back.
Pounce. But, nevertheless, Sir —
Sir Harry. This is a Furniture of my Brother's Bedchamber, that
follows — A Suit of Tapestry haugings, with the Story of Judith and
Holofernes, torn only where the Head should have been off — an old
Bedstead curiously wrought about the Posts, consisting of two Load of
Timber — a Hone, a Bason, three Bazors, and a Comb-case — — Look
ye, Sir, you see I can Item it.
Vollständig- auf Moliere beruht Henry Fieldings
(S. 79) The Miser,1) a comedy taken from Plautus and
Moliere as it was aeted at the theatre - roval in Drury-
Lane 1732. 2)
In der Widmung an den Herzog von Richmond and Le-
nux wird Moliere erwähnt und bemerkt: the theatre hath
declared loudly in favour of the Miser. Der Herausgeber erklärt
über den Miser: „originally Plautus, secondarily Moliere,
thirdly Shadwell, and fourthly our ineomparable Henry Fiel-
ding, have dramatised this subject. The present play is that
of the latter of the gentlemen. It is a free-spirited translation,
and keeps possession of the stage. To the mere translator of
foreign productions but slender praise can be afforded — but
when translation is performed by original genius it acquires a
native charaeter, differing mueh from the unnatural fiavour of
forced exotics."
Ähnlich spricht sich der ..Prologue, written by a friend", aus:
To-night the author treats you with Moliere;
Moliere! who Nature's inmust secrets knew,
Whose justest pen like Kneller's pencil drew.
In whose strong scenes all characters are shewn,
Not by low jests. but actions of their own.
Happy our English bard if you applause
Graut he 's as mit mjur'd the French author's cause,
From that alone arises all his fear:
He must be safe, if he ha- sav'd Moliere.
') Franckhen. Auluh. pag. XXI.
- Hier ist zitiert nach der Ausg. von 1791, London (John Bell),
„adapted for theatrical representation etc.:' — Ferner findet sich die
Komödie auf S. 959 — 981 in „The works of Henry Fielding. Complete
in one vokrme. With Memoir of the author". By Thomas Roscoe.
London 1840.
H. Fieldings Miser. 309
I. Akt. (1.) Lovegolds (Harpagons) Haus. — Läppet,
maid to Mariana, the glory of all ehambermaids (S. 58), hat einen
kleinen Liebesstreit mit Fredericks Diener, Raniilie (la
Flecke). Wheedle kömmt dazu, und ihr erzählt nun Läppet
einige Familiengeheimnisse ihrer Herrin Mariana. Sie sei im
vorigen Sommer von einem jungen Mann aus dem Wasser ge-
zogen Avorden (Avare I, 1; V. 4), also den Vorgang zwischen
Valere und Elise. (2.) Clerimont und Harriet, Lovegolds
Tochter, entsprechen hier Valere und Elise. Der Dialog ist
ziemlich wörtlich beibehalten. „Why are you melancholy, my
dear Harriet? do you repent that promise of yours, which has
made nie the happiest of mankind?" *) Elises Worte jedoch:
Helas, cent choses ä la fois u. s. w., hat hier Clerimont: „And
dost thou not for me hazard the eternal anger of thy father,
the reproaches of a family, the censures of the world, u. s. w."
— Harriets Bruder, Frederick, tritt auf; er eilt auf seine
Sclrwester zu: Dear Harriet, good morrow, I am glad to find you
alone, for I have an affair to impart to you,2) und teilt ihr dann,
wie Cleante, sein Geheimnis mit: In a word — I am in love. 3)
Frederick ist noch glühender, als Cleante; er kann nicht drei
Tage mehr leben. Auf die Frage, wer seine Liebste sei, er-
widert er: she is a most intolerable coquette — she is almost
eternally at cards — her fortune is very small, kurz, sie heisst
Maria na. Unterdessen hört man draussen den alten Lovegold
schimpfen. Es folgt eine ziemlich getreue Kopie von Moliere I, 3
(Harpagon und la Fleche):
Lovegold. Answer nie not, sirrah, but get you out of my house.
Kam. Sir, I am your son's servaut not yours,
eine energischere Antwort, als sie la Fleche hat, der nur in
„mon maitre, votre fils" auf sein Verhältnis zu Harpagon hin-
weist. Das Weitere ist wie bei Moliere. „I will have no spy
lipon my affairs, no rascal continually prying into all my actions,
devouring all I have, and hunting about in every corner to see
what he may steal, " ohne dass Ramilie das köstliche „etes-vous
im komme volable?" erwidert. Wie Harpagon über die „grands
hauts-de-chausses" urteilt, so Lovegold "these bootsleeves were
certainly intended to be the receivers of stolen goods". Während
der Alte von seinen „three thousand guineas- spricht, kommen
') Avare. I, 1. He quoi, charmante Elise vous devenez melan-
colique . . . vous repentez-vous de cet engagemenl . . .
2) Avare. I, 2. Je suis bien ;iis<- ilc vous trouver seule, ma sceur;
et je brülais de vous parier, pour m'ouvrir ü vous d'un secret.
3) Avare. I. 2. ... dans un mot. J'aime.
:5|0 III. Aiilularia,
seine Kinder, Frederick und Harriet. Die folgende Szene
schliesst sich engstens an Moliere (I, 5) an. „I was saying to
myself in this great scarcity of money, what a happiness it would
be to have three thousand gnineas by one u. s. w. " Alsdann
rückt er mit seiner Liebe zu Mariana hervor. Frederick ent-
fernt sich, wie Cleante: „a sndden dizziness has seized nie, " ohne
dass ihn der Alte, wie Harpagon, auf „im grand verre d'eau
claire" verwiese. Harriet erfährt nun, dass sie Mr. Spindle
(Spindel) heiraten soll. Während ihres Protestes kömmt Cleri-
rnont, und die feine Szene „sans dot!" — hier „without aportion!"
— spielt sich nach Moliere (I, 6) ab.
II. Akt. (1.) Ramilie erzählt seinem Herrn, welche Ge-
schäfte er mit dem Wucherer gemacht habe. Auch Frederick
soll verschiedenes alte Zeug, darunter „several valuable books,
amongst which are all the Journals printed for these five years
last past, handsomely bound and lettered", anstatt Geld annehmen.
Das Fernere entwickelt sich, indem Decoy (== Fallenfänger), mit
dem Alten sprechend eintritt und Frederick als den erkennt, der
die fünfhundert Pfund borgen will. Wie bei Moliere tröstet
sich Lovegold: I am not sorry for this accident; it will make me
henceforth keep a stricter eye oyer bis actions. — (2.) Harriet
und Mariana führen ein höchst oberflächliches Gespräch, wobei
die der Zeit eigenen Seitenhiebe auf die Medizin und ihre Ver-
treter (wohl nach Moliere) nicht fehlen.1) Harriet erzählt
Mariana, dass ihr Vater sie heiraten wolle, was sie mit Spott und
lautem Lachen aufnimmt. (.3.) Garten. — Läppet und Ramilie
sprechen von dem Alten. Läppet hofft, von ihm etwas zu be-
kommen, wozu ihr Ramilie wenig Hoffnung macht. Lovegold
gegenüber spielt nun Läppet die Rolle der Moliereschen Fro-
sine. Sie setzt ihm, wie im Avare, den Wert einer armen,
aber sparsamen Frau auseinander und rühmt Marianas Vorliebe
für die alten Herren. (S. 45): „None of your smock-fac'd young
fellows, your Adonises, your Cephaluses, your Parises and your
Apollos: no Sir, you see nothing there but your handsome figures
of Saturn, king Priam, old Nestor and good father Anchises
upon bis son's Shoulders." Bei alledem gelingt es ihr aber nicht,
das bischen Geld, das sie brauchte, ihm abzulocken, und mit ähn-
lichen Verwünschungen, wie Fr os ine, schliesst sie den zweiten Akt.
III. Akt. (1.) Lovegold findet seine Kinder bei Cleri-
') Mar. I have had such an intolerable cold, ehikl, that it was a
miracle I have recovered; for, ray dear, would you think,
;i had uo less than three doctors?
Har. Nay, then it is a miracle, you recovered, indeed.
Mar. Oh, child, doctors will never do me any llarm; I uever
take any thing they prescribe.
H. Fieldings Miser. 311
mont, was ihm ganz recht ist. „This is a prudent young man,
and vou cannot converse too miich with liim: he will teach yon
. . . better sense than to horrow money at fifty per eent."
Lovegold hat sich entschlossen, ein Souper zu geben; James
vertritt Kutscher und Koch: Clerimont stellt sich auf Love-
golds Seite, indem er den „ verschwenderischen " James prügelt,
wie hei Moliere. (2.) Läppet erzählt Ramilie, wie der
Alte hei Mariana Fredericks Rivale sei. Lovegold ver-
handelt mit Msr. Wisely, Marianas Mutter, und Mariana
seihst. Weniges ist hier nach Moliere, wie etwa Lovegolds
Anrede: It is not that your charms do not sufhciently strike the
naked eye, or that they want addition; hut it is with glasses, we
look at the stars, and I '11 maintain you are a star of heauty,
that is the finest, hrightest and most glorious of all stars (Avare
III, 9). Im Folgenden äussert hei Moliere Mariana ihren Ab-
scheu vor dem Alten Frosine gegenüber, und diese berichtet
Harpagon fälsch; hier aber ist es verletzend und an-
stössig, da ss Mariana ihre Bemerkungen, wie: oh nauseous
filthy fellow! ah wliat an animal, what a wretch! u. a., der
eigenen Tochter Lovegolds macht und diese hinwiederum
ihren Vater scherzhaft über Marianas Äusserungen belügt. Wie
bei Moliere, spielt Freder ick den Brillantring seines Vaters in
Marianas Hand. — Lovegold wird hinausgerufen, und unter-
dessen wickelt sich eine Fielding angehörige Szene ab.
Mariana leugnet in Fredericks Gegenwart, ihn jemals geliebt
oder Liebe zu ihm bekannt zu haben, und beschwert sich heftig-
über das von den Geschwistern gegen ihren guten Ruf unter-
nommene Komplott. Als Lovegold zurückkehrt, beklagt sich
Msr. Wisely ernstlich über die ihr widerfahrene Kränkung, so
dass dieser in Zorn über seine Kinder gerät. Mariana schmeichelt
ihm auf alle Weise. ..If you were five years younger, I should
utterly detest you" (S. 70). — Clerimont giebt Auftrag, das
Souper möglichst sparsam einzurichten. Da aber Lovegold
darauf besteht, sofort zu heiraten (let us be married immediately),
um seinen Kindern zu trotzen, macht Clerimont einige vergeb-
liche Versuche, ihn davon abzubringen. Aber die Liebe geht
über den Geiz, und im Gefühle dieses Zurücktretens der einen
Leidenschaft bemerkt Clerimont (S. 72): „I thought it im-
possible for any thing to have surmounted bis avarice; but I
Hnd, there is one little passion, whicL reigns triumphant in every
mind it crecps into, and wbether a man be covotous, proud or
eowardly, it is in the power of a woman to make bim liberal,
humble and brave.-' — Frederick ist tief betrübt über Marianas
Verhalten gegen ihn. Mit den üblichen, jeden Akt schliessemlen
Reimen <reht er ab.
312 in. Aulularia.
IV. Akt. (1.) Ramilie teilt seinem Herrn Frederick
mit, dass hauptsächlich Läppet die Ehe seines Vaters mit Ma-
riana betreihe. Deshalb habe er sie verlassen: freilich nicht
ohne Hoffnung, hier belohnt zu werden.
Rom. I have another plot; I don't question but, before you sleep. I
shall put you in possession of some thousauds of your Fatner's
mouey.
Fred. He has doue all iu bis power to provoke nie to it : but I am
afraid tbat will be carrying tbe jest too far.
Nun, meint Ramilie, man kann es ja nachderhand immer
wieder hergeben, und geht seines Weges. Auch Clerimont
kommt, um seinem Freunde Frederick zu bestätigen, dass
Mariana diesen Abend seinen Vater heiraten werde. Der dazu
kommenden Läppet macht Frederick schlimme Vorwürfe
über ihr bisheriges Treiben. Clerimont gewinnt sie um Geld,
und sie verspricht, alles rückgängig zu machen. Vergeblich ver-
sucht sie zuerst ihre Kunst an Mariana. Es gelingt ihr nicht,
sie umzustimmen. Sie wendet sich in derselben Absicht an den
Alten. Alles, was sie ihm bisher von seiner Braut erzählt habe,
sei falsch. Sie sei eine vermögenslose, gewöhnliche Person. Sie
könne seinen Ruin nicht mit ansehen. Lovegold, der alles
glaubt, schickt sogleich den Lawyer, der mit dem fertigen Ehe-
kontrakt kommt, fort. Unglücklicherweise tritt Ramilie auf: im
guten Glauben, so alles wieder schlichten zu können, stellt er
Läppet als eine lügenhafte Betrügerin hin, deren Reden alle
falsch sind. Er beschwört Lovegold, ihr nicht zu trauen.
Gerne schenkt ihm der Alte Glauben; er verzeiht ihm alles
Frühere, und geht sogleich zum Lawyer, um nun die Ehe defini-
tiv ahzuschliessen. (3.) Frederick hat mit Entzücken Lappets
Bericht gehört, er dankt ihr herzlichst für ihre Mühewaltung.
Gelingt es noch, Mariana umzustimmen, dann „I '11 coin myself
into guineas". Da kömmt auch Ramilie, um mit seinen Er-
folgen zu prahlen. Er wird arg enttäuscht; alles ist verloren.
Läppet macht ihn ernst herunter. „Never see my face again!"
Ramilie verfügt sich nun in den Garten, wo er vermutet, dass
Lovegold Geld vergraben hat. Nach einem kurzen Gespräch
Fredericks mit Mariana, die ihn stets mit der ..mother-in-law"
neckt, kehrt Ramilie wieder mit dem Schatze, den er richtig
gefunden hat, um. Unmittelbar nachher erblicken wir Lovegolds
Verzweiflung:
„Tbieves! tbieves! assassination! murder! I am uudoue! all my
money i- gone! AVho is tbe thief? wbere is tbe villain:' where shall I
find bim? Give me my money again. villain! (Catching himself by tbe
arm.) I am distracted! I know not where I am, nor what I'do. Ob my
money! my money! Ha! what say von? Alack-a-day! here is no one.
H. Fieldings Miser. 313
The villaiu rnust have watched his time carefully; he must have done
it, while I was signing that damu'd contract. I will go to a justice,
and have all my house put to their oaths, niy servants, niy children, my
mistress and myself too: all the people in the house, and in the street,
and in the town, I will have them all executed: I will hang all the
world, and if I don't find my money, I will hang myself afterwards."
V. Akt. James und einige Diener rüsten zum Souper. —
Mari an a giebt reichlich Befehle. Der Speisesaal soll frisch
tapeziert, alles soll trotz der Gegenrede ihrer Mutter völlig neu-
gestaltet werden. Eben unterbandelt sie mit dem Modehändler
Satin und dem Juwelier Sparkle, als der trostlose Alte auf-
tritt. ,.It 's lost, it 's gone, it 's irrecoverable. I sball never see
it more." Sparkle bandelt auf dreitausend Guineas aus. Love-
gold meint, es beziehe sich auf ihn; da hört er, dass seine Braut
eben Ohrringe und Geschmeide kaufe. Er lässt sich dazu nicht
herbei, sie aber erklärt: ,,I sball insist on all the privileges of an
English wife . . . The world will know, it is your wife, that
makes such a figure" (S. 104). Er will nun von der Ehe nichts
mehr wissen, Msr. Wisely aber fordert zehntausend Pfund für
den Kontraktbruch. Nun kömmt auch noch der Tapezierer
Charles Bubbleboy und der Schneider List, damit er „may
appear like a gentleman". Die Diener schleppen feine Weine
herbei, drinnen bringt man Toaste auf Squire Lovegold und
seine Gattin aus. Das alles wird dem Alten zu viel. Alles muss
zurückgeschickt werden.. Läppet erinnert ihn ihrer so schnell
sich bewahrheitenden Warnungen. — Da tritt Clerimont in
reicher Kleidung ein. Er will sein Unrecht gestehen, und es
folgt nun die Verwechslung mit dem Worte Schatz (treasure).
Lac. Well, well! let nie delight my eyes at least; let nie see my
treasure, and perhaps I may give it you. perhaps I may.
Cler. Then I am blest . . .
Lar. Go, go, fetch it hither: perhaps I may give it you.
Er geht nun, um Harri et, seinen Schatz, zu holen. Läppet
dringt neuerdings in den Alten. Die ganze Stadt spreche von
seiner Heirat: er möge sich doch dies Weib vom Halse schaffen.
Ihre Gläubiger drängen sich in Massen heran. Jammernd eilt
Lovegold von dannen. Unterdessen erfährt der Zuschauer
Marianas geheimes Einverständnis mit Läppet. Lovegold
kehrt zurück. „I am undone! I am undone! I am eat up! I am
devoured! I have an army of cooks in my house!- Mariana
giebt nicht nach. Sie fährt fort, Befehle auszuteilen und Be-
stellungen zu machen, ja sie lässt sogar eine Mauer umlegen, um
aus zwei Zimmern eines zu machen. Endlich entschliesst sich
Lovegold, die Kontraktsumme zu zahlen, um ihrer los zu werden,
,.all the money I am worth in the world." Clerimont bringl
314 III. Aulularia.
den versprochenen Schatz — Harriet — und erklärt, dass auch er
aus bester Familie sei. Grimmig- ruft der Alte: „I resign her
over to you entirely , and may you both starve together!"
(S. 121). Mariana händigt Frederick die Summe ein; drohend
geht Lovegold von dannen, indessen Frederick Eamilie und
Läppet seines Dankes versichert. Clerimont schliesst in den
üblichen Versen mit einer Moral über den Geiz.
Es ist ein weiter Schritt von Plautus und Moliere
zu Fielding und ein Schritt tief herab. Fieldings Lust-
spiel hält keinen Vergleich mit dem Mo Her es aus. Vor allem
fehlt ihm der Abschluss. Die reizende Mariane Molieres ist
hier ein schlau intriguierendes Weib. Hat man schon Moliere
vorgeworfen, dass sein Geizhals zu viel Aufwand mache, so haben
wir hier zu allem noch Lovegold im Besitze einer Bildergalerie
(S. 65). Molieres Ausgang befriedigt. Harpagon freut sich
des neu gewonnenen Schatzes und lässt gerne alles Weitere ge-
schehen. Lovegold scheidet im höchsten Zorn, ein Opfer des
Betruges. Alle von Fielding neu geschaffenen Szenen sind ein
Ballast von sehr problematischem Werte, gegen welche die von
Moliere geborgten, wie Oasen in der Wüste, abstechen. Cleri-
mont ist wie hereingeschneit, während er bei Moliere als In-
tendant motiviert ist. Lovegolds Geiz tritt weit zurück. Alles
ist stark aufgetragen, stark intriguiert. Es ist diese Komödie ein
üppig getriebener, aber nicht gerade hübscher Zweig aus dem Baume
des alten Lustspiels des römischen Dichters.
Der deutschen Übersetzung der Aulularia von Joachim
Greff (Magdb. 1535), Heinrich Zenckfrey (Fkf. a. 0. 1607),
u. a. ist bereits (S. 89. 95) Erwähnung geschehen.
Im Jahre 1743 erschien eine Bearbeitung der Aulularia
von M . . . (Kays er) in Zelle, 8°, ') und zweiundzwanzig Jahre
später: Der Geld topf, ein Lustspiel in einem Aufzuge, nebst
dem lateinischen Text, aus der Aulularia des Plautus zusam-
mengezogen, von J. H. Steffens, Eektor der Zellischen Schule.
Zelle 1765 (bei George Conrad Gsellius). 60 Seiten.2)
Den Zweck dieser Arbeit sieht man nicht recht
ein.3) Für die Bühne ist sie wohl nicht geschaffen worden, der
') Nach Sulz er. III, 704b.
2) Und in H. Schirachs Magazin der deutschen Kritik. Halle 1774.
3) Allerdings Hess derselbe Eektor Lessings Emilia Galotti von
seinen Schülern lateinisch spielen und gab 1778 „Emilia Galotti, pro-
gymnasmatis loco latine reddita", heraus. Hagen, Gresch; des Theaters
in Preussen. S. 302.
Steffens' Geldtopf.
315
lateinische Text weist auf Schulbenutzung bin. Sie umfasst im
g-anzen neunzehn Auftritte, die sieh zu Plautus, wie folgt, ver-
halten: Erster Auftritt (Euklio, Stapbila) = Plautus I, 1.;
Zweiter Auftritt (Stapbila) = Plautus I, 2.: Dritter Auf-
tritt (Stapbila, Euklio) = Plautus I, 3.; Vierter Auftritt
(Euklio) = Plautus, V. 103 (Occlude, sis etc.): Fünfter Auf-
tritt (Megador, Eunomia) = Plautus II, 1.; Sechster Auf-
tritt (Megador, Euklio) = Plautus II, 2.; Siebenter Auf-
tritt (Euklio, Stapbila) = Plautus II, 3.; Achter Auftritt
(Euklio, Congrio und etliche Sklaven, die etwas tragen. Einer
hat ein Fass auf dem Kücken) = Plautus III, 2., III, 6.; Neun-
ter Auftritt (Lykonides, Eunomia) = IV, 7.: Zehnter Auf-
tritt (Euklio, Congrio) = Plautus III, 2.; Elfter Auftritt
(Euklio und Strobilus) = Plautus III, 4., IV, 2., IV, 3., IV, 4.,
IV, 5., IV, 6.: Zwölfter Auftritt (Eunomia und Lykonides) und
Dreizehnter Auftritt (Eunomia, Lykonides, Staphila) sind von
Steffens eingeschaltet; Vierzehnter Auftritt (Lykonides, Eu-
nomia, Strobilus, hernach Euklio) = Plautus IV, 9., IV, 10.;
Fünfzehnter Auftritt (Strobilus, Lykonides) = Plautus V, 1.;
Sechszehnter Auftritt (Strobilus) und Siebenzehnter Auf-
tritt (Lykonides, Strobilus) sind von Steffens frei behandelt
worden; ebenso der achtzehnte (Lykonides) und neunzehnte
(Lykonides, Strobilus, hernach Euklio, Eunomia, Megador), in
welchen der Geizhals sich bessert. Strobilus hat das letzte Wort:
Herr! erinnern Sie sich nun auch,
dass ich frei bin. — Solte maus
wol gedacht haben, dass der alte
Geizhals sich auf einmal so um-
kehren würde?
Quod restat. here, nunc memento,
ut sim über. — ■ Quis putasset, kirne
avarum tarn subito mutasse natu-
ra m ?
Als Beleg der eigenartigen Arbeit Steffens' mögen zwei Sze-
nen, die erste und vierzehnte, der berühmte Monolog, folgen:
(S. 3.) Auftritt I.
Euklio. Staphila.
Euklio.
Schier dich hinaus, sage ich, du
alter Spürhund, die du die Augen
allerwerts haben musst.
S. Sachte! sachte! Was stosst ihr
mich arme Frau?
E. Ich will dich alten Satan!
5. Aber was stosset ihr mich
iezzo aus dem Hause?
E. Soll ich dir davon Rechen-
schaft geben, du altes, abgepeitsch-
tes Fell? Fort, weg von derThür!
Dorthin! — seht, wie sie schleicht!
Scena I.
Euclio. Staphila.
Euclio.
Exi, inquam. age, exi. circum-
speetatrix cum oculis cmissii ii^.
S. Quid me miseram propulsas?
E. Quam ego te vetulam!
S. Qua nie nunc causa extrusisti
ex aedibus?
A'. Tibi ego rationem reddam,
stimulorum seges! Illuc regredere
ab ostio! — illuc sis! — • vide. ut
incedit! At si fustem cepero, aut
316
III. Aululavia.
Soll ich erst den Stock, oder die
Peitsche brauchen, so will ich dir
den Schneckengang anstreichen.
S. Ich wollte mich lieber er-
hängen, als auf diesem Fuss länger
in euerm Dienste bleiben.
/'.'. Wie dies alte Fell noch brummt !
Die Augen will ich dir aus dem
Kopf reissen, so sollst du es wol
vergessen, mir immer auf die Hän-
de zu sehen und mich zu belau-
schen. — Packe dich! — weiter! —
noch weiter! — so — da bleib
stehen! und wofern du einen Finger
breit, oder nur einen Strohhalm
breit von der Stelle gehest; oder
dich nur umsiehest, bevor ich es
dir nicht ausdrücklich befehle: so
will ich dich auf der Stelle auf-
henken lassen. — Alle meine Leb-
tage habe ich keinen solchen Ab-
schaum von alten bösen Weibern
gesehen. Ich muss mich nicht we-
nig fürchten, dass sie mich betrüge,
ehe ich nichts versehe, und sogar
den Ort ausspüre, wo ich den Topf
mit dem Gelde verscharret habe.
Die alte Hexe mag auch wol gar
hinten am Kopfe Augen haben. Was
für Angst und Sorgen macht mir
dieses nicht? Tag und Nacht habe
ich keine Ruhe ; ich muss doch hin,
und noch einmal zusehen, ob der
Topf noch auf seiner alten Stelle
stehet.
stimulum in manum, testudineum
istum tibi ego grandibo graduni.
S. Utinam me divi — adaxint ad
suspendium potius, quam hoc pacto
apud te serviam.
E. Ut scelesta sola secum mur-
murat! Oculos, hercle, ego istos,
improba, effodiam tibi, ne me ob-
servare possis, quid rerum gerain.
Abscede — etiam nunc — etiam —
ohe! istic adstato! si hercle tu ex
isto loco digitum transversum aut
unguem latum excesseris, aut si
respexeris, donec ego iussero, con-
tinuo hercle ego te dedam disci-
pulam cruci. — Scelestiorem hac
anu vidi nunquam. Nimis male
eam metuo, ne mihi imprudenti
verba det, neu persentiscat, aurum
ubi est absconditum. Quae in oc-
cipitio quoque habet oculos pes-
simal Nunc ibo, ut visam, sitne
ita aurum, ut condidi; quod me
sollicitat miserum plurimis modis.
Nee noctu nee die quietus unquam
esse possum.
(S. 37.) Auftritt 14.
Euklio, Ich armer, unglücklicher
Mann! Nun bin ich ganz zu Grunde
gerichtet. Es ist aus mit mir. — ■
Wo soll ich hin? Wo muss ich
bleiben? ■ — — Haltet, haltet den
Dieb! — Wen? wo ist er? Ach,
ich weiss es selbst nicht; ich sehe
nichts; ich bin blind, stockblind. —
Wo soll ich hin? Wo bin ich? Was
ist aus mir geworden? Um des Him-
mels willen kommt mir zu Hülfe!
stehet mir bei! zeiget mir den
Dieb. (Zu Lykonides und der Eunomia.)
Was sagt ihr? Darf ich euch wol
trauen? Nach dem Gesichte scheint
es so. — Was ists? Was lachet ihr?
- — Ich kenne euch, ich weiss, dass
hier sehr viel Diebe sind. Hats
kein einziger von euch? — Du
bist unglücklich! (geht dem Lykonides
Scena XIV.
Euclio. Peru, interii, oeeidi, quo
curram? quo non curram? — Te-
nete, tenete! Quem? quis? nescio,
nihil video, coecus eo, atque equi-
dem quo eam, aut ubi sim, aut
qui sim nequeo certum animo in-
vestigare. — Obsecro vos, mihi
auxilio oro, obtestor, sitis & homi-
nem demonstretis, qui eam abstu-
lerit. — Quid ais tu ? vobis credere
certum est? Nam esse honos e vultu
cognosco. Quid est? quid ridetis?
Novi vos, scio fures hie esse com-
plures. Hern! nemo habet vestrum?
Occidisti — Die igitur, quis habet?
Nescis ? Heia me miserum , mise-
rum! perii male perditus. Tantum
gemitus & malae moestitiae hie
dies mihi obtulit, faniem & pau-
periem. Perditissimus ego sum
R. Lenz: Die Aussteuer.
317
zu Leibe.) So sag es doch! wer
hats! Du weist es nicht. Ach ich
armer, armer Manu! wie unglück-
lich biu ich! Dies ist wol ein rech-
ter unglücklicher, ein recht trau-
riger Tag für mich. Hungern und
darben werde ich müssen. Ich bin
der elendeste auf dem ganzen Erd-
boden. Was soll ich in der Welt,
da ich das verlohren habe, was mir
am liebsten war? Wie sorgfältig
verwahrte ich es nicht? wie wenig
habe ich mir davon zu gute ge-
than? Mein Schatz! mein Leben!
mein Gott, mein Alles! Nun werden
sich andre damit lustig machen,
mir zur Schande, mir zum Schaden.
Das ist nicht auszustehen.
omniuni in terra. Nunc quid mihi
opus est vita, qui eam perdidi!
quam custodivi sedulo? Egomet nie
defraudavi, animamque meam, ge-
niumque meum. — ■ Nunc alii laeti-
ficantur meo malo & damno. Pati
nequeo.
Das Albernste an dieser Rede Euklios ist gewiss, dass
Steffens dem Geizhälse in Lykonides und Eunomin Zu-
schauer giebt und so das Plautinische Quid ais tu? (F. 715)
u. s. w., als an eine mitspielende Person gerichtet und ge-
sprochen, annimmt.
Eine Übersetzung der Aulularia von Ch. Bemh. Kays er
veröffentlichte (1784) C. H. S. Mylius.
Eine Bearbeitung für die deutsche Bühne erfuhr die Aulu-
laria durch Reinhold Lenz (S. 100) in seinem Lustspiele „Die
Aussteuer" 1774. 1)
I. Akt. (1.) Ein Gnome umschwebt das Haus Kellers, des
Geizigen, :
„Schätze zu hüten, ist mein Beruf,
Darbenden Tugenden zum Behuf . . .
Keller entdeckte den Schatz im Kamm,
Aber der Tochter verheelt' er ihn,
Und für das Mädchen hütet' ich ihn.
Denn in's Kloster verlangt sie zu gehu,
Weil sie nichts dem zukünftigen Mann,
Als ihr Herz, zubringen kann.
Und sie ist schön, zärtlich und schön,
Und Leander betet sie an,
"Weil er sie einst im Bade gesehn,2)
Und sich vergessen — und sie erlaubt,
Dass er die Uuschuld ihr oeraubt."
(2.) Eerr Keller ist in Streit mit dem Mütterchen Re-
benscheit. Er hat sie im Verdacht, dass sie seine Geheimnisse
ausspioniere. Frau Rehenscheit kann ihn nicht begreifen; „es
1) In der Aus-, von Tieck. (Berlin 1825.) S. 37-75.
-) Sollte Moli er es Erfindung (I, 1). dass Vn lere Klise dm Wo-en
■utriss. Lenz zu solcher Wendung veranlasst haben?
318 HI. Aulularia.
muss ihm jemand was angethan haben, oder er ist von Binnen
gekommen." Dies kömmt sie jetzt doppelt schwer an, da die
Jungfer, Kellers Tochter, jeden Augenblick gebären soll. (3.)
Keller, der nach seinem Schatz gelaufen ist, kehrt erleichterten
Herzens zurück; „es war doch alles noch in der Ordnung." Die
Alte bekömmt ihre Aufträge eingeschärft. „Und wenn des Nach-
bars Hans kommt, hörst du, seine Pfeife in der Küche anzu-
zünden, so lösch das Feuer aus, verstehst du, lösche es aus, da-
mit er keine Ursach hat, zu kommen" u. s. w.
II. Akt. (1.) Frau Heup rät ihrem Bruder, dem reichen
Splitt er! ing, sich zu einer Heirat zu entschliessen. Sie möchte
ihm ein kränkliches Mädchen kuppeln, das „es nicht länger als
zwei Jahre höchstens machen kann". Sein Geld würde durch
eine Verehelichung mehr zusammengehalten, sie selber aber doch
schliesslich seine Erbin. Herr Splitt er ling aber hat bereits ge-
wählt. Er will Herrn Kellers Tochter, ob sie auch vermögens-
los ist, zu seiner Frau machen (3.) und teilt diese seine Absicht
dem des Weges kommenden Keller mit. Doch noch heute
Abend soll die Hochzeit stattfinden. Keller wird anfangs be-
denklich; Splitt er ling* weiss wohl um den verborgenen Schatz.
Doch giebt er die Verlobung zu, nicht jedoch ohne Frau Re-
benscheit im Verdacht zu haben, dass sie von seinem Vermö-
gen etwas ausplauderte. Diese ist in hohem Grade entsetzt:
..Ihre Geburtsstunde ist da: ich soll die Hebamme machen, ich
soll zur Hochzeit aufräumen. " (3.) Crispin, Leanders Diener,
und ein Koch besprechen sich über das Hochzeitsmahl, wobei
Crispin, wie der plautiniscbe Strobilus, des alten Kellers Geiz
drastisch schildert. Er gehe soweit, dass er eine Ochsenblase sich
abends vor den Mund binde, „damit ihm nichts von seinem Atem
verloren gehe, wenn er schläft," und „dass er helle Thränen wei-
nen kann, wenn er sich die Hände wäscht, weil ihm das Wasser
so verschüttet wird;" ja den Bart lässt er sich nie scheren, „wo
er nicht die Stoppeln davon sorgfältig aufhebt." (4.) Herr
Keller war auf dem Markte. Er wollte Einkäufe für den Hoch-
zeitsabend machen, da er „doch die Last jetzt auch vom Halse
bekomme"; aber es war „alles teufelmässig teuer". So kaufte er
einen Blumenstrauss. Plötzlich erblickt er die Thüre seines Hauses
offen und eilt ängstlich in dasselbe.
III. Akt. (1.) Der Koch stürzt aus dem Hause; hinter ihm
mit einem Beile Keller, der den Eindringling mit blutigem
Schädel davonjagt. (2.) In seinen Mantel gehüllt, trägt er als-
dann einen Topf mit Geld fort, um ihn sicherzustellen. Erst
wenn dieser geborgen ist, mag der Koch seine Arbeit wieder
aufnehmen. Dazu kömmt (3.) Herr Splitterling. ' Alle seine
Freunde billigen seine Verheiratung mit dem armen, aber braven
E. Lenz: Die Aussteuer. 319
Mädchen. Wenn mehrere Eeiche sein Beispiel befolgen wollten,
„wie würde die allgemeine Glückseligkeit in der Stadt zunehmen
und der Neid mit dem übermässigen Aufwand verschwinden."
Vergeblich versucht Splitterling, seinen künftigen Schwieger-
vater auf ein Glas Wein zu gewinnen ; da geht er, um sich noch
frisieren zu lassen. Nun ist Keller wieder frei. Nun steht er vor
seinem Geldtopfe. „Armer Geldtopf! Wie viel Freier hast du?
Ich weiss da nichts Besseres bei anzufangen, als — gerade in unsere
Kirche ... da will ich ein Paar Dielen aufheben." Dort ist ..eine
grosse Frau Gerechtigkeit . . . Ich vcrlass mich auf deine Ge-
rechtigkeit, Gerechtigkeit! Ich vertrau es dir auf dein Gewissen — "
IV. Akt. (1.) Crispin, Leanders Diener, ist von seinem
Herrn auf Kundschaft ausgesandt. Er setzt sich auf die Treppe
von Kellers Haus und hört (2.) diesen mit sich sprechen. ,.Hei!
der würd' einen schönen Fund machen, der dich fände, schwerer,
schwerer Geldtopf — aber ich bitte dich, Gerechtigkeit! Sorge
du dafür!" Da sich Crispin in die Kirche schleichen will (3.),
fasst ihn Keller. ..Weise mir deine Hände!" — ....Warum
denn?"" — „Deine rechte Hand!" — ....Da ist sie."" — „Weise
her!" - — ....Da ist sie ja."" — „Nein, nein, die andere." —
„„Da ist sie.-- — ..Nein, nein, die dritte!" — „„Sie sind nicht
gescheidt"" u. s. w. Keller hält sein Geld in der Kirche nicht
mehr sicher: er holt den Schatz wieder, um ihn anderswo zu
vergraben. „Dort auf der Nordseite der Kirche, da steht das
Beinhaus und dicht dabei ein fürchterlicher, alter Eichenbaum."
Crispin folgt ihm in gemessener Entfernung. (4.) Leander hat
imterdessen seiner Mutter, Frau Heup, sein Verhältnis zu
Kellers Tochter gestanden. Sie ist nicht gerade ungehalten, ja
sie freut sich gewissermassen desselben, denn ihr Bruder Split-
terling soll um jeden Preis „die Jungfer Inselimien" heiraten.
Sie verspricht ihrem Sohne gerne, alles Weitere zu regeln. 1 5. )
Crispin hat den Geldtopf geholt. Auf dem Kopfe trägt er ihn
herein. „Glückseliger Tag! Glückselige Mutter, die mich gebar!
Glückseliger Biersieder, der von mir lösen wird. Was sind Kö-
nige und Prinzen gegen mich?" Alsbald kömmt auch (6.)
Keller, verzweifelt über den Diebstahl. ..Ich bin todt , ich
sterbe, ich bin erschlagen. Wohin lauf" ich, wohin lauf ich
nicht? Haltet auf! Wen? Wen? Ich sehe nichts, ich weiss
nichts, ich bin blind, ich weiss nicht mehr, wo ich hin, ich bitte
euch, helft mir, ich hitt' und beschwöre euch, hellt mir und
zeigt mir den Menschen, ders weggetragen hat, sagt mir, wie
ging er, was für Eaat hatt' er. -.igt mir, sagt mir, sagt mir —
was sagst du? Weisst du's? Du hast ein ehrlich Gesicht, ich will
dir glauben, sage mir nur — was lacht ihr? Ich weiss, dass ihr
alle Spitzbuben seyd, ihr seyd alle Diebe, hat's Niemand unter
320 HI. Aulularia.
euch? Ich schlag euch todt, wer hat's?" Wisst ilir's nicht? 0 ich
Elender, Elender! Wie geht man mit mir um? -Ich schlag euch
alle todt, wenn ihr mir's nicht sagt. — Was für Jammer muss
ich heut erlehen, o weh mir, was ist das für ein Tag! Was ist
das für ein Tag! Verhungern muss ich, verschmachten muss ich,
ich hin der unglücklichste Mensch auf dem Erdboden. Habt ihr
kein Mitleiden, ihr Gott'svergessenen, was für Freud' hah ich, noch
länger zu leben, da mein Geld verloren ist? Was hah ich dir
gethan, Geld, hah ich dich nicht bewacht, du gott'svergessenes
Geld! Warum bist du mir denn untreu geworden? Ich habe
selber Schuld, ich hätt' dich nicht sollen ausgraben, ich habe
mich selber bestohlen: nun sollen sich andere Leute mit meinem
Gelde lustig machen, nun sollen andere Leut' es durchbringen,
es durch die Gurgel jagen — ich kann es nicht länger aushalten."
In dieser Stimmung findet Leander Herrn Keller. (7.) Er
wirft sich ihm zu Füssen, um ihm alles zu gestehen. „Das Ver-
brechen , das Ihnen so viel Kummer macht — ich bin der
Thäter .... die Liebe, der Wein ... da ich's aber einmal
berührt habe, ich beschwör Sie, so lassen Sie mich's ewig be-
sitzen. " Langsam erst löst sich das Missverständnis.
V. Akt (1.) Leander hat seinen Onkel Splitterling für
sich gewonnen: er will gehen, Herrn Keller zu besänftigen, da
tritt (2.) Crispin betrunken auf Etwas dummdreist und brutal
will er den Dienst kündigen, sieht sich aber sehr bald verraten.
Anfänglich besteht (3.) Keller darauf, dass Splitterling seine
Tochter heirate, „und wenn sie dreiunddreissig Kinder gehabt
hätte;" Splitterling aber lässt den Geldtopf hereinbringen und
zwingt Keller, die Hälfte seiner Tochter als Aussteuer mitzu-
geben. Früher, meint Keller allerdings, sei Splitterling ein
grosser Gegner der Mitgift gewesen, auf der er jetzt für seinen
Neffen so dringend bestehe. Wohl, erwidert Splitterling, sei
dem so: allein ..vorhin haben Sie mir für die Tugend Ihrer
Tochter Bürgschaft geleistet". So löst sich das Stück.
Bei seinem engen Anschluss an Plautus und der leichten
Art seiner Arbeit hat Lenz den Strobilus zum Crispin ge-
macht, lässt ihn aber, wie Plautus, im ersten Teile bei der
Bereitung des Hochzeitsschmauses für Splitterling, im zweiten
Teile für Leander thätig sein.
Später ging Lenz an eine Umarbeitung der „Aussteuer'-,
worüber Weinhold ') mitteilt: „Die Ausstellungen, welche
Lenz zu hören und zu lesen bekam, wirkten doch auf ihn. Er
') Dramatischer Nacklass von J. M. R. Lenz. Zum ersten Male
herausgegeben und eingeleitet von Karl Weinhol d. Frankfurt a M.
(Litter. Anstalt; Rütten & Lönnig. 1884.) S. 21.
R. Leuz: Die Aussteuer. 321
versuchte sich an einer tiefer gellenden Veränderung' des Originals,
welche die Ökonomie und die Charaktere der Personen anging.
Wie weit er damit kam, wissen wir nicht, ich glaube aber, aus
seiner ganzen Art schliessen zu dürfen, dass er in den Anfängen
stecken blieb. Vorhanden ist nur der Anfang des zweiten
Aktes der Aussteuer (Aulularia), zugleich das einzige mir be-
kannte Beweismittel für die neue Bearbeitung. Das Verhältnis
von Keller und Splitterimg ist hier umgekehrt, Brigitte entspricht
der Frau Heup, Crispin hat sich in einen schlingelhaften Laurenz
gewandelt. Am obern Rande des Folioblattes, auf dessen beiden
Seiten diese Szenen von Lenzens eigener Hand geschrieben sind,
steht ausser einem französischen Satz der Vermerk: , Bürgerfreund
mitnehmen für Deinet.' Die Schrift ist mit der der Szenen gleich-
zeitig. Da eine Reise Lenzens nach oder über Frankfurt selbst als
Absicht erst vom Winterende 1776 bekannt ist, könnte auch jenes
Fragment der umgearbeiteten Aussteuer in den Winter 1775/7(3
gehören. Dafür könnte auch sprechen, dass wir Lenzens Inter-
esse für Plautus in jener Zeit durch seine Algierer noch lebendig
bezeugt linden. Andrerseits freilich muss man geneigt sein, die
Umarbeitung der Aussteuer in eine Zeit zu setzen, in der die Aus-
stellungen der Kritik auf Lenz noch frisch wirkten, also in den
Winter 1774/75 oder in die erste Hälfte des Jahres 1775."
Das Fragment der Umarbeitung enthält Weinhold a. a. 0.,
S. 21 — 24. — Eine deutsche Übersetzung der Aulularia findet
sich bei G. G. S. Köpke (geb. 4. Okt. 1773) (Berlin 1809V) und
bei H. Norrmann, „Klassische Dichterwerke aus allen Litera-
turen."
Zahlreich sind in allen Litteraturen die Schauspiele und
Lustspiele, welche sich die für den Darsteller so dankbare Figur
eines Geizhalses nach ernsten und heiteren Gesichtspunkten
als Stoff nahmen. Man darf wohl sagen, dass sie von
Plautus unabhängig sind und Moliere kaum streifen.
Unter den Spaniern erwähnt man vor allem des Don
Juan Claudio de la Hoz y Mota2) Komödie „El castigo
de la miseria",3) von der Ticknor II, 70 urteilt: „Jenes ist in
») Im ersten Bande seiner plautinischen Lustspiele. Mehr erschien
nicht. Gödeke. III. 217.
2) Er wurde 1653 Ritter des hl. Jakobus und lebte 1689 noch.
Vgl. Schaek. III. 382—387. Barrera, Ca1 äl. S. 186, wo es auch heissl :
Entre las conocidas (comedias) sobresale y le ha dado renombre la titu-
lada: El Castigo de la Miseria.
3) Mein Exemplar ist von: Valencia, eu la Ini|ireuta de la Viuda
de Joseph de Orga; calle de la Cruz Nueva, en donde se hallarä esta y
otras de diferentes Titulos. 1 7('»s. \',,. 138.) Vgl Simuude de Sis-
mondi. De la Litterature du midi de L'Europe. IV. 216.
21
322 III. Aulularia.
der That eine der besten Charakterzeichnungen auf der spani-
schen Bühne und hält in vielfacher Hinsicht wohl den Vergleich
mit der Aulularia des Plautus und mit dem Geizigen
Molieres aus." Dies Wort fordert zu einem solchen heraus.
In diesem nach der dritten Novelle der Maria de Zayas1)
gedichteten Lustspiel ist es wieder der von Schlegel getadelte
Geizhals, der in der Liehe macht. Das Stück hat von der
Aulularia gar nichts, wohl aber hinsichtlich des Zaube-
rers Reminiszenzen an den Querolus.
Don Marcos Gil de Almodovar
el fidalgu mas ambrientu,
que se halla en Espaüa toda,
wie ihn der gallego Toribio (4.) nennt, und dessen jammervolles
Leben Don Alonso (4. 5.) erzählt, ist der Held. Er gönnt sich
gar nichts:
su comida es tan escasa
que si se pesa con onzas,
und mit dem plautinischen und Moliereschen Vorbilde hat
er es gemeinsam, die Diener schlecht zu behandeln. Chinchilla
und Don Agustin beschliessen, ihm einen Streich zu spielen.
Chinchilla schildert ihm Isidoras Reichtum (6.):
la belleza y la riqueza
le pintare de Isidora
y de este cavallo griego
serän sus talegos Troya:
er glaubt, dass sie von der Habana und unendlich reich sei, und
berechnet schon, wie er das Geld anlegt. (15.) Isidora ent-
scheidet sich wirklich für ihn (48.):
antes de una hora
hemos de quedar casados.
Chinchilla und Agustin schleichen in Marcos' Schlafzimmer,
da Agustin für den Augenblick Geld bedarf (28.):
Con ese caudal iuteuto
lucir con ostentacion
nii boda; y en conclusion
en haciendo el casamiento
mi padre fuerza serä
que haya de tenerlo ä bien,
y Don Alonso tambien,
con que el dote servirä
de poder restituir
a Don Marcos su dinero.
') Zaragoza. 1637. 4°. — Abgekürzt von Sparren (Nouvelles
tragicomiques, Paris 1752. I. 165j.
J. ('. de la Hoz y Mota. 323
und holen sicli einen Geldsack. Mit Entsetzen gewahrt Marcos
den Diebstahl. So etwas wagt man in Madrid (32):
habiendo una horca en la Plaza
an Verdugo, mil mmistros.
Lucia bringt nun Marcos die Idee bei, sich durch einen
Zauberer helfen zu lassen:
sabe el allä por sus libros
lo que pasa en Dinamarca,
en Fez y Marruecos.
Die Rolle dieses Zauberers übernimmt Chinchilla, der nun alle
möglichen Formeln spricht und Räucherungen vornimmt, worauf
man unter Kettengerassel eine Katze mit Ratten hereinlässt.
Marcos fürchtet sich zu Tode, da löst sich die Sache. Agustin
bringt den Geldsack (36):
aqui el talego
teneis sin que falte un quarto.
,,Und der Zauber?" fragt der erschütterte Marcos. „Den,"
lautet die Antwort, „machte
Chinchilla, poniendo
Ueno de coheres un gato
que va por esa ventana.
Dies das Stück, das nach Ticknor mit Plautus' und
Moli er es Geizhals den Vergleich aushält!!
Der Rico Avariento, der sich in der spanischen Litteratur
sonst öfter findet (z. B. Rojas y Zorrilla, Tellez), ist die
biblische Erzählung von Lazarus und dem reichen Prasser.
Von Bartolome de Sousa Mejia aus Lissabon (geb. 1723)
führt Barrera Leirado1) eine Komödie „0 avaro" (Msk.) auf.
Von deutschen Autoren sei Angelys (1788 — 1835), „Der
Geizige und seine Tochter," Drama in zwei Akten,2) und
Karl von Holteis (1797—1880), „Erich der Geizhals,"
Originallustspiel in fünf Akten, erwähnt.3)
Unter den Italienern hat Carlo Goldoni (1707 — 1793)
viermal den Geiz zum Gegenstande seiner Lustspiele gemacht.
Obwohl Goldoni Plautus und Terenz wohl studierte,4) be-
ruht keines auf der Aulularia des Plautus. Der einaktisre
•) Catäl. bibliogr. S. 378.
2) Claus, 1. c. S. 69.
8) Ibid. S. 68.
'') Pro las. I, 2. 312.
21 !
324 IV. Captivi.
.. I/Avaro"1) erinnert in keinem Worte daran. II Geloso
avaro2) - 1755 gespielt — lässt nur zufällig bisweilen an
Moli er e denken. So S. 136, da er das Geld ausschüttet: „Ohne!
el mio oro, el mio cuor, le mie viscere, me sento morir, non posso
piü! Ajnto!" oder S. 135: „Caro el mio scrigno che tu me costi
tanti spasimi, tanti suori, dovro lassarte."
Noch weniger Plautinisches enthält Goldonis, „L'avaro
fastoso3)", und seihst in „II vero amico",4) den Claus5) als
der Aulularia am nächsten stehend bezeichnet, ist nur äusserst
weniges zu finden, was auf Plautus oder Moliere hinwiese.
Zwar ist der alte Ottavio stark in seinen „scrigno", verliebt und
spricht seine Dukaten (III, 1) an: Oh belli zecchini! Oh cari i
miei zecchini! Er hat sie in schändlicher Weise zur Zeit einer
schweren Hungersnot zusammengerafft. Auch die Frage der Mit-
gift, das Molieresche sans dot, begegnet uns hier (III, 4):
„Volete maritar la figlia senza dote?"; dennoch ruft nicht einmal
die Szene, da er sich seines Schrankes beraubt sieht, Plautus
ins Gedächtnis, und hier lag es gewiss am nächsten (III, 18).
Povero il mio scrigno . . . Povero il mio scrigno! . . . Presto!
ajuto ! Dabei ist er noch so besonnen , dass er (wohl nach
Moliere V, 5) beim Abeilen die Kerze auslöscht.
Auch eine Reihe von Opern „L 'Avaro" werden aufge-
zählt^) so von Anfossi (1775), Sarti (1777), Rutini (1789),
Orlando (1801), Bianchi (1804), Fioravanti (1804), Cordella
(1810); Ant. Graf von Milari (cc. 1810), Savi (1810) u. a.
IV. Captivi.7)
Bekanntlichst bezeichnet Lessing (Beiträge S. 48) die Captivi
des Plautus als „das vortrefflichste Stück, . . . welches jemals
') Collezione completa delle commedie di Carlo Goldoni. Prato,
per i F. Giachetti. 1821. Bd. 21. S. 5—40, u. ediz. Pasqu. vol. 4.
2) Collez. compl. Bd. 21. S. 43—137, u. ediz. Venez. 1789. t. 18.
— Barrera, S. 28, führt auch einen spanischen El Celoso avaro des
D. Antonio Bazo (aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts) an.
3) Collez. compl. Bd. 6. S. 95— 169 (1819), u. ediz. Venez. 1789. t. 9.
4) Ed. Parigi, 1852, u. Monaco (Giog. Franz. 1852).
5) Claus, 1. c. S. 55: „proxime accedit ad Aululariani."
c) Vgl. Clement, Dict. lyrique. S. 70.
') Ausgaben: Avellino (Neapel 1807); Bosscha (Amsterd. 1817);
F. Lindemann (Lpz. 1830); Geppert (Berl. 1859); Ussing (Kopenh.
L869); Brix (Lpz. 1876); Edward A. Sonnenschein (London 1880).—
Hier ist zitiert nach Fleckeisen.
Charakteristik derselben. 325
auf den Schauplatz gekommen ist", und führt das Urteil des be-
rühmten niederländischen Forschers Johann Dousa an: „Quoties-
cunque manum Plauti captivis inectare libet, me sibi prorsus
consimilem, hoc est captivum, reddunt. '■'
Rapp') findet zwar, dass Lessings Ausspruch „mehr Enthu-
siasmus als ruhiges Urteil zu erkennen" gebe, dennoch aber nennt
er das Stück „schon darum merkwürdig, weil es das einzige
seiner Gattung ist, das aus dem Altertum auf uns gekommen.
Gleichweit von der Erhabenheit der Tragödie, wie von der über-
mütigen Lust der Komödie, spielt es in den Regionen der weichen
Rührung, des Edelmuts und der Aufopferung, kurz in allem, was
uns gewöhnlich das Modernsentimentale auszumachen scheint. Man
möchte fast sagen, wie Aristophanes die pathetische Komödie,
so hat dies Stück das pathoslose ernste Drama der alten Kunst
vor uns aufgestellt."2) Auch Rapp gesteht,3) dass es ein Stück
sei, das „keinem modernen Theater Schande machen sollte".
Unter den plautinischen Komödien ist dieses „Rührstück
(vgl. S. 98) ohne erotische Verwickelung und spannendes Interesse"4)
jedenfalls durch seine Eigenart abstehend von den übrigen und
ihnen geradezu entgegenstehend. Diese Eigenart seines Stückes
drückt der Dichter selber zweimal — im Prologe und im Epi-
loge — aus. Er rühmt die Keuschheit seines Vorwurfes (F. 54):
Profecto expediet fabulae huic operam dare:
Non pertractate factast neque item ut ceterae.
Neque spurcidici iusunt iiersus imnemorabiles:
Hie neque periurus lenost nee meretrix mala
Neque miles gloriosus,
und am Schlüsse (7. 1029):
Spectatores, ad pudicos mores facta haec fabulast.
Neque in hac subigitationes sunt neque ulla amatio
Nee pueri suppositio aut argenti circumduetio,
Neque ubi amans adulescens scortum liberet clam suum patrem.
Huius modi paucas poetae reperiunt comoedins,
Vbi boni meliores fianl,
xmd alle werden (F. 1036) zum Beifall eingeladen:
„qui pudicitiae esse uoltis praemium."
Es ist in der That ein erhebendes Drama, das vor unsern
Augen sich abspielt. Rapp, in seiner weitumfassenden Kenntnis
') Die pl. Lustsp. S. 459.
A Ibid. S. 4:.!».
A Tbid. S. 460.
«) Teuffei (G. <l. r. L.). S. 148. — Kapp. S. 4(31.
326 IV. Captivi.
der dramatischen Litteratur, erinnert mit vollem Rechte an die
spanischen Tragödien, zunächst Calderons „Principe constante",
und sagt,1) man ist versucht „zu glauben, der spanische Dichter
habe sich entschieden unser Stück zum Vorbild genommen".
Der prologvs führt uns in die Situation ein. Wir sehen
[V. 1), „captiuos duos" und erfahren, dass der alte Hegio (in
Ätolien) zwei Söhne hatte. Den einen stahl im Alter von vier
Jahren (quadrimum F. 8. 760. 876. 1011) ein Sklave und ver-
kaufte ihn nach Elis. Der andere, Philopolemos, wurde im
Kriege, welchen eben die Einwohner von Elis mit den Atolern
führen, kriegsgefangen und von einem Arzte Menarchos ge-
kauft. Hegio handelt nun Gefangene aus Elis in Massen ein,
um gegen diese vielleicht einmal die Loskaufung seines Sohnes
bewerkstelligen zu können.
Den ersten Akt leitet der Parasit Ergasilus ein, dessen
Aufgabe in diesem ziemlich ernsten Stücke die Aufheiterung der
Zuschauer nach Szenen düstereren Charakters ist.2) Sein „rex"
(F 92) ist in Elis gefangen und das Haus für ihn „aedes
lamentariae" (V. 96). Hegio mit Sklaven tritt auf; er hat gestern
zwei Kriegsgefangene (Philokrates und Tyndarus) gekauft.
Da Philopolemos in der Ferne gefangen sitzt, macht sich der
Parasit an seinen Vater Hegio und wird auch von diesem zu
Tische geladen.
Im zweiten Akte erbittet sich Philokrates von dem
lorarius die Vergünstigung, einige Worte mit seinem Mitge-
fangenen Tyndarus wechseln zu dürfen, was ihm gewährt
wird. Die beiden Gefangenen verabreden nun, dass Tyndarus
den Herrn, Philokrates den Sklaven spielen solle. Hegio
kömmt, sie wegen ihrer Herkunft zu befragen, und Tyndarus
(als Philokrates) sagt, er stamme aus dem reichen Hause der
Polyplusier (7. 277):
Quod genus illist unum pollens atque honoratissumum.
Hegio verspricht beiden die Freiheit, wenn sie das Ihrige thun
wollten, ihm seinen Sohn zu verschaffen. Sobald Tyndarus
den Namen Menarchos hört, schöpft er Hoffnung, die Sache zu
ermöglichen; denn dieser ist ein Klient des Philokrates (F. 335):
Pol is quidem huius est cluens:
Tarn hoc quidem tibi in proeliuist, quam imber est, quando pluit.
Er rät Hegio, den Sklaven (Pjhilokrates) an seinen Va-
ter zu schicken; er bürge für seine Rückkehr. Sofort entsendet
') 1. c. S. 460.
2) Ob der Parasit reine Zuthat des Plautus? E. Herzog, J.J. 113,363.
Charakteristik derselben. 327
Hegio den vermeintlichen Sklaven, indessen Tyndarus zurück-
bleibt. Hegio begiebt sich zu den übrigen Sklaven, um zu
forschen, ob sich dort keiner findet, dem Tyndarus bekannt ist.
In der ersten Szene des dritten Aktes tritt der Parasit
auf. Er will womöglich irgendwo ein fettes Mahl finden, um der
„cena aspera" (F. 497) des alten Hegio zu entgehen; denn erst,
wenn er im Hafen, der „una spes cenatica" (V. 496), niemanden
entdecken kann, will er zu Hegio zurückkehren.
Hegio führt den Aristophontes, einen Gefangenen,
herbei, der erklärt hatte, dass ihm Philokrates aus Elis wohl
bekannt sei. Mit Entsetzen sieht ihn Tyndarus nahen. Nun
ist alle Hoffnung dahin, nur ein toller Streich kann ihn noch
retten (F. 529):
Neque Salus seruare, si uolt, me potest; nee copiast
[Me expediimdi], nisi si astutiam aliquam corde machinor.
Quam, malum? quid machiner, quid couminiscar, haereo:
[Nisi] migas ineptiasque iam ineipisso maxumas.
Hegio stellt Tyndarus und Aristophontes einander gegenüber;
dieser erkennt ihn als Sklaven Tyndarus, nicht als Philokrates.
Tyndarus versucht nun das Ausserste. Dieser Mensch, sagt er,
war in Elis toll. Vater und Mutter hat er mit Spiessen verfolgt;
er selber leidet an Epilepsie. (F. 550):
Et illic isti qui sputatur morbus iuterdum ueuit.
Der hierüber heftig erzürnte Aristophontes bringt durch seinen
Zorn Hegio wirklich auf einige Zeit diesen Glauben bei. Er
tritt von ihm weg, und es folgt eine in der Darstellung ungeheuer
wirksame Szene. Tyndarus winkt dem Aristophontes ab.
„Quid mi abnutas?-' ruft dieser (F. 611). Schüchtern versetzt
Tyndarus: „Tibi ego abnuto?'' Allein es ist zu spät. Hegio
ist aufmerksam geworden und ruft, gewaltig erzürnt, Sklaven.
Tyndarus kann sich nicht mehr helfen; er gesteht, dass er seine
Pflicht gethan und seinen Herrn gerettet habe (F 707):
At erum seruaui, quem seruatum gaudeo,
Quoi me custodem addiderat erus maior meus.
Hegio lässt ihn gefesselt abführen.
Hier muss nun eine längere Pause angenommen werden, nach
einigen eine solche von mehreren Tagen oder Wochen.
Über diesen gegen die Pegeln der aristotelischen Poetik ver-
stossenden Punkt hat Lessing1) umfassend gehandelt.
») Werke, 3, 77. 127.
328 IV. Captivi.
Den vier ton Akt eföfihet der Parasit. Er hat eine freu-
dige Nachricht für Hegio (V. IIA):
Ita hie me amoenitate amoena amoenus onerauit dies.
Hegio tritt auf, und nach langem Hin- und Herreden und unter
den üblichen Parasitenwitzen erzählt Ergasilus dem Alten, er
habe am Hafen seinen Sohn Philopolemos gesehen, zugleich
mit Philokrates und jenem Sklaven Stalagmus, der ihm vor
Jahren sein vierjähriges Söhnchen gerauht habe. Indessen
Hegio voll Erwartung zum Hafen eilt, versieht Ergasilus das
ihm übertragene Amt eines Küchenmeisters, die „rem summam
eibariam" (7. 901) in einer Weise, von der uns ein Sklave be-
richtet (7 921):
[In hoc], ut hie quidem adornat, aut iam nihil est aut iam nihil erit.
Im fünften Akte tritt Hegio mit Philopolemos, Philo-
krates und Stalagmus auf. Philokrates hört, was sein
Sklave für ihn erduldet habe. Stalagmus gesteht, dass er das
geraubte Kind an Theodor omedes in Elis um sechs Minen ver-
kauft habe, und so ergiebt sich denn, dass Tyndarus der Sohn
Hegios ist. Die Fesseln, die ihm abgenommen werden, werden
Stalagmus angelegt.
Das Hauptinteresse der gesamten Handlung in den Captivi
fällt auf die Heldengestalt des Tyndarus. Es ist wirklich ein
Charakter, wie er uns in den spanischen Dramen entgegentritt.
Die unverbrüchliche Treue gegen seinen Herrn, dem er seit
seiner Kindheit als „peeuliaris", von Jugend auf ,.quia quasi una
aetas erat" (7 20) diente, zeigt sich in kleinen, wie in grossen
Dingen. Da Philokrates ihm den Plan der Rettung entwickelt,
erwidert er ihm nur mit einem einfachen (7 228) ,,Ero ut me
uoles esse", oder (7 40) ..Audio": und mit der Versicherung
(7. 229):
tu nunc uides pro tuo caro capite
Carum offerre [me] meum caput uilitati,
welche er so glänzend rechtfertigt. Im Gespräche mit Hegio
entwickelt er reichlich seinen Witz und manches Wortspiel, und
gewandt bringt er es dahin, dass Hegio seinen Herrn entlässt.
Trefflieh ist der Abschied von Philokrates gezeichnet und die
unverkennbare Selbstschilderung mit der Hoffnung auf einstige
Freilassung, da, wo er seinen Herrn als treuen Sklaven lobt
(7. 402):
Nos fuisse ingenio hau discordabili,
Xeque te conmeruisse culpain neque me aduorsatum tibi.
Beneque ero gessisse morem in tantis aernmnis tarnen,
Charakteristik derselben. 329
Neque med umquam deseruisse te neque factis neque fide
Rebus in dubiis, egenis. haec imter quando seiet,
Tyndare, ut fueris animatus erga suum gnatuni atque se,
Numquam erit tarn auarus, quin te emittat gratiis manu.
Zur Höhe eines Helden aber erhebt sich Tyndarus, wo der
Ernst der Lage an ihn herantritt, wo er sich für seine Thaten zu
verteidigen hat. Als er gefesselt werden soll, bietet er seine
Hände auch zum Abhauen dar (V. 668):
Tuns sum, tu lias quidem [mihi] uel praeeidi iube.
Er begreift nicht, worin sein Verbrechen liegen soll, und spricht
selbstbewusst aus (V. 690):
Qui per uirtutem perit, at nou [is] interit.
Ihn erwartet nur Ruhm; denn es ist keine Schandthat, um derent-
halben er fallen soll (7. 682):
Dum ne ob malefacta, peream: parui [id] aestumo.
Si ego hie peribo, ast ille, ut dixit, non redit:
At erit mi hoc factum mortuo memorabile,
[Me] meum erum captum ex seruitute atque hostibus
Reducem fecisse liberum in patriam ad patrem,
Meumque potius me caput periculo
[Hie] praeoptauisse quam is periret ponere.
Nur eine Lüge konnte seinem Herrn von Nutzen sein; darum
log er (V. 705):
Quia uera obessent illi, quoi operam dabam:
Nunc falsa prosunt.
Der Tod, den er hierfür erleiden muss, Avährt nur kurze Zeit (F. 740):
Periclum uitae meae tuo stat periculo.
Post mortem in morte nihil est quod metuam mali.
Etsi peruiuo usque ad summam aetatem, tarnen
Breue spatiumst perferundi quae minitas mihi.
Es ist ein schönes Wort, mit dem er von Hegio scheidet
(V. 744):
Vale atque salue, etsi aliter ut dicam meres,
und sein letzter Protest ( V. 750):
Vis haec quidem hei'clest,1) et trahi et trudi semul,
') Naiv ist GL Schwabs Bemerkung zu Rapp, S. 528, Cäsar habe
wohl an diese plautinische Stelle gedacht, :ils er, von den Verschwornen
angefallen, „Ista quidem vis est!" ausrief. ,.Fast sollte man glauben,
er habe mit Plautus gesagt .Vis haec quidem hercle est' — und am
Weitersprechen des Verses, et trahi et trudi semul' sei er nur durch den
Dolchstoss des Kassius in die Kehle, verhindert worden."
330 IV. Captivi.
ist die Aussprache eines Herzeus, das sich keiner Schuld be-
WUSSl ist.
Welche Martern der edle Tyndarus erduldete, erzählt er hei
seiner Rückkehr aus den Steinbrüchen, dem Orte (F. 1001):
„Vbi labore lassitudost exigunda ex corpore."
Die erlittene Schmach und die Duldungen haben ihn etwas
abgestumpft; kälter, als man glauben sollte, benimmt er sich bei
der Lösung.
Die Figur, welche viel zur Entfaltung des Knotens beiträgt,
ist der Parasit Ergasilus, der in diesem Stücke wieder ein
vollendetes Bild des Parasitentums entwickelt. Die Jugend hat ihn
„Dirne" genannt, weil er inig-eladen zu Tische kömmt (F. 69):
Iuuentus nomen indidit Scorto mihi.
Quia inuocatus soleo esse in conuiuio.
Allein die Jugend ist nimmer, wie sie war. Von ihr ist nichts
mehr zu hoffen (F. 104):
Xulla iuuentutis spes est.
Sie lässt die Parasiten im Stiche (F. 470):
Ita iuuentus iam ridiculos inopes ab se segregat,
und dies Verhalten der jungen Herrn gegen die (F. 471):
Lacones imi supselli uiros,
Plagipatidas, quibus sunt uerba sine penu et pecunia.
das bei Plautus öfter Grund zu bitteren Klagen wird, führt
den Parasiten zu traurigen Schilderungen der Gegenwart. Wohl
ist Ergasilus ein zudringlicher Mensch; die Parasiten sind wie
die Mäuse, die ungeladen kommen (F. 76):
Quos numquam quisquam neque uocat neque iuuocat.
Quasi mures semper edimus alienum cibum,
wie die Schnecken, die, bis der Tau fällt, vom eignen Safte le-
ben (F. 80), wie die Hunde (F. 86):
Canes sumus: quando redierunt, Molossici
Odiosicique et multum incommodestici.
Allein diese Aufdringlichkeit findet leicht ihre Entschuldigung. Es
ist unendlich schwierig, für sich selbst zu sorgen (F. 461):
Miser homost, qui ipsus sibi quod edit quaerit et id aegre inuenit,
Charakteristik derselben. 331
und der Bedürfnisse sind gar viele. Hegio sagt ihm (7 159):
Multis et multigeneribus opus est tibi
Militibus u. s. w.,
und auf seinen Magen setzt er, wenn er satt ist, sein Vertrauen
(F. 812):
Satur hornost, habet profecto in uentre confidentiam.
Zu Hause schmeckt ihm nichts so, wie auswärts (7 136):
Neque umquam quicquam nie iuuat quod edo domi:
Foris aliquantillum etiam quod gusto id beat,
und so ist ihm sein „rex" unentbehrlich und der .,magis unicus"
(7 150).
Hegio greift eigentlich selbsthandelnd wenig ein. Er ist
ein ehrenwerter (V. 106), gutmütiger Mann (7 333, optumiis
hominum homo); obwohl reich, ist er kein Sklave des Geldes ge-
worden (7 325):
Non ego omnino hierum omne esse utile homini existumo,
ja er hasst den Reichtum (7. 327):
Odi ego aurum: multa multis saejie suasit perperam.
Da er aber seine Güte gemissbraucht und sich von Tyndarus ge-
täuscht sieht, da will er keine Gnade, kein Mitleid mehr üben
(7 764):
neminis
Misereri certumst, quia mei niiseret neminem.
Auch Philopolemos, Philokrates und Aristophontes
sind „mehr bloss als mittelbare Hebel der Handlung benützt".1)
Philokrates wird von Tyndarus (7 647):
Macilento ore, naso acuto, corpore albo, oculis nigris,
Subrufust, aliquantum crispus, cincinnatus
gezeichnet. Nicht erst nach seinem Opfer liebt er seinen Sklaven,
schon vorher möchte er ihn Vater nennen (7 238):
Pol ego te, si audeam, meum patrem nominem:
Nam seeundum patrem tu 's pater proxumus.
Mag immerhin der Sklave Stalagmus etwas „plump in
den letzten Akt hereingeschneit''-) kommen, so ist er doch
') Rapp a. a. 0. S. 462.
2) Ibid. S. 462.
332 IV. Captivi.
in seiner Verstocktheit trefflich geschildert. Er sagt selber von
sieh (F. 956):
Fui ego bellus, lepidus, bonus uir numquam neque frugi bonae
Neque ero umquam: ne |tu in] spem ponas me bonae frugi fore.
Er kennt keine Scham [V. 961):
Quocl ego fatear, credin pudeat quom autumes?
und ist nicht „inperitus" (F 963). Trotzig- erkennt er die Schwere
seines Verbrechens (F. 969):
Non me censes scire quid dignus siem?
und da ihm der Schmied die Fesseln anlegt, sagt er boshaft
(F. 1028):
Quoi peculi nihil est. recte feceris.
Dies der Inhalt und die Gestalten des an fesselnden Szenen
so reichen Stückes. ])
Eine der bekanntesten Komödien der italienischen Litteratur,
..I Suppositi" des Lodovico Ariosto (geb. 8. Sept. 1474:
gest. 6. Juni 1533), verdankt manches den Captivi des Plau-
tus, indessen spielen auch Reminiszenzen des Amphitruo und
der Menächmi, sowie des Eunuchus,2) wenn auch ohne die
äussere Ähnlichkeit der Verwechselten, mit. Wir haben von den
Suppositi des Ariosto zwei Bearbeitungen, eine prosaische
und eine poetische.3) Das Stück kann nicht vor 1502 aufge-
führt worden sein,4) wegen einer Stelle (V, 6), wo Cleandro
seine Schicksale erzählt. Otranto wurde 1480 eingenommen:
Cleandros Sohn aber zählt bereits zwanzig Jahre.
Der Wunsch der Zuschauer ging damals aufs Altertum. Ariosto
sagt in seinem Prologe zur (prosaischen) Cassaria, dass ihn das
') Histoire critique de la Re'publique des Lettres. Bd. XIII. —
Nouvelles de la Republique litt, von 1716 (Brief von La Coste). —
Lessing, Beiträge zur Historie u. s. w. (3. Stück). — W. Hertzberg,
vor seiner Übersetzung. S. XIX.
2) Ruth. IL 524. — Prölss. I, 2. 110.
3) Commedie e satire di Lodovico Ariosto, annotate da Gio-
vanni Tortoli. Firenze (Barberä) 1856. Die poetische Bearbeitung-
findet sich dort S. 113—193; die prosaische S. 491—584. — Vgl. über
das Stück Giov. Mar. Crescimbeni, Istoria della volgar poesia, Ve-
nezia 1730. Bd. VI. S. 105.
') Nach Giuseppe Campori, „Xotizie per la vita di Lod. Ariosto."
Modena 1871. 2 ediz., wurden sie 1509 zum erstenmale aufgeführt. S.
auch Gregorovius. I, 232. — Prölss. I. 2. 100. ■
Ariostos Suppositi. 333
Publikum tadeln werde, wenn er nicht bei der Antike bleibe und
Neues bringen wolle (S. 433):
Che tale impresa non gli par suggetto
Degli moderni ingegni, c solo stiiiui
Quel che gli antiqui hau dctto, esser perfetto.
Und im Prologe zu den (prosaischen) Suppositi heisst es
(S. 493): „E vi confessa 1' Autore avere in questo e Plauto
e Terenzio seguitato che 1' uno fece Cherea per Doro, e
1' altro Filocrate per Tindaro e Tindaro per Filocrate,
1' uno nello Eunuco, 1' altro nelli Captivi supponersi . . .
Come io vi dico, dallo Eunuco di Terenzio e dalli Captivi di
Plauto, ha parte dello argomento delli suoi Suppositi transiuito:
raa si modestamente perö che Terenzio e Plauto medesimi risapen-
dolo non 1' arebbono a male e dipoetica imitazione piü presto che
di furto gli darebbono nome. " ')
I. Akt. Polinesta, Damonios Tochter, hat, von ihrer
Amme begünstigt, mit dem Diener ihres Vaters, Dulippo, ein
Verhältnis angeknüpft. Auf den Vorwurf ihrer Amme kann sie
wohl erwidern :
Chi '1 menö alla camera
E poi nel letto mio, se non la balia?
Indessen ist dieser Dulippo nur verkleidet:
Questo giovane,
II quäl Dulippo voi riputate essere,
E gentiluomo di Sicilia, e chiamasi
Per vero nome nella patria Erostrato,
Filigono e suo padre.
Er kam zum Studium der Rechte nach Ferrara, traf dort Poli-
nesta und vergass der Bücher, sodass sein Diener für ihn die
hohe Schule besucht, während er bei dem Vater seiner Liebsten
Dienste nahm. Der Diener studiert unter dem Namen Erostrato
mit sehr grossem Erfolg:
Alle lettere ha dato si buon' opera,
Che in esse ha fatto im }irofitto mirabile.
Nun ist aber Erostrato in seiner Liebe nicht ohne Nebenbuhler
geblieben. Zunächst ist sein Rivale der Rechtsgelehrte Cleandro,
') Ward, 1. c, S. 144, sagt von Gascoignes Nachahmung: „Its
fable is a very ingenuous combination of Terence and Plautus and
suggested to Shakespeare part of the plot of his Taming of a shrew
as well as (possiblyi the name of Petrucchio." - Klein. IV, 326. —
Pro las. I, 2. 110. — Ginguene. VI, 195 ff. — Ruth. II, 523.524.
334 IV Captivi.
den der Parasit Pasifilo in seinem Glauben bestärkt, er werde
das Mädchen gewinnen.
II. Akt. Dnlippo hat den Parasiten auf seine Seite ge-
bracht, und durch ihn erfahren wir, dass Damonio nicht abge-
neigt ist, dem Cleandro seine Tochter zur Ehe zu geben; nur
auf vierzehn Tage, meint Erostrato, solle der Alte seine Toch-
ter zurückbehalten. Bis dahin werde alles gut werden, da ihm
sein Vater einen Besuch in Aussicht gestellt habe. Unterdessen
hat aber Dnlippo bereits auf eigene Faust Vorsorge getroffen.
Er fand einen Fremden aus Siena , der schon länger in Ge-
schäftsreisen von Hause weg war. Diesem erzählt er , des
Herzogs Ercole von Ferrara Gesandte, die von Neapel zurück-
kehrten, seien in Siena beleidigt worden. Infolgedessen sei Er-
cole gegen die Saneser aufs höchste aufgebracht, und auf die
heilige Hostie:
Ha giurato che quanti nel dominio
Suo mai capiteran, vorra che lascino
Tino a le brache, e che cacciati vadano
Di qui con vituperio ed ignommia,
was fast an den Eingang von Shakespeares „Comedv of Er-
rors" erinnert. Ja, wer einen Saneser beherbergt, lautet sein
Gebot, verfällt in schwere Strafe. Der Fremde glaubt es. Du-
lippo sagt ihm, er wolle ihn trotzdem beherbergen, wenn er sich
für seinen Vater, den Kaufmann Filogono aus Oatanea ausgebe.
Seine Aufgabe als solcher wäre dann nur:
che obblighi a Damonio,
Senza suo danno, il nome di Filogono,
Per dno inilia ducati e per tre milia
Di sopraddote, e per quel piü che chiedere
GH saprä a bocca egli stesso.
Der Fremdling wird nun zu Erostrato geführt; Cleandro hat
jedoch unterdessen in Erfahrung gebracht, dass der Parasit Pa-
sifilo bei Damonio gegen ihn intriguiere.
III. Akt. Damonio hat mittlerweile von der Liebschaft seiner
Tochter erfahren. Was er aiich mit dem Liebhaber anfangs thun
wollte:
Non potro far perö, ch' egli non abbia
La figliuola violata, e ingravidatola
Fors' ancho — .
Er hält nun Dnlippo (Erostrato) eingesperrt; das Mädchen ist
trostlos :
s' affligge, piange e stracciasi
I capei . . .
nicht ihrethalben, sondern des Geliebten und der Amme wegen.
Ariostos Suppositi. 335
IV. Akt. Der alte Filogono, des Erostrato Vater, ist
im Hafen angekommen; dort hat ihn Dnlippo seihst erblickt und
befindet sich nun in grosser Verlegenheit. Alsbald führt ein
Ferrareser den Alten vor das Haus seines Sohnes. Filogono
will nicht, dass dieser weiter studiere: das Studium ist zu schwer:
potrebbesi
0 morir, o impazzare, o d' altra simile
Disgrazia darsi cagion.
Auf Filogonos Pochen öffnet der Koch Dalio; der Alte giebt
sich als Erostratos Vater zu erkennen, hört aber, dass dieser
bereits hier sei, und zufällig kömmt auch der Pseudo filogono
aus Siena und stellt sich, befragt, wer er sei, als Filogono von
Catanea vor. Da nun der wirkliche Vater, vom Koche ernst
zurechtgewiesen :
Non fia ch' io tolleri
Che al padre del padron tu dica ingiuria,
und mit groben Worten fortgejagt, sich mit seinem Diener Lizio
über diesen Vorfall bespricht, naht Dulippo, und der Ferrareser
ruft ihm freudig entgegen:
0 Erostrato, Filogono
Vostro padre e venuto di Sicilia.
JJul. Cotesto non m' e nuovo: ben veduto lo
Ho; e son con lui stato un pezzo.,
Ferrar. E possibile?
Per quel che dice, non par che veduto vi
Abbia giä ancora.
Filogono erkennt aber nicht Erostrato, sondern seinen Sklaven
Dulippo in dem ihm Vorgestellten, während Dulippo nichts
andres übrig bleibt, als zu thun, als ob er Filogono nicht
kenne. Der Schmerz des Vaters ist wirklich tragisch. Von Ju-
gend auf hat er ihn sorgsam erzogen, und nun:
Questo perfido,
Questo ribaldo finge non conoscermi.
Sofort aber quält ihn ein andrer Gedanke, Dulippo habe seinen
Sohn aus dein Wege geräumt und sich an seine Stelle gesetzt:
Lo avrä venduto o assassinato o fattone
Alcun contratto, alcun governo pessinio.
Er will sich an die Gerichte wenden, und der Ferrareser empfiehlt
ihm als tüchtigen Anwalt den Doktor Cleandro.
V. Akt. Dulippo nimmt sich das Schicksal seines Herrn
ernst zu Herzen. Ihm muss geholfen werden, und ihn zu retten,
ist er zu allem bereit. Audi der Parasit findet:
336 IV. Captivi.
Poich' io gli ho detto che Dulippo e in carcere,
Tutto e tornato bizzarro e fantastico.
Tili diesen ganz zu gewinnen, giebt er ihm das Amt des Küchen-
chefs. Wie Hegio dem Ergasilus aufträgt (F. 894):
tu intus cura, quod opus est:
Sume, posce, prome quiduis: te facio cellarium,
so betiehlt Dulippo dem Pasifilo:
Va in cucina, Pasifilo, e fa cuocere
E dispor quelle vivande a tuo arbitrio,
ein Amt, das Pasifilo nicht schlechter als Ergasilus ausübt. —
Während nun Filogono den Doktor Cleandro konsultiert,
stellt es sich heraus, dass Cleandro bei Otranto sein Vermögen
und vor zwanzig Jahren seinen damals zweijährigen Sohn verlor,
der von Filogono Dulippo genannt wurde, weil er weinend
immer Dulippo rief.
Dulippo aber war der Diener, der ihn aufzog. In solcher
Weise klärt sich alles auf. Cleandro verzichtet auf Polinesta,
die er nur geheiratet hätte, „per farmi nascere erede, " da er
ja diesen jetzt an seinem Sohne gefunden habe.
Würde sich Ariosto nicht im Prologe erklären, dass er an
die Captivi des Plautus gedacht und seinen Dulippo an
sie angelehnt Avissen wollte, so würde man schwerlich an die-
selben erinnert werden, so sehr sich auch die Komödie in den
Bahnen des Altertums bewegt, wie ja der Parasit mit seinem
ständigen Hunger:
che sempre nello stoniaco
Hai dieci lupi affamati,
eine ganz antike Figur ist.
Die Suppositi des Ariosto haben mehrfache Nachahmun-
gen veranlasst. Chäsles (Hist. de la comed. franc., S. 91), sagt:
La piece des supposes fut traduite ou imitee ä trois reprises dans
le courant du XVIe siecle; en 1545 par Jacques Bourgeois
en vers; en 1552 par Jean Pierre de Mesmes en prose; en
1552 par Godard, qui l'abregea, la morcela, et en fit une farce
en cinq actes. ')
') Das Stück des Jacques Bourgeois führt deu Titel Les
amours d'Erostrate, fils de Philogoue de Catanie & de Po-
lymueste, fille de Dämon, Bourgeois d'Avignon. in 16°. Paris
1545. (Jeanne de Maruef) und noch im selben Jahre (J erosine de
Maruef). (Beauchamps, Kecherches. I, 158.) — Sieben Jahre später
folgte: Les supposez, Comedie de Loys Ariosto, traduite eu prose
fraucoise. iu 8°. Paris 1552. (Estienne Groulleau.) Die Übersetzung ist
Gascoigne. Massinger. Voisenon. 337
Über die englische Bearbeitung Gascoignes heisst es bei
Warton (III, 317): In 1566 tlie .,Supposes" a comedy (a prose
paraphrase of the Suppositi of Ariosto by George Gas-
coigne) . . . were prodnced, und III, 342. Supj>oses, a co-
medy written in the Italian tongue by Ariosto, Englished by
George Gascoygne of Grayes Inne Esquire and there presen-
ted 1566 (aber erst 1573 gedruckt). Gascoygne's translation,
which is extremely free and loose and seems rather to come
within the category of an adaptation to an English audience, is
in prose. (Vgl. Ward, S. 144.) — Die alte Komödie der Sup-
poses benützte Mas sing er stellemveise in seinem Lustspiele: „A
new way to pay old debts."1)
Gleichfalls auf Ariosto greift nach Desnoirterres2) ein
petit acte en vers „l'heureuse ressemblance" des Abbe de
Voisenon zurück, dessen Intrigue auf der Ähnlichkeit von Bru-
der und Schwester beruht. Indessen hat der Abbe Claude
Henri de Fusee de Voisenon (geb. 8. Juli 1708; gest. 22.
Nov. 1775) kaum daran gedacht, als er diese menächmen-
artige einaktige Komödie schrieb;3) denn nach dem „Aver-
tissement de 1'editeur" ist die Geschichte wahr. Hören wir
statt weiteren dieses:
„(Voisenon) etoit dans la Terre d'im de ses amis pres de Ronen . . .
parmi les personnes qui etoient ä cette campagne, il y avoit un fröre &
une soeur jumeaux: leur ressemblance etoit si frappante, que sans les
difference des vetemens, on ne les eüt point reconnus. La sceur du
Chevalier etoit l'amie intime d'une jeune Demoiselle dependante abso-
lument d'elle, dont le bien etoit considerable, & qui avoit fait une forte
impression sur le coeur du Chevalier. II ressembloit trop ä sa sceur pour
ne pas interesser son amie; l'interet augmentoit chaque jour d'un cöte
& la passion de l'autre: mais pour un effet de ce meme sentiment, on
evitoit mutuellemeut d'en parier de peur de se trahir. L'on proposa de
von Jean Pierre de Mesmes. (Beauchamps. I, 166.) — Auf Grund
dieser beiden Bearbeitungen entstand Jean Godards (geb. zu Paris 1564;
gest. nach 1624) Lustspiel Les Desguisez 1594. 1624. — Das Lustspiel
ist neu gedruckt auf S. 335 — 463 des siebenten Bandes des Ancien
Theätre francois. Paris 1856.- (P. Jeannet.) Dort heisst es (S. 337):
Quoiqu'il en soit, la piece de Jean Godard differe considerablement
de celle de l'Arioste pour le plan et la conduite. Le nombre des per-
sonnages est reduit de moitie, Taction est degagee de ses longueurs, les
scenes memes sont coupees et disposees dans un autre ordre — dans un
ordre plus approprie ä la scene francoise ... — Bref, Les Desguisez
-"in um' des plus Julies comedies fran(;oises du seizieme siecle. — Vgl.
auch Parfait, Hist. du theätre fr. UL 507.
') Massinger, ed. Gifford (1813). III, 551. „Massinger has taken
a few traits of the character of his Justice from Pasiphilo in the old
Comedy of the Supposes."
2) Gustave Desnoirterres, Epicuriens et lettres (1879). S. 265.
3) Auf S. 5 — 57 des ersten Bandes der Oeuvres complettes de
M. PÄbbe Voisenon. Paris 1781.
22
338 IV. Captivi.
donner un bal, & pour laisser plus de liberte aux voisins, on leur donua
le choix d'y venir niasque ou non: le Chevalier et sa soeur, sans en rien
oommuiriquer ä personne, changerent d'habits; on ne se douta pas du
travestissement. Ce qui d'abord n'avoit ete imagine que pour surprendre
leur amie, eut des suites plus heureuses. Les deux amies n'avoient rien
de cache" l'une pour lautre. Le Chevalier pris par la jeune personne
pour sa soeur s'entendit faire im aveu qui le transporta; on lui recom-
manda le secret le plus inviolable: nullement prevenue. la veritable
soeur, ä quelques moments de lä s'approcha de son ami, qui reprit une
conversation ä laquelle la soeur ne repondoit qu'avec embarras: le Chevalier
ne l'y laissa pas longtemps, il approche, se jette aux pieds de l'aniie de
sa soeur, & obtient sans peine le pardon d'une faute dont on lui savoit gre\"
Gänzlich auf Plautus beruht eine moderne italienische
Bearbeitung der Captivi, „I prigionieri" , commedia di M. Accio
Plauto, tradotta in Italiano e ridotta per il teatro moderno con
T aggiunta di una prefazione e di un prologhetto originale dal
Prof. G. P. Clerici. Parma (Ferrari & Pellegrini) 1881 (pag.
LV und 48). Über seine Bearbeitung erklärt sich Clerici
selbst (X): ,.In quanto al modo tenuto nella riduzione dirö che
non ho soppresso alcuna scena, e che invece le ho assottigliate
tutte quante: di mio non c' e quindi che qualche congiunzione
e avverbio : nell' ultima scena soltanto sono interpolate poche
parole. "
Clerici hat die Handlung auf drei Akte verteilt.
I. Akt. (1.) Der Parasit leitet mit einer stark gekürzten
Rede ein. (2.) Egione mit Filocrate und Tindaro, sowie
Aguzzino (dem lorarius) tritt auf; der Parasit erreicht eine
Einladung. (3.) Aguzzino gestattet den beiden Gefangenen
eine Unterredung. (4.) Egione kehrt zurück und bespricht sich
mit den Gefangenen, worauf Filocrate als Sklave nach Hause
geschickt wird, um die Umwechslung zu bewerkstelligen. Egione
hofft das Beste. Seine Schlussrede (V. 452):
Edepol rem meam
Constabiliui, quom illos emi de praeda a quaestoribus.
Expediui ex seruitute filium, si dis placet.
At etiam dubitaui hos homines emerem an non eraerem diu.
Seruate istum sultis, intus, serui, ne quoquam pedem
Ecferat sine custodela. [iaml ego apparebo domi,
Ad fratrem modo [ad] captiuos alios inuiso meos.
Eadem percontabor, ecqui hunc adulescentem nouerit.
Sequere tu: te ut amittam, ei rei primum praeuorti uolo.
lautet bei Clerici (S. 19): (Da se, sofFermandosi) Stavolta poi ho
fatto dawero un buon affare! Se piace a Dio, io penso d'avermi
giä riscattato il figliuolo ... E dire che tentennai alquanto se
aveva o no da comperarli! Ora andro da mio fratello a vedere
quelli altri schiavi, e da quella via domanderö se c' e'alcuno che
conosca codesto giovinotto. (accenna alla casa). (Volgendosi brusca-
Clerici. Rotrou. 339
mente a Filocrate.) Andiamo se vuoi che ti sbrighi: ciö per primo
(partono da sinistra).
Ein Beispiel der von ihm befolgten Übersetzungsweise.
IL Akt. (1.) Ergasilos Monolog. (2.) Egione, Tin-
daro, Aristofonte. Tindaros Betrug wird offenkundig. Egi-
one lässt ihn abführen. Xon voglio piü aver pietä di nessuno,
poiehe nessuno 1' ha di me (V. 764). Die letzten zwei Verse des
Aristofonte sind weggeblieben.
III. Akt. (1.) Ergasilo mit froher Botschaft, die er Egi-
one mitteilt; er erhält die Aufsicht über die Küche. (2.) Ein
servo berichtet von seiner Thätigkeit. (3.) Egione, Filopo-
lemo, Filocrate und Stalammo treten auf. Das Verhör Sta-
lammos durch Egione bildet eine eigene (4.) Szene. (5.) Fi-
locrate wird gerufen und alsbald (6.) Tindaro, mit dessen
Ketten Stalammo belastet wird. Den Epilog an die Zuschauer
spricht Filocrate.
Ein treffliche französische Bearbeitung der Captivi hat im
Jahre 1638 Jean Rotrou in gewohnter Meisterschaft geliefert.
Sein Lustspiel „Les Captifs"1) ist eine ganz vorzügliche, um
einige glückliche Verwickelungen erweiterte"2) Erneuerung des an-
tiken Dramas.
I. Akt. (1.) Philenie entdeckt ihrer Freundin Olympie,
der Tochter Hege es, dass sie liebe, und zwar einen der Kriegs-
gefangenen, die ihr Vater kaufte, Philocrate. Es besteht aber
ein Testament ihres verstorbenen Vaters, an welches sie Olympie
erinnert (S. 100):
. . . le testament qu'a laisse votre pere
A dispose de vous et vous donne ä mon frere.
Ne le savez-vous pas et seule ignorez-vous
Un acte si celebre et si connu de tous?
Dagegen kann sie nur erwidern, dass der ihr bestimmte Bräutigam
als Knabe von vier Jahren geraubt wurde.
. . . ä peine il entroit en sa quatrieme annee
Que son enlevement rompit notre hymenee
Je n'avais que trois ans . . .
') Les Captifs, ou les esclaws. < "> >m >'•>! i<- par Jean Rot rou. Paris
lf>38. — Hier ist zitiert nach „Oeuvres de J. Rotrou. Tome quatrieme.
(S. 89—184.) Paris 1820." (Th. Desoer.)
2) Ed. von 1S20. S. 91: „La comedie des Captifs est enoore La tra-
duction d'une piece de Piaute qui porte le meme fcitre. Le pbete latin
s'applaudit beaucoup de ce qu'il n'entre daus sa comedie ni femme, ni
ämour; c'est le seul changement que Rotrou se soit permia
d'y faire, et il douue lieu ä plusieurs scenes heureuses."
22
340 rV> Captivi.
Philenie lässt die unverbrüchliche Treue ihrer Liehe zu Philo-
crate hereits durchblicken. Nach dieser, Eotrou angehörigen,
Szene tritt (2.) der Parasit Ergazile, wie hei Plautus, auf. Sein
Monolog gilt dem Hunger:
cet animal avide et ravissant
Qui ne cherche qn'a paitre et se tue en paissant.
In freiester Weise überträgt er die plautinischen Ideen über das
Leben der Parasiten. (3.) Hegee mit Pseudolus, dem Lo-
rarius des Plautus, erscheint. Alles schliesst sich aufs ge-
naueste ans Original an, doch ist nirgend eine sklavische
Übersetzung, sondern nur eine poetische Übertragung
bemerkbar; so z. B. Pseudolus:
. . . Naturellement les fers sont abhorres,
Puisqu'ils nous privent d'un bien que nature nous donne;
bei Plautus (7. 119):
Omnes profecto liberi lubentius
Sumus quam seruiinus.
Kürzer jedoch, als Plautus, greift Rotrou nur noch
V. 125, „Set satis uerborumst: cura quae iussi atque abi, " heraus:
„C'est assez discourir, fais ce que je t'ordonne,"
während die folgende Rede des Parasiten (V. 133):
Ego qui tuo maerore maceror,
Macesco, consenesco et tabesco miser.
Ossa atque pellis sum niiser aegritudine.
Neque umquam quicquam me iuuat quod edo domi:
Foris aliquantilluin etiam quod gusto id beat
zum Teil auch durch den Alexandriner wesentlich umfangreicher
wird:
Helas! demandez-vous, quelle douleur me presse?
C'est de votre malheur que je suis macere,
Triste, päle, transi, maigi'e, defigure;
Je suis vieux ä trent ans du mal que vous afflige;
Ne remarquez-vous pas, comme je me neglige
Et que je ne suis plus qu'un squelette mouvant,
Qui dedans le tombeau va cboir au premier vent?
De moi-meme dejä je tombe de foiblesse;
Le moindre bruit m'abat, uue moucbe me blesse.
Jamais homme afflige ne le fut ä ce point;
Ce que je prends cbez moi ne me profite point
Et comme ailleurs aussi je prends fort peu de chose,
J'ai le cerveau tout vide et jamais ne repose.
In gleich breiter Form sind die zwei Verse („Semper sensi
filio'', 140) und das kurze .,Egone illum non fleam?" (V. 139) in
Kotrous Les Captifs. 341
fünf, beziehungsweise drei Alexandrinern umschrieben; Gedanken-
gang und Dialog jedoch schliessen sich völlig an Plautus an,
nur dass bei Rotrou der Parasit seiner Freude über die ihm
gewordene Einladung in weiteren fünf Versen Ausdruck verleiht.
Der zweite Akt beginnt mit drei dem Rotrou gehörigen
Szenen. Clelie, eine Sklavin des Hegee, bittet Pseudole,
ihrer Herrin Phile nie eine Zusammenkunft mit Philocrate zu
gewähren, und der in Clelie verliebte Pseudole hat nichts da-
gegen, „si je te pouvais plaire autant que tu nie plais", (S. 111).
Im Folgenden erörtert Phile nie ihre glühende Liebe zu Philo-
crate. — Mit der vierten Szene geht es wieder genau auf
Plautus über, nur wird der französische Dichter meist breiter;
selten gelingt es ihm ganz so kurz, wie z. B. V. 210:
Capt. Vnum exorare uos sinite nos.
Lor. Quidnam id est?
Capt. Vt sine hisce arbitris atque uobis locum
Detis nobis loqui.
Lor. Fiat, apscedite hinc: nos concedamus huc.
Phil. Pour toute gräce au moins accordez-nous un bien!
Pseud. Quel?
Phil. D'avoir seul ä seul un moment d'entretien.
Pseud. Oui, passons par ici; vous prenez cette route.
Sie tauschen nun die Rollen:
„Je suis donc Philocrate, et vous etes Tyndare,"
sagt Tyndare. Die Nachforschungen Hege es um seinen Sohn
sind dem Sinne und gewöhnlich auch dem Wortlaute nach mit
Plautus völlig übereinstimmend. Philocrate wird abgeschickt,
um nach Hege es gefangenem Sohne zu kundschaften.
Den dritten Akt leitet, wie im Originale, der Parasit ein
(V. 461, Miser homost, qui u. s. w.):
Malheureux qui court tant pour un mauvais repas!
Plus malheureux encor qui court et ne l'a pas.
Et qui, foible dejä de la faim qui le presse,
A courir vainement croit encor sa foiblesse!
0 jour melancolique, importun, ennuyeux,
A qui, si je pouvois, je creverois les yeux
u. s. f., wie es Rotrous Sprache mit sich bringt, erweiternd und
umschreibend. — Hegee hat von Philenies Liebe durch Olympie
erfahren. Er klagt, dass alles so kommen musste; doch hat er vor
dem verwaisten Hegio des Plautus noch den Trost voraus, eine
Tochter zu besitzen (S. 132):
Malheureux en mes fils, le ciel veut qu'une fille
Soft l'honneur et l'appui de toute ma famille.
342 IV. Captivi.
Indessen hat Pseudole, obgleich „fort ignorant en matiere
d'amottr", Philenies Liebe zu Philocrate entdeckt und teilt es
Tyndare mit. ■ — Seine Liebe zu Clelie lässt ihn sogar sich bis
zu Versen versteigen; doch (S. 133):
„je cherclie encore la rime du dernier."
Lange bemüht er sich umsonst zu dichten, zuletzt giebt er die
Poesie auf,
„je deteste la muse, et maudis le Parnasse."
So sehr hat sich der plautinische lorarius in Frankreich
zivilisiert!
Den plautinischen Aris tophont es spielt hier Crisimant,.
ein Edler von Elis. Er ist gefangen und von Hegee gekauft
worden. Er wird nun Tyndare gegenübergestellt. Jetzt ist alles
verraten. Tyndare thut, als kenne er ihn wohl als einen in
Elis gefürchteten Narren, was Hegee glaubt (V. 559):
Credidi esse insanum eoctemplo, ubi te appellauit Tyndarum.
J'ai bien des cet abord reconnu sa folie:
II vous nomnioit Tyndare.
Vergeblich bemüht sich Crisimant, den Alten aufzuklären (F. 579):
Vt scelestus, Regio, nunc iste [te] ludos facti!
0 credule vieillard, ä quel point on te joue!
Tyndare jedoch erwidert ihm gewandt (V. 581):
Quia tute ipse eges in palria nee tibi qui uhias domist,
Omnis inueniri similis tui uis: non mirum facis :
Est tniseronim, ut maleuolentes sint atqtte inuideant bonis.
Chez toi reduit au point d'une misere extreme
Tu voudrais bien qu'ici chaeun fut cru de meme:
C'est un vice commun ä tous les malheureux
De faire, s'ils pouvoient, que chaeun füt comme eux.
Die Schilderung des Philocrate ist hier etwas kürzer gegeben:
Chätain, de basse taille, un peu haut en couleur,
De vingt ans ä peu pres.
Rascher auch, als bei dem römischen Dichter, naht hier die
Katastrophe. Lichax, Daniste, Arbax (bei Plautus Colaphus,
Cordalio, Coi"ax, V. 658) kommen mit Stricken; Tyndare hat
aber immer noch, Avie bei Plautus (V. 663), ein Wort des Witzes
oder der Entschiedenheit:
Mon maitre etoit aux fers, je les ai detaches.'
N'est-ce pas l'action que vous me reprochez?
Rotrous Les Captifs. 343
Crisimant ahnt das Geheimnis (V. 697) zu spät:
Je comprends le secret. Qu'ai-je fait, justes dieux!
Tyndare ist erfreut, seinem Herrn gedient zu haben, und lässt
sich willig abführen.
Ergazile kommt zum Mahle und hört von Hegee die ver-
nichtenden Worte:
Je ne souperai point; pardonne ä ma tristesse.
Mais demain . . .
..Raillez-vous?" stammelt er, um die Bestätigung zu erfahren:
Excuse mes ennuis.
Adieu, je ne puis rire en l'etat, oü je suis.
Ergazile s Worte und sein verzweifeltes:
T'etouöe le repas, oü tu m'as invite
Et te traite le ciel comme tu m'as traite!
schliessen launig den Akt bei Rotrou, der bei Plautus fast ein
tragisches Ende nimmt.
Heiter beginnt auch der vierte Akt. Pseudole sitzt wieder
über seinen Versen. Xoch immer hat er den Reim zu seinem
„De geölier que j'etais, je suis ton prisonnier"
nicht gefunden. Clelie, .,son ange, " kömmt dazu. Er liest ihr
seine Dichtung vor, und neckisch findet sie von seinen Versen:
„ils sont beaux et passent mon merite.-'
In Phile nies Namen bittet sie Pseudole, dieser eine Zusammen-
kunft mit Tyndare zu ermöglichen. Bald kömmt Philenie; sie
kann ihren Geliebten nicht lassen:
„il est charmant, mais serf; il est serf, mais charmant."
Clelie soll unterdessen Pseudole beschäftigen.
Philenie erklärt nun Tyndare ihre Neigung. Sie wird ihn
ewig lieben. Sein Auftreten ist nicht das eines Sklaven. Sie
scheidet von ihm mit den Worten:
..Mais je perdrai la vie en te perdant. Adieu!-'
Erst mit der siebenten Szene geht Rotrou wieder auf Plautus
(7. 768):
Iuppiter supreme, seruas me measque auges opes:
Sacre pere des dieux, tu couserves ma vie
344 IV. Captivi.
u. s. w., über. Hegio kömmt ärgerlich über den ganzen Vorfall
(V. 781):
Quanto in pecfore hanc rem meo magis uoluto,
Tanto mi aegritudo auetior est in animo.
Plus cette trahison me repasse en l'esprit,
Plus ma douleur s'aecroit et mon courroux s'aigrit.
Der Parasit sebimpft für sich, wie bei Plantns; statt der Worte
jedoch (7. 793):
Hie homo pugilatum iueipit.
sagt Hegee:
Oü fuirai-je ? Quel trouble excite ainsi sa bile?
Et quels lieux me seront im salutaire asile?
Die im Eingange des vierten Aufzuges angefügten Sze-
nen nötigen Rotrou hier zu einiger Kürze. Darum ist der Auf-
tritt zwischen Ergasilus und Hegio hier zusammengezogen.
Ergazile meldet die frohe Botschaft:
,.Ton esclave d'Elide avec ton fils arrive."
Freudig verlässt ihn Hegee, die Szene jedoch, wie der Parasit
Hege es Worte:
Prencls le soin du souper, donne ordre ä la cuisine;
Tranches-y, coupe, taille, ordonue absolument;
C'est ta possession, c'est ton gouvernement,
(F. 894 bei Plautus) zur Wahrheit macht, sehen wir bei Ro-
trou nicht mehr; ebensowenig das Weitere in Vers 900 — 922
bei Plautus Geschilderte.
V. Akt. Heg^e begrüsst seinen Sohn Chrysophore —
den Philopolemus des Plautus — so ziemlich wie im Origi-
nal, nur etwas akademischer, wie z. B. :
,.De ce mourant Eson ta vue est la Medee."
Stalagme, welcher den vierjährigen Knaben stahl und verkaufte,
erscheint hier noch schuldbeladener:
Toute la ville a droit de puuir ce perfide,
Puisqu'il a contre nous pris le parti d'Elide.
Wie Hegio (F. 954) ihn anspricht:
Age tu illuc procede, bone uir, lepidum maucupiuni meum!
so ruft ihm Hegee zu:
Approche. bon vieillard, saint liomme. komme de bien!
Rotrous Les Captifs. 345
Nach den Aussagen Stalagmes, den Er im and, Hege es
Bruder, eine bei Plautus öfter genannte (V. 126, 194), doch
nicht auftretende Persönlichkeit einführt, erkennt man Tyndare,
der vordem Crisale hiess, als Hege es Sohn. Tyndare tritt
unter dem Eintritte des Erlittenen auf (F. 997):
Vidi ego mulla saepe picta quae Acherunti fierent
Cruciamenta u. s. w.
J'avois bien autrefois vu l'horrible peinture
Des lieux oü des clamnes l'äme est ä la torture,
Mais je ne trouvois point ce noir sejour des morts
Depeint avec l'horreur des Enfers oü je sors.
Hegee umarmt ihn als seinen Sohn. Olympie naht; Philo erat e
wirbt um ihre Hand und erhält sie, sodass er Hegee sagen kann:
Vous perdites deux fils, vous en recouvrez trois.
Auch Tyndare wird mit Philenie vereinigt. Alle Gefangenen
erhalten die Freiheit mit Ausnahme des Stalagme (nach V. 1027):
Qu'ä tous mes prisonniers on donne la franchise,
Et que Stalagme seul, charge de tous leurs fers,
Fasse epreuve des maux que mon fils a soufferts.
Clelie imd die Köche kommen, um sich über den Parasiten zu
beschweren, im allgemeinen nach der im vierten Akte unter-
drückten Szene des Plautus:
„II en de'voreroit plus qu'un autre n'en dresse,
Et toute viande est bonne ä la faim qui le presse."
Ergazile hat seine Stelle arg missbraucht; dennoch aber
lässt ihm Hegee die Herrschaft an diesem frohen Tage, und die
„rebelles sujets" haben ihm, ,.leur empereur," zu gehorchen.
Noch folgt eine kurze Szene. Alle, meint Pseudole, haben
eine Frau bekommen; Clelie solle denn auch ein ,.oui" sagen,
in welches sie gerne einstimmt:
Oui, n'en veux-tu qu'un seul? oui, Clelie est ä toi,
Et jamais autre objet n'engagera ma foi.
Beseligt will er einen Kuss, worauf sie erwidert:
Oui, tiens, ne te plains plus; et prends en plutöt deux.
Diese letzten drei Szenen gehören natürlich wieder liotrou
an und bilden einen hübschen Abschluss Plautus gegenüber,
der das „ewig Weibliche" aus seinem Stücke verbannt und mit
der Strafe, und den trotzigen Worten des Stalagmus sein Lust-
spiel endet.
346 IV. Captivi.
Durch diese Zuthat Rotrou s ist gewiss nichts gegen die
.. pudici mores" geschehen, und zählt sein Lustspiel nicht minder
zu jenen, „uhi honi meliores fiant".
Rotrou hat ein effektvolles, in edelster Sprache fein durch-
geführtes Stück geschaffen, halb nachahmend, halb neu schöpfend,
mit vollem Verständnis für seine Zeit, und doch mit aller Pie-
tät gegen das Altertum, ein Stück, das heute noch auf den
Brettern seines Erfolges sicher wäre. ')
Vor Rotrou hatte sich der Dramatiker Pierre Duryer
(1609 — 1659) mit den Captivi beschäftigt;2) später Jean Roy,
dessen nicht gedrucktes Lustspiel „Les Captifs" am 28. Septb.
1714 in Paris aufgeführt wurde.3) Es ist dreiaktig in Versen
und mit einem Prolog versehen.4)
Ehe 1713 P. de Costes französische Übertragung5) erschien,
war 1666 schon zu Paris eine anonyme Übersetzung der
Captivi des Plautus in 12° gedruckt worden.6) Sie stammt
von Thomas Guyot, einem Lehrer von Port -Royal.
Eine äusserst gelungene Kontamination zweier plautinischer
Stücke, der Aulularia und der Captivi,7) ist in dem englischen
Lustspiele „The Case is altered"8) enthalten, Avelches Ben Jon-
son9) zugeschrieben wird.
*) Vgl. allerdings Les comedies de Piaute, traduites en frangais
par E. Sommer. Paris, Hacliette, 1876. I, 194. „La piece de Kotrou
est loin de valoir celle de Piaute."
2) s. Sommer a. a. 0. „La scene francaise ä eile seule en a vu
representer trois, l'une de du Ryer, l'autre de Rotrou et la derniere
de Roy (1714)."
3) Hipp. Lucas, Histoire philosopliique et litteraire du theätre
francais (111,324): „Les Captifs, comedie en vers libres, en trois actes,
avec des divertissements et un prologue aussi en vers libres, non im-
primee de M. Roy."
4) Beauchamps, Recherches. LT, 316.
5) Ibid. 317.
c) Sulz er. III, 704b. — Vgl. Schweiger, Handbuch. II, 2 und
Sainte-Beuve, Port-Royal. III, 505.
7) Ben Jonson, ed. Gifford. VI, 421: There is a considerable
degree of ingenuity in the construction of tbis lively comedy. The au-
tbor probably found the plot of the Aulularia too simple for bis pur-
pose, and the dexterity with which he contrived to interweave that of
the Captivi with it, so as to form a consistent whole, is very worthy of
praise. — Dunlop, Hist. of Roman litt. I, 172. — TJ s sing. LI, 459.
8) S. 319 — 423 des sechsten Bandes von Ben Jonson (ed. Gifford).
9) Das Stück wird gewöhnlich ins Jahr 1598 gesetzt und dem An-
thony Munday (nicht aber von Collier) oder von andern Stephen
Jones zugeschrieben. Vgl. dagegen Ben Jonson, ed. -Gifford. I
XXXIV): „In 1598 it was already a populär piece and it bears about
B. Jonson's The Case is altered. 347
Lassen wir alle nicht hierher gehörigen Episoden, so be-
sonders den trefflichen Sclmhflicker Jnniper und seine Gesell-
schaft, so vertritt uns das Haus des Geizhalses Jaques de Brie
die Aulularia, jenes des Count Ferneze die Captivi. Die
Szene ist nach Mailand verlegt.
Count Ferneze hat einen Sohn verloren (I, 2., S. 343):
I had one other, younger born than tliis
Bat twice so many hours as would fill
The circle of a year, his name Camillo,
Whom in that black and tearful night I lost,
('T is now a nineteen years agone at least)
It was that night, wherein the great Chamont,
The general for France, surprised Vicenza.
Dort wurde nach seiner Annahme sein Sohn von Soldaten
ermordet.
Der zweite Akt führt uns in Jaques' Haus. Wir lernen
in dem Monologe einen verbitterten Geizhals kennen, der unter
der Maske eines stadtbekannten Bettlers seinen Reichtum verbirgt.
Jonson hatte den Prolog des Lar familiaris im Sinne, als er
die einleitenden Worte seinem Jaques de Brie in den Mund legte.
Er besitzt eine wunderschöne Tochter:
But now this maicl is but supposed my daughter;
For I being steward to a lord of France,
Of gi-eat estate and wealth called lord Chamont,
He gone into the wars, I stole his treasure,
And this his daughter being but two years old,
Because it loved me so, that it would leave
The nurse herseif, to come into niine arms.
Da er sich von Hause entfernen muss, giebt er seiner Tochter
Rachel Verhaltungsmassregeln. Sie soll das Thor offen lassen
und laut sprechen, als seien Leute im Hause, um Diebe ferne
zu halten. Mit Euklio (7. 91) befiehlt er:
Put out the fire, kill the chimney 's heart,
That it may breathe no more, than a dead man,
it the marks of juvenility ... He (Ben Jonson) was now recent from
the Roman writers of comedy, and, in this pleasant piece, both
Plautus and Terence are laid under frequent contribution."
(Ibid. CCXI.) We may collect from „the Case is alte red" and.
„Every Man in his Humour" that he was recent from the study of
Plautus and Terence: but this was little. — (Ibid. VI, 320): „This co-
medy, which should have stood at the head of Jonson 's works, had
chronology only been consulted, was first printed in -4'", 1609, but must
have been written at least ten or a dozen years before, since it is fami-
liarly spoken of by Nash in his Leuten stuff, which appeared in 1599:
„It is not right, oi' the merry coblcr's cutte in that witty play of .the
Case is altered', pag. 68. :' Vgl. auch das Weitere a. a. 0.
348 IV. Captivi.
ein Gedanke, der weiter ausgesponnen, in ,.The Devil is an
Ass" (S. 79; 307) wiederkehrt.
Die schöne Rachel hat unterdessen an dem Haushofmeister
des Grafen, Christophero, einen neuen Verehrer gewonnen, und
der Graf ist mit seiner Werbung gänzlich einverstanden, nicht
ahnend, dass sein Sohn Paolo Rachel de Brie liebt.
Der dritte Akt spielt wieder in Jaques' Haus und damit
in der Aulularia. J)
Kaum sieht Jaques Leute, so eilt er ins Haus:
He has been at my cloor, he has been in,
In my dear cloor; pray God my gold be safe.
Wie Euklio kömmt er alsbald wieder befriedigt zurück:
'T is safe, t is safe, they have not robb'd my treasure.
Bei Christoph er os Werbung vermutet er, wie Euklio dem Me-
gadorus gegenüber, dass er Kenntnis von seinem Schatze habe:
„My gold is in bis nostrils, he has smelt it,"
und freudig eilt er, sowie er den Freier angebracht hat, zu seinem
Gelde.
So, he is gone; would all were dead and gone,
That I might live with my dear gold alone.
Während der Graf bei Jaques ist, bringt ein Bote die
Nachricht, dass auch sein zweiter Sohn Paolo jüngst von den
Franzosen gefangen worden sei. Der Graf will alles thun, ihn
auszulösen.
Jaques vergräbt sein Gold im Dünger. Gifford in der
ihm eigenen Verherrlichung Ben Jonsons meint (VI, 372):
') Ed. Gifford. VI, 367: „The character of Jaques is forme d
upon that of Euclio in the Aulularia of Plautus; and is drawn with
that masterly expression which distinguishes the works of Jonson. The
scene between Christophero and Jaques, with what follows between
the coimt and him, is copied from what passes between Euclio and
Megadorus; but with so high an improvement, as determines the palm
of applause in favour of our author. The original here is: ,Non tenie-
rarium est, ubi dives blande appellat pauperem.'" [Whalley.]
The translator of Plautus does not subscribe to the alleged supe-
riority of our author, and I am not sure, that he has not reason on Ins
side. Whalley might commend the copy with justice, for it is truly
excellent, but he should not have sacrificed the original to it. The spi-
rit and arch simplicity of Plautus even when it borders on rudeness,
is not easily outdone; and though Jonson, perhaps, is richer in cir-
cumstance yet the critic should have recollected the admission of a very
competent judge — facile est inventis addere — and have abated
somewhat of bis panegyric on that score.
B. Jonson's The Gase is altered. 349
„This is from Plautus, where Euclio also removes his gold to
a new hiding-place. The speaches of the two misers, however,
have no circumstauce in common; nor has the latin poet any
thing that can be set in comparison with this admirable and cha-
racteristic soliloqny of Jaques. " Diesem Urteil kann gewiss nie-
mand beipflichten. Die halbphilosophischen Reflexionen Jaques',
gegenüber dem einfachen Enklio, der sein Geld der Fides an-
vertraut, sind wenig wirkungsvoll.
Das weitere Interesse nehmen die Gefangenen, ganz
nach Plautus, in Anspruch. ') Chamont und Camillo — -
genannt Gasper ■ — sind wie Philokrates und Tyndarus,
aufrichtige Freunde, und Chamont kann sagen:
How may I bless the time, wherein Chamont,
My honour'd father, did surprise Yicenza,
Where this my friend (known by no name) was found
Being then child, and scarce of power to speak,
To whom my father gave this name of Gasper,
And as his own respected him to death.
Die weiteren Szenen bei Jaques sind wieder der Aulu-
laria entnommen, insgesamt dem Inhalte, oft auch dem Wortlaute
nach ; so z. B. :
Jaq. Shew my thy hands, what hast thou in thy hands?
Jan. Here be my hands.2)
u. s. w. Der Geizhals eilt wieder zu seinem Schatze.
't is safe ! 't is safe ! it lies and sleeps so soundly,
't would do one efood to look on 't.
') Ed. Gifford. VI, 397: „The whole incident of Paolo Fer-
ne ze 's being taken prisoner ontheoneside, and Chamont and
Camillo on the other, with the exchanging their names, and
Camillo's being left for Chamont, is taken from the Captivi
of Plautus. The son of Hegio is taken prisoner; and with a view to
ransom his son by the exchange, Hegio buys Philocrates and Tyndarus,
two Elian captives. Tyndarus is slave to Philocrates, and is left under
his master's name, while the true Philocrates is sent to Elis, under the
name of Tyndarus, to effect the liberty of Philopolemus, the son of Hegio.
The fraud however is discovered to Hegio, before the return of Philo-
crates; and Tyndarus is put to the torture änd sent to the mines. At
the return of Philopolemus and Philocrates, with whom also there comes
Stalagmus, a fugitive slave of Hegio, it is discovered that Tyndarus is
the son of Hegio, who was carried away by Stalagmus at the age of
four years and sold by him to the father of Philocrates. The reader
will perceive from this account the exact similitude between
the copy and the original; and I have been thus particular in poin-
ting out the ressemblance, for the assistance of those, who may want
the ability of comparing them together." [Whalley.]
2) Ibid. VI, 390. This scene is an Imitation of that, in which
Strobilus is examined by the miser. But its pleasantries are within
350 IV. Captivi.
Über seinem Gelde entdecken Juniper und Onion den
Alten nnd holen sich nach seiner Entfernung den Schatz. *)
Das Weitere mit Camillo verläuft wie in den Captivi.
Camillo erregt des Grafen heftigen Zorn wegen seiner Treue
zu Chamont.
Im fünften Akte trifft frohe Nachricht ein. Paolo kehrt
zurück. Zugleich aber entdeckt Jaqu.es den Diebstahl.
Thou hast inade away my child, thou hast my gold.
0 what hyena call'd me out of doors?
The thief is gone, my gold 's gone, Rachel 's gone,
und später dann:
My gold, my gold, my life, my soul, my heaven!
What is become of thee?
Das Ganze endet natürlich zu allgemeiner Zufriedenheit,
Avobei das Wort ,.the case is altered" eine grosse Rolle
spielt. Der gefesselte Camillo erweist sich als des Grafen Sohn
durch ein Medaillon (a fablet) mit einem „silver globe" und der
Inschrift „In minimo mundus". Jaques bekehrt sich zu dem
Grundsatze „Ill-gotten goods ne'er thrive". Er hiess Melun,
und Rachel ist Isabel, Chamonts Schwester. Paolo erhält
Rachels Hand, Chamont die Aurelias, der Tochter des Grafen
Ferneze. Richtig ist, dass Ben Jonson die Figur der Rachel
neu geschaffen hat;2) doch wird der Schurke Jaques allzu
the bounds of nature; and severer judgment instructed Jonson no to
outrage Ins characters, as Plautus did before him. Jaques examines
both the hands of Juniper, but he does not, like Euclio, bid him
procluce his third band ... No degree of avarice could lead one to
suppose, that a man has three hands. [Whalley.]
') Ed. Gifford. VI, 389. This too is from the Aulularia, where
Strobilus gets up into a tree to watch Euclio. The motive however
is different. In Plautus the discovery of the treasure is the prime ob-
ject, in Jonson it is merely incidental, and forms uo necessary part of
the plot. Rachel might have obtained a husband, had Jaques been
as poor as every one thought him; whereas the Lar kindly informs us
in the prologue that the treasure was expressly bestowed on Euclio, that
he might be enabled to give a marriage portion with his daughter to a
youth of quality, who, as the stage-custom was, „eam compresserat."
2) Ibid. VI, 409. The character of Rachel is exquisitely drawn:
she is gentle and modest, yet steady, faithful and affectionate. Xothing
less than this was requisite to justify the number of her admirers,
Oniou, Christophero, Augelo, Paolo and the count, his father, all in
short, who see her, solicit her love. Jouson derived no assistance
from Plautus in this part of his plot; for the young lady who corre-
sponds to Rachel is not seen at all, nor indeed, heard except on one
pressing occasiou, when she utters a scream behind the scenes. One
pretty trait of her is however given by the Lar ( V. 23) —
ea mihi cotidie
Aut ture, aut uino, aut aliqui semper supplicat ;
Dat mihi Coronas u. s. w.
R. Lenz: Die Algierer. 351
glimpflich behandelt, da der Graf die beiden Räuber, Juniper
und Onion, strenge bestrafen lässt:
Keep the knaves sure, strict inquisition
Shall presently be made for Jaques' gold,
To be disposed at pleasure of Chamont,
während Chamont gnädig1 zu Jaques sagt:
Melun, I pardon thee, and for the treasure,
Recover it. and hold it as thine own.
Der im Jahre 1582 erschienenen deutschen Bearbeitung der
Captivi durch Martin Hayneccius ist (S. 94) Erwähnung ge-
schehen, ebenso, dass auch Lessing dies sein Lieblingsstück
(Beiträge u. s. w., 1750, im zweiten Stücke) übersetzte, worauf
noch 1768 die Übertragung von Lipsius (Schmalkalden in
8°) folgte.
H. Hettner (III, 85) will auch in Lessings Philotas
das Motiv der Captivi des Plaut us finden, was indessen
K. Seidner (Lessings Verhältnis zur altrömisehen Komödie.
Mannheim 1881), Seite 18, bestreitet: desgleichen auch Box-
berger.1)
Auch J. M. R. Lenz hat sich mit den Captivi beschäftigt,
leider ist seine Bearbeitung derselben, „Die Algierer oder
Seeräuber," verloren gegangen.
August Stöber (Der Dichter Lenz und Friederike von
Sesenheim, Basel 1842) erwähnt (S. 8) unter Lenzens Arbeiten
(4.) „Nachahmung von Plautus Captivei", die Tiecks Ge-
samtausgabe nicht hat. Vollständiges Licht über diese unbe-
kannte Komödie verbreitet erst K. Weinhold (Dramatischer
Nachlass u. s. w. , 1884), der hierüber (S. 24) Nachstehendes
berichtet:
„Das sechste Stück von Plautus, welches Lenz bearbeitet
hat, waren die Captivi. Jedenfalls geschah es nach dem Druck
jener fünf. Aus dem Oktober 1775 hören wir zuerst von ihnen.
Am 23. Oktober schreibt Lenz an Gott er Klagen über seine
traurige Lage in Strassburg und das Verderben aller Hoffnungen
in seinem Vaterlande durch die Komödienschreiberei und fährt
sodann fort: ,Ich habe ein kleines Stück in meinem Schrank
liegen, das allenfalls auch spielbar seyn würde. Fragen Sie Herrn
Seyler, ob er mir sechs bis sieben Dukaten dafür geben möchte,
ich bin nie gewohnt gewesen, meine Sachen zu verkaufen; die
l) Schnorrs Archiv. XL •_".'<;.
352 IV. Captivi.
höchste Noth zwingt mich dazu. Doch hoff ich, Herrn Seiler (sie)
wird der Kauf nicht gereuen. Es ist eine Nachahmung der
Captivei im Plautus.'
„Gotter antwortete auf diesen Brief teilnehmend, und Lenz
schrieb ihm darauf: ,In der grössten Eilfertigkeit kann ich Ihnen
nur, bester Gotter, sagen, dass ich Ihr edles, liebes Schreiben er-
halten, für Ihre Theilnehmung danke und Sie bitte, mir das
Schicksal und die Aufnahme meiner Captivei in zwey
Worten zu berichten. Vor allen Dingen sagen Sie aber Goethen
kein Wort von alledem, wenn Ihnen meine Freundschaft noch
werth ist. Ich erwarte die Missive mit der fahrenden. Oder
das Manuskript wieder. — — Leben Sie wohl, und antworten
Sie bald Ihrem äusserst zerstreuten , aber stets redlichen J.
M. R, Lenz.'
„(Auf dem Rücken von Blatt 2): ,Ihr Urtheil! Es ist hier
in grosser Gesellschaft vorgelesen worden und hat Glück gemacht.
— Doch ists das einzige Manuskript, das ich habe.'
„Unter dieser Vorlesung in grosser Gesellschaft meinte der
grossthuende Lenz die Vorlesung in der Salzmannsehen litte-
rarischen Gesellschaft, in deren Protokoll er am 23. November
eintrug: ,Weil derjenige, den die Ordnung traf, nichts hatte
bringen können, las Herr Lenz eine Nachahmung der Cap-
tivei des Plautus vor, die er aber, weil sie schon verkauft
war, für diesmal nicht bei der Gesellschaft lassen konnte.'
„Das Manuskript begleitete er mit folgendem undatierten
Schreiben: ,Sie sehen, lieber Gotter, hier ein Stück, wo alle
Charaktere gleichsam nur angedeutet sind, dem Schauspieler nur
Winke geben, was er zu thun habe, und ihm auf keine Weise
vorgreifen. Ich habe alles wohl überdacht, es lässt sich nicht
anders für ein heutiges Theater einrichten, es würde sonst zu
lang, zu gross, zu unbändig. Wollten Sie den Herren vor-
schlagen, einen VersucETdamit zu machen, das Sujet ist wenigstens
ganz neu und, wie mich cläucht, geschickt genug, die Talente
eines Schauspielers zu üben. Die beyden Freunde handeln un-
endlich mehr, als sie reden, und ihr ganzes Sjnel setzt langes
Studium voraus. Zwei Leute, die determiniert sind, in allen
Fälnlichkeiten einander mit ihrem Leben beizuspringen , müssen
in jeder Bewegung, in jeder Miene Enthusiasmus für einander
weisen, sonst wird das ganze Spiel frostig und kalt. Auf diese
kommt nun alles an, was das Stück heben oder fallen machen
kann. Ebenso enthusiastisch für seinen Sohn muss der Vater
seyn, oder er wird abscheulich. Die Freude bey der Hoffnung,
seinen Sohn wieder zu bekommen, so ausschweifend, als die Wuth
bey Fehlschlagung dieser Hoffnung. Und das alles keine Gri-
masse unsers gleichgültigen Jahrhunderts, sondern wahres inniges
R. Lenz: Die Algierer. 353
Gefühl sein (sie). Unter diesen Voraussetzungen allein kann das
Stüek gefallen.
„Verzeylm Sie mir meine lange Paränese, ich weiss wohl,
da ss der Dichter viel vom Schauspieler lernen muss, aber Aviederum
kann er doch den Schauspieler am besten in den Standpunkt
stellen, aus dem er gearbeitet. Findt Herr Seiler es unspielbar,
so lassen Sie es aber drucken, es möchte doch wohl auch im
Lesen hie und da gefallen. Lenz. — Sechs Exemplare bitt ich
mir aus.
„Unter dem 2. Januar 1776 zeigte Gotter den Empfang der
Algierer mit dem ersten Posttage an und schickte Lenz aus eigner
Tasche vier Louisdor, da Seyler noch nicht geantwortet habe.
Er versprach zugleich, was er sonst noch in Gotha oder Ham-
burg für das Stück beim Theater erwuchern könne, ihm ohne
Verzug zu senden, da er nicht einsehe, weshalb der Schrift-
steller bei der geringen Aussicht auf Belohnung von dem Publi-
kum mit den Theaterdirektoren Komplimente machen solle.
..Mein Urteil über die Algierer? Noch kann ich nichts, als
sie loben. Zum urtheilen muss ich erst ein wenig kälter Averden.
Wenn dieses Stück keine Wirkung thut, so geh ich mich nie
wieder mir theatralischer Nativitätsstellung ab. Solch ein warmes
ungetheiltes Interesse! solche gedrängte Handlung! solche Einfalt
in Gang und Sprache! Mich dünkt, ich höre schon Eckhof Alonzo.
— Dass ich durch Hülfe eines mittleren Vorhanges die Akte zu-
sammengedrückt und aus fünf drei gemacht, werden Sie mir ver-
zeihen. LTnd dann einen einzigen Einwurf. Pieter ist seinem j
Vater ungefähr in seinem zehnten oder zwölften Jahr entrissen
worden. Sollte er sich so sehr verändert haben, dass Alonzo
nicht die geringste Spur von Ähnlichkeit mehr fände — und
wenn das wäre, auch der Vater? Pieter hört sich von seinem
Vater nennen, und sein Herz sollte diese bekannte Stimme nicht
wieder erkennen? — — Ihre Anmerkungen wegen des von den
beyden Freunden zu beachtenden Spiels sind vortrefflich, und ich
werde sie gehörigen Orts mittheilen.
..Arn 14. Januar dankte Lenz Gottern für die Mühewaltung,
seinen , Seeräuber' in die Hosen zu bringen, und für die vier
Louisdor. Als Folge der Bemerkungen des Freundes fügte er einige
kleine Einschiebsel in den ersten und zweiten Akt bei, die ich
als einzige Reste dieser Lenzischen Bearbeitung der
Captivi hier machen will.
„Etwa in der ersten Szene ersten Akts, sobald Alonzo Ma-
rianen den Anschlag entdeckt hat (wie die Stelle heisst, kann ich
mir nicht mehr erinnern), könnte der antworten, eli er ihm noch
den Glückwunsch thut:
23
354 IV. Captivi.
Marione. Wie aber — wenn Sie alles dies nicht nöthig hätten, und Ihr
Sohn etwa gar mit unter den Sklaven wäre, die der Ritter
Ackton eingebracht hat?
Alottzo. Er würde mich sogleich aufgesucht haben.
Marione. Er vermuthet Sie aber noch in Barcellona.
Aionzo. W'iird' ihm denn da nicht mein alter Freund Eamiro Nachricht
von mir gegeben haben? — Hören Sie, er ist Ihr Corre-
spondent, Sie könnten allenfalls doch, wenn Sie an ihn
oder Jemand anders in Barcellona schrieben, Nachfrage
thun. Sie erweisen mir einen Dienst dadurch. — Doch
was wollen wir uns mit Schimären den Kopf zerbrechen?
Ich weiss, dass sein Herr ihn nicht von sich lässt, wie
sollte er denn jemals in Spanierhände gerathen? So aber
bekomme ich ihn wieder und wenn er in Beelzebubs Klauen
steckte.
„Und weiter unten, etwa in der zweiten Szene zweiten Akts,
wo die Verwechslung der Kleider geschieht, als Osmann Pietro
fragt: ,Und was soll aus dir werden?' und dieser antwortet:
, Kümmert's mich doch nicht — ', könnte er frostig lachend hinzu-
setzen: ,Ich hab ja auch noch Verwandte in Spanien, die ich
aufsuchen kann, wenns aufs höchste kommt.'
„Zu einer Aufführung oder zum Druck der Algierer oder
Seeräuber ist es nicht gekommen. Am 20. Mai 1776 schrieb
Lenz von Weimar aus an Gotter: ,Wenn Sie, lieber Freund, die
Algierer noch nicht weggegeben haben, so wollt ich Ihnen un-
massgeblich rathen, sie Herrn Bode anzuvertrauen, der sie der
Schröderschen Gesellschaft in Hamburg zu spielen giebt , die
Ihnen gewiss reichlicher zahlen wird, als keine andere, und sie
sodann auch dort kann drucken lassen, woran mir am meisten ge-
legen, da ich keine Abschrift davon habe und sie doch Avieder
einmal lesen möchte.'
„Lenz nahm nun an, dass Gotter Boden das Manuskript über-
geben habe, und Hess später diesen durch Brie daran erinnern.
Erzürnt schrieb darauf Bode am 20. Dezember 1776: ,Ist Lenz
toll? mir hätt' er was für Schröder mitgegeben? auf meine Ehre,
nichts! vielleicht hat er Gotter in Gedanken gehabt. Auch das
wird Schröder am besten aufklären können. Lenz ist ein sonder-
bares Genie.'
„Niemals hat der Dichter seine Algierer wiedergesehen. Sie
sind verschollen. In Gotters Nachlass hat sich nichts davon ge-
funden. "
So ist die deutsche Litteratur um die einzige freie Nach-
ahmung der plautinischen Captivi gekommen, die nach Gott eis
Kritik vielleicht manche der übrigen Imitationen Lenzens an
Gehalt und Durcharbeitung überragte.
V. Curculio. 355
Ziemlich zahlreich sind die neueren deutschen Übersetzun-
gen der Captivi.1)
V. Curculio.2)
Der Curculio des Plautus hat eine widersprechende Be-
urteilung bei den Kritikern erfahren. Die Romantiker haben das
Stück ziemlich hoch gestellt, andere, vornehmlich la Harpe
unter den Franzosen, haben es in durchaus ungünstiger Weise
kritisiert. Rapp3) findet, „schon mit dem Aufzug der Szene zeigt
sich entschieden das romantische Element hier herrschend . . .
Das Ständchen, das Phädromus singt, die Alte mit ihrem
bakchischen Weindurst, endlich die ganze Liebesszene des ersten
Aktes giebt ein reizendes Bild von lyrischer Wirkung, vollendet
in seiner Art." Bei alledem jedoch erklärt Rapp, dass die gro-
teske Wirkung des Parasiten (von seinem Auftreten an) den
Mangel des Stückes decken muss, dessen Erfindung Teuf fei4)
„ziemlich dürftig" nennt. „Es ist gewiss," fährt Rapp fort, „dass
der Mechanismus der Intrigue des Stückes über die Massen leicht-
sinnig behandelt ist, kaum für ein Ballet oder improvisiertes Possen-
spiel hinreichend motiviert. ... Es schliesst sentimental, wie es
angefangen hat."
Beim Beginne des ersten Aktes ist es Mitternacht. Der
Tempel des Äskulap, neben ihm das Haus des Kupplers und auf
der andern Seite das des Phädromus bilden den Hintergrund.
Phädromus spricht seinem Sklaven Palinurus von der Liebe
zu seinem Mädchen Planesium, welches im Hause des Kupplers
Kap päd ox wohnt. Dieser ist krank; eine alte Frau besorgt und
bewacht das Haus. Indem Phädromus die Trunksucht der
Alten benützt, gewinnt er sie für sich, dass sie Plane-
sium auf kurze Zeit aus dem Hause lässt. Es folgt nun eine
Liebesszene, in welcher sich Planesium als das liebliche
Mädchen in zurückhaltender Bescheidenheit, doch voll inniger Hin-
gabe an den Geliebten, Phädromus als begeisterter Liebhaber,
ganz in moderner Art, Argurippus (S. 230) ähnlich, kundgiebt.
') Z. B.: A. C. Borheck (Der Gefangene, Hamb. 1804); <i. (i. S.
Köpke; (Berlin 1809); K. W. Lorentz (Altenburg, 43stes Gymuasialpio-
gramm 1850; Geppert (1859); B. Dom hart (Die Kriegsgefangenen,
Baireuth 1870; Gymnasial programm).
2) Ausgaben: C. E. Geppert (Berlin 1845). Hier zitiert nach
Fleckeisen. — Deutsche Übersetzung von Rost 1830. (Progr., 36 S.)
3) Die pl. Korn., S. 1411.
4) Geschichte der röni. Litt., S. 148.
23
356 V. Curculio.
Pariter hos perire amando uideo: uterque insaniunt.
Videu ut misere nioliunturV nequeimt conplecti satis.
Etiam dispertimini?
(V. 187) meint der Sklave Palinurus. Phädromus aber
bricht in den Ausruf aus: Ihr Könige, behaltet euere Reiche.
Ich will nur mein Liebesglück! (V. 175.)
Sibi sua habeant regna reges, sibi diuitias diuites,
Sibi [illi] honores, sibi uirtutis. sibi pugnas, sibi proelia:
Dum mi apstineant innidere, sibi quisque habeant, quod suumst.
Mit Recht weist Rapp,1) da Phädromus das Glück der
Gegenwart preisend und nur die Anwesenheit des spöttischen
Sklaven beklagend, in die Worte ausbricht (V. 189):
Nullist homini perpetnom bonum :
Iam huic uoluptati hoc adiunctumst odiuni;
auf Faust s Seufzer hin:
0, dass dem Menschen nichts Vollkommnes wird.
Empfind' ich nun. Du .gabst zu dieser Wonne
Mir den Gefährten u. s. w.
Da Planesium Eigentum des Kupplers ist, Phädromus aber
die Mittel, sie loszukaufen, nicht besitzt, hat er seinen Parasiten
Curculio, den Gurgelmenschen, nach Karien gesandt, um sich
dort das Geld zu verschaffen.
Im zweiten Akte tritt Kapp ad ox auf; seine Krankheit
macht ihm viele Sorgen. Zu ihm gesellt sich Palinurus und
der Koch, welch letzterer ihm einen Traum deutet.
Im dritten Akte ist Curculio aus Karien zurückgekehrt.
Phädromus fragt ihn, welche Geschäfte er dort gemacht habe,
und Curculio kann nur berichten, dass der Freund in Karien
sich in derselben Geldverlegenheit befindet (F. 334):
Respondit mihi paucis uerbis atque adeo fideliter.
Quod tibist item sibi esse, maxumam argenti inopiam.
Phädromus erschrickt; indessen hat der Parasit bereits ander-
weitig Rat zu schaffen gewusst. Er ist mit einem Krieger zu-
sammengetroffen. Dieser fragte ihn, ob er den Wechsler Luco
(Luconem tarpessitam, V. 341) und den Kuppler Kappadox in
Epidaurus kenne. Auf seine bejahende Antwort erzählte ihm
nun der Krieger, er habe bei letzterem ein Mädchen um dreissig
') S. 1430.
Charakteristik desselben. 357
und ihr Geschmeide um zehn Minen gekauft. Das Geld liege
hei Luco, und dieser habe Auftrag, es demjenigen auszuhändigen,
der ihm den Siegelring- des Kriegers überbrächte. Sie gingen dann
zu Tisch, spielten Würfel, und hierbei erfuhr Curculio, dass dies
gekaufte Mädchen kein anderes als Panesium sei. Der Krie-
ger, etwas angetrunken, schlief ein, und Curculio zog ihm bei
dieser Gelegenheit seinen Siegelring vom Finger. So habe man
gewonnenes Spiel. Vor allem aber verlangt der Parasit ein
Mahl (V. 367):
uentris stabilimenta: pane et assa bubula,
Poclum grande [et] aula magna, ut satis consilia suppetant.
Den vierten Akt leitet ein Monolog des Wechslers Luco
ein. Curculio tritt zu ihm, stellt sich als den Abgesandten des
Kriegers Therapontigonus Platagidorus, d. h. als seinen
Freigelassenen, den „omnes Summanum (= Stiebitz) uocant"
(V. 413) vor, übergiebt ihm einen von Phädromus gesehi-iebe-
nen Brief und den Siegelring des Therapontigonus, „clupeatus
elephantum ubi machaera dissicit" (F. 424). Zufällig kömmt
Kapp ad ox, und Luco fordert ihn auf, sein Geld zu holen und
das Mädchen auszuliefern, wie es der Brief verlangt.
Ein Intermezzo bildet hier das Auftreten des Choragus,
„eine Art von Parabase, ul) wie sie sich bei Plautus nur hier
findet. Er rühmt die Spitzbubenart des Curculio und ist be-
sorgt, ob er ihm die Garderobe, die er ihm anvertraute, wohl
zurückstellen werde {V. 464):
Ornamenta quae locaui metuo ut possim recipere.
Alsdann folgt eine witzige Schilderung des Forums und sei-
ner Gestalten.
In der nächsten Szene wird Planes ium dem Curculio von
Kapp ad ox in Gegenwart des Luco ausgeliefert, unter der Be-
dingung (F. 490):
si quisquam hanc liberali
Caussa mann adsereret, mihi omne argentum redditum iri,
Minas triginta.
Kappadox ist mit dem Geschäfte zufrieden.
Im fünften Akte sehen wir Therapontigonus im Streite
mit Luco. Er weiss von dem Handel nichts; Luco aber hat
sich auf den Ring unbedingt verlassen. In gleicher Weise reinigt
sich Kappadox, und nun erst merkt Therapontigonus, dass
ihn Curculio betrogen habe: auf seine Frage (F. 586):
<) Teuf fei (G-. d. röm. Litt.), S. HS.
358 V. Curculio.
Vbi nunc Cui'culionem inueuiam?
erwidert ihm Kappadox:
In tritico facillume
Vel quingentos curculiones pro imo faxo reperies,
mit Beziehung auf seinen Namen.
Curculio tritt aus dem Hause. Kaum hat Planesium
den Ring des Kriegers erblickt, als sie stürmisch in den Para-
siten dringt, um zu erfahren, woher er ihn habe. Der Ring
führt nun darauf, dass der Krieger und Planesium Geschwister,
Kinder des Periphanes und der Kleobula, sind. Therapon-
t ig onus verheiratet nun seine Schwester an Phädromus;
Kappadox aber ist, der Klausel des Vertrages gemäss, gehalten,
die Verkaufssumme von dreissig Minen herauszugeben, da Plane-
sium als eine Freie erkannt wurde.
Die zarte Liebe des Phädromus ist oben schon besprochen
worden. Sein höchstes Glück ist seine Liebste, sein „melculum
dulce" (7. 11).
— In terra, qui me erit aeque fortunatus, illa
Si ad me bitet?
bekennt er (F. 141). Er ist der alte nicht mehr, wenn er sie sieht.
Quando ego te uideo inmutatis moribus esse, ere, atque ingenio,
sagt ihm sein Sklave (F. 146).
Planesium ist ein Wesen, das solcher Liebe wert ist.
Kappadox hatte sie als kleines Mädchen um zehn Minen von
einem Unbekannten gekauft (F. 528); bei einem Bakchusfeste
war sie zu Hause während eines Sturmes von einem Manne
geraubt worden (F 644 ff.) Nachdrücklichst wird mehrmals
im Stücke ihrer Keuschheit und Jungfräulichkeit Erwähnung ge-
than ; so :
V. 51. Tarn a me pudicast, quasi soror mea sit.
V. 518. Bene ego istam eduxi meae domi et pudice.
V. 697. Bene et pudice me domi habuit.
V. 57. At illast pudica neque dum cubitat cum uiris.
und öfter. — Dem feurigen Liebhaber zur Seite, steht — wirklich
ein „odium" (F. 190) — sein naseweiser Sklave Palinurus, voll
Spott über die Liebe seines Herrn. Sein Rücken ist an Schläge
gewöhnt, sodass Planesium ihrem Geliebten zuruft (F 197):
Noli amabo uerberare lapidem, ue perdas manum.
Von den Idealen seines Herrn denkt er kalt. Er nennt sie
Charakteristik desselben. 359
„nugas meras" (F 199); damnumst raerum (F. 49). Seine An-
schauung ist vielmehr (F. 33):
Nemo hinc prohibet nee uotat
Qnin quod palamst uenale, si argentumst. emas.
Nemo ire quemquam puplica prohibet uia,
Dum ne per funduni saeptnm faciat semitam:
Dum ted apstineas nupta uidua uirgine
Iuuentute et pueris liberis, ama quod lubet.
Der kranke Kuppler Kappadox ist in seinem Leiden ein
Gegenstand des Spottes. Er sagt von sich (V. 219):
Valetudo decrescit, adereseit labor,
und später (F. 236):
Lien enecat, renes dolent,
Pulmones distrahuutur, cruciatur iecur,
Eadices cordis pereunt, hirae omnes doleut.
Seinen Wanst und sein schlechtes Aussehen macht Palinurus
zum Gegenstand seines Spottes (F 230):
Quis hie est homo
Cum conlatiuo uentre atque oculis herbeis?
De forma noui: de colore non queo
Nouisse.
Als Klippler wird er keines Mitleids gewürdigt, vielmehr
sein Gewerbe als eine „scelesta seruitus" (F 40), er selber als
„scelerum caput" (F. 234) bezeichnet. Der Parasit schildert
die Kuppler ausführlich (F 494 — 505), und ihnen gleich stellt
er nur die Geldwechsler und Wucherer (F 506 — 511), ein Urteil,
das später (F 679) auch Kappadox bestätigt.
Der tarpessita Luco, dessen Finanzpläne wir aus F. 371
— 384 kennen, fühlt sich stark dabei betroffen und sagt (F. 512):
„Tacuisse mauellem".
Eine treffliche Gestalt ist die weinbegeisterte Alte, gewisser-
massen ein Gegenstück zu Phädromus; denn was ihm Plane -
sium, ist ihr der Wein. Sie hat ihn gerochen, sowie Phädro-
mus die Thürschwelle damit benetzte (F. 96):
Flos ueteris uini naribus meis obiectust: eius amor cupidam
Me prolicit huc per tenebras: ubi ubist, prope mest: euax. habeo.
Er ist ihr Alles, ihr Schatz (F. 98):
Salue, anime mi, lepos Liberi: ut ueteris [ego] sum cupida.
„Quam longe a me abest?" ruft sie (F. 117). Unter die Wein-
lieder und gewiss den horazianischen an die Seite zu stellen ist
ihr begeistertes Lob des Weines (F. 99):
360 V. Curculio.
Xam omuium unguentum odos prae tuo nauteast:
Tu mihi stacte, tu cmnaniiun, tu rosa,
Tu crocinum et casia's tu bdellium.
Nam ubi tu profussus es, ibi ego nie perueliin sepultam.
Ihr Durst ist massig- (capit quadrantal, V. 103); worauf der
Sklave versetzt: „uindemia haec huic anui non satis solist."
Die Figur des Soldaten kehrt m ganz ähnlicher Form bei
Plautus öfter wieder.
Es ist der gewohnte Aufschneider, dessen Thaten Curculio,
schon ehe er auftritt, ausschmückt; der in zwanzig Tagen zahllose
Völker besiegt hat (V. 442 — 449), imd sich nun, ,.ex auro Phi-
lippo,"1) ein Denkmal seiner Thaten errichtet (F. 440), der jeden
stets beim Leben belroht (F. 536), in Stücke für die Ameisen
zerhaut (F. 576), von seinem Grimme spricht, „qua excidionem
facere condidici oppidis" (F. 534), der den Königen Gesetze vor-
schrieb (F. 555), und nun doch von einem ,.umbraticus" (F. 556)
verlacht wird und von einem Kuppler die Worte hören muss
(F. 577):
At ita meae uolsellae pecten speculum calamistrum memn
Bene me amassint meaque axicia liuteumque extersui,
Vt ego tua ruagnifica uerba neque istas tuas magnas minas
Non pluris facio quam aucillam meam quae latriuam lauat :
und von dem der Parasit sagt (F. 633): ,,Vt fastidit gloriosiis
. . . Nihil est quod ille dicit. ••
Der Parasit — mit dem treffenden Namen Curculio —
ist, wie Rapp*2) sagt, ,,kaum irgend so reich ausgestattet. Diese
komische Maske, grotesk, einäugig, wahrscheinlich sonst missge-
staltet, hier besonders in seiner Gefrässigkeit unermüdet, ist wohl
der unleugbare Prototyp des spätem italienischen
Arlecchino; auf sein komisches Äussere ist sichtbarer Wert
gelegt. "
Wie allen Parasiten, ist ihm sein Herr sein ,.genius" (F. 301).
Das Essen ist sein Höchstes; er versinkt in Schwäche, wenn es
nicht zeitig aufgetragen wird; ,.genua media succidunt" (F. 309);
lippiunt fauces fame (F. 318). Erst wenn er gegessen hat, ist er
brauchbar (F. 384):
Nil tu me saturum monueris: memini et scio.
Sein einziges Auge, wodurch er mit den Kokles in Ver-
wandtschaft gebracht wird (F. 393), macht den unoculus (luscus)
') Diese Stelle hat Veranlassung gegeben, die Aufführung des Stückes
bald nach 561 (193) zu verlegen. Vgl. bei Teuf fei (Studien u. Charak-
teristiken), S. 262.
2) S. 1411.
Massingers A very woman. 361
mehrmals (F. 392, 394, 505) zum Gegenstand des Spottes,
den er aber bitter erwidert; denn er ist in feiner Weise frech
(7. 512):
„Hau male meditate male dicax es,"
ein Possenreisser aus Profession (F. 604), ,.nam propter eas
(= nugas) uiuo faeilius, " und, wie ihn der Choragus zeichnet,
(V. 462):
Edepol nugatorem lepidum lepide lnmc nanctust Phaedromus.
Halophantamne an sucophantam hunc magis dicam esse nescio.
Als echter Parasit ist Curculio nicht mehr loszubringen.
Den neu Vermählten folgt er, sozusagen, als Mitgift (F. 663):
Cure. E°o dotem dabo.
Ther. Quid dotis?
Cure. Egone? ut semper, dum uiuat, me alat:
worauf Phädromus zustimmt.
Obwohl die einzelnen Figuren des Lustspiels, der ge-
prellte Kuppler, der prahlerische Soldat, und vor allem
der hier eingehend gezeichnete Parasit, ständige Figuren der
italienischen und französischen Komödie wurden und für
diese Vorbilder blieben, sind doch direkte Nachahmungen des
Curculio nicht anzuführen.
Rapp1) findet, dass in Massingers „A very woman; or,
the prince of Tarent", einer im Jahre 1634 gespielten Tra-
gikomödie,2) „die Trunkenboldin Borachia bei ihrem ersten Auf-
treten (?) eine deutliche Reminiszenz aus Plautus' Curculio"
verrate. Zu einer andern späteren Stelle (III, 5)3) bemerkt der
Herausgeber: „This is imitated, but with exquisite humour, from
a very amusig scene in the Curculio of Plautus, where a
lover draws the keeper of bis niistress out of the house, by a
similar stratagem. " Don John Antonio besprengt die Thür-
schwelle mit Wein.
Now to begiu my sacrifice: she stirs and vents it.
Oh, how she holds her nose up like a jennet
In the wind of a grass-mare! she has it füll now,
And now she comes. •
■) Studien. (S. 246.)
2) Auf S. 237 — 351 des vierten Bandes von The plays of Philip
Massinger, in four volumes with notes critical and cxplanatory. By
W. Gifford. Esq. The second edition. London 1813.
3) Ebenda, S. 297.
362 V. Curculio.
(Vgl. V. 96 u. s. w.) Wie die alte leaena, riecht Boraehia
die Weinspende. Sie tritt aus dem Hause (snuffing):
"T is wine! ay, sure 't is wine! excellent strong wine!
In the rnust, I take it: very wine! this way too.
Antonio giesst mehr aus. Ihre Begeisterung für den „ex-
cellent Caudy-wine" steigert sich. Der Liebhaber setzt es durch,
zu seiner Geliebten zu gelangen.
Eine italienische Übertragung, „II Curcullione, Commedia
di Plauto, tradotta dalh Abbate Angelo Teodoro Villa," nennt
Argelati (IV, 361); eine deutsche Übersetzung der beiden
ersten Akte findet sich im 71. Stücke der „Neuen Erwei-
terungen".
Ein neues deutsches Lustspiel hat Reinh. Lenz aus dem
Curculio in seinem Stück „Die Türken skia vin" J) gemacht.
I. Akt. (1.) Herrmann (Palinurus) trägt seinem Herrn,
Sebastian (Phädromus), einem jungen Wiener, die Laterne vor.
„Wohin," fragt er, „soll es gehen?" Sebastian zeigt ihm das
Häuschen und die Thüre. „„Zieh den Hut vor ihr ab!"" —
..Warum soll ich denn den Hut vor der Thür abziehen? In
einem Bordell dazu." — Dort wohnt das Mädchen, das Se-
bastians Sinne berückt und ihn völlig umgekehrt hat. Es ist
eine schöne Türkensklavin, welche der Maqueraut Kuhlmann
erst brachte. Ein Graf Pudewitz will hundert Dukaten für
drei Nächte, bieten, worauf Kuhlmann eingeht. Wenn Lips
Rustan nicht Geld aus Ungarn bringt, so ist für Sebastian
jede Hoffnung verloren. — Um die alte Zigeunerin Feyda
herauszulocken, macht es Sebastian, wie Phädromus: „Ich
will Wein auf die Thürpfosten und Schwelle giessen; sobald sie
den Geruch merkt, macht sie mir gleich auf." (2.) Wirklich
kömmt Feyda aus dem Hause. „Geruch von altem Wein ist
mir in die Nase gestiegen, der, der lockt mich aus meinen Kissen
durch die finstre Nacht hieher. Wo, wo ist er? Nahe bei mir
ist er, ich rieche ihn, ich schmeck ihn, ich fühl ihn, ach, ich
will ihn umarmen." Hochbefriedigt führt sie Selma (Plane-
sium) heraus, ganz, wie bei Plautus2) (S. 158): „Tritt doch
leise, Kind, lass die Thür nicht knarren, dass Herr Kuhl-
mann nicht aufwacht — wart, ich will Wasser auf die Thür-
angeln giessen, dass sie nicht knarren." Sowie Planesium die
'-) Ausgabe von Tieck. iBerlm 1825.) Band H. S. 165—199.
2) V. 158. Placide egredere et sonitum probibe forium et crepitum
cardinum,
Ne quod hie agimus erus pereipiat fieri, mea Planesium.
Mane, suffundam aquolam.
R. Lenz: Die Türkensklavin. 3(53
juristische Formel gebraucht,1) so auch Selma: „Wo bist du,
der mich vor den Divan der Liehe hat laden lassen? Hier bin
ich, hier stelle ich mich." In der folgenden Liebesszene spielt
Herrmann, der ungeduldige Zuschauer, genau die Rolle des
Sklaven Palinurus.
II. Akt. (1.) Der wassersüchtige Kühl mann, „mit Tüchern
um den Leib," beklagt seinen Gesundheitszustand. (2.) Sein Ge-
spräch mit Herr mann unterbricht Sebastians Auftreten und
die Ankunft des einäugigen Lips Rustan (Curculio), der mit
dem Rufe hereinstürmt: „Aus dem Wege, Bekannte und Unbe-
kannte, dass sich jedermann vor Schaden und Unglück hüte,
Platz!" u. s. w.2) Er will einen Stuhl, ein Glas Wasser, „wo
..Rindfleisch drin gekocht ist" u. dgl. Nach lange gesteigerter
Erwartung* beginnt er seine Erzählung. Der Vetter in Ofen, den
er um Geld anging, antwortete kurz und bündig, er habe keines.
Betrübt ging Lips ins Kaffeehaus, dort traf er einen grossmäch-
tigen, langen Offizier, den er von Wien her kannte. Sie sprachen
von allerlei, darunter auch von Kühl mann, und dabei erfuhr
Lips Rustan: „Er hat hier beim Juden Hirzel vierhundert-
zwanzig Dukaten deponiert, und die will er durch einen Expressen
heben lassen, weil er jetzt endlich Nachrichten von dem Kauf-
mann aus Smyrna hat, dass er ihm fünfhundert für das Mädchen
wiedergeben will; denn kurz und gut, der Offizier war derselbe,
von dem Ihnen der alte Kuhlmann erzählt hat." Das Mädchen
soll nun der Bediente des Hauptmanns abholen, durch den Pe-
tschierring des Offiziers als solcher akkreditiert, Diesen Ring
aber zog Lips dem infolge des Punsches eingeschlafenen Haupt-
mann vom Finger und eilte davon. Sebastians Jubel über
diesen Streich ist unbeschreiblich.
III. Akt. (1.) Jude Hirzel, der, wie sein Vorbild Luco,3)
von dem Grundsatze ausgeht: „Ich bin auch reich, wenn ich
meine Schulden nicht bezahle," wird in seinen Gedanken von
Lips, der ihn (2.) von rückwärts auf die Schulter mit aller
Macht schlägt, unsanft unterbrochen. Nach einigen Worten gegen
den Einäugigen, giebt sich Lips Rustan als den Abgesandten
des Hauptmanns Gmelinskoy Budowitzky zu erkennen; er
..soll dem krummen Juden einen Petschierring zeigen." Hirzel
kömmt die ganze Sache nicht erwünscht. Noch weiss er nicht,
wie er das Ding mit Kuhlmann zu Ende führen soll.
') V. 162. Vbi tu 's, qui me conuadatu's Veneriis uadimoniis?
Sisto ego tibi me et mihi contra itidem [tu te] ut sistaa
suatleo.
2) / '. 280. Date uiam mihi, noti ignoti, dum ego hie officium uieum
Facio u. s. w.
3) V. 373. Diues sum, si non reddo eis quibua dehibeo.
364 V. Curculio.
IV. Akt. (1.) Lips führt die weinende Selima ah; die
weitere Handelschaft spielt zwischen Knhlmann und Hirzel.
Lips schwört, er wolle Knhlmann noch „einen Lipsstreich"
spielen; alles soll er wieder ausspeien, alle vierhundertzwanzig
Dukaten. (2.) Budowitzky ist eingetroffen und forciert von Hir-
zel seine vierhundertzwanzig Dukaten. Wie Therapontigonus,
ist Budowitzky heftig ergrimmt, „nicht weniger, als vor Adria-
nopel, da ich's zum Steinhaufen machte." Hirzel aber will
nichts mehr schuldig sein. Das Geld hat er an den blinden Kor-
poral, der den Petsehierring brachte, ausbezahle. Der Jude
entflieht, Budowitzky will ihn schlagen; doch „der Löwe fängt
keine Mäuse. Wenn der Grosssultan vor diesem Arm gezittert
hat - — warum sollte ich ihn gegen einen Juden missbrauchen?"
(3.) Kuhlmanns Dazwischenkunft führt die Sache weiter. „Ich
hab, " sagt er, „das Mädchen dem abfolgen lassen, der mir Geld
gab, nicht Worte, wie Sie thun." — „„Wie sah er aus?"" —
„Dem bösen Feind nicht unähnlich: pokkengrübig, schwarz im
Gesicht, ein Auge, das andere war ihm ausgelaufen." Nun er-
innert sich der Hauptmann seines Gastes und macht sich daran,
ihn verfolgen zu lassen.
V. Akt. (1.) Lips erzählt, (wie V. 591—599 Curculio),
wie ihm Selima den King des Hauptmanns entreissen wollte,
sohald sie ihn sah. (2.) Selima eilt ihm nach. Es ist kein
Zweifel, dass dies der Ring ist, den ihr Vater trug. (3.) Dazu
kömmt Budowitzky. Vor allem fragt ihn Sebastian, woher
er den Ring habe. Sein Vater gab ihm denselben, ehe er in die
Fremde zog; eine jüngere Schwester kam in den Flammen um.
Dies und das Bild der Mutter, das Selima an ihrer Brust trägt,
führt die Lösung herbei. Selima erzählt, wie die alte Zigeu-
nerin sie aus den Flammen gerettet und an Kühl mann verkauft
habe. Budowitzky bestimmt die vierhundertzwanzig Dukaten
seiner wiedergefundenen Schwester als Aussteuer, worauf sie
Sebastian als ihren Gatten wählt. (4.) Kühl mann ist völlig
ruiniert. Er hat die Summe zu bezahlen, obwohl Selima zu
seinen Gunsten darauf verzichten will. Auch Graf Pudewitz
wird seine hundert Dukaten zurückverlangen, „und die sind längst
ausgegeben."
Nach einer Moralpredigt Sebastians rät Lips Rustan:
„Wir wollen ihn laufen lassen;" und damit endet die Komödie.
Die Szene, in welcher der Graf Almaviva in Beaumar-
chais' (1732—1799) „Le Barbier de Seville ou la pre-
caution inutile" (1775) Rosine das Ständchen bringt, hat man
VI. Casina. 365
als der einschlägigen Szene des Curculio nachgebildet linden
wollen. Dass dies unberechtigt ist, zeigt schon der französische
Übersetzer des Plautus, E. Sommer.1) Lieber möchte er Mo-
lieres Etoxirdi stellenweise mit dem Curculio in Beziehung
bringen. 2)
TL Casina.3)
Casina ist mit mannigfachen Lücken, die wohl zum Teile
auch der Inhalt verursacht hat,4) auf uns gelangt. Die Sklavin
Casina tritt gar nicht auf.
Das Stück, das Kapp5) „faunisch-erotisch" nennt, leitet ein
Prolog ein, der zwar dem Plautus nicht angehört, nach
Lessings Urteil aber6) „gleichwohl lesenswürdig •' ist. Wir er-
fahren in demselben, dass es ein Stück des Dipkilus ist und
im Griechischen den Titel KhjQOi^ievoi, die Losenden, führt nach
Vers 324, wo zwischen Olymp io und Chalinus um Casina
das Los geworfen wird.
Rapp hat das Lustspiel in zwei Teile geteilt, deren erster
V. 1 — 548 umfasst.
I. Teil. In der ersten Szene streiten Olympio, der
Meierer (uillicus), und Chalinus, der Waffenträger (armiger) des
jungen Herrn Euthynikus (V. 973). Olympio hat von seinem
') Les Comedies de Piaute traduites en francais par E. Sommer.
Paris (Hachette) 1876. 2 voll. I, 302. On a rapproche de la scene oü
le jeune amoureux chante ä la porte de sa maitresse celle oü le conte
d'Almaviva vient donner une serenade ä Rosine; ce rapprochement ne
nous parait nullement Justine. — Es ist die sechste Szene des ersten
Aktes. (Paris, Ruault 1775.)
2) Ebenda: Ce qui semble beaucoup plus vraisemblable c'est que
Moliere dans son Etourdi s'est inspire gä e lä de Piaute et lui a meine
emprunte en partie son intrigue:
Et l'acliat fait, ma bague est la marque choisie
Sur laquelle au premier il doit livrer Celie.
Des que par Truffaldin ma bague sera vue,
Aussitöt en tes mains eile sera rendue.
3) Ausgabe von Geppert (Berlin 1866). — Hier zitiert nach C. H.
Weise.
») Kapp 16117. — Teuffei (G. d. r. L), S. 148: „mit Zuthat von
Unsauberkeiteu im massiv römischen Geschmacke, die wühl auch den
Wegfall der Schlusspartien zur Folge hatten. Das Erhaltene ist näm-
lich ohne Zweifel eine abgekürzte spätere Bühnenbearbeitung, während
der Prologschreiber noch das vollständige Stück kannte."
5) A. a. 0. S. 1698.
6) Beiträge. S. 48. 49.
366 VI- Casina.
Herrn Stalino das Versprechen bekommen, Casina zur Frau zu
erhalten, wogegen sie allerdings auch mit ihm leben muss; er hat
in diese „nuptiae communes" (V. 803) eingewilligt. Chalinus
dagegen wird von der eifersüchtigen Frau Stalinos, Kleo-
strata, unterstützt. Sie will Casina ihm anverheiraten und so
ihrem Sohne, den der Vater auf Reisen geschickt hat (F. 64), l)
Casina erhalten.
Kleostrata tritt mit ihrer Magd Pardaliska auf; sie will
ihrer Nachbarin Murrhina ihr Leid klagen wegen ihres ungetreuen
Ehegatten, doch wird ihr Gespräch durch Stalinos Auftreten unter-
brochen. Stalino ist voll von Liebe für Casina. Da er seine
Gattin sieht, will er sie mit Schmeichelreden besänftigen; sie aber
wirft ihm sein Sündenleben vor. Endlich sind beide dahin über-
eingekommen, die beiden Sklaven gegenseitig zu einer Verzicht-
erklärung auf Casina, jeden zu gunsten des anderen, zu geM'innen.
Chalinus tritt auf; aber alle Versuche Stalinos sind vergeb-
lich; kein besseres Resultat hat unterdessen Kleostrata mit
Olympio erzielt. So soll es denn dem Lose anheimgestellt wer-
den, wem Casina zuerkannt werden soll.
Dieses entscheidet zu gunsten des Olympio. Die grösste
Freude empfindet hierüber natürlich Stalino. Er macht mit
Olympio aus, wie unmittelbar nach der Hochzeit dieser Casina
gegenüber thun solle, als führe er sie auf das Landgut; dies
Landgut jedoch ist Verabredetermassen seines Nachbars Alcesi-
mus Haus, wo der Herr mit Casina Hochzeit halten will.
Mit Tagesanbruch soll sie dann Olympio für immer gehören
(7. 468):
Tu ras uxorem duces; id rus hoc erit,
Tantisper dum ego cum Casina faciam nuptias.
Hinc tu ante lucem rus cras duces postea.
Allein Chalinus hat die ganze Unterredung belauscht.
Nicht um die dreifache Freiheit gäbe er dies Glück (V. 487):
Tribus non conduci possim libertatibus,
Quin ego illis hodie conparem magnum malum.
Er eilt ab, um die Frau Stalinos hiervon in Kenntnis
zu setzen.
II. Teil. Stalino unterhandelt mit Alcesimus wegen
Überlassung eines Lokales für diese Nacht, was dieser zugesteht.
In der nächsten Szene tritt Kleostrata auf. Stalino hatte
alles gethan, um des Alcesimus Frau, Murrhina, in sein Haus
') Is, ne expectetis, hodie in hac comoedia
In urbem nou redibit: Plautus noluit:
Pontem interrupit, qui erat ei in itinere.
Charakteristik derselben. 367
zu bringen. Kleostrata dagegen sagt, sie wolle ihre Nach-
barin ja nicht stören, da sie ihrer Dienste nicht bedürfe. Ihrem
hinzukommenden Manne Stalino dagegen sagt sie, Murrhina
könne ihrer eigenen Geschäfte halber nicht abkommen. Stalino
erbittet sich indessen von Alcesimus den Freundschaftsdienst,
den dieser auch gerne zusagt. Da stürzt mit einemmale Par-
daliska aus dem Hause. Entsetzt und laut schreiend berichtet
sie auf Stalinos längere Fragen, Casina sei rasend geworden:
sie suche mit dem Schwerte Olympio, um ihn zu erschlagen.
Stalino jammert über sein Los (F. 665):
Peru hercle miser!
Neque est neque fuit me senex quisquam amator
Adaeque miser.
Pardaliska wird mit allen Versprechungen abgeschickt, um
Casina zu beschwichtigen.
Olympio mit seinen Köchen tritt auf, beschäftigt mit der
Herstellung des Hochzeitmahles. Mittlerweile hat Kleostrata
einen Plan gefasst , von dem uns Pardaliska erzählt. Der
Waffenträger wird als Mädchen angekleidet und soll in das
Brautgeniach des Olympio, an Casinas Stelle, gebracht werden.
Stalino freut sich bereits der kommenden Nacht. Der Braut-
zug setzt sich in Bewegung; Sklavinnen übergeben den ver-
kleideten Chalinus dem Olympio. Es ist eine ungeheuer wirk-
same komische Szene, wenn Stalino, der den ersten Niessbrauch
hat (F. 829):
„Meus fructus est prior,"
und sich des „corpusculttm melliculum (F. 833) freut, und Olym-
pio die vermeintliche Casina umarmen, die bald Olympio un-
sanft auf den Fuss tritt (institit plantam, F. 835), bald Stalino
mit dem Ellenbogen auf die Brust stösst, dass ihm der Atem
innehält (F. 840):
„Pectus mi agit haec cubito."
Stalino und Olympio treten mit Chalinus ins Haus.
Die Frauen mit ihren Sklavinnen erscheinen, um Zeuginnen
des weiteren Verkaufes zu sein. Alsbald kömmt Olympio aus
dem Hause: er gedachte Stalino zuvorzukommen und schloss
sich mit der jungen Frau ins Gemach; allein ein borstenartiger
Bart (F. 908: ,, quasi sentis labra mihi conpungit barba") zer-
stach ihm die Lippen; dann prügelte ihn Chalinus von dannen.
Hierauf Hess Olympio den alten Herrn hinein (F. 912):
„Vt senex hoc eodem poculo, quod ego bibi, biberet."
368 VI- Oasina.
Alsbald kömmt auch dieser heraus, ohne Mantel („expallia-
tus", 7. 921), und will nach Hause eilen. Chalinus, mit
Stalin os Stab und Mantel, erklärt, dass er Casina gespielt
habe. Stalino schwört für alle Zukunft seiner Frau ständige
Treue, und so endet diese sittlich so bedenkliche Komödie mit
einer Züchtigung und Beschämung, ja sogar mit einiger Aussicht
auf Besserung der lüsternen Personen der Handlung-.
Der kurze Epilog meldet uns noch allerlei. Casina hat
sich als ein Kind des Nachbars herausgestellt", und" der junge
Euthynikus heiratet sie. Beide Persönlichkeiten haben wir
nicht gesehen und" über ihren Charakter weiter nichts gehört.
Das Hauptinteresse' bietet der alte Stalkio, der „senex
amatori£. Als Greis, „senecta aetate" (7. 226, 243), mit grauem
Haar (cano capite, 7 501) und verheiratet, („quoi sit uxor,") ist
er verliebt, und zwar, wie ihm Alcesimus sagt, .(F. 503):
Miseriorem ego ex aniore, quam te, uidi neminem,
so zwar, dass er begeistert vom Liebesgenusse spricht (7 200):
Omnibus rebus ego amorem credo et uitoribus nitidis anteueuire
Nee potis quiequam conmemorari, quod plus salis plusque leporis habeat,
— ein „hircus improbus atque edentulus" (7 533).
Die Liebe hat den Alten zum Gecken gemacht, zur, „larua",
wie sich Alcesimus ('7 574) ausdrückt. Er duftet von Salben
(7. 210):.
Myropolas omnes solicito; ubieunque unguentum est lepidum, ungor,
Vt Uli placeam;
und eingebildet genug sagt sich der alte Narr:
Et placeo, ut uideor.
Von den beiden Eivalen Olympio und Chalinus ist der
erstere etwas skeptischer Art. Er hält auf die Götter nicht sehr viel
(7 331):
Nam omnes mortales ,dis sunt freti; set tarnen
Vidi ego dis fretos saepe multos deeipi.
Der Waffenträger wird (7. 241) schlimmer geschildeit, als:
illi seruo nequam armigero, nihili atque mprobo,
Quoi homini hodie peculi numus non est plumbeus.
Hinsichtlich der Brautnachtszene der Casina hat Lade-
wig1) gefunden, dass sie atellanenartig . sei und nicht von
') Rheinisch. Museum, in, 186.
G. Berrardös Cassina. 369
Diphilus herrühren könne, sondern von Plaut us stamme. Daran
knüpft Teuf fei1) eine weitere, in allen Teilen wohl zu berück-
sichtigende Bemerkung-. Die Brautnachtszene gilt ihm nicht
als der Schluss des Stückes, schon • deshalb, weil „alsdann
die eigentliche Frage, wem Casina fortan gehören solle, unbe-
antwortet bliebe-' : ferner nach dem Prologe und Epiloge. Der
Verlauf und • Schluss des Stückes war nach Teuf fei ursprüng-
lich dem der KArjQOVfievoi des Diphilus «ähnlich. Doch scheint
„bei den Aufführungen zur Zeit des Plautus der Schlussakt we-
niger Teilnahme bei dem Publikum gefunden zu haben, weil
ihm derselbe nach dem hautgoüt der Brautnachtposse etwas fad
und matt vorkommen mochte-'. Deshalb schloss Plautus bei der
Aufführung damit.
„Jetzt erst wird die Rolle des Sohnes als nunmehr entbehr-
lich gestrichen worden sein, trotzdem, dass der Prolog dies schon
durch Plautus geschehen lässt." . . .
„Im ganzen konnte der Gedanke, mit dem komischen Bei-
lager zu schliessen, bei den Theaterunternehmern nur Beifall fin-
den, und so kam nur diese spätere Bühnenbearbeitung auf uns,
während " der Prologschreiber das vollständige Stück noch kannte
und zur Erläuterung: des abgekürzten benutzte.-'
Eine sehr gelungene Bearbeitung der Casina erhielt Italiens
Bühne im Jahre 1501'-) mit Girolamo Berrardös Cassina.3)
Die Form der Übersetzung ist die übliche in fliessenden Ter-
zinen. An Stelle des langen Prologes, der die plautinische Ko^
mödie einleitet, trat bei Berrardo ein kurzer Argumento:
Salute, audite ben la comedia
Di Plauto laqual Cassina e chiamata
u. s. w.
Der alte Stalin eröffnet das Stück. Er ist in Cassina
sterblich verliebt:
pe^ Cassina io moro, e ritrouare
Non scio alcun modo da poterla hauere
Se al mio castaldo non la cerco dare
Per moglie in casa doue e mia mogliere.
Erwünscht kömmt ihm Olimpione, der castaldo, dem er
kurz erklärt :
') Studien u. Charakteristiken, S. 257 — 260.
2) Tiraboschi. VI, 878.
3) Cassina. | Comedia di Plavto, | tradotta di latino in aolgare,
per Gi|rolamo Berrardo Ferrarese, | intitolata la Cassina nuojua-
mente stampata 1530. 54 fol. (Mit Vignette: Plauto.) Nach fol. 54.
Stampata in Vinegia, per Nicolo d5 Aristotile detto Zoppino MDXXX.
24
370 VI. Casina.
Ic> te parlo da uero e schiettameute
Sol per darte moglier per te ho mandato
Et te darö una douua sufficiente.
Auf Olimpiones fortgesetztes Fragen nennt er sie ihm:
Cassiua e quella
Ch' io te uo dar, hör guarda se la uoi.
Nun aber kömmt die Bedingung. So wie er ihm stets die
erste Feige und Melone u. dgl. bringt, die sein Gut bietet, so wird
er auch hier begreiflieh finden:
Che pria che metti in Cassina la niano,
Lasci gustar a nie il primo boccone.
Da Olimpione noch Bedenken hegt, auf diesen Handel
einzugehen, verspricht er ihm überdies die Freiheit. Stalin lässt
seine Frau Cleostrata rufen, und in langer Einleitung setzt er
ihr auseinander, dass ein Hausmeier einer Frau bedürfe, darum
wolle er Cassina seinem Verwalter Olimpione geben. Cleo-
strata erwidert ihm hierauf, dass sie dieselbe bereits ihrem Sohne
für seinen Sklaven Calino zugesagt habe. Im allgemeinen ist
die Szene nach Plautus, V. 201 u. s. w., gehalten.
Tu la uo dar a quel ragazzon rio?
meint Stalin, den er als „poltrone, pazzo, im huom da poco, e vile
anzi da niente" (nach F. 241) bezeichnet. Olimpione hört dem
Streite zu.
La bramo piu. quanto piu me la niega.
Stalin schickt seine Frau mit dem Befehle fort, den Sohn
auf das Landgut zu senden. Da Cleostrata weg ist, tröstet
der Alte Olimpione:
Lei ne il mio figlio non potran far tanto
Che non sia nostra Cassiua.
Dem Alten kömmt indessen ein anderer Gedanke:
Io credo ch' el mio figlio iuuamorato
Sia de Cassina e a me sia concorreute.
und darum wohl steckte er sich hinter die Mutter; darum muss er
sofort aufs Land. Der Sohn Teilt huirinieo, der bei Plautus
nicht erscheint, kömmt, um Abschied zu nehmen. Der Vater
spricht lange von seinem Gehorsam und kömmt nun zur Sache.
Es missfiel ihm, dass er Cassina seinem Diener Calino geben
wolle: er möffe im Gegenteil darauf hinwirken, dass seine
G. Berrardos Cassina. 371
Mutter das Mädchen Olimpione gebe. Teuthuirinico jedoch
erwidert, er habe es seinem Diener zu einer Zeit zugesagt, da er
des Vaters Wille unmöglich wissen konnte. Umsonst! Der Alte
besteht darauf.
Von hier geht die Handlung auf den Anfang des
plautinischen Stückes über, auf das Gespräch zwischen
Olimpione und Calino. Alles Bisherige musste Berrardo
voranstellen, weil ja sein Olimpione nicht von Haus aus in
Cassina verliebt ist, oder doch, wenn er es auch war, solche
Gedanken nicht hegen konnte, wie er sagt. Der Inhalt ihres
Zwiegespräches entspricht genau dem Original, nur musste es,
wie die Versart und der Beim mit sich brachte, breiter werden.
Olimpione kann Calino nicht loswerden. Dieser geht zwar,
aber (V. 142):
Te sequor:
Hie quidem pol certo nihil ages sine me arbitro.
Et io seguir te uoglio certamente
E cosa aleuna per dio nou farai
Ch' io non li sia quäle arbitrio presente
E in loco alcun senza me non andrai.
Irrtümlich ist diese Rede in der Ausgabe von 1530 dem
Olimpione zugeteilt, die Bezeichnung Ca. ist drei Zeilen höher
zu streichen. Alles Folgende ist plautinisch: es treten
auf: Cleostrata mit ihrer Magd Pardalesca, alsdann Mirina
(== Murrhina |.
Den zweiten Akt beginnt Cleostrata: es folgt Stalin
mit dem bekannten Monologe (F. 201, Omnibus rebus ff.), sein
Gespräch mit Cleostrata, alles mit dem Originale, dem Gedanken
nach, wenn auch formell bedeutend breiter, gleichlautend: seine
Rede mit Calino und sein Monolog (V. 286):
Summe ego miser homo?
Non son io un huomo misero e stracciato!'
Er klopft nun an des Nachbars (Alcesino) Thor und
bittet um seinen Beistand. Alles, meint dieser, kannst du ha-
ben , nur :
Non mi chieder dinar perch' io non ne ho.
Stalin erzählt nun von seiner Liebe zu Cassina:
Son cotto, essa v bramata da me,
und bittet Alcesino:
Me i'aecia im gran piacere e
Vogli seruire per uua notte me
De la tua casa che dormir aorrei
Seco, questa grau cosa a te non e.
24*
372 VI. Casina.
Ist auch sie damit einverstanden'? ist Aleesinos erste
Frage. „Sei luioino tu a contentar colei?a Doch darauf lässt
sieh Stalin nicht ein. Alcesino gesteht ihm ein Zimmer zu.
Diese Szene fehlt hei Plautits.
Es folgt nun der Auftritt zwischen Olimpione und Stalin
(V. 292, Una edepol opera u. s. w.) Mit ihr schliesst — ■ zwar
fehlt im Drucke von 1530 die Bühnenweisung, doch verrät es die
Überschrift oben — der zweite Akt.
Mit dem Beginne des dritten Aktes stehen Olimpione
und Calino bereit:
Noi siam de compaguia stati, o patrone,
In piazza, ma compagui non siam stati
A gli albarelli & a le cose bone.
Es folgt die Verlosungsszene, des Calino verzweifelter
Monolog:
Che debbo io far, se hör me uado a impiccare,
Perdero la fatica & oltra quella
La spesa che nel laccio hauero a fare.
( V. 407.) Si nunc me suspendam, meam operam luserim,
Et praeter operam restim sumtifecerim ;
ferner die Szene mit Olimpione, Calino, Stalin und Calinos
Monolog. Stalin mahnt Alcesino an sein Versprechen; Cl eo-
strat a bespricht sich mit Alcesino und sieht mitleidig zürnend
ihrem Gatten zti (V. 541):
Miseri ut festinant senes!
Come se affrettan questi uecchi matti !
Ihr Plan, die beiden hinter einander zu bringen (V. 544):
JSam er/o aliquid contrahere cupio litigii inter cos duos —
Perche bramo & desidero grandemente
De metterli a le mani in contentione,
schliesst den dritten Akt.
Den vierten Akt leiten einige Worte Cleostratas ein; als-
dann folgt Stalins Rede (7. 546):
Stultitia magna est mea quidem sententia
Hominem amatorem ullum ad forum procedere . . .
Parme che de im amante gran pazzia
Sia il uoler gire in giudicio quel di
Nel quäl quel che ama per lui in ponto sia.
Alles Weitere, Cleostrata-Stalin; Alcesino-Stalin; Parda-
lescas (sie) Erzählung, die Szene mit den Köchen stimmt völlig
zu Plautus.
Eingeschoben von Berrardo ist eine Szene zwischen Alce-
G. Berrardos Cassina. 373
sino und seinem Sklaven Dulon. Der Sklave drückt seine Ver-
wunderung aus, dass sein Herr noch in alten Tagen ein Kuppler
würde. Allein Ale e sino belehrt ihn, dass es nicht um Geld ge-
schehe, dass er vielmehr aus Freundschaft Stalin das Zimmer
abtrete , was indessen den Sklaven nicht beruhigt. Er will
Zeuge sein und im Zimmer bei dem Alten unter dem Bette sich
versteckt halten:
io son certo che ei
Yergine anckor da lui se partira.
E qnando la gargiona li restassi
Non contenta, io potessi uscir di iüora
E che io fusse quel que la contentassi.
Sein Herr verwehrt es ihm zwar ernstlich, allein Dulon will
sein Glück versuchen. — Pardalescas Monolog (F. 746): Nee
pol ego Nemeae credo u. s. w., führt wieder auf PI au tu s
hinüber. Stalin geht ins Haus, unbekümmert um das Essen:
Che im che ama, se ha ben fame, non la sente.
Vor ihm ist aber Dulon schon ins Haus getreten, um sich
an Cassina zu freuen.
Im fünften Akte sehen wir Stalino bereits eine Stunde
warten. Olimpione fordert, wie im Original, zum Brautgesang
auf, dies und alles Folgende (Olimpione-Stalin: Mirina-
Cleostrata-Pardalesea; Olimpione (F. 864, Neque quo
fugiam) ist wie bei Plaut vis.
Eingeschoben ist Dulons Bericht. Erst kam Olim-
pione, den er gehörig durchprügelte: dann der alte Stalin,
dem es ebenso erging. Später erfahren wir dann dasselbe aus
dem Munde der Beteiligten. — Teuthuirinico ist dem Befehle
seines Vaters nicht nachgekommen, sondern in der Stadt ge-
blieben. Er weiss von dem Vorgefallenen noch nichts; erst seine
Mutter bringt ihm die frohe Nachricht:
ho ottenuto
Che Cassina in Calin se faccia sposa
E in cio sei da tuo padre compiacciuto.
Da tritt Cassina auf. Die Worte des plautiniscben
Epilogs (F. 972):
Haec Casina huius reperietur film !'«!■ e proxumo,
Eaque nubet Euthynico. nostro erili filio,
hat sich der italienische Bearbeiter natürlich nicht entgehen lassen,
ohne daraus die letzte Szene zu machen. Alle sind anwesend mit
Ausnahme des Alcesino und Calino; Stalin jedoch spricht kein
374 VI Casina.
Wort mehr. Cassina weigert sich, Calino zu heiraten. Sie
wurde einst von ihrer Mutter ausgesetzt und hat noch „le fasce
e i signi" ; sie kann , da sie zweifelsohne von Freien stammt,
keinen Sklaven heiraten. Da ergreift Mirina das Wort. Cassina
ist ihr vor der Ehe gehorenes Kind:
Prima che me sposasse Alcesino, esso
Me ingrauido, che amanti erauamo noi.
Et a chi amata cosa incontra sj>esso
AI tempo parturi una figlia, e poi
La mandai a espor, perche celata
Fusse la cosa.
Die Zeichen stimmen. Der King ist derselbe,
Che tuo padre in quel ponto mi dono
Che a ingenerarte fu meco congiunto.
Nun darf Teuthuirinico frei um sie werben und erhält
ihr Hand. Das letzte Wort hat Olimpione, indem er Teuthuiri-
nico noch warnt, aufmerksam zu sein:
In ueder, se essa e donna o huomo.
B e r r a r d o entfernt sich hier weit mehr, als in der Mostellaria,
vom Originale. Eigentlich ist es nicht mehr Übersetzung
zu nennen, wenn auch meist die neu eingefügten Szenen auf
plautinischen Andeutungen beruhen. Berrardos Stück ist be-
rechtigter, „Cassina" zu heissen, als dasjenige des Plautus, das
nur mit der Verhöhnung der beiden alten Böcke schliesst. Es
ist so, wie Teuf fei1) sich den Inhalt des ursprünglichen Stückes
vorstellt: „Vater und Sohn hatten sich in dasselbe Mädchen ver-
liebt, das in ihrem Hause — als Sklavin — auferzogen und
jetzt zur Jungfrau herangereift war. Um nun freie Birsch zu be-
kommen, schob jeder von beiden einen ergebenen Sklaven vor,
der das Mädchen heiraten sollte. (Das muss aus dem Stücke des
Diphilus sein, denn auf den Gedanken von ,seruiles nuptiae' wäre
Plautus von selbst nicht gekommen, siehe den Prolog, V. 67 ff.)
Die Frau des Hauses nimmt entschieden Partei für den Sohn und
dessen Kandidaten, weil sie die geheime Absicht ihres Gatten
merkt; (denn so unverhüllt, wie bei Plautus, wird er bei dem
attischen Dichter seine innersten Gedanken nicht ausgesprochen
haben.) Die streitenden Teile vereinigen sich dahin, das Los
entscheiden zu lassen. (Auch dieses ist für Diphilus wesentlich, wie
der Titel seines Stückes beweist.) Es entscheidet für den Vater
und dessen Strohmann. Der Sohn ist untröstlich; der Alte
') Studien u. Charakteristiken, S. 258. 259.
Machiavellis Clizia. 375
triumphiert, die Frau sinnt auf Ränke, um die Sache dennoch zu
hintertreiben. Sie teilt sich einer Nachbarin mit, und bei näherer
Erkundigung stellt sich heraus, dass das fragliche Mädchen (die
ausgesetzte Tochter der Nachbarin tmd daher) gar keine Sklavin
ist, somit weder einer der beiden Sklaven, noch der vermählte Stalino
sie zur Frau bekommen kann, sondern einzig der Sohn, dem sie
denn auch zu teil wird."
Die Akteinteilung Berrardos als solche ist sehr geschickt
gemacht. Seine gegen Plautus neu eingeführten Personen — -
Cassina und Teuthuirinico - haben zahlreichen späteren
Bearbeitern als Vorbild gedient. Kann schon der plautinische
Olympio zu Stalin sagen (F. 952):
natu tu maxumo
He opsecrauisti opere, Casinam ut poscerem uxorem mihi,
so noch Aveit mehr jener des Berrardo, da hier die Initiative
ganz und gar von Stalin ausgeht.
Etwa in das Jahr 1506 wäre Machiavellis Clizia1) zu
setzen, da es (I, 1) heisst: „Dirotello quando XII anni sono, nel
1494." — Obwohl in dem Prologe keine Erwähnung des Plau-
tus geschieht, ist das Stück doch auf der Casina des römischen
Dichters2) aufgebaut. Der Prolog berichtet nur, dass der Vorgang
sich in Athen ereignete. „Quelli cittadini parlauano in greco &
uoi quella lingua non intendereste, a deshalb „prendete in tanto il
caso seguito in Firenze".
I. Akt. (1.) Cleandro, der Sohn des Nicomach o und der
S o fr o n i a , erzählt dem P a 1 a m e d e von seiner Liebe zu Clizia, und
wie das Mädchen in dies Haus kam. Im Jahre 1494, als König Karl
Florenz berührte, habe ein Edler seines Gefolges das damals sechs-
jährige Kind im Hause seines Vaters hinterlassen. Es hiess Clizia.
Cleandros Liebe zu dem Mädchen wuchs von Jahr zu Jahr, .,di
modo che quando ella arriuö alla etä di 12 anni, mio padre e mia
madre cominciorno ad hauermi gli occhi alle mani. " Heiraten
könne er das Mädchen nie, weil sein Vater geizig und Clizia
arm (senza dote) sei. Dazu kömmt noch, dass seit einem Jahre
der Vater selber in sie verliebt ist und sie deshalb an seinen
Diener Pirro verheiraten will, um sich so den Mitgenuss zu
sichern. Die Mutter merkte es längst und möchte darum das
Mädchen ihrem Fattore, Eustachio, geben. Da nun Pirro
„il maggior ribaldo che sia in Firenze." ist, SO hat Cleandro
') Clizia. | Comedia | di M. Nicolo | Machiavelli | Fiorentino. |
Nuouamente corretta & ristampata. InFirenze 1548. (Ohne Paginierung.)
-) Riccoboni (I. 149): La Clitia est prise de la Casina de Piaute.
— Ginguene, VI. 238. — Euth. 11.499. — Alt. Kirche und Theater
(1846). S. 522. — Klein. IV, 462.
376 VI. Casina.
Eustachio brieflich nach Florenz berufen, um das Ausserste zu
verhüten. Palamede verspricht in allen Dingen seine treueste
Mithilfe. (2.) Cleandros Monolog- führt den Gedanken durch,
dass der Soldat und der Verliebte in vielen Dingen sich ähnlich
seien. (3.) Eustachio ist vom Lande herbeigeeilt. Cleandro
gewinnt ihn für sich; ihm, sagt er, habe er und seine Mutter
Clizia als Frau zugedacht.
IL Akt. (1.) Obschon der greise Nicomacho über die
Beschwerden des Alters jammert, brüstet er sich doch noch, „non
sono anchora si uecchio che io non rompessi una lancia con
Clizia.'- (2.) Im Weiteren teilt er Pirro mit, dass sein Sohn und
seine Frau Clizia an Eustachio verheiraten wollen, und hört
von diesem zu seinem grossen Arger, dass Eustachio das Land-
haus verlassen und in Florenz angekommen sei. (3.) Sofronia,
Nicomachos Gattin, welcher die Aufgabe zugefallen ist, Clizia
zu bewachen, ..guardare questa fanciulla dal figliuolo, dal marito,
da i famigli, " bespricht sich mit ihrem Manne über des Mädchens
Zukunft. Er meint, man müsse den Beichtvater Fra Timoteo,
der schon Wunder gewirkt habe,1) darüber befragen. (4.) So-
fronia, allein zurückgeblieben, klagt ihr Leid über die Verän-
derung, die seit einem Jahre mit ihrem Gatten vor sich gegangen
sei. Einstens das Muster eines Ehemannes , sei er jetzt das
Gegenteil davon. Wie bei Plautus (F. 89 ff.), streiten Pirro
und Eiistachio um die Braut, wobei Pirro den Fattore, wie
Chalinus den Olympio, begrüsst (F. 98):
Quid in urbe restas, uilliee hie magni preti?
Che fai tu in Firenze trista cosa?
III. Akt. (1.) Nicomacho macht seinem Sohne Cleandro
bittere Vorwürfe über seine Parteinahme gegen Pirro und er-
klärt ihm, dass diesen Abend noch Clizia mit Pirro verheiratet
werden soll. (2.) Cleandro bricht in schwere Klagen über
sein Los aus. Alle Nebenbxihler sind bei Clizias hoher Schön-
heit denkbar: „ma io non intesi mai che ad aleuno auuenisse
di hauere per riuale il padre." (3.) Sofronia berät sich mit ihrem
Sohne. Es soll alles geschehen, um die Heirat zu verhindern: vor
allem, meint Cleandro, müsste man doch warten, ob nicht Cli-
zias Eltern wieder gefunden würden. (4.) Nicomacho will in
einer Plautus nachgeahmten Szene seine Frau beschwichtigen.
(F. 212.) Blande haec mihi mala res adpellanda est.
Io la uoglio un poco berteggiare per uedere se le buone parole
mi giouano.
') So fr. Quäle ? Xicom. Come quäle? uö sai tu che per le sue
orationi mona Lucretia di M. Nicia Galtücci, cli' era sterile, ragrauidö?
Maehiavellis Clizia. 377
( V. 214.) Heia, mea Inno, non decet te esse tarn tristem tuo lovi.
0 fanciulla mia. hai tu perö ä stare si manineouiosa. quando
tu uedi la tua sjjeranza.
(V. 215.) Mitte tue! — Lasciam' ire.
Mane! — Permati dico.
Non maneo. — Io non uoglio; tu nii pari cotto.
At pol ego te sequar. — Io ti uerrö dietro.
Opsecro, sanun' es? — Sei tu inipazzato?
Samts quando te amo'l ■ — Pazzo perche io ti uoglio troppo bene?
Nolo ames. — Io non uoglio che tu me ne uoglia.
Non potes inpetrare. — ■ Questo non puo essere.
ßnicas. — Tu m' uccidi al fastidioso.
Vera dicas uelim. — Io uorrei ehe tu dicessi il uero.
Credo er/o istuc tibi. — Credotelo.
Respice, o mi lepos. — E guatami im poco. amor niio.
Nempe ita, Vti tu mihi es.
Vnde hie, amabo, unguenta adolent.
Io ti guato e odoroti anche. tu sai di buono: ben be. tu mi riesci.
( V. 223.) Uti te bonus
Mercurius perdat, myropola, qui haec mihi dedisti.
Ohime ch' ella sen e auueduta: ehe maledetto sia quel poltrone
che me lo arrecö dinanzi.
Onde sono uenuti questi odori di che tu sai, uecchio inipazzato?
(F. 227.) Pol amico dedi cuidam operam, dum emit unguenta.
E passö dinanzi di qui imo che ne uendeua, io gli stras-iuai.
et mi rimase di quello odore ä dosso.
Vt cito commentust!
Ecquid te pudet?
Egli ha gia trouata la bugia. non ti uergognitu di quello che
tu fai da un' anno in qua?
So hält sie ihm sein Sündenregister vor. Sie scheiden, wie
bei Plautus, indem Nicomacho Pirro, Sofronia Eustachio
dafür gewinnen will, auf das Mädchen Verzicht zu leisten (Y. 258):
Nunc experiemur, nostrum uter sit blandior.
Da hora inanzi eiaseuno di noi si proui. e chi di noi dispone il
suo, habbia uinto!
(5.) Eustachio wird bei seinem Auftreten von Nicomacho
wegen seines Hierseins zur Rede gestellt; dann wendet sich der
Herr freundlich an ihn: er zähle nun schon achtunddreissig Jahre,
und das Mädchen sei zu jung für ihn. Eustachio aber ist der
Ansicht: ,.In questa terra, chi ha la bella mogiie non puo essere
pouero, et del fuoco et della mogiie si puo essere liberale con
ogniuno, perclie quanto piu ne dai, piu te ne rimani;" und so
bleibt er bei seinem Vorsatze. (6.) Pirro läs>t sich leichter
verständigen, zwar hat er sich mit allen verfeindet (Tr. 311):
Verum edepol tua mihi odiosa est amatio:
Inimica est tua uxor mihi, inimicus filius.
Tnimici familiär es.
Mi sarö f'atto nimico la uostra douna. il uostro figliuolo, et tutti
ffli altri di rasa :
378 VI. Casina.
allein Stalino tröstet ihn im Originale (V. 313):
Quid id refert tua?
Vnus tibi liic dum propitius sit Iuppiter,
Tu istos minutos caue deos floccifeceris.
was, ins Christliche übersetzt, lautet:
Nicom. Ch' importa a te? sta bene con Christo, et fatti beffe de'
Santi.
Pirro. Si. Ma se uoi morissi, i Santi nie tratterebbono assai male;
(nach V. 318 si tu, Iuppiter, sis emortuus u. s. w.)
und im Ferneren :
Nie. Non dubitar, io ti farö tal parte che i Santi ti potranno dar
poca briga, et se pure e' uolessino, i magistrati et le leggi ti
defenderanno, purch' io habbia faculta per tuo mezzo di dor-
mire con Clizia.1)
( V. 323.) Non her de, opinor posse: ita ut uxor aeriter
Tua ins tat, ne mihi detur.
Io dubito che uoi non possiate, tanto infiammato ui ueggo
contra la donna.
( F. 324.) At ego sie agam :
Coniiciam sortis in siteltam et sortiar.
Io ho pensato che sarä bene per uscir una uolta di questo
farnetico, che si getti per sorte di chi sia Clitia, da che la
donna non si potra discostare.
( C. 328.) Quid, si sors aliter, quam uoles, euenerit?
Se la sorte mi uenisse contra ?
( V. 329.) Benedice! dis sum frelus ; deos sperabimus.
Io ho speranza in Dio che la conuerrä.
Gott, meint Pirro, soll die Schurkereien des alten Sünders
begünstigen! (7.) Den auftretenden Eustachio und Sofronia
setzt Nicomach o seinen Plan auseinander. Das Los soll ent-
scheiden. Nochmal ruft Nicomacho die heilige Apollonia an.
Das Los fällt zu gunsten Pirros. Nicomachos Freude ist
gross. Vergeblich möchte Sofronia die Hochzeit noch einen
Tag hinausziehen. Eustachio eilt zu Cleandro, um ihn zu
benachrichtigen.
IV. Akt. (1.) Cleandro wundert sich zunächst darüber,
dass seine Mutter auf den Vorschlag, um Clizia das Los zu
werfen, einging. Da Nicomacho mit Pirro auftritt, belauscht
er ihn, rückwärts stehend, wie Chalinus bei Plautus. (2.)
Nicomacho freut sich des Erfolges (V. 450):
Vt ego hodie Casinain deosculabor! ut mihi
Bona multa faciam clam meam uxorem !
Quando terrö in braccio Clitia, quand' io la toccherö, bacierö o stringerö . . .
V. 322. Si huc inpetramus, ut ego cum Casina eubem.
Machiavellis Clizia. 379
Die ganze Sache soll so vor sich gehen: ..Io lio imposto a
mogliama, che chiami Sostrata, moglie di Damone, perche gli
ainti ordinär qucste nozze, & acconciare la nnova sposa, & a
Damone dirö che solleciti che la donna ui uadia. Fatto questo
et cenato che si sarä, la sposa da queste donne sara nienata in
casa di Damone, et messa teco in camera, et nel letto: io dirö
di uoler restar con Damone albergo, et Sostrata ne uerrä con
Sof'ronia qui in casa, tu rimaso solo in camera spegnerai il lume,
& ti baioccherai per camera faccendo uista di spogliarti; intanto
io pian piano me ne uerrö in camera, & mi spoglierö & enterrö
a lato a Clizia, tu ti potrai star pianamente in sul lettuccio, la
mattina auanti giorno io mi uscirö del letto, mostrando di uoler
ir a orinare , reuistiromi & tu enternd nel letto," eine An-
ordnung, welche von Plautus ganz abweicht. Pirro ist
damit einverstanden. „Io ringratio Iddio poi che m' ha dato una
moglie in modo fatto, ch' io non harö a durar fatica, ne a iinpre-
gnarla, ne a darle le spese."1 Cleandro geht, um von alledem
seine Mutter in Kenntnis zu setzen. (3.) Eben recht kömmt
Damone (Alcesimus), der sich bereit erklärt, sein Haus zu
räumen, worauf Nicomacho zum Droguisten um Spezereien geht.
(4.) Sofronia hat Dämon es Zusage gehört. Nun sieht sie ein,
wie Cleostrata, weshalb ihr Gatte ihr die Beihilfe Sostratas,
der Gattin Damones, versprochen habe. Wie Cleostrat'a be-
grüsst sie ihn (V. 519):
Set eccum egreditur senali colunien, praesidium popli,
Meus uicinus, meo uiro qui liberum praebet locum.
Ecco Damone di qua, o specchio di questa cittä, et colouua
del suo quartiere, che accomoda la casa sua a si dishonesta
et uitoperosa impresa.
( V. 522.) A. Miror, huc iam non arcessi in proxumuui uxorem meam,
Quae iamdudum, si arcessatur, oruata expectat domi.
Sed eccam, opino, arcessit. Salve Cleostrata.
67. Et tu. Alcesime.
Vbi tua uxor?
A. Intus illa te, si se arcessas, inauet.
Nam tuos uir nie orauit, ut eam ad te adiutum mitterem.
Vin' uocem ?
Cl. Sine: nolo si * * occupata est.
A. Otiuni est.
Cl. Xil moror; molesta ei esse nolo; post conueneru.
A. Xou oruatis istic apud uos nuptias?
Cl. Orao et paro.
A. Non ergo opus est adiutrice?
Cl. Sat domi est.
wörtlich bei Machiayelli:
Pant. Io mi marauiglio die Sofronia si sia ferma, & non uenga auanti
a chiaiuar la niia donna; nia ecco che la uiene. Dio ti saluti,
Sofronia.
380 VI. Casina.
Sof. Et te, Damone; doue e la tua donna?
Dam. Ella e in casa, et e parata a uenir, se tu la chiami, perche il
tuo marito me n' ha pregato, uo io a chiamarla.
Sof. Nö, aö ; la debbe hauer f accenda.
Dam. Non ha faccenda alcima.
Sof. Lasciala stare, io non le uo dar briga, io la chiamerö, quando
fia tempo.
Dam. Ordinate uoi le nozze?
Sof. Si, ordiniamo.
Dam. Non hai tu necessitä di chi t' aiuti?
Sof. E ui e brigata im mondo per hora.
ferner (7. 532):
Quid ego nunc faciam? Flagitium maxumum feci miser
Propter operam illius hirqui inprobi atque edentuli,
Qui hoc mihi contraxit. Operam uxoris polliceor foras
Quasi catillatum.
Che farö hora, io ho fatto im errore grandissimo a cagione di
questo uecchio impazzato, bavoso, cisposo & senza denti, e' m' ha fatto
offerire la donna per aiuto a costei che non la uole, in modo che la
crederä ch' io uadia mendicando im pasto . . .
(5.) Unterdessen hat Nicomacho Spezereien und Parfüm ge-
kauft, wie es seine Frau vermutet. Die Szene ist wieder nach
Plaut us gearbeitet.
(F. 556.) St. Set uxorem ante aedis eccam! hei misero mihi!
Metuo, ne non sit surda atque haec audiuerit.
67. Auiliui ecastor cum malo masuo tuo
( V. 560.) St. Iamne ornata res est ?
Iamne haue traduxti huc ad nos uicinam tuam,
Quae te adrotaret?
Cl. Arcessiui, ut iusseras.
Verum hie sodalis tuos, amicus optumus,
Nescio, quid se sufflauit uxori suae:
Negavit posse, quando arcesso, mittere.
St. Vitium tibi istuc maxumum est: blanda es parum.
VI. Non matronarum officiumst, sed meretricium.
Viris alienis, mi uir, subblandirier.
I tu atque arcesse illam: ego intus, quod facto est opus,
Volo adeurare, mi uir.
Nie. Io ho ueduto mogliama, ö me ch' ella m' hara sentito.
Sof. Si ch' io t' ho sentito, & con tuo danno & uergogna, sio uiuo insin'a
domattina.
Nie. Sono a ordine le cose, hai tu chiamata questa tua uicina che t' aiuti.
Sof. Io la chiamai come tu mi dicesti, ma questo tuo caro amico le
fauellö non so che nell' orecchio in modo che la mi rispose che
non poteua uenire.
Nie. Io non nie ne marauiglio, perche tu sei im poco roza & non sai
aecomodarti colle persone quando tu uuoi aleuna cosa da loro.
Sof. Che uoleui tu ch' io la toccassi sotto '1 mento: io non son usa a
far carezze a mariti d' altri. ua, chiamala tu, poi che ti gioua
andare dietro alle mogli d' altri, & io andrö in casa a ordinär
il resto.
Machiavellis Clizia. 381
Nicht minder stimmt die nächste (6.) Szene zn Plantns
fast wörtlich, z. B. :
(F. 573.) Ale. Viso huc, amator si a foro rediit domum,
Sed eceum ante aedis! Ad te hercle ibam commodum.
St. Atque ego hercle ad te. Quid ais, uir minumi preti?
Quid tibi mandaui? Quid tecum oraui?
Ale. Quid est?
St. Ut bene uaciuas aedis fecisti mihi!
Ut traduxisti huc ad nos uxorem tuam!
Satin' propter te pereo ego atque occasio?
Ale. Quin tu suspendis te? Nempe tute dixeras,
Tuam arcessituram esse hinc uxorem meam?
Dam. Io uengo a uedere se questo amante e tornato dal mercato: ma
eecolo dauanti a 1' uscio, io ueniuo a punto a te.
Nie. Et io a te huomo da farne poco conto; di che te ho io pregato?
di che t' ho io richiesto? tu m' hai seruito cosi bene.
Dam. Che cosa e?
Nie. Tu mandasti mogliata? tu hai uota la casa di brigata, che fu un
solazzo, in modo che alle tue cagioni io sono morto & disfatto.
Denn. Va t' impicca, non me diceste che mogliata chiamarebbe la mia?
u. s. w. Plötzlich hört man Geschrei aus dem Hause. Nico-
macho und Daraone treten in dasselbe ein. (7.) Doria er-
zählt, auf welche Weise der Alte geprellt werden soll, indem
Siro, als Weib verkleidet, ihn empfangen will. Nicomac ho
und Dam on e kommen zurück, und Doria klagt, wie Parda-
lisca bei Plautus (7. 603):
Nulla su/n! nulla sum! tota, tota oeeidi!
Io son morta, io son morta; fuggite! fuggite!
über das Vorgefallene. Clizia sei plötzlich wahnwitzig geworden.
Diese Szene hat übrigens Machiavelli stark gekürzt. Wir hören
nur, dass Clizia mit gezücktem Dolche alle zu töten drohe.
Alsbald (9.) kömmt Doria mit der Botschaft wieder, Clizia habe
sich beruhigt, sodass also die Steigerung bei Plautus (V. 673):
iSV. Set etiamne habet Casina etiam nunc gladium?
Pur. Habet, set duos.
St. Quid duos?
Par. Altero te
Occisuram ait, altero uillicum hodie,
nicht mehr verwertet ist. — (10.) Siro, als Braut gekleidet, hebt
das Taschentuch vor sein Antlitz. „Sie weint!'' meint Sofronia.
(11.) Nicomacho, der sie nur flüchtig sah, findet: „Ella ne ua
molto maninconiosa, ma hai tu ueduto come elf e grande, la si
debbe essere aiutata con le pianelle." (12.) Die Braut ist zu
Bette. Nicomacho eilt ihr nach, was Sofronia zu dem Worte
veranlasst: „Questa tua donna sarä come la mezine da Santa
Maria in pruneta!"
382 VI. Casina.
V. Akt. (1.) Doria berichtet, wie es dem alten Nico-
macho erging*. „Hora entra in camera Nicomacho , hoi'a si
spoglia, hora si coriea al lato alla sposa, hora le da la battaglia,
hora e combattuto gagliardamente. " Nicomacho ist aufs tiefste
beschämt. Er spricht Olymp ios Worte (V. 864):
Neque quo fugiam, neque tibi lateam, neque hoc dedecus quomodo celem,
Scio . . .
„Fratel mio, io non so, done io mi lügga, done io mi nascon-
da, 6 done io occulti la gran uergogna, nella quäle io sono incorso. "
Dann erzählt er, wie es ihm erging, wie er Prügel bekam. Gegen
Morgen machte Pirro, da er Waffen fühlte, Licht, und — „in
cambio di Clitia uedemo Siro mio famiglio ritto sopra il letto,
tntto ignudo, che per dispregio, hu, hu, hu, mi faceua bocchi,
hu, hu, hu & manichetto drieto". Der Erfolg aber ist allen
lächerlich. (3.) Sofronia, der alles anheimzustellen, Damone
rät, hält Nicomacho eine ernste Strafpredigt; er verspricht, in
allem zu folgen, und vorerst wird Clizias Ehe mit Pirro ge-
löst. (4.) Eustachio erfährt, dass für ihn nichts zu hoffen ist,
und auch Cleandro muss zuwarten, da Clizia vorderhand in
einem Kloster untergebracht werden soll. Nach einem kurzen
Monologe Cleandros (5.) kömmt Damone (6.) mit froher Bot-
schaft. Clizias Vater ist angekommen. ,.11 padre di Clitia nostra
e uenuto in questa terra e chiamasi Ramondo et e gentilhuomo
Napoletano, et e ricchissimo & e solamente uenuto per ritrouare
questa sua figliuola." Damone (7.) stellt dem neu Ange-
kommenen Nicomacho und seine Frau vor, sowie Cleandro
als „tuo genero, quando ti piaccia", was Eamondo in wenig
Worten gerne zugiebt. Und nun sollen „nuoue nozze" statt-
finden, „le quali fiano feminine & non maschie come quelle di
Nicomacho. "
Zwischen jedem Akte ist eine „canzone" eingeschaltet, ganz
nach Art eines Chores. Besonders die am Schlüsse des zweiten
Aktes eingefügte beleuchtet hübsch die Idee des Ganzen:
Qvanto in cor gentile e bello Amore,
Tanto si disconuiene
In chi de gli anni sua passato ha '1 fiore.
Amor ha sua uirtute ä gl' anni uguale.
Et uelle fresche etati assai s' honora,
Et nelle antiche poco o nulla uale,
Si che o uecchi amorosi il meglio fora
Lasciar 1' impresa a giouinetti ardenti,
Che per forte opre iutenti
Far ponno al suo signor di largo honore.
Machiavellis Stück ist einfach und klar und in gewählter
Sprache, die selten etwas derb wird, geschrieben. Soweit es
Gellis ..Lo Errore". 383
anging, hat er sich, sogar bis auf den Wortlaut, an
Plautus angeschlossen. Einige Freiheit gestatteten ihm nur
die Lücken des Originals und der Drang, nach Kräften zu kürzen.
Einige (oft gering-fügige) Änderungen mussten sich daraus er-
gehen, dass der hei Plautus nicht handelnde Jüngling Euthy-
nicus hier als Cleandro eine Hauptrolle spielt, und dass einige
spezifisch altrömische Szenen, wie z. B. die mit dem Koche
(in, 6., V. 700 ff.), hei Machiavelli wegfielen.
Bei verschiedenen Schriftstellern1) findet sich die Angabe,
dass des Gio. Battista Gelli Lustspiel „Lo Errore"-) mit der
Clizia des Machiavelli und also mittelbar mit Plautus'
„Casina" zusammenhänge. Im Prologe (S. 9) heisst es allerdings:
,.11 suggetto della commedia . . . e un caso solo sirnile alla
Clizia di Machiavelli. E questo e un vecchio che innamorandosi
in quella etä, alla quäle par che si convenga ogni altra cosa
piü che lo amore, non ottenne solamente quel che ei desidera^,
ma egli fu forza per ricoprir 1' error suo acconsentir che un suo
figliuolo, all' etä del quäle non disdiceva lo innamorarsi, ottennesse
il suo desiderio egli."
Der Inhalt des Stückes, das nach jedem Akte intermedii,
einige angefügte Verse, hat, wird zeigen, wie es mit Plautus
und selbst mit Machiavelli gar nichts gemeinsam hat. Vater
und Sohn verfolgen hier ganz andere Ziele. Die Komödie
selbst ist recht schwach und zeigt, mit der Sporta (S. 274) ver-
glichen, so recht, was dem Dichter der Halt an der Antike war.
Dort, auf Plautus gestützt, gelang es ihm, ein unter-
haltliches Stück zu liefern: hier, auf sich angewiesen,
brachte er es nur zu einer albernen Posse mit leerem
Geschwätz.
I. Akt. (1.) Der alte Gherardo Amieri ist in die Frau
seines Nachbars Averardo Tieri, Mona Ginevra, verliebt
und glaubt, dem Alter stehen solche Exzesse nicht minder als der
Jngend an. (2.) Er enthüllt dies Geheimnis seinem Freunde
Bindo Bostichi, der ihn wie einen Jüngling von zwanzig bis
fünfundzwanzig Jahren findet, doch aber mit ihm nicht über-
einstimmen kann. Gherardo kann sich nicht frei bewegen, „che
io ho quella diavola di mogliama e quel saccentino del mio
') Ruth. II, 499.
2) Lo Errore, Comedia del Gelli, recitata alla Cena che l'ece
Ruberto di Filippo Pandolfini alla Cornpagnia de' Fantastichi 1' anno
1555 in Firenze. Di Firenze (presso il Torrentino ehe la dedica al Pan-
dolfini. 1556 in 8°. Erste, sehr seltene Ausgabe. — Lo Errore di Gio.
Batista Gelli Fiorentino. In Firenze nella stampejia de' Giunti 1603 in
8°. — Neben andern Ausgaben (Neapel [?] 1 731 j enthalten auf S. 1 — 73
der Aso-b. Milano (Dalla societä tipografica de' Classici Italiani) anno 1S07.
384 VI. Casina.
figliuolo ehe io ti so dir che ci nii pongon ben mente alle mani."
Deshalb hat er eine gewisse Mona Pacifica, die Witwe Acco-
mo das, als Zwischenträgerin. Unbefriedigt verlässt ihn Bindo.
(3.) Mona Pacifica wird von Gherardo das Haus Ginevras
licschrieben. Sie geht hin, um dort etwas zu vermitteln, gerät
aber (4.) in Gherardo s eigenes Haus, wo Mona Francesca,
die Hausfrau desselben, sie empfangt und, Verdacht hinsichtlich
ihres Mannes schöpfend, sich als Mona Ginevra ausgiebt.
II. Akt. (1.) Mona Francesca erbittet sich Bedenkzeit,
während welcher M. Pacifica in die Kirche St. Ambruogio
geht, um für ihren verstorbenen Mann zu beten. Francesca
hofft, es soll hierbei wenigstens soviel gewonnen werden, „che
questo vecchio pazzo in cambio d' ottener la voglia e il desiderio
suo consenta che il mio figlio e io ottegnamo il nostro lasciandolo
tor questa figliuola di Averardo per moglie, perche ei ne e tanto
innamorato, che io dubito, se ei non 1' ha, che noi non ce lo
perdiamo in qualche modo.-' Sie erzählt ihrem Sohne Camillo
die Sache. (2.) Da M. Francesca wiederkömmt, giebt sie ihr
halbwegs Hoffnung. (3.) Sehnsüchtig wartet der Alte mit seinem
Husten, den er sich gestern bei einer Verkältung holte. Pacifica,
„der ein Prophet diesen Namen gab,"' erzählt ihm das Resultat.
Ein nächtliches Zusammentreffen ist nicht möglich, so soll
Gherardo bei Tag, „ma vestito da donna,-' sich dort einfinden.
(4.) In aller Eile schickt Gherardo seine Frau nach dem Kloster
weg, um frei zu sein.
III. Akt. Dieser enthält fast gar keine Förderung der
Handlung, sondern nur eitles Gerede.
IV. Akt. Gherardo, schön rasiert, treibt seinen Sohn zu
einem Spaziergange an, nachdem er ihm schon am Ende des
vorigen Aktes sagte, er brauche nicht zu studieren, da für ihn
bestens gesorgt sei. Camillo erfährt von seiner Mutter, dass
der Alte in Weibertracht kommen werde. Beide wollen sich den
Spass mit ansehen. Mona Ginevra erscheint, und die Magd
erhält den Auftrag, eine allenfalls klopfende Frau hereinzulassen.
Der alte Gherardo in Weiberkleidern wird der Spott des kleinen
Fellino, des Sohnes der M. Ginevra.
V. Akt. Francesca schimpft den im Weiberrocke da-
stehenden Gherardo, so wie er es verdient. Er erfährt, dass
M. Pacifica s Irrtum das Misslingen seines Planes verui-sacht
habe. Camillo erhält Lucrezia zur Frau, da Gherardo und
Lucrezias Eltern endlich einstimmen.
Von italienischen Übersetzungen der Casina nennt Argelati1)
») m. 233.
Lariveys Le Laquais. 3g5
jene von Francesco Brunamonti. — Von Dolces „Ragazzo*,
in französischem Gewände, wird sofort die Rede sein.
Eine Kontamination eines Zuges der Aulularia und der
Hauptidee der Casina ist Lariveys (S. 66) „Le Laquais-,1)
eine Übertragung von Dolces „Ragazzo". Dass der Casina
indessen unendlich weit mehr als der Aulularia entnommen ist,
deutet schon der Prolog an, obwohl in demselben die ursprüng-
liche Quelle, Plautus und Machiavelli, nicht genannt sind.
„L'auteur," heisst es dort, „Ta voulu intituler le Laquais
non sans cause, d'autant qu'en vn mesme tems vous verrez par
trois diuerses tromperies deceuoir vn vieillard, lequel epris des
beautez d'vne ieune rille de laquelle son fils estoit amoureux,
pensant la nuict estre couche auec eile trouue entre ses bras vn
laquais desguise, ce pendant son rils ioye de ses amours, sa rille
propre s'enfuyt auec son amy & sa seruante le desrobbe. Le
f'aict se descouure, & le trouble est grand & brouille. En rin tout
succede si bien que les amans sont espousez ensemble, le laquais
recognue pour frere de la rille amye du fils au vieillard, & la
seruante rapporte son larcin, qui faict redoubler la feste."
I. Akt. (1.) Der alte Symeon erzählt seinem Diener
Valere von seiner ungestümen Liebe zu Marie. Valere
schont ihn mit seinem Spotte nicht. ;,Tous amoureux sont fols
tv. les vieillards plus que les autres, " sagt er ihm und stellt ihm
vor, wie er bereits sechzig Jahre zähle, ferner „vne femme eneor
belle & f'resche, vn fils de dixhuict ans, et vne fille preste ä
marier" habe. (2.) Besser versteht sich Symeon mit dem
„maqverav' Thomas, der ihn gleich schmeichelnd empfängt,
ob er auch in origineller Weise die Wörter verwechselt. „Oh
quelle belle face! quel air delicat! quelle aparance Imperiale vous
auez maintenant! par ma foy, Monsieur, vo' raieunissez comme le
formis!" „„Ha, ha, ha!"" verbessert ihn Symeon, „„tu veux
dire comme le foenix!"" Dieser maquereau Thomas erinnert
an Mo Her es „Fr o sine-'. Er glaubt, dem Alten jedes Mädchen
von vorneherein zusagen zu können, „si eile estoit fille d'Alastra-
xerce ou d'Vrgande la descognue, vous l'auriez ayant bourse
plaine." Als er aber erfahrt, dass Marie die Tochter des ver-
storbenen Advokaten Pomphile ist, „la plus belle, la plus
gaillarde ^ vertueuse fille qui öoit en tout le monde, " findet er
die Sache etwas schwieriger: allerdings mit ,, conquibus (feilten
') Fol. 1 — 53 der 8. 286 A. 1. genannten Asgb. — Ancien thea I re
francais, Bd. V, S. 7—102.
25
38« VL. Casiua.
des escus)" kann es gelten, da die Mutter nicht mehr viel be-
sitzt. (3.) Nun ist aber Maurice, Syraeons Sohn, sterblich in
Marie verliebt. Sein Los ist bitter; auch er klagt: „Qui iamais
oyt dire que le pere fust coriual de son fils. " Auch er gesteht
Valere, „qu'en bref ie mourray," wenn er nicht Marie erhält.
(4.) Die Dazwischenkunft seines Lehrers, des maistre es artz
Lncian, der meist lateinisch spricht und ihn besonders vor den
Italienern warnt, „pour ce que les Italiens sont generatio mala,"
schiebt eine längere Szene ein. Dieser Pedant, dem wir noch
öfter begegnen, ist der Pädagog Ludus aus den Bacchides
des Plautus.1) (5.) Valere sagt seine Beihilfe bereitwillig zu.
Er wird das Seinige thun; nicht umsonst hat er „prins aeeoin-
tance auec Bellecouleur seruante de Marie".
II. Akt. Thomas sucht die Sache des Italieners Horatio,
der in Symeons Tochter Francoise verliebt ist, sowie die
des Maurice und des Alten gemeinsam zu lösen. Jacquet,
Horatios Diener (le laquais), gleicht Marie, „ie ne scais comme
deux gouttes d'eau se pourroient mieux resembler. " Er solle nun
nachts in weiblicher Kleidung den alten Symeon empfangen, in-
dessen Franchise in den Kleidern des laquais Gelegenheit
finden wird, sich mit Horatio auszusprechen. Der Pedant
Lucian kömmt wieder zur ungelegensten Zeit mit seinen latei-
nischen Sprüchen und Zitaten.
III. Akt. Jacquet, in weiblicher Kleidung, wird von
Thomas unterrichtet, wie er sich Symeon gegenüber zu stellen
habe: auch Francoise im Kostüme des laquais kömmt mit
Horatio zusammen, der ihr in überschwenglicher italienischer
Weise seine Liebe schildert. Unterwegs wird sie durch ein
nächtliches Eencontre von ihm getrennt. Valere verfolgt sie
als den „laquais de ce bougre", erkennt aber bald die auf den
Tod geängstigte Francoise und macht ihr Vorwürfe über ihr
Betragen, bis Horatio dazu kömmt. — Die Dienerin Catherine
hat sich ihrerseits am Besitztume ihres Herrn vergriffen; auch sie
will einen Nutzen aus der Sache ziehen (III, 5): „Je scays, oü
est la vaisselle d'argent et cognois homme qui nie la changera
en beaux escus au soleil; apres ie m'en irai ailleurs, ie seray
autant bien venue ä Lyon qu'iey: on vit partout qui a de quoy."
IV. Akt. Jacquet, noch immer in weiblicher Tracht, er-
zählt Thomas peinlich ausführlich, wie er bei dem Alten lag,
ihn lange verschämt hinhielt, bis endlich: „i'ouvre les iambes
comme en dormant qiioy sentant le vieillard il poussa auec sa main
jusques entre mes cuisses, oü il trouua ceste racilie qui distingue
les hommes d'auec les femmes." Er giebt sich nun für ]\[aries
>) Grässe. DI, 112. — Klein. IV. 906.
Larivey. Dolce. 387
Bruder aus, der kam in ihrem Namen, „pour l'assurer de son
amitie." Symeon ist mit allem so ziemlich zufrieden. Erst
Valere klärt ihn auf. Thomas habe unterdessen seinen Sohn
Maurice mit Marie vereint, und seine Tochter Franchise sei
entflohen, was den Alten in gewaltige Aufregung versetzt.
V. Akt. Diesen Jammer setzt Symeon im fünften Akte
fort. Dem Sohne könnte er noch verzeihen, aher die Schmach
der Tochter ist zu gross. Und wenn ihr Verführer wenigstens
etwas wäre, um sie heiraten und ihre Ehre retten zu können! —
Der Kardinal, in dessen Diensten Horatio steht, sendet seinen
Sekretär, Messer M. Anthoine, zur rechten Zeit, um die Ver-
heiratung der Liebenden zu verlangen. Auch Maurice erhält
seine Marie, was zu einem um so fröhlicheren Schlüsse führt,
als auch Catherine in sich geht und ihr gestohlenes Zeug zu-
rüekgiebt. „Qui peche," sind ihre Worte, ,.et s'en repent est
sauue, disoit feu de bonne memoire frere Josse . . . ie m'en vas
tout reporter et le metre gentiment oü ie Tay prins."
Das Stück Lariveys ist hinsichtlich der Rivalität zwischen
Vater und Sohn und der Unterschiebung des laquais zur Täu-
schung des Alten natürlich eine Imitation der Casina in
ihren Hauptzügen, was bei dem Dichter nicht Wunder nimmt;
aber es ist, wie er sagt, „a l'imitation des anciens et modernes
Italiens." Das antike Sujet ist (schon durch Machiavelli)
ganz italianisiert. Wir treffen den Spanier, hier Italiener, mit
seinen ,.doulces parolles et sucrees", den lateinisch zitierenden
Hofmeister, den Kuppler Thomas, der sich erlaubt, Verse
in seiner Art zu machen, „si iamais ie ne nie suis alambicjue Le
cerveau a lire en Ronsard et Bai'f & autre qui composaient ä
leur mode" (II, 2). — Der Alte kömmt glimpflicher als bei
Plautus weg, auch tritt seine Frau nicht auf; denn „eile est
malade; mais ie pense", fügt er an, damit nichts die glückliche
Lösung störe, „qu'elle sera guerie sitost cju'elle entendra ces
bonnes nouuelles. "
Völlig unvermittelt, weil von niemand bemerkt, steht
Catherines Diebstahl und Wiederersatz des Geraubten da als
eine gänzlich unnötige, ja unmotivierte Episode.
Lariveys Stück ist eine einfache Übersetzung, in welcher
nur weniges lokalisiert wurde, nach Lod. Dolces „ II Ragazzo".1)
Symeon ist hier Messer Cesare, der in Livia (Marie) verliebt
ist. Valerio ist Valere geblieben; der maquereau Thomas
ist hier der Parasit Ciacco. Er begrüsst den Alten: 0 che
') II Ragazzo. Comedia di Lodovico Dolce. In Vinegia ap-
presso Gabriel Giolito de' Ferrari 1560. (60 fol.) — Eine Ausgabe von
1539 ist im Ancirn theätre frangois (V. Bd.) angeführt.
25 *
388 VI- Casina.
bell' aria, che aspetto da Imperadore, ch' e questo uostro d'hoggi.
A fe; signore, che uoi ringiouinate come fa 1' Helefante, was
Cesare berichtigt: Ah, ah, tu uoi dir la Feilice! — Flammini o
ist Maurice, der Gelehrte il Pedante. Der „laquais" ist
Giacchetto, der Diener des Spaniers, der hei Dolce natur-
gemäss ein Spanier, hei Larivey ein Italiener sein musste.
„Assomiglia tanto di iätezza a quella giouane, che io non so
come si potessero assomigliare piu fratello & sorella nati ad un
corpo,'' sagt Ciacco von seinem Äusseren. Francoise ist hier
Camilla, Catherine Catherina.
Von der genauen Übertragung Lariveys mag der ur-
sprüngliche Prolog Dole es zeugen: „Tre diuersi inganni in un
medesimo tempo fatti a un uecchio, il quäle inuaghito d' una
giouane, di cui s' era innamorato il figliuolo, credendo trouarsi la
notte con lei, gli e condotto innanzi un Ragazzo in hahito di
fanciulla tanto simile all' amorosa che eiaseuno che lunga domesti-
chezza non haueua con lui liauuto se ne sarebbe ingamiato. II
figliero lo gode del suo amore, la tigliuola se ne fugge con uno
suo aniante, e la fante an cor a ella fuggendo inuola al uecchio
certi argenti. II fatto si scopre , e i trauagli sono grandi.
Finalmente succedendo da tutte le parti honorato matrimonio,
conosciuto il ragazzo esser fratello di colei, tornata la fante con
gli argenti a casa, le feste si raddoppiano da per tutto."
An einer Reihe von Stellen war die Casina das Vorbild zu
Gio. Battista della Portas Lustspiel „La Fantesca".1)
Essandro hat, um seiner geliebten Cleria nahe zu sein,
weibliche Kleidung angelegt und dient ihr als Zofe. Eines
Tages erzählte er ihr von seinem Zwillingsbruder und schilderte
ihn so schön, dass Cleria Lust bekam, ihn zu sehen. Essandro
kleidete sich um und, indem er unten spazieren ging, gewann er
im Sturme Clerias Herz, so zwar, dass sie, als er wieder in
Mädchentracht erschien, ihn umhalste und küsste, dicendo, che
mentre baciaua me, le pareua di baciar mio fratello. Jedoch
auch der alte Herr Gerast o hat ein Auge auf Essandro ge-
worfen. Wie der plautinische Stalino, duftet Gerasto nach Sal-
ben und Spezereien, was er, wie dieser, mit einem Zufall erklärt:
Santina. Oh, come odori di muschio, mi pari una profumeria.
Gerasto. Passando per la bottega di maestro Cesare profumiero, mi
spruzzö un poco d' accpia nanfa su '1 uolto.
Wie Stalino und Cleostrata, so streiten hier Santina und
Gerasto um die Verheiratung Essau dros (II, 7."); die Gründe
aber, die Gerasto für ihre Entfernung anführt, sind dem
' i Vinegia, presse- Gio. Battista & Gio. Bernardo Sessa. 1597. (82 fol.)
G. B. della Porta. Regnard. 389
Mercator (V. 391: Nihil opus nobis ancilla u. s. w.) entnommen:
..Non e buona per seruire, e troppo delicata, pare vna gentildonna,
ne troueremo vna piü rustica, che possa spezzar legna, cariarle,
far la bueata, star in cocina, & soura tutto bisognando toccar
delle bastonate" (vapulet).
Sein letztes Abenteuer mit der vermeintlichen Zofe erzählt
Gerasto seiner Frau selbst (V, 4): ,,L' abbraccio, e mi sento
pungere il mustaccio come fusse huoino. AI fin le staua inginoe-
ehiato dinanzi; ella tira a se i piedi, e mi da vna eoppia di calci
su ] petto, e mi fa cascar supino in terra, che mancö poco non
mi scauezzassi il collo." — Wieder begann er den Sturm, aber
was musste er entdecken! „Era piü maschio ch' io, tanto maschio
che n' haresti fatto tre masehi!"
Indessen schwebten hier, wie bei allen Stücken, ') dem
Dichter verschiedene Komödien des Plautus vor. Abgesehen
von dem Capitan, der sich an den Miles gloriosus in der
üblichen Weise anschliesst, sind die Reminiszenzen an Plautus
häufig, die Rede des Panurgo, des Dieners Essandros (I, 5):
Horsü, lasciate che ritiri me stesso vn poco in consiglio secreto
u. s. w., erinnert genau an die des Epidicus. Der Traum, den
Gerasto (II, 7) erzählt: „Pareuami che fussi diuenuto vn gato
rosso che hauemo in casa e staua innamorato d' vna gatticella
detta Bellina u. s. w., hat trotz aller Verschiedenheit unverkenn-
bar sein Vorbild im Traume des Daemones im Rudens, ein
Stück, das della Porta mehrfach vor Augen g'ehabt zu haben
scheint.
Die Vermutung Sommers,2) dass sich Regnard für seine
,.Les Folies Amoureuses" 3) (zum erstenmale am 15. Januar
1704 gespielt) an der Casina des Plautus begeistert habe,
vermag ich nicht zu teilen. Agathes Vormund, Albert, hat mit
dem alten Stalino nichts gemeinsam. Agathes verstellter
Wahnsinn äussert sich völlig anders, als der Casinas. Er soll
der Darstellerin Gelegenheit geben, ihre Virtuosität
in verschiedenen Situationen zu zeigen. Regnards
Lnstspjel, und was nach demselben gearbeitet ist,4) beruht
') Vgl. bei Pseu dolus, Menaechmi u. Miles gloriosus.
2) Les comedies de Piaute etc. I. 236 „Rcynanl s'est heureuse«
ment inspire en composanl ses folies amoureuses."
3) Auf S. 645-61)3 des ersten Bandes der Oeuvres completes de
Regnard. Paris 1854. (Ad. Delahays.
'•) Ebenda, S. 630. Dominique (1680- -17:J4i, Eis du fameux Arle-
(juiii de l'ancienne troupe, a trouve ce sujet theatral et l'a mis sur la
scene italienne le 19 jauvier 1725, sous le titre de La tolle raison-
390 VII. Cistellaria.
höchst wahrscheinlich auf einem italienischen Canevas, „la finta
pazza,"1) dem Plautus nicht zu gründe lag.
Rapp2) vermutet, dass auch in seiner ,, Epicoene, or the
silent woman3)" (gespielt 1609), wo gleichfalls ein Knabe
{tTtiAOivif) als Braut vermählt wird, der gelehrte Ben Jonson
vielleicht an des Plautus Casina gedacht habe. Es soll nicht
widersprochen werden. Die umfassende Kenntnis des Altertums,
welche Ben Jonson an den Tag legt, mag bewusst und
unbewusst seine Schöpfungen beeinflusst haben. Gerade dieses
Stück ist reich an Imitationen der Alten, speziell des Plautus
und Terenz, worauf Upton und Gifford hinweisen.4) Und so
mag allerdings Sir Dauphine Eugenies List: „You have married
a boy, a gentleman's son, that I have brought up this half year
at my great charges and for this composition, which I have
now made with you," eingegeben sein von Plautus (V. 572):
„Miserrumum liodie e^o lnmc habebo amasium." 5)
VII. Cistellaria.')
Die Cistellaria ist gänzlich defekt auf uns gekommen, ob
auch die Handlung aus den Fragmenten ganz klar und ungestört
vor uns liegt. „Was wir bis jetzt besitzen, kann nicht die Hälfte
des Ganzen sein, nach der Verszahl der übrigen p 1 au tini sehen
nable. Sa piece a beaueoup de conforrnite avec ,Les folies amoureuses'.
Mme Argante se laisse eblouir par les richesses de M. Bassemine, et lui
promet sa fille Silvia, dejä promise a Leandre. Pour rompre ce projet,
Silvia feint de devenir folle: eile dit qu'Apollon l'attend sur le Parnasse,
qu'elle y doit souper avec lui u. s. w. — Beauchamps, Recherches,
HI, 132, giebt als Datum der ersten Aufführung von Dominiques Ein-
akter den 9. Januar an.
') Oeuvres completes de Regnard. I, S. 628. Vgl. Beauchamps,
Recherches, UI, 122.
2) Studien, S. 228.
3) Ed. Gifford, Band HI, 235— 500. Deutsch von Tieck, indessen
Schriften, Band XH, 155—354. (1800.)
4) A. a. 0., S. 341. 383. 387. 441. 494 u. ö.
5) Freilich erlaubte diese Annahme dann auch anPietroAretinos
Lustspiel ,,I1 Marescalco" zu denken (1530 aufgeführt), wo dieser mit
dem verkleideten Pagen vermählt wird. Doch ist dies nach einer Anek-
dote geschrieben. (Vinegia, Ag. Bindoui. 1550).
e) Ausg. von L. E. Benoist (Lyon 1863). — Hier zitiert nach C. H.
Weise. — Deutsch von G. G. S. Köpke. Berlin 1809.
Charakteristik derselben. 391
Stücke zu schliessen; auch hat Ritschi (Parerg., S. 238, Anm.)
die Lücke auf ungefähr sechshundert Verse berechnet. " l) Trotz
der Lücken erkennen wir jedoch leicht das zusammenhängende
Gewebe des Stückes, das an wohl durchgeführten Charakteren
und gelungenen Szenen keinen Mangel hat.
Im ersten Akte treffen wir eine Kupplerin, eine würdige
Vertreterin ihres Standes, mit ihrem Mädchen Gymnasium bei
Silenium. Sie haben bei ihr ein üppiges Mahl eingenommen.
Ehe sie scheiden, rückt Silenium mit ihrem Anliegen heraus.
Sie muss zu ihrer Mutter (Melänis) nach Hause, die sehr er-
bost ist, weil Sileniums Geliebter, der junge Alcesimarchus,
von seinem Vater gezwungen wird, eine reiche Frau aus Lemnos
zu heiraten. Gymnasium soll nun an Sileniums Stelle drei
Tage haushalten, was die Kupplerin, obwohl es ihr Schaden
bringt, gewährt (V. 107):
Quamquam mi istud erit molestum triduom, et damnum dabis:
Faciam.
Aus dem Munde der betrunkenen, redseligen Kupplerin ver-
nehmen wir in der nächsten Szene'2) einiges, was Licht in die
Situation bringt. Vor siebenzehn Jahren hatte sie Silenium
ausgesetzt gefunden und ihrer Freundin Melänis geschenkt, die
damals eben das Kind gut brauchen konnte, um ihrem fernen
Liebhaber mitteilen zu können, sie habe es von ihm geboren
(F. 144):
Nam amatorem aibat esse peregrinum sibi:
Suppositionem eius reii facere gratia.
Der Gott der Hilfe (Auxilium) tritt auf und erzählt uns
in der nächsten Szene3) das "Weitere (F. 189):
Nunc quod reliquom restat uolo persoluere :
Ut expungatur nomen, ue quid debeam.
') Teuf fei, Stud. u. Ckarakt. S. 261. — „Kaum zur Hälfte er-
halten." (Teuffei, Gesch. d. r. L. S. 149.)
2) Teuf fei, Stud. S. 260: „In der Cistellaria kann es keinem
Zweifel unterliegen, dass Windischmann u. Kitschi (Parerg. S. 237,
Anm.) recht haben, I, 2, 6 — 13 als unecht und aus I, 3, 42 ff. wörtlich
entlehnt auszuwerfen. Denn in der Rekapitulation, I, 3, 3 ff , vgl. F. 22,
wird als Inhalt der Rede der Lena einzig die Unterschiebung des Kin-
des angegeben, dieselbe hatte sich also auf ihren eigenen Anteil an den
früheren Vorgängen beschränkt. Auch in sich sind die Worte unhaltbar.
Das Motiv der Trunkenheit ( F. 8) war schon F. 2 ff. da, ebenso die Worte
quae hinc Heus abiit (F 13) in V. 4, und der Entschluss, alles herz-
haft herauszusagen (F. 9), passt gar nicht zu F. 11 — 13, sondern einzig
zu dem Geständnis, dass sie zu dem Betrug mit geholfen habe. Auf
anderes hat Ritsch] a. a. 0. hingewiesen."
3) „Für die Ursprünglichkeit von I, 3, des durch das Auxilium
gesprochenen Prologs, ist es übrigens kein günstiges Zeichen, da^s F. 49 ff.
392 "VII. Cistellana.
Rapp1) nennt dieses Auftreten „wenigstens eine sehr geist-
reiche Wendung und des Plautus vollkommen würdig; denn
alles sinnreiche Umgehen der gewöhnlichen Regel ist inter-
essant."
Der Gott holt nun weiter ans. Ein Kaufmann ans Lemnos
sei einst zu den Dionysosfesten nach Sikyon gekommen und habe
dort berauscht ein Mädchen vergewaltigt. Dieses gebar ein Kind
von ihm und liess es aussetzen, worauf die- Kupplerin es fand.
Der Kaufmann hatte sich fortgemacht, eine Verwandte aus Lemnos
geheiratet und, als diese gestorben war, jenes Mädchen zur Frau
genommen, das einst infolge jener Gewaltthat das Kind geboren
hatte (F. 178):
duxit uxorem sibi hie
Eaudem quam olim uirginem hie conpresserat.
Seit die beiden sich wieder fanden und verheirateten, forschten
sie eifrig nach dem einst ausgesetzten Kinde. Das Ehepaar ist
Demipho und Phanostrata.
Im zweiten Akte tritt Alcesimarch, der Geliebte
Sileniums, auf. Die Liebe hat ihn fast vernichtet ( F. 204):
Credo ego amorem primum aput homines caruuficiuam eommeutum.
Haue ego de me coniecturam domi facio, ne foris quaeram:
Iactor, crucior, agitor, stimulor, uorsor in amoris rota
Miser, exanimor,
Feror. differör, distrahor, diripior,
u. so lange weiter. Vergeblich bittet er die hinzukommende
Melänis um ihre Tochter. Sie wird ihm verweigert.
Doubletten sind, uämlich die Worte liaec res gesta est mit I, 2. 28 und
ualete et uiueite uirtute uera, quod fecistis antidhac mit Gas. prol. 87 f.;
ferner, dass V. 52 augete auxilia uostris iustis legibus gesetzt ist, ohne
Beziehung darauf, dass dem Auxilium die Worte in den Mund gelegt
sind, endlich überhaupt die Breite und Unbeholfenheit der Erzählung
und die Fiktion des Auxilium, welche mit dem Inhalt des Stückes und
des Prologes keinen Zusammenhang hat und völlig unmotiviert ist. Mir
kommt es vor, als wäre dieselbe aus dem Kopfe eines späteren Prolog-
schreibers hervorgegangen, der die Nachhilfe, welche der Prolog dem
Verständnis der Zuschauer bietet, personifizierte und sich dabei gewisser-
massen einbildet, die Art des Plautus, Prologe einzuführen (durch die
Luxuria, den Lar familiaris und den Ärcturus), sehr geistreich nachge-
ahmt zu habeu. Ich denke mir die Entstehung von I, 2 und I, 3 fol-
gendermassen. Ursprünglich plautinisch ist I, 2, 1—5, 14 — 28 soviel,
als für das Verständnis des Folgenden, namentlich der Nachforschung
des Sklaven in H, 2, wünschenswert ist. Für eine nachfolgende Auf-
führung nach dem Tode des Plautus wurde I, 3 hiuzugedichtet und noch
später schliesslich I. 2 aus I. 3 ergänzt durch V. 6 — 13." (Teuf fei,
Studien. S. 260, 2610
') A. a. 0, S. 637.
Charakteristik derselben. 393
Lampadiscus, Demiplios Sklave, der nämliche, der
einst Seleninm ausgesetzt hatte, hatte aus einem Hause das
Weib gehen sehen , welches das Mädchen auf der Rennbahn
(ab hippodromo, F. 285) aufhob. Melänis lauscht erst auf die
Unterredung- des Lampadiscus mit Phanostrata, dann erfährt
sie auf ihre Fragen von ihm das Weitere. Sie merkt, dass die
Sache verraten ist, und ist entschlossen, Silenium zurückzugeben
(F. 361):
rem palam esse intellego:
Nunc egomet potius hanc inibo gratiam
Ab illis. quam illaec indicet nie. Ibo domum,
Atque ad parentes suos ducam Silenium.
Ganz romantisch ist die erste Szene des dritten Aktes.
Melänis eröffnet Silenium das Geheimnis und giebt der Sklavin
Halisca ein Kästchen mit Spielzeug, an dem Sileniums Eltern
sie erkennen werden (F. 369):
Nam hie crepundia insunt, quibuscum« te lila olim ad me detulit.
Quae mihi dedit; pareutes te ut cognoscaut facilius.
Accipe hanc cistellam, Halisca.
Auf dem Wege zu Seleniums Eltern trifft diese und
Halisca Alcesimarch, der sich in Liebesgram eben das
Schwert in die Brust stossen will. Silenium eilt zu ihm, sie
erhält ihn am Leben, worauf er Silenium auf den Armen
davonträgt.
Im vierten Akte tritt Lampadiscus auf. Er findet auf
der Strasse das von Halisca verlorne Kästchen, welches die
hinzutretende, Phanostrata sofort als das ihrige erkennt. Halisca
eilt herbei, voll Angst und Sorge das verlorne Kästchen suchend.
Nach längerer Forschung stellt ihr Phanostrata dasselbe zurück
und begiebt sich mit ihr zu Melänis.
Im Fragmente des fünften Aktes tritt der alte Demipho
auf; er hat gehört, dass seine Tochter gefunden sei. Witzig
wendet er des Sklaven Wort, dass er durch seine Hilfe zu einem
Kinde gekommen sei, zu einer Verwahrung gegen solche Kinder,
die man durch andrer Bemühung erhält (F. 515):
Euim uou placet:
Nil moror, aliena in i opera fieri pluris liberos.
Er geht ins Haus, um Weiteres zu erfahren.
Der Epilog sagt nichts zur Sache. ..Mit dem Epilog
scheint es sich ebenso zu verhalten, wie mit dem zur Casina:
statt die wenig unterhaltende Verhandlung, wie Alccsiniarclius
statt der jüngeren ihm verlobten Tochter des Demipho die
ältere , mit Phanostrata erzeugte , zur Frau nimmt , vor dem
394 VII. Cistellaria.
Publikum vorzunehmen, ist dieser Teil des plautinischen Stücks
weggelassen und durch den kurzen Bericht ersetzt, ,omnes intus
conficient negotium.' Also auch von diesem Stücke hätten wir
- wenigstens hinsichtlich des Schlusses — das Theaterexemplar,
nicht die ursprüngliche plautinische Bearbeitung. " *)
Von den Charakteren des Stückes ist nicht viel zu sagen.
..Die eigentliche Braut des Alcesimarchus schwebt wie ein
Schatten uns vorüber; vielleicht hat Ladewig recht mit seiner
Vermutung, dass das Verhältnis im Stück aufgelöst wurde noch
vor Auffindung von Silenium. Was aus Gymnasium wird,
lässt sich nicht ahnen; ein innigeres Verhältnis hat sie nicht
(I, 1, 44 ff.),'2) und so wird sie vielleicht mit der Anerkennung
abgespeist, welche der Vater der Alcesimarchus in den Mai-
schen Fragmenten ihren Reizen zu Teil werden lässt, wofern sie
nicht etwa einem der schliesslich freigelassenen Sklaven zufällt.
Das männliche Personal wird schon durch Mais Veröffentlichung*
um den Vater des Alcesimarchus samt seinem Sklaven ver-
mehrt; auch Alcesimarchus gewinnt durch diese Bruchstücke
an Leibhaftigkeit ein klein wenig; im allgemeinen aber ist auf
dieser Seite das Meiste untergegangen , namentlich über die
frühere Geschichte des Demipho — wie sie im Prologe (I, 3)
dargestellt wird — alles.1'3)
Silenium ist Gymnasiums aufrichtige Freundin (F. 1):
Cum antehac te amaui, et mihi amicam esse creui,
Mea Gymnasium, et matrem tuam — — — —
— — — — — — — — Soror si mea esses,
Qui magis potueritis mihi houorem ire liabitum,
Xescio; uisi ut meus est animus, fieri nou posse arbitror.
Sie ist keine Buhlerin (F. 84):
quia ego nolo me meretricem dicier,
und hat ausser mit Alcesimarchus noch mit keinem Manne zu
thun gehabt (F. 88):
Nisi quidem cum Alcesimai'cko, nemine,
Neque pudicitiam meam mihi alius quisquam inminuit.
Zu ihm aber hat sie innige Liebe (F. 110):
mihi cordi est tarnen.
Alcesimarchus ist das Bild eines Verliebten;
>) Teuffei, Studien. S. 261.
2) Haec quidem ecastor cotidie uiro nubit, nupsitque hodie,
Nubet mox noctu. Numquam ego hanc uiduam cubare siui:
Nam si haec non nubat, lugubri fame familia pereat.
3) Teuf fei, Studien. S. 261.
Charakteristik derselben. 395
Is amore proiecticiam illam deperit,
heisst es im Prolog- des Auxilium (7 192).
Neben Melänis, von der Lampadiscus kein schmeichel-
haftes Bild entwirft:
Nullam ego me uidisse credo magis anum excruciabilem,
Quam illaec est
| V. 386), steht die suchende Halisca, „ein Kabinetstückchen
von Grazie".1)
Gut gezeichnet ist die Kupplerin. Sie schwärmt für die
Eintracht des Standes (7 22):
Decet pol,
Mea Silenium, hunc esse ordinem beneuolentes
Inter se, beneque utier amicitia.
Vbi istas uideas summo genere natas,
Summatis matronas, ut amicitiam coluut,
Atque ut eam iunctam beue habent inter se.
U. s. W.
Sie vertritt die Freiheit der Frau, den Stand der Buhlerin.
Zweckmässig (conducibile) ist es zwar, ..umim amare" und sich
zu verheiraten; aber (7 81):
Verum euim meretrix fortunati est oppidi similluma:
Nou potest suam rem optinere sola sine multis uiris.
Nach ihrem eigenen Geständnisse kann sie nicht schweigen.
Schon das Auxilium nennt sie (7 150"): „multiloqua et multi-
biba'' ; sie selber sagt (7 121):
Idem mihi, magnae quod parti est uitium mulierum,
Quae hunc quaestum faeimus, quae, ubi saburratae sumus,
Largiloquae extemplo sumus; plus loquimur quam sat est."
Die mannigfachen Beziehungen, welche dies Stück mit dem
Epidiktis hat, lassen die Vermutung, dass zwischen der Ab-
fassungszeit beider wenige Jahre liegen, gerechtfertigt erscheinen.
Eine italienische Nachbildung der Cistellaria*2) ist das
Lustspiel Gl' incantesimi des Gio. Maria Cecchi.3)
') Rapp, S. 038.
2) Ginguene. IV, 27«. — Ruth. IT. 583. — Klein. TV. 614.
3) Gl' incantesimi. | Comedia | «II Gio. Maria Cerchi Fiorentino.
In Vinc'U'ia appresso Gabriel Giolito de Ferrari e fratelli. MDL. 42fol.—
Der Name Cerchi statt Cecchi findei sich auf den Titelblättern meh-
rerer Stücke. Das vorliegende Exemplar enthält zahlreiche Irrtümer,
Szenen und Seiten sind massenhaft verdruckt.
396
VII. Cistellaria.
Der Prolog äussert sich hierüber: „Speramo che uoi debhiate
dar grato silenzio alla auova comedia, alla quäl Pia uro per
subietto dato ha la Cistellaria. Fa Plauto oggi di come far
sogliono certi grau personaggi, i quai uolendosi ritrouare a far
tresche con il popolo, ne possendo cio far scoperti, e in publico
per il grado che gli hau, lo fan.no in maschera. Cosi egli oggi
di (quantunque lacero) pur parlando lathio, non puö in publico
uscire a uiso scoperto che intendere a pena non sapre '1 quinto
degli huomini. Pero ua mascherato in questa fauola e in quella,
che per noue oggi si recita. Et perche gl' ha trouato buon
compagno sempre questo autor delli Incantesimi ha contratta seco
una ämicizia si fatta che e non da mai fuor comedia che
Plauto non uoglia sempre metterui la parte sua. Et egli
che desidera imparar da chi sa glie ne ha quel obligo che hauer
si debbe a chi ci fa seruizio, ne pensa che a ragione di cio
riprendere lo possa alcuno se non pero qualehe inuido di chi egli
non cura ne i fantastichi ne curono altresi perch' essi attendono
a far quello che pensano che lor comodo torni, & dia spasso a
personaggi simili a uoi cortesi aseoltatori, et grachino di loro le
cornacchie quanto uogliono, che la Luna non stima i cani che
abbaiano. "
I. Akt. (1.) Die beiden Betschwestern (pinzochere)
Hermellina und Barbera führen den Zuschauer in die
Situation ein. Barbera klagt wegen ihrer Tochter Violante
und erzählt, wie sie in ihr Haus kam. In ihren schönen Tagen
verkehrte sie mit dem capitano Anguilla da Narni, welcher
sie innig liebte. ,.I ti giuro, Hermellina, per questo santo liabito
ch' io ho indosso ch' io non gli chiesi mai cosa ch' io non 1' hauessi,
i dico in que tempi che le cose, come tu sai, ualeuano un' occhio
d' huomo .... E perche io uedeuo che egli haueua uoglia d' hauer
di nie figliuoli, accio che per mezo di questa occasione io facessi
la dota alla uecchia, mi fmsi di lui grossa, facendomi il corpo
contrafatto, al tempo partori senza doglie pero la Violante."
Hermellina erinnert sich jener vermeintlichen Geburt noch wohl.
Ein Mädchen, „di buone genti," hatte das Kind geboren und der
„alleuatrice Madonna Nobile" übergeben. Von dieser erhielt es
Barbera. Als der capitano kam, begrüsste sie ihn mit den
Worten: „Capitano, io u' ho fatta la figliuola, fatele bor uoi la
dota." Er kaufte ihr dies Haus, gab ihr Vermögen und starb
alsbald. Dieses Mädchen nun, Barberas angebliche Tochter, ist
in Gismondo verliebt. So strenge sie auch gehütet wurde und
so ferne Barbera Gismondo hielt, einst da sie eben „la nostra
regola" betete, erbrach Gismondo Violantes Thüre, „fece seco
cio che gli parue" und wechselte mit ihr den Trauring. Aus
Furcht vor Gismondos Vater that man das Mädchen in Stram-
Cecchis Gl' Incantesimi. 397
bas Haus und gab sie für die Frau desselben aus. Seitdem,
volle vier Monate, hat Gismondo treulich für sie gesorgt; jetzt
aber bestimmte ihm sein Vater Baldo eine Frau, die Tochter
des Niccolozzo di Naldo. Man weiss nichts Bestimmtes; denn
seit vier Tagen ist Gismondo mit Stramba nach seinem
Landgute -San Casano gegangen, ohne dass er irgend etwas
von sich hätte hören lassen. Barbera will nun das Mädchen,
das unverbrüchlich auf. Gismondo baut, wieder in ihr Haus zu-
rücknehmen. Sie macht sich nun mit Herrn eil ina auf, Viola nte
zu besuchen. (2.) Baldo bespricht sich mit seinem Diener Sfuma.
Sfuma ist der Ansicht, Gismondo wolle nicht viel von einer
Heirat wissen; von dem Alten jedoch erfahren wir, dass er in
Vi ol ante verliebt sei. „Io uoglio a questa sua Violante tanto
bene ch' io mi consumo." (3.) Barbera und Hermellina gehen
mit Violante vorüber, die Treulosigkeit der jungen Leute be-
klagend. Baldo sieht Violante mit Entzücken. „Vedestu mai
la piu bella creatura," ruft er aus und verfolgt sie. Die Alte
zwar, meint Sfuma, „e diuentata Pinzochera; •' Baldo aber
tröstet sich: „Ella e stata auch' ella di carne e d' ossa. " (4.) Der
alte Niccolozzo entpuppt sich in seinem Gespräche mit seinem
Diener Trinca als ein greiser Taugenichts. „Sono stato gli
anni interi interi innamorato. 0 che diauolo ho io fatto a Siena,
quando io ero piu giouane. " Freilich ging das nur in Siena.
Hier in Florenz — „questi Fiorentini non son gente da scherzar
con loro';. Lange geht es über die Florentiner her; bis wir er-
fahren, dass er hier sein Auge auf Violante geworfen habe.
II. Akt. (1.) Gismondo ist mit Stramba vom Laude
zurückgekehrt, wo er vier Tage zugebracht hat. Er ist besorgt,
was unterdessen Violante um ihn geduldet haben mag. (2.)
AI am anno, Gismondos Freund, ergeht sich in Klagen über
diesen. Er will nun Fiammetta heiraten, von der er doch
wisse, dass er sie liebe. Allerdings tröstet ihn sein Diener
Sottile und prophezeit Gismondo: „che egli dara le spese a
figliuoli uostri, i so ben io il ben che la Fiammetta ui uole e
alhora si potra corre la rosa, che e non s' hara a hauer paura
dello Lagrossare, e bastera che e nasca in casa. " (3.) Da
AI a mann o seinen Freund erblickt, stellt er ihn über sein Ver-
halten zu Rede. Dieser aber geht mit ihm und verspricht, ihm
weitläufige Erklärungen geben zu wollen. (4.) Sfuma und
Trinca sprechen von ihren Herren. Trinca führt die ganze
Geschichte aus. Niccolozzo di Naldo di Mino da Siena,
che cosi ha nome mio padrone pecora, fand vor Jahren, als er
nach Florenz kam, dort ein Mädchen, si trouö con lei & la
ingrauidö. Als die Belagerung von Florenz erfolgte, zog er
sich nach Siena zurück, nahm eine Frau und zeugte mit ihr
398 VII. Cistellaria.
eine Tochter, Fiammetta. Die Plorentinerin, die er gesegneten
Leibes verlassen hatte, gebar eine Tochter, und da sie „era nata
senza la licentia, la madre della ginonane la dette a nna madonna
Nobile allenatrice che la portasse a gli Innocenti". Bald darauf
heiratete die verlassene Florentinerin einen alten Mann, mit dem
sie bis vor zAvei Jahren glücklich lebte. Die Umstände veran-
lassten Niccolozzo, mit der Tochter, die er von der Sieneserin
hatte, nach Florenz zn ziehen. Da seine Frau gestorben war,
suchte er nach jenem Mädchen, mit dem er einst hier gelebt
hatte; er fand sie wieder, nnd da sie Witwe war, heiratete er sie.
Das ist seine dermalige Frau Gostanza, „una sauia e ualente
donna in uerita." Seit ihrer Verehelichung suchen sie eifrig
ihre einst ausgesetzte Tochter, wobei besonders Trinca thätig
ist, da er bestimmt erfahren hat, dass sie noch lebe. (5.) Gis-
mondo ruft Sfuma. Innerhalb einer Stunde braucht er „trenta
scudi". Von der Alten hat er nicht erfahren können, wohin sie
Vi ol ante gebracht hat. Er muss nun Geld haben, um die
Sache definitiv zu erledigen. Stramba setzt in langer Rede
auseinander, welche grossen Vorteile für ihn die Scheinheirat mit
Vi o laute hatte: „ogni uno mi fa motto, ogni uno mi saluta,
ogni uno mi carezza. "
III. Akt. Nach einleitenden Abmachungen Trincas und
Stümas (1.), und nachdem Baldo und Niccolozzo sich über
den Ehekontrakt geeinigt haben (2.), erzählt Trinca seinem
Herrn Niccolozzo, dass ihm Violante nicht abgeneigt sei;
ein Hindernis liege nur in der Alten. Violante frage ihm
sogar nach. ,.0 Dio, mi uengo meno per la dolcetudine!" ruft
der Alte. Ja, Violante will sich in den Brunnen stürzen,
wenn sie nicht mit Niccolozzo zusammenkömmt. „Ohne, Trinca,
uedi che non ui si getti!" fällt der Alte ein. Ein Zauberer soll
nun die Sache abmachen. „Egli mi risohiette di fare uno in-
cantesimo che oggi uoi trouerete con la Violante." Dem dummen
Alten wird nun weisgemacht, Violante werde Baidos Gestalt
annehmen, und seine zögernde Frage: „E hammi a parer sempre
sempre Baldo?" beantwortet Trinca: „A punto ui parra sempre
finche non iscogliete lo incantesimo, il quäle potrete sciorre subito
che uoi sarete in casa. " Kindisch freut sich Niccolozzo dieses
Spieles und kann den Zeitpunkt nicht mehr erwarten.
(3.) Unterdessen haben Sottile und Sfuma ganz das
Gleiche Baldo vorgemacht. Auch er soll Violante durch
Zaubermittel erhalten; für ihn soll sie als Niccolozzo er-
scheinen. Völlig mit allem einverstanden (4.), zahlt er die be-
nötigten dreissig Scudi. „Faceta persona e questo tuo padrone,"
meint Sottile. „Sciocca uolesti dir tu, se gia tu non intendessi
faceto, cioe da farlo fare," verbessert ihn Trinca. (5.) Gismondo
Cecchis Gl' Incantesimi. 399
erhält von Sfuma die gewünschten dreissig Scudi. (6.) Ala-
in anno aber kann noch immer nicht glauben, dass sein Freund
wirklich von Fiammetta nichts mehr wissen wolle.
IV. Akt. (1.) Baldo erhält von Sfuma den Schlüssel zu
Violantes Zimmer. Der Maestro hat den ganzen Zauber gut
gemacht. Indes ist Baldo nicht ohne Angst, Stramba,
Violantes vermeintlicher Gatte, möchte zurückkommen und ihn
hier antreffen. (2.) Niccolozzo tritt mit Trinca auf. Er hat
den Zauberspruch gut auswendig gelernt. Baldo hält nun
Niccolozzo, Niccolozzo Baldo für die verzauberte Schönheit.
Bald. Ben sia uenuta la mia sparanzina!
Nicc. Bene stia la coratella del corpo mio.
Bald. Andianne in casa cli' io mi sento consumare.
Nicc. E io mi struggo come la cera al fuoco.
Es ist eine drastische Szene, oder wie Sfuma bezeichnend
sagt, ein „felice incontro di dua solenni pecore".
(3.) Baldo ruft im Hause Sfuma zu Hilfe: Ohne, ohne i
son morto, 0 Sfuma, Sfuma! In gleicher Weise schreit Nicco-
lozzo: Misericordia! (4.) Niccolozzo eilt aus dem Hause und
giebt Sottile einen eingehenden Bericht, wie alles zuging.
Alles war recht: aber Stramba kam und prügelte ihn elend
durch. Viola nte verschwand: er selber entfloh unter Zurück-
lassung des Mantels und der Pantoffel und fürchtet nun zunächst
seine Frau. Sottile stellt ihm vor, er müsse sich nun Violantes
annehmen, an der alles haften bliebe; er müsse sie in sein Haus
zu sich führen. „Aber die Frau?" „„Gut!"" rät Sottile, „„sie
soll als eine Verwandte aus Siena vorgestellt werden und durch
Zaubermittel das Aussehen eines andern Mädchens bekommen. " "
Für die Frau aber will er ihm ein Schlafpulver geben, „che
quella notte uoi potete fax conto che la non sia in questo mondo. "
Der Alte geht auf alles ein. (5.) Baldo, mit einem Degen be-
waffnet, den ihm der capitano Bartolomeo gab („questo stocco
mi donö il Capitano Bartolomeo quando i fui sua lancia spezzata"),
will mit Sfuma gegen Stramba losgehen: doch vermittelt Sfuma
den Handel auf friedliche Weise.
V. Akt. (1.) Alamanno, in weiblicher Kleidung, erhält
von Sottile Verhaltungsvorschriften. (2.) Niccolozzo kömmt
eben recht: Alamanno begrüsst ihn als Vi ol ante, und Nicco-
lozzo führt ihn auf Sottiles Geheiss zu seiner Tochter. ..I le
serrero in una camera tutte adua sole sole, " meint Niccolozzo.
(3.) Barbera und Nobile führen die schluchzende Violante
ab. Sie haben von ihrer Herkunft gesprochen. Vergeblich er-
regt sich Gismondo; Barbera will von ibm nichts mehr hören.
„Le tue faccende," hält sie ihm entgegen, „sono intorno alla
400 VII. Cistellaria.
nuoua moglie." Er kann sieh nicht mehr verteidigen. (4.) Nicco-
lozzo hat unterdessen eine andere Überzeugung gewonnen: „Ella
e la mia figliuola, se fussino State sorelle non harebbon f'atto piu,
quantunque la mia staua un poco cosi saluatichetta, come qnella
ehe non la conosceua. Ma Violante se gli apiccö al collo e
dettegli un bacciozzo saporito, che si sarebbe apiccato a uno
petto di ferro." Er sperrte sie dann in ein Zimmer ein, und
jetzt will er den Zauber lösen, „accioche io mi possa mai piu
trouar con quella ladrina a solo a solo."
(5.) Gostanza hat die Dummheiten ihres Mannes erfahren.
(6.) Sie berät sich mit Nobile, welche ihr die Tochter wieder
zuführen soll; Gismondo aber hat eben das Mädchen mit sich
genommen. In den weiteren drei Szenen löst sich die Sache.
AI am anno erhält seine Geliebte, Gismondo, der nicht mehr
auftritt, seine Violante, die wiedergefundene Tochter Nicco-
lozzos und Gostanzas.
Wie ersichtlich, ist die Grundidee aus Plautus. Die
„Incantesimi " sind jedoch, wie schon der Titel besagt, Haupt-
sache geworden: sie veranlassen die heiteren und effektvollen
Szenen des Stückes; die Geschichte mit der wiedergefundenen
Tochter muss mehr zurücktreten. Das Lustspiel steht bei
weitem nicht auf der sittlichen Höhe, wie z. B. Cecchis
„La moglie". Manch zweifelhafter Witz ist hier eingeflochten
worden.
Einige Ähnlichkeit mit dem Stoffe der Cistellaria hat das
Schicksal Pantalones und Olimpias in dem ital. Lustspielsujet
., Lo specchio".1)
Wollte man alle Stücke, in welchen es sich um ein wieder-
gefundenes und durch irgend welche Kennzeichen beglaubigtes
Kind handelt, als dem Plautus nachgeahmt hinstellen, so wären
die Imitationen der Cistellaria (und des Epidikus) sehr zahl-
reich, obgleich ihre Verfasser den römischen Dichter und sein
bezügliches Stück schwerlich kannten und sicher bei Abfassung
des ihrigen nicht im Auge hatten.
') Findet sich als Giornata, XVI, S. 47, in II Teatro delle Fauole
rappresentatiue , oyero La Ricreatione Comica, Boscareccia, e Tragica:
Diuisa in cinquanta giornate; Composte da Flaniinio Scala detto
Flauio Comico del Sereniss. Sig. Duca di Mantoua. In Venetia. Ap-
presso Gio. Battista Pulciani. MDCXI.
Epidikus. 401
Till. Epidikus.1)
Des Epidikus, der nachweislieh um das Jahr 560 a. u. e.
verfasst wurde,2) thut Plaut us selber, und zwar in anerkennender
Weise, Erwähnung in seinen Bacchides, wenn er Chrusalus
sagen lässt (F. 214):
Etiam Epidicum, quam ego fabulam aeque ac me ijtsum amo,
Nullam aeque inuitus specto, si agit Pollio.
Ohne Zweifel zählt aber auch Epidikus zu den trefflichsten
Stücken des Dichters. Rapp3) urteilt: „Wenn man die Intrigue
einmal als ein Hauptelement der komischen Bühne wird gelten
lassen müssen, so ist unter den griechischen Stücken, die wir
haben, dieses vielleicht das erste, so schön in seiner Art, wie in
anderer die Menächmen, von ausnehmender Gewalt des Haupt-
charakters und besonders der Entwickelung, obgleich man es als
einen Fehler rügen muss, dass die Intrigue eine doppelte ist, die
den Zuschauer fast verwirren muss." Zu einem ähnlichen Urteile
gelangt Binder (S. 5), der das Stück als „unstreitig eines der
ausgezeichnetsten unter allen uns aus dem Altertum erhaltenen
Stücken dieser Gattung1' bezeichnet. Teuffei4) findet das Stück
„mit reicher, aber etwas verwickelter Handlung und ohne be-
sonderen Aufwand von Witz und Lebendigkeit" gearbeitet.
In der ersten Szene des ersten Aktes erfährt der Sklave
Epidikus von dem Waffenträger Thesprio, der nur in diesem
Auftritte vorkömmt, dass sein junger Herr Stratippokles um
die Kriegsbeute sich ein Mädchen gekauft habe (F. 41):
Forma lepida et liberali captiuam adulescentulani
De praeda mercatust.
Dies setzt den Sklaven in grosse Verlegenheit, denn in
zahlreichen Briefen (F. 56) aus dem Felde hatte er ihn beauf-
tragt, eine Harfenspielerin, die er liebte, von einem Kuppler
loszukaufen , was Epidikus auch zu stände brachte (F. 45):
Ipse mihi mandauit, ab lenonc ut tidicina,
Quam amabat. emeretur sibi. Id ei inpetratum reddidi.
') Ausgaben von Andr. Wille. (Erfurt 1604.) — F. Jacob. (Lüb.
1835.) — 0. E. Ge p per t. (Berlin 18<35.j Hier ist zitiert nach V. II. Weise.
— Eine deutsche Übersetzung lieferte Rost. (Lpz. 1822.)
2) Teuffei, Studien. S. 262.
3) D. pl. L., 8. 1332.
•'*) Gesch. d. röm. Litt., S. 149.
26
402 VIII. Epidikus.
Um vierzig- Minen hat er unterdessen Telestis losgekauft;
das Geld schuldet er einem thebäischeh Wechsler (F. 51):
„ab danista aput Thebas sumpsit foenore."
Das Harfemnädchen selbst hatte Epidikus nur durch eine
List losgekauft, indem er den alten Herrn glauben machte, es
sei seine eigene Tochter (F 89):
Ego miser meis perpuli dolis senem,
Vt censeret suam sese emere filiam: is suo filio
Fidioinam emit, quam ipse amauit, quam abiens mandauit mihi.
Da Epidikus seinen Herrn Stratippokles mit seinem
Freunde Chäribulus nahen sieht, tritt er zurück, um ihr Ge-
spräch zxi belauschen. Er hört, wie Stratippokles unverzüglich
vierzig Minen brauche, und dass Epidikus sie schaffen müsse
(F. 120):
Quem quidem ego hominem irrigatum plagis pistori dabo,
Nisi hodie prius conparassit mihi quadraginta minas,
Quam argenti fuero elocutus ei postremam syllabam.
Da tritt er vor. Er erfährt, dass Stratippokles von der
fidicina nichts mehr wissen wolle: aber die vierzig Minen soll
er schaffen, ,.unde lubet" (F. 143).
Epidikus verspricht seine Beihilfe. Er hofft, durch den
Alten das Geld zu erwerben (F. 162):
,, Seuem oppugnare certumst consilium mihi."
Im zweiten Akte tritt Periphanes mit seinem Freunde
Apöcides auf. Epidikus gesellt sich zu ihnen (F. 181):
Acutum cultrum habeo, seni qui exenterem marsupium.
Überall, beginnt er, habe er Periphanes gesucht. Das
Heer sei zurückgekehrt, und bei dieser Gelegenheit habe er im
Volksgetümmel eine Flötenspielerin, die Stratippokles lange
schon liebte, gesehen und gehört, wie zwei andere Mädchen über
sie sprachen: „sie werde frei, da Stratippokles das zu ihrer
Loskaufimg nötige Geld von einem thebäischen Wechsler ent-
lehnt habe." Die Szene ist ungeheuer lebhaft dargestellt. Der
Alte ist über seinen Sohn entsetzt, und Epidikus rät ihm nun,
er möge sich stellen, als sei er selber in die Harfenspielerin
verliebt und wolle dieselbe freikaufen; alsdann möge er sie aus
der Stadt schaffen. Um den Verdacht von Periphanes abzu-
lenken, solle Apöcides die Sache abmachen. Die vierzig Minen
seien sofort wieder eingebracht, weil ein reicher Soldat aus Rhodus
Charakteristik desselben. 403
auf das Mädchen bereits ein Auge geworfen habe. Epidikus
erhält dann die Summe.
Den dritten Akt beginnt Stratippokles mit seinem
Freunde Chäribulus. Epidikus bringt das ersehnte Geld.
Nun eilt der Sklave sofort zu dem Kuppler und unterrichtet
ihn, was er zu thun habe. Wenn Apöcides komme, so solle er
thun, als seien ihm die vierzig Minen bezahlt, was ja auch für die
erste Geliebte des Stratippokles geschah: eine andere schlaue
Harfnerin (V. 370):
„aliquam dolosam fidiemam, nnmo condueta quae sit."
solle er dann ins Haus des Periphanes schicken, nachdem sie
in alles eingeweiht wurde. Alsbald bringt Apöcides dem Peri-
phanes die angeblich gekaufte Harfnerin: Periphanes kann
seinen Sklaven und sein Geschick nicht genug loben. Der Soldat
tritt auf. Er will wegen des Mädchens iinterhandeln und lässt
sich auf fünfzig Minen Kaufpreis ein. Als ihm aber Periphanes
die eben gekaufte Harfherin vorstellt, zeigt es sich, dass dies
nicht Akropolistis ist, und dass der Alte betrogen wurde. Die
Harfnerin giebt ferneren Aufschluss, dass sie nur zu gottes-
dienstlichem Gesänge gemietet sei (F. 498):
Condueta ueni, ut fidibus canerem seni,
Dum rem diuinam faceret.
Ausserdem sei sie eine Freie. Periphanes durchschaut den
Betrug seines Sklaven imd schwört ihm Strafe (F. 521):
Is etiam sese sapere memorat ! Malleum
Sapientiorem scilicet esse manubrio.
Im vierten Akte tritt die Matrone Philipps auf. Ihre
Tochter ist in Feindeshand geraten (F. 529):
„gnata mea hosthmi est potita. neque ea nunc ubi sit, scio."
An Periphanes erkennt sie den Mann, mit welchem sie in
Epidaurus gelebt (F. 539):
Plane hie
Ille est qui mihi iu Epidauro primus pudicitiam pepulit.
( V. 555.) Tun- is es,
Qui per uoluptatem tuam iu me aerumuam opseuisti grauem,
und dem sie das Kind, das sie eben sucht, geboren hat. Auch
Periphanes erkennt sie und tröstet sie, ihre Tochter sei in
seinem Hause. Freudig ruft er Akropolistis-, allein bei dieser
Begegnung enthüllt sich ein weiterer Betrug des Epidikus:
2(1 *
404 VIII. Epidikus.
Akvopolistis, die er deshalb doch gekauft hatte, ist seine
Tochter nicht. Neuerdings schwört er ihm Züchtigung (F. 603):
Ego relictis rebus Epidicum operam quaerendo dabo.
Si inuenio, exitiabilem ego illi faciam hunc ut fiat diem.
Im fünften Akte kauft Stratippokles das Mädchen
Telestis dem Wechsler ab. Epidikus betrachtet sie scharf,
und je mehr er sie ansieht , um so mehr findet er in ihr
Philippas, also auch Periphanes', Kind, wodurch freilich
Stratippokles seine Geliebte verliert. Epidikus triumphiert
über den glücklichen Zufall. Da nahen Periphanes und
Apöcides, dem die Knie vom Laufen anschwellen (F 667):
„lassitudine inuaserunt misero in genua flemina-'. Epidikus lässt
sich willig binden und gesteht auf alle Fragen die Wahrheit;
doch werde er, sagt er, ungerecht behandelt, da er dem Herrn
die einzige Tochter wieder gefunden habe.
Die letzte Szene löst den Knoten. Epidikus will seine
Fesseln nicht fallen lassen, obwohl ihn Periphanes bittet. Nur
ungern gestattet er es (F. 726):
„ — Inuitus do hanc ueniam tibi,
Nisi necessitate cogar. Solue sane, si lubet."
Er erhält die Freiheit und wird Tischgenosse des Peri-
phanes; dem „nouo liberto opus est, quod pappet", worauf
Periphanes zugesteht: „Dabitur: praebebo eibum1' (F. 723).
Das Hauptinteresse nimmt wohl Epidikus für sich in An-
spruch, der Mensch, der durch Schelmenstreiche zur Freiheit kam
(F. 728):
„Hie is homo est, qui libertatem malitia inuenit sua."
Der „scurra", wie ihn Thesprio nennt (F. 13), hat die
richtige Ansicht vom Sklavenleben. Der Sklave muss nicht alles
sagen, was er weiss (F. 57):
Plus scire satiust quam loqui
Seruom hominem; ea sapientia est,
ein Grundsatz, den auch sein Kamerad Palaestrio im Miles glo-
riosus (F. 477) ausspricht: Plus oportet scire seruom quam loqui.
Er treibt sein Gewerbe so gewandt, wie der Töpfer seine
Scheibe.
Vorsutior [tu] es, quam rota figularis,
sagt ihm Chaeribulus (F. 369): ebenso (F. 376):
Nimis doctus ille est ad malefacieudum,
Charakteristik desselben. 405
und auch Apöcides nennt ihnen einen „seruom graphicum et
quantiuis preti" (F 408).
Sein Nebendiener, der Waffenträger Thesprio, entwickelt
eine bombastische Kriegersprache. Auf die Frage, wie es dem
jungen Herrn ergehe, antwortet der kräftige (F. 8) Mensch:
pugilice atque athletice [ualet] (F 18).
Der junge Herr ist energisch , etwas eigensinnig. Seine
Liebe zu Telestis erklärt sich aus ihrer Schönheit (F. 621):
Vsque ab unguiculo ad capillum siimmum est festivissuma.
Estne? Vide! considera! signum pictum pulcre uideris.
Der Kahlkopf Periphanes (duo defloccati senes, F. 614)
hat in seiner Jugend Streiche genug gemacht (F. 388):
quasi 11011 plurumum
Malefacta mea essent solida in adulescentia.
Ihm zur Seite steht sein alter Freund Apöcides, „iura qui
et leges tenet" (F. 287), „qui omnium leguin atque iurium fictor,
conditor cluet" (F. 520).
Der Soldat ist in den üblichen Farben gezeichnet. Epi-
dikus nennt ihn (F. 296):
Auro opulentus, magnus miles, Ehodius, raptor hostium,
Gloriosus . . .
Er selber führt sich (F. 436) ein:
Virtute belli armatus promerui, ut mihi
Omnes mortales deceat agere gratias.
Mit so vielen und charakteristischen Personen ausgestatter,
ist das Stück gewiss angethan, die Zuschauer in heiterster Laune
zu erhalten; vor allem müssen die Szenen, wo der Soldat seine
Geliebte imd Philipp a ihre Tochter in der vorgestellten Person
nicht erkennen, von hervorragender Wirkung sein.
Rapp1) bemerkt hinsichtlich des Epidikus: „dass dies
Intriguenstück von jeher Italienern und Franzosen vorzugsweise
zum Vorbild dienen musste, liegt in der Natur der Dinge." Wenn
er die Figur des schlauen Dieners Epidikus meint, so mag
dies seine Richtigkeit haben. Der hingebende Sklave, der alle Be-
fehle seines Herrn vollzieht, der sein Operationsfeld so schnell
') Die pl. L., S. 1333.
406 " VUL Epidikus.
wie sein Herr die Geliebte wechselt, der um die Gunst seines
Meisters Gefahren und Schläge über sieh ergehen lässt, freilich
nicht ohne Aussicht auf gute Belohnung, der Sklave, der neben
seiner aufopfernden Thätigkeit auch für den grössten Teil des
"Witzes aufkömmt, ist in mehr oder minder zeitgemässer Form
als Diener (servo , famiglio , valet) in der italienischen und
französischen Komödie wieder zu finden und bildet einen un-
erlässlichen Teil derselben. Insoferne als jene, welche
diese Gestalten der Bühne zuerst und in kunstgemässen
Lustspielen einverleibten, die klassischen Muster vor
sich hatten und ihnen nacharbeiteten, muss man zu-
gestehen, dass alle diese schlauen, zu allem bereiten,
für ihren Herrn unbezahlbaren Diener ihr Prototyp in
den plautinischen Sklaven und ganz besonders im Epi-
dikus haben, herab bis zu Scapin und Scaramouche und
zuletzt bis zu Beaumarchais' „Figaro".1)
Beolco Ruzantes „Brighella" ist ein echter Epidikus.2)
Molieres „Mascarille" in „L'etourdi ou les contretemps •',
der fourbum imperator (H, 11), der, wie Epidikus, von sich
sagen kann: „qu'un fourbe est contraint de prendre de figures!"
(V, 2) verleugnet sein Vorbild nicht.3) Noch mehr ist dies der
Fall in Molieres „Les Fourberies de Scapin" (1671), einem
Stücke, das speziell den Streichen des Dieners gewidmet ist. 4)
An ihn, als seine letzte Hoffnung, wendet sich Octave. Scapin
kann sich selbst (1, 2) als den „nomine consolatif, homme ä
m'interesser aux affaires des jeunes gens" bezeichnen. Er soll
Oetaves erzwungene Heirat verhindern und steht vor dem Unter-
nehmen wie Epidikus (V. 94) „uirgis dorsum depoliet meum,"
oder wie Scapin sich ausdrückt: „trois ans de galeres de plus ou
de moins ne sont pas pour arreter un noble cceur" (I, 7). Wie
Epidikus an die Alten sich heranmacht (V. 185):
Iam ego me conuortam in hirudinem atque
Eorum exsugebo sanguinem . . .
so Scapin (II, 7): „je veux tirer cet argent de vos peres."
Wie bei Plautus die „fidicina" von dem alten Periphanes
gekauft und dann entfernt werden soll, um den jungen Stratip-
pokles nicht mehr zu fesseln, so beredet hier Scapin Argante,
Oetaves Vater, durch Geld die Heirat seines Sohnes rückgängig
') Lotheissen. I. S. 271. — Ruth. II, 499. 508.
-) Sand, Masques etc. II, 207.
3) Ussing. Hl, 245. „Molieriua autem inter fallaoias Masca-
rilli in 1' Etourdi I. 9 huius (= Epidici) quoque argumento usus est."
") Saud a. a. 0. IL 218. — Mahrenhtfltz, Moliere. S. 50. 333.
Moliere, Biecoboni u. a., Cailhava. 407
zu machen; und nicht minder Geronte, den Vater Le andres,
seinen Sohn, der auf die Galere geriet, loszukaufen, trotz des
bekannten: ., que diable allait-il faire dans cette galere?"
(II, 11), sodass die beiden betrogenen Alten mit jenen des
Plant us sagen können (V. 663):
Satin' illic liomo ludibrio nos uetulos decrepitos duos
Habet ?
Durch das Armband erkennt Argante in der Braut Le andres
seine Tochter: „c'est ma tille que je perdis ä Tage que vous dites, "
genau wie Philipp a im Epidikus ihr Kind wieder findet. Die
letzte List Scapins, sich infolge eines herabgefallenen Hammers
tötlieh verletzt zu stellen und als Sterbender Verzeihung zu er-
bitten, gehört allerdings Moliere.
In weiterer Beziehung stehen Molieres ,, Fourberies de
Scapin" zum „Phormio" des Terenz.1)
Riccobonis ..Fourberies de Scapin" sind nach des
Groto Cieco di Hadria „Emilia" gearbeitet. In Deutsch-
land haben Molieres ..Fourberies de Scapin-' in „So prellt
man Füchse oder Wurst wieder Wurst- von W. C. S. Mylius
(Halle 1776) fortgelebt: in England hatte Thomas Otway
(geb. 3. März 1651: gest. 14. April 1685) in ..The cheats of
Scapin, a farce" 4t0, 1677, eine Übersetzung von Molieres
Stück gegeben und die Szene nach Dover verlegt.2)
Nach seiner Angabe hat Cailhava in seinem Stücke .. Le
mariage interrompu - 3) (1769) neben den Bacchides den
Epidikus benützt.
Er sagt hierüber:
Le Mariage interrompu est tire en partie de l'Epidique de
Piaute. Voici l'avant-scene de la Piece latine.
Stratippocle, fils de Periplianes, aime eperduement une Courtisanne.
II cliarge Epidique de lui en procurer la jouissance. Celui-ci est fort
einbarrasse, lorsque Periplianes apprend que Acropolistide, sa tille na-
turelle, est prisonniere de guerre. II compte quarante miues ä son es-
clave Epidique, & lui ordoune d' aller delivrer son eher enfant qu'il n'a
jamais vue. Epidique court acheter la Courtisanne de sou jeune Patron,
& la conduit au Vieillard qui, croyant embrasser sa fille, löge commode-
ment chez lui la Maitresse de son fils.
Le reste de la Piece latine n'a aueun rapport avec la
mienne. Piaute ne fait paroitre la Courtisanne qu'une seule fois sur
1) Baudissin. IV, S. XXIV. — Dziatzko zum Phormio, S. 14,
Anm. 3. — Mahrenlioltz. S. 2<jL' — Claus. S. 2. — Humbert, Le
Phormion de Terence et les Fourberies de Scapin. Elberfeld 1859.
2) Haliwell. S. 47. ("Er übersetzte auch Titus und Be"renice
von Racine.)
3) Auf S. .'557—434 des ersten Bandes des ,,Theätre de Cailhava".
Paris 1781.
408 YHL. Epidikus.
la scene, & le denouement ue nous apprend pas si eile reste ou non
dans l:i maison de Periphanes, apres quo la fourberie d'Epidique est
decouverte.
Frontin hat die Rolle des Epidikus übernommen. Der alte
Geizhals Argante hat erfahren, dass sein Sohn Damis ein
Mädchen — die junge Witwe Julie — bei sich habe, und Frontin
bringt ihm nun -bei, dass dies seine Tochter sei (I, 8):
Votre fille Constance,
Enlevee ä vos soins de sa plus tendre eufance.
Argante findet Julie wirklich ähnlich (II, 3):
Parbleu . . . ce sont nies traits. Je l'aurois reconnue.
Sans que l'ou m'eüt rieu dit.
Der weitere Verlauf des Stückes entfernt sich vom Original.
Ein guter Teil ist den Bacchides entnommen:
Mit einer an Epidikus erinnernden Rede schliefst Frontin
den zweiten Akt :
Keine du monde entier, divine Fourberie,
C'est ä toi d'eclairer, d'echauffer mon genie.
In einem Stücke des Thomas Middleton (geb. nicht vor
1570: begraben am 18. Juli 1628): „No {h^j|} üke a
woman's,"1) findet Rapp:2) „Im Anfange, wo zwei Mädchen
verwechselt werden, wird man an die feine Intrigue des plauti-
nischen Epidikus erinnert, die der Dichter vielleicht hat nach-
ahmen wollen."
In diesem Stücke wird Grace, die heimlich an Philip
Twilight vermählt ist, dem Vater desselben als seine einst ge-
raubte Tochter ins Haus geführt, während sie in Wahrheit die
Tochter des alten Sunset ist. Jane dagegen, Sir Oliver
Twilights wirkliche Tochter, gilt als die des Sunset. Die
List hat für den Liebhaber der Diener Savourwit, wie Epi-
dikus, ersonnen. Savourwit erzählt den Hergang Philips
Freund, Sandfield, dem Liebhaber Jan es (S. 9 ff.),:
Sav. :T is uot unknown to your ear, some ten years since,
My mistress, bis good mother, witb a daughter
About the age of six, crossing to Guernsey,
Was taken by the Dunkirks, sohl both. aud separated.
4) The works of Thomas Middleton, now first collected . . . by
the Kevereud Alexandre Dyce. 5 voll. London (Luinley) 1840. Band V.
S. 1—133. Im Stücke wird die Jahreszahl 1638 genannt; gedruckt ist
es in 8° im Jahre lG.r>7.
'-) Studien. S. 141.
Th. Middleton u. a. 409
As tlie last news brings Lot — the first aud last
So muck discover'd; for iu uine years' space
No certain tidiugs of tkeir life or deatk,
Or wkat place keld 'em. eartk, tke sea, or keaven,
Game to tke old mau's ears, tke kuigkt my master,
Till about five montks since a letter came,
Sent from tke motker, wkick related all
Tkeir taking. sellmg, sej>aration,
And never meeting; and witkal requir'd
Six kundred crowns for ransoni; wkick my old master
No sooner keard tke sound, but told tke sum,
Gave kirn tke gold, and sent us botk aboard:
We landing by tke way — kaving a care
To ligkten us of our carriage, because gold
Is suck a keavy metal — eas'd our pockets
In wenckes' aprons: women were made to bear,
But for us gentlemen 't is most uukindly.
Sand. Well, sir?
Phil. A pure rogue still!
Sav. Amongst tke rest. sir,
'T was my young master's ckauce tkere to do at finely
Upon a sweet young gentlewoman, but one
Tkat would not seil ker konour for tke Indies,
Till a priest Struck tke bargain, and tken half
A crown desj^atck'd it;
To be brief, wedded ker and bedded ker,
Brougkt ker kome kitker to kis fatker's kouse,
And, witk a fair tale of mine own bringing up,
Ske passes for kis sister, tkat was sold.
Sand. Let nie not lose myself in wondering at tkee!
But kow made you your score even for tke motker ?
Sav. Pisk, easily; we told kirn, kow ker fortunes
Mock'd us as tkey mock'd ker; wken we were o' tke sea
Ske was o' tke land; and, as report was given,
Wken we were landed, ske was gone to keaven.
So ke believes two lies one error bred,
Tke daugkter ransom'd, and tke motker dead.
Ein ,, dutch merehant" bringt die Sacke zunächst zur Lösung-.
Sehr fraglich erscheint es, ob Middleton hierbei an Plau-
tus dachte. War dies wirklich der Fall, so könnte den „dut ein-
redenden Kaufmann wohl auch der Poenulus veranlasst haben.
Nie aufgeführt wurde ,. Epidicus, a comedy translated
from Plautus by Lawr. Echard, with critical remarks", 8°, 1694,
dessen Szene in Athen spielt.1)
Einer italienischen poetischen Übersetzung gedenkt Arge-
lati: „L'Epidico, commedia di Plauto, tradotta in versi italiani
sciolti da Parmindo;" aus dem Jahre 1749 stammt jene von Rin.
Angellieri Alticozzi (Florenz 4°).
Die gerühmte2) französische Übersetzung des Epidikus der
Mad. Dacier stammt von 1683 (Paris 12°).
') Haliwell. S. 87.
2) Rapp, Die pl. L. S. 1331.
410 VIII. Epidikus.
Eine vollständige italienische Bearbeitung- des Epi-
dikus liegt in der „Emilia" des Luigi Groto Cieco di
Hadria1) vor (1579), von der Lessing allerdings mit vollem
Rechte sagt:2) „Diese Nachahmung hat ihr vortreffliches Urbild
sehr schlecht erreicht." Die Titelheldin spricht im Stücke nicht,
„vsanza nnoua certo in una femina, " wie der Prolog sagt.
I. Akt. (1.) Der Sklave Chris oforo beredet seinen Herrn
Polidoro; er habe ihn niemals so melancholisch, wie jetzt ge-
sehen, und erfährt von ihm, er habe Grund genug, traurig zu
sein. Die Stadt Nikosia ist eingenommen. Wie es auch sein
mag, kann es für ihn nur schlimm sein; denn in der Stadt
wohnte seine Tochter, und im Heere der Sieger diente sein Sohn.
(2.) Aus dem Monologe Chris oforos ersehen wir, dass dieser
für den jungen Herrn Aufträge habe.
Egli nel suo partir mi die stretto ordine
Ch' io li douessi comprare questa giouane,
Che quel Roffian qui presso hauia da uendere.
Nun hat er aber, obwohl sein Vater sehr reich ist, die
hierzu nötigen Mittel nicht. (3.) Der Roffiano „Arpago" tritt
auf, sich über sein Geschäft beklagend.
II uino e 1' olio
Quanto inueccliiano piü, tanto piü acquistano
Di bontä. Le donzelle come increspano
Vn poco, nessun piü le uuol
u. s. w. Chrisoforo wendet sich an ihn mit der Frage, ob
Flavia, die sein Herr kaufen Avollte, noch zu haben sei, da
sich gestern bereits ein Käufer meldete, der versprach, heute
mit dem Gelde zu kommen. Um nun den Kuppler für sich zu
gewinnen, erzählt ihm Chrisoforo eine Geschichte. Sein Herr
M. Polidor Lascari:
„Ando con Mustafa bascia giä passano
Vent' auni in Cipri" . . .
In Nikosia traf er eine Witwe, namens Lucida, eine edle
Perserin, und von ihr erhielt er eine Tochter Emilia. Er
(Chrisoforo) sei nach Cypern oft im Auftrage seines Herrn
') La | Emilia. | Comedia | Nova | di Luigi Groto ] Cieco di Hadria. [
Recitata in Hadria, il di primo di | Marzo MDLXXIX. | La Doraenica di
Carnesciale, sotto il | Reggimento del Clariss. Signor | Lorenzo Rimondo. |
In Venetia. | Appresso Fabio & Agostin Zopini Fratelli 1583. 78 fol. —
Die Pariser Ausg. von 1609 mit der franz. Übersetzung nennt Lessing. —
Riccoboni, Reflexions, S. 120. giebt die Jahreszahl 1603 an. — Ussing.
ni, 245.
2) Beiträge. S. 49.
Des Groto Cieco Emilia. 411
geschickt worden, und ausser ihm habe niemand das Mädchen
gesehen.
Ma ue il uecchio, ne altri de suoi (toltone
Me) ha ueduto giä mai questa giouane.
Von Cypern zurückgekehrt, heiratete Polidoro, und von
seiner bald wieder verstorbenen Ehefrau stammt sein Sohn
Polipo. Dieser steht nun als Feind vor Nikosia, doch hat er
scheidend seinem Sklaven den Auftrag gegeben, das Mädchen,
das sich bei dem Roffiano befindet, ja nicht aus dem Auge zu
lassen. Um sie seinem Herrn zu retten, will nun Chris oforo
dem Alten beibringen,
Che ho ritrouato qui in Costantinopoli
La sua figliuola in mau d' im auarissimo
Mercatante, da cui si puö riscuotere.
Arpago solle den Kaufmann und Flavia das Mädchen
spielen. Er kenne beide nicht und werde alles glauben:
che mi suol credere
Come noi Turchi al alcorauo.
Der Klippler hat sich demnach als „hiiomo di grau tranco"
und das Mädchen als von Nikosia kommend zu kleiden; und so
gilt es denn, (4.) den alten Herrn ..zu melken". (5.) Dieser tritt
eben recht auf. Nach langer Rede enthüllt ihm Chrisoforo:
ho ritrouato Euiilia,
Vostra figliuola, qui in Costantiuopoli
Iu mau d'un mercatante che uuol ueuderla.
Er erzählt nun im weitern eine breite Lügengeschichte, wie
das Mädchen erfreut war, ihn zu erblicken, wie rührend es war,
da sie ihn umhalste, wogegen freilich Polidoro einwendet, wie
sie das konnte, nachdem sie seiner Schilderung gemäss gefesselt
war, was Chrisoforo sofort verbessert:
disse: abbraccioti
(Poi che uon posso con le man) cou 1' animo.
Natürlich muss sie losgekauft werden, und zwar auf der
Stelle. (6.) Nun ist der ZAveck erreicht: ..1' uccello e entrato al
fine in corgozzo. " Chrisoforo ergeht sich in eine stark den
Alten (Sophokles, Horaz, u. a.) nachgeahmte Apostrophe an das
Geld und seine Macht über die Menschen. Nach einer launigen
Szene (7.), zwischen Chrisoforo und Rustica niassara tritt
(8.) der Kuppler auf. Flavia schmückt sieb zum Auftreten
als Nikosierin, und in der Schilderung', die der Roffiano von
412 VIII. Epidikus.
ihrer Toilette giebt, ist die Szene des Plautus (F. 219 u. s. w.)
benützt und auf die italienischen Damen jener Zeit übertragen:
Anchor non ha fmito, e non imagino
Che anchor sia per fmir si tosto; pettini.
Specchi, pezze, albarelli, ampolle, bossoli,
Spugne. spillette, aghi, casselle, scattole,
Schriminali, zucchette, ferri, forbici,
Che una bottega?
und so gebt es in alle Details fort, die interessant sind vom
kulturgeschichtlichen Standpunkte, nicht minder als des Plautus
Enthüllungen über die damalige Damentoilette. Indessen ge-
stalten sie sich bei Groto sehr lang, so zwar, dass Arpago
selbst findet, sie hätten jetzt Besseres zu thun, als die Damen
auszurichten.
II. Akt. (1.) Fla via nimmt hocherfreut Abschied von dem
Hause des Kupplers. Chrisoforo prägt ihr ein, ihre Rolle gut
zu spielen und rekapituliert ihr nochmal, sie heisse nun Emilia,
ihre Mutter Lucida u. s. w. (2.) Polidoro begrüsst herzlich
seine vermeintliche Tochter , und zu ihren Thränen bemerkt
Chrisoforo:
In uero hanuo prontissime
Gli auuocati bugie, le donne lagrime.
Fla via soll nun erzählen, wie sie gefangen wurde, was sie
in Kürze auch thut, freilich nicht ohne einige Ungeschicklichkeit.
So lässt sie den Vater von ihrer Mutter Lucida grüssen, „si rac-
eomanda a uoi, quant' e possibile, " was diesen zu dem Einwurfe
veranlasst:
Come si raecornanda a me, se andandoue
Prima di te nou sapea doue a uolgerti
Hauessi?
„Lügen haben kurze Beine!" bemerkt Chrisoforo.
Le bugie uon jjossou correre,
Hanuo curte le gambe.
„Und wie gebt es dem Mädchen , das mit dir erzogen
wurde?" fragt Polidoro. Auch hierüber kömmt sie nur müh-
sam weg. Der Alte führt sie in sein Haus ein mit den Worten:
„Questa e tua; metti il buon pie inanzi."
(3.) Torpio, der Begleiter und Waffengefährte des jungen
Herrn, tritt auf. Er hat etwas von dem ruhmredigen „miles" mit
seinem Vorbild Thesprio gemeinsam. Er begrüsst Chrisoforo
und fragt nach seinem Befinden, nur dass hier das plautinische
„Exemplum adest" (F. 7) des Thesprio Chrisoforo von
sich sagen kann: „Riguarda il soprascritto!" während Chriso-
Des Groto Cieco Emilia, 413
foro den Torpio mager und herabgekommen findet. Torpio
berichtet von dem jungen Herrn, der bereits in Konstantinopel
angekommen sei. Er will sieb indessen seinem Vater nicht
zeigen, vielmehr einige Zeit bei seinem Nachbar Neofilo ver-
bleiben. (4.) Polipo erscheint mit seinem Freunde Neofilo.
In endloser Breite erzählt er von der Insel Cypern und ihrem
Klima, von der Einnahme von Nikosia, eine lange Reihe von
Einzelnheiten der zeitgenössischen Geschichte, bis er zum end-
lichen, den Zuschauer interessierenden Thema kommt. Chris o-
foro begrüsst seinen Herrn und erzählt ihm nicht ohne Stolz,
wie es ihm gelang, den Vater zu täuschen, sodass er Fla via los-
kaufte und sie in sein Haus aufnahm. Allein der Erfolg ist
nicht der gewünschte. Wie Stratippokles „Perdidisti omnem
operam!" (V. 131) ruft Polipo:
Come il corbo hai perduto 1' opra e 1' olio
E hai fatto un error graue, anzi grauissimo
Non da gridarti sol, ma da punirtene.
..Und warum dies?-' fragt Chrisoforo erstaunt.
Quia meo neque cara est cordi, neque placet ( V. 132)
lllam amabam olim: nunc iam alia cura inpendet pectori (V. 134)
Perche costei m' e uscita fuor d' animo.
Non 1' amo e non la uoglio piü.
In langer Rede erzählt nun Torpio, was bei Plautus in
höchst wirksamer Weise Epidikus schon von Thesprio erfuhr
(V. 40), dass er in Nikosia ein Mädchen erwarb:
La cui ombra ual piü che tutta Flavia
La quäl non sol uö riscattar, ma prenderla
Per nioglie.
Das Geld, sie zu kaufen, hat Chrisoforo zu schaffen (7. 142):
Ep. Die modo, unde auferre nie uis? A quo trapezita pelo?
Cluter. Vnde lubet.
Chris. Da quäl banco, o da quäl Zecca date ordine
Poi ch' io uada a pigliar questa peeunia?
Pol. Pigliala onde ti par.
Der Kaufmann wird jeden Augenblick kommen, um sein
Geld zu holen.
Die wirksame Rede des Epidikus (V. 84), die in wenigen
Worten die ganze Lage schildert und noch dazu berichtet, warum
der Alte das Mädchen kaufte (V. 89), zu deren Einführung Groto
einen langen Akt verbraucht hat, wächst in der Emilia zu einem
ellenlangen Monolog von siebenzig Versen heran. Alles geht
414 VE! Epidikus.
ins Breite. Zur rechten sieht er zwei Schwäne: „ecco 1' augurio
buon!" (V. 180, liqiiido exeo auspicio foras); und nun an den
Alten!
Pon man ai ferri; assalta il uecchio, e castralo
Con tal destrezza che non senta pungersi.
(6.) Fronesio kommt zu seinem alten Freunde Polidoro,
um ihn zu der Freude über seine wiedergefundene Tochter zu
beglückwünschen. Auch seine Tochter ging bei der Plünderung
der Stadt verloren. Fronesio preist Emilias Schönheit: er
hielt sie anfänglich für eine neue Frau Polidoros. So kommen
sie auf das Thema der Wiederverheiratung. Fronesio meint mit
mit Apöcides (V. 165):
Plerique omnes homines, quos, quom nihil refert, pudet; ubi pudendwnst,
Ibi eos dcserit pudor, quom usus est, ut pudeat u. s. w.
Dico adunque che molti si uergognano
Di cose che niente o poco importano:
E di cose che importan molto, mostrano
Non uergognarsi punto.
Das denkt er von Polidoro. Warum heiratet er seine
Witwe nicht?
Che haueste in Cipri, bella; ricca, nobile,
Gentil donna di Persia.
Wie Periphanes: „Reuereor filium1- (F. 171), meint
Polidoro:1)
Son ancho poi per rispetto di Polipo
Per non farlo sdegnare e per non metterlo
In disperation che andasse in colera.
Chris of'oro macht sich bereit, seine Arbeit zu beginnen, zum
Teil mit plautini sehen Worten (z. B. V. 184):
„Iam ego nie connortam in hirudinem"
Voglio mutarmi in sanguisuge e suggere
Tanto sangue del uecchio ch' io mi satij
>j Zu Plautus, II, 1, bemerkt C. H. Weise, I, 340: Colloquuntur
duo senes de rebus suis. Atque Periphanes aperuisse cogitandus Apoe-
cidi consilium suum duceudi Philippam, si inveniri posset; metuere
tarnen se de filio, ne is illud aegre ferret. Igitur confirmat eum Apoe-
cides. ■ — Sed rem quod attinet, ineptam esse totam scenam, nee a Plauto
profeetam, apparet, sed interpositam a seriori, ut locus esset Epidico
introeundi et revertendi. Quomodo enim consilium capere potuit Peri-
phanes ducendi, quam ignorabat, ubi esset? Nihil certe eiusmodi comme-
moratur Act. IV, Seen. 1, ubi advenit Philippa. Deinde sequenti scena
ab initio non de suo aliquo proposito loquitur senex, sed de filio, quem
vult maritum fieri. Ipse autem neutiquam ducit Philrppam. Denique
quae adduntur facetiae, ita sunt ieiunae ac nihili, ut a bono poe'ta pro-
feetae esse nequeant, nisi dormitante.
Des Groto Cieco Emilia. 415
und (F. 191):
Age nunc tarn orna te, Epidice, et palliolum in collum coniice!
Io uo gettarmi il mauto in collo. e fingere
Di essere in fuga e d' affrettarmi a correre.
Vor Eile kann er kaum sprechen, wie bei Plantns, und be-
ginnt dann zu erzählen:
mentr' io ritorno, eccoti
I soldati che a schiere a schiere arriuano
Carchi di prede.
[(T. 205.) Quia ego ire uidi milites plenis uiis.
Anna referunt et iumenta ducunt.]
Tutte le cortigiane escono in habito
Di Reine a incontrare e a riconoscere
Gli amanti lor che da la gnerra redono.
[ V. 210. Tum meretricum numerus tantus, quantum in urbe omni iuit,
Opuiam ornatae occurrebant suis quaeque amatoribus.]
Unter ihnen war auch jene:
con cui Messer Polipo
Perde la robba, 1' honor, se medesimo.
[i r. 216.) Cum illa, quam tuus gnatus annos multos deamat, deperit.
Ybi fidemque, remque, seque, teque properat perdere.]
Wie Plantns im Folgenden eine Schilderung des Anzugs
dieser Damen giebt, so greift auch Groto nochmal zu diesem
Thema. Alle preisen die Eine glücklich.
E 1' una dice all' altra: 0 felicissima
Questa nostra Padrona. E perche? interroga
L' altra. Perche doman deue essere libera.
Chi la farä? D suo amico Messer Polipo.
f(F239.) Post quam illam sunt conspicatae, quam tuus gnatus deperit:
„Quam facile et fortunate, opsecro, euenit illi mulieri.
Liberare quam uolt amator!" ■ — „Quis is est?" inquit altera.
Nominat Stratippoclem.
So folgt Groto ganz dem römischen Dichter:
ho sentito hora una lettera
Che egli le scrive u. s. w.
[(F. 247.) Quia hodie allatae tabellae sunt ad eam a Stratippocle],
-weiss die Eine zu berichten. Zwar hat Polipo einen Rivalen an
dem Kapitän Fracassa, aber er ist entschlossen, sie zu kauten
und ,.sposarla poi". Für alles dies weiss Chris oforo nur Ein
Mittel. Polidoro soll sich in das Mädchen verliebt stellen und
sie vorweg kaufen. Weniger leicht bereit, als Periphanes, macht
Polidoro erst einige Einwendungen, ergiebt sich aber dann doch
und holt die gewünschte Summe.
416 VIII. Epidikus.
III. Akt. (1.) Fla via beginnt mit einem endlosen Monolog.
Sie hat von Chris oforo erfahren, dass Po lipo sie nicht mehr
liehe. Indem er so sie betrügt, rächt sich an ihr der Betrug,
den sie an seinem Vater verübte. (2.) Der Monolog Chrisoforos
entspricht im allgemeinen dem des Epidikiis (F. 302, Nullam esse
opinor ego ag'rum in ag-ro Attico u. s. w.):
Io ho im campo che mieterlo
Posso due uolte il giorno, e anclior ui restano
Spiche. II borsei del padrone . . .
Freilich beschleicht ihn bange Furcht, wie Epidikus. — (3.)
Chrisoforo berichtet Po lipo und Nefilo seine Erfolge. „Wie
soll aber," fragt Nefilo, „Flavia entfernt werden?" — „Ein
Pascha," fällt Chrisoforo ein, ..wird sie für den Grossherrn
selbst verlangen. "
Nef. Egli dira cli' e sua figliuola.
Ghri. Dicalo ;
E grau Siguor dira, che e prima genita
E che nel suo serraglio la uol chiudere.
Für die zu kaufende und dem Alten zuzuführende Geliebte
des Polipo wird sich eine Kurtisane finden lassen. Er hat
schon eine solche in Aussieht, der er vorredet, dass Polidoro
sie liebe. (4.) Die Kurtisane Erifila will zwar anfänglich von
Polidoro nichts wissen, da er ihr zu alt ist; aber doch lässt sie
sich auf Chrisoforos Anstiften auf die Sache ein, und eben
recht naht (5.) Polidoro. Sie begrüssen sich. Von dem Knappen
Vespa geführt, erscheint der Capitano Fracassa. (6.) Aus
dem grosssprecherischen Miles zur ständigen Bühnenügur dieses
Namens geworden (s. S. 103) und von Fronesio als der „ualen-
tissimo capitano", welcher das Mädchen kaufen will, vorgestellt,
führt er sich ganz als Pyrgopolinices ein:
Io, messer Polidor, beuche gli studij
De 1' armi oue alleuato son da picciolo,
Anzi arniati mio padre e mia niadre erauo
AI geuerarmi) poco si confacciano
Con 1' amor; pur per dimostrarmi simile
Del tutto a Marte che spesso la colera
E la brauura essala iu grembo a Venere:
Per inio raro porto amo una giouane,
Sprezzando taute belle che uii corrouo
Dietro,
wozu der Knabe bemerkt: .,li corron dietro con le pertiche. " Diese
Siegesgewissheit, den Frauen gegenüber, ist ein Grundzug des
Miles gloriosus und seiner Nachfolger.1)
') S. unter Miles gloriosus.
Des Groto Cieco Emilia. 417
Fracassa will also Flavia kaufen. Polidoro ist damit
einverstanden. Wie Periphanes, so will aucli Polidoro, „tanti
e cinqnanta piü , " unter der Bedingung :
che subito
La conduciate uia coperta e incognita
Fuor questo paese in lontanissimo
Luogo.
[( V. 468.) „Atque ita profecto, ut eam ex hoc exoneres agro."]
Warum dies? fragt Fracassa. Sollte ein Rivale — ? Als
echter Bramarbas fährt er fort:
Guai a colui c' hauesse audatia
D' attrauersarmi il passo. II niando subito
Con im pugno a staffetta a i regni stigij.
0 con un calcio il getto a uolo ad ardersi
1 capegli a la sfera del sol.
Ja er übertrifft Pyrgopolinices und seine Genossen noch,
wenn er sagt:
leuami
Via quello sj)ecchio che 1' ombra mia propria
Mi fa paura
und noch weiter, da ihn Polidoro fragt, ob er in Nikosia viel-
leicht eine Witwe (Lucida) traf:
Io non attendo a donne in quelle furie.
Attendo sol a far uolar per aria
Teste, pie, gambe. braccia e man che paiono
Passeri e stornelli 1' autunno. —
S' a femine
Volessi att ender, n' haurei troppo: stannomi
D' intorno a monti e piangendo mi pregano
Ch' io le riceua ancora in quei pericoli.
Sol nel uedermi armato s' innamorano
Di nie. Ne so perche, ch' io a 1' hör son horrido
Di sangue, di sudor pieno e di poluere.
(7.) Erifila wird vorgeführt: aber sie ist Fracassas Ge-
liebte nicht; er will ja Flavia:
Tenetemi
Per si sciocco, ch' io habbia hora a conoscere
La mia donna?
ruft er mit dem plautinischen Miles (F. 478):
Non nouisse me
Meam rere amicam posse?
Vergeblich versichert Polidoro:
Dicoui
Che questa e quella donna che ama Polrpo
s' io 1' ho con miei proprij
Denari compra.
27
418 VIII. Epidikus.
[( F. 479.) Haue, inquam, filius
Mens deperibat fidiciuam ....
Equidem hercle argeutum pro liac dedi.]
Fracassa wendet sieb nun an Erifila, ob sie ihn oder
Polipo kenne. Sie mxiss es verneinen. ,.Und wie." trägt
Polidoro, „kam sie in mein Haus?"
Come dunque capiti
Iu casa mia?
[(T. 497.) Quid tibi negoti est meae domi igitur?]
Ein Diener erzählte ihr, der Alte sei in sie verliebt und
wolle sie sprechen, Voll Zorn über Cbrisoforo eilt Polidoro
zum Roffiano.
IV. Akt. (1.) Den vierten Akt leitet eine entsetzlich lange
Rede Nefilos ein. Er ist in die Geliebte seines Freundes ver-
liebt; doch er will edel sein. Von ihm bat Polipo nichts zu be-
fürchten. (2.) Der Koch Crapulo und sein Gehilfe Rigo be-
reiten ein Mahl. Cbrisoforo ist entsetzt (3.); der Kuppler
hat alles ausgeplaudert. (4.) Grimmig fahren Polidoro und
Fronesio auf Chrisoforo los; es gelingt ihm aber, beiden die
Überzeugung beizubringen, dass sie sich von Fracassa und
Erifila täuschen liessen, so zwar, dass ihn Polidoro wieder um
Vergebung bittet. So geht es, sagt ihm Chrisoforo; eher glaubt
ihr allen Fremden, als einem alten, treuen Diener. Nochmal ge-
steht Polidoro:
Ho fatto error; confessolo,
E meae pento, homai taci e perdonami.
Chrisoforo hat eben Auttrag bekommen, weitere Schritte
zu thun, und geht, da tritt Lucida mit ihrem Dienstmädchen
Catella auf. Sie klagt laut, wie die plautinische Philippa,
über ihr Unglück. Ihr Haus ist geplündert, ihre Tochter da-
vongeschleppt. Sie sucht nun Polidoro:
Non e questa la strada doue dicono
Star messer Polidoro.
[( V. 533.) In bis dictust locis mihi habere Periplianes.]
Polidoro hört seinen Namen nennen: er betrachtet die
Fremde und ruft, wie bei Plautus,:
( V. 538.) Per. Certe ea est,
Quam in Epidauro pauperculam memini couprimere.
Phil. Plane hie,
Ille est, qui mihi in Epidauro primus pudicitiam pepulit.
Polid. Mi par colei eh' io hebbi in Cipri, Lucida
Mia, di cui generai la mia figlia unica.
Luc. Mi par colui che m' hebbe in Cipri, Polido-
Ro di cui partorij la nostra Emilia.
Des Groto Cieco Emilia. 419
(V. 542.) Quid, si adeam?
Debbo mettermi
A girli incontro,
ll. s. w., ganz nach dem Originale:
Per. Salua sis!
Phil. Salutem accipio mi et meis.
Pol. Madonna, Dio ui dia salute.
Luc. Accettolo.
Er tröstet sie nun, dass ihre Tochter wohlbehalten in seinem
Hause sei (7. 562):
Domi nieae eccam saluam et sanam.
Vostra figlia e salua. Dicoui
Che nostra figlia, che la uostra Emilia
E sana e salua e intatta e allegra e libera.
Sofort will sie ihre Tochter sehen, und Fla via tritt aus dem
Hause. (6.) Wie Akropolistis (7. 569) ergeht es ihr:
Acr. Quid est, pater, quod me exciuisti ante aedis?
Per. Vt matrem tuam
Videas, adeas, aduenienti des salutem atque osculum.
Flav. Che uolete, mio padre, che chiamatomi
Hauete qui sull' uscio?
Pol. Alza gli occhi! Eccoti
Tua madre.
Beide aber erkennen sich nicht. Polidoro meint anfangs,
wohl deshalb, ,.perch' ella ha fatto mutation d' habito" (7 576):
quia uestitum atque ornatum inmutabilem
Habet haec mulier.
Umsonst! Das geht Polidoro nahe, und mit Periphanes
ruft er aus (7 578):
Proh deum atque hominum fidem,
Quid? ego lenocinium facio? qui habeam alienas domi,
Atque argentum exgurgitem domo prorsum?
0 Dio immortal, da quanto in qua niutatomi
Sono io roffian, che tenga in casa femine
Straniere, e spenda il mio denar si prodiga
Meute — — — — — — — — —
(V. 580.) Quid tu. (piae patrem
Tuom uocas me atque osculare? Quid stas stupida?
Tu che mi chiami per padre, e iutitoli
Mia figlia, perche stai hora si stupida?
(7 385.) Cur me igitur patrem uocabasy
Di, si'aciatella, di, perche mi chiami tu
Dunque padre ?
27*
420 VIII. Epidikus.
Sie erwidert ganz mit den Worten der fidicina (F. 585):
Tua istaec culpa est, non mea:
Non patrem ego te nominem, ubi tuam me appelles filiam?
Hanc quoque etiam, si me appellet filiam, matrem uocem.
Cotesto error fu proprio
Vostro; non doueu' io nominar padre, chi
Nominaua me figlia. Se mi nominaua
Costei anchor per sua figliuola, io subito
La chiamerö per madre.
Und auf weiteres Fragen erklärt sie (V. 589):
Postremo haec mea culpa non est: quae didici, dixi omnia.
Epidicus mihi fuit magister.
Questa non e mia colpa. Ho recitato la
Mia lession come buona discepola.
Fu mio maestro del tutto Chrisoforo.
Alles Weitere stimmt zu Plautus. Wie dort (F. 599):
Ne fle, mulier, intro abi: habeto animum bonum.
Ego illanc reperiam,
tröstet hier Polidoro die enttäuschte Lucida:
Andate in casa e state di buon animo,
Ch' io la ritrouerö se fosse in India.
Wehe aber dem Betrüger Chrisoforo!
V. Akt. (1.) Polipo erwartet mit Nefilo sehnlichst die
Ankunft des Kaufmanns, der ihm Emilia bringen soll. Da
kömmt (2.) Chrisoforo. Alles ist verloren; er bittet seinen
Herrn um fünf Soldi, um sich einen Strick kaufen zu können.
Er erzählt nun, dass Emilias Mutter da sei. (3.) Der erwartete
Kaufmann Barbaro bringt Emilia. Das Mädchen hat ihn aufge-
halten (F. 627):
L: indugio hebbe origine
Sol da costei, che non puö si ben muouere
II passo delicato.
Kaum hat Chrisoforo das Mädchen gesehen, als er sie als
Polidoros Tochter erkennt und seinem Herrn sagt:
questa giouane
Voi potete abbracciar certo abbracciandola
Come sorella, ma quaudo con animo
Lasciuo 1' abbracciate come abbracciano
Gli amanti le lor donne non ui e lecito,
was freilich bei Polipo nicht den angenehmsten Eindruck her-
vorbringt : ,
Ohime, sorella, io ti perdo e perdendoti
Ti trouo; e tu fai meco anche il medesimo.
Groto Cieco. N. L. Lemercier. 421
(4.) Fracassa hat sich glücklich mit Erifila zurechtgefunden
und sagt ihr:
che ceutomilia
Volte ualete piü di lei (= Flavia).
(5.) Polipo hat seine Liebe wieder der verstossenen Flavia
zugewendet, seit er weiss, dass Emilia seine Schwester ist.
Chrisoforo hält ihm erst entgegen, wie er strengen Auftrag
gegeben, sie wegzuschaffen, und dass sie darum nicht mehr hier
sei. Erst als er sein Herzleid sieht, widerruft er seine Mitteilung.
(6.) Polidoro und Fronesio fallen über Chrisoforo her; er
aber bleibt standhaft. „Ich habe Emilia gerettet und die Ge-
liebte des jungen Herrn freigekauft. So wird es sich ergeben;
man rufe Mutter und Magd." (7.) Noch immer grübelt Nefilo
über seine Liebe. Da kömmt (8.) Tropio und erzählt ihm alles,
was sich ereignete, zunächst dass Emilia Polipos Schwester sei.
Die letzte (9.) Szene löst alles glücklich. Nefilo erhält Emilias
Hand, und Polidoro erklärt freudig:
Et io ritrouo in im gioruo medesimo
La moglie, il figlio, la figliuola, e il genero,
E tutto queslo ben uien da Chrisoforo,
sodass Chrisoforo gefeiert, wie Epidikus, abtritt.
Der Fehler der Komödie, Plautus gegenüber, liegt in der
masslosen Breite der Monologe und in dem gedehnten
Dialoge. Einiges Leben macht nur der Capitan Fracassa,
der, über die Grenzen des Miles im Epidikus hinaus, eine der
zahllosen Nachahmungen des Pyrgopolinices und Thraso ist,
von denen später die Rede sein wird. Soweit das Lustspiel ganz
auf Plautus beruht, ist es anmutig, hübsch und gewiss wirkungs-
voll. So unverwüstlich bleiben die klassischen Spuren!
Den Epidikus des Plautus hat in Frankreich Nepo-
mucene Louis Lemercier zum Gegenstande seines Lustspieles
„Piaute, ou la comedie latine, comedie en trois actes et en
vers" }) gemacht, die zum erstenmale am 20. Januar2) 1808 auf-
geführt wurde.
Plautus und sein Leben ist eigentlich der Hintergrund
des ganzen Lustspiels (S. 110), in welchem sich zahlreiche An-
klänge an verschiedene plautinische Gestalten finden. Man könnte
') A Paris, cliez Leopold Collin, libraire. 1808 (136 S.) mit einer
Einleitung: Opinions sur la comedie de Piaute.
2) Nach H. Lucas (Hist. III, 350), am 20. Februar.
422 VHL Epidikus.
das Stück eine Kontamination des Epidikus nnd der Aulularia
nennen, doch aber bleibt der Epidikus die leitende Idee des
ganzen Lustspiels.
Nach einem einleitenden Prologe zwischen M er eure und
Thalie beginnt Piaute den ersten Akt mit Klagen über sein
ärmliches Leben, das ihn bis zur Mühle verdammte. Zu ihm
tritt der junge Leusippe und vertraut ihm, dass er eine Sklavin
liebe, Pulchrine.
Un pirate insolent la tient sous sa tuteile:
De parens qu'elle ignore eile est nee en ces lieux,
Mais illustres, sans doute.
Ihrethalben wolle er von der liebenswürdigen Zelie, seiner
früheren Geliebten, nichts mehr wissen. In der dritten Szene
kömmt Epidique gelaufen:
D'avoir couru si fort je suis tout essouffle.
Er bringt die freudige Botschaft:
Votre belle, seigneur, n'est plus chez le pirate.
Sie ist bei Euclion, dem Onkel des Leusippe und Bruder
seines Vaters Daemone. Der alte Euclion ist zwar ein „veri-
table a'ieul d'Harpagon", doch aber hat er das Mädchen gekauft.
Warum? — erklärt Epidique:
Je fus le messager qu'envoya votre amour.
Vous savez qu'autref'ois les brigands de Carthage
Ravirent sa fille ') ä treize ans:
A l'avare Euclion j'ai feint que des marchands
De Thymen de son frere amenait ce eher gage;
Que le hazard au port nie l'avait fait revoir.
Er sei nun in Euclion gedrungen, seine Nichte loszu-
kaufen, da der eben auf Reisen befindliche Daemone ver-
zweifeln würde:
Des qu'au retour de sou voyage
Quelque bruit lui fera savoir
Que de sauver sa fille ayant eu le pouvoir,
Un frere a tarde trop ä delier sa bourse.
Euclion selber berichtet seinem Neffen, dass seine Schwester
gefunden sei. Vor allem aber:
ton devoir
Est d'enoager ton pere ä payer cette avance.
') Des Daemoue.
X. L. Lemerciers Piaute. 423
Zelie, der verschmähten Geliebten des Leusippe, gelingt
indessen eine List. Sie lässt sich an Stelle Pulchrines in
Euclions Haus führen:
Son valet. par des ruots se laissaut eblouir,
Sous un voile trompeur pour l'esclave m'a prise.
Daemone ist zurückgekehrt. Piaute führt ihn zu Euclion,
des sich schürzenden Knotens sich freuend:
Ils parleront; et moi je n'aurai plus alors
Qu'ä fecrire sous leur dictee.
Im zweiten Akte berichtet Euclion seinem Bruder Dae-
mone, dass er seine Tochter gekauft habe:
Je me sens fortune" d'avoir brise ses ckaims;
Et puisque tu consens ä reinbourser rues frais.
Je la vais ajmeler afin que tu l'eumienes.
Die Gegenüberstellung des Daemone und der Zelie führt
zu der Szene des Plautus, wo Philippa Akropolistis nicht
als ihre Tochter anerkennen kann. Zelie entschuldigt sich, wie
Akropolistis:
Eucl. Ouais! vous, immobile, expliquez-vous. Madame:
Pourquoi m'appeliez-vous votre oncle?
Zel. Je l'ai du,
M'entendant par vous meine appeler votre niece;
Et de peur d'etre ingrate euvers votre tendresse,
Mon sentiment au votre a par-lä rej)ondu.
Eucl. Pour votre pere ici pourquoi preudre mon frere,
Par qui votre mensonge est dejä confondu?
Zel. S'il croit ue l'etre pas, je n'y coutredis guere:
Qu'il ue soit plus charge de ce titre importuu.
Eucl. L'est-il?
Zel. Un autre ou lui: que sais-je en ce mystere?
Ainsi que tant d'enfants je naquis de quelqu'uu ;
S'il me nommait sa fille, alors du nom de pere
Moi je l'appellerais sans aucun embarras.
Ce nom lui deplait; en ce cas,
Je n'y tiens plus; point de colere.
Sie wendet sich nun an Euclion und Daemone, sie mit
Leusippe zu verheiraten. Leusippe tritt dazu. Er glaubt,
Pul ehr ine zu sehen. Dieux! c'est Zelie! Auch er muss
Euclion versichern, dass es „ta captive si belle- nicht ist. Da
nun Epidique auftritt, kehren sich alle, und besonders auch der
enttäuschte Leusippe, gegen ihn. Epidique ist ratlos. Leu-
sippe stürzt auf ihn zu:
C'est celle
Chcz qui. daus tou absence. allait Piaute pour moi,
424 VIII. Bpidikus.
worauf Epidique alles durchschaut:
Oh! sa ruse infernale aura, trompe rnon zele!
Puis eile etait voilee . . . Epidique, ah! pends-toi.
Z e 1 i e s vergebliche Versuche , das Herz ihres Geliebten
wieder zu gewinnen, sind ohne Beziehung zum Epidikus.
Piaute berichtet Leusippe, dass noch einige Hoffnung be-
stehe, Pulchrine zu erwerben; der patron du vaisseau hat ihm
versprochen :
d'attendre encor jusqu'ä demain;
Et Pulchrine est ä vous, si la rancon arrive.
Wie bei Plautus, erhält nun Epidique Auftrag, das
Geld zu schaffen.
Retiens ces seuls mots: cherche, et trouve, ou je te tue.
Va donc! tu periras, si tu n'acquiers Pulchrine.
Epidique findet keinen Ausweg. Wie so oft die Sklaven
der Verliebten bei Plautus jammert er:
Je ne vois que l'ouets et tourmeus.
Mieux vaut etre, je le parie,
Portier d'enfer, valet d'une furie.
Que serviteur des fous et des amaus.
Die weitere Entwickelung des zweiten Aktes berührt Plau-
tus nicht.
Der dritte Akt führt uns in die Aulularia, und Epidique
wird zum Strobilus.
Epidique steht vor der Statue des Lar. Alle Schritte, die
er unternommen hat, waren fruchtlos:
J'ai couru vainement cliez tous les usuriers,
Et n'ai pu trouver une obole,
jetzt will er für seinen Herrn sterben; da stürzt er die Statue
des Lar um, und:
Bons dieux! tout casse et tonibe ... im coffre ... ah! que je voie . . .
Sa chüte en a brise la serrure ... de l'or!
II est plein d'or! tout plein! ... oh! cachons ce tresor
Que la fortune ici m'envoie!
Sogleich erwachen in ihm die Gedanken des Strobilus:
Je brave maintenant mon patron despotique!
Voici de quoi, j'espere, acquerir du preteur
Le droit de citoyen dans cette republique.
Je-veux qu'en chaque rue on escorte Epidique;
N. L. Lemerciers Piaute. 425
Et, mesurant uia dignite
A l'eclat de nion patrimoine,
Paraitre dans notre cite
Egal au tresorier du roi de Macedoine.
Sogar die Reminiszenz an den rex Philippus (V. 700).
Piaute hat alles belauscht; er lässt ihn nicht mehr un-
beobachtet.
Unterdessen hat Euclion ein schlimmes Omen gehabt.
J'ai vu de ma feuetre, ä la gauclie, im corbeau
Precipiter son noir passage;
Et daus l'air ce sinistre oiseau
Pour im homnie un peu riebe est d'uu fächeux presage.
Er entdeckt den Diebstahl.
Diese Szene reicht nicht im allerentf erntesten an
Plautus oder Moliere hin:
Qu'est-ce que je vois? . . . Mille dieux! . . .
Mon coffre-fort! ma vie! ... au voleur! ... 6 quel crime!
Piaute tritt vor. ,,Qui parle ici? . . . c'est toi, voleur!" ruft
ihm Euclion zu, der sich überhaupt an Piaute hält. Schwache
Imitationen seiner Vorgänger versucht Lemercier, wenn er
Piaute für sich sagen lässt:
Cet komme effraye pour sou or
Est pour mon art im vrai tresor.
worauf Euclion sagt:
Que dis-tu de tresor ? voleur! ton imposture
Preteud-elle nier que tu m'as pris le mien.
Die ferneren Fragen um sein Geld, von dem er rühmt:
Je la venais voir chaque nuit:
C'etait ma femme, ma maitresse,
kann ihm Piaute beantworten. Er will es ihm wieder schaffen,
doch muss Euclion auf seine Bedingungen eingehen; er muss
versprechen, von seinem Golde die Sklavin Pulcbrine los-
zukaufen.
Nun geht es wieder auf Epidikus zurück.
Die Sklavin Pulcbrine entpuppt sich als die verlorne Toch-
ter Eudoxie, was ein Ring beweist. Epidique liefert den
Schatz aus, derselbe ist aber nicht bloss Eigentum des Euclion,
sondern des Piaute, der aus einer geheimen Öffnung seine
teueren Manuskripte herausnimmt. Karthagische Soldaten stahlen
einst diese Kasse.
426 1-^- -Bacchides.
Romain, vous etiez donc de ces Carthaginois?
fragt" Piaute Euclion. Dieser löst das Rätsel:
Nos soldats etaient ä leur poursuite;
Ce coft're daus mes mains tomba pendant leur fuite:
Le sort m'en fit present.
Mit Recht erwidert Plaute:
Par cette meme loi
Epidique aurait pu juger cet or ä soi,
■
imd so wird Epidique losgekauft.
Leusippe nimmt nun, da Pul ehrine seine Schwester ist,
mit Zelie vorlieh, und Plaute verspricht:
mon pinceau va rendre
Mou Avare plus vrai sous les traits d'Eucliou.
Wer aus zwei so vortrefflichen Komödien kein wirk-
sameres Stück zu schaffen wusste, hätte hesser Epidikus
und Aulularia in ihrem alten Gewände belassen.
IX. Bacchides.1)
Als den Inhalt der Bacchides bezeichnet Les sing'2) kurz
den Vers des Epilogs (1210): „Vt aput lenones riuales filiis
fierent patres."
Es bieten nämlich die Bacchides, „nach Anlage, wie Cha-
rakterzeichnung eines der besten Stücke,"3) wie die Asinaria
und der Mercator, Vater und Sohn als Rivalen bei einem öffent-
lichen Mädchen. Dem Dichter selbst erscheint der Gegenstand
etwas heikler Natur; denn der Sprecher der Caterva4) sagt selber
(V. 1209):
Neque adeo haec facerernus, ni antehac uidissemus fieri,
Vt aput lenones etc.,
was einige (Rapp a. a. 0.) dahin erklären, dass die Asinaria und
der Mercator den Bacchides in der Aufführung vorangegangen
') Ausgaben von F. Ritschi (Halle 1835). — G. Hermann (Lpz. 1845).
Hier ist zitiert nach Fleckeisen.
2) Beiträge, S. 49.
3) Teuf fei (G. d. r. L.), S. 149. Auch Binder (S. 5) nennt die Ko-
mödie „ein wirklich meisterhaftes Intriguenstück".
') Rapp (Die pl. L.), S. 1692.
Charakteristik derselben. 427
waren. Wie die Asinaria, so ist auch dieses Stück vom mo-
ralischen Standpunkte aus gerichtet; höchstens mag- es als Zeit-
bild, als Darstellung- jener Sitten Interesse bieten. Doppelt be-
denklich ist auch hier gerade der Schluss. Die beiden
Alten treten nicht als Besserer ihrer Söhne auf, sie werden viel-
mehr selbst, Philoxenus leichter, Nikobulus nach einigem
Widerstände von den Dirnen umstrickt.
Das Stück ist mit einigen Lücken auf uns gekommen;') die
schwache Nachdichtung, die einige ältere Ausgaben enthalten,
wird dem Antonio Beccadelli aus Palermo zugeschrieben.2)
Dass es eine Kontamination sei, wie Ladewig und Fritzsche
wollen, wird von wenigen angenommen. 3)
Die Einleitung des ersten Aktes fehlt. Die beiden Bacchis
treten auf. Nach witzigen Reden und Gegenreden gewinnen sie
den jungen Pistoclerus, dass er gesteht (V. 92):
Mulier. tibi me emancupo.
Tuus sum, tibi dedo operam,
und abgeht, um ein Mahl zu bestellen. Bacchis I. glaubt bereits,
seiner so sicher zu sein (Meus ille quidemst, Ir. 103), dass sie
von ihm soviel erringen kann, um sich von dem miles Cleo-
machus, der sie auf ein Jahr erworben hat, loskaufen zu
können.
Der zweite Akt führt uns den Pädagogen, den Sklaven
Ludus, ein; er ist unglücklich über die Streiche seines Zöglings
Pistoclerus; dieser jedoch schenkt seinen Vorstellungen wenig
Gehör. In der nächsten Szene tritt Chrusalus auf, der eben
mit seinem jungen Herrn Mnesilochus nach einer zweijährigen
Abwesenheit in Ephesus zurückkehrt. Er hat einen Brief seines
Herrn wegen Bacchis IL, seiner Geliebten, an Pistoclerus zu
bestellen. Dieser kömmt eben aus dem Hause der Bacchis und
') Teuf fei (a. a. 0.), S. 149: Die Eingangsszenen sind zugleich mit
dem Schlüsse der Aulularia zwischen dem vierten und dem sechsten
Jahrhundert nach Chr. verloren gegangen. Vgl. über den Inhalt des
Verlornen Ritschi, Opusc. II, 292.
2) Nach andern sollte Lascaris in Messina die erste Szene des
ersten Aktes gefunden oder gar Petrarka ergänzt haben.
3) Teuf fei, Studien, S. 256: „Dass die Bacchides kontaminiert
seien, haben Ladewig und Fritzsche behauptet, ohne den Beweis
dafür anzutreten. Wahrscheinlich wollen sie die Rolle des Ludus als
aus einem andern Stück entnommen darstellen, was um so weniger
schwer fallen kann, da der Grundgedanke derselben ja auch in den
Wolken des Aristophanes vorkömmt, während doch sonst keine Spur auf
Benützung der alten Komödie durch Plautus führt. Ritschi ist auf diese
Frage nicht eingegangen, so allseitig er auch das Stück besprochen hat ;
er mochte sie durch den Beweis der künstlerischen Einheit, des Stückes
als von selbst erledigt betrachten."
428 IX- Bacchides.
kann dem Sklaven die Versicherung geben, dass Bacchis IL noch
fest an ihrem Mnesilochns hänge (F. 207):
„unice unum plurumi pendit,"
und ihn „misere amans desiderat" (F. 208). Alles wäre nun
gilt: allein Geld ist das Erste, „aurost opus" (F. 219); denn der
Soldat ist bereits im Anzug, und ihm stehen die nötigen Mittel
zu Gebote. Sofort fasst Chrusalus den Entsehluss, Geld zu
schaffen (F. 232):
Inde ego liodie aliquam machinabor machmam,
Vt auruni ecficiam amanti erili filio.
Da naht der Vater Nikobulus, dem sein Sohn zu lange
ferne bleibt. Er erblickt seinen Sklaven Chrusalus, und dieser
erzählt ihm eine lange Geschichte, wie sie mühsam zwölfhundert
Philipper, ..mille et ducentos Philippos" (F. 272), einkassiert, mit
Seeräubern zu thun gehabt und zuletzt zur Sicherheit die ganze
Summe bei Theotimus, dem Priester der ephesischen Diana,
„puplieitus" (F 313), hinterlegt hätten. Der Alte entschliesst
sich nun, nach Ephesus zu segeln, um das Geld einzuheben, und
Chrusalus eilt dem jungen Mnesilochus entgegen, um ihm
zu melden, dass er Geld für sich und seine Bacchis erworben
habe (F. 366):
Nunc ibo: erili filio lianc fabricam dabo
Super auro amicaque eius iuuenta Bacchide.
Am Schlüsse des Aktes stürzt Ludus, entsetzt über seinen
Zögling, aus dem Hause der Bacchis, in der Absicht, die ganze
Geschichte dem Vater zu enthüllen, um wenigstens selber schuld-
los zu sein (F. 383):
De me hanc culparu demolibor iam et seni faciam palam . . .
In der ersten Szene des dritten Aktes erscheint Mnesi-
lochus (cum pediseqvis), hocherfreut über die Treue seines
Freundes Pistoclerus, seine neugewonnene Bacchis und den
klugen Gedanken seines Sklaven, die eingezogenen zwölfhundert
Philipper für sich zu verwenden. Da erblickt er Philoxenus,
den Vater des Pistoclerus, im Gespräche mit Ludus. Er
zieht sich zurück, um sie zu belauschen. Der Dialog, den beide
führen, ist äusserst interessant, einmal, weil er uns ein ausführ-
liches Bild der alten Erziehung giebt, andrerseits, weil vor zwei-
tausend Jahren, ebenso wie heute, das „olim" (F. 438) alles galt,
dem das „alii nunc sunt mores" (F. 437) entgegensteht. Alles that
man vordem auch, gesteht später freilich Philoxenus (F. 1079):
Charakteristik derselben. 429
— fui ego illa aetate et feci illa omnia, set more modesto.
Duxi habui scortum potaui edi donaui: at enim id raro.
Die altrömische Erziehung- schildert Ludus ausführlich (7 421
—434 und nochmal 7 438—449).
Mnesilochus hört dies alles und glaubt, sein Freund werde
seinethalben und um seine Bacchis getadelt; er tritt vor, ver-
nimmt aber alsbald zu seinem Entsetzen, dass Pistoclerus eine
Bacchis aus Samos liebe. Er hält sich für betrogen von dem, der
sein vollstes Vertrauen genoss, und schwört erbittert (7 511):
Arno hercle opinor, ut quod pro certo sciam:
Verum quam illa umquam de mea pecunia
Ramenta fiat plumea propensior,
Mendicum malim mendicando uincere!
Darum (7. 517):
Igitur mi inani atque inopi subblandibitur
Tum quom nihilo plus [ad suam rem illut] referet,
Quam si ad sepulcrum mortuo dixit logos.
So erstattet er seinem Vater die zwölfhundert Philipper zu-
rück, nur bittet er für den treuen Chrusalus um Gnade, der ja
für ihn so gehandelt habe.
Im vierten Akte kommen Pistoclerus und Mnesi-
lochus, der bereits alles seinem Vater zurückgestellt und nur
schwer (grauate, 7 532) für seinen Sklaven Verzeihung erbeten
hat, zusammen. Nach einigen Vorwürfen erfährt Mnesilochus,
dass Bacchis eine gleichnamige Schwester habe, alles also völlig
ausser Schuld sei. Er eilt ins Haus, um sich von der Wahrheit
des Gesagten zu überzeugen.
Der Parasit des Kleomachus tritt auf, um anzufragen, ob
Bacchis ihr Geld zurückerstatten wolle. Pistoclerus treibt
ihn mit derben Worten weiter. Mnesilochus bereut nun bitter,
seinem Vater so voreilig die Summe ausgehändigt zu haben.
Pistoclerus kann ihn nicht trösten, da zeigt sich der Helfer in
Chrusalus (7. 639):
„Tuam copiam eccum uideo Chrusalum."
Chrusalus spricht noch begeistert von seinem gelungenen
Streiche, da schaut er seinen Herrn in tiefer Trauer und erfährt,
wie dieser allzuunbesonnen das schöne Geld wieder verscherzt habe.
Nach kurzer Beratung verspricht er , die Summe Avieder zu
schaffen. Er diktiert seinem Herrn einen Brief an seinen Vater,
des Inhalts, der Sklave habe ihn hart geschmäht, weil er das
Geld wieder eingeliefert habe; er möge auf seiner Hut sein; ihn
zwar nicht prügeln, wohl aber festnehmen. Die beiden Freunde
430 IX- Bacchides.
treten bei den Bacchides ein; Nikobulus, ohnehin auf Chru-
salus wegen seines Betruges erzürnt, kömmt aus dem Hause und
erhält von dem Sklaven den Brief seines Sohnes. Sogleich lässt
er Chrusalus fesseln. Dieser weist auf das Haus der Bacchi-
des. „Du hältst sie wohl für eine Buhlerin?" fragt er seinen
Herrn. — „„Gewiss."" — „0 nein!" — „„Wer ist sie dann?""
— „Ex nie quidem hodie numquam fies certior!" Damit ist dem
Weiteren in trefflicher Weise vorgebaut. Kleomachus tritt
polternd auf, gegen Mnesilochus Drohungen ausstossend. Nun
führt Chrusalus seinen Plan weiter, indem er erklärt, dass
Bacchis die Ehefrau des Kleomachus sei. Gerne will nun
Nikobulus, um seinen Sohn zu retten, die von dem Miles ge-
forderten zweihundert Philipper zahlen. Chrusalus bittet, zu
Mnesilochus gehen zu dürfen, um ihm Vorwürfe zu machen.
Ein prächtiger Monolog des Chrusalus, indem er die Hel-
denthaten der Atriden mit seiner That vergleicht, beginnt den
fünften Akt. Nikobulus erscheint und erhält durch Chru-
salus ein Schreiben seines Sohnes, in welchem er um zweihun-
dert Philipper bittet, da er der Frau des Kleomachus dieselben
eidlich versprach. Der Vater möge ihn vor diesem Weibe retten.
So bleiben dem Alten, wie ihm der Sklave witzig vorstellt, zwei
Dinge zur Wahl übrig (7. 1042):
Vel ut aurum perdas, uel ut amator peieret.
Und es ist ja doch sein Sohn! Tuns est! (F. 1044.) Nikobu-
lus holt nun die zweihundert Philipper für Kleomachus und
zweihundert weitere für seinen Sohn.
Fit uasta Troia, scindunt proceres Pergamum.
Sciui ego iani duduni fore me exitium Pergamo.
(F. 1053) jubelt Chrusalus und nimmt, nochdazu widerstrebend,
das Geld für Mnesilochus an, indessen Nikobulus den Sol-
daten aufsucht, um ihn auszubezahlen.
Im sechsten Akte überdenkt Philoxenus eben das Leben
seines Sohnes und kömmt zu dem Schlüsse (F. 1081):
Neque placitant mores quibus uideo gnatis uolgo esse parentis.
Da kömmt Nikobulus zornentbrannt. Kleomachus bat
ihm versichert, dass Bacchis seine Frau nicht ist, vielmehr eine
Buhlerin. Die beiden Väter besprechen sich nun und rufen ihre
Söhne aus dem Hause der Bacchides. Die beiden Mädchen be-
schimpfen die alten Herren aufs gröbste, bald aber ist Philoxenus
von ihrer Schönheit gewonnen (F. 1158):
„Tactus sum uehementer uisco: cor [pol mihi] stimulo fbditur,"
Charakteristik derselben. 43 X
bald auch findet er (F. 1164):
meo filio non sum iratns
Neque te tuost aequom esse iratum: si amant, sapienter l'aciunt.
Nach längerem Widerstände gesteht endlich auch Nikobu-
lus (F. 1192):
Caput prurit: perii. uix neg'ito,
und da ihm Philoxenus zum Lebensgenüsse rät (F 1192):
Non tibi in rnentemst, [te] amabo,
Si dum uiuas tibi bene facias, pol id quidem esse hau perlonginquom,
Neque si hoc hodie amissis, id post mortem euenturum esse umquam?
stimmt er leise bei: Lubet et metuo (F. 1195). Den Schmeichel-
worten der Bacchis erliegt er endlich: Age iam, utut est, etsist
dedecori, patiar (F. 1201).
So sind die Alten ins Netz gegangen (F. 1206):
Lepide ipsi hi sunt capti, suis qui filiis fecere insidias.
In den beiden Bacchis (ambas Bacchides, F. 719) werden
Hetären in ihrem ganzen Reize und mit ihrer ganzen Verführungs-
kunst, doch auch in ihrer sittlichen Verkommenheit dargestellt.
Auf die Frage, wer dies Haus bewohne, erwidert Pistoclerus
begeistert (F. 115):
Amor Voluptas Venus Yenustas Gaudium
locus Ludus Sermo Suauisauiatio.
Er bezeichnet die eine als Venus, die andere als Juno (F. 217):
Xi nauctus Venerem essem, haue Iunouem ducerem.
Selbst Nikobulus findet das Mädchen (F. 838): „Ad mo-
dum bella specie mulier."
Allein richtig sagt ihnen Pistoclerus (F. 50): ,,Viscus me-
rus uostrast blanditia."
Der sorgsame Pädagog nennt ihre Thüre „ianuam Orci"
(F. 368), ihr Haus „omnis ad perniciem instxucta domus opime
atque opipare" (F. 373), und die beiden Schwestern selbst in
einem trefflichen Wortspiele (F. 371):
Bacchides non Bacchides, set Bacchae sunt acerrumae.
— — sorores, quae hominum sorbent sauguinem,
und den Umgang mit ihnen „lutulentum coenuin" (F. 384). Jene
aber, welche des Pistoclerus Liebe errang, schildert er (F. 471):
quae acerrume aestuosa apsorbet, ubi quemque attigit.
432 IX- Bacchides.
Wie boshaft die beiden Dirnen sind , zeigt sich in der
letzten Szene, wo sie mit ihrem Spotte die beiden Alten ver-
folgen, ihre weissen Haare als Schafwolle (F. 1125), sie selber
als Schafe mit Menschenstimmen (V. 1141, „humana nos uoce
appellant oues'') u. s. w. bezeichnen, eine Behandlung, zu der
Philoxenus allerdings richtig bemerkt (F. 1132):
Merito hoc nobis fit, qui quidem huc uenerimus.
Die beiden Freunde, Pistoclerus und Mnesilochus, wer-
den wiederholt als Jugendgefährten (meuni sodalem, F. 389; hie
sodalis Pistoclero iam puer puero fuit, F. 462), und ganz gleich-
alterig (triduom non interest aetatis ut maior siet, F. 463) ge-
nannt; darum überrascht es, dass Mnesilochus bereits vor zwei
Jahren (abhinc biennium, F. 388) nach Ephesus reiste, indessen
Pistoclerus eben erst anfängt, sich seinem Pädagogen zu ent-
winden (F. 139 und 152, iam excessit mi aetas ex magisterio tuo).
Nur nach dieser Hinsicht mögen wir dem Worte des Ludus über
Mnesilochus glauben (F. 464):
Verum ingenium plus triginta [huic] aunis maius quam alterist.
Hatte er doch auch früher schon seine Bacchis! (F. 390.)
Im übrigen sind sie beide gleich verliebt. Pistoclerus
kann von seiner Bacchis nicht scheiden (F. 180):
„ita me uadatum amore uinetumque attines,"
luid Mnesilochus liebt sein Mädchen noch, selbst als er arg-
wöhnt, sie habe ihn verraten (F. 505):
„Ego illam exemplis plurumis planeque amo."
Dankbar lohnt Mnesilochus die Dienste seines Sklaven;
nirgend vergisst er, ihn vor allem andern sicher zu stellen; und
schön ist sein Grundsatz (F. 402):
„Caue sis te superare seruom sieris faciundo bene."
Einen Gegensatz in ihren Anschauungen zeigen ziemlich
lange die beiden Väter. Philoxenus hat als Vater Ansichten,
welche dem Pädagogen sein Amt sehr erschweren mögen. Er
wundert sich nicht, dass sein Sohn sich an Dirnen hänge; denn in
seinem Alter that er es ja auch (F. 409):
Minus mirandumst illaec aetas siquid illorum facit,
Quam si non faciat: feci ego istaec itidem in adulescentia.
Charakteristik derselben. 433
Nur Eines, denkt er, soll der Pädagog im Auge haben (7 417):
Dum caueatur praeter aequom nequid delinquat, sine.
ein Grundsatz, den er (7 1082) wiederholt, selbst wo er mit dem
Treiben seines Sohnes nicht mehr einverstanden ist (7 1076).
Allein dem Mädchen gegenüber verliert er gar bald seinen Halt,
und er ergiebt sich dem Liebesgenusse, obwohl für ihn die Dirne
umarmen ..mortem amplexari1' (7 1152) heisst, und die beiden
Alten (7 1135):
Exoluere, quanti fixere: omnis fructus
Iam illis decidit.
Nikobulus ist um seinen Sohn mehr besorgt. In seiner
Abwesenheit grämt er sich um ihn (7 237):
Xam mens formidat animus, nostrum tarn diu
Ibi desidere neque redire filium.
Er schenkt seinen beiden Briefen unbedingten Glauben, sucht
ihn der Schande zu entreissen und sein Wort einzulösen. Darum
ist sein Zorn berechtigt, da er sich zweimal betrogen sieht (7
1087 ff.); er nennt sich ..homo miser atque infortunatus-'
(7 1106). Dass auch er, obwohl nach längerem Zaudern, sich
den Dirnen preisgiebt, beweist nur die Richtigkeit der Schluss-
verse (7 1207):
Hi senes nisi fuissent nihili iam inde ab adulescentia,
Non hodie hoc tantum flagitium facerent canis capitibus.
Der Parasit, der herkömmliche Vermittler des Miles, ist in
der üblichen Form gezeichnet. Es klingt wie ein Ausdruck der
Selbstverachtung, wenn er von sich sagt (7. 573):
Parasitus ego surn hominis nequam atque inprobi,
Militis . . .
Pistoclerus bringt ihn schnell weiter, worauf er nicht mehr
auftritt.
Auch der Miles Kleomachus ist der bekannte Soldat der
Komödie: der Parasit meldet bereits (7. 602): „sufflatus ille huc
ueniet" : als solchen erweist er sich bei seinem prahlerischen Auf-
treten (7. 845):
Non me arbitratur militem, set mulierem,
Qui jne meosque non queam defendere.
Nam neque Duellona mi umquam neque Mars creduat.
Ni illtun cxauimalem faxo, si conuenero,
Niue exheredem fecero uitae suae,
28
434 1^- Bacchides.
und wenn er droht, alle umzubringen (F. 859):
Nihil est lucri quod me hodie facere mauelim
Quam illum cubantem cum illa opprimere, ambo ut necem.
„Ludus, der Pädagog, ein Charakter, den die alte Komödie
nur in diesem Exemplar aufzuweisen hat, ist mit vieler Vorliebe
gezeichnet und bildet in den drei ersten Akten gewissermassen
die Hauptrolle." ') Die Freuden seines jugendlichen Zöglings
weiss er nicht zu würdigen; für ihn sind sie der Pfuhl des
Lasters. Er ist ein kalter Pedant. Die Liebe und ihre Genüsse
sind für ihn „damnosissumi" (F 117); er fragt: An deus est
ullus Suauisauiatio ? (V. 120), weshalb ihn sein Zögling ,.bar-
barus" nennt (7. 121):
hem quam, o Lude, es barbarus,
Quem ego sapere nimio censui plus quam Thalem.
I, stultior es barbaro Poticio,
Qui tantus natu deorum nescis nomina!
Dem Jünglinge, den er nach bester Überzeugung heranbilden
will, steht er ratlos gegenüber.
Ibidem mearu operam perdidi ego, ubi tu tuam:
Tua disciplina nee mihi prodest nee tibi,
sagt ihm der Schüler (F 134). Lieber wäre er tot, als solches
zu schauen (F 150):
..Yixisse nimio satiust iam quam uiuere."
Nochmal sehen wir ihn, wie er dem Vater Philoxenus und
seinem Freunde sein Leid klagt (F. 484):
Mihi diseipulus, tibi sodalis periit, huice filius:
Nam ego illum perisse dico, quoi quidem periit pudor.
Dann tritt er für immer ab. Seine schönen Lehren werden
nicht geachtet, vom Sohne nicht gehört, vom Vater nicht unter-
stützt, und an die Stelle desjenigen, der den verderblichen Um-
gang mit den Dirnen nach allen Kräften verhindern wollte, tritt
der Sklave Chrusalus, der seinen ganzen Witz aufwendet, den-
selben zu fördern und möglich zu machen. Auf ihm ruht von
seinem ersten Auftreten (F. 170) der Schwerpunkt; er wird die
Hauptperson der Komödie.
Chrusalus ist einer jener Sklaven, der für seinen Herrn
alles unternimmt. „Opus est chruso Chrusalo" (F. 240), ist seine
') Rapp. S. 1587.
Charakteristik derselben. 435
Devise. Machinam macliinari (F. 232), fabricam dare (F 366),
ja auch etwas Gefahrvolles für seinen Herrn zu übernehmen ( F. 761),
ist er stets bereit. Mag er auch dem alten Herrn ein ..mordax
canis" (F 1146), ein Elender, der ihn auszog (F 1094), sein,
für Mnesilochus ist er stets ein Helfer, eine copia, (F. 639). Quas
ego hie turbas dabo (F. 357), ruft er selbst aus; auch Schlägen
gegenüber will er entschlossen sein (F. 365). „Si illi sunt uirgae
ruri, at mihi tergum domist." Was Wunder, wenn er sich seines
eigenen Wertes bewusst ist, er, der selbst erfindet (F. 752, „mea
fiducia opus conduxi et meo periclo rem gero"), und, Vergleiche
zwischen sich und andern Sklaven ziehend, sich einen Mann nennt,
der mit Gold aufgewogen werden soll und eine Statue verdient
(F. 640):
Hunc liominein decet auro expeudi: huic statuam statui decet ex auro.
(Vergl. auch F. 649).
Er führt den in der Komödie so vielfach aufgestellten Grund-
satz durch (F. 654):
Nullus frugi esse homo *** potest,
Nisi qui et bene facere et male tenet.
Inprobus sit cum inprobis,
Harpaget [cum] furibus,
Quod queat. uorsipellem esse hominem conuenit,
Pectus quoi sapit.
Bonus sit bonis,
Malus sit maus:
Vt quaequomque res est, ita animum habeat [usque].
Bemerkenswerte Nachahmungen oder Neubearbei-
tungen der Bacchides sind nicht nachzuweisen. ') Obenan
steht dem Alter nach Alb recht von Eybes deutsche Übertra-
gung vom Jahre 1511 (S. 87), die ziemlich getreulich ist.
Hie fahet an der ander tail dises buchs | vnd sagt von zwaien
schwöstern der yetwedern genannt ist Bachis, darumb die vber-
geschrifft | dises Capittels gestellet wirt. Plautus in | Bachide, wann
Plautus der poet von di|sen zwaien schwöstern geschoben hat.
Vorerst heisst es: „Die namen der personen in diesem büch-
lin werden genannt vnd gemeldet:
') Ussing. II, 370. Argumentum huiua fabulae etiam recentiori-
bus poetis placuit. Iledit ex parte salteni in comoedia italica Nicolai
Barbieri quae iuscribitur „ L'inavvertito", iu gallica Quinaultii,
cui nomen L'amant indiscret, in Molierii, „l'Etourdi", in anglica
Drydenii Sir Martin Marall. Vid. Dunlop, History of Roman lit-
terature. I, pag. 1<>2.
28*
436 IX. Bacchides.
Am ersten so seind gemeldt vnnd geneut am maisten die
zwü scliwöster, yekliche genant Bachis, von wölen dises püchlin
seinen namen genommen hat, wann alle geschieht sein geschehen
von den selben zwainen scliwöster wegen. Darnach ist ain vater,
genannt Cuntz, mit seinem sun, genannt Lentz, vnd seines suns
schulmaister, genannt Goetz. Darnach ist ain riter, genannt Seitz, mit
seinem knecht Fritz, die zwen altuäter Vtz vnd Cuntz haltens gemai-
nickklich mitt ainander, so haltens die zwen sün Entz vnd Lentz
auch mitainander, darumb dass y freyen vnd pulen die obgenannten
zwu Schwester, vnd thuen sochs mit hilff vnd radt Pentzen des
knechts, so ist der schulmaister Götz wider wertig seinem jünger
Lentzen, darumb das er ein puler ist vnd jm nitt volgen
wyll, der rytter Seytz ist wider Entzen, von wegen das er jm
seinen bulen entfrembdt vnd abgesetzt hat. Auss solchen mag
man dester ee kommen in verstentnuss des gantzen büchlins, als
man hernach bass sehen vnd vermereken wirdt."
Alsdann beginnt nach dem Argument das Stück selbst, wie
in den Menächmen, mit ausführlicher Bühnenweisung, z. B. :
„Hie hebt an das biechlin, vnnd redenn am ersten Bacchis vnd
aber Bachis die zwu scliwöster, vnd Lentz der jüngling mitt
ainander, als die zwu schwöstern gedachten, wie sy Lentzen
wolten betriegen, vnd spricht die erst Bachis zu der andern also."
Die Lücken des Anfangs geben Eybe Baum zu freieren Re-
den. Sein Utz ist Nikobulus, Kuntz Philoxenus, Lentz Pisto-
clerus, Entz Mnesilochus, Peutz Chrusalus, Götz Ludus, Fritz
der Parasit.
Die ziemlich wörtliche Übersetzung gestaltet sich oft ganz
lebhaft, so z. B. in der Rede des Ludus (V. 367):
Pandite atque aj^erite propere ianuam hanc Orci, opsecro u. s. w.
Tliut auf, thut auf (ich bitt euch) die thür der hell vnd lass
mich hinauss, wann warlich es ist nit anders hinnen dann ain rechte
hell, es kompt niymants herein, er sey dann gantz verzweifelt
vnd hab kain hoffnung zu gutten dingen, Bachis vnd aber Bachis,
jr tragt säur frijeht, jr gebt bösen Ion (= V. 371, Bacchides non
Bacchides u. s. w.), weichet von mir, weicht hyndan, ir saugt auss
der menschen blut u. s. w. bis zum Schlüsse.
„Das ist nun die letst red vnd die frölich ist vnd die
schimpflich ist, vnd werden nu alle schach verzieht als sollich
bücher sie vnd gewonhait ist, vnd als Vtz vnd Kuntz zornyklich
anklopfften, so kommen die zwo Bachis herfür gegangen, vnd
spricht die erst also." Es folgt eine getreue Übertragung bis zu
den Schlussworten: „gott geh vns die höchste freyd, das ist das
ewige leben. Amen. " *)
') Nach der Ausgabe von 1537.
Barbieri. Pb. Quinault. 437
Mit den Baccbides bringt man gemeiniglich in Zusammen-
hang die italienische Komödie des Niccolö Barbieri „L'inav-
vertito" ') aus dem Jahre 1629 und Quinaults „L'amant
indiscret".
Philippe Quinaults (geb. 1635; gest. (26.) 29. Nov. 1688)
Lustspiel, „L'amant indiscret ou le maltre etourdi,"2) wurde
1654 aufgeführt. Die Inhaltsangabe mag am besten zeigen, in
wie losem Zusammenhange es mit den Baccbides steht.
I. Akt. Cleandre, der Liebhaber Lucresses, hört von
seinem Diener Philip in, dass dieselbe mit ihrer Mutter Li dam e
und in Begleitung eines „certain Fanfaron" eben in Paris ange-
kommen ist. Er verhandelt mit dem Wirte de la Tete-noire,
Carpalin, um im Hause seiner Geliebten wohnen zu können.
Ebendahin kömmt auch Lisipe, Cle andres Freund, den er
lange nicht mehr getroffen hat. Lisipe ist gleichfalls der Ver-
ehrer von Lucresse, und ihm verrät Cleandre, trotz des Ab-
mahnens seines Dieners, seine Liebe zu Lucresse. Da er erfährt,
dass er sich blossgestellt habe, ist er ausser sich: sein Diener
jedoch verspricht ihm:
Pour vous servir je veux faire im effort,
On remedie ä tout, mais non pas ä la mort.
II. Akt. Lisipe versichert Lucresse, dass er um ihre
Liebe zu Cleandre aus dessen eigenem Munde wisse, da dieser
öffentlich damit prahle. Schwer gelingt es Philip in, die er-
bitterte Dame wieder für ihren Geliebten umzustimmen. Lisipe
aber berichtet Philipin, dass Cleandre aus Freundschaft für
ihn auf Lucresse verziehte:
II veut vous faire voir par ce prompt cliangement
Qu'il est meilleur ami, qu'il n'est discret amant.
Unterdessen kömmt auf Philip ins Anstiften der Wirt Car-
palin als Bauer verkleidet. Er giebt sich für einen Pächter
von Lisipes Vater aus, von dem er berichtet^ er sei gestorben.
Alles geht nach Wunsch. Lisipe will in einer Stunde abreisen,
da kömmt Cleandre dazu und verrät wieder alles, sodass Phi-
lip in auf eine neue List sinnen muss. Cleandre ist eben ,,en
generosite . . . sans egal".
') L'Inauertito, ouero Scappino disturbato, e Mazzetino
Trauagliato. Comedia di Nicolö Barbieri, detto Beltrame. To-
rino 1629 in 12° und Venezia (appresso Angelo Saluadori) 1630 in 12".
(Allacci 179.)
2) Auf S. 251 — 356 des ersten Bandes von „Le theätre de mon-
sieur Quinault, contenant ses tragedies, comedies et operas. Noüvelle
editiou. Enrichie de Figures en taille-douce. A Paris, par la compagnie
des libraires. 1739".
438 IX. Bacchicles.
III. Akt. Lisipe muss entfernt werden. Er ist in Pro-
zessangelegenheiten in Paris. Rosette, Lncresses Mädchen,
soll nun auf Philip ins Rat die wichtigsten Papiere wegräumen
und sagen, sie habe dieselben vergessen; mittlerweile will Philip in
als valet in Lidames Dienste treten. Lisipe reist wirklich ab,
um die nötigen Dokumente zu holen. Lidame nimmt den um
eine Stelle sich bewerbenden Philip in gnädig axif, da kömmt
unseligerweise wieder Cleandre dazu. Unter Prügeln reklamiert
er seinen Diener, der doch nur seinethalben in Lidames Dienst
getreten war, und hat somit wieder eine hübsche List zerstört.
Vergeblich klagt er: „Ah! que j'ai de malheur!"
IV. Akt. Unter verschiedenen anderen Ränken wird auch
ausgeheckt, dass der Wirt, als reicher Kaufmann gekleidet, als
Bruder der Frau Lidame eingeführt werden soll. Auch diese
List gelingt anfänglich. Carpalin stellt sich als jenen Bruder
vor, der eines Duelles halber aus Auxerre vor vielen Jahren in
die neue Welt flüchten musste. Er begrüsst seine Schwester, und
..Lidame est un peu sötte-' und glaubt ihm alles. So verlangt
er, seine Nichte zu sehen. Nachts soll Cleandre ein Stelldichein
mit Lucresse haben; gerät aber an Lidame, die auf diese Weise
alles erfährt und dem Liebhaber statt eines Kusses eine tüchtige
Ohrfeige giebt.
V. Akt. Noch immer spinnt Philip in unermüdlich seine
Intriguen weiter, welche, wie jedesmal, sein Herr zu nichte macht.
Am Schlüsse stellt sich Cleandre selbst als den Bräutigam des
Mädchens vor, das vorher schon seiner Mutter seine Leidenschaft
gestanden hat. Carpalin als Bruder ist eben daran, die Sache
günstig zu schlichten, wird aber wieder von Cleandre in seinen
Plänen gekreuzt, der ihn als den Wirt, bei dem er wohnt,
entdeckt. Alle gestehen ihre List, und das Stück schliesst mit
der Doppelhochzeit des Cleandre mit Lucresse und des Phili-
pin mit Rosette. „La comedie est faite; il n'est plus indiscret."
Die Berührungspunkte der Komödie1) des Quinault
mit den Bacchides sind schwer ausfindig zu machen.
Dass ein Herr die List seines Dieners voreilig zu nichte macht,
mag einmal angehen; fünf Akte hindurch dürfte er die Geduld
selbst des treuesten Sklaven erschöpfen. Sollte dies die einzige
Ähnlichkeit beider Lustspiele sein?
Bei Plautus hat Mnesilochus an seinen Freund Pisto-
clerus vor zwei Jahren geschrieben (V. 388 ff.), er möge ihm
seine Bacchis ausfindig machen. Er ist voll des Dankes gegen
den aufopfernden Freund und hört ungläubig aus Ludus'
Mund (V. 474) die Anklage gegen seinen Freund. Hier sind die
') S. Mahrenholtz, Moliere, S. 70. 71.
Drydens Sir Martin Mar -All.
439
Leiden Freunde wirklich Rivalen. Flüchtig erinnert V. 534 an
Quinault:
Estne hie mens sodalis?
Est-ce-vous, eher Lisipe, que je vois? Ne m'abuse-je point?
Noch in derselben Szene überzeugt sich Mnesilochus von
der wahren Gesinnung seines Freundes: hier glaubt Lisipe an
das Opfer seines Freundes, ja er bittet ihn sogar, über die Ge-
liebte zu wachen.
Somit sind wohl äusserst wenige Anhaltspunkte
gegeben, um anzunehmen, dass Quinault die Bacchides im
Auge hatte, als er seinen „amant indiscret" schrieb.
Völlig mit Quinault übereinstimmend, ist John Drydens
Lustspiel: „Sir Martin Mar-All, or the feign'd innocence." J)
Der gewandte Diener Philip in ist hier Warner. Die Be-
gegnung der beiden Rivalen, des kentischen Ritters Sir John
SwalloAv und des Sir Martin Mar-All (Cleandre-Lisipe),
sowie Warners Verlegenheiten mit seinem Herrn, ist ganz wie
bei Quinault.
Eine Szene möge die Gleichheit und Verschiedenheit beider
Stücke beleuchten.
Lis. Est-elle de Paris?
Phil, (ä part) Ah!
Cle. Non, eile est d'Auxerre.
Phil, (ä part) C'est son rival!
Lis. C'est lä que j'ai certaine terre.
M'apprendrez vous, comment?
Cle. J'etois dedans Auxerre & dans
un Temple un jour.
Phil, (bas ä Cleandre) Monsieur,
que pensez-vous d'en user de la
sorte.
Cle. (ä Philipiu) C'est un de mes
amis.
Phil, (bas) II n'importe.
CIL (bas) II n'importe (ä Philipin).
Quand je vis cet objet si charmaut
et si beau,
Que je dois l'adorer jusques dans
le tombeau.
Sir John. Is she of Town or Coun-
try?
Wartier. How 's this? (aside.)
Sir Marl. She is of Kent near Can-
terbury.
Warner. What does he mean?
This is bis Rival. (aside.)
Sir John. Near Canterbury say
you? I have a small Estate lies
there abouts, and niore Concerne-
ments than one besides.
Sir Marl. I '11 teil you then, being
at Canterbury, it was my Portune
once in the Cathedral-Church. —
Warner. What do you mean, Sir,
to instrust this Man with your
Affairs?
Sir Marl. Trust him? why; he 's
a Friend of mine.
Warner. No matter for that; hark
you a Word, Sir.
Sir Marl. Pr'y thee, leave fooling
— and as I was saying — I was
iu the Church, when I first saw
this Fair one.
') Auf S. 87 — IGT des zweiten Bandes von „The dramatick works
of John Dryden. Esq. London (printed for Jacob Tonson in the
Strand) 1785".
440
IX. Bacchides.
Lis. Son nom?
Phil, (bas ä Cleandre) Gardez-vous
bieu!
Cle. On la nomine Lucresse.
Phil. (bas) Hd, Monsieur!
Lis. C'est aussi le noin de ma mai-
tresse.
Cle. Un de ses gans tomba, j'allais
lui presenter.
Et lui fit compliinent.
Phil, (bas) II va tout lui conter,
u. s. w.
Sir John. Her name, Sir, I beseech
you?
Warner. For Heav'n's sake. Sir,
have a Care !
Sir Marl. Thou art such a Cox-
conib. — Her Name 's Millisent.
Warner. Now the Pox take you!
Sir, what do yo mean?
Sir John. Millisent, say you? That
:s the Name of my Mistress.
Sir Marl. Lord! what Luck is that
now! well, Sir, it happen'd one
of her Gloves feil down, I stoop'd
to take it up ; and in the stooping
made her a Compliment.
Warner. The Devil cannot hold
him: now will this thick-skull'd
Master of mine teil the whole
Story to his Bival, u. s. w.
Ganz in der gleichen Weise, mit wenig Zuthaten, wie sie das
veränderte Publikum natürlich erforderlich machte, meist etwas
breiter, verläuft das englische Stück, das ebensowenig, wie
das französische, in direkter Beziehung zu Plautus steht.1)
Anklänge an die Bacchides finden sich auch-) in Cail-
havas Lustspiel: „Le mariage interrompu", 3) das zum ersten
Male auf dem Theätre de la Nation am 10. April 1769 aufge-
führt wurde.4) (S. 72.)
Der Dichter sagt hierüber selbst:
J'ai encore mis ä contribution les Bacchides . . . &je me feli-
cite de devoir ä la Piece latine une scene que je puis dire excellente,
puisqu'elle ne m'appartient pas.
Dans la comedie que je viens de citer, Chrisale favorise les amours
de son jeune Maitre, et lui remet une somme considerable qu'il a en-
levee ä son vieux Patron. Le jeune bomme, pique contre sa Maitresse,
qu'il croit infidelle, rend l'argent ä son pere , & voit, un instant apres,
qu'il en a le plus grand besoin. H s'adresse ä l'adroit Chrisale: celui-ci,
decourage, ne veut jilus secourir: mais bientot il se laisse toucher; il
ordonne ä son jeune Maitre de prendre des tablettes, & lui dicte ä peu
') Walter Scott in seinen „Memoirs of John Dry den", Paris
1826 (I, 99), urteilt über das Stück: This was originally a translation of
„L'Etourdi" of Moliere executed by the Duke of Newcastle, famous for
his loyalty, and his skill in horsemanship.
Dryden availed himself of the noble translator's permission to im-
prove and bring „Sir Martin Mar -all" forward for his own benefit . . .
Sir Martin Mar-all was printed anonymously in 1668. It did not appear
with Dryden's name until 1697. Der Schauspieler Nokes schuf sich mit
Mar-all eine Glanzrolle. (Vgl. Cibber's Apology, pag. 86.)
2) I, 104. E. Sommer. Cailhava qui a tire son „Mariage in-
terrompu" en partie des Bacchis et en partie de l'Epidicus.
3) Auf S. 357 — 434 des ersten Bandes des „Theätre de Cail-
hava". Paris 1781.
4) Hipp. Lucas. Hist. III. 337.
('ailhava. Domenichi. 441
pres cette lettre: Salut ä mon pere. Chrisale nie gronde sans cesse,
parce que je vous ai rendu votre argent. Je vous avertis de prendre
garde aux trarnes quil ourdit pour rattraper cette somme & ine pro-
curer le plaisir de la depenser avec des Courtisannes &c. &c.
• Je defie qu'un fourbe ait janiais mis en usage un ressort plus co-
mique. & en nieme temps plus attaehant. C'est dommage que l'ecrit ne
reparoisse plus, & que l'intrigue n'en fasse plus usage, apres l'avoir dicte
avec tant d'empliase. J'ai täclie de transporter sur notre Theätre les
f>eaute"s de la Scene latine : j'ai ose davantage . j''ai täclie d'en tirer un
plus graud parti que Piaute, & de la denouer, en la rendant utile ä
l'intrigue.
In der siebenten Szene des zweiten Aktes spielt die den
Bacchides entnommene Szene. Front in, der Diener des Da-
mis, diktiert hier den Brief an seines Herrn Vater:
Mon pere. Apres avoir le malheur de vous deplaire je n:ose pa-
roitre ä vos yeux; mais je crois devoir vous avertir de ne pas ajouter
foi ä ce que Frontin pourra vous dire . . . Xon content de vous avoir
dejä trompe, il veut s'excuser aupres de vous en vous trompant encore
. . . C'est un fourbe, un scelerat, un traitre.
In der nächsten Szene (III, 1) macht dann Ar gante (der Vater)
Frontin denselben Vorhalt, wie Nikobulns dem Chrusalus.
Wichtiger für die spätere Komödie sind die Bac-
chides durch die Figur des Pädagogen Ludus gewor-
den (vgl. S. 102), der als dottore Bolognese u. s. w. spielt
und das Urbild des Hofmeisters in tausend Ängsten (wie in
Giov. Girauds [1776 — 1834] ,,L' aio nell' imbarrazzo"1) der
Hofmeister Gregorio) und aller pedantischen Mentoren ge-
worden ist.
Eine italienische Bearbeitung der Bacchides, die auch
gespielt wurde,-) liegt vor in ,.Le due cortigiane" des Lodo-
vico Domenichi3) (in Prosa), Florenz 1563, 8° (Venedig 1620,
1626, 12°); irrtümlich schreibt Argelati4) dieselbe dem Lo-
dovico Dolce zu. (In Fiorenza a stanza di Giorgio Mares-
cotti 1563.)
Der Prolog des Lustspieles von Domenichi,5) den Sileno,
der Erzieher des Bakchus, auf einem Esel6) spricht, thut des
') Deutsch von Theod. Hell. Draniat. Vergissmeinnicht, 2. Bdch.
1J) Tiraboschi. VIT, 1294.
3) Eiccoboni. I, 151. — Sulzer. III. 705k-
4) Argelati. HI, 235.
5) Le Dve | Cortigiane. | Comedia | Di M. Lodouico Domenichi. | AI
Signor Luca Sorgo | Geutilhuumo Ragugeo. | In Venetia, 1 Appresso Fran-
cesco Franceschini 15G7. (44 fol.) — Die Widmung trägt das Datum:
12. Februar 1563. Florenz. — Das Stück wurde ins Französische über-
setzt von Hier ö me d'Avost de la Val. — Vgl. Riccoboni, Reflexions
S. 119. „Les deux courtisannes." nach Beauchamps (Recherches
II, 56) nicht gedruckt.
6) Nach einem unechten Prologe der sieht bei Rapp (Die pl. L..
S. 1590) findet. (Vgl. ebenda S. 1586.)
442 IX. Baccbides.
Plautus und seiner Ba coli i des Erwähnung: Cohii, ehe prima la
compose in Greco, la chiamö le Euantide. Plauto che la fece
Latina, la intitolö le Bacchide, e il nostro, che 1' ha ridotta in
Toseana, la domanda LE DVE COETIGIANE.
I. Akt. (1.) Livio ist in eine Buhlerin, Isahella, verlieht.
Veranlassung dazu gab ihm sein Freund Mario, der, von seinem
Vater zur Einziehung von Geldern nach Spanien geschickt, ihm
die Obhut über seine Geliebte, die Zwillingsschwester Isabellas,
die den gleichen Namen führt, übertragen hat. Noch sucht ihn
sein Hofmeister M. Cinthio abzuhalten; allein (2.) die beiden
Isabella vermögen mehr, als der an lateinischen Phrasen reiche
Pedant. (3.) Wie Ludus, macht Cinthio nochmal den Versuch,
seinen Zögling zu retten, so ziemlich mit den Worten des Origi-
nales: Egli e im pezzo, eh' io uengo tacito dietro al le tue uesti-
gia per intendere & scrutare quel che tu pensi di fare, con 1' esserti
tanto lasciuamente adornato & eonpto .... Et doue capessi tu la
uia con tanta pompa. (F. 109):
Iam dudum, Pistoclere. tacitus te sequor
Inspectans quas tu res hoc ornatu geras.
Quo nunc capessis ted hiuc aduorsa uia
Cum tanta pompa V
Mit Übergelrang der Berufung auf Lykurgus (F. 111), zi-
tiert Cinthio einen Vers Ovids: .,Sint procul a nobis hiuenes
ut femin a compti u. s. w. Auf des Pädagogen weitere Frage:
Et quid negotii, che negotio ti sospinge? chi habita, chi tiene
il domicilio costä? (F. 114: Quid, huc? quis istic habitat?) ver-
setzt Livio die Worte des Pistoclerus (F. 115): ,,L' amore, il
diletto, uenere, la piaceuolezza, il gaudio, il gioco, il riso, & gli
altri suoi fratelli."
Die Szene verläuft fast wörtlich nach Plautus mit wenig
Änderungen, w eiche die lateinischen Brocken des Cinthio ver-
ursachen oder einige nicht mehr verständliche Anspielungen. *)
Mit den jammernden Worten: Per Deum uerum, che tu hai fatto
xxn cattiuo furto alla etä tua, quando hai tennete celate coteste
sceleraggini a me, e a tuo padre (== F. 166):
Edepol fecisti furtum in aetatem malum,
Quom istaec flagitia me celauisti et patrem,
eilt Cinthio ab.
») Z. B. (F. 110): •
hem quam, o Lude, es barbarus,
Quem ego sapere nimio censui plus quam Thalem.
I, stultior es barbaro Poticio.
doue io credetti giä, che fuste piu dotto che Orando.
Lodovico Donienichi. 443
IL Akt. (1.) Vespa, der Diener des Mario, der hier die
Rolle des Chrusalus spielt, tritt auf. Seine Begrüssung an
das Vaterland entspricht genau jener seines Vorhildes (F. 170), nur
kömmt er von Spanien, nicht von Ephesus, und sein Grass gilt
nicht Apollo, sondern: Saluto te ancora, M. San Mazzo, il
cpuale hahiti uicino alle nostre case, e humilmente ti riuerisco,
pregandoti a farsi, e in modo che il mio padron uecchio non mi
troui, fin che io non habbia ueduto & fauellato con Liuio, compagno
di Mario mio giouane padrone, a cui esso Mario scrisse giä una
lettera, per conto della sua innamorata, was den Versen des Ori-
ginales (7. 172):
Saluto te, uicine Apollo, qui aedibus
Propinquos nostris adcolis, ueneroque te
Ne Nicobulum me sinas nostruni senem
Prius conuenire quam sodalem uiderim
Mnesilochi Pistoclerum, quem ad epistulam
Mnesilochus misit super amica Bacchide
entspricht. (2.) Vespa trifft Livio, er erfährt, was dieser bis-
her für seinen Freund thun konnte, und dass der Capitan ge-
fährliche Pläne habe. Das Zusammentreffen des alten Lattantio,
des Vaters Marios, mit Vespa (3.), dessen Erzählung von
dem Gelde und ihren Schicksalen stimmt wörtlich zu Plautus.
III. Akt. Den dritten Akt eröffnet die Klage des Päda-
gogen (F. 368, Pandite atque aperite propere ianuam hanc Orci,
opsecro). Mit Dante kann er von dem Hause der Buhlerinnen
sagen: Lasciate ogni speranza, o voi che entrate. Den Wort-
Witz des Chrusalus (F. 371, Bacchides non Bacchides, set
Bacchae sunt acerrumae) sucht er umschreibend zu geben: „Le
cortigiane non sono cortegiane, ne cortesi, ma scorticatrici
pessime & peste della incauta iuuentudine. " Es folgen in ge-
nauem Anschlüsse an Plautus der Monolog des Mario (2.),
die Klage Cinthios gegen Livio bei dem Vater Lattantio (3.),
wobei Mario zu Zweifeln über seinen Freund kommen muss,
denen er dann (4.) Ausdruck verleiht (F. 500). Die ersten Sze-
nen des vierten Aktes bei Plautus, das Auftreten des Livio
(5.) und sein Zusammentreffen mit Mario, den er für einen Ver-
räter hält, sind noch zum dritten Akte geschlagen.
IV. Akt. (1.) Der Parasit Godenzo tritt auf: Io son
parasito, lecca piatti, & cagnotto d' un Capitano Spagnuolo. Mit
ihm trifft Livio (2.) zusammen. Die Unterredung Livios mit
Mario (3.), die Hilfe, die Vespa bringt (4.), sein Selbstgespräch
(5.), sowie Vespas Zusammentreffen mit Lattantio (6., 7.), ist
nur Übersetzung aus Plautus. Cleomachus wird durch den
Capitan Martin Alonso di Flor es tan, der Spanisch spricht,
vertreten. (8.) Domenichi hält sich strenge ans Original: nur
444 X. Mostellaria.
reicht der vierte Akt bis Vers 1087 und schliesst mit Filippos
(= Philoxenus) Monolog ab.
Der fünfte Akt umfasst in wörtlicher Übersetzung:
den Rest; die letzten Worte der Caterua spricht eine Isabella.
Was die angeblichen Due Cortigiane des Dolce betrifft,
so erklärt Argelati,') er habe sie selbst gesehen. „Libro
veduto da noi nella Biblioteca de' P. P. della Compagnia di
Gesü, di S. Lucia, in Bologna," und sagt ferner: „Neil' Argomento
poscia si spiega essere questa una Traduzione della Bachilide
(sie!) di Plauto, cosi = Colui che prima la compose in Greco la
chiamö Evantide, poscia Plauto, che la fece Latina la chiamö
Bachilide, ed il nostro che 1' ä tradotta in Italiano, la domanda le
due Cortigiane."
Allacci2) nennt das Stück nicht; ich konnte es nicht fin-
den. Es ist vielmehr ein Irrtum Argelatis, da Widmung und
Einleitung der dem Dolce zugeschriebenen Komödie sich bei
Domenichi finden.3)
X. Mostellaria.4)
Es ist ein ungeheuer heiteres Lustspiel, „ein Stück von sehr
korrekter Anlage, durch die Mannigfaltigkeit gut gezeichneter
Charaktere hervorragend,"5) das uns Plautus unter dem Namen
Mostellaria (Geistergeschichte) vorführt.
Ludos ego liodie uiuo praesenti huic seni
Faciain: quod credo mortuo numquam fore,
verkündet (V. 427) der Sklave Tranio.
>) A. a. 0. S. 235. Anm. f.
2) A. a. 0. S. 448 u. 449.
3) Ob und in wie weit einige ähnlich betitelte Stücke, z. B. die
Corteggiana des Ambrosio Passerotta 1638 (Allacci, 88), 1' astuta
Corteggiana des Giulio Cesare Sorrentiuo 1631 (Allacci, 42), u. a.,
mit den Bacchides vielleicht zusammenhängen, konnte ich nicht er-
mitteln. — Les courtisannes ou Tdcole des moeurs, Comedie par
l'auteur de la comedie des philosophes (Paris 1775), gehört nicht hierher.
4) Ausgaben: Traduction de la Comedie de Piaute intitulee Mostel-
laria. Avec le texte revu sur plusieurs manuscrits et sur les meilleures
editions. Versailles, R.J.Jacob. An XI. 213 pagg. — A. Lorenz (Ber-
lin 1866); W. Bamsay, London 1869 (udgivet af S. Bugge, Christ iania
1873). — Hier ist zitiert nach der Ausg. von Frd. Ritschi (Bonnae 1852).
- Deutsche Übersetzung von G. G. S. Köpke (Berlin 1809): Rost
1824. Progr, 52 S.
5) Teuf fei (G. d. r. L.), S. 149.
Charakteristik derselben. 445
Optumas frustrationes dederis in comoediis,
wiederholt er (F. 1152) seinem Herrn.
Der erste Akt führt uns in das Haus des Theivropides.
Dieser weilt seit drei Jahren in Ägypten. Sein Sohn Philo-
1 ach es führt seitdem ein überaus lockeres Leben. Das Stück
eröffnen die beiden Sklaven des Theuropides, Grumio und
Tranio, zwei Namen, welche in Shakespeares „Taming of a
shrew:< wiederkehren und Rapp1) zu der Idee führen, „dass
auch ein Plautus auf dem Schreibtisch des jungen studierenden
Shakespeare gelegen haben mag.-' Grumio macht seinem Mit-
sklaven Tranio heftige Vorwürfe, dass er den jungen Herrn ver-
führe und mit ihm Hab und Gut durchbringe, weshalb er ihn
(F. 3) „erilis pernieies-' nennt.
Phil ola che s tritt auf, und in einem langen Monologe giebt
er uns ein Bild von sich selbst. Er ist ein Haus, das der Bau-
meister gut gebaut hat. Liederlichkeit aber hat an den Grund-
festen desselben gerüttelt, und nun ist es arg erschüttert.
Atipie ea haut est fabri culpa, set magna pars
Moreni nunc induxerunt: si quid nummo sarciri potest,
Vsque mantant, neque id faciunt. donicum
Parietes ruont : tum aedificant aedis totas denuo.
(F. 114) u. s. f.
Philematium und ihre Magd Scapha treten ein. Philo -
lach es hat das Mädchen losgekauft, und sie schmückt sich nun,
ihm recht zu gefallen, und zwar ihm allein. Scapha will zwar
in ihr den Glauben bestärken, dass ihr Philolaches ihre Treue
niemals durch Beständigkeit seiner Liebe lohnen werde: allein sie
will es nicht glauben. Philematium in ihrem Verhältnisse zu
Scapha ist nach dieser Szene von Rapp2) mit Marianne in
ihren Beziehungen zur alten Sibylle in Goethes Wilhelm
Meister zusammengebracht worden. Nachdem Philolaches
lange das reizende Gespräch seines Mädchens mit angehört und
zum Teil sich der alten Scapha gefreut, zum Teil ihre Rede
unlieb aufgenommen hat. tritt er vor und begrüsst sie. Ein
Mahl wird aufgetragen, zu welchem sich ein zweites, allerdings
ungleich leidenschaftlicheres Liebespaar gesellt, der völlig be-
trunkene Callidamates und seine Buhlerin Delphiuni.
Noch liegen die beiden Paare angeheitert zu Tische, da naht
am Beginne des zweiten Aktes Tranio mit der Verhängnis*
vollen Botschaft ( F. 350):
') Die pl. L., S. 510. — Vgl. auch hier S. 78.
2) A. a. 0., S. 509.
446 X. Mostellaria.
Occidit spes nostra: nusquam stabulumst confidentiae.
Nee Salus nobis saluti iam esse, si cupiat, jiotest :
Ita mali moeroris montem maxumum ad portum modo
Conspicatus sum —
mit wenig" Worten, der alte Herr ist zurückgekehrt, „erus adue-
nit peregre. " Tranio hat ihn selber gesehen. Nun ist Tranio
und alle verloren. Mühsam weckt man den trunkenen Callida-
mates, der nicht gehen will und zu allem noch immer ruft:
„ualeat pater!" (F 374) ,.iube eum abire rursum!" (F 377)
„iam pol ego oeeidam patrem!" (F 384) ■ — ein treffliches Bild
eines Berauschten und Schlaftrunkenen. Alles ist entsetzt; da
erklärt Tranio, helfen zu wollen. Die beiden Mädchen werden
ins Haus geschickt, nach ihnen Philolaches mit dem Auftrage,
sich drinnen völlig ruhig zu verhalten und auf keinerlei Klopfen
zu öffnen.
Froh, das Land begrüssen zu können, steht Theuropides
vor der Schwelle seines Hauses in pathetischer Eede (F 431):
Habeo, Neptune. gratiani magnam tibi,
Quoniam amisisti nie a te uix uiuom modo.
Nach drei Jahren sieht er die Heimat wieder (F. 441):
Credo, expeetatus ueniam familiaribus.
Da bemerkt er die Thür verschlossen (F. 444):
Set quid hoc? occlusa ianuast interdius.
Er will pochen, da tritt ihm Tranio entgegen. Mit allen
Gebärden des Entsetzens hält er ihn zurück, sich seinem Hause
zu nahen, und erzählt ihm, dass dasselbe seit etwa sieben Mo-
naten unbewohnt stehe. Dem Philolaches sei nachts ein Geist
erschienen (F. 490): „Ait uenisse illum in somnis ad se mortuom,"
und habe ihm gesagt (F. 497):
Ego transmarinus liospes sum Diapontius.
Hie liabito: dedita haec mihist habitatio:
Nam me Ackeruntem reeipere Orcus noluit.
Quia praemature uita careo. per fidem
Deceptus sum: hospes me hie necauit, isque me
Defodit insepultum clam in hisce aedibus,
Scelestus, auri causa, nunc tu hie emigra:
Scelestae haec aedes, impiast habitatio.
Anfänglich verliert Theuropides die Besinnung nicht.
Nihil ego formido: pax mihist cum mortuis,
meint er (F. 514); endlich aber zieht er doch ab, den Herkules
anrufend.
Charakteristik derselben. 447
Im dritten Akte bestürmt der Wucherer (danista) den
Sklaven Tranio eben um die fälligen Zinsen seines dem jungen
Herrn gegebenen Darlehens, als unglücklicherweise Theuro-
pides dazukömmt. Nun findet Tranio keinen andern Ausweg
mehr, als dem alten Herrn zu erzählen, sein Sohn Philolaches
habe, um den Geistern zu entgehen, ein neues Haus spott-
billig erstanden und schulde an dasselbe noch vier und vierzig
Minen, „et sors et faenus" (V. 631). Theuropides ist hocher-
freut über den günstigen Handel, und dass der Sohn dem Vater
so sehr gleiche (V. 638):
Euge. Philolaches
Patrissat: iam homo in rnercatura uortitur.
Gerne lässt er sich herbei, die Forderung des danista
abzugleichen; nun will er aber auch von dem neu gekauften
Hause hören. „Qua in regione istas aedis emit filius?" (V. 659.)
In seiner Verlegenheit kann Tranio nur erwidern (V. 669):
de uicino hoc proxumo
Tuus emit aedis filius.
Er will sofort das Haus besichtigen.
At hie sunt mulieres:
Videndumst primuni, utrum eae uelintne an non uelint,
wirft (V. 680) Tranio ein. Wieder ist es Theuropides zu-
frieden, da naht der Besitzer des Hauses, der Nachbar Simo,
der eben seiner „dotata uxor atque anus" ( V. 703) aus dem
Wege gehen will. Tranio zieht ihn beiseite und vertraut ihm
kurz, der alte Theuropides wolle seinen Sohn verheiraten, sein
Haus erweitern und deshalb das Innere von Simos Haus näher
besehen. Gerne gestattet es der freundliche Nachbar, nicht ohne
ein paarmal Theuropides durch Redensarten von „seinem" Hause
stutzig zu machen.
Qualibet perambula aedis oppido tamquam tuas,
erlaubt ihm Simo (V. 809). „Tamquam?" fragt Theuropides
betroffen. Tranio aber flüstert ihm zu, der Kummer wegen des
vorteilhaften Kaufes nage ihm noch am Herzen; er möge ihn
nicht kränken. „Noli facere mentionem te emisse has!" [V. 813).
Nach kurzer Zeit kommen Tranio und Theuropides, letzterer
hocherfreut über den günstigen Kauf seines Sohnes, aus dem
Hause zurück.
Im vierten Akte erscheint Phaniscus, der Sklave des
Callidamates; er hat eine Botschaft an seinen Herrn. Nach
einigen Reden zwischen ihm und einem andern Sklaven kömmt
448 X. Mostellaria.
Theuropides eben recht, um zu sehen, wie Phaniscus an der
Thüre seines verhexten Hauses pocht. Voll Besorgnis stürzt er
auf ihn zu, „quid istas aedis frangitis?" (V. 939). „Erus hie
noster potat, " erwidert Phaniscus. „Unmöglich! Das Haus ist
unbewohnt.-' „Erras peruorse, pater, •' lächelt Phaniscus (F. 952).
„Seit sechs Monaten ist alles leer," versichert der Alte und muss
nun als Antwort hören ("F. 956):
heri et nudiustertius,
Quartus, quintus, sextus usque, postquam peregre hinc eius pater
Abiit, numquam hie triduoni unum desitumst potarier.
— — Triduom unum haut intermissum hie bibi,
Scorta duci, pergraecari, fidicinas, tibicinas
Conduci.
„Und wer hat das gethan?-' „Philolaches, der Sohn des
Theuropides. •' Um dreissig Talente hat er Philematium ge-
kauft; alles geht von Tranio aus (V. 983):
Vnus istic seruos est sacerrumus,
Tranio: is uel Herculi conterere quaestum possiet.
Edepol ne me eius patris nunc misere miseret: qui quom istaec seiet
Facta ita, amburet ei misero corculum carbunculus.
Dazu kömmt noch Simo, xxnd so klärt sich auch die Ge-
schichte mit dem Hauskauf als eine Lüge auf. Aufs höchste er-
bost, geht Theuropides ab.
Den fünften Akt eröffnet Tranio s Selbstgespräch; er hat
durch den Garten die Zecher hinausgelassen und steht nun allein.
Theuropides kömmt auf ihn zu, anscheinend ruhig. Da aber
Tranio Schlimmes ahnt, so eilt er auf einen Strassenaltar (F.
1094: „Ego interim aram haue oecupabo"), um „als Vorsitzender
das Verhör zu leiten-'.
„Hie ergo tibi praesidebo, ne interbitat quaestio.:<
(V. 1096.) Unterdessen hat Callidamates seinen Rausch aus-
geschlafen (edormiui crapulam, V. 1122) und tritt als Abgesandter
des Philolaches auf, um den Vater zu beschwichtigen. Dies
gelingt ihm auf eigene Art. Er gesteht alle Streiche des Sohnes
zu; aber (V. 1158):
Scis solere illanc aetatem tali ludo ludere,
und früher schon (V. 1139) hatte Tranio seine Verteidigung
dahin gerichtet:
Fateor potauisse, amicam liberasse absente te,
Faenori argentum sumpsisse: id esse absumptum p'raedico.
Numqüid aliut fecit, nisi quod summis gnati generibus?
Charakteristik derselben. 449
ferner wollen alle zusammen den Schaden tragen (F. 1160):
Faenus. sortem sumptumque omnem, qui amica emptast, omnia
Nos dabimus, nos conferemus, nostro sumptu, non tuo.
Der Alte will alles verzeihen, wenn es den Sohn reut (F 1164):
Immo me praesente amato, bibito, facito, quod lubet;
Si hoc pudet, fecisse sumptum, supplici iam habeo satis,
worauf sich Tran io darauf beruft, dass er es auch bereue. Erst nach
längeren Bitten des Callidamates geht der Sklave straffrei aus.1)
Die Figuren des Stückes sind ihrer Mehrzahl nach gut ge-
zeichnet und ihre Charaktere wohl durchgeführt. Der alte Theu-
ropides, der noch als Greis die Last dreijähriger Geschäftsreisen
auf sich nimmt, ist ein echter Kaufmann. Seine merkantilen An-
schauungen entwickelt er (F. 799):
Sibi quisque ruri metit — —
Lucri quicquid est, id domum trahere oportet.
Schlau sucht er, den Sklaven zu fangen, .,docte atque astu"
(F. 1069).
Sein Sohn Philolaches wird nachdrücklich als früher von
vorzüglichen Sitten geschildert. „Adtdescentem optumum, " nennt
ihn (F. 21) Grumio.
Quo nemo adaeque iuuentute ex omni Attica
Antehac est liabitus parcus nee magis continens
(F. 30). „Video corruptum ita ex adulescente optumo" (F. 84).
Philolaches selbst sagt es von sich (F. 137):
Venit ignauia: ea mihi tempestas fuit,
Quae mi aduentu suo grandinem, imbrem attulit.
Haec uereeundiam mi et uirtutis modum
Deturbauit detexitqne de me ilico.
Nunc simul res. fides, fama, uirtus, decus
Deseruerunt: ego sum in usu factus nimio nequior.
Mit Reue misst er sich selber die Schuld zu (F. 149):
Cor dolet, quoni scio ut nunc sum atque ut füi :
Quo neque industrior de iuuentute erat
Nunc, postquam nihili sum, id uero meopte ingenio repperi.
Er versteht es aber, ein flottes Haus zu führen.
') Sulz er, Theorie etc., I, 227a, tadelt an der Mostellaria aller-
dings „eine so unvollständige Auflösung, dass das Ende davon ganz ab-
geschmackt wird".
29
450 X. Mostellaria.
Musice hercle agitis aetatem ita ut uos decet:
Viuo et uictu, piscatu probo, electili
Vitam Colitis,
rühmt Simo Tranio gegenüber (F 729).
Seine Geliebte Philematium hat ihn zunächst verdorben.
Haec illast tempestas mea, mihi quae modestiam omnem
Detexit tectus qua fui,
gesteht er bei ihrem Anblick (Y. 162). Es ist ein kokettes, be-
rechnendes Mädchen: „Volo me placere Philolachi" (F 167), sagt
sie und verwendet unendliche Sorge auf ihren Putz. Sie hat
eine gute Erziehung- genossen. „Tarn catam, tarn doctam et
bene educatam" (F 186), nennt sie Scapha. Philolaches, der
sie losgekauft hat, bleibt sie ewig dankbar (F 204, 214), trotz
der schlimmen Lehren, die ihr die alte Scapha giebt, welche
den Grundsatz vertritt, den wir im Munde der lena öfter zu
hören bekommen (F. 190):
Matronae, non meretricis est, unuru inseruire amantem.
Der gelungenen, so naturgetreuen Gestalt des Callidamates
ist bereits Erwähnung geschehen. Er ist der liebste Freund des
Philolaches (gnati sodalis, F. 1120. Omnium primum sodalem
me esse scis gnato tuo, F. 1154), dem neben der Liebe der
Trunk am Herzen liegt. „Da illi quod bibat!" ist sein letzter
Ruf (F. 344), da er berauscht fortgetragen wird.
Der Vertreter des „genus quod improbissumumst': (F. 623),
der Wucherer, der Mann der schlechtesten Zunft (F. 657):
Nulluni edepol hodie genus est hominum taetrius
Nee minus bono cum iure, quam danisticum,
ist eine Art Vorbild des Shylock. Wie dieser ruft „I'U have my
bound", so der danista (F. 602):
Cedo faenus, redde faenus, faenus reddite.
Daturin' estis faenus actutum mihi?
Daturne faenus?
Der seiner ehelichen Pflichten müde Simo begegnet, zum
Teile mit Anklängen an die Asinaria (F. 872 ff.), in späteren
Komödien öfter.
Noch bleiben die beiden Sklaven, Grumio und Tranio.
Grumio ist der ehrliche, derbe Bauer, während Tranio
den Städter spielt.
Tu urbanus uero scurra, deliciae popli, ,
Rus mihi tu obieetas?
G. Berrardos Mustellaria. 451
hält er Tranios Spott entgegen ( F. 15). Tranio wird vonGrumio
richtig charakterisiert als der Verführer des jungen Herrn, der
Verschwender des anvertrauten Vermögens. Nochmal später zeich-
net ihn Phaniscus als den Ruin des Hauses. Sein Grundsatz,
üherall die Frechheit vorzukehren, wo es nicht anders geht, ist in
F. 1042 ausgesprochen:
Qui honio timidus erit in rebus dubiis, nauci non erit.
Atque equidem, quid id esse dicam uerbum nauci, nescio.
Er freilich misst seine Thaten mit anderm Masse. Wie die
plautinischen Sklaven sich ähnlich öfter rühmen, so darf er von
sich sagen (F. 775):
Alexandrum magnum atque Agathoclem aiuut maxumas
Duo res gessisse: quid mihi fiet tertio,
Qui solus facio facinora inmortalia?
Die Bearbeitungen der Mostellaria durch spätere
Dichter sind ziemlich zahlreiche und meist gelungene.
Im Jahre 1501 1) spielte man die Mostellaria in Italien
in Berrardos2) klassischer Bearbeitung. In hübschen Tei^zinen
geschrieben und von einem argumento eingeleitet, hält sich die
Übersetzung zwar streng an den Urtext, wird aber, was die
natürliche Folge des Reimes ist, vielfach breiter und begnügt
sich meist damit, den Gedanken paraphrasiert wieder
zu geben. So werden z. B. die Eingangsverse :
Exi e colina sis foras, mastigia,
Qui mi inter patinas exhibes argutias.
Egredere, erilis pernicies, ex aedibus;
bei Berrardo:
Seime presto fora de cusina,
Asiuo proprio da botte e bastone,
Che altro che quel nou chiama la tua schina.
Non mi dar noia tra i piate poltrone
Nesci de queste case presto fora,
Disfatione, e rouina del patrone.
Hier ist der alte Herr erst zwei Jahre vom Hause weg
(gegen F. 79, 440), und Grumios Wunsch (F. 77) lautet hier:
') Tiraboschi. VI, 878.
-) Mvstellaria, | Comedia di Plavto | intitulata la Mustellaria dal
latino al | uolgare tradotta per Geroniinn ! Berardo nobile ferrarese, I &
con ogni diligentia corretta & nuoua[mente stampata 1530. <>7 fol.
(Vignette: Plautus.) Nach fol. 157. „Stampato in ^iuegia per Nicolo di
Aristotile detto Zoppino MDXXX. — Argelati. III. 233.
'29*
452 2L Mostellaria.
Quanto posso ui prego, oh immortal Dei,
Che facciate che T uecchio quäl e abseilte
Giä son due anni sei conto ben fei . . .
ii. s. w. So ist wesentlich erweitert V. 157, wo Phile-
matium, die hier Philocomasia heisst, von ihrem kalten
Bade spricht:
lam pridem ecastor frigida non laui magis lubenter,
Nee quod nie melius, mea Scapha, rear esse defteatam.
Scapha per Dio che giä piü tempo e hormai
Che de uoglia raeglior quanto son hora
D' acqua fresca cosi non mi lauai,
Ch' io fusse tanto d' ogni affanno fora
E quieta fusse piü la mente mia
Ne che piü sana nie sentisse anchora.
Diese Szene schliesst den ersten Akt ab mit Philocomasias
Worten an Philolaco:
Andiamo in casa, o dolee anima mia,
E li in piacer insieme si staremo,
Insino ch' el mangiare in ordin sia
E poi qui innanzi apparecchiar faremo.
Der zweite Akt führt uns das Gastmahl vor, an welchem
der Parasit Callidamante und seine Geliebte Delphia Anteil
nehmen. Die Worte Philematiums {V. 308, Age aecumbe
igitur n. s. w.) beginnen denselben. Verschiedenes hat Berrardo
beigefügt, was das Original nicht bot, so z. B. Scaphas Worte
an Philocomasia:
Ben ua poi distentando il mantile,
Impara che ogni di uai piü ingrossando.
Die Anordnung ist eine durchaus andere. Philoco-
masia bringt eben einen Toast aus:
In questo mezzo da la tazza intorno
A Delphia prima e da poi beua ogniuno.
E Dio faccia che questo e ogni altro giorno
Ciascun de nui sia de ogni mal digiuno,
' als Tranio die Schreckensnachricht von der Ankunft des Alten
bringt. Die Szene verläuft so ziemlich, wie bei Plautus. Der
betrunkene Parasit Callidamante meint:
Se gli e tornato, lo mantegna Dio
Sano e prospero, adempia ogni sua spene,
Parmi hauer fatto hormai 1' ufficio mio.
Die Worte des plautinischen puer (V. 420):
Gr. Berrardos Mustellaria. 453
Erus te iussit maxunio
Opere orare, ut patrem aliquo apsterreres modo,
Ne introiret aedis,
übernimmt hier Philocomasia:
Philolaco a pregar ti manda assai
Che in alcuu modo il padre intrar non lassi,
Se non desidri darli pene e guai.
Das Weitere nimmt Tranio auf sich. Die Ankunft des
Teropide ist nach dem Originale; ebenso im grossen Ganzen die
Erzählung- vom Geisterspuke. Aus dem einfachen „Hercules,
te ego inuoco" (V. 528) wird hier:
Hercule, Hercule io te inuoco a tutte 1' höre,
Hercul, te chiamo per aiuto mio;
Hercul, uogli guardarmi da dolore,
wozu Tranio bemerkt:
Et Hercule inuocar uoglio anchora io,
Che hoggi a te uecchio dia tutti i gran mali
Che altro ch' el tuo morir hör non desio,
das einfache {V. 529) „Et ego, tibi hodie ut det, senex, magnum
malum" (um V. 442) verstärkend. Mit der Klage des Alten schliesst
der zweite Akt.
Der danista beginnt, wie bei Plautus [V. 532), den
dritten Akt. Dem Alten wird vorgelogen (V. 649), dass die
vierzig Minen dienten:
per ara
De certe case quäle esso ha comprate.
Es folgt die Szene mit Simon, undTranios Monolog (F. 775):
E glie gran fama de ') Alessandro magno
E de Agatocle che ferno gran fatti
Et io pel terzo a lor sero compagno,
schliesst den dritten Akt ab.
Teropide leitet den vierten Akt mit einigen bei Plautus
nicht stehenden Worten ein. Das heus Theuropides (F.784), hier:
Teropide, o Teropide, mio buono
Lui non risponde e pur il uo chiamando,
führt wieder auf das Original hinüber. Eine lange Rede Tranios
schliesst die Szene. Ihr Grundgedanke ist:
Pur spiero al mio patron la beffa intiera
Fare e non mi uoglio disperare,
Che troppo e stolto 1' huom che se despiera.
E ne gli inganni mei uoglio sperare.
') Orig. che.
454 X- Mostellaria.
Dannisco (= Phaniscus) fuhrt die Katastrophe herbei.
Vorerst aber ist eine kleine Szene eingeschoben , in welcher
Tranio mit Dannisco scharf aneinandergerät, wohl um die
spätere Schilderung des „seruo ribaldo e discortese" noch
mehr zu motivieren. Teropide will sich volle Gewissheit bei Si-
mon holen.
„Da lui saprö se rouinar debbo in tutto."
Den fünften Akt beginnt Teropide, der Simon er-
wartet, mit einer langen Rede. Tranio hat neuen Mut gefasst
(7. 1041):
L' huom che in le cose dubbie e perigliose
L' animo perde, e si mette timore
Non ual per certo un uil gussio de nose.
Teropide mit seinen lorarii fasst ihn, Callidamante
vermittelt glücklich, sodass Tranio zufrieden mit den Worten
schliessen kann:
0 spettator, la fabula e finita,
Se quella u' e piacciuta assai me piace.
Hormai ui lascio e con uui sempre unita
Sia sanitä, piacer, concordia e pace.
Manche sogenannte Nachahmung ist weniger frei
gehalten, als diese Übersetzung, in welcher zunächst
nur die Gedanken des Originales festgehalten sind.
Diese freien Bearbeitungen des Berrardo, deren Hauptwert in
ihrer geschmeidigen Form liegt, haben in Italien wesentlich
zur Popularisierung der plautinischen Lustspiele bei-
getragen.
Einen Schritt weiter, d. h. zur Lokalisierung des The-
mas, ging Ercole Bentivoglio1) mit seinem Lustspiele „I fan-
tasmi ".2)
Seinem Prologe nach ist Ercole Bentivoglio ein glühender
Verehrer der Antike. Er beginnt seine nach dieser Seite hin
äusserst interessante Dichtung:
Diasi pur uanto questa nostra etate
D' ingegno e di saper, sia pur superba
Et stiasi nel suo error, ne la sua uana
Persuasion ch' io dirö sempremai
Ch' i nostri antiqui für tanto ingegnosi
In ogni studio loro & tanto bene
Seppero dire & far, che noi rnoderni
') Gest. 1572. — Ginguene. VI, 294. — Ruth. II, 587. — Klein.
IV, 848. — Ussing. HI, 199. — Lorenz zum Miles gloriosus, S. 274.
2) I Fantasmi. | Comedia | del S. Hercole | Bentivoglio. | In Vi-
negia. Appresso Gabriel, Giolito de Ferrari. 1545. 38 fol.
Erc. Beutivoglios I fautasmi. 455
Non sappiam dir, ne far perfettamente
Alcuna cosa, se dietro a i famosi
Vestigi lor non ci sforziain di gire:
Che come uno scultore, im dipintore
Non poträ mai dipingere o sculpire
Figura onde habbia honor, se pria non uede
Et le sculture & le pitture antique
Di cui tolga il model, cosi ancbor noi
Non possiam fare alcuna cosa bella,
Se questa antiquitä per nostro specchio
Non ci mettiamo inanzi.
Onde 1' autore
A ciö pensando, & che Terentio & Plauto
Für grandi imitatori (perche 1' uno
Epicarmo imitö, 1' altro Menandroj
E che troppa sarebbe presontione,
Troppo espressa ignoranza, s' anchor egli
Non fusse imitator di questa sacra
Antiquitate, ha questa sua comedia
Fatta a Imitation ä' una di Plauto.
Spero ui piacerä che tutta e piena
Di uarij giuochi & di passion d' aniore:
II nome e de la favola i fantasmi.
I. Akt. Die erste Szene scliliesst sich genau an Plautus
an. Der „castaldo" Gobbo (= Grumio) ist erzürnt über Negro
(= Tranio), der seinen jungen Herrn völlig zu gründe richtet.
Negro tritt aus dem Hause, wie Tranio (V. 6):
Quid tibi malum hie ante aedis claniitatiost?
C hai tu nel capo, bestia, che si forte
T" odo gridar dinanzi a queste porte?
,,0," meint Gobbo, „kömmt der alte Herr je wieder aus
dem heiligen Lande zurück, ,oue per sua diuotion e gito, ' dann
wird es schnell anders werden." Als er schied, hatte er den
Knaben und das Haus dem Diener Negro übergeben (V. 30):
Non era in questa terra il piü gentile,
II piü discreto giouine di Fuluio;
jetzt aber ist er:
per colpa tua, Negro, il maggiore
Puttanier d' esta terra.
Negro schilt ihn zwar den Kuhhirten: Gobbo jedoch er-
widert ihm fein:
An/i pastor di uacche
Sete uoi che pascete le puttane:
Le mie almen di poco son contente,
Le uostre insatiabili & dannose.
Doch wird er fortgeprügelt, und sein Wunsch ist nur, der
alte Herr möge recht bald aus Jerusalem wiederkehren. —
456 X. Mostellaria.
Negro berichtet in einem Monologe von Fulvios Liebe und
giebt sich der Hoffnung- hin , der Alte werde sobald nicht
kommen. — Der Parasit Apitio tritt auf: er wird treffend be-
schrieben :
Questo e colui che dieci fegatelli
Trangugia in duo bocconi, & mangia al pasto
Quattro libbre di carne & dieci pani;
E tre sordelle piene di minestra
E quaranta bicchier' uota di uino.
Das Leben des jungen Herrn ist so ganz nach dem Sinne
des Parasiten. ,.Non uiue ahnen come facea suo padre,u der spar-
sam und nüchtern war. — Ein launiges Gespräch des Sklaven
Ricci o mit dem Koche Ruffio, welche beide die Tische in die
kühle Halle schleppen, beendet den Akt.
II. Akt. Lavinia hat sich gebadet und geschmückt, wie
Philematium. Heute will sie schön sein. Wie Philematium
(V. 166, Contempla amabo u. s. w.), sagt sie zu Lucia:
Ma contemplami im poco: & dimmi s' io
Ti piaccio in questa ueste?
Ebenso lautet Lucias Antwort später, wie jene Scaphas
(V. 173, „Virtute formae id euenit, te ut deceat quicquid habeas"):
Si grande e la belta uostra. Lauiuia,
E tante gratie u' hauno date i Cieli,
Che tutto quel che ui mottete intorno
V adorna, & gratia, & leggiadra n' accresce.
Lavinia schmückt sich noch, was ihr Lucia verweist, die
ihr, wie Scapha Philematium, Ratschläge aller Art giebt, so
auch den, sich nicht mit einem Manne allein zu begnügen: ,,N' a
duo, ne a tre, ne a dodici, ne a uenti!"
Das können die reichen Mädchen thun, die armen, wie wir:
Non niertan riprension, se a questo e a quello
Fanno piacer, per sosteutar la uita.
Indessen will Lavinia keine öffentliche Dirne sein, und zwar
aus eigenartigen Gründen.
Lau. Oltre 1' infamia, il sottoporsi a tanti
Nou e di grau pericolo e di danno?
Luc. Che pericolo? che danno?
Lau. De la uita:
Luc. E come de la uita?
Lau. Facilmente
Pigliassi 'l mal francesco.
Luc. Facilmente
Hoggi 1' acqua del legno ne risana.
Erc. Bentivoglios I fantasnii. 457
Dies Gespräch, dem Riccio mit spöttischen Seitenbemer-
kungen zugehört hat, unterbricht die Ankunft Fulvios, der mit
Apitio und Flaminio zum Mahle kömmt. Nach herzlichem
Empfange spricht man vom Abendessen und will sich eben zur
Tafel setzen, da stürzt Negro herein. Siam rouinati! (V. 350).
Noch lebhafter, als bei P lau tus , berichtet er, messer B a s i 1 i o ,
der Vater, sei zurückgekommen und bereits in Ferrara.
Neg. L' hö uisto:
Füll). Con quegli occhi?
Neg. Con questi occhi.
Apitio teilt, wie Callidamates, die allgemeine Bestürzung
nicht. Er geht nicht, ehe er nicht gegessen hat. Negro fasst
einen Entschluss:
Io uoglio far in modo che non solo
Non entri 'n questa casa questo uecchio,
Ma che jmr non ardisca di toccarla.
(F. 389:) Satin' habes, si ego aduenienteni ita patrem faciam tuum,
Non modo ne intro eat, uerum etiam ut fugiat longe ab aedibus?
Das Haus soll verschlossen werden.
Chiudete tutte quante le finestre
Che guardan su la strada & State cheti:
E non fate alcun strepito —
— — — — — — ne sia
Chi risponda di uoi, quando a la porta
II uecchio picchierä.
(F. 400:) Omnium primam dum haec aedes iam face occlusae sient.
Intus ernte muttire quemquam siueris. —
Neu quisquum responset, quando hasce aedis indtabit senex.
Nach diesen Anordnungen tritt Negro zurück. („Concedam
a foribus huc," 7. 429):
io uoglio star nascosto
Cola dietro ä quel canto insin che giunga.
III. Akt. Basilio (== Theuropides) dankt Gott, dem Meere
entkommen zu sein, wobei Negro (wie Tranio) seine Bemer-
kungen macht.
Bas. 0 con che desiderio i miei di casa
Mi debbon aspettare: o che allegrezza
Hauran come mi veggono.
Neg. Allegrezza
Haurian' udendo che tu fussi morto.')
Bas. Donde proccede
Che le porte son chiuse. Ecci nessuno?2)
Aprite! oh lä! nessun risponde; aprite.
J) V. 440.
2) V. 444 u. s. w.
458 X. Mostellaria.
Neff. Qual e qüest' luiom che cosi s' avicina
A queste nostro porte?
Bas. Se la uista
De gli occhi non m' inganna quello e '1 Negro,
Mio famiglio; glie desso.
Basilio ist noch freundlicher als Theuropides.
I' ti abbraccio & ti bacio, perche, Negro,
T' hebbi come figliuol sempre mai caro.
Länger und herzlicher, als bei Plautus, verweilt er erst
hei Nachfragen um seinen Sohn, sein Haus u. s. w. Er hört,
dass Fulvio auf dem Lande sei. „Warum aber pochte ich ver-
geblich ans Haus?"
Bas. Quasi ruppi & gittai 1' uscio a terra.1)
Neg. Ahime, patron, che e quel che u' odo dire?
Voi dunque hauete tocche quelle porte?
Bas. Perche ragion non doueu' io toccarle?
Noch weit mehr, als Tranio, klagt Negro über diese Kühnheit.
Fateui '1 segno de la santa croce!
Erst blickt er, wie Tranio, vorsichtig um sich, ob niemand
kusche (V. 472):
Tra. Circumspicedum, numquis est,
Sermonem nostrum qui aucupet.
Theur. Tutuni probest.
Tra. Circumspice etiara.
Theur. Nemost: loquere nunc iam!
Neg. Ma guardate, patron, prima d' iutorno
Se persona uedete che n' ascolte.
Bas. Persona non appar per questa strada.
Neg. Voltateui di nuouo: appar alcuno?
Bas. Tu puoi iucominciar sicuramente.
Dann beginnt er unter allerlei Zeremonien seine Erzählung
(7. 470):
Son otto mesi homai che 'n questa casa
Non habita persona.
Nicht um alles möchte Negro hier eine einzige Nacht schlafen,
Perch' ella e tutta piena di fantasmi,
Di Spirti, di Diauoli infernali.
In langer Rede erzählt nun Negro, wie Fulvio eines Nachts
wie verzweifelt davon rannte, mit dem Bemerken, nach neun
') V. 454 u. s. w.
Erc. Bentivoglios I fantasmi. 459
Tagen wolle er ihm den Grund hiervon angehen. Negro selber
sei im Hause gehlieben, da sei an sein Bett ein Geist getreten
mit den Worten:
Hör odi quel ch' anchor a Fuluio hö detto:
Non mettete mai piu qua dentro il piede:
Ch' io non ui lascierö riposar mai
Giorno ne notte: ch' io son qui sepolto.
Et starui mi conuiene eternamente.
Das Weitere stimmt wieder zu Plautus. (V. 500: per
fidem ff.):
Fui da un falso amico
Albergato una uolta in questa casa,
II quäl m' uccise su la mezza notte
Quando dormiuo i & tolsemi i danari
E poi mi sepeli sotto la scala.
Xegros Bericht hat den gewünschten Erfolg. Da kömmt
Orafo mit einem von Fulvio verpfändeten Ring, um dessen Er-
lös Lavinia zwei seidene Kleider erhielt. „Woher sind die
Ringe? Wie konnte Fulvio es wagen, die Kassette zu er-
brechen?-' fragt der Alte. Negro aber hat die Lüge bereit. In
einer sehr langen Rede, die das kurze Wort Tranios „Aedis filius
tuus emit" (V. 636) ersetzt, berichtet Negro, dass Fulvio ein
Haus erstand :
una miglior' in questa terra
Xon potreste trouar.
..Wo ist es?" „„An der Ecke linker Hand."-' Ohne Brille
kann Basilio nicht sehen. „Wem gehörte es?" „..Dem
Schneider Lucchino."" „Ma uoglio ire a uederla" (= V. 674:
Cupio hercle inspicere hasce aedis). „ „Man muss doch den Schnei-
der erst in Kenntnis setzen."" Basilio macht erst einen Be-
such. Indessen sich Negro über die Dummheit seines Herrn
wundert:
0 Dio, come e possibile che tanta
Semplicitä, tanta sciocchezza regni
In intelletto human!
kömmt der Schneider Lucchino. „Glie desso" (F. 687, pro-
greditur ipsus).
Negro teilt ihm, mit Beziehung darauf, dass Fulvio und
Lavinia seine gute alte Kundschaft seien, mit, er möge auf die
Pläne des Alten eingehen und sein Haus für ihn bereit halten,
was er gerne thut.
IV. Akt. Nicht so gefällig ist des Schneiders Weib Mar-
ffherita. Sie ist wegen des ihrem Hause zugedachten Besuches
460 X. Mostellaria.
mit ihrem Gatten bös in Streit gekommen, wobei sie ihm alles
Mögliche vorwirft :
se non u' hauessi
Data si bella dote, non sareste
Vn int'elice, un pouer farsettaio
Senza bottega, senz' alcun famiglio?
Basilio kömmt mit Negro, um das Haus in Augenschein
zu nehmen.
Vedete, come e tutto mesto in uisto,
Perch' e di questa uendita pentito.
(V. 796. Set ut maestus est, hasce se uendidisse.)
Indessen Lucchino den alten Basilio ins Haus einführt,
bleibt Negro aussen mit einem etwas seltsamen Monolog (nach
V. 775). Wenn Davus und Sosia von den alten Schriftstellern
erhoben werden :
Non merto anch' io che 7 Bembo ö Paulo Giouio
In crouica mi ponga?
u. s. w. Basilio wird durch das Haus geführt: da er aber er-
klärt, er wolle den Rest der Kaufsumme morgen erlegen, staunt
Lucchino. Er weiss von nichts; ja die Schneidersfrau will ihn
mit Schlägen vor die Thüre jagen, wenn nicht der Schneider sein
Alter als Milderungsgrund vorschützen würde. Das hat Basilio
tief erschüttert. Er dachte, in Frieden zu leben, aber:
Tra gli spiriti infernali e tra li barri
In paura & in liti hoggi mi trouo.
Diese Szene ist eine glückliche Erfindung Benti-
voglios; die Idee, dem Nachbarn ein böses Weib zu ge-
ben, ist ein wirksamer Gedanke.
Die Lösung ruht aber wieder auf Plautus. Der Sklave
Groppo (= Phaniscus) will seinen Herrn Apitio holen; er klopft
ans Haus, und gutmütig belehrt ihn (wie Theuropides, V. 949 )
Basilio:
che questa casa e uota & che nessuno
V habita dentro.
„Wie?" ruft Groppo. „Wohnt nicht Fulvio drinnen." Er
kömmt auf den Gedanken des Phaniscus (V. 952, senex hie
elleborosust certe): „Questo uecchio farnetica." Auf seine weitere
Frage: „E chi e cotesto Fuluio?" erfährt er von dem heiteren Le-
ben seines Sohnes:
La sua cantina par San Pier di Roma
Quel di che si dmiostra il uolto santo,
Tanta grau srente ui concorre a bere.
Erc. Beritivoglios I fantasmi. 461
Er hat den Ring seines Vaters versetzt, seiner Geliebten
zwei teuere Kleider geschafft, u. dgl. Doch trägt er nicht alle
Schuld allein.
E cagion d' ogni male im suo famiglio
Che Negro ha noine.
(nach V. 983). Basilio bedauert, diesem jemals sein Ver-
trauen geschenkt zu haben; doch will er sich gebührend an
ihm rächen.
V. Akt. Basilio hat den sbirro Gr äff agnin o zu Hilfe
geholt und lauert mit ihm auf Negro. Negro erzählt, wie
durch seinen Beistand Lavinia rückwärts entkam, und wie es
nun Zeit sei, auch die übrigen Zecher baldigst auszulassen.
Questi sono gli spirti & li fantasmi
Ch' eran in casa mia!
ruft Basilio, der ihn belauscht und mit den Häschern vortritt,
die Negro fassen und abführen. In diesem Augenblicke ver-
lässt Fulvio mit Fl am in io das Haus. Basilio hält seinem
Sohne eine ernste Strafpredigt. Fulvio gesteht seinen Irrtum
ein und verspricht,
d' esserui quel figliuolo ubidiente
Per 1' auenir che disidrate uoi.
Basilio spricht seine Meinung aus. Er war Kaufmann, und
als solcher glücklich: auch sein Sohn soll es wieder werden. Er
will ihm Geld und alles Nötige dazu geben: seine Defizite sind
ja gering, „a paragon di quel di ch' io temeuo. " Er verspricht,
alles für ihn zu bezahlen. Auch Negro soll auf Fulvios in-
ständige Bitten losgelassen Averden, weshalb er ihn zum Podestä
schickt: und morgen will Basilio auch dem Schneider abbitten,
den er, ohne es zu wollen, beleidigte. Lavin ias geschieht, wie
im Original, keine Erwähnung, was bei der Modernisierung des
Stoffes etwas befremdet.
Die heitere Komödie ist fast ganz plautinisch und in reiner
Sprache und fliessenden Versen abgefasst.
Eine Anzahl Stücke, welche zum Teil die Mostellaria
berühren, sind bereits an anderer Stelle abgefertigt worden, so
die von einigen1) hierher gezählte Komödie Lariveys ., Les
Esprits;'. (S. 286.)
') Ussing. III. 299.
462 X. Mostellaria.
Eine seltsame Reminiszenz der Mostella ria auf französi-
schem Boden findet sich in dem Lustspiel „Le comedien
poete"') des Montfleury,2) das 1674 privilegiert wurde.3)
Über das Stück selbst heisst es in der bezeichneten Ausgabe
(I, 31): „Cette com^die est d'une composition singuliere. Le
premier acte fait une piece separee qui n'a aucun rapport au
titre du comedien poete et est suivi d'une scene qui fruit ce
meine prologue et qui annonce une piece en quatre actes en
vers, dont le sujet n'a aucun rapport avec la premiere, mais
qui a donne le titre general de comedien poete parce qu'il est
annonce que c'est une piece faite par un comedien. Le premier
acte separ6 a et6 imprime in 12. sous le titre ,Le garcon sans
conduite' suivant la copie imprimee ä Paris (Troyes) 1698. II
y a quelques additions dans la premiere scene du prologue qui
ne sont point dans la premiere edition. La scene qui est entre
un acteur et un poete se passe entre Dämon et Crispin son
valet, et l'addition roule sur une plaisanterie contre les cocus
tiree de la suite du prologue qui est totalement retranchee et
sur une plaisanterie contre les procureurs Substitute a Celle qui
est dans la meme suite du prologue contre les medecins. Les
quatre derniers actes ont ete imprimes separement ä Caen in
12. Jacques Godes, 1700, sous ce titre: ,Les Amans infortunes
et contens.' En 1732 les comediens la representerent sous le
titre de ,La Sceur ridicule'.
Auf Plautus bezüglich ist also nur der erste Akt
des Stückes (S. 1 — 34). Im Prolog (S. 5) sagt der Dichter:
„J'ai tire l'idöe de cette piece de Mostellaria de
Piaute, que lui-meme, ä ce que l'on tient, avoit tiree du Phasma
de Menandre."4)
(1.) Geronte, der Onkel des jungen Dämon, sieht mit
Entsetzen, welche Wirtschaft der Junge in Abwesenheit seines
Vaters, des alten Dämon, führt. Er kann es nicht länger
mehr mit ansehen. Der Diener Dämons, Crispin, erzählt die
Einzelnheiten :
') S. 1— 122 im dritten Bande des „Theätre de messienrs de Mont-
fleury, pere et fils. Nouvelle e'dition. Paris 1739." (Par la compagnie des
libraires.) Vgl. Parfaict, Histoire du theätre francois Bd. XI. S. 330.
2) Der Vater Zacliarie Jacob, mit dem Theaternamen Mont-
fleury, ist geb. am Ende des 16. oder Anfang des 17. Jahrhunderts, gest.
im Dezember 1667, während der Vorstellung von Racines Andromaque,
wo er den Orest spielte. Sein Sohn Antoine Jacob Montfleury,
geb. 1640; gest. 11. Oktober 1685 (a. a. 0. I, 2).
3) A. a. 0. I, 31. Elle fut representee sur le theätre de l'hotel de
Bourgogne.
'') Wohl das (Pdöfia des Philemon. Ritschi, Parerg. 159. 272. 431.
— Teuf fei, G. d. r. L. S. 149.
Montfleurys Le Coinedien Poete. 463
„Mon maitre est amoureux d'un objet dont l'esprit
Aime avec passion les vers, la sj^niphonie,
Les machines, les vols, les danses, l'karmonie;
II est en un mot tellement entete
Que depuis quelques jours sa prodigalite
Pour regaler l'ohjet, dont il est idolätre,
Daus notre grande salle a fait uu theätre,
Pour donner le plaisir d'un spectacle eclatant
Ce soir aux convies, en machine s'entend,,
On a pris pour sujet dans les exploits d'Enee,
Sa descente aux enfers, c'est une grande idee."
Das ganze Haus ist in ein Theater umgewandelt worden:
Le theätre s'y voit change de vingt facons,
Les cliamps Elisiens, les spectres, les demons —
Et vous pourrez enfin y voir ä tous momens
Abimer quelque diable au son des instrumens.
Durch diese reiche Inszenierung hat sich Dämon völlig
ruiniert und ist während der drei Jahre, wo sein Vater ab-
wesend ist und für tot geglaubt wird, ganz heruntergekommen.
(2.) Um Lays, „la galante'1, und seine Parasiten zu bewirten,
Depuis un an au plus
Mon maitre a depense plus de vingt mille ecus.
(3.) Einer der Hauptparasiten ist d' Argentbref; ihm folgt
(4.) Lays, als Diana gekleidet, mit einem Gefolge von Mädchen,
die als Jägerinnen auftreten. Alles schwelgt in Freude, da (5.)
kömmt Cr ispin bestürzt: „Tout est perdu! Votre pere vient
d'arriver. " Dämon verlässt sich auf seinen Diener:
Repare ce malheur par quelque trait d'esprit.
Au secours de ton maitre appelle l'artifice,
Taut de fois au besoin tu m'as rendu Service,
Ton esprit
u. s. w. (6.) Nach kurzem Besinnen übernimmt Cr ispin die Sache.
(7.) Vater Dämon tritt auf, „sauve des perils d'un penible
voyage". Es folgt eine Szene, wie bei Plautus.
Dam. Que tous mes gens auront m'ayant tant attendu,
De plaisir ä me voir.
. Crisp. Oui, de te voir pendu.
Dam. Mais voici ma maison ou le ciel me renvoie,
La lärme ;\ cet aspect nie vient ä l'ceil de joie.
Que mon fils de mes soins cherira le succes.
Crisp. Oui da, comme un clieut la perte d'un proces.
Crispin tritt vor und bogrüsst seinen Herrn. Dieser will
zur Thüre, um hineinzugehen. Wieder folgt ein Dialog, wie
bei Plautus.
464 X. Mostellaria.
Dam. Heurte, et me fais ouvrir.
Crisp. Quoi?
Dam. La porte.
Crisp. La porte? Ah! Si je m'y hazarde . . .
Dam. Heurte, dis-je.
Crisp. Moi? Peste que je n'ai garde.
Dam. Pourquoi?
Crisp. Si l'on ine voit approcher de dix pas ...
Dam. II faut heurter.
Crisp. Monsieur, ne vous y jouez pas.
Endlich rückt er mit der Geschichte heraus:
Sur votre bail le diable a mis enchere,
Monsieur, et fait chez vous son sabat ordinaire.
Cent diables transplantes lä-dedans en huit jours,
Nous ont fait deserter, ils nous faisoient des tours:
Tantöt quelqu'un de ceux qui nous livroient la guerre
Nous trainait par les pieds la face contre terre,
Tantöt tout le logis nous paroissoit en feu;
Quelquesfois le bäton meme jouoit son jeu.
Der Alte jedoch will an den Teufelsspuk nicht recht glauben.
Er hat im Hause seine beiden „coffres-forts" und lässt sich durch
nichts abhalten einzutreten. Er pocht an die Thüre, da springt
sie auf, sodass Dämon halb hineinfällt. Er erblickt das
Theater, das einen geöffneten Höllenschlund vorstellt, und auf
dem einige Teufel umherspringen.
Ah Crispin, je me vois ä deux doigts de ma perte,
Quel nombre de demons habite nia niaison!
Ah ciel, je suis perdu. Crispin avoit raison.
La parole me nianque et tout nion sang se glace.
Den auf ihn zustürzenden Teufeln ruft er zu:
Quartier, messieurs, quartier!
De la cave au grenier ce logis est change.
Die Teufel umkreisen ihn, einer aber redet ihn an:
Ne crains rien,
Mais il faut t'eloigner d'un logis oü la flamme
Te peut nuire.
Dämons erste Frage gilt wieder seinen ..coffres-forts". Die
Teufel ergreifen ihn, um ihn zu denselben zu führen.
Dem. Tes coffres-forts? vien, vien; nous allons t'y conduire.
Dam. N'en prenez pas la peine.
Autre dem. On veut te contenter.
Auf Maschinen fliegt er mit ihnen zur Höhe unter dem Rufe:
Ah! le diable m'emporte, et nie va tourmenter.
Regnards Le retour irnprevu. 465
Damit endet die alberne Posse, die nicht wert ist, mit
der Mostellaria in Beziehung gebracht zu werden, und
die .,suite du prologue" führt auf das eigentliche Stück hinüber.
Nach des Verfassers Angabe ist die Idee Plautus ent-
nommen; doch ist sie seltsam ausgesponnen, ohne Anspruch
auf Witz, einfach kein Stück. Dämon kömmt nicht mehr; es
ist. also nur ein plumper Scherz ohne jegliche Kunst.
Moliere war wohl mit Recht ein Kritiker des Vaters
Montfieury, in dessen Fusstapfen der Sohn trat. Solche Gegner
fand Moliere!
Eine geschickte Nachahmung und Modernisierung der plau-
tinisehen Mostellaria ist Regnards (S. 69 ff.) „Le retour irn-
prevu"1) (1700). „Wer des Regnard seine unvermutete
Wiederkunft gelesen hat, der hat von diesem Stücke eine glück-
liche Nachahmung gelesen,-' urteilt Lessing.-)
(1.) Die alte Madame Bertrand spricht dem Kammer-
mädchen Lisette gegenüber ihre ernste Missbilligung des Ver-
haltens ihrer Nichte Lucile aus, und da sie hört, dass sie sich
fest entschlossen habe, Clitandre zu heiraten, geht sie noch
mehr empört ab. (2.) Merlin, Clitandres Diener, ein echter
Tranio, bespricht sich mit Lisette über den gleichen Gegen-
stand. Er findet, dass er, strenge genommen, nicht für die
Heirat seines Herrn sein dürfe, denn „l'amour rend liberal, le
mariage corrige l'amour". Jetzt aber treibe es Clitandre
doch zu bunt. Auch heute ist grosse Gasterei. „Trois garcons
de la Guerbois viennent d' arriver avec tont leur attirail de
cuisine; Canel, le fameux Canel, marchoit a leur tete: l'illustre
Forel a envoye six douzaines de vin de Champagne." (3.)
Clitandre schickt Lisette nach Lucile; unterdessen findet ein
ernstes Gespräch zwischen Merlin und Clitandre statt. (4.)
Merlin fragt ihn, was er, falls er verheiratet wäre, tliun wollte,
wenn sein Vater, der nun ein Jahr Handel in Spanien trieb,
plötzlich zurückkäme. Zudem steht es mit den Finanzen sehr
schlimm. Alle Pachtzinse sind im vorneherein eingenommen;
zwei grosse Gemälde, für welche der Alte zweitausend Thaler
als viel zu geringe Zahlung ausgeschlagen hatte, sind um zwei-
hundert Louisd'or verkauft worden; gerichtliche Klagen, besonders
seitens des Ms. Andre, eines ungeduldigen Gläubigers, sind
eingelaufen, „et il ne seroit pas plaisant que le jour de la nöce
1) Le retour imprevu. Comedie en prose, et en an Acte Ee-
presentee pour la premidre töis le jeudi 11 levrier 1700. Enthalten auf
S. 89 — 133 des dritten Bandes der Oeuvres de M. Regnard. Nouvclle
edition. Paris (Bördelet) 1750. und auf S. 590 — töK des ersteu Bandes
der Oeuvres completes de Regnard. Paris (DelaHäysJ 1854.
2) Beiträge. S. 49.
30
466 X- Mostellaria.
il \ous t'it coucher au Chätelet". Sogar die Wälder sind abge-
schlagen „sous pretexte d'avoir de la vue". Merlin weiss
nun kein Mittel mehr. Allerdings sollte der Alte einmal zurück-
kehren — „entre nous ce n'est pas un grand genie que
Monsieur votre pere: je Tai mene autrefois par le nez, comme
vous savez, je lui fais accroire ce que je veux".
(5.) Luciles Ankunft unterbricht das Gespräch. Nur die
zuversichtliche Hoffnung auf eine baldige Ehe rechtfertigt ihre
Schritte. Im Verlaufe schlägt sich der Parasit (6.), „le marquis, "
zur Gesellschaft. (7.) Merlin meldet, dass das Souper bereit
sei, (8.) er wünscht nur: „fasse le ciel que cela dure longtemps!"
Da naht (9.) Jacquinet, der Diener des alten Herrn, dessen
Auftreten einen grossen Schrecken verursacht. Der Herr ist zu-
rückgekehrt. Jacquinet findet seinen Kameraden Merlin etwas
betreten. Merlin will übrigens, schnell besonnen, Jacquinet
mithelfen lassen. Er schickt ihn zu seinem Herrn, der drinnen
soupiert. „Dis-lui qu'il se tienne en repos & toi commence par
t'enivrer et tu t'iras coucher: bon soir!" Diesem Auftrage
kömmt Jacquinet gerne nach. Und nun gilt es Geistesgegen-
wart. (10.) „Un pere qui revient en imprornptu d'un long
vovage, un fils dans la debauche, sa maison en desordre, pleine
de cuisiniers, les apprets dune nöce prochaine. il faut se tirer
d'embarras. "
(10.) Geronte tritt auf, froh wie der plautinische Theuro-
pides, die Heimat und sein Haus begrüssen zu können. Es
folgen die bekannten Szenen.
Ger. Je crois que mon fils sera bien sensible au plaisir de me re-
voir en bonne saute.
Merl. Xous le serions bien davantage ä celui de te savoir encore bien
loin d'ici.
Endlich begrüsst Merlin den Alten, schon auf das Folgende
anspielend: ..Suis-je bien eveille? Est-ce un spectre . . .?" und
dann: ..Mais vraiment c'est Monsieur Geronte lui-meme, ou
c'est le diable sous sa figure. " Geronte erkundigt sich um
seinen Sohn. „Hat er gut gewirtschaftet ? Mes deniers ont-ils
bien profite entre ses mains?" Ausweichend antwortet ihm Merlin:
..II a mis vos affaires dans un etat dont vous serez etonne sur
ma parole." Eben preist Merlin Clitandres gewaltige Spar-
samkeit, da kömmt (12.) M. Andre, der ungestüme Gläubiger,
der den jungen Herrn morgen „coffrer" lassen wird, wofern er
nicht heute noch bezahlt. Geronte mischt sich in die Unter-
handlung und erfährt, dass sein Sohn diesem Andre zweitausend
Tlialer schulde, wobei Andre den jungen Herrn in ungünstigster
Weise schildert. „Autant le fils est joueur, depensier et prodigue,
Begnards Le retour imprevu. 467
autant le pere a, ce qu'on dit, est im vilain, im ladre, im fesse-
Matthieu;" und dann „ee n'est pas de vous dont je veux parier,
c'est du pere de Clitandre, qui est im sot, im imbecille". Merlin
beschwichtigt den stutzig- gewordeneu Alten, indem er ihm
sagt: „Vous serez charme de Monsieur votre fils; il a achete une
maison de dix-mille ecus . . . qui en vaut plus de quinze. " Auf
diese Mitteilung hin erklärt sich der Vater bereit, morgen die
Summe an Andre zu bezahlen. (13.) Nun ergiebt sich natürlich
die Frage des Theuropides (V. 659, Qua in regione ff.): „Dans
quel endroit de la ville mon fils a-t-il achete cette maison?" In
steigender Verlegenheit halt Merlin den Alten hin. „Da hinten . . .
lä dans cette autre nie ..."
Ger. Je ne saurois voir cela d'ici . . .
Merl. Ce n'est pas ma faute . . .
Endlich bezeichnet er ihm das Haus der Madame Bertrand.
„Und warum verkaufte sie ihr Haus?" „,,I1 lui est survenu im
grand malheur: eile est devenue folle. "" Ihr Sohn, ein Ver-
schwender, hat das Haus um die Hälfte des Wertes verschleudert.
„Sie hatte doch keinen Sohn — ," wirft Geronte ein. „II faut
donc que ce soit la fille, " erwidert Merlin unerschrocken. Nun
will Geronte in sein Haus eintreten. Merlin, in höchster Ver-
wirrung, will ihn zurückhalten, und da er sich nicht anders mehr
helfen kann, sagt er: „Le diable s'en est empare, Monsieur; il
nous a fallu deloger ä demi-terme. " Anfänglich will Geronte
nicht daran glauben, bald aber bricht er in die Worte aus: „Ah,
je suis perdii; j'ai cache en terre im sac de cuire oü il y a
vingt mille francs!" Das ist genug für Merlin. Er lässt sich
Ort und Stelle näher beschreiben. Geronte zweifelt noch immer
an der Richtigkeit der Erzählung, neigt sich aber doch mehr
zum Glauben. Zweifelnd geht, er von dannen.
(14.) Lisette erfährt durch Merlin von Gerontes ver-
grabenem Schatze. Alsbald (157) kömmt Geronte zurück; er
hat sich die Sache wohl überlegt und will nun seine Ballen in
das neu angekaufte Haus schaffen lassen. Merlin bringt ihm
bei, dass Madame Bertrand noch in demselben wohne. „Elle
sc met dans une fureur epouvantable quand on lui parle de cette
maison; c'est la sa plus grande folie, voyez-vous." Indessen
kömmt Madame Bertrand selbst. (16.) Merlin zieht sie bei-
seite und sagt ihr nun von Geronte gleichfalls: „II est reveiiu
fou; son vaisseau a peri, il a bü de l'eau salee an peu plus
que de raison." So sind beide auf einander vorbereitet, und
finden beide gar bald das Gesagte bestätigt. „11 a quelque
chose dY'gare dans la vüe!" meint Madame Berfrand. „Comme
sa physionomie est changee. Elle a les yeux bagards," findet
468 X; Mostellaria.
( I ('■ r o n t e. Er beginnt nun , dass er seine Ballen bei ibr ein-
stellen werde. „Der Ärmste!-' sagt Madame Berti- and. „II ne
se souvient que son vaisseau a peri; quelle pitie!" Allmählich indes
überzeugt sich Geronte, dass sie nicht gar zu schlimm daran sei,
und so kömmt er auf den Hausverkauf' zu sprechen. Madame
Bertrand wird heftig, nicht minder Geronte; Merlin sieht be-
reits nimmer ein, „comment je me tirerai de cette affaire. " (17.)
Die Lösung führt der betrunkene Marquis herbei. Geronte
sieht ihn aus dem Hause wanken. „Merlin, qu'est-ce que cela
veut dire?" fragt er. „Les diables de chez vous sont im peu
ivrognes, ils se plaisent dans la cave. •' Der Marquis wird ge-
schwätzig. Von ihm erfährt Geronte, welch lustiges Leben
sein Sohn führe, dass die schönen Tapeten verkauft, die Gemälde
veräussert seien, welche den Raub der Sabinerinnen darstellten.
.,11 y avait lä une immodeste Sabine, decolletee. " Auch Madame
Bertrand kömmt zurück mit Klagen über Clitandre, der ihre
Nichte verführe. Da erblickt Geronte seinen Sohn und Lisette
mit seinem ledernen Geldsacke. (19.) Clitandre tritt seinem
Vater mit der vollen Wahrheit entgegen. Er wolle Lucile
heiraten. „Consentez ä ce mariage, je vous prie, on vous
rendra votre argent, et je promets que vous serez content de
moi dans la suite. u M. Bertrand verspricht, im Falle der Verehe-
lichung ihrer Nichte, ihr eine anständige Aussteuer zu geben. Der
Alte glaubt noch immer, sie stehe unter Kuratel. „Pouvez-vous
donner quelque chose; et n'etes-vous pas intredite?" Merlin
erklärt: „Elle ne Test que de ma facon." „Quoi? la maison . ..."
zaudert Geronte. „Tout cela part de lä, •' beschwichtigt ihn
Merlin.
Dem Alten ist es zunächst um das Geld zu thun. Man
könnte sogar an die Aulularia erinnert werden. Wie Moli er es
Harpagon, ruft Geronte: „Qu'on me rende mon argent!" und
giebt sich hierauf mit allem zufrieden. „C'est le moyen de vous
einpecher de faire pis. "
Hinsichtlich der Lösung des Plautus, gegenüber jener bei
Regnard, urteilt der Herausgeber der Werke Regnards (Paris
1854 S. 592):
Ce denoument nous parait moins heureux que celui de Regnard.
La facilite de Theuropides est peu vraisemblable , et la presence d'un
debauche pris de vin, et aecompagne de courtisanes, nous seniblait plutöt
exciter la colere du vieillard, que propre ä menager une reconciliation.
La presence et le discours du marquis ne produisent pas, ä beaueoup
pres, le nieme efFet dans la piece de Regnard. L'incident du sac de
vingt mille francs prepare le denoument d'une maniere plus adroite et
plus naturelle: le caractere du vieillard y est mieux soutenu; et il est
jilus vraisemblable qu'il pardonne ä son fils, dans l'espoir de recouvrer
son argent, qu'il ne l'est qu'il se rende aux persuasions d'un de ses com-
pagnous de debauche.
Heywoods The English Traveller. 4(39
Regnard hat bei der Modernisierung seines Stückes den
Schwerpunkt der komischen Handlung auf den Haus verkauf
gelegt: die Geistergeschichte seiher spielt nur eine gan^z
untergeordnete Rolle. Die Hauptfigur ist Merlin, wie hei
Plautus Tranio, in der That ein Diener, von dem man mit
dem Marquis sagen darf (Sz. 6): „Ce coquin-la vaut vingt mille
livres de rente comme im soü ä un enfant de famille."
Auch die deutsche Bühne hat die Mostellaria in Regnards
Bearbeitung aufgenommen. „Die unvermutete Wiederkunft"
findet sich im ersten Teile No. 5 der „ Theatralischen Werke"
1757.1) Früher schon (1749) erschien „Die unvermutete
Wiederkunft". Lustspiel aus dem Französischen des Regnard,
übersetzt von A. W. Hamburg-.2)
Möglicherweise beruht auf Regnard die Oper „Le Retour
inattendu", Text von Bernard Valville, Musik von Gaveaux,
die am 28. März 1802 im Theätre Feydeau gespielt wurde.3)
Eine französische Übersetzung der Mostellaria lieferte 1803
Dotteville.
In England hat Thomas Hey wo od (S. 78), der über-
haupt Plautus wohl kannte, fast wörtlich in seine Tragi-
komödie „The English Traveller"4) die Mostellaria über-
tragen, und zwar in der Episode mit dem jungen Lionel.'')
In der Einleitung (S. 105) heisst es: „Of ,The English
Traveller' the story of Young Lionel and Reignald, as has
heen observed by Langbaine, is st ölen from the Mortellaria
(so zweimal!) of Plautus; ant it is certain that a considerahle
part of the play is so closely copied from that per form an ce,
that it ought not to have been done without acknoledgement.
But our poet in this only followed the example of some other
and greater poets than himself. "
') Gottsched, Nöth. Vorrath. II, 293.
2) Gödeke, Grdrss. I. Bd. S. 547.
3) Clement, Diction. lyr. S. 572.
4) The English Traveller, a tragi-comedy by Thomas Heywood,
auf S. 109 — 218 des sechsten Bandes der Old Plays; heing a con-
tinuation of Dodsley's collection, with notes critical and explanatoi'y.
London (Rodwell and Martin) 1816. — Der erste Druck ist von 1633 in 4".
5) Rapp, Studien, S. 49. „Plautus1 Mostellaria auf eigentümliche
Art nachgebildet, nicht etwa wie Moliere die antiken Motive verändert,
sondern völlig das Stück frei übersetzt, an einer Stelle im zweiten Akt.
wo ein besoffenes Mahl geschildert wird, die griechische Fabel in ihrem
eigensten Sinue aufs genialste weiter geführt . dann aber dem ganzen
antiken Stoffe eine zweite Fabel untergelegt, die völlig modern und auf
ein psychologisch-moralisches Problem gestellt ist." — Dunlop. Hist. of
Rom. litt, I, 209. — Ussing. III. 299.
470 X. Mostellaria.
Ohne auf den Inhalt der ganzen an Personen reichen Tragi-
komödie einzugehen, in welcher sehr gediegene Figuren, wie der
alte Wincot und sein junges Weih, spielen, holen wir hier nur
jene Episoden heraus, welche mit Plautus zusammenhängen.
Drei Jahre schon ist der alte Lionel von Hause abwesend;
dem jungen Lionel, „a riotous Citizen," dient Reignald, „a
parasitical servingman. " Er sagt (S. 119):
two years already
Are past of our great empire, ancl we now
Write anno tertio.
Vorderhand spielt er:
the mighty lord and seneschal
Of this great house and Castle.
Lionel vergleicht in seinem ersten Monologe (S. 123), wie
Philolaches (F. 85, Reeordatus multum sum ff. ), den
Menschen mit einem neuen Hause:
To what may young men best compare themselves?
Better to what than to a house new built?
The fabric strong. the Chambers well contriv'd,
Polisli'd within. without well beautify'd;
When all that gaze upon the edifice,
Do not alone commend the workman's craft.
But either make it their fair precedent
By which to build another, or at least
Wish there to inhabit.
u. s. w. nach Plautus.
Blanda, seine Geliebte, ,.a prostitute, •' tritt mit der Kupp-
lerin Scapha, „a bawd,-' auf. Sie will ihren Geliebten bezaubern.
Wie Philema tium fragt sie: „And how doth this tire become
me?" Lionel erblickt sie. (V. 162, Haec illast ff.):
Oh. here 's that hail-shower, tempest, storm. and gast.
That shatter'd hath this building; let in last.
Intemperance, appetite to vice, with al,
Neglect of every goodness; thus I see
Now I am sinking in mine own disease.
Blanda ist besorgt (wie Philema tium V. 166 ff.) um den
Effekt ihrer Toilette:
And how this gown? I prithee view me well,
And speak with thy best judgment.
Scaphas Antwort gefällt Lionel. Mit Philolaches | V. 174)
sagt er:
And I '11 for that reward thee!
Heywoods The English Traveller. 471
Übereinstimmend mit dem Original lauten Scaphas Lehren,
die sie Blanda erteilt. Diese will nur Einem treu bleiben;
Scapha aber sucht sie zu überzeigen, „to affect one and despise
all other beeomes the precise matron, not the prostitute. (V. 190,
Matronae ff.) Sie spricht von der Verschwendung, und Lionel
schwört ihr, wie Philolaches, (V. 237):
In te hercle certumst principe, ut sim parcus, experiri :
Nam neque C'les quicquam neque bibes apui nie his decem diebns.
My parsimony shall begin in thee
And instantly; for from this hour I vow
That thou not more shalt drink lipon my cost,
Nor taste the smallest fragment from my board.
Bald gesellen sich Rioter, „a spendthrift, " und two gallants
dazu. Scapha wird, wie Lionel drohte, wegen ihres Rates an
Blanda vom Mahle ausgeschlossen. „Drink from dry Springs,
from empty knapsacks feed!il lautet ihr Verdammungsurteil.
Trefflich wird im zweiten Akte (S. 142) das trunkene
Gelage mit einem wilden Seesturm verglichen.
we had a stormy night on 't . . .
Now 't is a calm.
Vor allem Rioter ist stark betrunken, wie Callidamates.
Da eilt Reignald herbei mit der vernichtenden Meldung:
Your father, sir — ...
He is, — oh, I want breath . . .
Landed — and at land.
Lion. Who saw him?
Reuj. I — these eyes.
Lion. 0 heaven, what shall I do then?
genau nach V. 366 ff.
Umsonst will man Rioter wieder nüchtern machen.
Lion. Arise, I say!
My father 's come from sea.
Riot. If he be come, bid him be gone agaiu.
ganz nach V. 376.
Wie Tranio, übernimmt es Reignald, Hilfe zu schaffen.
Der alte Lionel, „dressed as a Merchant," tritt auf. Statt
des Dankes an Neptun, den Theuropides spricht, wendet er sich
an die Matrosen. Er wird die See nicht mehr betreten. (F. 442.)
Old Lion. And now it mach rejoiceth me, to t hink
What a tnost sudden welcome I shall bring
Both to my friends and private family.
Reig. Oh bat how much more welcome had he been
That had brought certain tidings <d' tliy death.
472 X. Mostellaria.
Er findet alles stille und verschlossen; da pocht er. Reig-
nald begrüsst ihn: alsdann folgt das bekannte Zwiegespräch.
Reig. Did your hand touch that hammer?
Old Lion. Why; who 's eise?
Reig. But are you sure, you toucli'd it?
<>Ll Lion, How eise, I prithee, could I have made this noise?
Reiq. You touch" d it then?
Old Lion. I teil thee yet I did.
Reig. Oh, for the love I bear you.
Oh, nie most miserable! you for your own sake
Of all alive most wretched. did you touch it ?
Old Lion. Why. say I did.
Noch länger als Tranio hält er den alten Lionel hin;
dann flüstert er ihm zu:
First look about, beware that no man hear;
Command these to remove.
Lionel erfüllt den Wunsch, um nun zu hören:
0 sir, this house is growne prodigious.
Fatal, disasterous unto you and yours.
Es folgt die Geschichte von dem ermordeten Gastfreunde.
Nur eilige Flucht kann retten.
Old Lion. Fly whither? Why dost thou not fly too?
Reig'. What need I fear? The ghost and I am friends,
versetzt hier Reignald doppelsinnig, statt des ,. pax mihi st cum
mortuis" des Theuropides (V. 513).
Wie Theuropides den Herkules anruft (F 528), so eilt
Lionel ab mit dem Rufe: ,.Some blessed powers guard me!"
Der dritte Akt führt (S. 162) die Episode weiter. Von
einer Seite kömmt ein „Usurer and bis man", von der andern der
alte Lionel mit seinem Diener. Wir erfahren von Reignald,
dass sein Herr tief verschuldet sei und dem usurer noch ,.prin-
cipal and use" schulde. Reignald spricht erst mit Lionel.
Dieser hat den früheren Besitzer des Haiises aufgesucht, der von
einem Morde nichts wissen will (F. 553):
Tran. Etiam fatetur de hospite?
Theur. Immo pernegat.
Tran. Negat ?
Theur. Negat. inquam.
Reig. Did he confess the murder?
Old Lion. No such thing: most stiffly he denies it.
Der Wucherer wendet sich nun an Reignald (F. 566):
Heywoods The English Traveller. 473
Hie ad me it. saluos sum :
Spes est de urgente-.
After so many frivolous delays
There 's now sonie hope.
Er fordert seine fünfhundert Pfund. Der Alte hört den
Namen seines Sohnes nennen (F. 615):
Quid illic est? quid illic petit?
Quid Philolacltctem gnatum conpellat meum
Sic et praesenli tibi facti conuitium?
Quid Uli debetur?
— — in which language
He names my son, and thus upbraideth thee;
What is 't you owe this man?
Er erfährt von der Schuld, Reignald beruhigt ihn aber
sofort :
\Yith this sum joined to the rest,
Your son has purchased both land and houses.
Das nötigt ihm das Lob ab:
Blessiug on him!
That he is grown so thrifty!
Gerne sagt er die Bezahlung zu. Nun will er aber auch
das Haus beschrieben wissen und hört dabei:
't is this house
That next adjoins to yours.
„My neighbour Ricot's?" fragt er. Nun will er es auch sofort
besehen, und nur durch die bekannte Ausrede (F. 680) vermag
ihn Reignald abzuhalten.
Old Lion. Prithee knock,
And call the master or the servant on 't.
Reig. The house is füll of womeu :
To take them improvided, were disgrace.
Den vierten Akt beginnt wieder die plautinische
Episode. Reignald ist bei Ricot: er erzählt ihm, dass seine
schönste Zeit vorüber sei, da der alte Herr wieder hierhergekommen.
Lionel wünsche sein Haus zu besichtigen:
't is suppos'd
He hath latc found a wife out for Ins son,
und will das seinige erweitern. Wie Tranio (F. 775), rühmt
Reignald seine Thaten, indem er sich mit Alexander und Aga-
thokles, und was ihm ja möglich ist, noch mit Cäsar vergleicht:
474 X. Mostellaria.
Great Alexander, and Aarathocles,
Caesar and olhers, have been famed, they say,
And magnified for high facinorous deads;
Why claim not I an equal place with them?
Unterdessen besucht Lionel seinen Nachbar Ricot. Im Gespräche
mit diesem ergeben sich allerdings einige seltsame Worte. So
lädt ihn Ricot ein (7. 809):
Enter boldly,
With as much freedom. as it were your own.
Old Lion. As it were mine? why, Reignald, is it not?
Reig. Lord, sir, that in extremity of grief
You '11 add nnto vcxation: see you not
How sad he 's on the sudden.
Von Heywood eingefügt sind die wenigen Verse (S. 192),
in welchen der alte Lionel mit dem früheren Besitzer seines
Hauses spricht, der ihn seiner Unschuld versichert.
Die Katastrophe leitet der Clown ein, welchen Lionel an
seinem verhexten Hanse pochen sieht, und zu dem er sagt:
In vain thou thunder'st at these silent doors,
Where no man dwells to auswer, saving ghosts,
Furies and sprites . . .
Dazu kömmt noch der alte Diener Robin, der seinen Herrn
begrüsst und genau und wahrheitsgetreu über alle Vorgänge
während Lionels Abwesenheit Bericht erstattet. Wie Phanis-
cus, erzählt er:
here they feast,
Dice, drink, and drab; the Company they keep,
Cheaters and roaring lads, and these attendeel
By bawds and queans: your son has got a strumpet,
On whom he spends all that your sparing left,
And here they keep court; to whose damned abuses
Reignald gives all encouragement.
Was noch aufzuklären ist, vollendet Ricot. — Reignald
wird in ein scharfes Verhör genommen; da naht der junge Lionel
und bittet in langer Rede reumütig seinen Vater um Verzeihung,
welche ihm dieser auch sofort gewährt:
See. what f'athers are !
That can three years offences (foul ones too)
Thus in a minute pardon . . .
Rise in ray new adoption!
und auch auf Reignald ausdehnt.
Wo Lionel, Vater und Sohn, im fünften Akte noch auf-
treten, geschieht es ohne Beziehung auf diese Vorgänge; viel-
mehr entscheidet sich die Geschichte von Wincots Weib und
mit ihr die Entlarvung Dalavels, mit welcher das Stück endet,
das an der Mostellaria des Plautus grossen Anteil hat.
H. Fieldings The intriguing chambermaid. 475
In Henry Fieldings (S. 79) .,The intriguing cham-
bermaid" ' ) ist nach Rapp2) ..des Piatitas Mostellaria ziem-
lich wohl englisiert". Ohne Zweifel ist in dem Instigen Stücke,
das Fielding dem englischen Publikum vorführt, und das eine
ziemliche Reihe ansprechender Arietten enthält, vieles der Mo-
stellaria entnommen, allein Fielding arbeitete entschieden
nach Regnards ..Retour imprevu". so vor allem in der
Szene, wo Herr Goodall und Frau Highman sich begegnen
und sich gegenseitig wegen ihres bedauernswerten Zustandes
schonen wollen. Dort ist mehreres völlig gleich.3)
Die Rolle des rettenden Tranio hat hier das gewandte
Dienstmädchen Lettice übernommen.
Vater Goodall ist auf Reisen. In der Zwischenzeit führt der
Sohn Valentine ein heiteres Leben. Er hat bereits vieles von
dem väterlichen Besitze verkauft and reichlich Schulden zusammen-
gezogen: er wird allseitig von seinen Gläubigern gepeinigt, ja
seine Bedienten haben sogar den Diener der Justiz, Slap, der
ihn amtlich in Schuldforderungsangelegenheiten besuchte , die
Stiege hinabgeworfen. — Valentine ist in Charlotte, die
Nichte der Frau Highman, verliebt und hat auch des Mädchens
Gegenliebe, obwohl dasselbe den alten Oldcastle heiraten soll.
Der Beginn des zweiten Akts zeigt uns ein eben beendetes
Gelage: man will zum Tanze schreiten, da kömmt die Schreckens-
botschaft, der alte Goodall sei da. Wie Philolaches sich Tra-
nio überlässt (F. 406):
In tuam custodelam meque et spes meas trado, Tranio,
so hofft Valentine auf Lettice: ..I must trust to the contri-
vance of thy brain, or I am andone." Dem „Habeo, Neptune,
gratiam" (F. 431) des Theuropides entspricht Goodalls Ein-
trittswort: .. Heaven be praised, I am once more arrived." Lettice
tritt ihm entgegen. Auch er meint (nach F. 441): :.I cannot
help thinking, how pleased my son will be to see nie retarned, "
worauf Lettice (nach F. 442 1 erwidert: ..He would be much
more pleased to liear you w.ere at the Cape of Good Hope yet,"
allerdings etwas höflicher, als Tranio. Goodall meint, sein
Sohn müsse bereits ein hübsches Sümmchen beisammen haben;
„if he followed my advice, he must have amasscd a vast stim of
_') Auf S. 982—991 der Work8 of Fielding. London 1840. —
The intriguing Chambermaid by Henry Fielding: a comedy of two
acts. As it was acted at the Theatre-Boya] Drury-Lane 1733.
-) Studien. S. 168.
3) Ussing. III. 299. Hunc (Kegnardl derivata est fabula Fiel-
dingii Anefli: ..The intriffuine chambermaid."
476 X. Mostellaria.
money." Kaum hat er dies ausgesprochen, kömmt Security, ,.a
rogue of a usurer, " der danista des Plautus. Er hat an
Valentine tausend Pfund zu fordern. Lettice erzählt nun dem
bereits stutzig gewordenen Vater die Geschichte von dem Haus-
kaufe. „Yes, Sir, he has hought a house of the price of two
thousand pounds, which every one says, is worth more than four;
and this he could not have done without borrowing these thou-
sand pounds." — „Und welches Haus? In what part of the town?"
— Halbgezwungen sagt sie nun, da Goodall meint: „There is
no good house in that street as I remember, but Mrs. Highman's."
— „„That 's the very house!"" „Wie konnte die Frau das
Haus veräussern?" „„She is out of her senses. "" Nun ent-
wickelt sich, genau wie bei Regnard, erst nachdem Good all
sich über Mrs. Highmans Narrheit verwundert hat, jene Szene,
welche bei Plautus vorangeht. Goodall will in sein Haus
eintreten. Da erfährt er: „Tour -dear house . . . within these six
months1) . . . has been haunted, sir, with the most terrible
apparitions that were ever heard or beheld. You 'd think, the
devil himself had taken possession of it. Nay, I believe lie hath
too: all the Avild noises in the universe, the squeaking of pigs,
the grinding of knives, the whetting of saws, the whistling of
winds, the roaring of seas, the hooting of owls, the howling of
wolves, the braying of asses, the squalling of children, and the
scolding of wives, all put together, make not so hideous a con-
cert. This I myself have heard: nay, and I have seen such
sights! One with about twenty heads, and a hundred eyes, and
mouths, and noses in each. " Deshalb also, da „your house is
haunted by a whole legion of devils", musste der Sohn das Haus
der Frau Highman kaufen. Die so hübsche Schilderung des
Geisterspukes bei Plautus hat Fiel ding durch diese possenhafte
Erzählung ersetzt. Wir hören nur eine Reminiszenz an das Ori-
ginal, „they teil me, before you bought the house, there was a
murder committed in it."
Die Szene mit Simo wegen des Hauskaufes ist dagegen
nach Regnards Vorgang trefflich modernisiert. Frau Highman
tritt auf; sie muss infolge ihres Zustandes schonend behandelt
werden. Sowie aber Lettice Herrn Goodall in Kenntnis ge-
setzt hat, dass es mit Frau Highmans Verstand nicht richtig sei,
so bringt sie auch dieser bei, dass ihr Herr irrsinnig ist. ,.We
are going to shut him up in a mad-house with all expedition."
Lange weichen beide einander schonend und nachgiebig aus.
Erst die Dazwischenkunft Slaps mit Konstablern u. s. w. belehrt
den Vater Goodall, dass er von Lettice missbraucht worden
') V. 470. Quia Septem menses sunt . . .
Holbergs Huus-Spögelse. 477
sei. Er sprengt die Parasitengesellschaft in seinem Hanse in iro-
nischer Weise: „I am very glad that my son has ruined himself in
so good a Company; that when I disinherit him, he can't fail of
heing provided for.-' Zuletzt endet natürlich alles nach dem
Wunsche der Beteiligten. Valentine erhält Charlotte, und
Oldcastle zieht ah: „For her sake I '11 never make love any
woman again. "
Der ..dänische Plautus", Lndvig Holherg (S. 82), hat
in seinem Hausgespenst1) eine gelungene und stellenweise
wörtliche Bearbeitung der Mostellaria gegeben. Zugleich
hat er in dieser Komödie den Versuch eines Lustspieles ohne
Liebesszenen und Weiberintriguen und ohne Schauspie-
lerinnen gemacht.2)
I. Akt. (1.) Arv, ein Knecht vom Meierhofe, ist in die
Stadt gekommen, wo Leander, der Sohn seines abwesenden
Herrn Jeronimus, übel Avirtschaftet. „Ach! ach!" klagt er über
den Zustand, „naar jeg tänker paa hvorledes den gamle mand
vi! blive til mode, naar han engang fra sin udenlands reyse
kommer tilbage och vil finde sin sön at väre forfalden til yderste
liderlighed, og see sit huus ödelagt." Auf sein Klopfen giesst
Henrich, der Diener des jungen Herrn, einen Nachttopf auf
ihn herab. Arv jammert, dass es nicht einmal reines Wasser
sei. ..Ach! ach! det er mare ikke reent vand!" Henrich geht
überhaupt schlimm mit ihm um, besonders da er erfährt, dass
Arv Geld für den Meierhof' brauche. (2.) Arv kann diesen Zu-
stand nicht genug beklagen: „0 du u-lyksalige Jeronimus! hvor
vil du blive til mode, naar du ved diu hiemkomst finder dit huus
udi saadan forvirrelse, din eeneste sön at väre forfalden til yderste
liderlighed, dine midier skammeligen fordöyede, og din gaard paa
landet saaledes forfalden, att den ikke kand i stand sattes igien."
:;. Jesper, der Verwalter des Meierhofes, kömmt zu Arv: er
muss Geld für das Gut haben. Erst auf sein Pochen tritt (4.)
Henrich aus dem Hause. „Herr Leander," sagt er, „ist selber
verschuldet, besonders bei dem Juden Ephraim." Zur Erklärung
zählt ihm Henrich auf, was Leander für seine Damen und
Parasiten brauche. Zu ihnen gesellt sich (5.) der Jude, dem nun
um seine fünfhundert Reichsthaler bangt. Henrich meint zwar,
') Huus-Spögelse, eller Abracadabra. Comoedie adi tre
acter uden Actricer, auf S. 91—178 des sechsten Bandes von Ludvig
Holbergs Comedier udgivne for det Holbergske Samfund at F. L. Lie-
benberg. Kjöbenhavu 1 *.">:.'.
2) Robert Prutz, Ludwig H.lberg (Stuttg. 1857). S. 169.
478 ^L Mostellaria.
„her staaer ogsaa folk som skal liave penge. Nu er det spörs-
maal hvem man först skal Letale, eilten Christne Mennesker,
eller en jode, som har forraad vor HErre. " (6.) Octavius, der
Callidamates des Stückes, wird von Leander fort Degleitet; er
hat das Weinglas in der Hand. Die Musikanten im Hause spielen
auf, und Octavius tanzt mit den übrigen hinaus, sodass (7.) Hen-
rich und Leander allein bleiben. Letzterer macht sich ernste
Gedanken. Wenn nun sein Vater von Deutschland, wo er einen
Prozess betreibt, zurückkäme? „Ei was! In Deutschland dauern
alle Prozesse ewig. Alle processer i Tydskland ere evige!"
tröstet ihn Henrich. Doch macht sich Leander bittere Vor-
würfe. »Jeg holdtes for min faders bortreyse for en af de skik-
keligste og sedeligste personer her i staden. Nu derimod anseer
man mig som exempel paa liderlighed. - Zum Teil kommt bei
Plautus auch Philolaches zu dieser Selbsterkenntnis,
zum Teil urteilt Grumio so über ihn. Henrich redet dies
alles seinem Herrn aus, und bald noch mehr (8.) Octavius, der
ihm berichtet, dass ihn diesen Nachmittag zwei Mädchen, Jomfru
Helene og Lucretia, besuchen wollen.
II. Akt. (1.) Henrich kommt entsetzt. Wie Tranio
(7. 355):
Qui hodie sese excruciari meam uicem possit pati?
wendet er sich an das Publikum, ob ihm niemand seinen Rücken
leihen will. „Vil ingen af jer, I got folk, laane mig jer rygg kun
paa et par timmers tid?" Die folgende (2.) Szene spielt
ganz nach Plautus. Leander kommt, ein wenig, Octavius
aber stark angetrunken.
Hen. Herre !
Leanl. Hvad vil du?
Hen. Jeg og I
Leand. Hvad jeg og I? Hvad vil det sige?
Hen. Vi ere begge om en hals.
Leanl. Hvi saa?
Hen. Jer far er kommen liiem.
Leander wird dadurch ernüchtert, Octavius aber muss
fortgetragen werden. Schneller als Tranio bei Plautus, ist
Henrich zur Hilfeleistung entschlossen. Er rät seinem Herrn:
„I skal gaae ind, og med jer selskab holde jer gandske stille
saa at det skal synes ligesom huuset er ganske tomt. Og hvis
den gamle banker paa porten, skal ingen svare, " wie im Originale.
(3.) Jeronimus in Reisekleidern tritt auf. Auch er glaubt,
erwünscht zu kommen. Aber seinem: „Jeg er vis paa at jeg bliver
min sön og mine huusfolk velkommen, " erwidert Henrich (mit
Tranio): „Enhver, som havde bragt os tidende om din död, vilde
Holbergs Huus-Spögelse. 479
dog väre os meere velkommen. " Die weitere Szene entwickelt sich
nach Plant us.
Hen. Hvem er det som vil ind uti vor liuus?
Jer. Der ser jeg jo min Tiener Henrich.
Hol Der ser jeg jo min herre Jeronimus. Ach, jeg gläder mig ved
herrens lykkelige tilbagekomst.
u. s. w. Ihr habt wirklich geklopft? Das ist entsetzlich! „I har
da styrtet os udi en stör u-lykke."
Jer. Hvem har jeg styrtet i u-lykke? (Quem mortalem? V. 462.)
Hen. Jer selv med jer heele familie.
Henrich erzählt nun, wie seit sieben Monaten niemand mehr
den Fuss in dies Haus gesetzt habe. Ja Alexander Magnus hätte
sich dessen geweigert. Er versichert sich, ob niemand ihn be-
lausche: dann sagt er es heraus: „dette huus er befänget. " Ei-
beschreibt nun die Geschichte von dem hier vollbrachten Morde.
Der Getötete erschien Leander und sagte ihm: „Jeg er en mand
fran Aalborg, som verteil her i huus et har myrdet, for at be-
mägtige sig min penge. Huuset er derfor vanhelligt og ingen
ärlig mand bör boe her." Da ruft Octavius drinnen nach
einem Glase Rheinwein. ..Was ist das?" fragt Jeronimus.
„Der Teufel ist durstig. Wir mussten ihm stets eine Kanne Wein
in den Gang setzen, die immer morgens wieder leer war.- Je-
rominus bemerkt, obwohl er sich fürchtet, Henrichs steigende
Verlegenheit. Wie Theuropides (F. 512, Quid tute teeuni
loqueris? V. 518, Quae res te agitat, Tranio? Quicum istaec
loquere?), fragt er: ..Hvad er det du taler ved dig selv?- worauf
Henrich mit Tranio (V. 512, Apscede ab ianua: fuge, opsecro,
hercle) erwidert: ,.Gak fra dörren, herre, jeg beger jer ved alt
det som helligt er, gak fra dörren og tag flukten," Mährend er
nach innen ruft (V. 515, Non me appellabis, si sapis u. s. f.):
„Raab ikke paa mit navn, herre! jeg har intet ont giort, det er
ikke jeg som har banket paa dörren." Wieder schreit Octavius,
und Jeronimus fürchtet bereits, der Teufel möchte heraus-
kommen. Sie fallen auf die Knie und rufen dreimal: Abracadabra!
Da kömmt (4.) der Jude, ,.og det udi den allerubelevligste tid"
I V. 573, Numquam potuisti mihi magis opportunus aduen[ire quam]
aduenis). Henrich bittet ihn zu schweigen: „Raab ikke saaledes"
(V. 576, ne [clama nimis]); oder in zwei Stunden wieder zu
kommen. Da mischt sieh .Jeronimus in die Unterhandlung.
./(■/'. Hvortil ere de penge anvendte?
Hen. Msr. Leander har kiöbi et huus.
Lean. Et huus siger du?
Hen. Ja vist. et huus.
Jer. Det er artigt nok nt han i min fravärelse haar daaet sig til
kiöbmandskab.
480 X; Mostellaria.
Er hat das Haus sehr billig („for et röverkiöb") erworben.
Es kostet sechstausend Reichsthaler. Jeronimus erklärt sich
nun bereit, morgen die fünfhundert schuldigen Thaler an den
Juden zu bezahlen. Selbstverständlich erkundigt er sich nun um
das Haus. Nach einigem Zögern nennt Henrich das gegenüber-
liegende des Herrn Leonard. „Ich möchte es gerne sehen.
,,Jeg har nok lyst at besee huuset strax; bank paa dörren!" (V.
677, Iterum ad unum saxum nie fluctus ferunt). „„Atter en
nye u-likke!"" Er redet sich auf die dort wohnenden Frauen-
zimmer aus. „Jeg saae nyeligen nogle fremmede fruentimmer at
gaae derind, det bliver vel best at töve lidt indtil de gaae bort."
Mit dem Einwurfe zufrieden, geht Jeronimus zu dem Manne,
von dem er das verhexte Haus kaufte. Ganz erwünscht für
Henrich kömmt (5.) Leonard. Ihm vertraut Henrich, dass
sein Herr zurückgekehrt sei. „Da will ich dir meinen Rücken
nicht leihen! Saa vil jeg ikke laane min rygg," ahnt Leonard.
„„Er hat von unserm Treiben nichts erfahren, und Leonard wird
uns auch nicht verraten. Er will seinen Sohn verheiraten und
ein neues Haus nach dem Muster des Leonard' sehen Hauses
bauen."" Deshalb möchte er das Innere desselben besehen, was
Leonard gerne zugiebt. Er macht sogar dem beizutretenden
Jeronimus selbst das Anerbieten, hineinzugehen, „som det künde
väre hans eget. " Dies ungeschickte „taniquam tuas" ( V. 809)
nötigt Henrich zu einer Erklärung: „Ey lad ham kun snakke
hvad han vil. Han fortryder nok paa kiöbet, men nix er det
for silde. Kand ikke herren see hvilket fortredeligt ansigt
han har."
Jcr. Ja, jeg seer det.
Ben. Derl'or er det best at herren holder sig fra at tale om kiöbet
saa vidt som mneligt.
Jer. Jeg begriber det.
Henrich weist ihn nun, wie Tranio, auf allerlei Einzeln-
heiten hin. Endlich, nach verschiedenen Bedenklichkeiten, findet
Jeronimus, dass der Ofen hier nicht gut stehe und entfernt
Averden müsse, was alles Leonardo nicht begreift. Dennoch ge-
lingt es Henrich, der bald dort, bald hier vermittelnd steht, sie
in gutem Einvernehmen auseinander zu bringen. (7.) Jeronimus
freut sich seines Kaufes und der billigen Kaufsumme und will
die Restsumme sofort bezahlen. Henrich will sie gerne über-
bringen, der Alte aber will es selber thun. (8.) Henrichs Plan
ist nun, dem Herrn die zweitausend Dukaten, die er heimbrachte,
abzujagen. „Jeg maae affiloutere ham de 2000 ducater." Damit
wäre Leander geholfen. Darum heim und die Betrunkenen aus
dem Hause geschafft!
Holbergs Huus-Spögelse. 481
III. Akt. (1.) Während der Alte seine Geschäfte berech-
net, kömmt ans dem Hanse Henrich als Gespenst. ,,Bist du
es," brummt er, ..der jüngst meine Ruhe störte?'' Mit dem Rufe
Abracadabra wirft sich Jeronimus auf die Knie. Dein Abra-
cadabra wird dir diesmal nichts helfen! Her zu mir!-' „Diu Abraca-
dabra vil ikke hielpe dig denne gang." Nach vielem Bitten lässt
sich der Geist mit zweitausend Dukaten abfinden. (2.) Jeroni-
mus jammert trostlos; da sieht er (3.) einen Lakai an die Thüre
seines Hauses pochen. Selbst bitter für diesen Frevel gestraft,
will er den Verwegnen warnen, dass hier seit sieben Monaten
der Teufel hause. „Udi 7 samfälde maaneder har her ikke en
siäl väret" (V. 954); der Lakai aber sagt ihm, dass hier sein
Herr Octavius mit Helene und Lucretia zeche, und dass es
bei Leander stets lustig hergehe. „Hvilken Leander?'- (Qui
Philolaches? V. 961.) ,, Leander, Hr. Jeronimi sön." Das
macht auf Jeronimus einen tiefen Eindruck. (4.) Zu Jeroni-
mus gesellt sich Leonard. Er soll den Rest von fünftausend
fünfhundert Thalern in Empfang nehmen. Er weiss jedoch nichts
davon. So wird Jeronimus über alles, und zunächst auch über
das verhexte Haus, aufgeklärt. „Her har jo väret giästebud,
lystighed og spil den heele uge igiennem." Henrich war es,
der ihn bat, Jeronimus in sein Haus einzulassen. Das thut
dem Alten weh. Mit Theuropides (7. 1030, 1033) ruft er
aus: „Ach jeg elendige gamle mand! jeg er färdig at döe af
sorrig og forbittrelse; tili jeg seer mig paa eengang baade öde-
lagt og forhaanet." Nur Rache an Henrich ist noch seine Auf-
gabe. (5.) Unterdessen haben Jesper und Arv von ihres
Herrn Ankunft gehört. (6.) Jeronimus begrüsst sie und ver-
nimmt von dem weinenden Arv, dass sie auf dem Meierhofe ge-
pfändet wurden. Von der Stadt hätten sie nie Geld erhalten,
im Gegenteile, noch heute früh sei er schändlich behandelt wor-
den. (7.) Henrich tritt auf. Sofort wird er auf Jeronimus'
Befehl von Jesper und Arv gefesselt. Vergeblich fleht er alle
an, für ihn Fürbitte zu leisten. (8.) Wie Callidamates, zeigt
sich nun Octavius zur Versöhnung, ,,at stille harn tilfreds," und
bald auch (9.) Leander, ,,som den forlorne sön," der unter
Thränen um Verzeihung bittet. Auch Leonard tritt für ihn
ein. Alle versprechen das Beste für die Zukunft. Henrich
aber verteidigt sich in längerer Rede, eine Art Epidikus, dass
er alles nur für seinen Herrn unternommen habe, sodass er frei-
gesprochen werden und beide Teile die Kosten tragen müssen.
Auch die Übrigen nehmen sich seiner warm an, worauf er los-
gebunden wird. Nur Arv verlangt eine Genugthuung, welche ihm
Henrich gewährt. Auch er darf ihn mit Wasser begiessen; er
gestattet ihm, „at slaae en potte vand over mit hovet igien."
31
482 X. Mostellaria.
Henrich hat das letzte Wort, ,.til spectatores. " Man ersehe
ans dieser Komödie, dass auch ohne Frauenzimmer etwas zustande
kommen könne. ,, Ellers lärer man af denne comoedie, hvorudi
ingen actricer have väret, at mange vigtige ting kand forrettes
uden fruentimmerets hielp."
Holberg hat das plautinische Stück zunächst lokali-
siert, die Frauenrollen gestrichen, einiges gekürzt oder ver-
längert, sonst aber, vornehmlich im zweiten Akt, Plautus
fast wörtlich wiedergegeben. ') Aus Regnards „retour impi-evu"
ist gewiss weniger entnommen, als Prutz2) glaubt.
So manches Stück, welches mit Plautus in Verbin-
dung gebracht wird, hat, ausser der üblichen, der Antike
sich nähernden äusseren Form, nichts mit der Mostel-
laria zu schaffen, so z. B. die öfter genannte3) Cassaria des
Ariosto4) (1502 gespielt). Wenn man den Kern der Mostel-
laria nimmt, so hat die Cassaria mit demselben soviel wie
nichts gemeinsam; mehr mit dem Pönulus. Dass ein Sohn
(Erofilo) die Abwesenheit seines Vaters benützt, um einem Kuppler
seine Geliebte abzujagen, und hierbei von seinem Diener unter-
stützt wird, der als Ersatz für Bargeld eine bei dem Alten (Criso-
bolo) als Depositum hinterlegte ,,cassa" von überaus feiner Arbeit
dem Kuppler überlässt, dass der Vater unerwartet zurückkehrt und
ihm vorgemacht wird, die „cassa" sei gestohlen worden, dass der
Kuppler dann als Dieb verdächtigt und sogar zur Flucht getrie-
ben wird, indem mau ihm vorredet, die Polizei sei ihm wegen
seines Diebstahles auf der Spur, und er werde sich nicht mehr
reinigen können — das alles bietet zwar hinsichtlich der hier
handelnden Personen mancherlei Berührungspunkte mit der
') Ussing. ITT, 299. Sed ante omnes coruniemorandus est Hol-
bergius nostras, cuius fabula perquam ridicula quae Abracadabra in-
scribitur, ex Mostellaria expressa est, omissis tarnen et adulescentis
querimoniis et feminaruni personis, quarum apud PI au tum non parva
festivitas et elegantia est.
2) L. Holberg. S. 205. „Einzelne Szenen sind auch aus Regnards
,le retour imprevu' entnommen, die aber freilich selbst nur eine Nach-
ahmung von Plautus' Mostellaria ist. Einen Auszug des letzt-
genannten Stückes nebst Nachweis, wie es von Holberg benützt wor-
den, hat Rahbek VI, 540 ff. gegeben."
3) Steinhoff, Das Fortleben des Plautus. S. 20.
A) Klein. IV, 646. Wie hoch die Cassaria geschätzt wurde, zei-
gen Cecchis Worte in seinem Prologe zu I Rivali:
E '1 divino Ariosto anco, a chi cedono
Greci, Latini, e Toscan tutti i comici
Nella Cassaria.
Ariosto, Cecchi u. a. 483
antiken Komödie,1) nirgend aber in der Oassaria findet sich
eine direkte Nachahmung eines bestimmten Stückes, am aller-
wenigsten der Mostellaria: weit eher noch des Pönulus. Am
ehesten vielleicht noch erinnert an dieselbe Fulcios Schilderung
•der Damentoilette (V, 3), welche, in ähnlicher Weise bei vielen
italienischen Bearbeitern verwertet, vielleicht hier ihre Quelle bat.
An Ariostos Cassaria schliesst sich inhaltlich „la Fabrizia"
•des Dolce an.2)
Cecchis „I Sciämiti" wird mit der Mo st eil aria zusammen-
gebracht;3) der Berührungspunkte der Aridosia u. a. wurde
bereits gedacht.
Bei einer Reihe von Stücken, welche ein öfter wiederkehren-
des Motiv verwerten, ist es unmöglich, woferne uns nicht der
Autor selber eine Andeutung über seine Quelle giebt,
aus der er schöpfte, ihm nachzuweisen, dass gerade diese oder
jene Arbeit eines Vorgängei*s ihn beeinflusste. Ein liederlicher
Sohn, der sein Gut vergeudet und mitten in seinem Lasterleben
durch die unerwartete Rückkunft seines Vaters, den er ferne
glaubte, gestört wird, den dann die Schlauheit seines Dieners auf
einige Zeit vor der Katastrophe bewahrt, indem dieser dem Alten
vormacht, sein Haus sei der Aufenthalt böser Geister, das ist
zAveifellos — wie es immer auch lokalisiert und nationali-
siert sein mag — - die Mostellaria des Plautus. Wenn
aber, wie in Addisons „Gespenst mit der Trommel", ein
Freier unter der Form eines Gespenstes eine reiche Dame,
deren Gemahl man für tot hält, sich erringen will und dann von
dem zurückkehrenden Ehegatten vertrieben wird, so ist das
wohl kein Zug von Plautus: oder aber die Nachahmungen
der Mostellaria in allen Litteraturen zählen nach Legionen.
Dann ist Boildieus (1775 — 1834) „Weisse Dame" (10. Okt.
1825), vielmehr Eugene Scribes (1791—1861) hierzu ge-
schriebener Text, nicht minder eine Mostellaria; dann sind
Szenen aus Martin Schleichs (1827 — 1882) Volksstück „Die
letzte Hexe", in welchem dem Ratsherrn Hainstöckel bös
mitgespielt wird, auch auf diesem Boden gewachsen, ja selbst
Don Carlos, der als Geist Karls V. wandelt (V, 6 und V, 9),
und Philipp, der „lüstern" ist, „ein Wort mit diesem Geist zu
reden," dürfte nicht vergessen werden. Kurz, die Stücke,
welche an Plautus' Mostellaria anknüpften, würden nach
tausenden zählen.
') Insoferne urteilt Ruth (11,523) richtig: „Die Cassaria ist ganz
dem Plautus nachgeahmt, nur einige Szenen sind dem Terenz ent-
lehnt und diese wieder im Stil des Plautus gehalten."
2) Prölss. I, 2; 126.
3) Klein, a. a. 0. 637.
31*
484 X. Mostellaria.
Doch führt man Addisons Laistspiel und die französische
Bearbeitung desselben durch Destouches fast allgemein1) als
auf der Mostellaria beruhend auf; Lessing allerdings nicht,
dem eine solche Beziehung am allerwenigsten entgangen wäre.
Eine kurze Analyse des vielgenannten Stückes „The drummer;
or the haunted-house"2) mag zeigen, wie weit dasselbe
von Plautus absteht.
I. Akt. Die Dienerschaft der Lady Truman ist in Auf-
regung. Ein Gespenst mit einer Trommel, ganz dem Herrn, von
welchem man glaubt, dass er vor vierzehn Monaten auf dem
Schlachtfelde geblieben sei, ähnlich, belästigt das Haus. Alsbald
aber werden wir durch ein Gespräch Abigals, des Kammer-
mädchens der Lady, und des Fantome (mit einer Trommel)
belehrt, wer der Geist ist. Er hat Abigal tausend Pfund für
ihre Unterstützung versprochen. Auf diese Weise will Fantome
der Lady, die von Freiern, besonders von einem gewissen Tinsel
nicht ganz erfolglos, umringt ist, stets nahe bleiben und sich ihre
Hand sichern. — Von der Lady selbst hören wir, dass zwar
Tinsel s Witz ihr fad sei; aber „a discreet woman might reform
him". Tinsel führt sich auch als einen unangenehmen Men-
schen ein. Bezeichnend für seine Zeit ist, dass er sich nicht als
„atheist", sondern als Freidenker ausgiebt. „I 'm a free-
thinker. " Seine schön ausgemalten Pläne für die Zukunft
zeigen, wie er es auf das Geld der Lady zunächst abgesehen hat.
II. Akt. Der treue, aber äusserst pedantische Verwalter
Vellum, eine gelungene Gestalt, hat einen Brief von seinem
Herrn erhalten; er weilt gegenwärtig in den Niederlanden; die
Kunde von seinem Tode war falsch. Vielmehr wird er dem-
') Ussing. III, 299. Etiam Destouches propter „Le tambour
nocturne" hie commemorari posse ait Bonnet in Jahrbücher für Philol.
u. Pädagogik (Lpz. 1875), Bd. CXI, p. 885. — An dieser Stelle führt
M. Bonnet an, dass „le tresor cachd" des Destouches irrig als
eine Nachahmung der Mostellaria gelte, während er eine solche des
Trinummus sei, und fährt weiter: „Es giebt übrigens, worauf mich ein
Kollege aufmerksam macht, allerdings ein Stück von Destouches mit
einem aus der Mostellaria entlehnten Motiv. Dies heisst le tam-
bour nocturne." (Oeuvres. Paris 1774. tom. V.) — Ebenso Fuhr-
man. 111,51. „Addison hat es in seinem Gespenst mit der Trummel . . .
und Destouches in seinem Gespenst mit der Trommel nachgeahmt."
2) The drummer; or the haunted-house: a comedy. London (ohne
Datum, printed for the Company of booksellers. Addisons Cato für die
gleiche Gesellschaft gedruckt mit gleichem Papier, Druck und Format
ist von 1730. — S. 1 — 29 enthält eine Preface to the first edition von
R. Steele, die bemerkt, dass mehrere Meinungen dahin gingen, „that the
scenes were written very much after Moliere's manner," und einen Brief
Steeles an Congreve, in welchem Addison dies Stück vindiziert wird;
ferner einen Prolog. S. 29 — 98 enthält das Lustspiel; 99. 100 einen
Epilog.
Addissons The drummer. 485
nächst als ein ,.old man with a grey beard in a black coat", als
„conjurer" sich zu Hause einfinden. Schon in der nächsten
Szene tritt er als Nekrornant auf und zieht V eil um in sein
Vertrauen. Was er von seiner Gemahlin hört, stimmt ihn nicht
gerade fröhlich, obwohl Vellum in seiner pedantischen Art sich
köstlich seiner Gebieterin annimmt. Es gilt vor allem, dem Ge-
spenste auf die Spur zu kommen. George Truman vermutet
richtig, dass Abigal dahinterstecke. An sie soll sich Vellum
machen; dieser glaubt selber an seinen Erfolg. — Die Lady er-
innert sich mit grosser Liebe ihres Gatten. Abigal ermangelt
nicht, ihr Tinsel im ungünstigsten Lichte darzustellen. Das
Hauspersonal hofft alles Gute von dem Geisterbeschwörer.
III. Akt. Vellum hat dem verkleideten „conjurer" Erlaub-
nis zum Zutritt bei der Lady erholt, und so steht George
seiner Gattin gegenüber, welche Tinsel den Auftrag erteilt
hat, mit dem conjurer zu verhandeln. Dieser letztere verfährt
nicht sehr rücksichtsvoll mit seinem Rivalen: „You are a coxcomb,
by all the rules of physiognomy: But let that be a secret be-
tween you and me. " — Den Akt schliesst Vellums ganz ge-
lungene Liebeserklärung an Abigal, bei welcher er ohne Mühe
seinen Zweck erreicht.
IV. Akt. Fantome erfährt durch Abigal, dass es ihm
nun an den Hals gehe; er versichert sie neuerdings einer Be-
lohnung von tausend Pfund für ihre Beihilfe. Während Tinsel
wieder mit seinen teils geckenhaften, teils egoistischen Reden die
Lady belästigt, erscheint das Gespenst mit der Trommel. Die Lady
fällt in Ohnmacht, Tinsel auf die Knie: „Have compassion on my
youth, and consider I am but a coxcomb." Fantome weist ihm die
Thüre, und gerne vollzieht er den Befehl.
V. Akt. Der Zauberer versetzt alle Anwesenden in unge-
heueres Erstaunen. Er weiss ihre Namen, kennt ihre Verhält-
nisse ganz genau und ist überall aufs Beste beraten. Indessen
er nun mit dem Geiste fertig werden will, soll Vellum die Lady
vorbereiten „for the reception of her real husband". Diese
hat noch eine Unterredung mit dem Zauberer, wobei sie ihn er-
sucht, „to treat this appearement gently. It has the resemblance
of my deceased busband; if there be any indiscover'd secret, any
thing that troubles bis rest, learn it of bim." Dies veranlasst den
vermeintlichen Zauberer zu genaueren Erhebungen. Er erfährt
von der Dame, dass sie, ihrem ersten Gatten treu, Tinsel ver-
achte. „My heart is now at ease," jubelt George, „she is the
same dear woman I left her." — Da George allein ist, naht
das Gespenst. Truman tritt ihm kalt entgegen. ,.Don 't play
the fool!" Deine tausend Pfund werden ihre Wirkung verfehlen.
Da verspricht Fantome, in der Annahme, Abigal habe ihn ver-
486 X. Mostellaria.
raten, dem Beschwörer mehr. — „I '11 make them up twenty!" —
Nach kurzer Entfernung tritt Trum an in seiner wirklichen Ge-
stalt auf. Entsetzt läuft Fantome unter Zurücklassung- seiner
Trommel davon. — Freudig1 begrüsst die Lady ihren Gatten, und
dieser vereint Abigal und Vellum, indem er ihnen die tausend
Pfund ausbezahlt.
Dies Addisons Lustspiel. „Destouches," um mit Lessing-
(Hamb. Dram., 17. Stück) zu sprechen, „der in England persön-
lichen Umgang mit Addison gehabt hatte, zog das Lustspiel
desselben über einen noch französischeren Leisten" in seinem „Le
tambour nocturne, ou le mari devin", comedie angloise
accommodee au theätre francais, en prose. ')
Destouches (S. 71) schliesst sich genau an Addison an.
Er sagt, „que celui-ci n'est point de mon invention & que c'est
plus une traduction libre qu'une invention de mon es-
prit." Er Avollte nur diese Komödie, die nach seiner Meinung-
unter allen englischen der französischen am nächsten komme, für
seine Bühne einrichten. So ist George Truman zum Baron,
das Gespenst mit der Trommel zu Leandre, Tinsel zum Mar-
quis, Vellum zum Intendanten Pince und Abigal zur Madame
Catau geworden.
Lessing urteilt (a. a. 0.), dass in Destouches' „Umar-
beitung" „wirklich vieles feiner und natürlicher , aber auch
manches kälter und kraftloser geworden" ist.
Die deutsche Bearbeitung des Stückes hat Frau L. A. V. Gott-
sched hergestellt. Sie hat nach Lessings Worten „das englische
Original mit zur Hand genommen und manchen guten Einfall
wieder daraus hergestellt."
Das Gespenst mit der Trummel oder der wahrsagende
Ehemann. Ein Lustspiel des Herrn Addisons, nach dem Fran-
zösischen des Herrn Destouches übersetzt, findet sich auf
S. 231 — 342 des zweiten Teiles von „Die deutsche Schau-
bühne nach den Pegeln der alten Griechen und Römer",
hrsg. von I. C. Gottscheden. Neue Auflage. Lpz. 1746.
Baron und Baronessin sind geblieben. Tinsel ist zum Herrn
von Windhausen, der Trommler zum Herrn Liebhold,
Vellum zum Herrn Schulwitz, Abigal zur Jungfer Salome
geworden, eine Freiheit, welche sich die Übersetzerin nahm, „um
dem Stücke dadurch eine desto mehrere Anmuth bey uns zu
geben" (Vorrede). In manchem ging sie auf das Original zu-
rück, doch aber hat sie sich „lieber nach dieser Verbesserung,
') Auf S. 9—118 des dritten Bandes der Oeuvres de Monsieur
Destouches, de l'academie francaise. Nouvelle edition. (A la Haye, chez.
Benjamin Gibert 1752.)
Destouches und die Mostellaria. 487
als nach dem Grundtexte richten wollen,'' und so ist manche fran-
zösische Bemerkung, wie z. B. Pinces Schlusswort, „que vous trou-
viez cette nuit aussi delicieuse que la premiere nuit de vos noces, "
das im Englischen sich nicht findet, ins Deutsche übergegangen.
Auch als Oper ist Addisons Lustspiel öfter über die
Bühne gegangen.
Clement verzeichnet: „II Tamburo notturno-' von Paisiello,
Neapel 1773;') „Le Tambour enchante, •' Musik von Schack,
Wien 1798;2) „Das Gespenst mit der Trommel,-' Oper von Ditters,
gespielt in Öls im Jahre 1794; „Das Gespenst mit der Trommel,"
Musik von Grätz, in München gegen das Jahr 1800 gespielt.3)
Ob hierher die Oper „L'Apparition-' von Germain Dela-
vigne, Musik von M. Benoist (1848), wo Clara de Torellas
den Geist spielt;4) ferner Michele Carafas Oper: „II fan-
tasma" (1802), und „Le fantöme" von Gyrowetz (gegen
1842)5) gehören, ist zweifelhaft.
Nochmal soll Destouches nach einigen6) die Mostellaria
vor Augen gehabt haben in seinem Lustspiele „Le Dissipateur
ou 1'Honnete-Friponne-',7) doch ist diese Annahme
schwer haltbar. Hier wird der unsinnige Verschwender Cleon
von seinem Onkel Geronte überrascht (III, 3). Pasquin, sein
Diener, und Finette, die Zofe seiner Geliebten, Julie, suchen
dem alten Herrn das denkbar günstigste Bild des jungen Tauge-
nichts zu entwerfen. Er studiert, sagt Pasquin, Tag und
Nacht. „Ma foi, c'est im neveu qui vaut son pesant dor, •' rühmt
Finette. „Son menage ä present va jusqu'ä l'avarice, " berichtet
Pasquin, ganz wie Tranio dem Theuropides. Drinnen aber
hält Cleon ein Gelage.
Da nun der Alte ins Haus eintreten will, hält ihn Pasquin ab.
Ger. II faut que toute ä l'heure
Je l'embrasse.
Pasq. (l'arretant). Ah, monsieur, n'entrez pas!
Ger. Et pourquoi pas?
Pasq. (embarrasse). Demandez ä Fiuette ; eile scait mieux que moi . . .
') Clement, Dict, lyr., S. 64C.
2j A. a. 0.
3) A. a. 0. S. 316.
-1) A. a. 0. S. 40.
5) A. a. 0. S. 271.
°) Sommer. (Les coniedies de Plante etc.) II. 116. Destouches
en (d.i. aus der Mostellaria) a tire parti, lorsque dans son Dissipateur
le neveu fait accroire ä son oncle que le bruit des verres et des assiettes
est celui d'un dispute de savants, avi'C lesquels il s'est enferm^. La se
borne l'imitation de Destouches.
7) Representee ä Munich en 1756. — Chez Jean Jaques Vötter, Im-
primeur de la cour, & des Etats de Baviere. ^28 pag.^
4gg X. Mostellaria.
/■)'//. Monsieur, c'est qu'il s'est fait uue etrange habitude . . .
IVndanl toutes les nuits . . . il s'applique ä l'etude,
Et ne s'endort jamais . . . qu'apres qu'il a dine.
Allein Geronte lässt sich nicht abtreiben. Man soll ihn nur wecken.
Fiit. Auriez vous bieu le cceur
D'interrompre sou somrne?
Ger. Oui.
Pasq. Souffrez qu'on vous dise.
Qu'uu reveil eu sursaut . . .
Ger. Tarare.
Pasq. La surprise
Peut le rendre malade; atteudez ä ce soir.
Während Pasquin geht, um, wie er vorgiebt, den Schla-
fenden zu wecken, fragt Geronte: „Mais j'entends un grand buit!
Que veut dire ceci?" worauf Finette berichtet, dass eine gelehrte
Versammlung abgehalten wird. In gewisser Beziehung den be-
trunkenen Callidamates spielt der Baron, der so wenig auf
Pas quin und Finettes Lügen eingeht, dass ihn diese als ver-
rückt hinstellen, ein Zug, den wir aus Regnard und Fielding
kennen, und der schon im plautinischen Simo angedeutet vorliegt.
Pasq. Gardez-vous d'ecouter ce qu'il dit.
Depuis deux ou trois mois il a perdu l'esprit.
Ger. Tout de bon?
Cle'on. Oui, mon oncle, ä toute heure il s'egare,
Et daus ce moment-ci, son acces se declare.
Fi ii. Quaud ou le contredit, il devieut furieux.
u S- W- — Dass Destoucb.es, um diese Szenen zu schrei-
ben, die Mostellaria des Plautus vor Augen haben musste,
ist schwer zu glauben.
Noch wird von Fl ö gel,1) Fuhr man2) und Rapp3) Ben
Jonsons Lustspiel ,.The Alchemist",4) das zuerst 1610 auf-
geführt wurde, mit der Mostellaria in Zusammenhang gebracht.
,.Die Situation," sagt Rapp (a. a. 0.), „ist übrigens aus Plau-
tus' Mostellaria entlehnt und in London lokalisiert . . . Die
Katastrophe durch die Ankunft des Londoner Bürgers, wie in der
Mostellaria." Dryden hält den Alchemist für ein Plagiat des
Albumazar, wodurch die innere Beziehung beider Stücke zu
Plautus hergestellt wäre.
Der Alchemist, in welchem uns an Sir Epicure Mammon
eine Art Falstaff entgegentritt, mag, da ja Ben Jonson ein
■) Gesch. d. k. Litt. LU, 217.
2) Handbuch. III, 51. „Auch Jonsons Alchemist ist zum Teil
darnach kopiert."
3) Studien. S. 230.
«) S. 1 — 193 des vierten Bandes der Aus«', von Gifford. Auch
abgedruckt S. 177—277 im 500. Band der Collection of British Authors.
Tauchuitz Edition. Lpz. 1860.
Ben Jcmsons Alchemist. 489
gründlicher Kenner der Alten war und ihrer an zahlreichen
Stellen seiner Lustspiele gedenkt, das eine oder andere Plaut us
schulden: eine Nachahmung der Mostellaria ist er nicht.
Der Inhalt in nachstehendem Akrostichon spricht am besten für
diese Behauptung.
The Sickness bot, a Master quit, for fear,
Hin house in Town, and left one Servant there.
Ease bim corrupted. and gave means to know
A Cbeater and his Punk; who, now brougbt low,
Zeaving tbeir narrow Practice, were become
Cos'ners at large; and only wanting some
Bouse to set up, with him they bere contraet.
j^acb for a Share, and all begin to act:
./JAich Company tbey draw, and much abuse,
in casting Figures, telling Fortunes, News.
Selling of Flies, flat Bawd'ry, with the Stone,
Till it, and they, and all in Fume are gone.
Durch Suhtle und seine Genossen, Face und Dol Com-
mon, wird die Dummheit der Menschen, welche an den ver-
meintlichen Alehemisten und seine Wunderleistungen glauben,
solange ausgenützt, bis endlich der ganze Missbrauch aufgedeckt
wird, da der Besitzer des Hauses, Love-Wit, zurückkehrt. Er
hört, wie lebhaft es in seinem Hause während seiner Abwesen-
heit zuging, von den Nachbarn (V, 1), welche ihm die wunder-
barsten Dinge erzählen. Auf sein Klopfen wird ihm nicht
geantwortet:
Tbis 's stränge! tbat none will answer.
Face ist der erste, der hervortritt.
Face. Good Sir, come from tbe Door!
Lov. Why? wbat 's tbe matter?
Face. Yet farther, you are to near yet.
Lov. F the Name of Wonder! What means the Fellow?
Face. The House, Sir, bas been visited.
Lov. Wbat? with the Plague? stand thou tben farther?
Face. No, Sir, I bad it not,
Lov. YVho had it then? I left
None eise but thee, i' the House!
Face. Yes, Sir, my Fellow,
Tbe Cat that kept the Buttery, had it on her.
A Week before I spied it: but I got her
Convey'd awayj i' the Night. And so I sbut
The Eouse up for a Month.
u. s. f., ohne weitere Anklänge an die Mostellaria.
Ob das bei Moralin (I, 54) genannte Stück „La fantasma"
des Don Ramon de la Cruz, Cano y Olmedilla (geb. 1731;
gest. am Ende des achtzehnten Jahrhunderts), zur Mostellaria
gehört, vermag ich nicht zu bestimmen.
490 XL Menächmi.
XL Menächmi.1)
Die Menächmi, eine Komödie, welche mit wenigen andern
in die frühere Zeit des Dichters fällt,2) werden von neueren
Herausgebern anders eingeteilt, als es die älteren thaten. Rapp3)
giebt das Lustspiel in sechs Akten, wie es auch Köpke abge-
teilt hatte, unter Berufung auf den Miles glorios us, Brix in
fünf Akten, indem er den vierten Akt mit Vers 881 abschliesst
und dies damit motiviert, dass der Dichter „dem in der nächsten
Szene auftretenden senex, der V. 875 erklärt hatte, den Arzt
holen zu wollen, 4) für den Gang hin und zurück, für das lange
Warten auf den Arzt und für die Besprechung mit demselben
mehr Zeit lassen muss, als die fünf (oder sechs?) von Menäch-
mus gesprochenen Verse brauchen."5)
Das Stück leitet das Auftreten des Parasiten Peniculus
ein; er erwartet den in Epidamnus ansässigen Menächmus,
um, wie früher oft, mit ihm ein Mahl einzunehmen. Menäch-
mus tritt eben aus dem Hause und richtet an seine Frau noch
einige scheltende Worte, da ihn ihre allerdings nicht unbegrün-
dete Eifersucht überallhin verfolge. Er wendet sich nach der
Wohnung seiner Geliebten, der Buhlerin Erotium. Dieser
schenkt er einen Mantel, den er eben aus dem Kasten seiner
Frau entwendet hat, und fordert sie auf, für ihn und den Para-
siten ein Mahl bereiten zu lassen. Indessen Erotium ihren Koch
Cylindrus zum Einkaufe abschickt, begeben sich Menächmus
und der Parasit auf das Forum.
Der zweite Akt führt Menächmus IL aus Syrakus ein,
der mit seinem Diener M essen io eben hier gelandet ist. Die
Stadt Epidamnus steht in keinem guten Rufe (F. 259):
') Ausgaben: J. Hildyard (Cantabr. 1840); Geppert I Berlin 1845) ;
W. Wagner (Cambd. 1878); J. Brix (Lpz., 3. Aufl. 1880); J. Vahlen
(Berlin 1880). Hier ist nach Brix zitiert. — De Menaechmis Plaut iua
retractata libellus. Scripsit P. E. Sonnenburg (Bonn 1882).
2) Vgl. Brix, S. 5. Aus V. 407 u. s. w. (Non ego te — Hierost)
haben W indisch mann und Vissering die Zeit bestimmen wollen. —
Stiefel (Über die Menächmen des Plautus, Blätter für das bair. Gym-
nasialwesen, XV. Bd. [1879], S. 309—318) hält die Verse für eingeschoben.
Vgl. A. Spengel, T. M. Plautus, S. 55 und 178.
3) Die pl. L., S. 315.
4) Eibo atque arcessam medicum iam quantum potest.
5) S. 73, Anm. zu 881. Vgl. A. Spengel, Die Akteinteilung der
Komödien des Plautus. München 1877. Über die sonstige Einteilung
und ihre Gründe siehe bei Brix, S. 3, Anm. 2.
Charakteristik derselben. 491
Nam itast haec hominum natio: in Epidamnieis
Voluptarii atque potatorea maxurnei;
Turn sycophantae et palpatores plurimei
In urbe hac habitant: turn meretrices midieres
Nusquam perhibentur blandiores gentium.
Propterea huic urbei nomen Epidamno inditumst,
Quia nemo ferme sine damno huc deuortitur.1)
Jalire lang- hat er allenthalben die Spiir seines Zwillings-
bruders gesucht, der verloren ist; sodass es dem Sklaven Mes-
senio eine derartig aussichtslose Bemühung erscheint, dass er ihm
erwidert (7 248):
In scirpo nodum quaeris.2)
Während ihres Gespräches naht der Koch Cylindrus, der
Menächmus aus Syrakus für Menächmus aus Epidamnus
hält und sich mit ihm und Messenio in ein Gespräch einlässt.
Der Syrakusaner Menächmus ist erstaunt, sich von allen bei
seinem Namen angesprochen zu hören , allein , da er von allem
Übrigen nichts versteht, sowie auch Cylindrus ihn nicht be-
greifen kann, hält er den Burschen für toll. Dieser hat unter-
dessen Erotium bereits mitgeteilt, dass ihr Geliebter vor der
Thüre stehe. Sie eilt heraus, ruft den staunenden Fremden zu
sich, der mit ihr geht, obwohl er einsieht, dass die Einladung
nicht ihm gelten kann. Erotium giebt ihm den Mantel mit
der Bitte, denselben bei dem Goldsticker umändern zu lassen,
damit seine Frau ihn nicht mehr als den ihrigen erkenne. Me-
nächmus II. schickt seinen Sklaven Messenio ins Wirts-
haus, mit dem Auftrage, ihn „ante solem occasunr' (7 437)
wieder abzuholen.
In der ersten Szene des dritten Aktes tritt der Parasit
Peniculus klagend auf. Er hat auf dem Forum Menächmus I.
verloren oder glaubt vielmehr (7 449):
Menaechmus se subterduxit mihi
Atque abiit ad amicam, credo, neque me uoluit ducere.
In diesem Augenblicke tritt Menächmus IL aus Eiotiums
Haus, den Mantel in der Hand tragend. Mit Entsetzen erblickt
ihn der Parasit. Alle seine Befürchtungen sind zur Wahrheit
geworden (7 469):
Salur nunc loquitur de me et de parti mea:
Pallam ad plirygionem fert confecio prandio
Vinoque expoto, parasito excluso foras.
') Später sieht sich Menächmus IL selbst gezwungen, diesen Ort
als „loci lenonii" ( V. 552) zu bezeichnen.
2) Ebenso bei Terenz Andria, 7 941, „nodum in scirpo quaeris".
492 XI. Menächmi.
Er schwört ihm Rache für den schändlichen Betrug. Me-
nächmus II. versteht natürlich seine Rede nicht. Da Menäch-
mus gehen will, kömmt Erotiums Magd und überbringt ihm im
Auftrage ihrer Herrin eine goldene Armspange (spinter), damit
er sie zugleich mit dem Mantel ausbessern lasse. Menächmus II.
nimmt auch dies in der Absicht (V. 549):
Vt, quantum possint, quique liceant, ueneant.
Unterdessen hat der Parasit seine Rache für das verlorene
Mahl vollzogen. Er hat die Frau des Menächmus von Epi-
damnus in alle Streiche ihres Gatten eingeweiht. Menäch-
mus I. tritt auf, und seine Frau begegnet ihm in heftigster
Weise. Der Mantel muss zurückgestellt werden, ausserdem soll
ihm das Haus verschlossen bleiben (V. 662):
Nam domum numquam introd ibis, nisi feres pallam simul.
Menächmus I. klopft dann an Erotiums Thüre; sie tritt
aus dem Hause heraus, und nun beginnt natürlich ein neues
Missverständnis, da sie behauptet, Menächmus den Mantel, um
dessen Rückgabe gegen einen doppelt schöneren (F. 680, „bis
tanto pluris pallam") er sie inständig bittet, gleichzeitig mit der
Spange übergeben zu haben. Völlig im Unklaren und von beiden
abgewiesen, geht Menächmus I. ab (F. 698):
Nunc ego sum exclusissumus :
Neque domi neque apud amicam mihi iam quidquam creditur.
Der vierte Akt bringt Menächmus IL und die Frau
seines Zwillingsbruders zusammen. Er trägt noch den Mantel
um den Arm gelegt, und da er auf die begründeten Vorwürfe
der Frau nichts anderes zu erwidern weiss, als von „fabulae" (F.
724) und Thorheiten, ruft diese, aufs Äusserste gebracht, ihren
alten Vater. Der Greis stellt sich anfänglich auf die Seite seines
vermeintlichen Schwiegersohnes und ergreift Partei gegen seine
Tochter. Da aber Menächmus IL erklärt, er habe die Frau
nie gesehen und sei niemals in diesem Hause gewesen, kann er
nichts anderes annehmen, als der Mann sei irrsinnig. Auf diese
Idee geht Menächmus IL sofort ein (F. 832):
Quid mihi meliust quam ut, quando illi me insauire praedicant,
Egomet me adsimulem insanire, ut illos a me apsterream r1
und stellt sich rasend. Er spricht allerlei wirres Zeug und
droht, alle zu erschlagen. Dies thut seine Wirkung. Die Frau
eilt ab, der Alte läuft nach einem Arzte: unterdessen ent-
Charakteristik derselben. 493
kömmt Menächmiis IL mit der witzigen Aj>ostrophe an die Zu-
schauer (7 880):
Vosque omnis quaeso, si senex reuenerit,
Ne me indicetis, qua platea hinc aufugerim.
Im fünften Akte sehen wir den alten Vater sehnsüchtig
auf den Arzt warten, was ihm Gelegenheit giebt, einige pole-
mische Worte gegen die Arzte1) einzuflechten ; den hier auftreten-
den tadelt er als „multilocum, gloriosum, insulsum, inutilem."2)
Der Arzt erscheint und verspricht alsbaldige Heilung. Ahnungs-
los kömmt Menächmiis I. des Weges. Der Arzt wendet sich
an ihn, wird aber derb abgewiesen, sodass er nach vier Männern
schickt, welche ihn zu weiterer Beobachtung zu ihm bringen
sollen. (Ad me face uti deferatur. . . . Ibi meo arbitrato potero
curare hominem, 7 948). Da eben Menächmiis I. fortgebracht
werden soll, tritt Messenio auf, der den Befehl erhalten hatte,
seinen Herrn bei Erotium abzuholen. Er sieht, wie ihm die
Fremden Gewalt anthun, und thatkräftig, wie er ist, gelingt es
ihm, Menächmiis I., den er für seinen Herrn hält, zu befreien.
Messenio erbittet sich von seinem hocherfreuten Gebieter die
Freilassung, die ihm dieser auch mit den zweideutigen Worten
gewährt (7. 1031):
Mea quidem hercle causa liber esto atque ito quo uoles,
nachdem er ihm bereits vorher erklärt hatte, dass er sein Eigen-
tum nicht sei (7 1027):
Per Iouem adiuro patrem,
Med erum tuom non esse.
Messenio überliefert ihm den Geldbeutel, den Menäch-
miis I. annimmt, worauf er den Sklaven weiterschickt (7. 1045):
Ne tum, quando sanus factus sit, a me argentum petat.
Alsdann begiebt sich Menächmiis I. zu Erotium, um
nochmal den Versuch zu wagen, von ihr den Mantel zurückzu-
erhalten.
Im selben Augenblicke, wo Menächmiis I. sich entfernt,
tritt Menächmiis II. mit Messenio ein.3) Er weiss natürlich
weder von der Freilassung des Sklaven, noch von Messenio s
rettender That ein Wort. So bat die Verwirrung ihren Höhe-
') So ist auch hierin Plautus ein Vorbild Molieres. (Vgl. S. 310.)
2) Vgl. bei Brix S. 73, kam. zu V. 885.
3) A. Spengel, Akteinteilung, S. 19.
494 XI- Menächmi.
punkt erreicht, da jene beiden, die bisher noch zusammen-
wirkten, gleichfalls sich nicht mehr erkennen. Da erscheint Me-
nü chmus I. , und so stehen sich die beiden Brüder gegenüber.
Einen Augenblick schwankt Messenio noch in dieser Szene, die
vielfach an den Amphitruo erinnert, wer wirklich sein Herr
sei. Kurze Zeit hält er sogar den Epidamner dafür. Bald
aber löst sich der Knoten durch die Erklärungen, welche uns
schon der Prolog (F. 16 — 75) im voraus gab. Beide Me-
nächmi sind Zwillingssöhne eines Kaufmanns in Syrakus. Als
die Jungen ins achte Jahr gingen (F 24, postquain iam pueri
septuennes sunt, und V. 1116), fuhr der Vater mit einem der-
selben, Menächmus, auf den Jahrmarkt von Tarent; der
andere, Sosikles, blieb bei der Mutter. Im Gedränge verlor
der Vater den Knaben; ein Kaufmann aus Epidamnus nahm
ihn mit sich; wenige Tage nachher starb der Vater aus Gram
noch zu Tarent. Als der Gross vater in Syrakus dies gehört
hatte, nannte er von nun an den andern Zwilling, Sosikles, mit
dem Namen des verlornen Enkels Menächmus. Menächmus
aus Epidamnus kehrt mit seinem Bruder in seine Vaterstadt
Syrakus zurück, Messenio erhält zum zweiten Male die Frei-
heit und ruft die Auktion der Güter des Menächmus aus Epi-
damnus aus, ehe er geht, wobei auch seine Ehefrau zum Ver-
kaufe ausgeboten wird , wenn auch mit wenig Hoffnung auf
günstigen Erlös; dies in einem allerdings angestrittenen Verse
(V. 1160):
Venibit uxor quoque etiaru, si quis emptor uenerit.
[Vix credo auctione tota capiet quinquagensies.] ')
Mit einer bei Plautus öfter vorkommenden Apostrophe des
zuletzt sprechenden Schauspielers an das Publikum (F. 1162):
Nunc, spectatores, ualete et nobis clare applaudite,
die hier Messenio zufällt, schliesst das Lustspiel.
Die plautinische Komödie bietet uns also eine achtmalige
Verwechslung, und zwar: II, 274, Menächmus aus Syra-
kus und Cylindrus; II, 357, Menächmus aus Syrakus und
Erotium; II, 469, Menächmus aus Syrakus und Peniculus;
H, 524, Menächmus aus Syrakus und die ancilla Erotiums;
IV, 705, Menächmus aus Syrakus mit der Frau des Me-
nächmus aus Epidamnus; IV, 810, Menächmus aus Syra-
kus mit dem senex; V, 1003, Menächmus aus Epidamnus
l) Schwabe in Fleckeisens Jahrbüchern für klassische Philologie.
1872. S. 418.
Charakteristik derselben. 495
mit Messenio; V, 1070, Menächmus aus Epidamnus mit
Messenio.
Der Prolog, welcher dem Stücke vorangeht, wird in seiner
heutigen Form als unecht erklärt. Ausführlich behandelt die
reiche Litteratur hierüber Dziatzko in Fleckeisens Jahrbüchern
f. kl. Philol. 1873. ') P. Langen'2) glaubt, als echt zu halten
V. 1—6; 17—21; 24—42; 50; 57—61. Dagegen sprechen
Dziatzko und Brix. Ritschis Vorwürfe3) gegen die Prologe
zu den meisten Stücken, „geschwätzige Breite, frostige Witz-
hascherei, Ergehen in trivialen Reflexionen," treffen vornehmlich
auch diesen Prolog.4)
Formell ist stets auf den Widerspruch von V. 5:
Nunc argumentum accipite atque animum aduortite:
Quam potero in uerba conferam paucissuma,
mit V. 14 — 16 hingewiesen worden:
Nunc argumentum uobis demensum dabo,
Non rnodio neque trimodio, uerum ipso horreo:
Tanta ad narrandum argumentum adesl benignitas.h)
Die früher geltende gewöhnliche Annahme, zu welcher V. 12:
Non atticissat: uerum sicelissat tarnen,
(im Zusammenhang mit Hör. Ep. II, 1; 58) verleitete, dass das
Stück dem Griechischen des Epicharmos nachgedichtet sei,6)
gilt seit Ladewigs Nachweisen7) nicht mehr. Ziemlich nahe
legt derselbe Gelehrte die Wahrscheinlichkeit, dass das Stück
nach den Jidv^ioi des Poseidippos gedichtet sei, indem er
sich auf Athenaeus XIV, p. 658 F, beruft: ovde yaQ av evQOi
rig vfAtov öovlov rtva [idyeiQov Iv xcjfMpdltjc , Ttlrjv Ttaqa
TIoG£i6l7tttw [iovm. Teuffei8) findet diese Annahme „sehr
') Vgl. auch Brix, S. 92.
2) Commentatio de Menaechmorum fabulae Plautinae prologo.
Münster 1873.
3) Parerg. I. S. 236. — Teuf fei, Studien, S. 256.
4) Teuffei, Studien, S. 263—265. „Der Prolog zu den Menächmi
ist eine Vereinigung sämtlicher schlechten Witze, die bei den verschie-
denen Aufführungen des Stückes von den verschiedenen Theaterdirek-
toren oder Prologschreibern gemacht worden sind." — Solche Witze
sind z. B. V. 3. 51—55.
5) Vgl. Ladewig, Philolog. I, 278 ff
6) Rapp, Die pl. L., S. 315. 437. — Binder, S. 25.
7) Über den Kanon des Volc. Sed., S. 19—26. — Philologus. I,
S. 288.
8) Gesch. d. r. L., S. 150.
496 XI« Menächmi.
zweifelhaft" und von „wenig Sicherheit'',1) vmd auch Stiefel2)
ist dagegen.
Trotz seiner griechischen Quelle hat indessen Plautus seinen
Stoff ganz romantisiert und gerade in dieser Komödie einige treff-
liche Lokalreflexionen (wie z. B. über das Klientenwesen, F 570,
die Komitien, F 451 und ähnliches) eingeflochten. 3)
Wie im Amphitruo die Ähnlichkeit der beiden Amphitruo
und Sosia, so ist es hier jene der Zwillingsbrüder, welche Ur-
sache komischer Verwicklungen wird." Schon als Knaben waren
die (7.18): • • ,
v- ' gemim duo
Ita forma simili pueri, uti mater sua
Non internosse posset quae mammam dabat,
Neque adeo mater ipsa, quae illos pepererat.
Messenio nennt den Menächmus von Epidamnus (F. 1062):
„speculum tuom, " und dann: „Tuast imago: tarn consimilist quam
potest," worauf Menächmus aus Syrakus erwidert:
Pol profecto haud est dissimilis, meam quom formam noscito.
Sie gleichen sich, wie ein Wassertropfen dem andern (F. 1088):
Nam liominem hominis similiorem numquam uidi ego alterum,
Neque aqua aquae neque lactest lactis, mihi crede, usquam similius,
Quam hie tuist tuque huius autem,
sodass der Vorwurf der Un Wahrscheinlichkeit des Stückes
kaum haltbar ist.4) Bei dieser Ähnlichkeit der beiden Brüder
musste dem Zuschauer das Verständnis des Stückes erleichtert
werden.5) Deshalb nahm Dziatzko6) die Notwendigkeit eines
Argumentums an, umsomehr, als der Ort der Handlung erst F. 231,
und hier nur flüchtig, : „Sedquaeso, quamobrem nunc Epidamnum
uenimus?" erwähnt wird.
Nicht alle Personen sind in gleicher Weise im Detail durch-
geführt. Der in Epidamnus ansässige Menächmus ist wohl
etwas von den leichten Sitten seiner Vaterstadt berührt. Er ist
ein heiterer Gesellschafter. Der Parasit nennt ihn „homo lepi-
dissumus" (F. 148) und „hilarissumus" (F. 149), einen Mann, der
als wackerer Wirt seinen Leuten nicht nur das Essen gönnt, son-
dern sie förmlich dazu heranzieht (F. 98):
Nam illic homo homones non alit, uerom educat
Recreatque; nullus melius medicinam facit.
') Studien, S. 2G3.
2) A. a. 0., S. 310. 311.
3) Brix. S. 9.
4) Stiefel, a. a. 0., S. 317.
5) Vgl. Amphitruo, S. 120.
«) A. a. 0., S. 839.
Charakteristik derselben. 497
Mit der Ehe freilich nimmt er es nicht strenge. Er ist bei der
Bnhlerin Erotinm zu Hause, dort hat er seine Wohnung aufge-
schlagen. Erotium begrüsst ihn (F. 361):
Animule mi, mihi mira uidentur
Te hie stare foris, fores quoi pateant
Magis, quam domus tua, domus quom haec tua sit.
Die Buhleriii lebt von seiner Freigebigkeit (V. 358, „Qui
mi est usui et plurumum prodest." F. 372, „Nam ecastor solus
bene factis tuis me florentem facis. ") Ihm graut vor seiner
Gattin (F. 191). „Vt ego uxorem, mea uoluptas, ubi te
aspicio, odi male," ruft er aus, wenn er die Geliebte sieht. Er ist
ausgelassen, so wie seine Frau weg ist (F. 318):
Quam uis ridiculus est, ubi uxor non adest
sagt Cylindrus. Er fühlt sich am seligsten, da sie ihn aus
ihrem Hause ausschliesst (F. 668):
Male mi uxor sese fecisse censet, quom exclusit foras:
Quasi uou habeam, quo intro mittar, aliura meliorem locum.
Si tibi displiceo, patiundum : at placuero huic Erotio.
Quae me non exeludet ab se, sed apud se oecludet domi.
So stiehlt er seiner Frau Spangen und Mantel (F. 200, 531), um
sie seiner Geliebten zu bringen, und nur allzuberechtigt erscheint
die Klage, in welche seine Ehefrau ausbricht (F. 559):
Egone hie me patiar esse in matrimonio,
Vbi uir conpilet clanculum, quiequid domist
Atque hinc ad amicam deferat?
Das Opfer der Verwechslungen wird Menächmus aus Syra-
kus: so sehen wir weniger in sein Inneres, weil er ununter-
brochen in die Irrtümer verstrickt ist, in welche ihn die Ähnlich-
keit mit seinem Bruder bringt. Sein ernstes Streben, die Spur
seines teueren Bruders zu finden (F. 232), das er nie aufgeben
wird, (F. 246):
Verum aliter uiuos uumquam clesistam exsequi:
Ego illum scio quam carus sit cordi meo,
lässt uns in ihm einen entschiedenen Mann vermuten. Er selber
nennt sich reizbar (F. 270): „Ego autem homo iraeundus, animi
perditi". Wohl kaum soll ein schmutziger Charakter damit ange-
zeigt werden, dass er das ihm von Erotium Gebotene an-
nimmt, um es, wie er sagt, zu verkaufen (F. 549). Es soll mit
diesen Worten gewiss nur eine komische Wirkung erzielt werden,
32
498 XL Menäcmni.
sowie ja auch Menächmus aus Epidamnus das ihm vou Mes-
se nio gebotene Geld sofort nimmt (V. 1045), um es nicht mehr
verlieren zu müssen. Die Liebe zu seinem Bruder bricht bei
Menächmus aus Syrakus lebhaft durch, so wie er ihn als solchen
erkennt (F 1124: „Signa adgnoui: contineri quin complectar non
queo"): und er ist es auch, der den Wiedergefundenen veranlasst,
in die Heimat zurückzukehren (F 1151):
Quoniam haec euenerunt nobis, frater, ex sententia,
In patriam redeamus ambo.
Die Frau des Menächmus aus Epidamnus tritt nur einige-
male auf; ihr Gatte nennt sie böse „mala" {V. 137). Die Vor-
würfe jedoch, die er ihr (F 110 ff.) macht:
Ni mala, ni stulta sis, ni indomita
Inposque animi, quod uiro esse odio
Videas, tute tibi odio habeas
u. s. w., finden wir wohl an der Frau begreiflich, da wir kaum
Grund haben, sein „nimiuin ego te habui delicatam" (F. 121)
aufs Wort zu glauben.
Erotium ist das Muster der Hetäre. Ihr Name (Iqlotiov) ')
„Liebchen" entspricht der von ihr entworfenen Schilderung und
ihrem Gewerbe. Menächmus I. preist ihre Schönheit über-
schwänglich (F. 183):
eapse eccam exit. ah, solem uide,
Satin ut occaecatust prae huius corporis candoribus?
Sie ist für ihn voll zarter Liebenswürdigkeit („animemei, " F. 185;
„animule mi," F. 361), allein zunächst in gewinnsüchtiger
Absicht. Der Parasit bezeichnet die Art ihrer Liebe zu Me-
nächmus in trefflicher Weise (F. 195):
Meretrix tautisper blanditur, dum illud quod rapiat uidet.
Nam si amabas, iam oportebat nasum abreptum mordicus,
ganz so, wie auch Messenio von diesen Leuten sagt:
V. 377. Nam ita sunt hie meretrices: omnes elecebrae argentariae.
V. 437. Nou tu istas meretrices nouisti, ere,
die er (F. 442) mit einer ,,nauis praedatoria" vergleicht.
Der Sklave des Menächmus aus Syrakus, Messenio,
so genannt nach seiner Herkunft aus Messenien, ist ein heiterer
') Brix, S. 13.
Charakteristik derselben. 499
Gefährte seines Herrn. Obwohl ihn dieser einen Weiberfreund
nennt (7. 269):
Tu amator magnus mulierum es, Messenio,
ist er doch gerade diesen gegenüber sehr vorsichtig.
Ne feceris.
Periisti, si intrassis intra limen !
ruft er (7. 414) seinem Herrn zu, der bei Erotium eintreten will.
Überall bestimmt ihn die Liebe zu seinem Herrn. Er ent-
wirft ein Bild eines treuen Sklaven1) und stellt sich selbst als
einen solchen hin in dem canticum (7 966 — 985):
Spectamen bono seruo id est, qui rem erilem
Procurat, uidet, collocat, cogitatque,
Vt absente ero rem eri diligenter
Tutetur, quam si ipse adsit, aut rectius.
Tergum quam gulam, crura quam uentrem oportet
Potiora esse, quoi cor modeste situmst.
Recordetur id,
Qui nihili sunt, quid is preti
Detur ab suis eris,
Ignauis, inprobis uiris.
Verbera, conpedes,
Molae, lassitudo, t'ames, frigus durum:
Haec pretia sunt ignauiae. id ego malum male metuo.
u. s. w. bis 7 987. Energisch verteidigt er seinen Herrn gegen die
lorarii, und auch als Freigelassener will er noch Diener und Ge-
fährte des Menächmus bleiben und bittet ihn darum nach jener
vermeintlichen Freilassung (7. 1034):
Sed, patrone, te opsecro,
Ne minus nunc inperes mihi, quam quom tuos seruos fui.
Apud ted habitabo et, quando ibis, una tecum ibo domum.
Er ist es, dem zuerst der Gedanke kömmt, dass dies die beiden
Zwillingsbrüder sein könnten, und der ihre Annäherung und die
Lösung der Komödie herbeiführt (7. 1081):
Di inmortales, spem insperatam date mihi, quam suspicor,
Nam nisi nie animus lallit, hi sunt gemini germani duo:
Nam et patriam et patrem conmemorant pariter qui fuernrl sibi.
Seuocabo erum.
So ist Messenio eine der bedeutungsvollsten Persönlich-
keiten des Stückes.
') Dazu ist zu vergleichen: Aulul., V. 582; Mostellaria, u.
Das Gegenteil iu Bacehides S. I.'llt'f.
32*
500 XL Menächmi.
Der Koch Cylindrus1) füllt nur einige Szenen aus. Er ist
nach Teuffels2) Auffassung der Sklave Erotiums.
Hinsichtlich des ehelichen Verhältnisses des Menächnius
gieht uns der alte Vater den Schlüssel zum richtigen Verständ-
nisse, sodass wir es nicht nach unsern heutigen Anschauungen
heniessen dürfen. Der Alte findet den Umgang seines Schwieger-
sohnes mit Erotium seiner Tochter gegenüber entschuldbar. Da
sie ihm klagt, dass ihr Mann ein Mädchen in der Nachbarschaft
habe (F. 790, „At enim ille hinc amat rneretricem ex proxuino").
erwidert er ihr:
Sane sapit:
Atque ob istanc industriam etiam faxo amabit amplius,
und weiter dann (F. 792):
Tua quiclem ille causa potabit minus,
Si illic, siue alibi lubebit? quae haec malum inpuclentiast?
Vna opera prohibere, ad cenam ne promittat, postules,
Neue quemquam accipiat alienum apud se. seruirin tibi
Postulas uiros? dare unad opera pensum postules,
Inter ancillas sedere iubeas, lanam carere.
Mag auch Brix3) recht haben: „Mit sane sapit spricht er
nicht seine wahre Meinung aus, sondern er will nur der Tochter
den Daumen aufs Auge drücken'', so ganz unbegreiflich erscheint
ihm die Handlungsweise seines Schwiegersohnes nicht.
Quotieus monstraui tibi, uiro ut morem geras?
Quid ille faciat, ne id obserues, quo eat, quid rerum gerat,
wiederholt er ihr (Y. 789).
Bei ihm zeigt sich (z. B. in seinem Eingangscanticum Y.
753 ff.) das geschwätzige Alter, sodass er selber (F 760) befürch-
tet, „nimis longus sermost."
Seine Anschauungen über das eheliche Verhältnis ermangeln
jenes feineren Sinnes, welcher der Komödie in derartigen Dingen
überhaupt fehlt. Auch als die Brüder sich als solche erkennen und
ihre gegenseitige Freude äussern, nimmt niemand von der Familie
(wie etwa in Shakespeares Comedy of Errors), weder der
Alte, noch die Frau, Anteil.
Die treffliche Figur der alten Komödie, der Parasit, trägt
auch in diesem Stücke vieles zur Hebung" der Heiterkeit bei.
') Nach A. Spengel, Latein. Komödie S. 27, gleichbedeutend mit
Nudelholz. Vgl. das Wortspiel V. 301. Seu tu Culindrus seu Co-
lindru's, perieris (s. Schwabe, Fleckeisen, Jahrbücher 1872, S. 413 ff.)
2) Studien, S. 263.
3) S. 67.
Charakteristik derselben. 50 1
Peniculus,1) ein Name, den Plantus selbst gemacht hat, etwa
„Kehrwisch" oder „Schwamm",2) und der in der Komödie
selbst mehrmals Veranlassung1 zu Witzen und Wortspielen wird, 3)
ist das Muster eines Schmarotzers.4) An fremder Kost erzogen,5)
ist er über dreissig Jahre alt geworden (V. 446, „plus triginta
natns annis ego sum"). Er isst für acht nach den glaubwürdigen
Aussagen des Koches (F. 224: „nam parasitus octo homonum
munus facile fungitur"), sodass mit ihm bei Tische zusammen-
kommen Menächmus als ein „Fallen in einen Hinterhalt" bezeich-
nen kann (F 140: „Peru, in insidias deueni"). Die Speisen des
Mahles sind für ihn alles; er heisst sie, wie andere ihre Familien-
angehörigen, seine „cari" (F. 105). Er versteht sich aber auch
trefflich auf die Kunst des Speisens (vgl. F. 209 — 214). Seine
Hauptfertigkeit besteht darin, ein Mahl tot zu machen; „facere
fundus prandio" (F. 491). Seine Anschauungen über das Essen
legt er eingehend bei seinem ersten Auftreten dar; mit Speisen
allein kann man Leute fesseln, nicht mit Ketten und Banden
(F. 87):
Quem tu adseruare recte, ne aufugiat, uoles,
Esca atque potione uinciri decet.
Er hat seinen Namen mit Recht zu tragen , „ideo quia
mensam, quando edo, detergeo" (F. 79). Schon nach dem Ge-
rüche vermag er die Dinge zu beurteilen.
Ecquid tu de odore possis, si quid forte olfeceris,
Facere coniecturam ?
fragt ihn Menächmus I. (F. 163), was er bejaht. Als einem
Menschen, der nichts zu verlieren hat (F. 665, „nihil est, quod per-
dam, domi"), ist ihm der Aufenthalt da, wo es eben etwas absetzt;
derjenige ist sein guter Geist („genius, " F. 142), der ihm ein
Mahl zukommen lässt; gegen den Vorwurf, dass er ,, extra nume-
rum" (F. 185) komme, ist er nicht empfindlich; denn sein Grund-
satz ist (F. 154):
Non pergo hercle uero, nisi scio qua gratia,
d. h., wenn ich nicht voraussehe, was ich davon habe, thue ich
') Vgl. Lessing, Eamb. Dramat. Neunzigstes Stück.
2) Brix 9 und 13; Binder 117: Spengel a. a. 0., S. 26.
3) Z. B. V. 286. Peniculum tuom eceum in uidulo saluom lein.
V. 391. Quis istest Peniculus? qui extergentur baxeae?
4) S. bei Geppert Einleitung über die Charakterrolle des Para-
siten der Menächmen.
5) Menächmus I. kanu von ihm sagen /'. 905:
Meo eibo et sumptu educatust.
502 XL Menächmi.
keinen Schritt; ein Zug, den Rapp') eine „rührende Harmonie der
Parasitenmaske mit unserm Staherl" nennt.
Das Urteil üher die Menächmen des Plantus, ein Stück, das
durch einige hübsche cantica besonderes Leben gewinnt, '-) ist im
allgemeinen stets ein sehr günstiges gewesen. Zwar nennt
es Hertz berg sehr mittelmässig, und C. H. Weise3) spricht es
dem Plautus wegen der Mängel und Schwächen ab; Rapp4)
dagegen hebt hervor: „In der Einfachheit der Exposition, in dem
gehaltenen Ebenmasse der Entwickelung, wie in dem genialen,
leichtfertigen Abschluss hat er gewiss Vorbilder, aber keine Nach-
folger gehabt," und Teuf fei5) nennt es „wohl das gelungenste der
plautinischen Stücke". Wie Schlegel6) diese einfach heitere Ko-
mödie ein „wildes Intriguenstück" nennen kann, ist unklar.
„Ein Mantel (palla), " sagt Stiefel7), „neben der Zwillings-
ähnlichkeit ist es, der mit immer sich steigerndem Interesse die
ganze Maschinerie des Stückes in Bewegung setzt. Zudem herrscht
die vollständigste Einheit der Handlung, des Ortes und der Zeit.
Keine überflüssige Person greift in das Spiel ein." . . . „Einige
Szenen könnten besser motiviert sein. Besonders misslungen aber
ist der Schluss. Einmal ist es unnatürlich, dass Menächmus-
Sosikles, der den Bruder sucht, denselben gar nicht erkennen
will, sodass der Sklave Messenio ihm erst zu Hilfe kommen
muss, ferner ist überhaupt der Schluss zu matt im Vergleich zur
Lebendigkeit der vorhergehenden Szenen, was besonders auffällt,
wenn man die verschiedenen Nachbildungen des Lustspiels hierin
gegen dasselbe hält. Nicht nur bei Shakespeare und Reg-
nard, sondern auch bei jenen, die sich sklavisch dem Plau-
tus anschlössen, wie der Franzose Rotrou (1631) und der
Spanier Timoneda (1559), findet die Wiedererkennung der Brü-
der im Beisein aller Personen statt, wodurch ein effektvoller
Schluss gewonnen wird. Bei Plautus ist schon in der vorletzten
Szene eine gewisse Abspannung und Ermüdung bemerklich, und
es macht daher die Katastrophe unwillkürlich den Eindruck, nicht
als ob sie sich mit Notwendigkeit ergebe, sondern als sei sie nur
herbeigeführt worden, um dem Stücke ein Ende zu machen."
Die grosse Freude, welche das Altertum an der
Aufführung der plautinischen Menächmi hatte, und welche:
eine Stelle des Prologes beweist (V. 45):
') D. pl. L , S. 329.
'-) Ritschi, de cantico Menaechmorurn Plauti. 1851.
3i Komöd. des Plautus, kritisch uach Inhalt etc., S. 121.
■'•) A. a. 0., S. 437 u. 440.
5) Gesch. d. r. Litt., S. 150.
6) Vorlesungen.
") A. a. 0., S. 314. 315.
Menechmos eines spanischen Anonymus. 503
Propterea illius nonien (sc. Menächmi) memini facilius,
Quia illum clamore uidi flagitarier,
hat sich den folgenden Jahrhunderten mitgeteilt. Zahl-
lose Imitationen derselben liegen vor: ja die „Zahl der
Nachbildungen ist Legion-' nach Stiefels Bemerkung.1)
Vor allein Italien freute sich der Menächmenaufführungen. 2)
Zwar wurde die ganze Komödie des Plautus nicht immer
nachgeahmt, wohl aber ist es das Motiv der ähnlichen Zwillinge,
Brüder, Schwestern, Bruder und Schwester, dem wir zu
unzähligen Malen begegnen, und das die seltsamsten Gestalten
angenommen hat. Sie alle aufzuzählen, wäre unmöglich,
vielleicht auch ohne besonderen Wert.3)
Von spanischen Bearbeitungen der Menächmen kam die
erste gedruckte Übersetzung 1555 zu Antwerpen heraus: „La
comedia de Plauto intitulada: Menechmos4) traducida en
lengua castellana. En Anvers, en Casa de Martin Nucio MDLV.
Con Preuilegio Imperial".5) Die Überarbeitung, deren stilistische
Reinheit Moratin rühmt,6) erschien gleichzeitig mit dem Milite
glorioso. Der Verfasser ist unbekannt; einige vermuten als
solchen den Arcediano von Sepulveda, Gonzalo Perez, den
Sekretär Philipp IL und Vater des Antonio Perez, was kaum
möglich ist, da. der anonyme Übersetzer gerade diesem seine
Arbeit in dem am Ende stehenden ,.Ad Dominum Gonsaluum
Perez, traductoris tetrastichoir' gewidmet hat.7) Einzelne Män-
A. a. 0., S. 310.
2) Ussing. m, 383. Kenatis autem in Italia litteris multos haec
iäbula amatores habuit saepiusque eam vel ipsam rettulerunt vel imi-
tati sunt et in suum usum converterunt poetae. Ferrarae Plauti Me-
nächmi a. 1486 italice uersa acta esse traditur (Ruth, II, 115); iterumque
1501. Menechino di Plauto mutato nomine in similitudinem personae
Mediolani usitatae. (cf. Burckhardt, Kultur der Renaissance, p. 315.)
3) AVenig Neues und Beachtenswertes enthält der Artikel: „Nyere
Digteres Bearbeidelser af Plautus' Menaechmi afEmilQ-igaa
auf S. 126 — 158 des ersten Bandes der „Nordisk Tidskrift for Fi-
lologi og Pädagogik. Xy Räkke. Kjöbenhavn (Otto Scliwartz's For-
lag) 1874."
4) Menechmos iinCatälogo S.5G5. — In derBibl. de aut. M e aecmös.
5) Biblioteca di- autnri's cspanoles. Tomo scgundo. Madrid (Ri-
vadeneyra) 1840. S. 200, No. 87. — Barrera y Leirado, Catälogo
bibliogr., S. 565.
(i) En estas dos traducciones merecen alabanza el lenguaje y el estilo.
(A. a. di
'< Bibliot. de aut. esp. II, 2(><>: ,. Iguorase hasta ahora quien
tue el traductor de estas dos piezas, y solo se infiere por la dedicatoria
de ellas al secretarin (inn/alu I'i'rez. <|iic sc hallalia en Lila empleado
en la real Hacieuda." — Vgl. auch Barrera. Catälogo, S. 565.
504 XL Menächmi.
gel des Buches mögen wohl auf Kosten der schlechten Plautus-
ausgaben zu setzen sein. J)
Auf den anonymen Übersetzer folgte die Bearbeitung der
Menächmen des Juan de Timoneda. -)
Juan de Timoneda3) aus Valencia schrieb neben zahl-
reichen Werken im Jahre 1559 seine „Comedia de los Menec-
mos, puesta en gracioso estilo y elegantes sentencias (Valencia)."4)
Das Stück rechtfertigt Moratins Urteil kaum.5) Demselben geht
ein Introito voran. Cupido und die drei Hirten Ginebro,
Climaco und Claudino haben in die Lage einzuführen und den
Inhalt der Komödie zu erzählen, „lo que os encomendö el autor
al entrar de la puerta, " wie ihnen Cupido aufträgt. Climaco
berichtet denn, dass eine „comedia de Plaut o, llamada de los
Menemnos",6) aufgeführt werden soll.
Claudino. Sabrän vuestras reverencias que en la ciudad de Sevilla hobo
un rico mercader llamado Menemno, el cual tenia dos liijos, nas-
cidos de un parto; eran tan semejantes en la forma y gesto que
muchas veces la misma madre que los habia parido tomaba al im
por el otro. (Plaut . V. 17 — 21.)
Ginebro. Viuo acaso que siendo estos dos hermanos de edad de quince
anos cargö el padre una nave de muchas mercaderias para Levante.
y llevando consigo uno de sus hijos llamado Menemno, se partiö
dejando el otro con su madre Claudia. ( V. 24.)
Climaco. Siendo embarcado fuele la fortuna tan contraria que tres dias
y tres noches corriö por la tempestuosa mar sin saber adonde iban.
y a la flu vino ä dar en una pena de la isla Conejera, adonde to-
dos perecieron, escepto el hijo Menemno, el cual abrazado con una
tabla vino ä tomar tierra en el cabo de Cullera.
') Ibid.: „Si en la traduccion de estas comedias se advierte ä las
veces error de inteligencia en algunos pasajes, omisiones en otros, es-
presiones que i^ertenecen ä varias personas en boca de una sola, debe
considerarse cuäles serian los exemplares latinos que pudo teuer presen-
tes el traductor. Ya se ha dicho en otra ocasion, cuan viciados fueron
las ediciones de Plauto durante el siglo XVI.
2) Schack. I, 236. — Bibl. de aut. esp. II, S. 201, Xo. 95. —
Ticknor. I, 455. — Barrera, Catäl. S. 393. 564.
3) Über Timonedas Geburtsjahr heisst es bei Barrera (Catäl.,
S. 391), es sei gegen 1490 anzunehmen. (Podemos fijar la epoca de su
nacimiento häcia los anos de 1490.) Xach S. 396 lebte er im Jahre 1597
noch (??), was Ticknor (I, 454), gestützt auf Ximeno, Escritores de
Valencia, I, 72, und Fuster, Biblioteca Valenciana, I, 161, angiebt.
*) Bibliot. de aut. esp. II, S. 291—305.
ä) Ibid., S. 201. Timoneda tradujo libremente en prosa esta
comedia de Plauto; suprimiö con inteligencia dos personajes poco ne-
cesarios, variö el prölogo, quitö los soliloquios inütiles de Peniculo en
el primer acto . y en el tercer el de Menecmo casado en el cuarto y el
de Mesenio en el quiuto. Diö muy oportunamente mayor estension ä
algunas escenas, ä otras mas naturalidad, mejorö el desenlace y conservö
en toda la pieza la gracia y lijereza cömica del autor latino. Precede ä
la comedia un prölogo en que hablan el Dios Cupido y tres pastores.
fi) Bibliot. de aut. esp. hat stets Menemnos; Barrera dagegen
S. 393 u. 5l>4 Menecmos.
Timonedas Menecnios. 505
Bei Plaut ns ist es anders: dort wird der Knabe im Gedränge
eines Festes bei Tarent verloren.
Claudino. El desdichado mancebo vinose ä Valencia, adonde asentö por
criado de Casandro, mercader de mucho trato y viudo, el cual te-
niendo no mas de una hija ä cabo de tiempo la casö con el en
pago de sus buenos servicios.
Gincbro. La desventurada madre, sabiendo en Sevilla las tristes nuevaa
y oreyendo ser todo perescido, puso nombre Menemuo al bijo que
le quedaba por el amor que tenia a hijo y marido ya defuntos.
Climaco. De manera, seiiores, que ambos ä dos bermanos (porque mejor
lo entendais) se llamaban Menernnos.
Ginebro. Muerta la madre, el Menemno sevillano certificado por im
adevino que su bermario era vivo y que estaba eu Espana deter-
mino de ir ä buscallo con im esclavo suyo , y ä cabo de tiempo
aporto en Valencia adonde por sus medios se vernan ä conoscer.
como aqui claramente verän los que atender quisieren.
Das Stück umfasst dreizehn Szenen.
1. Szene. Ein verblasstes Gespräch des Menemno easado
mit Talega, der hier die Rolle des herrlichen Peniculus spielt,
eröffnet das Stück. Die Szene ist vielfach gekürzt, dann an ge-
wissen Stellen wieder sehr breit getreten, z. B. wo Menemno
den Mantel seiner Frau aufweist:
Men. Mirala bien!
Tal. Mirola. ;0 que linda color tiene!
Men. jY que olor! si lo sintieses.
Tal. jQue olor! Veamos: ä tres cosas buele.
Men. ; Como ä tres ?
Tal. Dejämela tornar ä oler. Veamos.
Men. cjA que huele?
Tal. A burto lo primero, pues la hurtaste ä tu mujer.
Men. ;Lo seguudo?
Tal. A puta, pues se la ha de vestir Dorotea.')
Men. ;Y lo tercero?
Tal. Lo tercero huele ä linda comida. pues por su respeto bemos de
comer.
Nach V. 170 ff:
Men. Agedum, odorare baue quam ego babeo pallam; quid ölet? ap-
stines ?
Pen. Ölet.
Men. Quid igitur? quid ölet? respoude.
Pen. Furtum, scortum, praudium.
2. Szene. Audacia, des Menemno Frau, ist ihrem Gatten
nachgeeilt. Sie macht ihm Vorhalt Doroteas halber. Er aber er-
widert ihr: ,,Pues vocea cuanto quisieres, que por darte mas enojo
ire ä cenar y ;i tomar mis placeres con la que dices que conosces."
') Die Erotium dos Plaut us.
506 XL Menächmi.
3. Szene. Audacias Vater, Casandro, kömmt herzu. Er
stellt sieh zwar nicht gerade auf die Seite seiner Tochter, giebt
aber seinem Schwiegersohn doch allerlei Lehren; er möge sich
erinnern, „de quien fuiste por tu desdicha y de quien eres por mi
causa y como de perdido te hice ganado y de siervo libre, casan-
dote con mi ünica y amada hija, con la cual llevaste linaje, her-
mosura, virtud y mucho dinero."
4. Szene. Sobald der Alte fort ist, verfügt sich Menemno
zu Dorotea. Zwar warnt ihn Talega vor der Unbeständigkeit
solcher Liebe; „et est impossible que la que es acostumbrada de
sotometerse ä muchos por fuerza ame a ninguno de grado. " Auf
Talegas Klopfen zeigt sich Dorotea vor dem Hause. „Ay,
entranas mias!-' begrüsst sie ihn {V. 185, „anime mei''). Me-
nemno überreicht ihr den Mantel: „Rosa y vida mia, son tus
vestidos y los despojos de la loca de mi mujer," sagt er, was
matt klingt gegen die p 1 au tini sehen Verse, 200 ff.; Dorotea
soll ein kleines Mahl bereiten, worauf sich besonders Talega freut,
der mehrfach Wortwitze mit seinem Namen (= kleiner Sack) zum
besten giebt.
5. Szene. Der fremde Menemno mit seinem Sklaven
Tronchon tritt auf. Seine- Rede: „Hagote saber, Tronchon, que
la mayor alegria que sienten los navegantes es cuando de lejos
sobre las maritimas ondas deseubren la tierra," entspricht dem
plautinischen (V. 227):
Voluptas nullast uauitis. Messenio.
Maior meo animo quam si quam ex alto proeul
Terram conspiciunt,
und dem entsprechend:
Tronch. Y mayor si la tierra que deseubren fuese suya. Mas dime,
Senor, yo te soplico: ^k que respeto 6 causa, habiendo rodeado
todas las islas del mar venimos ä desembarcar ä Valencia?
Mtii. Necio; <;no sabes tu que voy buscando ä mi hermano?
Mess. Maior, uou dicam dolo,
Si adueniens terram uideas, quae fuerit tua.
Sed quaeso, quamobrem nunc Epidamnum uenimus?
An quasi mare omnis circumimus insulas '■
Men, Fratrem quaesitum geminum germanum meum.
Das Folgende gestaltet sich wieder unendlich breit und
weicht von PI au tus stark ab, besonders die Schilderung, die
Tronchon von Valencia und seinen Bewohnern giebt.
6. Szene. Dorotea tritt aus ihrem Hause. Sie spricht
den fremden Menemno, „el omnis homo de mi casa, ■' an und
spielt im allgemeinen die Rolle, wie Cylindrus bei Plautus.
Wie bei diesem, wird im Spanischen talega Gegenstand des
Missverständnisses.
Timouedas Menecnios. 507
Vor. ; Que es de Talega?
Tronch. Mirad si estä informada ya de la talega de la ropa que viene.
/= V. 287). In aller Kürze, meist nur angedeutet, sind noch einige
Motive ans Plautus verwertet, so die Geschichte mit dem Mantel,
worauf Menemno ins Hans eintritt.
7. Szene. Casandro redet seiner Tochter ernsthaft zu, sich
mit ihrem Gatten hesser zu vertragen. Kaum sind sie weg, so
kömmt (8. Szene) der fremde Menemno aus dem Hause Doro-
teas. Talega tritt ihm entgegen. Er sieht ihn mit dem Mantel,
den er am Arme trägt, um ihn beim Schneider Chi Hon umändern
zu lassen, und hegrüsst ihn. Menemno kennt ihn natürlich
nicht, da ruft Talega Dorotea. Von ihr hört er, dass bereits
gespeist sei, und schwer verletzt beschliesst er, sich zu rächen.
..Mas para esta que yo haga de manera que le haga mal pro-
vecho ä Dorotea la saya y a Menemno la comida que yo lo dire
ä mi sehora, " etwa nach V. 517:
Numquam edepol quisquam me exorabit, quin tuae
Vxori rem omnem iam, ut siet gesta, eloquar.
Omnes in te istaec recident contumeliae.
Faxo haud inultus prandium comedereis.
9. Szene. Etwas verspätet findet sich auch der verheiratete
Menemno ein. Er pocht an Doroteas Thüre. Diese wundert
sich, dass er schon wieder zurückgekehrt sei. „^Diste ya la saya
ä Chillon el sastre y el diamante al platero?" lautet ihre Frage.
Er weiss von Mantel und Diamant nichts, worüber Dorotea sich
sehr erzürnt. „De essa maniera te piensas alzar con la saya y
el diamante,"' ruft sie ihm zu, wie Erotium Argwohn hegend
(V. 685):
Video, quam rem agis :
Quae conmisi, ut me defrudes, ad eam rem adfeetas uiam.
Da kömmt auch noch Frau Audacia dazu, die gleichfalls
wegen des Mantels, von Talega wacker unterstützt, sich in argen
Vorwürfen gegen ihren Gatten ergeht.
10. Szene. Der fremde Menemno (M. mancebo) sucht er-
folglos allenthalben seinen Sklaven. Unterdessen hat Audacia
ihren Vater gerufen. Sie will von ihrem Gatten geschieden sein
(nach V. 783 ff.). „^Cömo se puede sufrir, senor padre, que este
vo casada con un tal hombre como este?" — „;Descäsate!" meint
der Alte, worauf Talega in seinem säubern Latein, mit welchem
die Komödie überhaupt untermischt ist, erwidert: „Eso non po-
test fieri, senor; porque col Deus conjungit homo non sepalat."
Menemno weiss von allem nichts, und da sie ihn für toll
erklären, nimmt er den Spass an. ..Pues estos dicen que soy
loco mejor sera fingir locura por echarlos de mi" (V. 832). Er
508 XI Menächmi.
beginnt nun mit Auslassung- anderer plautinischer Reden: „Si sf,
Apolo yo bare lo que mandas que & esta mujer y ä Talega les
d(' i-on esta mi espada mil cuchilladas" u. s. w. Alles fusst auf
Plautus, doch mit starken Kürzungen und Änderungen.
Oasandro läuft nach einem Arzte, die andern suchen das Weite.
11. Szene. Während eben der ansässige Menächmus klagt
(wie bei Plautus, V. 899), dass ihm Talega den ganzen Tag
verdorben habe, naht der Arzt Averroi s mit seinem Diener
Lazarillo. Er unterhält sich erst mit dem letzteren, der mit
lateinischen Floskeln um sich wirft; dann spricht Casandro
über den Diener; alsdann berichtet der Arzt von seinen Thaten:
„He curado una pierna al Dios Esculapio y he concertado un brazo
ä Baco." Nach langem, albernem Gerede wendet er sich erst an
Menemno. Auch in dieser Szene ist wenig von dem plauti-
nischen Witze zu finden; wohl aber ein endloser Wortschwall mit
lateinischen Phrasen. Endlich ruft Menemno um Hilfe. „;0
ciudadanos! ;o amigos mios! ;Socorredme!"
12. Szene. Tronchon eilt herbei und kömmt ihm zu Hilfe.
Menemno giebt ihm auf seine Bitten die Freiheit wie im Origi-
nale. ,.Por Ventura eres tu mi esclavo para que te haga libre
6 conözeote" (7. 1031). „Digo que te doy por libre y que te
tengo en cuenta de humano. " Die Sache löst sich durch das
Auftreten des Menemno mancebo, der sich um einen „esclavo
estranjero" erkundigt. Tronchon macht seine Freiheitsrechte
geltend; sein Herr weiss jedoch nichts davon. Die beiden Me-
nemno s erkennen sich als Zwillingsbrüder.
13. Szene. Ebenso löst sich das Stück für die übrigen
günstig. Audacia und Talega werden zufriedengestellt und
mit dem Gesänge:
Enhorabuena vengais vos.
Hermano mio,
Pues ä pesares hoy entre nos
Dais desvio.
endigt die Komödie.
Man kann das Ganze kaum eine Übersetzung nennen.
Es sind nur in dreizehn Szenen die Hauptpunkte des plauti-
nischen Stückes gegeben. Auf denselben lastet die den Spaniern
eigene Breite, die herkömmliche Ausführlichkeit in Nebendingen,
die eine Kürzung anderer gelungener Szenen, eine Unterdrückung
gerade der feinsten Witze nötig macht. Es ist eine Art
Inhaltsangabe des plautinischen Stückes und als solche nicht
immer am geschicktesten g macht, obwohl die Sprache leicht
dahinfliesst. Für die Darstellung, an die übrigens kaum
gedacht wurde, mag dies Stück immerhin geeigneter sein,
als z. B. Olivas Amphitruo; doch lag viel auch schon im Stoffe.
Italienische Übersetzungen. 509
Eine Bemerkung Rapps1) über D. Pedro Calcleron de
la Barcas (geb. 17. Jan. 1600; gest. 25. Mai 1681) „Hombre
pobre todo es trazas" mag, ob auch nicht direkt auf Plau-
tus bezüglich, hier stehen. „Der Spanier hat gewiss sehr sinn-
reich die griechischen Menächmen dadurch auf den Kopf ge-
stellt, dass ein Liebhaber bei zwei verschiedenen Damen zwei
verschiedene Männer spielt.1' — Ahnlich dem ist im Englischen
Colley Cibbers „The double gallant: or the sick lady's eure".
(Dramatick works. London 1760. 4 Bd.)
Von allen Ländern Europas hat sich Italien am
meisten des Stoffes der plautinischen Menächmi be-
mächtigt. Zahllos sind die Bearbeitungen derselben:
ott bis zur Unkenntlichkeit entstellt, treten sie auf die
Bühne; doch aber lässt sich der Faden festhalten, der
von Plautus zu den zahlreichen Spielarten der Zwillings-
brüder führt.-)
Einzelner Menächmenauiführungen ist bereits (S. 50 ff.) Er-
wähnung geschehen. Im Jahre 1501 war in Ferrara wieder
eine solche. Der Diario Ferrarese3) macht daraus den Me-
nechino, in der Meinung, es sei dies die Mailänder Lokalmaske
des Meneking.
Eine Übersetzung wird dem Herzog Ercole I. zugeschrie-
ben:4) ein weiteres Manuskript, ..I Menecmi di Plauto, tra-
dotti in versi volgari da Giovanni Falugi e dedicati a Ippo-
lito de Medier', nennt Argelati5) als Codex der Bibliothek
Magliabecchi (num. CLXVII). — Aus dem Jahre 1528 stammt die
,,Comedia di Plauto, novamente tradotta, intitolata Menechmi
molto piacevola e ridiculosa." In Venezia. Per Girolamo Pentio
da Lecco ad istanza di Christophoro detto Stampano. Sie ist
abwechselnd in terza, quarta und ottava rima gehalten. — Im Jahre
1530 erschien die Übertragung: „Comedia di Plauto, intitolata
Menechmi dal Latino in lingua volgare tradotta et con somma
diligentia corretta."
') Studien, S. 177. — Ebenso Rapp (Spanisches Theater I, 18):
„Es war ein schöner Gedanke, die Menächmenfabel unizukehren, dass
einer für zwei gilt."
2) S. die vortreffliche Abhandlung von Stiefel, „Die Menächmi
des Plautus im italienischen Drama" auf S. 340 — 357 des fünf-
zehnten Bandes (1879. Heft 8) der Blätter für das bairische Gymnasial-
wesen, deren Resultate hier dankbarst verwertet wurden.
3) Muratori, Script, rer. ital. XXIV. Col. 393.
4) Argelati. III, 234.
5) Ebenda.
J5J0 XL Menächmi.
Viel späteren Datums sind „GH Omodolfi';, Commedia
cavata da Plauto da Nicolö Griffo da Valcapraja: al signor
Carpa Rettore della Sapienza Veeeliia etc. In Perugia pel Co-
stantini 1739; eine Art Überarbeitung des Originales.1)
Die erste freie Nachahmung der plautiniscben Me-
nächmenfabel entbält die Calandria (Calandra) des Kardi-
nals Bibbiena2) (1470 — 1520), welche, aus dem Ende des fünf-
zehnten oder dem Anfange des secliszelmten Jahrhunderts stammend,
wahrscheinlich zuerst in Urbino im Jahre 1508 aufgeführt
wurde. Lange hat man das Stück als die erste italienische Ko-
mödie bezeichnet.3)
Über das Verhältnis zu Plautus berichtet der Prologo Fol-
gendes: „De' quali (= spettatori) se fia chi dirä (che dica, Asg.
1561), lo Autore essere gran ladro di Plauto: lasciamo
stare che a Plauto staria molto bene lo essere rubato per tenere
il moccicone le cose sue senza una chiave, senza una custodia
al mondo: ma lo Autore giura alla croce di Dio che non gli ha
furato questo (faccendo uno scoppio con le dita), e vuole stare a
paragone. E che ciö sia vero, dice che si cerchi quanto ha Plauto,
e troverrassi che niente gli manca di quello che aver suole. E
se cosi e, a Plauto non e suto rubato nulla del suo, perö non
sia chi ladro imputi lo Autore. Et se pure alcuno ostinato
ciö ardisce, sia pregato almeno di non vituperarlo accusandolo
al Bargello , ma vada a dirlo segretamente nell' orecchio a
Plauto. "
I. Akt. (1.) Der Diener Fessenio führt uns in die Situation
ein. Li dio, sein Herr, sucht seit langer Zeit seine im Türken-
kriege verloren gegangene Zwillingsschwester Santilla, die ihm
') Argelati, a. a. 0. e. Giacinto Vincioli e l'autore di questa com-
media, la quäle per non essere una mera traduzione de' Menecmi di
Plauto, onde e tratta, perciö si dice cavata da Plauto. II prologo e in
versi, ma la commedia e in prosa. La data della Lettera al Rettore
della Sapienza vecchia e 12 giugno 1725.
2) La Calandria. Commedia di Messer Bernardo Divizio da
Bibbiena. Die mir vorliegende Ausgabe ist nach dem Schlussworte
„lo stampatore al leggitore" von Florenz, den 24. Januar 17i0, datiert.
— Eine weitere von mir benützte Ausgabe ist: Calandra, | Comedia di
M. | Bernardo Di vitio da | Bibiena. | Di nvovo ricorretta | e ristampata.
In Venetia appresso | Francesco Rampazetto. 1561. (46 fol.) -- Nach
Cantü (storia della lett., S. 472) ist die erste Auflage von 1513, nach
Apostolo Zeno von 1521, nach Quadrio von 1524.
3) Ginguene, VI, pag. IL chap. 22, pag. 181. — Sismondi, Litt,
du midi. II, 82. — Ruth. II, 494. 499. 519. — Klein. IV, 392. — Vgl.
„Le Commedie d' Ariosto ed. Tortoli", pag. XXXIX. Tortoli nennt
die Calandria „pregievolissima per la grazia, naturalezza e vivacitä
del dialogo, ma piü libera che a im prelato romano non si conveniva;
non e peraltro ne di tempo ne di merito la prima commedia
italiana."
Bibbieuas Calandria. 511
„di volto, di persona, di parlare, di modo" so ähnlich ist, dass
selbst, die Amme die Kinder nicht unterscheiden konnte. Während
seines Aufenthaltes in Rom hat sich Lidio in Fnlvia, die
Frau des Calandro, von dessen Thorheit schon der Prolog
berichtet (,.si sciocco che forse difficil vi fia di credere che Na-
tura iiomo si sciocco creasse giammai"), verliebt. Oft hat sie ihn
am hellen Tage, als Weib verkleidet, unter dem Namen seiner
Schwester, Santilla, bei sich aufgenommen; doch hält es Lidio
jetzt für geratener, sich zurückzuziehen. Fulvia merkt die Ab-
nahme seiner Liebe und ist trostlos darüber: „ricorre a maliastre,
ad incantatrici, a negromanti, che ricuperare le facciano lo amante
suo, come se perduto 1' avesse." (2.) Lidio mit seinem pre-
cettore Polinico tritt auf. Dieser Hofmeister ist der wohl-
bekannte Ludus der Bacchides (S. 441). Wie dieser (7.
109 ff.), jammert er laut über seinen auf Abwege geratenen
Zögling. ,,E certo, e' non mi saria mai caduto nell' animo, Lidio,
che tu a questo venissi, che drieto andando a' vani innamora-
menti sprezzatore d' ogni virtü se' diventato, ma di tutto do
causa a quella buona creatura di Fessenio." Ganz wie in den
Bacchides füllen die Szene die Liebesseufzer Lidio s, die Mo-
ralsentenzen Polini cos und Fessenios kühne Witze. Nach
dem Abgange des Präzeptors (3.) teilt Fessenio seinem Herrn
mit, dass der alte Calandro, der ihn in weiblicher Kleidung
gesehen hat, in ihn verliebt sei, ,.credendo che tu sia donna. "
Ferner hören wir von der unglaublichen Dummheit Calandros,
der, wie Fessenio es ausdrückt, nur Heu zu fressen brauchte,
um ein Ochs zu sein. Er glaubt in seiner Beschränktheit, „che
quante lo vedono, subito si innamorino di lui, come se altro piü
bei fante di lui non si trovasse in questa terra. In fine, come
il vulgo usa dire, se mangiasse fieno, sai-ebbe un bue." (4.) Ca-
landro kömmt zu Fessenio, um sich nach seiner geliebten
Santilla zu erkundigen. Fessenio giebt ihm die günstigsten
Aussichten auf ihr Entgegenkommen. Gleich darauf bringt (5.)
Samia, Fulvias Magd, Kunde von ihrer Herrin. Sie hat sich
entschlossen, ihren Geliebten sich durch Zauberkräfte zu erhalten.
Die Magd ist sehr charakteristisch; sie verwechselt alle seltneren
Ausdrücke. Dem hinzutretenden Nekromanten Ruffo (6.).
übermittelt sie den Wunsch ihrer Gebieterin. Dieser wundert
sich zwar, dass auch Fulvia so thöricht sei, dennoch aber be-
giebt er sich sogleich zu ihr. (7.) In einer äusserst gelungenen
Szene erfährt Calandro durch Fessenio, dass sein Wunsch hin-
sichtlich San tili as sieb erfüllen werde. Aach der Nekromant
bat seinen Auftrag von Fulvia erhalten. Ihn zu erfüllen, wird
ihm leicht; denn sein Landsmann Lidio, ein Grieche wie er.
sowie dessen Diener Fannio sind ihm wohlbekannt. Sie wohnen
512 XL Menächmi.
im Hause dos florentmischen Kaufmannes Perillo, zu welchem
er sogleich geht.
II. Akt. (1.) Santilla, als Mann gekleidet, hilft durch
ihre Einleitung dem Verständnisse der Zuschauer nach. Seit
ihre Vaterstadt Modone (in Griechenland) von den Türken zer-
stört und verbrannt wurde, hat sie zu ihrem Schutze die männ-
liche Kleidung und den Namen Lidio nicht mehr abgelegt.
Diese Verkleidung gereichte ihr zum grössten Glücke, denn: „ne
il Turco di cui eravamo schiavi, ci aria venduti, ne forse Perillo
riscossici, se saputo avesse che io femmina fussi. " Perillo, welcher
sie loskaufte, liebt sie als treuen Diener, ja er hat sogar vor, ihr
seine einzige Tochter, Virginia, zur Frau zu geben. Darüber
will sie sich eben mit Fannio besprechen, als sie (2.) von Samia
unterbrochen wird. Santilla kennt die Magd natürlich nicht,
diese aber spricht sie zu ihrer Verwunderung als Lidio an.
Nach kurzer Zeit kömmt auch (3.) der Nekromant Ruffo. Er
erzählt der staunenden Santilla, dass Fulvia sterblich in ihn
verliebt sei; sie möge dieselbe besuchen und zwar in weiblicher
Kleidung, denn sie will „che lo spirito ti costringa andarvi in
forma di donna," worauf Santilla eingeht. Auch Fannio (4.)
rät ihr dazu, da sie so einen Tag lang nicht zu finden sei. (5.)
Fulvia erkundigt sich bei Fessenio um Lidio. Da dieser ihr
mitteilt, Lidio wolle abreisen, um weiter nach seiner Schwester
Santilla zu forschen, lässt sie ihn bitten, nicht zu gehen. Sie will
selber das Mädchen in ganz Italien suchen lassen, und, wenn es
gelingt, es aufzufinden, ihm ihren Sohn Fl amini o als Gatten
geben. Fessenio verspricht, das Seinige bei seinem Herrn zu
thun, und hofft, ihn bestimmen zu können, da Lidio „non meno
lo desidera". (6.) Fessenio macht Calandro, der wieder Pro-
ben unglaublicher Dummheit giebt, Hoffnung auf Santillas
Gegenliebe. (7.) Samia schildert den Gemütszustand der leiden-
schaftlichen Fulvia. (8.) Auch Santilla ist trostlos wegen
ihrer bevorstehenden Hochzeit mit Virginia. Fannio beruhigt
sie in ihren bangen Befürchtungen; es werde sich alles gut
fügen. (9.) Calandro wird von Fessenio auf alles Weitere
vorbereitet und verabschiedet (10.) sich bei seiner Gattin, um in
die Stadt zu gehen.
III. Akt. Die drei ersten Szenen sind weitere Belege für
Calandros Unverstand. Fulvia verrät in langer Rede ihre
heftige Leidenschaft zu Lidio. Auch sie hat ihre Kleidung ge-
wechselt, um als Mann ihrem Geliebten folgen zu können. Ihre
Liebesglut hat sich auch auf ihre Dienerin Samia übergetragen.
..La padrona m' insegna che auch' io mi dia bei tempo;" so ruft
sie ihren Lusco. Nach einigen Szenen berichtet Samia (14.)
Fulvia ihre Erfolge bei Lidio; er wolle von ihr nichts wissen.
Bibbienas Calandria. 513
Bei Fulvias Unglück hat Samia den einzigen Trost: „forse lo
spirito lo moverä;" und alsbald kömmt auch der Xekromant mit
guter Nachricht; ihm folgt Santilla in Lidios Kleidung, um
Pul via aufrichtig besorgt. Samia kann dies nicht begreifen.
..Dinanzi non poteva costui sentire ricordarla, e or mi vuol far
credere che altro bene non ha che lei!" Mit guten Aussichten
für alle endet der Akt.
IV. Akt. (1.) Pulvia befiehlt Samia, sofort den Nekro-
manten zu holen. (2.) Dieser ist sogleich zur Hand, und Fulvia
empfängt ihn mit lauten Klagen. Hier muss ein Irrtum im Ge-
schlechte vorliegen. ,,Tutto 1' ho maneggiato e toeco . . . io non
tanto la privazion del mio diletto piango quanto il danno suo,
che per me privo si truova di quel che piü si brama." Nun,
meint der Xekromant, das war ein Missverständnis des Geistes.
Der Geist hat zu viel gethan und ..per piü compiutamente ser-
virti, e nel sesso e nell' abito di donna ha mandato a te lo amante
tuo-. Indessen, ..chi femmina 1' ha fatto, ancor maschio puö ri-
farlo.-' Fulvia hat sich nun fest und entschieden zu erklären,
was sie verlange, worauf sie wünscht, einmal „la prima cosa che
se gli renda il coltel della guaina niia" und dann „che in abito
non in sesso da donna torni a me". In diesem lasziven Tone,
ja noch derber, geht es weiter. Ruffo verspricht, es werde alles
sich zur Befriedigung lösen. Um dem Geiste Kredit zu verschaffen,
will nun Fannio, da ja das Zimmer finster ist, an Lidios (San-
tillas) Stelle zu Fulvia kommen. Ein Brief des Nekromanten
erklärt Fulvia, „che allo amante tuo rimetterä presto il ramo."
Er brenne vor Begierde nach ihr. „Mandali denari spesso, e cosi
allo spirito, per farlo a te grato e a me felice.-'
V. Akt. (1.) Unmittelbar nach Empfang dieses Briefes ent-
sandte Fulvia, zu jedem Opfer bereit, eine Börse mit Dukaten.
Da Samia dieselbe abliefern will, findet sie zwei Lidio vor sich,
die nicht zu unterscheiden sind. „Non e aleuno si simile a se
stesso, ne la neve alla neve, ne 1' uovo all' novo, come e 1' uno
all' altro di costoro. " Das hat wieder der Geist gethan! Es ist
nur eine „trama diabolica, cosi condotta da quello spirito male-
detto!" Fulvia wird übrigens den ihrigen zu erkennen wissen.
(2.) Fessenio sucht seinen Herrn und findet Santilla, die er
\uv denselben ansieht. Er nennt sich ihren Diener u. s. w. Sie
versteht das alles nicht, bis (3.) Fannio dazu kömmt und als-
bald Lidio, der wieder zu Pulvia geht, indessen Fannio und
Fessenio sich erkennen. (4.) Samia eilt in Verzweiflung her-
bei. Calandros Brüder haben Lidio bei der Frau des Alten
gefunden und sogleich nach ihm geschickt. Fessenio bestimmt.
Santilla, um die Ehre ihres Bruders zu rette»!, durch das Fenster
rieh dorthin zu begeben. So wird Lidio frei, und als Calandro
33
514 XI. Menächmi.
wütend das Haus durchsucht, findet er — ein Weib, „che e una
fanciulla, tutti si sono rasserenati, tenendo Fulvia la piü pu-
dica donna del mondo." (!)
Die letzte (12.) Szene gehört der Freude des Wiederfinden!?.
Nochmal findet Fessenio, er habe niemals „uomo ad uomo si-
mile, come e 1' uno all' altro di voi" gesehen. Diese Ähnlichkeit,
meint S an tili a, soll nun ausgenützt werden. Lidio soll die
Tochter des Perillus, die ihm zugedacht war, heiraten. Mit
reichen Lobsprüchen auf Italien endet das Lustspiel. Sie werden
hier glücklich leben; ,.tanto meglio, quanto Italia e piu degna
della Grecia, quanto Roma e .piii nobil che Modone." Mit dem
,,Valete [et plaudite]" Fessenios schliesst das Stück.
Man kann die Calandria keine direkte Nachahmung
der Menächmen nennen; dass sie aber auf dem Boden
des römischen Lustspiels erwuchs, ist selbst ohne die
eigenen Zugeständnisse des Autors ebenso wenig be-
streitbar, als es klar ist, dass der plautinische Messenio den
italienischen Fessenio veranlasst hat. Der weitere Schritt, den
der Dichter der Calandria gewagt hat, ist der, dass Lidio
statt eines Zwillingsbruders eine Schwester hat, und
darin lag schon ein Stück der Laszivitäten der Hand-
lung begründet, obwohl sich dieselben nicht unter jeder Feder
so üppig entfaltet hätten, als es jene des Kirchenhirten Divizio
zustande brachte.
Der Erfolg der Calandria muss ein gewaltiger gewesen sein,
und hätte es der Kardinal ein wenig strenger mit Anstand und
Sitte genommen, so müsste man denselben als nach allen Seiten
hin berechtigt erklären. Sie wurde auch im Auslande, z. B. 1569
am Hofe zu München, gespielt. ')
Stiefel2) urteilt über die Calandria in ihrem Verhältnisse
zu den Menächmen wie folgt: „Wenn wir unsre Betrachtungen
über die Calandria kurz zusammenfassen, so ergiebt sich als
Resultat, dass unser Dichter den PI au tu s sehr geschickt benützt
hat, sodass ihm weder der Vorwurf eines Plagiators, noch der
eines sklavischen Nachahmers gemacht werden kann. In ge-
wandter Benützung des plautinischen Ähnlichkeitsmotives und
durch Herbeiziehung eines wesentlich modernen Elements — der
Novelle - - hat er eine Komödie geschaffen, die das Lob der
Originalität neben dem der geistvollen Komik mit vollem Rechte
für sich in Anspruch nehmen darf."
Die Geschichte der Menächmen zieht immer weitere
Kreise. Sie entfernt sich von ihrem Urbilde, hat aber
') Prölss. I, 2. 101.
2) A. a. 0. S. 344.
Buonfanti da Bibbiena. 515
-doch in ihm ihre Quelle. Freilich wird eine Reihe der
nun folgenden Stücke nicht direkt aus Plautus, sondern
aus Bibbienas näherliegender Bearbeitung') geflossen
sein und darum vom Originale immer weiter abkommen.
Ausdrücklieh wehrt sich gegen den Vorwurf, die Calandria
benützt zu haben, Messer Pietro Buonfanti da Bibbiena in
seinem Lustspiele „Errori incogniti",2) indem er im Pro log o
(p. 6) sagt: „Mi rimane sol (come faccio) a pregarui . . . che non
vogliate dire (come talvolta alcuni sogliono) costui che ha compilata
questa sua comedia ha rubato quello che in essa e di buono (se ce
n' e) dalla Calandra, dall' Amor costante, da gl' Ingiusti sdegni, ö
da altre belle Comedie. "
Das alberne, unendlich lang gedehnte Stück berührt nur
im Anfange und am Schlüsse die Menächmenfabel.
In der ersten Szene des ersten Aktes erzählt Messer
Cassandro seinem Diener Zanni seine Erlebnisse, „per allegge-
rire alquanto il dolore che nel petto mio tengo ascoso. " Die
Szene spielt in Neapel, Cassandro aber ist in Genua geboren.
Streitigkeiten zwangen ihn zur Flucht. Er änderte seinen Na-
men Ostilio in Cassandro und seine beiden Kinder, Obietto
und Fl amini a, taufte er in Porfirio und Eugen ia um. Was
ihn am meisten schmerzt, ist der Umstand, dass er bei seiner
eiligen Flucht seinen Bruder Bindinello über nichts mehr in
Kenntnis setzen konnte. Sein Zwillingsbruder, „il qxial nacque
meco ad vn medesimo parto, e tempo: e mi somigliaua tanto, che
quelli ancora, che haueuano stretta pratica con noi: spesse volte
s' ingannauano, " ist, wie er hörte, bald darauf zu Genua an der
Pest gestorben.
Nun folgen fünf Akte, welche mit der Einleitung nicht im
geringsten Zusammenhange stehen. Einige Szenen erinnern
uns, wenn auch in dezentester Weise, an Casina und Asinaria.
Der alte Cassandro fühlt zu den übrigen Leiden und Drang-
salen auch noch eine „nuoua passion che '1 cuor mi tormenta",
er ist verliebt in Filomena, dasselbe Mädchen, nach welchem
sein Sohn Porfirio strebt. Filomena, die Tochter Camillos
und Schwester Perseos, ist aber in den spanischen Capitano
Mondragone, eine Art Miles,3) dem sein Diener Hernandiglio
') So z. B. Ag. Firenzuolas „la Trinuzia". Ruth. IT, 583.
2j Errori | Incogniti. | Comedia | Di Messer Pietro | Buonfanti da
Bibbiena. | In Firenze. | Appresso Giorgio Marescotti. 1587. | Con Licenza
de'Superiori. I4'2pag. (Das Letzte Blatt trägt die Jahreszahl MDLXXXVL)
— Allacci, S 117, zitiert 1.">SS.
3) Confortina sagt ihm S. 02: „Se uoi mi promettete di uolerui
innamorare di Filomena mia padrona, e lasciare taute Reine che
•uoi dite che son guaste di uoi" u. 8. w.
33*
516 XI. Menächmi.
zur Seite steht, verliebt und lässt ilim durch ihre Zofe Confor-
tina fünfundzwanzig Scudi mit ihrer Liebeserklärung überbringen.
Eugen ia, Cassandros Tochter und Schwester Porfirios, wird
von Perseo, Camillos Sohn, zur Elie verlangt. Sie ist aber
in einen Deutschen, II Signor Tedesco, der Italienisch rade-
bricht, verliebt und lässt ihm durch ihr Mädchen Betuzza einen
Diamant für seine Liebe bieten. Es kömmt zu allerlei Verklei-
dungen und Irrungen, bei welchen es den jeweiligen Liebhabern
schlecht ergeht; Cassandro kömmt schon frühe (III, 5) darauf,
wie thöricht die Liebe der Alten ist, und giebt sie auf, da er
erfährt, dass sein Sohn in Filomena verliebt sei. So wickelt sich
die Geschichte in endlosen Reden, meist ohne strengen Zusammen-
hang und ohne jede Beziehung auf die Zwillinge, ab; da erscheint
in der fünften Szene des fünften Aktes Bindinello mit seinem
Diener Girometto und tritt im Hause seines Bruders ein. Bald
nach ihm kömmt Cassandro. Porfirio hat unterdessen Bindi-
nello für seinen Vater gehalten; auch Zanni kann die beiden
nicht unterscheiden. „A mi quest mi par mesier Casader, e quest
mi par vi midem mesier Casader: a voi? guarda vn po meio ah,
ah, vu, vu, sil nie padru, e vn si qualche spirito maligno." Und
je länger er beide betrachtet, um so weniger kann er sie aus-
einanderhalten. „Quant piu '1 mir plu me par elo. " Endlich löst
Bindinello die Zweifel: „Or e tempo orama de leuä le maraueie
e chiarir dubio, o fre caro Ostilio. " Er erzählt nun im Ferneren
seine Erlebnisse. „Non ha vn mese, che vn huomo straniero
venne a Genoua, e vedendoini, disse, corae e possibile che cosi presto
siate venuto da Napoli (gentil' huomo mio) auanti di me, essendo
io venuto in poste, e con gran diligenza. "
Zum Schlüsse stellt es sich heraus, dass Filomena und
Perseo Camillos Kinder nicht sind, sondern von ihm gekaufte
Sklaven, und Cassandro umarmt in ihnen seine zwei Kinder,
Perinetto und Emilia, die er im Meere begraben glaubte.
Porfirio endet die Intrigue. „Che cosa nefandissima e che i
fratelli prendano per ispose le sorelle proprie loro, " man muss
um andere Bräutigame umsehen; Emilia soll den Herrn Mondra-
gone, Flamini a den Deutschen heiraten; Zanni erhält Ber-
tiizzas Hand u. s. w.
Mit der ganzen Fabel des Stückes, wenn man, strenge
genommen, von einer solchen sprechen kann, haben die Me-
nächmi wenig zu tliun, Die Zwillingsbrüder und ihre Ähn-
lichkeit, die nur zu einer, und will man Zanni rechnen, zu zwei
Verwechslungen führt, beeinflusst nur die letzten Szenen des
Stückes; die übrigen bauen sich ganz unabhängig von dieser
Geschichte, die auch nur Episode ist, auf. Ein Stück Selbst-
erkenntnis verraten die Worte Filipellos, des Dieners Camillos,:
Gl' Ingannati. Les Abusez. 517
..vi pregherö ad hauerne scusa, se o per lunghezza o per altro
ui hauessimo dispiaeiuto. u
In die Jahre 1527 — 1531 fällt die Komödie Gl' Ingannati,
verfasst von einem nicht bekannten Mitgliede der Akademie der
Intronati zu Siena. ') Hier ist es die Plünderung- Roms (1527),
welche zwei einander völlig- ähnliche Zwillingsgeschwister,
Fabrizio und Lelia, trennt. Lelia ist im Hause ihres Vaters
geblieben, da sie aber gezwungen wird, den alten Gherardo zu
heiraten, ergreift sie in männlichen Kleidern die Flucht und dient
als Page einem edlen Römer, Flaminio, den sie längst liebt, der
aber ihre Liebe nicht erwidert. In seinem Dienste hat sie haupt-
sächlich den Liebesboten zwischen ihm und Gherardos Tochter,
Isabella, zu machen, erregt aber selbst Isabellas Liebe in
hohem Grade. Unterdessen ist auch Fabrizio angekommen, und
seine Ähnlichkeit mit seiner Schwester führt zu zahlreichen Ver-
wechslungen, endlich aber auch zur Lösung.
Wenige Jahre nach ihremErscheinen(1537) wanderte die Komödie
auf französischen Boden durch die Übersetzung a-ou Charles
E s t i e n n e -) unter dem Namen „ L e s A b u s e z " . Von dem Stücke sagt
die Einleitungsepistel des Übersetzers: „toutesfois en lisant i'espere
que la trouuerez teile que si Terence mesme l'eust composee en Ita-
lien, ä peine mieulx l'eust il sceu dicter, inuenter ou desduyre. "
Die hohe litterargeschichtliche Bedeutung des ita-
lienischen Stückes und seiner französischen Übersetzung-
mag eine Analyse desselben wohl rechtfertigen.
') Neben manchem andern Stücke hat auch Francesco d' Ambras
(-}• 1559) Lustspiel „II furto" Berührungspunkte mit den Ingannati.
{II | Fvrto, | Comedia | di | M. Francesco | d' Ambra cittadino, e | Acca-
demico Fiorentino. | Nuouamente data in luce. | In Fiorenza. | Appresso
i Givnti. | 1560. 44 fol.) Vgl. Prölss. I, 2.134. — Die Komödie Gl' In-
gannati ist meist zusammengedruckt mit einem Gedichte II Sacri-
fizio d' Amore.
2) Comedie, ä | LA MANIERE | des anciens, & de | pareille matiere
intitulee, Les | Abusez. |
Comjaosee premierement en langue | Tuscane, par les professeurs
de l'aca demie vulgaire Senoise, nommez Intronati: & depuis traduicte
en nostre | langaige Francoys, par Charles Estienne. | — Auec priuilege.
— On les vencl ä Paris en la rue neuiüe nostre | danie ä l'enseigne du
Faulcheur; deuaant | saincte Geneuiefue des Ardens. | Das Privileg isl
vom 29. Oktober 1540. Der Druck wurde geschlossen am 26.Dezember 1540.
Er umfasst 83 fol. in 12° mit vielen Bildern, welche vor jeder Szene
die Personen darstellen; dazu l'1 Seiten Einleitung und Prolog. — Beau -
champs, Recherohes (I, 156), nennt Ausg. von 1543 (Lyon) und I5f)'i
(Paris). — Fälschlich bezeichnen Klein (IV. 74;»). Prölss (1,2. 138) und
Ward (I, 404) als Übersetzer der Abusez den Francoia Juste den
Drucker) und 1543 als Datum. — Über die Quelle sagt Beauchamps
(1. c): „Le sujet de cette piece est prise mot ä nmi des histöires tra-
gique du Bändel, traduite par Belleforest, to. 4. bist. 59 feuil. 202.
— Estienne hat auch dieAndria des Terenz (1540) in Prosa übersetzt.
518 XL Menächmi.
I. Akt. (1.) Der alte Gerard Foyani will Lelia, die
Tochter des alten Virginio, heiraten, womit dieser völlig ein-
verstanden ist; (2.) weniger kann ihre Amme Clemence diese
Heirat hilligen. (3.) Lelia hat sich in Pagenkleidern gesteckt;
.,de tont cecy est cause l'amour que ie porte ä cest ingrat, ä ce
cruel de Flamminio. " In einer langen Szene erzählt sie der
überraschten Amme, dass sie Flamminios Diener, unter dem Na-
men Fabio, geworden sei, und dass ihr Herr, den sie seit lange
lieht, sein Herz Isabella Foyani geschenkt habe und sie oft
zu ihr mit Liebesbriefen sende; diese jedoch „s'est si estrange-
ment amourachee de moy qu'elle me faict les plus grandes ca-
resses du monde. " (4.) Der alte Gerard will sich verjüngen
aus Liebe zu Lelia; sein Diener Spela soll ihm ,.vne boete de
ciuette" holen; „car ie vueil maintenant entrer en amoureuse vie. "
(5.) Unterdessen hat der alte Virginio seine Tochter Lelia durch"
Scatissa aus dem Kloster, wo sie bisher lebte, holen lassen; allein
sie war dort nicht mehr zu finden.
IL Akt. (1.) Flamminio wundert sich, dass die spröde
Isabella, die doch von ihm nichts wissen wolle, seinen Pagen
(Lelia) stets annehme. Lelia versichert ihn, er habe von Isa-
bella nichts zu hoffen, doch aber schickt er sie wieder zu ihr.
(2.) Von Pasquette, Isabellas Dienerin, erfährt Fabio (Lelia)
allerlei über Isabellas Seelenstimmung. „Elle pleure, eile se
consume, eile se destruyt, pource qu'a ce matin tu n'as pas point
passe" par deuant notre maison." Pasquette hält ihr ihren
Stolz strenge vor. (3.) Crivello, Flamminios Diener, ist er-
bittert, dass Fabio sich die Gunst seines Herrn in so reichem
Masse erworben habe. Ohnehin auf ihn eifersüchtig, wird er (5.)
Zeuge, wie Isabella denselben küsst. (6.) Da Fabio (Lelia)
seinem Herrn Kunde bringt von Isabellas fortgesetzter Kälte,
glaubt Flamminio, sie habe von seiner früheren Liebe zu Lelia
erfahren und wolle ihn deshalb nicht. Die arme Lelia muss
nun Worte hören, die sie beinahe vernichten. Sie soll wissen,
„que i'ay bonne intention de luy donner en brief ä cognoistre
que ie l'ayme plus que Lelia & que i'ay Lelia en grand hayne,
& ne scauroye plus ouyr parier d'elle. " Ja schwören will er,,
nie mehr dahin zu gehen, wo er von ihr hören oder sie sehen
könnte. Die tief ergriffene Lelia wird fast ohnmächtig und
macht in verzweiflungsvollen Worten ihrem Schmerze Luft. (7.)
Crivello schildert seinem Herrn, was er gesehen habe. Zweimal
haben sich Fabio und Isabella geküsst, und auch Scatissa sei
Zeuge gewesen.
III. Akt. (1.) Fabrizio, Virginios Sohn, mit seinem
Hofmeister (pedagogue) und seinem Diener Stragualcia, tritt
auf. Der Pädagog zeigt ihm die Sehenswürdigkeiten von
Ch. Estiennes Les Abusez. 519
Modena. (2.) Eine gelungene, fast moderne Szene spielen
die beiden Modeneser Wirte, Laise und Brouillon, die beide
mit der aufdringlichsten Empfehlung ihrer Gasthöfe die neu An-
gekommenen belästigen. (3.) Virginio schilt die Amme Gie-
men ce wegen der Flucht seiner Tochter; diese jedoch ist um
ihre Verteidigung nicht verlegen: der alte Mann sei keine Partie
für das junge Fräulein. (4.) Der Wirt Brouillon, bei dem
Fabrizio abstieg, vertraut ihm, wie ähnlich er einem hier be-
dienstet:en Pagen sehe: „Croyez que si ce n'estoit que ie vous
av veu vestir ces habitz, i'eusse iure que vous feussiez vng
ieune gars, paige d'un gentilhomine de ceste ville, lequel va
ainsi vestu de blanc comme vous: & vous ressemble si bien du
tout en tont qu'il n'y a quasi rien ä dire des deux. " Von
nun an beginnen die Verwechslungen. (5.) Pasquette,
Isabellas Kammermädchen, hält Fabrizio für den Pagen, und er
verspricht, da er denkt, es werde irgend ein Spass daraus werden,
auf ein gegebenes Zeichen in Isabellas Haus zu treten; doch
will er alle Vorsicht gebrauchen, „car il seroit bien possible que
ceste cy feust seruante de quelque Cortisane & me pense ioncher
de quelque escu." (6.) Indessen Virginio und Gerard sich
über Lelia besprechen, kömmt (7.) Fabrizio. Virginio hält
ihn für seine Tochter, wirft ihm sein unweibliches Betragen
vor und lockt ihn endlich ins Haus, nachdem Gerard ihm mehr-
fach vorgestellt hat, dass er seine Frau werden soll.
IV. Akt. (1.) Der Pädagog, der in üblicher Weise meist
in lateinischen Phrasen spricht, schimpft den Diener Stragualcia
heftig, weil er den jungen Herrn verloren habe. (2.) Der mit
Gerard auftretende Virginio erkennt den Hofmeister seines
Sohnes, Pierre de pagliarici, und, Schlimmes ahnend, fragt er ihn
ängstlich, wo sein Sohn getötet Avorden sei. Der Pädagog
tröstet ihn: „Votre filz est encore viuant & en bonne sante, Dieu
mercy," und erzählt dann, wie der Junge, bei der Plünderung
Eoms von dem Kapitän Hortye gefangen, ihm wieder entkom-
men .sei und sich hier „ä l'hostelerie du Sot" befinde; auch
Stragualcia gesellt sich dazu (3.) Lelia (als Fabio gekleidet)
erfährt von Gerard, dass ihr Bruder zurückgekehrt sei (4.) In
höchst derber Weise berichtet Pasquette (5.), dass die beiden
Alten, „sotz comme oysons,-' um jeden Preis behaupteten, Fa-
brizio, den sie für den Pagen hielten, sei ein Mädchen, und ihn
zu Isabella sperrten. Pasquette, die als Wächterin den
Schlüssel erhielt, sali sie bald kosend und wollte sich nun Ge-
wissheit verschaffen „si c'etait masle ou femelle; car ma mais-
tresse vous l'auoit desia empoigne gentenient & VOVLS l'auoit couchc
a la renuerse sur le litt & m'appelloit que ie luv aydasse, ce
pendant qu'elle luy tiendroit les mains .... Mamye ie le vous
520 XI Menäehmi.
destach e par deuant: & tout soubdain, voicy sortir vng gros, ie
ne scay quoi qui nie vieut frapper si grand coup sur les mains,
floe, & moy deuant: ie ne scay pas bonnement, cy cestoit vng
pillon oxi vne carotte, ou bien quelque autre chose semblable:
mais oit ce que ce soit, ie puis bien asscurer que ee n'est point
herbe qui aye sentu la gresle. " (6.) Gerard ist sehr erbittert
über Pasquette, dass sie die vermeintliche Lelia habe ent-
wischen lassen: er erhalt aber die Versicherung-, dass dieselbe noch
zu Hause eingesperrt sei. (7.) In höchster Aufregung stellt
Flamminio Pasquette wegen seines Pagen Fabio zu Rede. Er
will ihn erstechen, wo er ihn findet. Aber auch Gerard greift
sie wegen seiner Tochter Isabella an. ,.Je Tay veu monte sur le
ventre de ma fille. " Er sah, dass es ein Mann sei, denn, da er
rasch die Thüre öffnete, fand der Page keine Zeit mehr, ,,de se
couurir; ie dy moy que cest vng masle, & qui en a assez, pour
en faire deux aultres." (8.) In noch heftigeren Worten greift
Gerard Virginio an, den er für einen Betrüger hält.
V. Akt. (1.) Während Virginio und sein Gefolge mit Ge-
walt Lelia aus Gerards Haus holen, tritt ihnen dieser ent-
gegen: „Le plus etranger cas que iamais fut. Je te pry, entre,
entre!" Es klärt sich auf, dass Fabrizio nicht Lelia ist. In
gleicher Weise werden die übrigen Beteiligten in den folgenden
Szenen unterrichtet und zufrieden gestellt, sodass am Schlüsse des
heiteren Stückes Stragualcia die Zuschauer auffordern kann:
„vous, Intronati, faictes signe d'alegresse. "
Ist schon der Vorwurf des Stückes ein schlüpfriger, so sind
es, wie die wenigen Beispiele , die nicht umgangen werden
konnten, zeigen mögen, die Worte noch weit mehr. Indessen
ist der Knoten hübsch geschürzt und das Lustspiel geschickt
gemacht; so hat z. B. der in der Calandria wenig' motivierte
Pädagog hier wirklich eine Aufgabe als Mitspieler.
Freilich den Menächmen stehen die Ingannati bereits
ferner, als die Calandria, da die Irrtümer der Personen
schon mehr nebensächliche Dinge geworden sind: aber
litterarhistorisch sind ,.Gli Ingannati" und ,.Los Abusez"
hoch interessant geworden; denn diese Komödie „rief nicht nur,
gleich ihrem Vorbilde, eine Anzahl von direkten mehr oder minder
freien Nachbildungen hervor, sondern sie ist auch das erste
Stück, in welchem ein als Page verkleidetes Mädchen
dem ungetreuen Geliebten dient, ein Sujet, womit alsbald
das Drama und die Novelle Europas überschüttet werden."1)
In manchen Stücken an „Gl' Inffannati" des Sienesischen
' Sl iefel, a. a. 0., S. 346.
G. B. della Portas Olimpia. 521
Akademikers der Intronati erinnert das Lustspiel „L'Olimpia" ')
des Giov. Battista della Porta. In der ersten Szene des
ersten Aktes erfahren wir von Olimpias Amme, dass ihr
Fräulein während ihres Aufenthaltes in Salerno sich in einen ge-
wissen Lampridio verliebte, dass ihre Mutter Sennia aber jetzt
das Mädchen an einen Capitano verheiraten wolle. Mastica,
der Parasit, ist derjenige, auf dem alle Hoffnung beruht, er ist
„ministro del tutto". Sennia hatte von ihrem Gatten Theo-
dosio zwei Kinder, einen Sohn, Eugenio, und eine Tochter,
Olimpia. Theodosio nahm einst scherzend Eugenio in die
Arme und ging mit ihm nach seinem Landhause in Paulisippo
lustwandeln. Dort wurden beide nachts von türkischen Korsaren
geraubt. Sennia hat seitdem nichts mehr von beiden gehört,
nur träumt ihr jede Nacht, sie seien zurückgekehrt. Mastica
gerät nun auf die Idee, Lampridio solle als Eugenio zurück-
kehren und von des Vaters Tod berichten. So kann er die
Heirat Olimpias mit dem Capitano verschieben und unbeobachtet
bei Olimpia sein.
Lampridio verkleidet sich als Türke, der Capitano Tra-
silogo hat aber von der ganzen Sache Kunde erhalten. Lam-
pridio wird von Sennia freundlichst aufgenommen, doch gilt
seine Begrüssung vornehmlich Olimpia, sodass Sennia bemerkt:
„Quante carezze ti fa, Olimpia, il tuo fratello" (III, 3).
Mit dem vierten Akte jedoch treten die wirklichen Türken-
sklaven auf, der alte Theodosio und sein Sohn Eugenio.
Der Pedant Protodidascalo bringt die Schreckenskunde, dass
Filastorgo, Lampridios Vater, eben gelandet sei. Theo-
dosio und Eugenio werden von Sennia nicht aufgenommen,
ebenao thut Lampridio, als ob er seinen Vater nicht kennen
v'lcde. Theodosio und Eugenio wenden sich an das Gericht;
der capitano di birri jedoch, der Spanisch spricht und ausgesandt
ist, um Lampridio zu verhaften, lässt sich \;on letzterein überreden,
dass Theodosio und Eugenio die Betrüger seien und veranlasst
ihre Festnehmung.
Mit dem Beginne des fünften Aktes berichtet Lalio.
Sennias Page, seiner Gebieterin, was er durch das Schlüsselloch
sehen konnte. Lampridio (Eugenio) und Olimpia liessen ihrer
Liebe freies Spiel. Lalios Schilderung ist wesentlich dezenter
als das, was wir in den Ingannati hören. „Dana qiialche
occhiatina, per le fissure, e per lo bueo della chiaue, quando
apersero, staua Olimpia auampata di foco in faccia, »■ s' aecomo-
daua i capelli, & ini dimandö di voi, & dicendole, che non 1' haue
') Nuovamente poste in luce & con diligenza eorrette. In Vineg i
1597. (65 fol.)
522 XL Meuächmi.
vista se non io, giurö, clie se dieeua alcuna cosa cli questo fatto,
m' vcciderebbe. "
Auf diese Nachricht hin verzichtet der Kapitän Trasilogo
auf Olimpias Hand, und die Komödie endet mit dem allge-
meinen Wiederfinden.
Ohne Zweifel hatte della Porta das Lustspiel „Gli Ingan-
nati" im Auge. Die Verwechslungen beruhen indes nicht
auf der Ähnlichkeit der Personen.
Mannigfache Ähnlichkeit mit diesem Stücke hat auch della
Portas bereits (S. 388) erwähnte Komödie „La Fantesca".
Nicht hierher gehörig, aber in vielen Äusserlichkeiten, z. B. in
den Beziehungen zu den Türken, ähnlich ist Giov. Francesco
Loredanos Komödie „la Turca".1) Hier treffen wir fast das
ganze Stück hindurch die beiden, den Türken entkommenen
Brüder Aiace und Tutio in weiblicher Kleidung und als Die-
nerinnen, während ihre beiden Bräute, die Schwestern Briseida
und Hersilia, gleichfalls der türkischen Sklaverei entronnen,
Männertracht anlegten.
Das Motiv von dem Mädchen, das in Pagenkleidern dem
Geliebten dient, findet sich (nebst vielen andern Stücken) auch
in Andrea Calmos Lustspiel „11 Travaglia" 2). Hier ist es
Ersilia, die unter dem Namen „11 Travaglia" ihrem Geliebten
Camillo dient und Zeuge sein muss, wie dieser sich in leiden-
schaftlicher Liebe zu Lionora verzehrt. Dabei spielt der ver-
kleidete Türke Arpago, Proculos entlaufener Sklave. —
Ferner erinnern uns der Vater Colophonio und sein Sohn Po-
licreto als Rivalen um Lionoras Liebe an ein anderes be-
kanntes Thema.
Die ganze Geschichte des als Page verkleideten Mädchens
bildet eine Episode in der berühmten „La Diana enamorada"
(1542) des Jorge de Montemayor (geb. vor 1520; gest.
1561); 3) sie ist die Grundlage eines Stückes des Goldschlägers
Lope de Rueda (geboren zu Sevilla gegen die zweite Dekade
des sechszehnten Jahrhunderts; gestorben zu Cordoba gegen
') La Tvrca. Comedia del S. Gio. Francesco Loredano. Di
nuouo posta in luce. In Vinegia 1597. (Alla libreria della Speranza.)
(64 fol.)
2) II Travaglia, | Comedia | di M. Andrea Calmo. | Nuouamente uenuta
in luce molto piaceuole, & | di uarie lingue adornata, sotto beljlissima
inuentione. | AI modo che la fo | presentata dal detto Autore, nella |
Cittä di Vinegia. | Con Gratia, & Priuilegio. | Tn Vinegia, appresso Ste-
fano di Alessi, alla libraria | del Caualetto, in cale dalla Bissa, al ponte
de | San Lio. 1556. (92 fol.)
•') Simrock, Die Quellen des Shakespeare (Bonn 1870). 11,95—122.
Lope de Ruedas. Los Enganos. 523
1566: l) „Los Enganos-' -) (auch Los E n g a ü a d o s). 3) Es „ enthält
die Geschichte der Tochter des Virginio, welche dem Kloster,
wo sie erzogen werden sollte, entlaufen war, und hei Marcello
dient, der einst ihr Liehhaber gewesen und sie verlassen hatte,
weil er glaubte, von ihr schlecht behandelt zu sein. Clavela,.
die Dame, der Marcello jetzt den Hof macht, verliebt sich in den
schönen Diener . . ., wodurch verschiedene Auftritte und Verhältnisse
voll Wirkung herbeigeführt werden. Ein Zwillingsbruder der als
Diener verkleideten Dame kehrt nach langer Abwesenheit wieder
heim und sieht ihr so ähnlich, dass er, wie ein zweiter Sosia,.
bei seinem ersten Auftreten grosse Verwirrung und Unruhe her-
vorbringt, darnach aber Clavela heiratet und seine Schwester
ihrem ersten Liebhaber übergiebt. " *)
Damit hängt auch zusammen die Komödie Medora, in
welcher die Ähnlichkeit einer als Kind von Zigeunern geraubten
Dame mit der Heldin zur Entdeckung führt, dass diese ihre
Zwillingsschwester ist. 5)
Auf demselben Boden steht ein dem Calderon de la
Barca6) zugeschriebenes Stück, ..La Espanola en Florencia",7)
und das vollendetste aller Stücke dieser Art, Shakespeares
..Twelfth-Night: or, What you will'',8) wo es wieder die
Geschwister „both born in an hour" (II, 1) sind.
') Nach Barrera, Catäl., S. 34G. — Klein. IX. 141.
2) Die erste Ausg. der Schauspiele des Lope de Rueda ist von
1567. (Valencia en casa de Joan. Mey.) Der zweite Teil (las segundas
dos coniedias), welcher Medora und los Enganados enthält, hat die Zensur
vom 17. Oktober 1567. (Ticknor. II, 786.)
3) Barrera zitiert (S. 346) „los Enganados". — Vgl. Ticknors
Sujjplementband von Adolf Wolf, S. 75.
*) Ticknor. I, 448. — Klein. IX, 158. 159.
5) Ticknor, a. a. 0., S. 448. — Klein. IX, 162. 163.
6) S. Barrera, Catäl., 548. — Schack. I, 122.
7) Enthalten im 12. Teile der „Comedias escogidas de los mejores
Ingeniös de la Espana; impressa en Madrid".
8) Shakespeare's Twelfth-Night: or, what you will. Heraus-
gegeben von Delius. Elberfeld lS'JO. S. II und V. — Die Ingannati
gaben den Stoff zu einer englischen Novelle, die zuerst 1581 erschien
ah „Riebe his Farewell to Militarie profession" : conteining verie plea-
saunt discourses fit for a peacable tyme. Gathered together for the onely
delight of the courteous Gentlewoman bothe of England and Irelande,
For whose onely pleasure thei were collected together. And unto whoni
they are directed and dedicated by Bernabe Riche, Gentleman." Dort
dient Silla (IL Novelle) „in the habite of a manne" ihrem Geliebten
Apolonius, der sie dann „in requital of her love" heiratet. — Nach dem
Tagebuche des John Manningham, des Mitglieds der Juristeninnung
des „Middle Temple" in London, hätte Shakespeare die ital. Lustspiele
Gl' Inganni und Gli [ngannati benutzt. Manningham vermerkt
unterm 2. Februar 1601: „AI our feast, we had a Play called Twelve
Night: or what you will. Much like the „Comedy of Errors, or
Menechmi in Plaut us"; but most like and neere to that in Italian
524 XL Menäehmi.
Auf dem Shakespeareschen Stücke beruht die deutsche
Komödie ,.Tugend und Liebesstreit", ein Freudenspiel; sie
wurde ..an der Durchlauchtigsten Fürstin und Frauen, Frauen
Christinen, Herzöginn zu Braunschweig und Lüneburg, ge-
borenen Landgrätinn zu Hessen, Fürstinn zn Hirsfeld, Gräffinn zu
Catzenellenbogen, Dicz, Ziegenhein, Nidda und Schaumburg, den
30. Weinmonats 1G77 eingetretenen dreissigsten Geburts-Tage auf
gnädigsten befehl von dero Hoff-Musikanten, in dero neuerbauten
Freud- und Traner-Spielen Saal, und dessen neuer Schaubühne,
aufgeführt und vorgestellt, in dem Fürstlichen Residentzschln^
Bevern." !)
Silla, die Tochter des Königs von Cypern, folgt in Manns-
kleidern dem Herzog Apolonius von Venedig und wird sein
Page. Als solcher hat sie an Madam Aggalanta, Fräulein von
Aragonien, die Geliebte des Herzogs, Botschaften zu über-
bringen. Sillas Bruder, Silvius, ist unterdessen seiner Schwester
nachgezogen, und es folgen zwischen ihm und dem Mädchen, das
sich gleichfalls Silvius nennt, eine Reihe von Szenen, die an die
Menäehmi erinnern. Silla erhielt dreihundert Dukaten, die nun
von Silvius gefordert werden, und ähnliches. Aggalanta hat
sich in Silla verliebt. Von dieser abgewiesen, findet sie bei
Silvius natürlich ein geneigtes Ohr.
Es ist Shakespeares „T weif th -Night" mit unverkenn-
baren Anklängen an das Wintermärchen, doch aber kannte
der Dichter, wie die Namen zeigen, die Novelle von Bar-
nabe Riebe.
Neben novellistischer Verwendung2) wurde der Stoff in
Italien bühnenmässig bearbeitet in dem Lustspiele „Gl' In-
ganni", das N. S. — Nicolo Secco (Secchi) — zum Verfasser
hat, 1547 aufgeführt und 1562 gedruckt wurde. Die Ver-
wechslungen sind nicht mehr Gegenstand der Komödie,
gehören vielmehr der Vorgeschichte derselben an.3)
called Ingauni. A good practice in it to make the Steward believe liis
Lady widdowe was in love with him, by counterfayting a letter as l'rom
bis Lady in generali termes, telling him what she liked best" u. s. w. —
Klein. IV, 804 ff. — Si in rock. Die Quellen des Shakespeare (1870).
II, 123 — 150. — Shakespeare Manual by F. Gr. Fleay (London 1876',
S. 28.
') „Geschichte des Theaters zu Braunschweig." Eine kunstgeschicht-
liche Skizze von Adolf Glaser. Braunschweig (Neuhoff & Co.) 1861.
S. 21—30.
'-') Bandello in II, 36. — Giraldi Cinthio in Hecatomiti. V, 8,
eine Novelle, die auch Shakespeare zur Comedy ofErrors benützte.
1 i Gl' Inganni, | Comedia | del Signor N. S. | Recitata in Milano
1' anno lr>47 dinanzi | alla Maestä del Re Filippo. | Nuovaineute ristam-
pata, | & con somma diligenza corretta. | In Venetia, i Appresso Bernardo
Giuuti, e Fratelli, | 1582. 56 fol. — Eiue Ausgabe von Florenz (Giunti
N. Secchis Gl' Inganni. 525
Der genuesische Kaufmann Anselmo reist mit seiner Frau
und seinen Zwillingskindern, Fortunato und Ginevra, die
gleichfalls Knabenkleider trägt , nach der Levante. Korsaren
kapern das Schiff und verkaufen Anselmo nach Anatolien.
Fortunato kommt nach Neapel zur Courtisane Dorotea; die
Frau und Ginevra zu Massimo Caraccioli in derselben Stadt.
Nach dem Tode der Mutter verblieb Ginevra (unter dem Na-
men Ruberto) in Verkehr mit seiner Schwester. Caracciolis
Sohn, Gostanzo, ist in Dorotea verliebt, seine Tochter Portia
aber in die verkleidete Ginevra, für welche Fortunato eintritt,
von seiner Ähnlichkeit mit ihr unterstützt. Nun glüht aber Ginevra
in Liebe zu Gostanzo, dessen Liebesboten sie bei Dorotea zu
machen, bisher gezwungen ist. Die Folgen der Liebe Portias
zeigen sich alsbald. Sie gebiert einen Knaben. Unterdessen hat
lö62 in 8°) zitiert: „Ancien th^ätre francois," BandV, Introd. XX. —
Eine andere Komödie Secchis: „L'interesse" (Venetia, Franc. Ziletti,
1581), trägt den Namen Nicolö Secchi. - Der Argomento der Ko-
mödie Gl' Inganni sagt: „Anselmo Mercante Genouese, che traffica
per Leuante, nauendo in Genoua lasciata di se grauida la moglie, n' hebbe
due figliuoli, vn maschio chiamato Fortunato, & vna femina c' hebbe
norne Gineura; poi ch' hebbe portato quattro anni il desiderio della
moglie, & figliuoli tornö per reuederli a casa, & volendo partir seco li
meno; & per che fussero piu nelle barche espediti, 1' uno e 1' altro per
maggior commoditä vestiti d' im' habito corto; si che la femina an-
ch'ella parea maschio: e nel passare in Soria fu rubato da' Corsari, & egli
condotto nella Natolia, do.ue quatordici anni e sempre stato schiaui. I
figliuoli hebbero altra uentura: perche il maschio fu diuerse volte ven-
duto: ma ultimamente qui in questa Cittä, che per hoggi sarä Napoli.
(S: hora serue a Dorotea Cortigiana. che stä lä in quell' usciolino. La
madre, & Gineura doppo uarij accidenti furono comperate da M. Mas-
simo Caraccioli, c' habita dou' e quell' uscio; ma per consiglio della
madre, la quäl sei anni fa mori, Gineura si ha mutato il nome, & s' e
lätta dimaudar Ruberto, & come la madre mentre fu in vita le per-
suase, si e sempre fatto tener maschio parendole con questa via di poter
meglio la sua castitä guardare. Fortunato, e Ruberto per relation della
madre si conoscono per fratello, & sorella, M. Massimo ha un figliuolo,
che si chiama Gostanzo, & una figliuola, che si dimanda Portia.
Gostanzo e innamorato di Dorotea Cortigiana patrona di Fortunato.
Portia sua sorella e innamorata di Ruberto ancor che sia femina, perche
1' ha sempre tenuto per maschio. Ruberto femina, non sapendo come
satisfar a le uoglie di Portia, ch' ogni hör la molestaua. ha la notte
in stio scambio messo in casa aleuua uolta il fratello Fortunato; il
quäle ha lasciata grauida Portia & stä d' hora in hora per partorire.
Da 1' altra parte Ruberto come femina, e acceso dell' amor del suo
patron Gostanzo, ha dopio affanno, uno dell' amor, che lo martella,
1' altro, che la grauidanza di Portia nun si scuopra. Massimo padre di
Portia, !■ di ( fosl anzo si h aueduto della grauidanza della figliuola, & ha
maudato a Genoua a ricercar della parcntela di Ruberto, perche sc la
troua ignobile & iudegno dell' esser marito della figliuola, (die egli
pensa esser di lui grauida In vupl far morire. Ma per quel (die io ho
inteso hoggi il padre de due gemelli, (die si e riscattato dalle man de'
Turchi, deue esser tornato col messo, e penso ch' ogni cosa s' aecomo-
darä . . ." - Klein. IV. 801.
526 XL Menäehmi.
Dorotea als echte Courtisane den Capitano und Medico gleich-
massig- mit ihrer Liebe beglückt, was Gostanzo erfährt, der
nun die treue Ginevra heiratet. Auch der Vater Anselmo hat
die, Freiheit erlangt und seine Anwesenheit erhöht die allgemeine
Freude. — Das Stück Secchis hat Larivey in seinem Lust-
spiele „Les tromperies" (1611) fast wörtlich benützt.1)
Ein weiteres Lustspiel, „Gl'Inganni," hat den Curzio
Gonzaga2) zum Verfasser; ein drittes endlich, mit dem gleichen
Titel von Domenico Cornacchini (Venedig 1650), beruht auf
einer Novelle des Giraldi Cinthio (Hecat. V, 8), wobei es
') Les Tromperies erschien lfill a Troyes chez Pierre Chevillot.
Das Stück findet sich auf S. 5 - 10(3 des siebenten Bandes des „Ancien
t heätre francois" (Paris, P.Jannet, 1856). Das Stück ist (nach „Ancien
theätre franQ.", Bd. V., Introd. XX) „traduite ä peu pres litteralement"
nach Secchi. Die Inhaltsangabe mag die geringen Unterschiede beider
Komödien darthun. „Anselme, marchant d'Orleans, voyant les troubles
s'allumer en France, delibere se retirer en Italic, laissant en la garde
d'une bonne vieille (car sa femme estoit decede'e) deux siens enfans, l'un
masle, appelle Fortunat, aage environ de huict ans, et une fille nom-
mee Genievre, de l'aage de sept ans. Mais, passant par la Bourgongne,
il fut arreste prisonnier par les Huguenots, qui le tindrent plus de dix-
huict mois. Depuis, sorty de leurs mains, et pensant continuer son
voyage, retomba en d'autres, oü il demeura plus d'un an. Eutin, eschappe,
alla ä Rome, oü il sejourna quelques annees; mais, oyant dire que l'on
vouloit tenir les Estats en France, et esperant que par la conclusion
d'iceux les troubles prendroieut fin, delibera retourner en sa maison;
toutesfois, en chemin il fut derechef arreste prisonnier des ennemis, qui
Tont tenu jusques ä present. Durant ces prisons et voyages, la vieille
-qui avoit les enfans en garde delibera les mener ä Paris, pensant qu'il
y seroient plus seurement, et, pour ce faire, les habilla tous deux d'un
court vestement, de facon que ce fussent deux garcons. Et d'avantage,
afin de mieux conserver la pudicite de sa fille, luy changea son nom,
et l'appella Robert, lui recommandant celer sa condition. En ces entre-
faites, la vieille meurt. Les enfans, ne pouvant plus vivre ä Paris, tant
faute de cognoissance qu'ä cause de la famine qui y estoit, viennent en
la ville de Troyes en Champagne, oü Fortunat de fortune entra au Ser-
vice de Dorothee, courtisanne, et Robert se mit ä servir Severin.
Ce Severin a un fils appelle Constant et une fille nomee Suzanne.
Constant est amoureux de Dorothee, maistresse de Fortunat, et Suzanne,
sa soeur, de Robert, la tenant pour masle.
Robert, ne sachant satisfaire ä la volonte de Suzanne, qui la mo-
lestoit ä toute heure, met en une nuict en son lieu son frere Fortunat
en la chambre de Suzanne, qui lors la baisa si estroitemeut qu'elle en
est grosse, et maintenant preste ä accoucher. D'autre part, Robert, fille,
allume en l'amour de son maistre Constant, souffre double ennuy, l'un
pour l'amour qui le martelle, l'autre craig'uant qu'on ne descouvre que
Suzanne a le piain. Severin, pere de la fille grosse, s'en apercoit, en-
voye ä Orleans s'informer de la parente de Robert, afin que, s'il n'est
trouve digne d'espouser sa fille, qu'il pense estre grosse de son fait, de
le faire mourir. Mais, ä ce que je vien d'ouyr dire, le pere de Fortunat
et de Robert est venu avec le messager, et pense que tout se portera
bien . . .
-) Riccoboni. Hist. du theätre ital., S. 164. — Quadrio, stc-
ria, V. 93.
Sforza d' Oddi. Trissino. 527
dem Dichter keineswegs gelang, dramatisches Lehen in dem Stücke
zu entfalten.
Noch eine indirekte Frucht der Menächmi ist Sforza
d' Oddis Lustspiel „La Prigione d'Amore" (1592) insofern,
als es an die Calandria anknüpft. Auch hier sind die Zwillinge
Bruder und Schwester. Die letztere ist in den Freund ihres
Bruders verlieht, was diesen veranlasst, gegen den Befehl seines
Herrn, des Herzogs von Ferrara, dieselbe vor einer verabscheuten
Heirat mit einem Kapitän zu retten. Diesen Edelmut hat er mit
Gefängnishaft zu bezahlen, ja er soll sogar den Tod erleiden.
Der Liebhaber entsagt auf seine Geliebte, und, während sein
Freund verreist, um die Schwester zu holen, bleibt er für ihn im
Gefängnisse zurück. Seine Geliebte aber weiss durch ihre tau-
schende Ähnlichkeit mit ihrem Bruder alle, sogar ihren Geliebten,
zu hintergehen, indem sie sich für denselben ausgiebt.
Sforza d' Oddi1) — degli Oddi — aus Perugia (gest.
1(310) war eine besonderer Verehrer und Nachahmer des Plau-
tus, dessen Rotrou rühmend Erwähnung thut. 2) Sehliesst er sich
auch in diesem Stücke nicht enge an die Menächmen an, so
dankt er doch zwei Figuren, den Kapitän Belero fönte Scaro-
bombardon und den Parasiten Spazza, dem römischen Vorbilde.
Eine genaue Wiedergabe der plautinischen Menächmi
ist Trissinos (1478— 1550) Komödie: „I Simillimi" (1547/48). 3)
In einem Widmungsschreiben an den Kardinal Farne se
(S. 328) sagt er: „Ne la commedia ho voluto servare il modo di
Aristofane cioe de la Commedia antica. La onde avendo tolto
una festiva invenzione da Plauto, vi ho mutati i nomi , et ag-
giuntevi persone, et in qualche parte cambiato 1' ordine, et appresso
introduttovi il Coro, e cosi avendola al modo mio racconcia, voglio
mandarla con questo abito nuovo in luce. "
•) Ginguene. VI, pag. 305. 309. — Ruth. II, 595. — Allacci
führt (pag. 484) drei Komödien von ihm an. ,
2) Vgl. M. Guizot, Corneille et son temps. Etüde litteraire. Paris
(Didier) 1873, pag. 381. „Les poetes dramatiques de l'antiquite etaient
traduits et Sforza d'Oddi, auteur italien, dont Rotrou a imite une
come'die (la Ciarice) et qu'il vante pour ses imitations de Piaute
(voyez la preface de Ciarice) pourrait bien l'avoir aide dans celle des
Sosies et des Menechmes." Die von Guizot augeführte Stelle in der
Vorrede (Au lecteur) zur Ciarice (IV, 343) lautet: „Je ferois tort ä l'au-
teur italien Sforza d'Oddi, si je derobois a sa reputation la gloire de
cet ouvrage. Je n'en suis que le traducteur, non plus que des pieces
de Piaute que ce docte homme a parfaitement imitees. Es
folgt alsdann ein langes Loh des Plautus. Später (S. 341) nennt er
Sforza nochmal „un des plus rares esprits d'Italie".
:!) I Simillimi, Commedia di Gio. Giorgio Trissino stellt auf
S. 325—348 des ersten Bandes von „Tutte le opere diGiov an Giorgio
Trissino geutiluomo Vicentino uon piü raccolte." (In Verona, presso
Jacopo Vallarsi 1729.)
528 XL Menächmi.
Das Stück ist nicht in Akte geteilt. ')
Simillimo Salvidio und sein Diener Consalvo kommen
in Palermo an. Das Stück beginnt also mit dem zweiten
Akte des Plautus (V. 227):
II diletto maggior de i naviganti
AI mio parer, Consalvo, e di trovarsi
Vicini al porto e risguardar la terra.
Consalvo fragt um den Grund ihres Hierseins und erhält
erst die Antwort, der Sklave habe niemals die Geheimnisse seines
Herrn zu erforschen, dann aber erfährt er denselben doch.
Sim. Salv. II padre mio, ch' Emporio era nomato,
Figliuol di Filocriso da Trieste,
Com' hai piu volte udito ricordarlo,
Ebbe de la sua moglie in un portato
Due figli maschi, 1' un de' quai son io
Che fui chiamato al fönte del battesmo
Salvidio.
Consalvo. Che dicete? Ho sempre udito
Simillimo chiamarvi da le genti.
Sim. Salv. Ascolta che udirai tutta la cosa.
L' altro figliuol Simillimo era detto,
Che venne dopo me dal matern' alvo,
E fu cosi nomato da mio padre,
Perche avea meco una sembianza istessa.
E tanta ch' un per 1' altro era pigliato
Fin da la madre, con soave errore,
E da la balia che ci dava il latte.
Einst ging der Vater mit dem siebenjährigen Zwillingsbruder
auf den Jahrmarkt von Lanzano: der andere blieb bei der
Mutter zu Hatise. Der Vater verlor dort den einen Sohn. Ver-
geblich suchte er ihn neun Tage; bald starb er aus Gram, und
der Grossvater nannte den andern, wie den geraubten, Simil-
limo. Alles Einzelne ist nur Übersetzung aus Plautus,
z. B. (7. 239):
sei acn/n, credo, quaerercs,
Acum innen isses, sei appareret, iam diu.
Hominem inier uiuos quaerilamus mortuom:
Nam inuenissemus iam diu, sei uiueret.
E veramente se cercaste un ago
Per terra, un ago areste omai trovato.
Ma noi tra vivi andiam cercando un morto:
Che s' ei vivesse, omai sarebbe apparso.
Garifilo, der Koch Cylindrus, tritt mit Folchetto, dem
Diener des Simillimo rubbato, auf. Was bei Plautus in Szene
war, die Geschichte mit dem Kleide, sowie einige Familien-
*) Ebensowenig die Sofonisba desselben Dichters.
Trissinos Simillimi. 529
geschienten, erfahren wir liier von Folclietto. Folclietto sieht
Simillimo Salvidio und begrüsst ihn mit der Frage, was der
Parasit mache, „il quäle per dieci compagni puö contarsi" (V.
223). Simillimo versteht ihn natürlich nicht. Garifilo aber
behauptet, ihn wohl zu kennen:
Ov' io vi vidi?
Qui ne la casa d' Ericina, vostra
Dilettissima amante e rnia patrona.
Das Weitere stimmt alles wörtlich zu Plautus, so
z. B. Consalvos Warnung vor den ,,cortigiane" von Palermo
(7. 339):
Mandano i servi e le fantesche al porto
E come un forestiero entro v' arriva.
S' informan de la patria, e del suo nome
u. s. w. ; sogar das Wortspiel Cylindrus (F. 295) ist in ,, Garifilo
o Garofilo, che siate," nachgeahmt. Alsbald kömmt auch Ericina
(Erotium) ,,conla faccia polita" aus dem Hause mit ihrer Weisung
an die Magd Frosina:
acconcia il letto
Ben profirmato di soavi odori
Che la mondizia e 1' esca de gli amauti,
genau nach F. 353 ff.
Nur hin und wieder findet sich eine Stelle lokalisiert, wie
wenn sie Triest bezeichnet als
suggetta a la gran casa d' Austria
Di cui Ferando, ch' e Re de' Komani,
E Carlo Quinto, Imperador di Koma,
Hanno il dominio a nostra etade.
Simillimo Salvidio tritt bei Eric in a ein. — Es folgt ein
ganz antik gehaltener Chor über die Liebe.
Scovoletto, der Parasit, führt sich ein mit der ersten
Szene des Plautus:
La gioventü mi chiama Scovoletto
Per sopra nome, perch' io mangio bene
E netto come un scovolo i taglieri
(F. 78). Simillimo Salvidio tritt aus dem Hause mit dem Kleide;
der Parasit erblickt ihn. Es ist ein Sprung bis zu V. 470 der
plautinischerj Komödie. Er merkt:
11 pasto e fatto ei e bevuto il vino
Et liau serrato Scovoletto fuori
(F. 470). Ericinas Magd bringt noch das Geschmeide; alles ist
nur nach Plautus übersetzt. Wieder fällt ein Chor ein.
34
530
XI. Menächmi.
Alcsia, die Frau des Simillimo vubbato, hat von Sco-
voletto alles erfahren. Ihr Gatte tritt auf. Der Monolog bei
l'lautus (7. 570, „Vt hoc utiinur" u. s. w.) ist hier gegen die
Advokaten gerichtet:
0 maledette sian tutte le liti,
Tutti i garbugli, e tutti gli Avvocati.
Nati a ruina de 1' uraane genti,
Che si nurriscon de gli altrui discouci.
Difendendo i ribaldi con gran cura
Et opprimendo i buoui.
Der Schluss jedoch geht wieder auf Plautus über.
Simillimo will von Ericina den Mantel wieder, worüber
sie sich sehr erzürnt.
Alles beruht auf dem Originale, obwohl sich der Imitator
das hübsche „nunc ego sum exclusissumus" (F. 680) hat ent-
gehen lassen. — Das Chorlied geht wieder über die Liebe:
Quel che dipinse prirnamente Amore.
E fecelo im fanciul con due grand' ali,
Con 1' arco in mano, e le saette al fianco
Volse mostrarci apertamente i mali
u. s. w. — Simillimo Salvidios Unterredung mit Alesia, das
Herankommen ihres Vaters Peloro, Simillimos verstellter Wahn-
sinn ist alles nach Plautus, nur auf das witzige Wort an die Zu-
schauer: „Vosque omnis quaeso" (V. 880) hat Trissino verzichtet.
— Der Chor handelt von dem Gedanken:
0 che partito duro,
Veder il male e non saper schivarlo
E sempre aver dentr' al suo cuore un tarlo.
Dorino, der Diener Peloros, hat den Arzt Sosandro ge-
holt. Seine Worte zählen zu den wenigen von Trissino einge-
fügten, die aber charakteristisch genug sind.
Son stato a ricercar questo maestro
AI Speciale, il quäl m' ha poi mandato
A casa d' un, ch' aveva il mal francioso,
Che gli avea quasi divorato il membro.
Ein Zug, von dem glücklicherweise das Altertum nichts
wusste. Consalvo kömmt gelegen dem Simillimo rubbato zu
Hilfe und erhält von ihm die Freiheit. Nach dem Monologe des
Simillimo rubbato:
Grau meraviglie certo iu questo giorno
Mi sono occorse
(nach V. 1041), hebt der Chor an, der bis zu Odipus hinansteigt.
Fireuzuolas I Luculi. 531
Die Lösung* erfolgt nach dem Originale. Die letzten
Worte des plautinischen Messenio (V. 1157) hat hier noch Si-
millimo rubhato:
venderö prima
Fra sette giorni prossimi i'uturi
Tutta la roba mia, eh' io mi ritruovo
Dentr' a Palermo, e torueremo insieme
Giojosi, e lieti ne la patria nostra.
Der Schlusschor behandelt das Thema:
Quante vane contese, e quanti inganni
Recan le simigliauze de le cose,
Che la natura, e Dio tengono ascose.
Das ..nunc, spectatores, ualete" u. s. w. wird um-
schrieben:
0 spettatori, poi ch' avete udita
Questa Commedia, alcun di voi non pose
Le palme, e lodi quel che la compose.
Wie der Inhalt zeigt, haben wir es hier mit einer ein-
fachen Paraphrase des Originales zu thun, die nur hin und
wieder über einer notwendigen Lokalisierung und Modernisierung
auf ein paar Verse des plautinischen Textes vergisst. Scharf
urteilt darum Giulio Antimaco in seiner Neuausgabe der „Si-
millimi" (Milano 1863. Biblioteca rara): „Diresti ch' egli e
il vampir o di Plauto. Gli sugge tutto il sangue, e lo lascia
•cadavere. Ha calzato il socco e non sa moversi per la scena."
Und auch Ruth (II, 588) ist der Ansicht, Trissino habe die
„Lebhaftigkeit und komische Kraft des plautinischen Lustspiels
aus dem seinigen" weggelassen.
Eine nicht minder sklavische Nachahmung der Me-
nächmi ist die Komödie „I Lucidi" des Agnolo Firen-
zuola. a)
Der Prolog fehlt.
I. Akt. (1.) Sparecchia, der Peniculus, tritt, wie bei
Plautus, auf: „A mi fu posto questo nome Sparecchia, percioche
quando i mi metto intorno ä iinii tauola i la sparecchio in modo
ehe non accade, che la fante la sparecchia ältrimenti." Die Szene
ist wesentlich erweitert und zeitgemäss gemacht. (2.) Lucido
Tolto tritt auf in Streit mit seiner Frau, einer „femina de!
diauolo", namens Fiammetta. Was bei Plautus nur angedeu-
') I Lvcidi Comedia j di Messer Agnolo | Firenzvola. ] Pioren'tino
1549. Nach fol. 44 steht: tri Fiorenza apresso Bernardo Giunti MDXLIX.
— Eiue weitere mir zu Gebote stehende Ausyal>e ist von Firenze 1552.
(Giunti, 44 fol.)
3 1 :
532 XL Menächmi.
tct ist (F. 110 ff.), spielt hier auf der Bülme, da Fiammetta
ihrem Ehegemahl gehörig hinausgiebt, bis sie abtritt. Ihren Weg-
gang begrüsst Lucido Tolto freudigst: ,,ch' io gli ho earpito su
i| liest, -i aesta, senza che la se ne sia aceorta, la quäle uo portare
alla mia signora" (V. 134). Von hier geht es wieder auf
Plautus über. (3.) Sparecchia hat an die Thüre der Signora
Cortigiana — Rosa — gepocht. Das Mädchen ist etwas ver-
liebter und um einiges idealer, als sein Vorbild. „A me basta
hauer te & ne altro bramo che te, e tutto tengo e posseggo,
quando ho te, anima mia," sagt sie, was freilich Sparecchia
kommentiert. Lucido Tolto bestellt bei Rosa ein Abendessen,
und (4.^ Gratugia, der Koch, rüstet das Mahl zunächst für
den Parasiten. „Lo Sparecchia sparecchia per otto al sicuro"
(7. 224).
II. Akt. (1.) Lucido Folchetto und sein Diener Betto treten
auf: alles schliesst sich ans Original an. Lucido Folchetto kam
„cereando d' un mio fratello, non solo d' un medesimo padre & di
una medesima madre, nato meco in un medesimo parto" (V. 234).
Bei Plautus (V. 235) sucht er bereits sechs Jahre, hier drei.
Wie Messenio seinen Herrn vor Epidamnus warnt, so warnt
Betto den seinigen vor Bologna. (2.) Mit Gratugia kömmt
es zur ersten Verwechslung, der alsbald mit Betto (3.) eine
weitere, und mit der Cortigiana (4.) eine dritte • folgt. „Delle
due cose e una: o questa donna e pazza ol'e imbriaca" (V. 373),
meint Lucido Fo4chetto, geht aber doch mit ihr ins Haus,
was Betto zu einer verzweifelten Apostrophe (wie Messenio)
veranlasst.
III. Akt. (1.) Sparecchias Monolog: „Io ho piü di trenta
anni parecchi u. s. w.," nach V. 446, beginnt den Akt, wie bei
Plautiis. (2.) Lucido Folchetto trifft mit dem erzürnten
Sparecchia zusammen in einer Szene, die etwas erweitert ist.
(3.) Die Magd der Cortigiana bittet Lucido Folchetto, das
Geschmeide ihrer Herrin zum Goldschmied zu tragen, was er
übernimmt. Die nächste (4.) Szene ist sehr gedehnt im Ver-
gleiche zu Plautus geworden; sie enthält Lucido Folchettos
Monolog, der (wie bei Brix) noch zum dritten Akte geschlagen
ist. (5.) Fiammetta ist im Gespräche mit dem Parasiten, der
sie aus Rache gegen ihren Mann aufredet,
IV. Akt. (1.) Lucido Tolto beginnt mit einem Selbstge-
spräch, das im allgemeinen V. 570 u. s. w. enthält, und das zum
Teile Frau Fiammetta mit Sparecchia belauscht. Im Fol-
genden handelt es sich zunächst um den entwendeten Mantel,
wobei der Dialog bald erweitert, bald um manch witziges Wort
des Originales verkümmert ist. Ebenso ist (2.) Lueido Toltos
Monolog arg ins Breite gewachsen, ohne Neues zu bringen. (3.)
Cecchis La Moglie. 533
Die Cortigiana, über den verlorenen Mantel böse, sperrt Lucido
Tolto vor ibr Haus hinaus. (4.) Fiammetta dagegen trifft Lu-
cido Folchetto mit dem Mantel am Arme. Sie erregt sich bei der
Begegnung heftig und lässt durch ihren Diener Biagino ihren
A ater holen. Diesem Befehle an den Sklaven, der hier auftritt
(5.), zufolge kömmt (6.) Cornelio, der alte Vater. Durch er-
heuchelten Irrsinn macht sich Lucido Folchetto frei, ohne
jedoch den Witz des Plautus (F. 880) zu verwerten.
V. Akt. (1.) Der Diener Biagino eröffnet den Akt mit
der Rede, welche im Originale der senex hat (F. 882, „Lumbi
sedendod" ff.). Er hat den Arzt geholt. (2.) Cornelio und der
Ar/t tritt auf, und dieser macht sich (3.) an Lucido Tolto. Ein
Monolog Bettos (4.) entspricht Plautus, F. 966 sqq. (5.) Cor-
nelio mit vier Facchini will Lucido Tolto fesseln lassen, Betto
befreit ihn. (6.) Lucido Folchetto kömmt mit Betto zusam-
men: (7.) Lucido Tolto kömmt dazu. Sie erkennen sich als
Söhne des Agabito und der Lucretia aus Palermo.
Zum Schlüsse kömmt folgende Licentia, eine Art Kritik
des Originales:
Spettatori non ui partite anchora; stentate im poco di gratia, che
hörne uiene il buono. la Comedia non e fornita, che i nostri Lucidi si
uoglion portare piu da gentil huoniini che i Menemi di Plauto, e mostrare
che gli hanno molto niigliore conscientia i giouani dal di doggi che
quelli del tempo antico; la prima cosa noi uogliamo rimandare una
uesta alla Signora bella, e nuoua, e le altre sue hagaglie, e anche an-
darui una sera a cena tutti quanti inanzi che passi questo Carnouale,
e con questo che ui sta lo Sparecchia, e darengli tanto da mangiare, che
ristori la perdita del desinare di stamattina. Io gli uoglio portar dieci
scudi che gli ordini a modo suo. quelli scortesi di que Menemi non
usarono alcuna di queste gentileze, che lasciaron la pouera Signora in
asso senza renderle niente, e quel pouero Peniculo dovette digrignare
che non lo chiamarono a nulla. Si che se uoi aspettate insino a domani-
dassera egli usciran tutti fuora, e andranno doue io ui ho detto, e se
uoi non uolete asj)ettare, tal ne sia di uoi, che per hoggi la festa e fi-
nita, qui non si ha a uedere altro, se uoi non siete stati a uostro modo,
uostro danno, non ci fuste uenuti, che chi fa quel che sa, non e tenuto
a far piu. io ui ricordo che son fanciugli. a Dio a ristorarui un' altra uolta.
Gegenüber allen diesen zum Teile oft recht wert-
losen Übertragungen der Menächmen hat eine feine Neu-
bearbeitung derselben, das Lustspiel ..La Moglie" des
Cecchi,1) Anspruch auf volle Anerkennung.
Der Prologo vergleicht „La dote" desselben Autors, eine,
Nachahmung des „Trinummus", die im vorigen Karneval ge-
geben wurde, mit dieser Komödie und fahrt dann weiter: „Ho
ueduto 11110 tra uoi, che ha ghighiato e detto guarti Plauto, che
') La Moglie, | Comedia | di Giovan Maria | Gechi (sie) fioreu tino.
In Vinegia appresso Gabriel Giolito de Ferrari e fratelh .MDL. 43 ibl.
,-,;',. | XL Menächmi.
sara? hör oltre e xiisi corifessa che i duoi Menegini di Plauto sono
diuentati duoi Alfonso nostri." l)
Cecchis „La Moglie", die später (Ven. 1585) von dem
Dichter auch in versi sciolti hearbeitet erschien, ist eine Kon-
tamination der „Andria" des Terenz, der „Menäehmi"
und des ,,Trinummns" des Plautus. Die ersten zwei
Akte sind vornehmlich der Andria nachgebildet.
I. Akt. (1.) Ridolfo, der Pamphilus des Terenz, ist
im Gespräche mit seinem Diener Füligno, dem Davus der
Andria; er führt in breiter Rede den Zuschauer in die läge
ein. Wider Willen seines Vaters Cambio (Simo des Terenz)
ist er heimlich verheiratet und hat seine Frau bei seinem Freunde
und Nachbarn Alfonso, dessen Schwester sie ist, verborgen.
Die Frau hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. In ihrer
Jugend geraubt und von den Ihrigen getrennt, ward sie an eine
Frau in Rangia verkauft, welche sie aufzog, und von welcher
sie Ridolfo loskaufte. Sie gab ihm das Mädchen nur unter der
Bedingung ab, „se giä non la rendeua a' suoi 6 non la maritasse
conueneuolm ente. " Beides geschah. Alfonso s Frau, die von allen
Geheimnissen nichts weiss, fängt indessen bereits an, auf die
Fremde eifersüchtig zu werden. (2.) Auch Alfonso weiss
sich nicht mehr zu behelfen. Die Schwester unter diesen Um-
ständen länger bei sich im Hause zu halten, ist ihm unmöglich.
Auch darf seine Frau durchaus nicht erfahren, dass er ihr eine
Mitgift geben will. Fuligno weiss dafür eine Aushilfe. Irgend
ein Unbekannter soll den Onkel Alberto Spinola spielen und
dem Mädchen die Aussteuer, als von ihm kommend, spenden. (3.)
Mittlerweile hat der alte Cambio die Wahrnehmung gemacht,
dass sein Sohn irgend eine Liebe am Herzen habe. Er vertraut
seinem Diener Valenz o an, wie er ihn erproben wolle. Er
thut, als habe er vor, seinen Sohn an die Tochter seines Freun-
des Pandolfo (des terentianischen dir eines) zu verehelichen.
„Io lo fmgo ad effetto di chiarirmi d' un dubbio." Die Sache
habe aber keine Bedeutung mehr. ,,Cotesto tutto era uero &
*) Dieses Berufen auf Plautus und Terenz geschah stets mit
Selbstbewusstsein. Vgl. Commedie di Ariosto ed. Tortoli XLIX. Dort
heisst es:
Egli ha tolto da Planta
LT argomento in gran parte della fauola;
E vi protesta che farä il simile
Sempre in tutte le sue, perche il medesimo
Ved' egli che hanno fatto li piü nobili
Comici che ui sieno;
und im Prolog zu den Dissimili: ein che ci ha in questa commedia di
buono 1' ha imitato da Terenzio seguendo in ciö la opinione di quelli
maestri migliori, delli quali egli desidera d' es6er diseepolo.
Cecchis La Moglie. 535
haueuamo Pandolfo & io conchiuso il tutto, se non che Pandolfo dalla
sera alla mattina (quel che fasse la cagione non so) si rimosse dal si al
no & mi lieentiö, uedi a rotta senza allegar di cio cagione alcuna."
II. Akt. (1.) Ridolfo klagt über seine bevorstehende
Heirat. Fuligno jedoch stellt ihm die Sache ganz anders dar.
In Pandolfos Hanse denke niemand ernstlich an die Ver-
ehelichiing der Tochter. ,,I dico che iioi denete tenere per fon-
damento certo & stabile che Pandolfo non solo non acconsente a
queste nozze, ma che le sono cosi da nostro padre finte che egli
non ne sa nulla" n. s. f. Er möge sich darum in alles fügen,
ja sogar einen Ehekontrakt unterzeichnen, wenn dies gefordert
werden sollte. (2.) Demgemäss erklärt Ridolfo seinem Vater
gegenüber, dass er die Braut heiraten wolle. (3.) Ricciard 0,
Alfonsos Zwillingsbruder, tritt mit seinem Diener Minuccio
auf. Er kommt von Siena unter dem Namen Alfonso. Infolge
eines Ereignisses dortselbst ging er sogleich und nahm nur einiges
Silberzeug mit sich. Deshalb wurde er nun hier am Zollhause
wegen Defraudation angehalten. (4.) Ridolfo ist der erste, der
ihn erblickt und als Alfonso begrüsst. Er hört von ihm, dass
er zum Zollhause gehe und will ihm vorher eilig Mitteilung
von allem, was er unterdessen erfuhr, machen. Mit der Hochzeit
mit Pandolfos Tochter sei es nichts. „Che Zio, che nozze dite uoi
o che Pandolfo? uoi credete forse menanni per il naso; io ui dico & ui
replico che per ogni mezzo che sera possibile, io uoglio cercar di
rihauere le mie argenterie," erwidert ihm Ricciardo derb. Da
Ricciardo sich als einen Fremden erweist, kennt Ridolfo seinen
Irrtum ein. ..Perdonatemi, io ui ho colto in cambio, e mi sa male
gentil huomo di hauerui tenuto a disagio, " entschuldigt ersieh, eilt
aber sogleich zu Alfonso, um ihm Bericht zu erstatten.
III. Akt. (1.) Cambio wendet sich nun geradenwegs an
Pandolfo, indem er ihm seinen Sohn als Eidam anträgt. Pan-
dolfo verhält sich ausweichend, dann aber spricht er sich offen
aus: „Creditu, Cambio, eh' io non sappia che egli bazica costi in
casa cotesto Sanese . . . Et che quella Raugea e sua cosa, & che
per insino a Raugia , horsu e basta. " Dennoch scheiden sie
nicht gerade uneins hinsichtlich der Heirat. (2.) Valenzo kann
Beinen Herrn nicht begreifen; gestern noch war er gegen die
Verheiratung, heute sieht er ihn mit Pandolfo einig. Aber
auch Fnligno macht sich bittere Vorwürfe. ..Costoro sono
d" aecordo, il parentado e fatto e Ridolfo scoperto c rouinato, e
tutto per consiglio mio." Sogleich will er zu seinem Herrn,
gerät jedoch an (4.) Ricciardo, dem gerade eine serva. namens
seiner Frau, Vorstellungen macht. Er will von nichts wissen; er
habe keine krau. Während ihm die Magd noch heftig zusetzt,
spricht ihn Fuligno an. Auch ihn keimt er nicht. ..Fuligno." —
536 XI. Menüchmi.
„„Qual Fuligno?"" — „II servidore di Ridolfo, vostro cognato. "
Fuligno sieht seinen Irrtum ein und geht; da naht (5.) Ma-
donna Margherita, Alfonsos Frau. Er erklärt, sie nie ge-
sehen zu haben; da wird die Magd (Lucia) nach dem Oheim
Bartolo gesendet. Ricciardo kann dies alles nicht recht he-
greifen. „Come puö essere che io somigli tanto il marito di
costei che da lui ella non mi riconosca. " (6.) Wie der plauti-
nische Vater, so stellt sich auch der alte Bartolo anfänglich auf
die Seite des Mannes. „Margherita, tu sei troppo superba, e
non regerebbe teco presso ch' io nol dissi. " Allein Marghe-
rita besteht darauf, dass die Raugea aus dem Hause müsse.
Umsonst wartet Ricciardo auf seinen Diener Minuccio; er eilt
zur dogana. (7.) Bartolo giebt der Dienerschaft, die er zu-
sammengerufen hat, Auftrag, Alfonso wohl zu überwachen und
nach einem Arzte zu schicken.
IV, Akt. (1.) Fuligno macht Alfonso den Vorschlag,
seiner Frau und allen Beteiligten offen zu erklären, dass Raugea
seine Schwester sei; er brauche ihr ja die versprochene Mitgift
nicht auszubezahlen. Dies letztere weist Alfonso mit Entrüstung
zurück. Hinsichtlich der Mitgift werde ja Nibbio und sein
Diener Noce in ihrer Verkleidung als Alberto aushelfen. Al-
fonso hat auf Fulignos Pläne nicht allzugrosses Vertrauen.
Er meint: „Per fidarsi troppo nelle astutie di costui, Ridolfo ha
quasi rouinato se e altri. " (2.) Die Magd giebt ihren Gedanken
Ausdruck, wie vernünftig einst Alfonso war, und wie er jetzt zum
Narren geworden sei. Daran kann nur seine Frau die Schuld
tragen, „questo diavolo della moglie che sempre lo tribola. " (3.)
Durch die Bedienten erfahren wir, wie schwer es gelang, den
vermeintlichen Narren zu bewältigen. „Io me ne sentiro, " sagt
Nizzo, „a questo braccio qualehe giorno, e quel poueraccio del
Corbo ha un pie rotto e un' occhio pesto." Richtig ahnt er:
„Pazzisonloro, che egliein ceruello benissimo." (4.) Ein Kaufmann
von Siena bietet Ricciardo Geld und Wohnung an, doch dieser
will bei seinem alten Wirte bleiben; zudem erwartet er jeden
Augenblick Albertos Ankunft, der ihm Meldung machen, wie
sein Prozess mit seinem Gegner verlief, und ihm Bargeld bringen
wird. Statt des erwarteten Alberto kömmt jedoch (5.) der Arzt.
Mit Hilfe seiner Diener und des Fornaio wird Ricciardo gefesselt
und, mit Stricken gebunden, abgeführt. (6.) Nibbio, als Alberto
Spinola, tritt mit seinem Diener N o c e auf (7). An ihn gerät (8.)
Ricciardo. Da er sich als Alberto Spinola vorstellt, wird Ric-
ciardo sehr grob, und Nibbio kann nicht begreifen, was indessen
vorging. Er berichtet (9.) Fuligno die ganze Geschichte.
V. Akt. (1.) Fuligno richtet einen Boten ab, was er zu
sagen habe. (2.) Pandolfo tritt auf und erfährt auf eigentüm-
Cecclm La Moglie. 537
liehe Art alles, was er nach Fuligno s Plan wissen soll, indem
der Bote immer laut, sodass Pandolfo es hören muss, das sagt,
was ihm Fuligno leise vorspricht. Der Hauptinhalt ist, dass
Ridolfo bereits heimlich verheiratet sei und nun Pandolfos
Tochter nicht nehmen könne. Pandolfo stellt sofort Fuligno
zu Rede, dieser giebt sich zum Scheine alle Mühe, ihn umzu-
stimmen, doch gelingt es ihm nicht. Der Alte ist fest ent-
schlossen, seine Tochter nicht aufzuopfern. (3.) Alberto Spi-
nola ist mit seinem Diener Mosca angekommen. Er hat gehört,
dass Alfonso hier Haus und Weib habe, und meint selbst, es
sei besser für ihn, hier zu bleiben. (4.) Alfonso tritt aus dem
Hause. Er entlässt den Arzt mit den Worten: „II poco aecorgi-
mento loro ha dato a uoi questo disagio e a me questo fastidio. "
Alberto erblickt Alfonso; er wundert sich über seine Kleidung
imd glaubt, er wolle ihn nicht kennen. Alberto klärt die Lage,
und auf Alton sos Frage : „ 0 quäl altro Alfonso haueste uoi giamai ? "
erwidert Alberto: „II tuo fratello Riceiardo, il quäle credendo
hauerti perduto , io chiamo Alfonso." Also ganz wie bei Plau-
tus. Alberto geht mit Alfonso ins Haus. Mosca bleibt zurück
und findet (5.) Riceiardo. Es folgen einige Verwechslungen.
Noch immer (8.) sucht Cambio Pandolfo zu beschwich-
tigen, da treten Ridolfo und Fuligno (9.) auf. Ihr Zwiege-
spräch bringt Cambio ins Klare: alsbald gesteht auch Ridolfo
dem Vater seine geheime Verehelichung; doch versichert er ihn,
„che ella ha buonissima dote, " und dass sie auch sonst ein vor-
treffliches Mädchen sei. Nun ist die Reihe an Pandolfo, den
jammernden Vater Cambio zu beruhigen. Nur aus Rücksichten
auf ihre alte Freundschaft habe er seine Tochter seinem Sohne
zugestanden; denn ein gewisser Alessandro Rustichelli werbe
ernstlich um dieselbe.
(10.) Alberto Spinolas Auftreten entscheidet das Ganze. Er
begrüsst Pandolfo als seinen Schwager und erklärt, dass Al-
fonso sein Sohn, Ridolfo s Frau seine Tochter sei, die beide
tot geglaubt wurden. Cambio zweifelt noch; Pandolfo sei ja
ein Florentiner. Dieser jedoch giebt eine weitere Erklärung. Er
sei in seiner Jugend aus Florenz verbannt worden, weil er einen
jungen Edelmann aus Bologna getötet habe. Nach Ägypten ge-
zogen, habe er Vaterland und Namen geändert und sich Silvano
de' Silvani aus Siena genannt. Dort habe er Albertos
Schwester geheiratet und mit ihr drei Kinder gezeugt. Auf
einer Seereise sei er gefangen worden, jedoch wieder nach Spa-
nien entkommen. Von dem Tode seiner Frau benachrichtigt,
habe er eine /.weite Frau geehlichl und von ihr die Tochter er-
halten, welche Ridolfo zugedachl war. indessen ..in cielo era
fatto che Ridolfo doxiesse essere mio ffenero". Nach solcher Lö-
538 XI. Menächmi.
sung muss man allerdings mit Fuligno sagen: „0 Dio, qnanto
subito, uario c non niai aspettato esito lia hauuto qnesta cosa:
come di tanti trauagli siamo noi uenuti in sicnro porto. Hör fia
contento Ridolfo, e Alessandro con non minore contento di Cambio
& di Pandolfo."
]\Iit besonderer Geschicklichkeit, wenn auch vielleicht
oft mit allzugvosser Ängstlichkeit in der Nachahmung,
hat Cecchi Terenz und Plautus kontaminiert. Es lässt sich
nicht leugnen, dass den eigentlichen Inhalt des Lustspiels das
Thema der Andria bildet, und dass die Menächmi nur Episode
sind. Von beiden Dichtern jedoch ist alles in gewandter Weise
verwertet. Von Terenz ist nur eine Episode der Andria —
die Szenen Charinus-Byrria — weggehlieben; dagegen ist die
Lösung, das Geständnis des Sohnes („Ego nie amare haue fateor"
u. s. w. , Ter. Andr. V. 896), die Erklärung Albertos, der den
Crito des Terenz spielt, ganz aus der Andria. Die Momente
aus den Menächmen kommen alle zu wirksamer Geltung, ja es
spielt noch eine weitere, ganz effektvolle Szene aus dem Trinummus
herüber, indem irgend ein Unbekannter den fernen Onkel spielen
und die Aussteuer überreichen soll. Ganz natürlich erscheint der
ganze Vorgang bei Cecchi darum, weil fast alle Auftreten-
den sofort ahnen, dass hier eine Verwechslung vorliege
und sie an eine unrechte Persönlichkeit geraten sind,
wornach sie ihre weiteren Schritte einrichten, und die
Irrung nur da festgehalten wird, wo sie eine komische Wirkung
oder einen bühnentechnischen Zweck haben soll, wie bei dem
Auftreten des Arztes. Eine Wirkung hat sich indessen der Dichter
entgehen lassen. Die beiden so ähnlichen Zwillinge stehen
sich nie gegenüber.3)
') Riccoboni, II, 252, urteilt: Cecclii a pense de faire une seule co-
medie des Menechmes de Piaute et de l'Andrienne de Terence enles joignant
ensemble et de l'appeler la Moglie . . . Le Cecchi dans cette belle Comedie
de la Moglie . . . a imagine une grande facilitepour la vraisemblance dans
les situations des Menechmes. Les Aucieus dans cette piece n'avoient pas be-
soin du secours dont ont besoin les Modernes. Les deux freres doivent se
ressembler au point de tromper les acteurs de la pißce. Cette necessite
parmi les Latins ne souffroit point de difficulte, tous les Acteurs etaient
masques et deux masques pareils faisoient la ressemblance parfaite des
deux Menechmes. Aujourd'hui nous somnies bien embarasses; les deux
Menechmes ne se ressemblent jamais et le plus souvent il y a une teile
difference entre les deux que toute la piece devient ridicule. Cecchi
par deux mots d'avertissement au lecteur dit que dans la piece les deux
freres peuvent etre representes par le meme acteur qui a tout le tems
de changer d'habit. Voihl une grande difficulte de levee j>ar rapport
ä la vraisemblance. — Dies ist der Grund, warum in den späteren Be-
arbeitungen fast nie mehr die Zwillinge nebeneinanderstellen,
was (selbst eine neuere ähnliche Idee (Girofle-Girofläy nicht ausge-
nommen) die Komik abschwächt.
Pietro Aretinos Lo Hipocrito. 539
Sprachlich hat das Stück seinen Erfolg durch die Aner-
kennung der Accademia de IIa Crusca gefunden, die es in den
Kanon aufnahm: eine andere nicht minder hohe muss man ihm
ausserdem zugestehen; es ist eine sittlich unanfechtbare Komö-
die, die reinste der Menächmennac libildungen. Nach den
Proben, die uns bis jetzt vorlagen, ist dies gewiss nicht das
letzte Lob.
Eine Menächmengeschichte bildet eine der hauptsäch-
lichsten Episoden in des berüchtigten Pietro Aretino Lustspiel
„Lo Hipocrito",1) und zwar ist auf ihr eine ganze Reihe von
Verwechslungen aufgebaut. Der alte Liseo hat einen Zwillings-
bruder, Britio. Lassen wir ihn selbst berichten (I, 3): „Naequi
insieme con uno altro maschio, uenne la guerra in cjuesta
patria che non ha mai conosciuto pace, & riempitasi di soldati,
secondo che piu uolte mi ha conto mia madre, il fratellin, che
ella partori con meco, le fn tolto di collo, mentre dormendo
io ne la culla suggeua le poppe (mi era scordato); egli si chia-
maua Britio. Liseo ist aber nicht so edel wie der plautinische
Monlichmus, im Gegenteile befürchtet er Britios Wiederkehr,
da er mit ihm sein Erbgut zu teilen hätte. „Quel che poi se
ne sia suto," fährt er fort, „io non lo so. E per ch' io mi son
cacciato in fantasia, che sia uiuo, mi tengo disfatto, perche
a dirlo al uostro secreto sarei rouinato hauendo a diuider seco
la robba."
Noch im ersten Akte aber tritt Britio mit seinem Diener
Tan furo auf und erzählt seine Geschichte. Ein gewisser Ro-
dalosso erzog ihn und sagte ihm nur, dass er von Mailand
stamme und Britio heisse. Er starb zu Neapel und hinterliess
ihm sein ganzes Vermögen, worauf Britio sich nach Mailand
begab, um vielleicht noch jemand von seiner Familie zu finden.
Kaum ist er hier angelangt, so beginnen die Verwechslungen
mit seinem Bruder Liseo, ganz wie in den Menächmi des
Plautus.
Der Diener Liseos, Malanotte, hält ihn für seinen Herrn,
ja sogar Maia, Liseos Frau, sieht ihn für ihren Mann an und
händigt ihm, ähnlich wie in den Menächmi, Perlen und Kette
ihrer Tochter Tansilla aus. Britio kann sich dies alles nicht
erklären, aber er nimmt die Kleinode an. „perche chi ricusa le
nentnro e suenturato."
') Lo Hipocrito | Comedia | di Messer Pietro | Aretino. ] AI Magna-
nimo Duca di | M. D. Vrbino XLII. Ohne Paginierung und Angabe des
Druckorts (Venedig bei Ag. Bindoni >"\<-v Gahr. (liolito de Ferrari),
dagegen mit dem zweifachen Bilde des „göttlichen Aretiners" in
der bekannten Manier.
540 XI. Menächmi.
Die Verwechslungen setzen sieh fort; Tansilla ist unglück-
lich, ihr Geschmeide nicht zu erhalten; Liseo weiss natürlich
nichts davon. Eine weitere Szene folgt, in welcher Hipocrito
mit Britio spricht, in dem er Liseo vermutet, worauf er dann
Liseo diesem natürlich unverständliche Vorwürfe üher sein eben
an den Tag gelegtes Benehmen macht.
Die Geschichte mit den Perlen beschäftigt hauptsächlich
alle zumeist (II):
Liseo. Dove me hai tu dato le perle, e la catena?
Mala. Ne la strada, in presentia di costor dua.
Perdelgiorno. E la uerita, padrone.
Liseo. Voi ne tramentite per mille arcicanne de la gola
u. s. w. — Der dritte Akt bringt neue Verwicklungen. Zefiro,
der Liebhaber Annettas, einer Tochter Liseos, wendet sich
irrigerweise an Britio. Dieser will keine Stunde mehr hier
bleiben. So setzen sich die Verwechslungen fort. Selbst
Tanfuro hält Liseo für seinen Herrn Britio, bis endlich im
vierten Akte die beiden Brüder einander gegenüberstehen. Alles,
selbst die Sprache, ist an beiden völlig gleich.
Liseo. A fe, che s' io non fasse io, giurarei di esser costui.
Britio. Sto a uedere, se la presuntione sua uorra esser me.
Tanfuro und Eguardabasso verwechsehr ihre Herren,
indem ersterer mit Liseo, letzterer mit Britio abgeht, was aber
sofort weitere Verwirrungen verursacht.
Die Irrtümer sind in diesem Stücke zahlreicher, als
in den Menächmen. Ob aber die letzteren den Aretino zu
seiner Komödie direkt veranlasst haben, muss zum mindesten
dahingestellt bleiben.
Eine niederländische Übersetzung des „Hipocrito" —
„Den Schyn-Heyligh" -- lieferte P. C. Hooft.1) Doch wollte
er sich nicht zu dei-selben bekennen, suchte vielmehr Brederoo
als Verfasser derselben auszugeben.
Die Liste der Menächmennachbildungen zu erschö-
pfen, ist eine Unmöglichkeit; nicht minder unmöglich
ist es, die hier und dort als solche genannten Stücke
sich zu verschaffen.'-) Kiccoboni (II, 252) sagt: „Les come-
diens qui pendant un siecle en commencant en 1550 jusqu'en
1650 dans leurs comedies jouees ä Timpromptu ont fait usage
') Jonokbloet, II, 57.
-) Dem Titel nach könnten z. B. hierher Beziehung haben an
italienischen Stücken: Gio. Batt. della Porta, Gli duoi fratelli
rivali, 1601 (Allacci 105); Eusebio Lucchetti da Ciuitä nuova,
Flarninio Scala. 541
de tont ce qu'il y avait de meilleur parmi les bonnes comedies
ecrites qu'on jonoit ä l'impromptu, n'ont point neglige celle-ci;
eile nous reste encore sons le titre des deux Lelio et des deux
Arlequins, et eile a e4e aussi heureuse en France qu'elle Fest
en Italic Dans cette comedie qui n'est que les MenecLmes de
Piaute un seul acteur represente les deux freres: 011 y ajoute les
deux valets qui sont deux jumeaux: comme les maitres et les deux
valets sont joues par Arlequin qui joue les deux freres aussi bien
que l'acteur serieux. "
Einige Winke über diese Darstellungen „a l'impromptu",
dieser Stegreif komödie oder „com media dell' arte", entnehmen
•wir den Sammlungen des bekannten Flaminio Scala1) in seinem
„Teatro delleFauole rappresentatiue" (vgl. S. 400). Massen-
haft2) wurden Menächmen gespielt; ihrer drei enthält auch
das ebengenannte Werk. Wir dürfen die Inhaltsangabe nicht
vorenthalten.
Seite 1: Giornata Prima. ..Li duo Vecchi Gemelli."
Comedia.
Argomento: Furono gia, in Veuetia duo fratelli gemelli
nomati V uno Pantalone de' Bisognosi, il quäle hebbe un figlio
Flauio nominato; e 1' altro Tofano Bisognosi, il quäle parimente
hebbe un figlio Oratio chiamato. Erauo quei duo fratelli mer-
canti ricchissimi e negotiauano con Naui per Soria et per 1' altre
parti di Leuante. Auuenne, che essendo li duo fratelli sopra
d' una Naue per Alessandria d' Egitto furono da Corsari fatti
schiaui e venduti in terra, ad un Mercante turco il quäle alla
volta di Persia li condusse: Rimasero i figli Flauio, et Oratio di
etä di dodici anni ogn' uno d' essi, al gouerno delle loro madri;
e per grau diligenza che si potessero usare mai non poterono
de' Padri loro Lauer noua alcuna: la onde presero per partito di
leuarsi dalla patria, et attendere alla mercatura et al negotio, in
Fiorenza, e cosi standosene soprauenne loro il contagio, nel quäle
delle madri loro priui rimasero; per la quäl cosa cessato il male
a# Fiorenza si trasf erirono , per la quäle andata, e füora d' ogni
Le tlue sorelle rivali, 1G0Ü (Allacci 104); Francesco Lupi Pisano,
De «lue sorelle, 1625 (Allacci 104); an französischen: Frangois le
Metel, sieur de Boisrobert (gest. 1662), Les trois Orontes ou les
trois semblables. Comedie en 5 actes en vers 1653. (Beauchamps.
11. 134:) Scudery, Lydamon et Lydias ou la Ressemblance , fcragi-
comedie 16'29. (H. Lucas, Hist. III); au holländischen: De gelyke
Tweelingen, ein Stück der Kuustyciiossruscluift (IS r.Ihd.i. (Jonckbloet
II, 41S.) — Gustave Desnoireterres erwähnt (Epicuriens ei lettre's
1879. S. 184) eine 22. März 1731 aufgeführte Komödie „Les deux
jumelles".
') Riccoboni, pag. 40.
2) Napoli Signorelli, Storia critica de' teatri. II, 77.
542 XL Menächmi.
loro speranza hebbero nuoua di Soria, come im ricco mercante
Armeno haueua in Persia riscattato duo schiani fratelli, e che gli
conduceua ä Fiorenza hauendo il detto mercante in detta cittä ä
trattäre delli suoi negotij. Capito finalmente il detto mercante
Armeno, co' suddetti schiani, i qnali dopo molti gratiosi auueni-
menti cagionati per loro gran simiglianza riconoscono i propri figli,
i qnali con due hellissime vedone s' accompagnano, e co i padri
loro viuono poi vita lieta, e contenta.
Seite 50: Giornata XVII. „Li duo Capitani simili.'-
Comedia.
Argomento: Habitana in Roma un certo Dottore, il quäle
oltre, che era di nobile famiglia, ancora de' beni di fortuna era
dotato. Di lni eredi altri non haueua, che una sola figlia, la
detta Isabella, quella prima della sua morte desiderando ueder
maritata ad un Capitano, con cui credeuasi d' hauerla benissimo
appoggiata la diede; ma diuerso fü 1' effetto. Era nato ad un
medesimo parto col Capitano un suo fratello, il quäle per la simi-
glianza difficilmente da lni si poteua discernere: Venne in quel
mezzo desiderio al Capitano di riueder il fratello essendo gran
tempo, che non s' erano ueduti, et intendendo ä Napoli trouarsi,
fatto pure anch' egli Capitano abbandonando la moglie ä Napoli
si trasferi, doue non hauendo certezza, in Sicilia, indi a Malta
passö, e per lo spatio di sei anni senza tornar a Roma ritornossi:
doue gionto ncl medesimo giorno il cercato fratello ancor lni
gionse, per la cui somiglianza interuenne quello, che la Comedia
anderä dimostrando.
Seite 88: Giornata XXX. „Li finti Serui." Comedia.
Argomento: Era in Genoua un ricco, et honorato merca-
dante chiamato Leone Adorni, il quäle godeua uita felicissima,
si per le sue ricchezze, com' ancora per lo contento di duo figli,
che gli erano rimasi della morta consorte, 1' uno maschio nomato
Cinthio, e 1' altra femina Isabella nomata: Auuenne, in quel
tempo, che Isabella s' innamorö d' un nobilissimo giouane fore-
stiero, che nella casa del padre, per passaggio alloggiaua; il quäle
partendosi poi per suoi affari alla sua patria di Fiorenza si ri-
dusse. Allbora Isabella non potendo piu sopportare 1' amoroso
tormento, ne la insopportabil lontananza dell' amante suo si risolse
di scoprirsi ad un suo fratello nomato Cinthio, il quäle piu per
curiosita, che per sano giuditio consigliö la sorella, che in habito
da huomo si ponesse e seco a Fiorenza se ne andasse, il che
successe: et arriuati a Fiorenza si posero ad osseruare il loro ne-
gotio, et tei'minato il tutto, Isabella per seruo si pose in casa
1' amante suo, e Cinthio con altro si diede ä nuoua seruitude:
Occorse che la sorella dell' amante de Isabella credendo la huomo,
di lei fieramente s' accese, e Cinthio della detta amante di sua so-
Ruzzantes Anconitana. 543
rella innamorandosi con piaceuole inganno hebbe et ottenne: il die
saputosi poi, furono dal padre consolati facendo acquisto ogn' uuo
della cosa amata.
Dieser letzte Komödienstoff ist eine direkte Anknüpfung an
die „Inganni" des Secco, deren es nach dem Gesagten zahllose
o-iebt — Auch die „Anconitana" des Angelo Beolco Ruzzante (S. 246)
steht damit in Beziehung, wie ihr Argomento beweist.
Tancredi, e Theodoro, giouani Siciliani, & Isotta — donna
di Gaietta che sotto habito di huomo si fa chiamare Gis-
mondo, furono presi tntti tre da corsali: & venduti ad vn Moro;
dipoi da vno mercante Venetiano riscattati, & condotti a Vinegia,
con promessa di non mai da lui partirsi, se intieramente non
era da loro i suoi danari sodisfatto, li quali haueano in Sicilia
mandati a togliere. Et perche erano tntti tre di virtü gentilis-
sime vestiti, vennero in questa Citta , fatti suoi auisi di aeconci-
arsi per mezo delle virtü loro, a' seruigi di aleuna valorosa donna,
da quella trahendo li denari per sodisfare al mercante. Et
mentre questi tre giouani raecontano le virtü sue ad una Corti-
giana chiamata Doralice, che ad vna fenestra dimoraua: auenne
che vna bellissima donna, moglie di vno ricchissimo vecchio giä
Sensale stato chiamato Sier Tbomao inamorossi di questo
Gismondo, credendolo huomo & induce il vecchio marito suo
a riscuoterlo: il quäl' amando sconciamente Doralice, mentre che
per mezo di vn suo famiglio detto Ruzante, che altresi in vna
fantesca di Doralice feruentemente e innamorato cerca di venire
all' ultimo amoroso diletto, auenne che Gineura donna vecloua An-
conitana, veduto Gismondo in Ancona & falsamente credendolo
huomo del suo amore ardentissimamente restö presa, & con vna
sua sola fante Gitta chiamata, in habito di huomo ambedue son
venute in questa Citta per ritrouarlo, & dopo lunghi ragionamenti
& aeeidenti amorosi, venne a ritrouar quella esser una sua sorella
otto anni peregrina andata, & da lei per morta pianta. Ultima-
mente si maritano. Isotta prende per sposo Tancredi e Gineura
Tbeodoro, tratti di seruitü da certi gentilhuomini Padouani, & ä
godersi tornano nella loro patria. Sier Thomao, & il famiglio
suo Ruzante, ordina con Doralice, & Besä fante il modo di
godersi questa sera insieme, vanno ad una villa non guari lontana.
Eine Reminiszenz der Menächmi lässt sich auch am Schlüsse
der XXV. Giornata (S. 71), „La Gelosa Isabella," in den Ver-
wechslungen mit Fabritio finden.1)
Ähnlicher Art ist mit andern wohl auch das vmi Beauchamps
(Rech. III, 122) zitierte Stück der neuen italienischen Bühne:
') Scala, a. a. 0.
544 XI- Menächmi.
„La figlia creduta maschio," frz. „La fille crue gar<jon",
Com&lie en trois actes pav Lelio.
Mehr noch auf der Ähnlichkeit der Geschwister beruht der
Stoff der (92 fol.) langen Komödie „La Cingana". Comedia di
Gigio Arthemio Giancarli Rhodigino. (In Vinegia appresso di
Agostino Bindoni 1550.) Auch hier sind es „doi figliuoli ad vn
parto, T im maschio, 1' altro femina. Tanto simil d' effi-
gie, quanto sappia o possa far la natura" u. s. w.
Zahllos sind die Titel der Werke, die auf eine
Verwechslung zweier sich ähnlich sehender Geschwister
hinweisen. „I Fratelli Simili" des Giambattista (de la)
Porta (1614); *) „Gli Schiaui gemelli" des Francesco To-
retti (1623);2) „Le due Sorelle simili" des Giambattista
Pianelli (1633);3) „I duo Lelii Simili" des Giamb. An-
dreini (1622);4) „La Somiglianza" des Nicolo Amenta
(1706);5) die „due Francesche" des Bernard. d' Azzi;6) „I
quattro Simili" von Sebast. Chiesa; vielleicht. (?) „Gli
Errori" des Giacomo Cenci u. a. ruhen auf der Menäch-
menidee.
Eine Art Gegenstück zu dieser Form der Menächmen
bildet das Lustspiel „Les Intrigues Amoureuses" (1666) des
Gabriel Gilbert (1610— 1680). 7) (S. 101.) Dort ist es eine
einzige Person, die bald als Mann, bald als Weib gekleidet,
die Verwirrung hervorruft. 8)
Noch führt uns der Titel eines Lustspieles des Carlo Gol-
doni: „I due gemelli Veneziani, commedia in tre atti in
prosa",9) auf die Menächmen. Indessen steht es weit
von Plautus ab. Goldoni10) nennt als Veranlassung zur Ab-
fassung dieses Stückes die passende Persönlichkeit des Schau-
spielers Dar bes.
') Prölss. I, 2. 144.
2) Stiefel, a. a. 0. S. 352.
3) Riccoboni. I, 152.
J) Fuhr mau. III, 52. — Beaucliamps, Rech. III, 124.
5) Ibid.
u) Fuhr man. III, 52.
7) Auf S. 7 — 57 des zweiten Baudes vou Fournel, Les contem-
poraius de Moliere. — Beauchamps, Rech. II, 169.
8) Ebenda, S. 5. La piece ... est fondee sur une idee conti- aire
ä celle des Meuechmes et des autres comedies du meine genre, oü
deux personnages qui se ressemblent, ordinairement deux jumeaux, sont
pris pour im seul, tandis qu'ici c'est une seule personne qui se fait passer
pour deux, s'habillant tantot en fille et tantöt en garcon.
9) Enthalten auf S. 273— 400 des vierten Bandes derScelta delle
Commedie di Carlo Goldoni . . . unite insieme da J. G. di Fraporta.
3. Ausg. (Lpz., Breitkopf, 1790).
10) Memorie. II, 1.
Goldonis I due Gemelli. 545
I. Akt. Rosaura, die vermeintliche Tochter des bologne-
sischen Advokaten dottore Balanzoni in Verona, schmückt sich
zum Empfange ihres Bräutigams, des Zanetto Bisognosi, „figlio
di quel famoso mercante Veneziano che chiamavasi Pantalone, il
quäle e stato allevato a Bergamo da suo zio Steffanello ed e uno
de' piü ricchi mercanti di Lombardia. " (1.) Brighella meldet
seine Ankunft; erklärt aber Rosaura auf ihre Frage: „egli mi
par molto semplice. Non sapeva nemmeno da che banda smon-
tar da cavallo." Zugleich erfahren wir von seinem Ausseren (4.):
..AI viso egli somiglia tutto a un certo suo fratello gemello, che
ha nome Tonino, il quäle sta sempre a Venezia, dove ho avuto
occasione di conoscerlo; ma se gli somiglia nel viso, non gli so-
miglia nel resto, perche quello e spiritoso e disinvolto, e questo
pare uno sciocco impertinente." Alsbald (6.) tritt Zanetto auf;
da er Rosaura umarmen will, giebt sie ihm eine Ohrfeige.
Pancrazio, der schurkische Freund und Parasit des Doktors,
ist der erste, dem Rosaura den Eindruck mitteilt, den Zanetto
auf sie machte. (8.) Zwar sagt sie: „II signor Zanetto non mi
dispiace, e se non fosse cosi sfacciato, forse, forse ..." Pan-
crazio jedoch hat andere Gedanken. Er will selbst Rosauras
Hand. Dazu ist ihm kein Mittel zu verächtlich; denn „oggidi
chi sa piü fingere, sa meglio vivere, e per esser saggio, basta
parerlo". (9.) Beatrice erwartet seit sechs Tagen ihren Bräuti-
gam Tonino aus Verona und will nun nach Venedig zurück-
kehren. Lelio, der Neffe des Doktors, belästigt mit seiner Zu-
dringlichkeit Beatrice. Beatricens Begleiter, Florindo, der
gleichfalls heimlich nach ihrem Besitze strebt, obwohl er als To-
ninos Freund gilt, kann sich seiner nicht mit Erfolg erwehren.
Zur rechten Zeit kömmt ihm Tonino zu Hilfe und entwaffnet
Lelio. Tonino hat indessen Grund, hier nicht erkannt werden
zu wollen. Er nimmt den Namen Zanetto an, seines ihm äusserst
ähnlichen Bruders, „che ha questo nome ed egli mi somiglia
tutto. Se mi vedono, mi crederanno lui, e cosi sfuggiro qualche
pericolo." Mit Toninos Ankunft in Verona beginnen die
Verwirrungen. Lelio, noch gekränkt über seine Niederlage,
trifft Zanetto, den er für Tonino hält. Im Gegensatze zu
seinem vorigen Auftreten benimmt sich jedoch sein Gegner dies-
mal sehr feige. (16.) Der hinzugekommene Florindo begreift
dieses Benehmen gleichfalls nicht. Endlich findet auch Beatrice
(19.) Zanetto und hält ihn für ihren Bräutigam. Sie kann seine
Reden nicht verstehen. „0 egli e impazzito o e stato di nie
sinistramente informato. "
II. Akt. Zanettos Diener, Arlecchino, trifft mit Tonino
zusammen; er giebt ihm Geld und Gepäck; Tonino weiss von
nichts, nimmt es aber an. „Non vi conosco," ist sein letztes
35
546 XL Meuächmi.
Wort. Unmittelbar darauf spricht ihn Colombina, Rosauras
Mädchen, an; „la inia padrone le vorebbe parlare." Auch der
dottore empfängt ihn als Zanetto; sein Benehmen freilich ist
derartig, dass Colombina findet, „che questo signor Zanetto sia
poco innamorato della signora Rosaura." Er wird zu Rosaura
geführt. Sie gefällt ihm, und er überreicht ihr einige Schmuck-
gegenstände, die er von Arlecchino erhielt. Unterdessen ist
Arlecchino wieder mit seinem Herrn Zanetto zusammengeraten,
der dringend von ihm den Schmuck (le gioje) verlangt. Da er
ihn nicht hat, lässt er ihn verhaften. Beatrice wirft sich Za-
netto zu Füssen; er möge sie nicht Verstössen, „che siete 1' unico
oggetto de' miei pensieri." Zanetto kömmt ihr aufs höflichste
entgegen. Zu seinem grossen Entsetzen sieht Florindo, der als
falscher Freund Beatrice ihrem Geliebten bisher ferne zu halten
wusste, dass sich beide gefunden haben. Bald aber beginnt Za-
netto von seiner Braut, der Tochter des dottore, zu sprechen,
was Beatrice neuerdings beunruhigt. Unterdessen belauscht
Ton in o den ganzen Vorgang. Er versichert Beatrice seiner
Treue und Liebe und geht mit ihr ab.
III. Akt. Pancrazio hat von Tonino den Rest der
Schmuckgegenstände Za nettos erhalten, „acciö scoprendosi il
padrone gliele possiate restituire. " Er will sie nun an den
Goldschmied Tiburzio verkaufen. Zanetto sieht seinen Schmuck
in Pancrazios Händen, der ihn von ihm selbst erhalten haben
will. Zanetto stellt dies natürlich in Abrede. Alsbald aber
giebt Tonino, der um das Gleiche befragt wird, zu, die Kleinodien
an Pancrazio ausgehändigt zu haben. Zugleich kann er den
auftretenden Arlecchino als denjenigen bezeichnen, der ihm das
Geschmeide aufdrängte. Brighella kann Tonino nur mehr als
einen „matto solenne" erklären. „La pazzia si e resa univer-
sale," meint Pancrazio. Nach mancherlei Szenen der Ver-
wechslung löst sich die ganze Verwirrung. Rosaura ist nicht
die Tochter des dottore. „Confesso, " sagt er, „Rosaura non
esser figlia mia, ma essere una bambina incognita, trovata da un
pellegrino. " Tonino erkennt in ihr seine Schwester Fl am mi-
ni a. Sie heiratet Lelio, während Beatrice Tonin os Hand er-
hält. Pancrazio hat Zanetto, den er für seinen Rivalen um
Rosauras Liebe hielt, vergiftet und tötet sich selbst mit dem
Reste des Giftes, der sich im Glase noch befindet. Sterbend ge-
steht er alles und endet mit einer Moralpredigt.
Das Stück leidet an grossen und greifbaren Schwächen;
dass die doppelte Vergiftung nicht zur Komödie passt, hat Gol-
doni selbst gefühlt; doch aber hat er sie gewagt.')
») Mem'orie. II, 1.
Goldonis I due Gemelli. 547
Uns interessiert zunächst Goldonis Verhältnis zu
Plautus, wenn ein solches überhaupt vorliegt. Rapp
sagt:1) ,. Durch welches Medium Goldoni unsere Fabel zuge-
kommen ist, ist uns nicht bekannt." Die „Menechmes" des
Regnard kannte er, und von ihnen mag der Zug stammen, wie
Arlecchino dem Tonino die gioje und die valigia übergiebt,
wie dort Valentin den unrichtigen Koffer bringt. Ferner be-
bemerkt Rapp, „dass Goldoni die französische Bearbeitung
{Regnards) gelesen, scheint uns darum wahrscheinlich-, weil er
auf den Irrweg kam, dass der eine Bruder schon im Anfange des
Stückes seinen Zwillingsbruder als lebend erwähnt, während er
doch im Verlauf wieder glücklich genug ist, solches rein zu ver-
gessen und bei den nächst gelegenen Anzeichen nicht wieder auf
diese Vermutung zurückfällt , bis der Stoff ganz erschöpft und
verbraucht ist. " -)
Über das Verhältnis Goldonis zu Plautus äussert sich
Stiefel3) zusammenfassend: „An Plautus erinnert in der An-
lage des Stückes fast nichts. Von ihm sind ausser der
Hauptidee, die auch aus zweiter oder dritter Hand kommen
konnte, höchstens einige Nebenmotive herzuleiten. So die Eifer-
sucht, welche die Ähnlichkeit der Brüder bei beiden Heldinnen,
Beatrice und Rosaura, bewirkt, die Juwelen (gioje), die gleich
der palla Irrtümer erzeugen; desgleichen der Goldschmied
(orefice) mit dem Unterschiede, dass er bei Plautus nur erwähnt
wird, hier aber (wie bei Shakespeare) wirklich auftritt. Die
Hetzrolle des Parasiten ist auf den Schurken Pancrazio
übergegangen. Alles dies ist derart verarbeitet, dass die Quelle
kaum mehr erkenntlich ist. Vielleicht geht man auch zu weit,
wenn man die dritte Szene des zweiten Aktes, in welcher Co-
lombina (die Dienerin der Rosaura) auf Tonino stösst und
ihn, im Glauben, er sei Zanetto, anspricht und auf-
fordert, er solle ins Haus kommen, auf die bekannte
Szene bei Plautus zurückführt, in welcher Culindrus
den reisenden Menächmus anredet; desgleichen dürfte
die zehnte Szene des zweiten Aktes, woselbst Rosaura
heraustritt, um Tonino als ihren künftigen ,sposo' ins
Haus zu geleiten, auf die köstliche Unterredung zwi-
schen Erotium und Menächmus-Sosikles (Men. II, 3) zu-
rückweisen."
Immerhin mag man jedoch annehmen, dass Goldoni seine
„I due gemelli Veneziani" schrieb, ohne die plautinischen
') Die pl. L., S. 444.
2) A. a. 0., S. 445. — Vgl. auch liier S. 561.
3) A. a. 0., S. 354.
35 '■
548 -^1- Menächmi.
Menächmi zu kennen oder je gelesen zu haben, da ja der
Stoft' und die Menächmenfabel in liunderten von concetti oder
canevasi vorlag, nach denen der so fruchtbare Theaterdichter
gearbeitet haben konnte.
Die „due gemelli Veneziani" des Goldoni sind wiederum
Gegenstand der Nachahmung, besonders bei den Franzosen,
geworden.
Collalto, der Pantalone des Theätre italien in Paris,
dichtete nach Goldoni eine nicht ganz wertlose Posse, welche den
Titel führt: „Les trois jumeaux Venitiens". Diese wurde
im Jahre 1778 von C. F. von Bonin deutsch bearbeitet und
hielt sich lange auf der deutschen Bühne. Goldonis Zwillinge
waren schon 1756 deutsch erschienen: „Die zwey Zwillinge",
eine von dem berühmten Advocaten zu Venedig, Sign. Carlo
Goldoni, verfertigte Comödie, aus dem Italiänischen desselben
übersetzt Aron Heubein.1)
Ebenfalls aus Goldoni schöpfte der französische Fabeldichter
Jean Pierre Claris de Florian (1755 — 1794) seine im Jahre
1782 erschienene Komödie „Les jumeaux de Bergame", zu
welcher Desauguers die Musik schrieb.2)
Florians „Les jumeaux de Bergame",3) eine Komödie in
Prosa, die zum erstenmal e von den italienischen Komödianten
am 6. August 1782 aufgeführt wurde, ist ein hübscher Einakter.
Den in Paris ansässigen Arie quin verfolgt Nerine mit ihrer Liebe
(1.), sein Herz gehört jedoch Rosette, die er morgen heiraten
soll. (2.) Arlequin hat noch einen Bruder, dessen Ankunft er
erwartet, und wir erfahren bereits, dass er froh sei, „qu'il ne
soit pas encore arrive; car tu aurois fort bien pu l'epouser ä ma
place, sans t'en douter." (3.) Arlequin Cadet ist in Paris
angekommen; aber er weiss die Adresse seines Bruders nicht. So
klopft er an Rosettes Haus, die ihm in aller Eile ihr Porträt
schenkt, das eben fertig wurde, (5.) und eine Börse mit Geld.
Indessen Arlequin Cadet über den seltsamen Vorfall spricht (7.),
eilt Nerine auf ihn zu (8.), nimmt ihm die eben erhaltenen Ge-
schenke und kühlt unsanft ihre Eifersucht an ihm. Unmittelbar
darauf klopft der Pariser Arlequin an Rosettes Thüre. Er
weiss von Bild und Geld nichts. Während er noch über die
eigentümliche Geschichte nachdenkt (12.), kömmt Arlequin Ca-
det und bringt Rosette ein Ständchen. Entsetzt hört der an-
sässige Arlequin ihrem Liebesgespräche zu und treibt seiuen
') Gottsched, Nöth. Vorr. II, 288.
2) Clement, Dict, lyr., S. 206. 329.
3) Auf S. 77—121 des dritten Bänclchens von „Theätre de M. de
Florian. Seconde Edition. A Geneve 1787".
Eotrous Les Menechmes. 549
Bruder mit Prügeln weiter. (14.) Rosette eilt aus dem Hause,
um zu sehen, ob ihrem Geliebten nichts zustiess, dieser aber ist
über ihre Treulosigkeit aufs höchste erregt. Nerine gesellt sich
dazu; einige Zeit dauert im Finstern die Verwirrung, bis Lichter
herbeigebracht werden und sich die Sache löst. „Ils sont deux!"
ruft Nerine befriedigt. „Tant mieux!" Doch in einem Hause
wollen sie nicht mehr wohnen. „II pourroit, " meint Arie quin,
„arriver des meprises de plus grande consequence que celle d'au-
jourd'hui. "
Zahlreich sind die Opern und Operetten in Italien und
Frankreich, welche mit diesem Stoffe zusammenhängen, so z. B.
„I due gemelli" von Tritto 1783; „I due gemelli" von
Guglielmi 1787; „I due gemelli" von Niccolini 1808; von
Gagliardi 1831 u. s. w.i)
Unter den Franzosen hat Rotrou, der bekannte Verehrer
der plautinischen Muse, sich die Menächmen angeeignet. Er
hat das Stück in der ihm üblichen Weise bearbeitet, grossen-
teils mit der ihm eigenen Sj:>racbgewandtheit nur übersetzt und
umschrieben, was der Inhalt seiner „Menechmes"2) (1636)
zeigen wird.
I. Akt. (1.) Der Parasit Ergaste vertritt den plautinischen
Peniculus.
Me plaigne qui voudra, ma pauurete me piaist,
Je la voy d'vn bon ceil toute affreuse qu'elle est,
beginnt er und ergeht sich in einer längeren Rede über die Vor-
züge der Armut gegenüber dem Reichtum, bis er auf den Ge-
dankengang des Peniculus im Originale (V. 79 ff., „Homines
captiuos qui catenis uinciunt" u. s. w.) übergeht:
Les ckaisnes tiennent mal vn captif en seruage.
(2.) Menechme rauy tritt auf, wie bei Plautus, einige
"Worte ins Haus an seine Frau richtend. Glücklich hat er sie
zurückgetrieben, um nun seine Liebste zu besuchen, welcher er
alles geopfert hat:
') Clement, Dict. lyr., S. 206. 329.
2) Les | Menechmes | Comedie | de Rotrov. | A Paris, | Chez An-
thoine de Sommaville, au | Palais, dans la petite Salle, ä l'Escu de
Prance. | 1636. Avec privilege dv Roy. — 108 Seiten, nebst sechs Seiten
Titel, Widmung Rotrous an den Grafen de Belin und Privileg. — Vgl.
Paul Stapf er, Shakespeare et l'Antiquite (Paris 18711). I, 126.
550 25X Menäclimi.
lies biens scmt epuisez des dons que ie luy porte,
Et ie luy vais encor offrir ce diamant,
Que ma femme entre tous prisoit vniquement.
Die diamantene Haarnadel vertritt hier die Stelle der palla.
des Plautus.
(3.) Die Erotie des Rotrou hat nichts von der Heiterkeit
und liebevollen Hingabe ihres Vorbildes. Ihre Rede ist mehr
kokett:
Si vous ne reseruez vne voix si feconde,
Vous me rendrez, Monsieur, la plus vaine du monde,
erwidert sie zunächst auf Menechmes Sehmeichelreden. Er
widmet ihr den Edelstein:
ce poingon qui vous est dedie
Aura l'heur de seruir ä ce poil delie,
Et ie m'estimeray le plus heureux du rctonde
De le voir tous les iours sous cette tresse blonde.
Sie nimmt das Geschmeide:
Puisque vous l'ordonnez, il faut que ie le porte.
Alsdann wird eine Tafel vereinbart, zu welcher sich der Pa-
rasit gleichfalls einlädt, und zu deren Herstellung der Koch Ci-
lindre (4.) Auftrag erhält. Wie Culindrus (V. 224), berechnet
auch er den Parasiten auf acht Gäste:
Qui tout seul disne autant que huict mangeurs d'elite.
II. Akt. (1.) Menechme-Sosicle begrüsst mit seinem va-
let Messenie das Land. Die Szene stimmt zu Plautus
vollständig. (2.) Cilindre erblickt Menechme-Sosicle und
lädt ihn sofort ein, indem er nach dem Parasiten fragt, wobei
freilich der Witz mit seinem Namen (V. 286) verloren geht.
Einige Verstellungen, Kürzungen und Erweiterungen einzelner
Gedanken sind in dieser Szene vorgenommen worden. Der
Vers 303:
Non scis quis ego sim, qui tibi saepissume
Cyathisso apud nos, quando potas?
ist hier an den Anfang ihrer Begegnung getreten:
J'ay cent fois eu riionneur de vous verser ä boire,
sonst aber entspricht alles dem Originale. (3.) Eroties:
Erscheinung wirkt auf den französischen Menechme ungleich
zündender als auf den römischen. Sowie Menechme ihrer an-
sichtig wird, ruft er aus:
Eotrous Les Menechmes. 551
Dieux, le Diuin objet, ie me rends, Messenie,
Et ne puis resister ä sa force infinie,
worauf Messenie, der bei Plautus sehr kalt bleibt, versetzt:
II est vray, qu'elle est belle.
Während sich Menechmes Begeisterung steigert:
Que son visage est doux, que son discours me piaist!
wird Messenie besonnener und berechnet mit dem plautinischen
Messenio (7. 384):
Oboluit marsuppium
Huic istuc, qnod habes.
Ce n'est qu'ä votre argent qu'elle tend ses appas.
Das Weitere hält sich genau an das Original, nur
dass an Stelle des Mantels Erotie hier den poincon (die Haar-
nadel ) überreicht :
Cet agreable gage
S'il estoit emaille me plairoit d'auantage,
auf dass ihn Menechme besorge. Messenie ahnt Schlimmes.
Leicht wäre es möglich,
Que pour le plaisir d'vn repas seulement
II uous eust mis au poiut de ieusner louguement.
III. Akt. (1.) Ergaste, den Menechme-Sosicle nicht
zur Tafel geladen hat, sinnt auf Eache. In seiner lebendigen
Phantasie stellt er sich die Freuden des Mahles vor Augen, von
dem für ihn wohl nichts mehr übrig bleibt:
Ha, que leur entretien maintenant a de charmes!
(2.) Begeistert tritt Menechme-Sosicle aus Eroties Haus
vom Mahle weg. Alles an ihr hat ihn hingerissen. Mit ernsten
Vorwürfen stellt sich ihm Ergaste in den Weg. Menechme-
Sosicle behauptet, ihn nie gesehen zu haben. Rachedürstend
entfernt sich der Parasit:
Tu te repentiras de m'avoir fait ieusner,
Et tu te souvicudras d*vu semblable disner.
Mit Übergehung der in V. 524 — 559 enthaltenen Szene tritt
(3.) Orazic, die Prall des ansässigen Menechme, auf mit lauten
Klagen über ihren ungetreuen Gatten. Ihr zur Seite steht Er-
gaste (4.), ihren Zorn immer mehr reizend und vor allem immer
auf den „poincon" hinweisend:
552 XI. Menäclimi.
Que cliacun estimoit & de qui la parure
Adjoütoit tant de gräce ä vostrc cheuelure,
und der nun so unwürdig verschenkt wurde.
(5.) Menechme rauy kommt in einem Selbstgespräche,
wobei jedoch der erste feine Teil bei Plautus, die politische
Seite (F. 570 — 596), nur ganz oberflächlich gestreift wird. Die
Zwistesszene, von Ergaste geschürt, verläuft nach Plautus.
Hinsichtlich des „poincon" drückt sich Menechme rauy ent-
schiedener aus, als der plautinische Ehegatte:
Erotie en veut vn de la mesme. facon,
Et renuoira le tien au plus tard dans vne lieure,
freilich in der Hoffnung, das Kleinod von Erotie wieder zu er-
halten. (6.) Da Orazie ihn verlassen hat, wendet sich Me-
nechme an Erotie, um den „poincon" wieder zu bekommen:
Je vous en promets vn, plus exquis & plus rare.
Erotie nimmt dies aber sehr beleidigt hin und lässt ihn als
„exclusissumus" (F. 698) stehen.
Ou me ferme la porte en quelque part que i'aille,
jammert er mit dem plautinischen Menächmus.
IV. Akt. (1.) Menechme-Sosicle trifft mit Orazie zu-
sammen. Sie schickt ihren Diener Decie — den Decio des
Originales (F 731) — um ihren Vater; der vieillard (2.) naht
alsbald. Er verhält sich bei seinem ersten Erscheinen ganz wie
sein Vorbild und erteilt der Tochter guten Rat; sie möge ihrem
Manne willfahren. Menechme-Sosicle stellt sich wahnwitzig
und spricht so:
Me dois-je contenter de ces rares effets?
La sorciere est en. fuitte, & ses Deinons defaicts.
Ce Caualier arme nuit encor ä ma gloire,
II faut que sa defaitte ackeue ma victoire.
Der Alte eilt bestürzt um den Arzt (3.); dieser kömmt auch
sofort (4), wird aber an den unterdessen auftretenden (5.) Me-
nechme rauy gewiesen. Diesen befreit (6.) Messenie gewalt-
sam und erhält zum Danke von ihm seine Freilassung: „Sois libre,
j'y consens!"
V. Akt. (1.) Von allen Vorfällen, vornehmlich von Mes-
se nies Freilassung, weiss Menechme-Sosicle natürlich nichts.
Er geht mit Messenie zu Erotie. — Die nächstfolgende
(2.) Szene zwischen Menechme-Sosicle und Erotie hat
Rotrou eingelegt.
Rotrous Les Menechmes. 553
Menechme naht liebeskrank und sentimental; Erotie fragt
zunächst um ihren Schmuck und erhält die tröstliche Antwort:
II est cliez vn orpheure, & des demain i'espere
De le voir dans ce poil.
Befriedigt tritt sie mit ihm ins Haus, vor welchem Messenie
murrend stehen bleibt:
II va cueillir les fruits ou son desir le porte,
Durant que ie m'amuse ä garder cette porte.
Die dritte Szene führt zwei Personen zusammen, die allen
Grund zur Klage haben, die durch die Untreue ihres Gatten ge-
kränkte Orazie und den von Hunger gepeinigten Parasiten,
der von sich sagen kann:
Je suis le ieusne mesme & la rnesme abstinence.
Ergaste zeigt Orazie die Wohnung Eroties. (4.) Noch-
mal führt der Dichter eine Irrungsszene vor, indem er (5.) den
Sklaven Messenie mit Orazie zusammenbringt, der sich stand-
haft als den Diener Menechmes ausgiebt und ihr erwidert:
Je parle de Menechme, «Sc non de vostre epous.
Eine neue Verwechslung hat das Auftreten des Me-
nechme-Sosicle mit Erotie zur Folge (6.), da Orazie er-
bittert gegen ihre Nebenbuhlerin Erotie loszieht; erst mit dem
Erscheinen (7.) des Menechme rauy klärt sich die Lage; ihm
folgen der Alte, der Arzt und Knechte. Messenie ist entsetzt
über die Zwillingsbrüder.
Que voyez-vous, mes yeux! ö prodige! ö merueille!
Je doute si ie vis, ie doute si ie veille!
Mon maitre est en deux lieux.
Die Erkennungsszene und damit die Lösung ergiebt sich von
selbst. Menechme-Sosicle heiratet, dem modernen Zuge
folgend, Erotie; Messenie erhält die Freiheit und der Pa-
rasit, was sein höchster Wunsch war, — ein Souper.
Si la soif ce matin m'a faict verser des larincs,
Qu'elle me va ce soir faire verser de viu,
ist seine Befriedigung.
Nur im fünften Akte hat sich liotrou gestattet,
vom Originale sich etwas weiter zu entfernen und es
um einige Verwechslungen zu erweitern. Ausserdem
554 XL Menächmi.
hält er sich ganz an Plautus, nur sucht er das Verhält-
nis des Menechme-Sosicle von Anfang an so darzu-
stellen, dass aus der Liehe der beiden am Schlüsse eine
Ehe werden kann.
Kaum zu den direkten, jedenfalls zu den misslunge-
nen Nachdichtungen der Menächmi zählt Boursaults •)
Lustspiel „Les Nicandres, ou les menteurs, qui ne men-
tent point"2) (1664).
I. Akt. Hipolite (Parisienne) ist sterblich in Nie andre I.
verliebt und macht ihm, da er mit seinem Diener Ragotin auf-
tritt, nachdem dieser sich entfernt hat, in Gegenwart ihres Kam-
mermädchens Ja einte mehr als naiv selber diese Erklärung.
Dieser, obgleich sehr von ihr begeistert, kann ihr nichts Be-
stimmtes erwidern. Wir hören den seltsamen Grund: Er hat
seinem Bruder einen „serment solennel" geschworen.
Depuis plus de six ans je voyage;
Mais en nous separant nous jurämes tous cteux
De jamais ä l'Hymen ne contraindre nos vceux,
Que de Tun ou de l'autre une bouche fidelle
De la mort ou la vie eut appris la uouvelle.
Voyez donc ä mon sort quelle peine se Joint,
Je le cherclie, il me cherche, & nous ne trouvons point.
Je ne puis deviner quel endroit le recelle:
Et pour comble de maux je vous trouve si belle.
Dies kann natürlich Hipolite nicht glauben. — Kaum ist
Nicandre I. fort, so tritt Ismene, die Geliebte des Nican-
dre IL, „vetue en honime," auf. Sie hat eben Nicandre I.
gesehen und ihn für den ihrigen gehalten. Die Bühnenweisung
sagt nämlich seltsam genug: „Freres gemeaux, qui se ressemblent
si fort qu'on les prend ä tous momens Fun pour l'autre & qui
se rencontrent fortuitement ä Paris sans que l'un ni l'autre le
seache oü ils s'habillent par hazard (!!) tous deux d'une meine
facon." Ja einte entdeckt sogleich, dass sie ein verkleidetes
Mädchen vor sich hat, und Ismene gesteht: -
II est vrai, je la suis
Et ce que vous aime est ce que je poursuis
L'infidelle Nicandre,
J) Edme Boursault ist anfangs Oktober 1G38 geboren und am
15. .September 1701 gestorben. Er war einer der berüchtigten klein-
lichen Gegner Moli er e s, gegen welchen er „1 e portrait du peintre
ou la critique de l'Ecole des Fem nies" mit einer schneidigen
Preface schrieb.
2) Auf S. 127 — 232 des ersten Bandes vou „Theätre de feu
Mousieur Boursault". Nouvelle editiön Paris (Pierre Eibou) 1725.
— Dieses sein fünfaktiges Stück zog er später selbst in drei Akte
zusammen. Doch war diese Neubearbeitung bei Ausgabe seiner Werke im
Jahre 1725 nicht aufzufinden. — Vgl. Beauchamps, Keckerches, IT, 232.
E. Boursaults Les Nicandres. 5o5
den sie in Lyon hatte kennen lernen, und der von ihrem Vater
ihre Hand erhielt. Damit ist für Hipolite das Rätsel seines Be-
nehmens gelöst.
Nicandre II. tritt auf. Mit Spott, empfängt ihn Hipolite.
..Nun ist der Bruder gefunden; er sieht Ihnen ganz ähnlich!"
Xicandre II. kann nur Destätigen:
II est vrai que tous deux nous avons meines traits,
J'ai la voix, le visage, & la taille, de meine
J'ai l'humeur . . .
Sie spricht auch von seiner Ismen e und überschüttet ihn mit
Vorwürfen, worauf er nur versichert, er werde Ismenen sein
Wort halten, sowie sein Bruder gefunden sei. Seine schwär-
merische Liehe zu Ismene erregt natürlich Hipolite in noch
höherem Grade. Vergeblich versichert er Crispin, seinem Die-
ner, er kenne die Dame nicht; dieser findet:
A la premiere vüe eile est bien familiere
Des soüflets tout d'abord.
Ragotin ist von seiner Konnnission zurückgekehrt und stattet
Nicandre IL Bericht ab, der von allem nichts versteht. Doch
folgt er ihm als seinem Herrn.
II. Akt. Ismene macht Nicandre I. Vorwürfe wegen seines
Verhaltens. Er sei von. Lyon plötzlich abgereist u. s. w. Er weiss
von nichts. Sie entdeckt sich als seine Ismene; er kennt sie nicht.
— Unterdessen erbittet sich Nicandre I. eine Unterredung mit Hi-
polite, welche Jacinte gerne vermittelt. — Crispin ist zurück-
gekommen und setzt ihn von seinen Erfolgen in Kenntnis. Er
begreift wieder nichts; kann indes nur erklären, dass er Nicandre
heisse, und giebt ihm, ehe er abgeht, eine Ohrfeige. — Heiter
tritt Nicandre IL auf und begrüsst seinen Diener, der noch
seine Wange hält, sodass Nicandre IL vermutet, er leide an
Zahnschmerzen. Crispin gerät darüber in Wut. Dazu kömmt
Jacinte mit Hipolite. Sie will ihn seinem Wunsche gemäss
noch einmal sprechen. Nicandre IL versichert indessen, dass er
für Ismene entbrannt sei; durchaus nicht könne er sich erinnern,
jemals nach Hipolite verlangt oder eine Unterredung mit ihr
angestrebt zu haben. Hipolite kömmt in hohe Aufregung, bei
welcher Gelegenheit Crispin wieder eine Ohrfeige von Jacinte
erhält. — Zuletzt kömmt auch noch Hipolites Vater, Isidorc,
„un homme scavant" :
Ma geniture, aurois-tu forligne?
Dieux des scavans, l'une et l'autre soüpire!
Er soll den Verräter zurechtweisen.
556 XL Menächmi.
III. Akt. Ismen e hat sich heimlich an den Kommissur
«i'i'w -endet und ihm alles entdeckt. Nicandre IL soll verhaftet
werden, aber mit aller Schonung', bittet sie. Der Kommissär
verspricht dies mit ,.qninze on seize archers" auszuführen. —
Ragotin, der in Ismen es Dienste getreten ist, soll an Ni-
candre IL eine Karte besorgen. Da kömmt eben Nicandre I.
und treibt, nachdem er die Karte gelesen hat, Ragotin davon.
Nicandre I. will nun Verabredetermassen zu Hipolite, wird
jedoch von ihr abgewiesen; dagegen trifft er Ismenes Vater,
Eutrope, der ihn nicht mehr von der Stelle lässt. Der alte
Isidore hat kaum Eutropes Stimme gehört, als er aus dem Hause
stürzt, und so fasst auf jeder Seite einer Nicandre I. am Arme.
Quoi! de l'un et de l'autre eprouver la fureur.
D'un courroux si bizarre apprenez-moi la cause;
Soit ä vous, soit ä vous ai-je fait quelque chose?
Während dieser Szene erkennen sich Isidore imd Eutrope
als alte Freunde, und indessen sie unter Freudenthränen sich
umarmen, entflieht Nicandre I. ins Haus der Hipolite. Cris-
pin beladen, stolpert über die beiden Alten. Nicandre IL tritt
auf; kaum aber hat er Eutrope erblickt, als er eiligst die Flucht
ergreift, und zwar gleichfalls in Hipolites Haus.
Eutrope erkennt Crispin und hegt Verdacht:
II nous a fait tomber pour faire fui're son niaitre.
Er will ihn ins Gefängnis stecken lassen. Vorerst aber muss er
Nachricht von seiner Tochter haben:
Peut-etre est-elle grosse, & je seais le ruoyen.
Crispin wird grob und der Wache als Gefangener übergeben.
IV. Akt. Nicandre I. hat Hipolite wiederum gewonnen.
Sie möge nur ihren Vater für ihn günstig stimmen, so werde
alles gut werden. Indem er von ihr scheidet, stösst er auf
Crispin, der ihm seine Verhaftung erzählt. Nicandre I. meint,
er möge sich auf ihn verlassen, er werde alles in Ordnung brin-
gen; auch Hipolite sei wieder beschwichtigt; in einer Stunde
erwarte er ihn. Da tritt Nicandre IL aus dem Hause, und die
alten Missverständnisse beginnen aufs neue. Er will von Liebe zu
Hipolite nichts wissen:
Je veux vous obeir, j'y mets toute ma gloire,
Mais . . .
So eilt er ab. Hipolite, neuerdings entsetzt, schickt ihm Ja-
cinte nach, die ihn festnehmen lassen soll. Unterdessen entdeckt
sich Ismene ihrem Vater.
E. le Nobles Les deux Arlequins. 557
V. Akt. Wir treffen Nie andre IL im Gefängnishofe; bei
ihm ist Crispin. Ismene spricht mit Cr ispin. Sie will wissen,
ob Nicandre Reue fühlt. Darum will sie ihn sehen, und auf
C'rispins Rufen erscheint Nicandre I. hinter einem vergitterten
Fenster. Er wird herabgeführt; erkennt aber Ismene nicht als
seine Geliebte, mit welcher er, wie ihm Crispin vergeblich ins
Gedächtnis rufen will, zu Lyon ein Verhältnis anknüpfte. Er
will von gar nichts mehr wissen. Ismene geht verzweifelnd,
um ihren Vater zu holen. — Auch Ja einte kömmt zu Crispin,
um über Nicandre etwas zu hören, allein Crispin meint, er
sei ein Narr geworden: „il en est parbleu ftra. " Noch folgen
einige Verwechslungen, wieder zwischen Hipolite und Ni-
candre IL, bis endlich die beiden Brüder einander gegenüber-
stehen und alles fröhlich endet mit den Worten Crispins:
Faites qu'en tous lieux on vous loue en ce point
Qu'on vous a erü menteurs, & vous ne mentiez point.
Das Stück zählt wohl zu den albernsten, die man
sich denken kann. Zwei Mädchen, wie sie aufdringlicher
nicht gedacht werden können, fünf Akte mit Verwechslungen
>rcts der gleichen Personen — Hipolite, Ismene, Nican-
dre I. und IL — , keinerlei Episode von Bedeutung zur Belebung
des Ganzen, dabei die wichtige Rolle, welche die willkürlichen
Verhaftungen spielen, das alles giebt gewiss kein fesselndes Lust-
spiel. Auch die Sprache ist wenig gefällig und sticht stark ab
von der . Grazie der Zeitgenossen Boursaults.
An die Menächmi schliesst sich das Stück wenig an;
es ist nur die Grundidee der ähnlichen und infolge da-
von verwechselten Brüder denselben entlehnt.
Man möchte glauben, dass ein Dichter, der einen Plautus
zum Vorbild hat, wenn ihn diese Idee reizte, an seinem Modell
etwas Besseres hätte lernen können, als Boursault zustande
brachte.
Die Idee der Menächmen1) liegt dem dreiaktigen Lust-
spiele des Eustache le Noble Tendiere (geb. 1643; gest.
13. Januar 171 1)'2) „Les deux Arlequins"3) zu gründe, das
zum erstenmale am 26. September 1691 von den „comediens
Italiens du Roy" im Hotel de Bourgogne gespielt Avurde.
l) E. Sommer, Piaute. I, 373.
-) Nach Beauchamps, Ilecherches, III, 117.
3) Enthalten auf S. 269—340 dea dritten Bandes von „Le theätre
italien de Gherardi, ou le recucil de toutes les Comedies «St Scenes
Francoises joüees par les Comediens Italiens du Roy, pendaut tout le
temps qu'ils ont ete au Service de sa Majeste. Amsterdam (Adr. Braak-
manj 1701.
558 ^1- Meuächmi.
Der ältere Arie quin ist Diener des greisen Geronte, der
sich um die Hand der jugendlichen Isabelle bewirbt. Seine
Geliebte ist Colombine, Isabellas Kammermädchen. Mit dem
zweiten Akte tritt Arlequins jüngerer Bruder, der eben von
Italien zurückgekehrte Arie quin (eadet) auf. Pierrot (pa'isan)
ist der erste, der ihm begegnet und ihn mit seinem Namen begrüsst,
was zu seiner Verwunderung den ersten Anlass giebt (II, 4).
Arl. Ma surprise, Pierrot, est a la tienne egale,
Et dans Paris jamais l'on ne ni'a vü.
Pierr. Vezi vela pourtant diablement bien connu.
Arl. Que je sois ecrase si jamais de ma vie
En ces lieux j'avois mis le pie,
Et si de ce pas je ne viens d'Italie.
Allerdings gedenkt er schon seines älteren Bruders, „l'honneur
du sang des Sbroufadels", der schon länger an den Ufern der
Seine weilt. Hatte er eben . erst an Stelle seines Bruders von
Marinette, Isabelles zweiter Zofe, eine Ohrfeige bekommen,
so wird er jetzt von Piquelard, dem plautinischen Culindrus,
zur Tafel bei Colombine geladen. Er wundert sich über dieses
neue Abenteuer; denn auch Piquelard weiss seinen Namen; „ce
faquin sc,ait mon nom!" Er wundert sich, wie Menächmus,
über die Pariser Sitten. „L'on est bien ruse dans Paris!" meint er,
und Colombines Liebesanträge nimmt er mit grosser Vorsicht auf.
Je suis un etranger, mais non pas une bete;
Et je meprise un cceur coquet
Qui se jette ä tous ä la tete.
Colombine zeigt ihm ein Juwelenkästchen, das Geronte
für ihre Herrin Isabella ihr überreicht hat; er soll es seinem
Herrn Geronte zurückerstatten. Arlequin versteht zwar von
alle dem nichts, nimmt aber doch die Juwelen an. An Stelle
des jüngeren Arlequin kömmt (II, D) sein Bruder. Er weiss
natürlich von dem Vorgefallenen nichts und kann sich auch der
ausgehändigten Juwelen nicht erinnern. Nach einigen Stanzen
(imitees de Celles du Cid) trifft er mit seinem Bruder zusammen,
den er für dessen Schatten hält.
Arl. (cad.) C'est l'ombre de mon frere
Qui scait que je suis arrive.
Mit dem dritten Akte erzählt Colombine dem alten Ge-
ronte, dass Arlequin von den Pretiosen nichts mehr wissen wolle.
Arlequin mit dem Schmuckkästchen tritt auf. Gekrönte beobachtet
ihn und stellt ihn zu Rede. Arlequin tritt ihm energisch entgegen:
Je m'appelle, il est vrai, le Seiguenr Arlequin.
Mais au diable si de ma vie
Je vous ai ui vü, ui parle,
Ny si jamais j'en eu envie.
Reguards Les Menechmes. 559
Geronte gerät in Zorn und trifft bald hierauf mit seinem
wirklichen Diener zusammen, der alles leugnet:
Moi je vous ai vole, moi je vous ai battu.
Ah c'est trop insulter im komme de vertu!
Umsonst! er will ihn verhaften lassen. Arlequin (ame) jedoch
treibt den Kommissär mit Schlägen weiter.
Endlich (III, 14) löst sich das Miss Verständnis. Colombine
erblickt beide Arlequins.
Mais que vois-je, Madame? Arlequin est double,
L'oeuf ä l'ceuf n'est pas plus semblable.
Wer ist der richtige?
Ils sont de chair & d'os, meme corps, meines yeux.
Meme nez camard, meme panse,
L'un des deux est un diable, ou tous deux sout jumeaux.
Beide Brüder erkennen sieb.
Arl. (cad.) Oh non, mou frere s'est fait peudre.
Arl. Deux fois je Tai risque, mais de tous les deux sauts
Galammeut j'ai scü ine defeudre.
Arl. (cad.) Cher aine, c'est donc toy?
Arl. C'est donc toy, cber Cadet?
Die „deux Arlequins" sind zwar weither von römischem
Boden auf die italienische Szene nach Paris verpflanzt, haben
aber einige Züge des Originales, so die Geschichte mit dem
Schmuckkästchen und einiges andere bis auf den Wortlaut
beibehalten.
Jedenfalls eine Ausdehnung dieses Stückes sind: „Les
quatre semblables, ou les deux Lelio, & les deux Arle-
quins," eine dreiaktige, am 5. März 1733 gespielte Komödie
des Pierre Biancolelli (1680—1734)')
Ganz auf Plautus beruht das Lustspiel Jean Francois
Regnards „Les Menechmes, ou les jumeaux." Comedie en
vers et en cinq actes, precedee d'un Prologue en vers libres.
Representee pour la premiere fois, le vendredi 4 Decembre 1705. 2)
Dem Stücke geht eine Epistre ä Monsieur Despreaux
voran; dann folgt ein Prolog, durchgeführt von Apoll on,
') Beauchamps, Recherche*. V, 134. — Vergleiche ebenda (V,
124) „Li duc Leli e due Arlichini," eiue dreiaktige Komödie and
vielleicht hierher gehörig (V, 126) „Li gemelli, o la prigion d'amore"
in fünf Akten. (Vgl. oben S. 527.)
-) Auf S. 231—336 des dritten Bandes der „Oeuvres de M. Reg-
nard". Nouvellc tJditiou. Paris (Bördelet) 1750.
560 XL Menächmi.
Mercure und Piaute. Die Szene spielt auf dem Pavnass.
M er eure hat neben seinen vielen Beschäftigungen sich auch des
Pariser Theaters angenommen :
Les Spectacles, la Comedie
Me dounent ä Paris quelque oecupation;
Je les ai pris sous ma protection.
Er braucht nun ein komisches Stück; aber seitdem la Par-
que meurtriere:
Enleva le fameux Moliere
ist es nichts mehr mit dem komischen Theater. Da wird Plau-
tus von Apollo berufen. Er erscheint, will jedoch anfänglich
nichts mehr wissen. Seine Komödien haben ihm nicht einmal
das Leben verdient, und so kann er Apollo gegenüber wohl ver-
sichern:
Et si j'avois ä reprendre naissance,
J'aimerois mieux etre portier
D'un Traitant ou d'un Sous-fermier
Que mignon de Votre Excellence.
Er befürchtet, dass seine Stücke heutigentags nicht mehr
gefallen würden; da erinnert sich Apollo, dass in diesen Ta-
gen erst:
Un Auteur, qui par fois erre dans ces detours
Me fit voir un sujet qu'on nomme
Les Menechmes, qu'il dit avoir tire de vous
Et qui fut applaudie dans Rome.
„Das verhält sich allerdings so", versetzt Piaute. Dieses Stück
Divertit autrefois un peuple difficile.
Et peut-etre aura-t-il meme sort ä Paris.
Damit zufrieden scheidet man vom Parnass, und die Szene
wird ein öffentlicher Platz in Paris.
I. Akt. (1.) Le chevalier Menechme erwartet seinen
Diener Valentin, der nach langem Zögern mit dem Gepäcke (2.)
eintrifft. Nach allerlei Vorwürfen über seinen vei-derblichen Hang
zum Trinken und Spielen, wobei er indes seinen Herrn gehörig
hinausbezahlt, kommt die Rede auf den Koffer, welcher nicht der
richtige zu sein scheint.
De la mienne eile n'a ni l'air, ni la fagon,
meint der Chevalier; dennoch aber trägt er die Adresse: „A
Monsieur Menechme, ä present ä Paris." Da der Schlüssel
nicht passt, lässt der Chevalier den Koffer erbrechen; in dem-
selben findet er aber nur fremde Effekten, Briefe u. a. nicht ihm
Kegnards Les Menechmes. 561
Gehöriges. Der Chevalier erzählt alsdann seine Jugendge-
schichte. Geboren hei Peronne, sei er mit fünfzehn Jahren zur
Armee gegangen. Sein einziger Zwillingsbruder sei bei einem
reichen, geizigen Onkel zurückgeblieben: die Mutter sei bereits
bei der Geburt der Zwillinge gestorben.
Noüs uou-i ressemblions, mais si parfaitement,
Que les yeux les plus fins s'y trompoient aisemeut.
Et notre pere meine, en comniengant ä croitre,
Nous attachoit im signe afm de nous connoitre.
Unter den Briefen in dem erbrochenen Koffer befindet sich
auch einer des Notars Robert in, in welchem er dem Besitzer
des Koffers mitteilt, dass ihm sein Onkel testamentarisch sechzig-
tausend Thaler (ecus) hinterliess, und dass er nun die Heirat mit
Isabelle, die ganz nach dem Willen ihres Vaters sei, eingehen
könne. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der glück-
liche Besitzer des Koffers sein Bruder ist —
Un frere qui recoit tous ces biens qu'on lui laisse
Et qui vient enlever encore votre maitresse,
wie Valentin sagt. Nun gilt es, die Sache zu hintertreiben.
Vor allem macht sich der Chevalier an die Tante Isabel las,
die alte Araminte, die in ihn verliebt ist und eben recht (3.)
mit ihrer Zofe Finette kömmt. Er macht ihr stark den Hof,
und Finette findet (4.), dass auch „son valet Valentin n'est pas
mal fait aussi". (5.) Nach dem Abgänge . des Chevalier Me-
nechme tritt A ramint es Bruder, Demophon, auf, der ihr
mitteilt, dass seine Tochter heiraten soll, und nach einem Wort-
kriege über ihr Alter („cinquante ans"), das Araminte nicht
zugeben will, (6.) sich aufmacht, den Notar Robertin zu be-
suchen.
II. Akt. (1.) Valentin hat den Bruder des Chevalier
Menechme entdeckt. Er schildert ihn:
Le visage et les traits, Fair et le tou de voix
Ce n'est qu'uu, je m'y suis trompe plus d'une fois;
dennoch aber:
Son esprit, il est vrai, a'esl pas semblable au vötre.
II est brusque, impoli, son humeur est tont autre.
On voit bieu qu'il n'a pas goüte l'air de Paris,
Et c'est im i'ranc Picard qui tient de son pays.
Dies gab Goldoni den Grundriss zu seinen beiden
Brüdern Zanetto und Tonino. (Vgl. S. 545. Z. 7 v. o.) —
36
562 XL Menächmi.
Valentin rät nun, die Ähnlichkeit mit dem Bruder zu be-
nutzen, heim Notar das Geld und heim Vater die Tochter zu
holen. Zwar erwidert der Chevalier:
J'ai de tromper mon frdre an fond quelque scrupule;
allein er tröstet sich, er könne ja später das Geld mit seinem
Bruder wieder teilen, und von Isahelle kann er ohnehin sagen,
„qu'elle ne me voit pas avec indifferenee. " Er hat sich also,
gleich seinem Bruder, in Trauerkleider zu werfen:
II faut etre vetu comme l'est votre frere;
II porte le grand deuil, son linge est etile,
Un bandrier noue d'un crepe entortille;
Sa perruque de peu differe de la vötre.
Unterdessen hat sich schon hei der ersten Begegnung Va-
lentin als Diener des zweiten Meliechme anwerben lassen und
ist von ihm als solcher gedungen worden. • — (2.) Menechme II.
tritt auf; er klagt seinem Diener Valentin gegenüber wegen des
Lärmens und des unruhigen Lebens in Paris. Sein Koffer sei
gegen einen andern wertlosen vertauscht worden. „Des billets
doux de femmes y sont pour toutes hardes." Er erzählt alsdann,
wie er in Paris sei, um seehzigtausend Thaler einzuziehen, da
sein Bruder seit fast zwanzig Jahren verstorben sei. Valentin
solle ihn nun erst zu Demophon und alsdann zu dem Notar
Robertin führen. Da tritt (3.) Finette auf. Sie hält Me-
nechme IL für den Chevalier und fragt ihn, warum er Trauer-
kleider angelegt habe. Menechme findet dies etwas seltsam;
allein Valentin sagt ihm, nicht ohne Reminiszenz an den
plautinischen Messenio, von den Pariser Damen:
C'est Thumeur du pays; et saus beaucoup d'instance
Avec les Etrangers elles fönt connoissance.
Finette fährt nun weiter. Ihre Herrin sei arg in ihn verliebt;
er könne sie sofort heiraten. Wie der plautinische Menächmus,
staunt auch der französische, wie Finette seinen Namen wisse.
Er versichert, sie nie gesehen zu haben. Trotzdem wird er von
Finette namens ihres Fräuleins zu Tische geladen. Auf des
Kammermädchens Frage, was es denn mit seinem Herrn sei, ant-
wortet ihr Valentin:
Depuis un certain tems il est assez sujet
A des distractions dont tu peux voir l'effet.
(4.) Valentin weiss nun nach Finettes Abgang dem Me-
nechme beizubringen, dass die Person wohl um sein Geld ge-
Eeguards Les Menechmes. 553
wusst habe und ihn darum zu sich locken wollte. (5.) Mittler-
weile hat Finette Ar am inte geholt, die nun von Menechme
das Gleiche hört. Er wird immer unhöflicher, ja er nennt beide
zu ihrem Entsetzen „des ereatures". Finette jammert, er sei
verhext. Nun da sie fort sind (6.), möchte Menechme seine
Braut sehen: ..Un clesir curieux plus que l'amour me presse."
(7.) Nach alledem hat Valentin reichlichen Stoff gesammelt, um
seinen wirklichen Herrn davon zu unterrichten.
III. Akt. (1.) Der Chevalier in Trauer gleicht völlig
seinem Bruder:
Rien n'est plus surprenant ; et votre ressemblance
Avec votre jumeau passe la vraissemblance.
Vous et lui ce n'est qu'un; etant vetu de deuil
II n'est komme ä present dont vous ne trompiez l'ceil,
so zwar, dass ihm der Diener ein Zeichen an den Hut steckt, um
ihn nicht zu verwechseln. Der Notar ist bereits getäuscht wor-
den. In einer Stunde kann er sein Geld dort abholen. Nun
kömmt auch (3.) Demophon; Valentin stellt ihn seinem Herrn
vor und wird dann abgeschickt, um Menechme IL von einem
Gange zum Notar abzuhalten. (4.) Demophon hat seine Toch-
ter geholt. Diese erklärt zwar zuerst, sie wolle nicht heiraten,
da sie aber in dem ihr bestimmten Bräutigam ihren Geliebten,
den Chevalier, erkennt, ist sie sofort für die Ehe, eine Sinnes-
änderung , welche der Alte dem Einflüsse seiner väterlichen
Autorität zuschreibt. Zum Verhängnisse gesellt sich (5.) Ara-
minte dazu, die sogleich dem Chevalier mit Vorwürfen ent-
gegentritt. Demophon nimmt seinen künftigen Schwiegersohn
in Schutz: dieser geht: Araminte jedoch erklärt: ,.Je veux
l'epouser en depit de la Alle." (6.) Der Vorfall ist Demophon
recht unlieb. Unglücklicherweise kömmt (7.) Menechme H.
des Weges. Da er von allen Vorgängen nichts weiss, erregt er
allenthalben Anstoss. Demophon meint: „Cet homme dans
l'abord me paroissoit plus sage;" Isabelle findet: „Je ne le
connois plus; son esprit s'est trouble." Sie scheidet sehr unbe-
friedigt von ihm. Auch Demophon (8.) kömmt mit ihm nicht
ganz zurecht; Menechme IL selber ist von seiner Braut nicht sehr
erbaut. (9.) Da er eben gehen will, begegnet ihm der Kaufmann
Coquelet, der ihn als alten Bekannten begrüsst. (10.) Er hat
gegen ihn einen Schuldhafterlass, eine Gerichtsentscheidung „par
Corps", wolle aber als guter Mann, ..benin creancier, " die Exe-
kution verschieben. Valentin will vermitteln. Er sag( Co-
quelet heimlich, sein Eerr sei nicht ganz, bei Sinnen. In der
Schlacht habe er, an der Kanone stehend, sein Gehirn erregt.
Allein Menechmes Benehmen vereitelt alles. Er zerreisst wütend
36
564 XI. Menächmi.
die ihm dargebotene Rechnung, worauf sich Coquelet zürnend
imd drohend entfernt. (11-) Da Menechme zum Notar will,
versichert ihm Valentin, dass er jetzt nicht zu Hause sei.
Brummend über alles Erlebte: „Tont est devenu fou, je crois,
dans cette ville," entfernt sich Menechme IL; Valentin aber
(12.) freut sich des bisherigen Erfolges und hofft „servir utilement
la fortune et l'amour".
IV. Akt. (1.) Valentin wacht, damit niemand das Haus
des Notars betritt. Zu ihm kommt (2.) Fi nette, die den Cheva-
lier sucht, um Briefe und Bild ihres Fräuleins von ihm zurück-
zuverlangen. Valentin sagt ihr, sie hätten nun einen Onkel
beerbt und verfolgten gleichfalls höhere Zwecke. (3.) Me-
nechme IL ist aufgetreten. Finette giebt ihm im Auftrage
ihrer Gebieterin sein Bild und seine Briefe zurück, was ihn in
gewaltiges Erstaunen versetzt. Er kann schwören, dass er sich
nie habe malen lassen: „Je ne nie suis jamais ni fait graver ni
peindre." Trotzdem aber hat das Bild sprechende Ähnlichkeit
mit ihm. Während Menechme IL noch mit Valentin spricht (4.),
tritt der Marquis, ein Gascogner, auf (5.), der von Menechme
sechshundert ihm geliehene Louisd'or zurückverlangt. Da Me-
nechme IL hiervon nichts zu wissen behauptet, fühlt sich der
aufschneiderische Marquis veranlasst, ihn zum Zweikampf heraus-
zufordern. Menechme erschreckt, bietet ihm sechzig Louisd'or,
die er eben zur Hand hat. Der Marquis entfernt sich mit dem
Ausdrucke der Verachtung:
Ne lu'approchez jamais que de loin . . . Plus d'affaire
Je serois degrade de noblesse chez nous,
Si j'etois accoste d'un lache tel que vous.
Endlich kann Menechme zum Notar gehen. Für niemand
hat er mehr etwas anderes als Argwohn, indessen sich Valen-
tin seiner Streiche freut (7).
Der Chevalier hat das Geld eingezogen; er ist ausser sich
voll Jubel (8). Von Valentin erfährt Isabelle die Ursache der
ganzen Verwirrung :
Mais sachez que monsieur en ces lieux a son frere,
Frere jümeau, semblable et d'habits et de traits,
sie wird auf sein Zeichen an seinem Hute hingewiesen:
Pour ne nous plus tromper, regardez ce sigual;
II doit dans l'embarras vous servir de fanal.
V. Akt. (1.) Finette hetzt Araminte, den Chevalier
nicht loszulassen. Er hat ihr die Ehe versprochen: „Vous avez
sa promesse, il faut qu'il l'accomplisse. " Auch ihrem Bruder
Demophon gegenüber (2.) macht Araminte ihre Rechte nach-
Begnards Les Menechrnes. 565
haltig geltend. In der Zwischenzeit hat Meneelime II. vergeb-
lich den Notar gesucht (3.), aber in Paris lauter Bekannte, und
zwar nicht immer die angenehmsten, gefunden. Ar am inte lässt
ihn hart an und zeigt ihm sein Eheversprechen , das er ihr
schriftlich gab. Dazu kömmt auch der Notar (4.), der eben an
Menechme IL sein Geld ausbezahlt haben will. Der neu auf-
tretende Valentin (5.) kann dies nur bestätigen, was Me-
nechme II. aufs höchste erbittert. Alle stürmen auf ihn gleich-
massig ein, bis (6.) endlich der Chevalier die Geschichte löst.
Isabelle kennt das Zeichen auf dem Hute und wählt ihn als
Gatten, Araminte nimmt Menechme II., Finette Valentin.
Alles Übrige wird zur Zufriedenheit geschlichtet.
Es bedarf kaum eines Beweises, wenn man nur den Inhalt
gelesen hat, dass Regnards Lustspiel tief unter dem Origi-
nal steht. Für den Zuschauer bietet es keine Täuschung;
dieselbe betrifft nur ein Paar Mitspielende. Der Bediente
ist niemals in Zweifel über seinen Herrn, das Zeichen am Hut
(ähnlich dem Amphitruo, S. 120) kömmt auch der Geliebten
zu Hilfe. Regnard hat alles gethan, um sein Stück glaub-
würdig zu machen, und darin liegt der geringere Erfolg
desselben. Hier ist alles Intrigue des schlauen Dieners, der
alle Personen wie Marionetten leitet und alle Szenen herbeiführt,
der beiden Menächmen dient, beide wohl unterscheidet. Seinen
Anordnungen folgt das gesamte Publikum, selbst nie getäuscht,
nie in Zweifel über die Persönlichkeit, während bei Plautus
stets beim ersten Auftreten auch der Zuschauer erst aus dem
Zusammenhange entnehmen muss, welcher Menächmus vor ihm
stehe und darum stets die Komödie der Irrungen mitspielt. Von
dem Humor des Plautus Regnard gegenüber soll gar
nicht die Rede sein.
Schwach muss der Erfolg dieser Menächmen gewesen sein,
in denen zwar fast jede plautinische Figur genau verwertet ist,
die aber doch mit dem Originale keinen Vergleich dulden. Hart
urteilt darum Rapp1) über die Komödie ab, die indessen vielfach
übersetzt wurde. 2)
') Die pl. Lustsp., S. 443. — Vgl. Sommer, Les comedies de Piaute
traduites etc. (I, 374): „En dounant aux deux Ereres des caracteres en-
tiörement oppose"s il (Regnard) ;i e*te vraiment createur."
-) Ids Deutsche 17;")7. Die Menechmer oder die Zwillings-
brüder, eiu Schauspiel aus dem Französischen des Herrn Begnards.
Nebst eiuer Zueignungsschrift an den Verfasser des gelehrten Artikels
im Hamburg. Correspondenten und einer kurzen Abhandlung vom Ge-
schmacke der Deutschen in der theatr. Dichtkunst und einem Xaehs]>iel
„Die Klatschen" betitelt, Bresslau (8°) 1757. Gottsched. II, 294. Gö-
deke, Gd. S. 547. — Ferner im 2. Teil No. 3. B"egnard, sämmtliche
theatr. Werke: Die Menächmer oder die Zwillinge. Berlin 8°. 1757.
566 XI. Menächmi.
Zutreffend ist auch, was Paul 8 tapfer1) über das Stück
Regnards äussert: .,Ce qu'il y a de plus interessant a noter dans
les Menechmes de Regnard au point de vue d'une etude de
litterature comparee c'est la degenerescence de l'amour fraternel
et generalement de tous les sentiments lionorables de la nature hu-
maine dans le monde de d'escrocs et de sacripants qui fournit aux
successeurs de Moli er e les heros preferes de leur theatre." Mit
Recht sagt er von dem Chevalier: „Le che valier Menechme n'est
quun chevalier d'industrie qui s'entend avec son valet pour duper
Menechme son frere."
Noch sind die französischen Menächmen nicht erschöpft, oh
sie auch nicht direkt an Plautus hinstreifen.
Von Frc. Cailhava2) werden „Les Menechmes grecs"
angeführt. 3)
Am 13. Dezember 1785 Hess Charles de Montenoy Pa-
lissot (1730 — 1814) sein Lustspiel „Clerval et Cleon, ou les
nouveaux Menechmes"4) in fünf Akten aufführen. Der „Avis
des Editeurs" sagt von demselben: „Cette comedie qui n'a rien
de commun, ni pour les caracteres ni pour l'intrigue,
avec la comedie des Menechmes est fondee comme eile sur
la ressemblance parfaite de deux personnages. Pour rendre cette
ressemblance vraisemblable aux yeux, l'auteur avait combin^ son
sujet de maniere que les deux personnages ne paraissant jamais
ensemble, tm seul et meine acteur, sous des habits differens put
remplir ä la fois les deux röles. On sait que chez les Grecs et
chez les Romains ä la faveur des masques antiques, deux acteurs
pouvaient representer avec illusioii, ou les deux Sosies, ou les deux
Menechmes; mais on conenit a peine comment, sur nos theätres
modernes, le public a pu s'aecoutumer a voir representer ces per-
sonnages par des acteurs qui, loin d'avoir entre eux aueune ressem-
blance, ne presentaient aux yeux que la disparite la plus absurde
et la plus choquante. L'innovation de l'auteur etait donc un moyen
heureux qui m^me a ete tente depuis avec succes dans la Comedie
des Trois Jumeaux Venitiens." (Vgl. S. 538 u. 594.)
Von den plautinischen Menächmen hat Palissot
allerdings nichts verwertet, als die Idee zweier ähn-
') Shakespeare et l'Antiquite. (Paris 1879.) I, 136.
2) Sein Theatre. Paris 1781. 2 Bde.
_3) Nach Dunlop (Hist, I, 185) bei Ussing. III, 383. — Die zwei-
bändige Ausgabe seiner Lustspiele (Paris 1781) enthält dieselben nicht;
auch thut er in seinen geschwätzigen Memo ir es historiques sur nies
pieces derselben keinerlei Erwähnung. Wohl aber führt H. Lucas
(DU) dieselben als im Jahre 1791 gespielt auf.
4) Auf Seite 229 — 361 des ersten Bandes der „Oeuvres de M. Pa-
lissot, Lecteur de S. A. S. Msr. le Duc d'Orleans". Nouvelle edition.
Paris (imprimerie de Monsieur) 1788.
Palissot. Picard. 567
liclier Menschen, die bei Plantus Zwillingsbrüder, liier
einander durchaus fremde Leute sind. Um die Glaub-
würdigkeit also, die bei Plautus schon von einigen augefochten
wird, steht es liier weit schlimmer. Noch unwahrschein-
licher wird die Sache durch die Handlung des Stückes selbst.
Clerval, der treue Liebhaber Lucilies, hat mit dem Ver-
lobten dieser Dame, Cleon, eine solche Ähnlichkeit, dass ihn
alle für diesen halten, die Geliebte nicht ausgenommen. (!) Cleon
ist ein unsauberer Rivale. Er hat während seines Brautstandes
mit Lucilie eine andere Liebe gepflegt, hat Schulden in grosser
Anzahl zusammengebracht und überhaupt ein schlechtes Leben
geführt. Durch eine arge Indiskretion ist Fron tin, Clervals
Diener, in den Besitz der Briefschaften Cleons gekommen und hat
so Einsicht in seine Verhältnisse gewonnen.
Mon maitre aurait des scrupules; mais bon!
Tous les moyens sont egaux quand on airne,
C'est mon avis. (II, 1.)
Clerval gilt infolge seiner Ähnlichkeit überall für Cleon.
Dorimon, der künftige Schwiegervater, begrüsst ihn zuerst
als Cleon (I, 4), ihm folgt Clitandre, Dorimons Neffe, in der
gleichen Täuschung (II, 2). Dies führt verschiedene Verwechs-
lungen mit sich, die sich steigern, da (III, 6) Pas quin, Cleons
Diener, erklärt, sein Herr sei in Nemours und nicht in Paris.
Während Clerval neben verschiedenen Unannehmlichkeiten auch
Händel mit dem Marquis bekömmt (IV, 4), der ihm energisch
erklärt :
Vous vous donnez pour im autre, monsieur.
L'expedient vous fait beaucoup d'honneur.
II est tres-neuf et j'aime vous entendre,
tritt (IV, 9) Cleon auf. Sein Diener Pasquin hat vorher mit
Clerval verhandelt und gerät nun bei seinem wirklichen Herrn
in den Verdacht, betrunken zu sein. Clerval und der Marquis
schlagen sich, wobei der erstere verwundet wird. Zum Schlüsse
erhält Clerval die Hand Lucilies.
Die Idee der beiden ähnlichen Bewerber ist, wie be-
merkt, den Menächmen entnommen; zu Frontins Be-
nützung der Briefe und Papiere eines Fremden gab
vielleicht die ähnliche, doch diskretere Szene bei Reg-
nard Veranlassung. Das Stück leidet an grossen Unwahr-
scheinlichkeiten und bietet nicht einmal viel Humor.
„Encore des Menechmes" war Picards (17G9 — 1828)
Stück betitelt, «las (im März 1803) F. Schiller als ..Der Neffe
als Onkel- auf die deutsche Bühne brachte.
568 XI. Menächmi.
Die englische Litteratur hat durch Shakespeares „Co-
medy of Errors" die Menäehmen des Plautus unter ihre
klassischen Lustspiele erhalten.1)
Welche Quellen Shakespeare benutzt hat, ist Gegenstand
erregten Streites geworden. Diejenigen, welche hartnäckig be-
haupten, dass Shakespeare nicht im stände war, ein Stück
des Plaut us im Urtexte zu lesen, wie dies vornehmlich Ulrici
thut, sind um die Quelle der Shakespeareschen „Comedy of
Errors'- in Verlegenheit, denn das Stück gehört der Jugendzeit
des grossen Dichters an, 2) wird von einzelnen (wie z. B. von
Richard Simpson) schon bis 1585 oder 1586 zurückdatiert,
während die erste englische Übersetzung der Menächmi von
W. W. — man nimmt William Warner, den Dichter von
„Albion's England", an — erst 1595 im Drucke erschien.3)
Man weiss ferner, dass ein Stück, „The Historie of Er-
ror",4) am Neujahrstag 1577 in Hampton-Court und 1583 am
Tage Epiphanie in Windsor gespielt wurde. Da wir aber
diese Komödie nicht mehr besitzen, so ist alles, was auf ihren
Inhalt Bezug hat, in das Gebiet der Hypothese zu verweisen, so
nahe es übrigens auch liegt, eine Beziehung des In-
haltes der „Historie of Error" zur „Comedy of Errors"
anzunehmen, um so mehr, wenn man in Erwägung zieht, in
welcher Weise Shakespeare fremde Stoffe sich aneignete und
anzupassen wusste.
Einen geschickten Ausweg, falls man nicht in der „Historie
of Error" die Menäehmen annehmen zu dürfen glaubt,5) hat
Herrn. Isaac6) gefunden, indem er, gestützt auf ein Wort der
Vorrede7) des W. W., nachweist, dass Shakespeare die Über-
') W. Claus, Über die Menäehmen des Plautus und ihre Nach-
bildungen besonders durch Shakespeare. Stettin 1864. — Fritz, Die
Menäehmen und die Comedy of Errors. Mitterburg 1874. — H. Isaac,
Shakespeares Comedy of Errors und die Menäehmen des Plautus
auf S. 1 — 29 des 70. Bandes von Herrigs Archiv (Braunsch. 1883).
2) Nach Purnivall 1589 (?), nach Dowden 1591; nach Tieck 1593.
3) Menaechmi. A pleasant and fine coneeited Comoedie, taken
out of the most excellent wittie Poet Plautus. Chosen purposely from
out the rest, at least harmefull, and yet most delightfull. Written in
English, by W. W. London, Printed by Tho. Creede 1595. — Vgl. Far-
mer, Essay on the learning of Shakespeare, S. 33.
4) Halliwell, p. 87. The Historie of Error, showen at Hampton
Court on Newyeres daie and night, enacted by the Children of Powles.
Revels' Account 1576. 1577.
5) Collier, History of English dram. Poetry III, 62, nennt das Stück:
„an adaptation of the Menaechmi."
c) A. a. 0., S. 2.
7) „The writer hereof (loving Headers) having diverse of this Poettes
Comedies Englished. for the use and delight of his private
friends, who in Plautus owne words are not able'to under-
Menächmi by W. W. 569
tragung des Plautus als Manuskript wohl kannte, und dass die-
selbe in befreundeten Kreisen lange bekannt war, da der Über-
setzer nach seinem eigenen in derselben Vorrede ausgesprochenen
Geständnisse nur schwer zur Drucklegung- eines nicht genugsam
durchgefeilten Werkes veranlasst werden konnte. *)
Die Personen der Übersetzung von W. W. stimmen zu
Plautus: Peniculus a Parasite; Meneehmus the Citizen; Me-
nechmus the Traveller; Erotium; Cylindrus; Messenio ser-
yant to Meneehmus the Traveller,- Ancilla, Erotiums mayd;
Muli er, the Wife of Meneehmus the Citizen; Senex; Medicus.
Der Ort der Handlung bleibt Epidamnum, eine Form, die auch
Shakespeare öfter zitiert, obwohl er die Handlung nach Ephe-
sus verlegt.
Über das Verhältnis dieser ziemlich genauen Übersetzung
des Plautus2) zu Shakespeares „Comedy of Errors" urteilt
H. Isaac3) nach genauer Vergleichung beider Stücke: ..Die
Charaktere der Hauptpersonen stimmen in beiden Stücken durch-
aus nicht überein, die Bedeutung mehrerer Figuren für die Ent-
wickelung des Ganzen ist eine verschiedene, die Anlage hat bei
Shakespeare den Vorteil einer breiteren Basis. " 4)
G. Fleay äussert sich5) über Shakespeares Stück und
seine Vorgänger: „There is a translation of this comedy (der
stand the in: I have prevailed so far with liim as to let this one go
farther abroad, for a publike recreation and delight to all those that
affect the diverse sorts of bookes compiled iu this kiud, whereof (in my
judgernent) in harmlesse mirth and quicknesse of fine coneeit, the most
of them come far short of this."
') „And although I forced him very loath and unwilling to hazard
this to the curious view of envious detraction being (as he teils mee)
neither so exactly written as it may carry any name of a
Translation, nor such libertie therein used as that he would
notoriously varie from the Poets owne Order: yet this is only
a matter of merriment, and the litle alteration therof, can breede no
detriment of irnportance; I have overruled him so farre, as to let this
be offred to your curteous aeeeptance."
2) Hai li well, S. 168. This is only a translation from Plautus.
and is, in some place, a stricte one; though in not a few the author is
only imitated and in many abridged. The translator has becn supposed
to be "William Warner. It is reprinted in Six Old Plays published by
J. Nichols. 8°. 1779. vol. I. In the runing- title it is called Meneehmus.
3) A. a. 0., S. 28.
•') Vgl. War ton. IV, 323. Collier. III, 62 ff. Ward. S. 145. —
Man vgl. auch sowohl hierüber als we^-en des Verhältnisses Shake-
speares zu Plautus in Bodenstedts deutscher Übersetzung (29. Bänd-
chen, übersetzt von Georg Herwegh 1870) die Einleitung und einiges
in den Noten, S. 74 — 78.
5) Shakespeare Manual by F. G. Fleay, London (Macmillan
1876), S. 24. — Vgl. Max Koch, Shakespeare (Stuttg. 1885), S. 156. —
Paul Stapfer, Shakespeare ei l'Ant iquite. Paris (Sandoz ei Fischbacher)
1879. I. S. 124— 138; VI. „La Comedie des Meprises." S. auch ebenda 1.89.
570 XI- Menächmi.
plautmischen Menächmi) by W[illiam] Wfarner] 1595. Frora the
last line of the prologue to tliis ,Much pleasant error ere they
meet together' Shakespeare mar have takeu his title; but the
tbundation of the play was probably not this translation, bat
,The Historie of Error shewn at Hampton Court on New Yere'
daie at night (1576 — 7) enacted by the Children of Pawles.' Yet
Warner's play was entered at Stationer's Hall 10 June 1594, and
the printer's advertissement states it had been circulated for some
time in MS."
Shakespeares Bearbeitung' der Menächmenfabel ist so
allbekannt, dass es gestattet sein wird, sich über dieselbe kürzer
zu fassen. Der Inhalt ist auf fünf Akte verteilt, wie folgt:
I. Akt. (1.) Ageon, ein Kaufmann aus Syrakus, ist in
Ephesus gelandet und damit dem Tode verfallen; denn das Gesetz
befiehlt:
If auy born at Ephesus be seen
At any Syracusian marts and fairs;
Again: if any Syracusian born,
Come to the bay of Ephesus, he dies,
His goods confiscate to the duke's dispose,
Unless a thousand marks be levied,
To quit the penalty and to ransom him.
Dies wurde verfügt infolge schwerer Vergehen, welche der
Herzog von Syrakus an ephesischen Kaufleuten verübte. Tau-
send Mark kann der alte Ageon nicht aufbringen. Er erzählt
nun dem Herzog Solinus von Ephesus seine Geschichte. Er
stammt aus Syrakus. In Handelsgeschäften reiste er einst nach
Epidamnus: da er dort schon fast sechs Monate weilte, fasste
seine Frau den Entschluss, ihm nachzufahren. Alsbald nach ihrer
Ankunft gebar sie dort Zwillinge,
the one so like the other
As could not be distiuguish'd but by names.
In demselben Gasthause gebar zur selben Stunde ein armes Weib
gleichfalls zwei Knaben, „male twines both alike;" diese kaufte
Ageon und zog* sie gross. Die Heimfahrt wurde verhängnisvoll.
Kaum eine Meile von Epidamnus litten sie Schiffbruch. Die
Mutter mit einem Sohn und einem der gekauften Knaben wurde
von Ageon getrennt. Sowie der bei dein Vater verbliebene
Sohn achtzehn Jahre alt war, zog er mit seinem Sklaven in. die
Ferne, um den vor Jahren verlornen Bruder zu suchen. Der Herzog,
gerührt über Ageons Schicksale, gewährt ihm einen Tag Frist, um
die Summe aufzubringen.
(2.) Der gleichfalls soeben angekommene Antipholus aus
Syrakus wird von einem Kaufmann gewarnt, seine Vaterstadt
nicht anzugeben, da dies gefahrvoll wäre; er giebt sich für einen
Shakespeares Comedy of Errors. 571
Mann von Epidamnus ans. Dromio, sein Sklave, wird mit dem
Gelde in den Gasthof zum Centauren vorangeschickt. Kaum ist
er fort, als Dromio (von Ephesus) auf Antipholus losstürzt,
er möge sofort nach Hause gehen, das Essen werde kalt und seine
Frau darüber heiss. Sie können sich nicht verstehen, da Dromio
von keinem Gelde weiss. Antipholus glaubt, der Sklave sei ge-
prellt worden, denn Ephesus steht hier in dem schlimmen Rufe,
wie bei Plan. tu s Epidamnus:
They say tliis town is füll of cozenage,
As, nimble jugglers that deceive the eye,
Dark-working sorcerers that change the mind
Soul-killing witches that deform the body
Disguised ckeaters, prating mountebanks,
And many suck-like liberties of sin.
Er geht nach seinem Gasthofe.
II. Akt. (1.) Adriana, die Frau des Antipholus (von
Ephesus), ist im Gespräche mit ihrer Schwester Luciana. Sie
erweist sich als ein herrisches, emanzipiertes Weib. Ihr Zorn
steigert sich, da Dromio (aus Ephesus) berichtet, wie er ihren
Mann gefunden habe.
„I know, quoth he, no house, no wife, no mistress."
Sie sendet ihn nochmals ab; umsonst versucht ihre sanfte
Schwester Luciana, sie zu beruhigen. — (2.) Antipholus (aus
Syrakus) hat im Gasthofe alles richtig gefunden. Dromio (von
Syrakus) versichert ihm, von allem, was er da höre, nichts zu ver-
stehen. Während er noch mit Dromio streitet, kömmt Adriana
und hält ihm eine lange Strafpredigt. Er kann ihr nur erwidern:
Plead you to nie, fair dame? I know you not:
In Ephesus I am but two hours old.
As stränge unto your town as to your talk,
und auch Dromio (aus Syrakus) kann nur bestätigen: „I never
saw her tili this time ... I never spake with her in all my
life." Ohne etwas von alledem zu begreifen, folgt Antipho-
lus (von Syrakus) der Einladung zu Tische, indessen Dromio
Auftrag erhält, vor dem Thore Wache zu stehen und niemand
einzulassen.
III. Akt. (1.) Antipholus (von Ephesus) mit seinem
Diener Dromio (von Ephesus) eilt heim; er will keine Zeit
versäumen, um seine Frau nicht zu reizen.
My wife is shrewish, when I keep not hours.
Dromio (von Ephesus) spricht immer von der schlechten
Laune, in welcher er eben seinen Herrn auf dein Marktplatze
572 XI- Meiiüchmi.
fand, wovon Antipholus (aus Ephesus) nichts weiss. Die
nun folgende Szene gehört dem Amphitmo. Dromio von
Svnikus hütet (wie Merkur als Sosia) von innen das Haus.
Der Besitzer desselben und sein Diener werden unter argen Be-
schimpfungen auf ihr Pochen hin abgewiesen, ja selbst des Anti-
pholus Frau lässt sich vernehmen:
Your wife, sir knave! go get you from the door.
Auf des Kaufmanns Balthasar Zureden steht Antipholus (von
Ephesus) von der vorgehabten Gewaltthat ab. Er weiss anderswo
ein Mittagsessen zu finden.
I know a wenck of excellent discourse
Pretty and witty, wild and yet, too, gentle:
Tliere will we dine.
Ihr will er auch seiner Frau zum Trotze eine goldene Kette
schenken, welche der Goldschmied Angel o in Arbeit hatte und
nun ins Stachelschwein („to the Porpentine") bringen soll.
(2.) Unterdessen hat Antipholus (von Syrakus) sich in
Luciana verliebt und macht ihr eine feurige Liebeserklärung:
Thee will I love and with thee lead my life:
Thou hast not husband yet nor I no wife.
Give me thy band.
Stets Aveist ihn Luciana an ihre Schwester. — Die Liebesszene
unterbricht Dromio (aus Syrakus). Er ist ausser sich. Ein
Weib will ihn haben; er soll sich mit ihr verlobt haben.1) Und
welches Weib! ,.A very reverent body: ay, such a one as a
man may not speak of without he say: Sir-reverence ! . . . the
kitchen-wench and all grease . . . swart like my shoe . . . this
drudge or diviner." — Antipholus (von Syrakus) ist ent-
schlossen abzureisen:
There 's none but witches do inhabit here;
And therefore 't is high time that I were hence.
Noch tritt der Goldschmied Angel o mit der Kette auf, die
er Antipholus (aus Syrakus) aufnötigt, ohne Bezahlung dafür
sofort anzunehmen. Dieser hat seinen festen Entschluss gefasst:
I '11 to the mart and there for Dromio stay:
If any sliip put out. tuen straight away.
l) Wie sehr erinnert dies an einige Amphitruobearbeitungen und
zeigt zugleich, wie, ganz unabhängig von einander, verschie-
dene Dichter zu gleichen Szenen kommen können.
Shakespeares Comedy of Errors. 573
IV. Akt. (1.) Antipholus (aus Ephesus) trifft mit dem
Goldschmied zusammen. Dieser will die Kette an ihn abgeliefert
haben; nach einigen Auseinandersetzungen lässt er Antipholus
verhaften. Dromio (von Syrakus) kömmt mit der Meldung,
ein Schiff nach Epidamnus sei bereit. Antipholus (aus Ephe-
sus) versteht dies nicht; er schickt ihn vielmehr nach Hause zu
seiner Frau um eine Börse Gold. Schweren Herzens folgt Dro-
mio (von Syrakus); denn das ist ja dort,
Where Dowsabel did claim me for her husband.
2.) Luciana teilt ihrer Schwester von Antipholus' Liebes-
bewerbung mit; da kommt Dromio (von Syrakus) um das Geld,
das ihm Adriana sofort aushändigt.
3.) Antipholus (von Syrakus) kann nicht begreifen, wie
es komme, dass ihn jedermann kenne:
There 's not a man I meet but doth salute me
As if I were their well-acquainted friend.
And every one doth call me by my name.
Während er so seinen Gedanken nachhängt , bringt ihm
Dromio (von Syrakus) den Beutel mit Gold. Er versteht nichts
von allem; „here we wander in illusions, " ist seine einzige Er-
klärung; dazu kömmt noch die Buhlerin, bei der er gespeist und
von der er einen Ring erhalten haben soll.
4.) Antipholus (von Ephesus) wartet sehnsüchtig auf das
Lösegeld, an dessen Stelle ihm aber Dromio (von Ephesus)
einen Strick bringt. Adriana wendet sich an den Schulmeister
und Teufelsbeschwörer Pinch, eine Gestalt, die uns aus der ita-
lienischen Komödie wohl bekannt ist.1) Antipholus und Dro-
mio werden gebunden und abgeführt. Adriana tritt vermittelnd
ein. — Antipholus und Dromio (von Syrakus) haben sich
mit dem Degen Weg gebahnt und wollen sofort die Stadt ver-
lassen.
V. Akt. Die Szene spielt vor einem Kloster („a Priory").
Antipholus und Dromio (von Syrakus) kommen mit Angel o
und einem Kaufmann in Streit. Adriana hält sie auf. „He
is mad!" ruft sie seinem Gegner zu, worauf Antipholus und
Dromio sich in die Abtei flüchten. Die Äbtissin tritt auf und
') Antipholus (aus Ephesus) schilderl ihn (V, 1):
Alung with thein
They brought one Pinch, a hungry, lean-faced villain,
A mere anatomy, a mounte-bank,
A threadbari' ju Linier, and a furtune-teller,
A needy, hollow-eyed, sharp-looking wretch,
A Living dead-man.
574 XI. Menächmi.
hält Adriana eine lange Rede über die Pflichten des Weibes;
denn nur ihr Betragen habe den Mann geisteszerrüttet gemacht.
Eben naht Ageon auf seinem letzten Gange. Der Herzog fragt,
ob kein Freund für ihn die Summe zahlen Avolle , da fordert
Adriana Gerechtigkeit gegen die Äbtissin. Wir erfahren eben,
dass Antipholus im Kloster den Beschwörer Pinch übel zuge-
richtet habe, da tritt Antipholus (von Ephesus) und Dromio
(von Ephesus) auf. Ageon erkennt sie sofort. Antipholus
fordert gleichfalls vom Herzog Gerechtigkeit. Indessen die Äbtis-
sin Antipholus und Dromio (von Syrakus) aus dem Kloster
holt, spricht Ageon Antipholus (von Ephesus) an, der ihn
natürlich nicht kennt. Die Gegenüberstellung der beiden Zwil-
lingspaare löst alsbald die Verwirrung. Adriana glaubt zwei
Gatten zu sehen; der Herzog findet: „One of these men is Ge-
nius to the other." Ohne besondere Mühe findet Ägeon in den
beiden Antipholus seine zwei Söhne und in der Äbtissin seine
Frau Emilia.
Viele Züge des Shakespeareschen Lustspiels, des
einzigen Stückes Shakespeares, „das ein rein klassisches ferti-
ges Vorbild zur Grundlage hat",1) sind direkt aus der plau-
tini sehen Komödie entnommen; andere etwas modernisiert;
der medicus ist der italienischen Sitte gemäss zum conjurer
geworden, dessen Diagnose nach dem Berichte des Antipholus
(von Ephesus) zu der seines Vorbildes stimmt:
gazing in mine eyes, feeling my pulse,
And with no face, as 't were, outfacing me
Cried out, I was possess'd.
Eine treffliche Charakteristik des Shakespeareschen Lust-
spiels giebt K. K. Hense2): „Wie Terenz in seiner Andria
zwei Lustspiele des Menander, die Andria und Perinthia, be-
nutzte und zusammenflocht („contaminatio"), so hat Shakespeare
dasselbe in der Komödie der Irrungen gethan. Zu der Haupt-
handlung, welche in den Menächmen des Plautus vorlag, fügte
er das Motiv der Zwillingssklaven hinzu,3) welches er dem Ara-
phitruo des Plautus entlehnte. [Hierauf hat meines Wissens
M. Rapp, Gesch. des griech. Schauspiels, Tübingen 1862, p. 342,
>) Claus, a. a. 0., S. 1.
2) Shakespeare, Untersuchungen und Studien von Dr. Karl Kon -
rad Hense. Halle a S. (Waisenhaus) 1884, S. 377.
3) Freilich haben die Zwillingssklaven nicht alle Kri-
tiker befriedigt. Gervinus (Shakespeare I, 236) findet sie unnatür-
lich; Sinirock (Quellen des Shakespeare II, 316) dagegen 'vortrefflich
und ganz sagengeniäss.
Shakespeares Comedy of Errors. 575
zurrst aufmerksam gemacht.1) Vgl. ausserdem P. Wislicenus,
,Zwei neuentdeckte Shakespearequellen' in der Wochenschrift: ,Die
Li tteratur,' Lpz. 1874, No. 1 und 3 und im , Jahrbuch der
deutschen Shakespearegesellschaft' XIV.]. Kritiker wie M. Rapp
imd Gr. Rümelin sind von der Polymythie in der Komödie der
Irrungen wenig angesprochen. Plautus werde weniger über-
troffen, als überboten. Die Handlung werde durch Shakespeare
noch viel unwahrscheinlicher. Das letztere ist nicht zu bestreiten.
Dennoch ist die Komödie der Irrungen als polymythisches Drama
sehr beachtenswert. Der noch jugendliche Dichter begnügte
sich nicht, durch Vermehrung der Irrungen das possenhafte Ele-
ment des lustigen Dramas gesteigert zu haben; durch Polymythie
befriedigte er die Bedürfnisse des Herzens, welchen das sittlich
flache Drama des Plautus nicht gerecht wird. Er gab dem Zer-
würfnisse zwischen Antipholus (von Ephesus) und der Adriana tie-
fere Motive, als er bei Plautus fand, und stellte ihnen ein Ver-
hältnis der Liebe Lucianas und des Antipholus (von Syrakus) zur
Seite, welches eben so phantasiereich als gemütvoll anmutig ist.
und in dem Charakter der Luciana das Gegenbild sittlicher Be-
sonnenheit und Mässigung gegen den leidenschaftlichen Sinn der
Adriana aufstellt. Mit dem Zuge der Wiedererkennung, der in
dem antiken Drama so häufig ist , bereicherte Shakespeare in
gemütvoll sittlicher Weise die Komödie der Irrungen dadurch,
dass auch die Eltern der Brüder, Ageon und Emilia, sich wieder
finden und Ageon aus den Stürmen der Todesgefahr in den Hafen
eines vielfachen Familienglückes geführt wird."
Claus2) wirft einen Blick auf die verschiedenen Bearbeiter
mit diesen Worten: „Bei Plautus, der sich aller Charakter-
schilderung von vornherein begiebt (?), ist das künstliche Gewebe
zu einem Mechanismus verschrumpft, der zuweilen in eine piece
ä tiroir auszuarten droht. Ahnlich muss es bei Rotrou sein, des
Plautus getreuestem Nachfolger. Regnard hat eine Abwechslung
dadurch hineingebracht, dass die, beiden Brüder heterogene Cha-
raktere darstellen. Eigentümlich hierbei ist ihm , dass er das,
was Ulrici das phantastische Element der Komödie nennt, in sub-
jektives Intrigueuspiel umgesetzt hat , indem der eine Bruder
') Vgl. jedoch auch Bodenstedt: Shakespeares sämtliche Werke,
eingeleitet und übersetzt von A. W. Schlegel. Frd. Bodenstedt u. a..
illustriert von John Gilbert. (Stuttgart, Hallberger.) I. Bd., S. 412b,
Anm. — Sollte etwa der doppelte Sosius (sie!!) in dem Amphitruo
des Plautus die Idee zu den beiden Dromios in der „Comedy of Errors"
geliefert haben? Gab es eine englische Übersetzung von diesem Stücke ?
oder hat Shakespeare das Original gelesen? Verstand rv vielleicW ebenso
wohl Lateinisch wie Italienisch? — 31a.\ Koch, Shakespeare (Stuttg.
1885), S. 156.
2) A. a. 0.. S. 10.
576 KL Menächmi.
gleich zu Anfang1 des ersten Aktes den andern herausfindet und
überlistet. Shakespeare dagegen, der die Charakteristik am gründ-
lichsten durchgeführt, hat auch das Wesen der Fabel am schärf-
sten erkannt, wie sein Titel erweist."
Hinsichtlich eines Vergleiches zwischen Shakespeare und
Plaut us äussert sich Paul S tapfer:1) „Si l'idee venait ä quel-
qu'un de rapprocher Piaute et Shakespeare ce ne pourrait
etre que pour les bizarreries ou les faiblesses qui se melent ä leur
comique parce que chez Tun et chez l'autre l'esprit est surtout
dans les mots et que le hasard joue dans la conduite de leurs
pieces un röle preponderant. II n'y aurait donc point de
base solide pour une comparaison du poete anglais avec
les grands comiques anciens."
Im Jahre 1819 wurde die „Comedy of Errors-' als Oper
mit Musik von Bishop in Coventgarden aufgeführt.2)
Anklänge an die Menächmen des Plautus findet Rapp3) in
dem Lustspiele „She Wou'd, and She Wou'd Not. Or
the Kind Impostor" des poeta laureatus4) Colley Cibber5)
(geb. zu London, den 6. November 1671; gest. am 11. Dezember
1757.) Indessen hat das Stück keine bewusste, kaum
eine unbewusste Beziehung zu Plautus.
Hipolita verfolgt in männlicher Tracht ihren Liebhaber
Don Philip, von welchem sie hört, dass er Rosara, Don Ma-
nuels Tochter, heiraten soll. Allein Rosara ist in Octavio,
Hipolitas Bruder, verliebt, und auch Philips Herz gehört im
Grunde Hipolita. Durch List gelangt Hipolita in den Besitz
des Gepäcks des Don Philip, sodass sie, durch Belege und
Papiere gestützt, sich für diesen ausgeben kann, indessen Don
Philip als Betrüger behandelt wird. Dies ist vielleicht das
einzige Motiv aus den Menächmen. Doch fällt die Ähn-
lichkeit weg. Hipolita wird sogar mit Rosara vermählt;
der Schluss aber führt eine zufriedenstellende Lösung herbei.
Noch unendlich weit hat Rapp6) die Menächmen ver-
zweigen wollen. Zu Farquhars Stück: „The Twin Rivals,"
bemerkt er: „Das allermerkwürdiffste ist, dass dieses Stück aus
Shakespeare et PAntiquite. Paris 1879. II, 342.
Clement, Dictionnaire lyrique, S. 171. — Eine deutsche Bearbei-
tung der Shakespeareschen Komödie sind „Die Irrungen" nach Shake-
speare (Frankfurt 1777) von Gust. Fried. Willi. Grossmann (1746 —
1796). (Gödeke. II, 643.)
3) Studien, S. 175.
'<) Seit 1730.
5) Auf Seite 293 — 397 des ersten Bandes von „The dramatic works
of Colley Cibber Esq. in four volumes". London 1760.
6) Studien, S. 257. — Über Shakespeares „Beide Veroneser"
vgl. Simrock, Die Quellen des Shakespeare (1870) II, 155 ff.
Albrecht von Eybe. 577
den plautinischen Menächmen hervorgegangen ist. Ans dem
leichtsinnigsten griechischen Lustspiele ist in vierter Hand das
schauderhafte Räuberstück geworden. Von dem vermutlichen
griechischen Urbild des Epicharmos (aus Syrakus), das uns aber
nur im lateinischen Plautus erhalten ist, gehen also von der
englischen Bühne aus Ableger in zwei entgegengesetzte Familien
auseinander, eine reine komische und eine elegisch tragische. Die
erste beginnt Shakespeare mit der ,Comedy of Errors';
ihm folgt Regnard mit den ,jumeaux' und Goldoni mit den
, gemelli Veneziani', während aus Farquhars ,The Twin
Rivals' das Voltairesche ,L'enfant prodigue' und die
Schillerschen , Räuber' abfliessen."
Dieser etwas sehr kühnen Kombination tritt Steinhoff1) mit
einigen Daten entgegen. Was zunächst Farquhar betrifft, so
hat er den Stoff seines Dramas aus Longueville entnommen;
Voltaire in seinem ,, Enfant prodigue" steht aiif Regnard2);
das Brüderpaar der ..Räuber" aber ist mehrfach anderweitig
zu finden.
Dem deutschen Übersetzer der „Bacchides", Albrecht
von Eybe (S. 435), verdanken wir auch eine Bearbeitung der
„Menächmi." Dieselbe leitet ein Prologus ein.
Prologus, ain vorred inn den ersten thayl | dises buchs. Der
da sagt von den Comedien PJauti des poeten in Menechmo.
Wie die Alten will auch er eine „Vorred und ermanung"
geben: „der kriechisch kayser lasst euch allen gebieten zu schwei-
gen vnd zu hören vnd mit gutem mut nieder zu sitzen, jr seyt
hungerig oder gesötigt herkommen, wer geessen vnd getrunken
hatt, ist weiss gewesst, ob jm die sunn auff die glatzen scheynen
würde vnd wer noch nüchtern ist, der werd gesetigt mit diser
fabeln vnd mit worten, wann ain yeder hören wirt das jm lustig
zu essen ist" . . . u. s. w.
Hierauf folgt das „Argument vnd die materi", hierauf
das Stück, dessen Personen Eybe erst durchaus zu deutschen
umgestaltet hat. Der Vater der Menächmi, Moschus (V. 407:
Non ego te noui Menaechmum, Moscho prognatum patre?), heisst
Kuntz; Menächmus-Sosicles Lutz der recht; Menächmus, sein
Bruder, Lutz der Frömbd; Messenio ist zum Fritz, Erotium zur
Barb, die Ancilla zur Ness, die Frau zur Geut, der Vater
zum Klais geworden; der Parasit Peniculus tritt als Hayntz auf.
') A. a. 0., S. 18, Anm. nach Hallbauer, Life and Works of Far-
quhar. Holzminden 1880, pag 33 u. s. w.
2) Die Brüder Euphemon und Fierenfat haben gewiss hierher
keine Beziehung.
37
578 XL Menächmi.
Jede Szene leitet ein kurzer Inhalt ein, so z. B. die
erste: „Dise erste red diser Comedien Plauti wird also eingefüret.
Lutz der recht, der allso verloren warde in der statt Tarento,
was üher flüssig milt vnd verthon, darumh ergah sich zu ihm ein
knecht, genannt Hayntz, von essens vnnd trinckens wegen, der redt
also mit jm selhs:
„Haintz ist mein nam , die Schüssel vnd kraussen kan ich
lär machen vnd auffraunien was auff dem tisch beleyhet u. s. w.
his V. 108 (Sed aperitur ostium etc.): Nun sihe ich sein thür
auff geen vnd jn herauss schreyten, ich wil mit im reden."
Lutz, der recht: Haussfraw, wann du nit wärst ain böses
vnuernunfftigs weih, so solstu dir hillich geuallen lassen was dem
mann gefiel, vnd thun, was er wölt u. s. w. Überall ist die Er-
klärung oder Bühnenweisung mit angegeben. Haintz sähe Lutzen
auss dem hauss geen mit dem mantel vnd sprach zu jm (F. 139:
Heus adulescens etc.): Hörst du Jüngling, Avas tails mag ich an
disem raub gehaben. Lutz erschrack vnd sprach, nun bin ich ver-
dorben, ich bin verkauft vnd verrathen. Haintz furcht dir nit, dir sol
von mir geholffen sein, ich bin Heintz den du wol kenst ain guter
gesell. Haintz Got grüss dich auch mein herr vnd mein eerneerer.
Die Szene schliesst sich genau an Plautus an. Barb,
Lutz, Haintz und der Koch, der keinen Namen führt; Lutz
der Frömbd und Fritz, sein Knecht. Sie begrüssen das Land,
wie bei Plautus (F. 226): „Fritz, es ist für war nit grössere
freud noch wollust, dann so die leyt lange zeyt auff dem mör
gefaren seind das sy ansichtig werden das erdtreich, vnd vorauss
dz lannd da sy seind dahaymen. " Ness, die Magd bringt Lutz
dem Fremden die Effekten Barbs; Geut, die Hausfraw, wird von
Haintz aufgestachelt. Klais, Geutens Vater, legt sich ins
Mittel. Weniges ist breiter als bei Plautus geworden.
Fritz hat das letzte Wort: „Da hab ich nit angedacht
Lutz der recht schrey mit solchen Worten vber ach tag so wyl
lutz verkauften was er hat, hauss vnd hoff, wyssen vnd äcker,
knecht vnd magd wer mer geben wil sol es haben, er wil auch
verkauften sein hausfrauwen Geytenn leichter dann er sy gehabt
hat. aber ich besorg das kain kaufmann zu dem wayb sey."
Statt des „Nunc, spectatores, ualete et nobis clare
applaudite" (F. 1162) heisst es hier: „Doch wil ich sy ee vmb
nichten geben durch gottes willen, der mag mir geben den ewi-
gen Ion, der vns allen wyderfare. Amen. "
Hyn endet der erst thayll. Vnd fahet an der ander. Das
Stück umfasst in der Ausgabe von 1537 drei und vierzig Seiten
mit zehn Bildern. x)
*) Nach der Ausg. von 1537 ist hier zitiert.
Haus Sachs. 579
Eybes Übersetzungen des Plautus nehmen in der deut-
schen Litteratur eine ehrenvolle Stellung ein. Cholevius1)
rühmt an Eybe: „Seine Sprache ist nicht nur verständlich, son-
dern allenthalben sicher und lebhaft. Sie atmet den frohen Mut
der Komödie. Er beherrscht seinen Dichter. Nirgend in dem
Grade abhängig, dass er Bedenken trüge, was nur dem Römer
verständlich war, fortzulassen, ist er in seinen Zusätzen und Än-
derungen auch höchst bescheiden. Man kann sich nicht genug
daran erfreuen, mit welcher Feinheit er den Volksdialekt des
Plautus nachbildet. Für jene Peniculus, Menaechmi, Sosicles,
Erotium, die damals die deutsche Zunge kaum aussprach, hat ei-
sernen Heyntz, seinen Lutz den Fremden und Lutz den Rechten,
die Barbe u. s. w. Immer sind ihre Bilder aus dem Volksleben
zur Hand; er weiss mit ihnen die fremden Phrasen zu ersetzen,
er streut sie ein, auch wo sie Plautus nicht hat."
Vom 17. Tag Januari anno salutis 1548 sind die Menäeh-
men des Hans Sachs datiert. Ein comedi Plauti mit 10
personen, heyst Monechmo unnd hat 5 actus.2) Die Per-
sonen sind: der ehrnholdt, Lutz der ehman, Heintz sein knecht,
Lutz der frembd, Fritz sein knecht, Rosina die schön bulerin;
Gred ihr köchin, Faustina, Lutzen eheweib; Quirinus, ihr alter
vatter: Ypocras, der artzt. Der ehrnholdt führt ins Stück ein.
Man ist versammelt:
Zu hören die schön comedi
Plauti, welche der alt poet
In Monechmo beueuueu thet,
Wie in der stat Syracusa
In dem köngreich Sicilia
Ein reicher kaufiman weit erkannt
Der Miser Niger ward geneut.
Dem wurden zwen Zwilling geborn,
Zwen schöner söne, welche worn
Beid Lutzen mit dem nam genant.
Ir kein man vor dem andern kant,
So gleich waren sie von jjerson,
Mit red, geberd, lassen und thou.
Als die alt wurden siben jar,
Da füre gen Tkarinhtum gar
Ir vater, nam den ein kuabn mit,
Zu sehen auch der kaufleut sit.
Nun hilt man zu Tharent ein spil,
Da sach zu volckes also vil.
Da wurd der vatter von dem jungen
Son auff dem platz frey ab-gedrungen
Und also von dem knaben kam.
Den knaben ein frembder kauffman nam,
') Geschichte der deutschen Poesie. I, 285.
2) Auf Seite 98 — 124 im siebenten Bande von Hans Sachs,
herausgegeben von Adelbert von Keller. 1873. (Band 115 der Bi-
bliothek des litter arischen Vereins in Stuttgart.)
37*
580 IX. Menäckrui.
Fürt in gen Epidamum klug,
In an eins kindes stat auff-zug,
Ein erben all seins guts ein-setzt
Und in verkeyrat auck zu-letzt.
Nock er ein grosser buler war.
Nun sucket in fast auff secks jar
Sein bruder zu wasser und land,
Der in zu Epidamum fand.
An als gefer in dieser stat
Sick zwiscken in begeben bat
So wunderbar irrung zu end,
Weil man kein vor dem andern kent
Und ein für den andern ansack,
Wie ir verneinen werd kernack.
Summarisch, wie der Prolog, in welchem, wenn auch in brei-
ter Form, nur die Hauptdaten gegeben werden, ist das ganze
Stück gehalten.
I. Akt. Heintz, des veiheyraten Lutzeii knecht zu Epi-
damo, geht ein. In sechzehn Versen thut er die Rede des Peni-
cnlxis (V. 77 — 109) ab. Er rühmt die Güte seines Herrn:
Er ist mild, zerlick und kostfrey
Mit gastung, spil und bulerey.
Der letzte Vers des Penicnliis (F. 109) schliesst auch
seine Rede:
Dort gebt mein junckkerr gleick kerauss.
Lutz, der verkeyrat, geht ein. Er ruft seinem Knecht,
Heintz, zu:
Wann ker, Heintz? wolauff gek mit mir!
Heut wollen pancketieren wir
Bey Fraw Rosina disen tag.
Meins weibes mantel ich kie trag.
Den wil ick zum newen jar ir sckencken.
Heintz klopft an Rosinas Thür, wie der Parasit hei
Erotium. Sie tritt heraus:
0 du mein trost, gek bald kerein!
Ick kabe neckten gewartet dein
u. s. av. Wie Penicuhis (F. 195), bemerkt hierauf Heintz (wider
sich selhs):
Rosina hat den mantel ersckmeckt,
Wiewol mein Juncker in tregt versteckt.
Gred, die Köchin, erhält Auftrag zu einem guten Mahl.
Als sie hört, dass Heintz dabei sei, berechnet sie ihn, wie Cy-
lindrus (F. 224), mehrfach, doch nur für sieben:
So kauff ick ein auff neune sckleckt.
Heintz frist als vil als ander siben.
Hans Sachs. 581
Lutz, der frembd, kombt mit seinem knecbt. Sechs
Jahr und drei Tag reist er ,.auff wasser und landt" nach seinem
Bruder. Fritz warnt ihn, ganz wie Messenio (7 264), vor
Epidamnus :
Wie das volck so vertrogen sey
Und geh umb mit vil zauberey.
Die Köchin geht ein, sieht Lutzen und meint, es sey sein
Bruder. Er versteht ihre Anrede nicht, sie aber erwidert ihm mit
Cylindrus (7 303):
Ey, junckher, solt ich euch nit kennen?
Es scheint kein tag von himel rauss,
Ir seid in meiner frawen hauss.
Da er auf ihre Einladung nicht eintritt, ruft Gred ihre Frau.
Diese lädt ihn ein:
Lutz, mein hertz-lieb kombt doch herein!
Er wundert sich, woher sie ihn kennen mag (7. 383): Fritz
warnt ihn (7. 384):
Es ist ein schönes frewlein zart.
Secht, das der beute] sey verwart!
Lutz schickt Fritz in die Herberge; er selber tritt bei Ro-
sina ein. „Fritz geht mit sehn reitwetschger auch ab.':
II. Akt. Heintz hat Lutz im Gedränge verloren. Er
vermutet bereits:
er hab sich von mir gestoln
Sei gangen heimlich unverholn
Zu seiner Bosina, ess das mal,
da sieht er Lutz, den fremden, aus Rosinas Haus treten.
Er trägt den Mantel, den er dem „seidesticker" bringen soll,
„mit berlein in zu sticken."
Heintz hält sich für gefoppt. Da Lutz behauptet, ihn
nicht zu kennen, geht er drohend ab:
Bey meiner seel, so wil ich gan
Und wil es ewer frawen sagen,
Das ir den mantel habt ausstragen.
Gred überreicht Lutz „ein gülden häfftlein'-, das er an den
Mantel nähen lassen soll. Lutz ist hocherfreut. Nur will er
eiligst jetzt zu Schifte gehen:
Auff das man mir nit wider nem
Den mantel und mich mit beschem,
^ren man kern auff den rechten smuidt.
0 wer wir bey den schiffen dauss!
"582 XI. Menächmi.
III. Akt. Faust ina wird von Heintz gegen ihren Mann
aufgewiegelt; er erzählt ihr, wie er bekränzt1) aus Rosinas
Haus kam mit dem Mantel am Arme. Sein Kranz liegt noch auf
dem Boden.
Ey das er liab saut Veits dantz!
Hat sieb der esel krönen lassen?
ruft Faustina, da erblickt sie Lutz, den Ehemann. Sogleich
fährt sie gegen ihn los, und zwar in ganz anderer Weise, als ihr
plautinisches Vorbild.
Ich schlag dir zän in hals hinein.
0 solt ich mein mut an dir küln,
droht sie ihm, worauf ihr der Gatte erwidert:
Wo du nit schweyst, werd ich dich knüln
Und bey den zöpffen dich umb-ziehen.
Ich hab dein mantel hingelihen
Der Rosina und nit verschenckt.
Sie treibt ihn jedoch energisch weiter:
Du unflat, das du werst gehenckt!
So lauff bald zu deim schlepsack nider
Und bring mir meinen mantel wider!
On mantel komb mir nit ins hauss!
Bringstu in nit, so bleib auch hauss!
Lutz versucht nun, von Rosina den Mantel zu bekommen.
Wie Menächmus (F. 680), verspricht er: „Ich wil dir vil ein
bessern kauffen. " Sie aber glaubt, „das ir mich driegen wölt."
Umsonst; auch sie lässt ihn nicht mehr ins Haus, und wie sein
Vorbild (V. 700: „Ibo et consulam hanc rem amicos, quid
faciundum censeant,") sagt er:
Nun wil ich gehn, eh es wirt spat,
Bey guten gsellen suchen rhat,
Wie ich verkwent mein ubelthat.
IV. Akt. Lutz, der frembd, trifft mit Faustina zusammen:
Den mantel tregt er an dem arm.
Mit hon wil ich im machen warm.
Bringstu den mantel, du loser man?
Sie droht ihm mit ihrem Vater, der sogleich kommt, aber ohne
die vielen Worte, wie der plautinische senex, sich sofort gegen
seinen „aiden" erklärt. Lutz schwört bei Gott:
Das ich diss weib und dich vorab
Mein lebtag vor nie gsehen hab.
J) V. 463. Menaechmus cum Corona exit foras.
Hans Sachs. 583
Da Quirinus glaubt, er sei nicht recht hei Sinnen, stellt
sich Lutz „grewliclr' und ruft:
Ey, weich von mir, du böser geist!
Oder ich kratz dir anss dein äugen.
Quirinus hält ihn für „wüttig und winnig" und schickt um
den Arzt:
Dass er mein aidn mit stricken bindt
Und kelff im. Er ist unbesindt.
Lutz läuft davon.
Die Polemik gegen den Arzt hat sich bei Hans Sachs be-
deutend erweitert.. Heintz sagt uns:
Dort kombt der artzet Ypocras,
Der lang ein bawren-bscheisser was.
Er hat lang wurmsam umb-tragen.
Eins mals klagt ich mich in dem magen;
Er thet mir ein bürkatzen machen.
Wie hub sich in meim bauch ein krachen
Und riss mich in dem leib so übel!
Trieb mich wol neun mal auff den kübel.
Ich macht im hauss ein gross gestenck.
Seint, wenn ich der bürkatzen denck,
Ich seiner artzney nit mehr beger.
Zu dem Arzte kömmt Lutz, der ehman, der Heintz „das
darmgicht" wünscht, weil er ihm alles dies verursachte. Er lässt
den Arzt hart an:
Du landts-bscheisser im langen rock!
Wie der Medicus (V. 948), verlangt auch Ypocras:
Ich wil in binden mit den stricken,
Das man in heim trag in mein hauss;
So kan ich etwas richten auss.
Während sie ihn „nach der leng auff ein forbanck" legen,
kommt Fritz. „Er zuckt vom Leder " und befreit Lutz, wofür
er die Freiheit erbittet. Lutz kennt ihn nicht, da er aber
darauf besteht, sagt er:
Nun sey den Sachen, wie im sey!
So sey quitlos von meinem dienst!
Lauft', wo du ein andern herrn finst!
V. Akt. Lutz, der f'rembd, und Fritz treffen zxisam-
men. Der Herr weiss nichts von der Freilassung; eine weitere
Verwirrung schneidet jedoch die Ankunft des ansässigen Lutz ab.
584 XI. Menächmi.
Junckher! acli Gott vom hiniel reich.
Wie sieht, euch diser mensch so gleich,
Wie wenn er ewer bruder wer!
ruft Fritz aus.
Lutz, der ehman, erklärt auf Fritzens Fragen:
Ein stat, Syracusa genant,
In Sicilia ward ich geborn
Ein zwilling, ward darnach verlorn
Sibenjärig in Tarentum,
Da mich ein reicher kauffmann num
Bracht mich her gen Epidamo,
Zu eim erben einsetzt also,
Da ich mir nahm ein ehlich weib.
Sitz und alhie mein zeit vertreyb.
Weit ausführlicher, als im Originale, erzählt Lutz, der.
frembd, was ihm mit dem Mantel, mit Faustina, mit dem Arzte
widerfuhr. Lutz, der ehman, bittet noch um die Freiheit
Fritzens. Sie gehen ins Haus:
Das man das nachtmal auch empfach,
Weil durch Jovem das heil geschach.
Der „ehrnholdt" schliesst. Aus dem Lustspiele sei ersichtlich:
Wie Plautus, der berümbt poet,
Uns so klerlich vorbilden thet
Disen handel der bulerey
Sam es also geschehen sey
Nit bulerey damit zu lehren,
Sondern solchem laster zu wehren
u. s. w. Ausser der Ehe ist kein Heil:
Das ehlich lieb und trew auffwachs
Im ehling standt, das wünscht Hanns Sachs.
Über die litterarische Fehde des Jon. Bitner bei diesem
Versuche des Hans Sachs, Plautus zu popularisieren, war
bereits die Rede (S. 93). — Im engsten Anschlüsse an das Original
hat Hans Sachs doch ein wirklich deutsches Spiel vollendet, dem
es an Erfolg nicht fehlen konnte.
Nochmal zu den Menächmi griff später Jacob Ayrer in
seiner „Comedia von zweyen Brüdern auss Syracusa, die
lang einander nicht gesehen betten, vnnd aber von Ge-
stalt vnd Person einander so ehnlich wahren, das man
allenthalben einen vor den andern ansähe." ') Mit 14
Personen, vnd hat 5 Actus.
>) Auf Seite 2133—2176 des dritten Bandes von „Ayrers Dra-
men", herausgegeben von Adelbert von Keller. 1865. '(Band 78
Jacob Ayrer. 585
Die Personen des Stückes sind: Peniculns, ein Fiichs-
schwentzer; Enucles, der verheürat; Thasa, das Bulweib;
Phileman oder Enucles von Siracusa; Jahn Panser, sein
Knecht; Patronus, der Schiffpatron; Servus, ein ander Knecht:
Hospes, der Wirt; Cellarius, der Keiner; Cochleus, der
Koch; Leonora, dess Enucles Weib; Ancilla, der Thasa jhr
Magd; Socerus, der Leonora Vatter; Medicus, der Doctor;
Dieterich, ein Knecht.
I. Akt. Peniculus, der Fuchsschwentzer, geht an einem
Stecken. In seiner Jugend ging es ihm wohl:
Jetzt so mir gebt das Alter au
Vnd ich kan nimmer possen reissen,
Die Junckern mich von sich abweisen,
Das mir dardurch jetzt vil geht ab.
Laug ich nicht s guts gefressen hab.
Mich hungert das der Bauch mir kracht.
Da erblickt er Enucles, der einen schönen Mantel trägt:
Alhie hab ich der Frauen mein
Gestoln jhr allerschönstes kleid.
Das sieht sie nicht mehr, auff meiu Eydt!
Ich will es meiner Thasa bringen,
Sie damit zu meiner Lieb zwingen,
Ynd will mich als balt zu jhr laden.
Wie bei Plautus (V. 139), glaubt sich Enucles, da er
Peniculus sieht, verraten; dieser stellt sich aber vor: „Vor Jarn
da warn wir gut geselln. " Enucles sagt ihm sein Vorhaben: da
tritt Thasa mit Ancilla auf. Sie empfängt Enucles, Peni-
culus aber nimmt sie ei'st auf, da Enucles verspricht:
Was er verthut, das wil ich zaln,
Wie auch vor thet zu mehr maln.
Er zahlt zwei Thaler und will „für drey Person ein gutes
mal". Thasa giebt das Kleid, das ihr Enucles eben brachte,
der Ancilla. Diese aber warnt sie vor des Enucles Frau. ..Sie
dörfft euchs wol von dem halss reissen." Dies bringt Thasa auf
den Gedanken, es ändern zu lassen:
Das Kleidt inuss werden änderst gemacht,
Alles zerteilet und zertrennt,
Das es des Junckern Weib nit kenndt.
der Bibliothek des Litter arischen Vereins in Stuttgart.) — Das
Stück ist auch enthalten (als No. 27) im Opus theatricum, dreisig
ausbündtige schöne Ooinodien und Tran'üdien etc. von J. Ayrer. Nürn-
berg 1618. (Kehrein. I, 145. 146.)
586 XI- Menächmi.
Der Koch tritt auf, tun Befehle entgegen zu nehmen. Da
er hört, dass Peniculus Gast ist, meint er: „Peniculus frist
so vil als jhr acht." Nochmal rät Ancilla, das Kleid nicht so
zu tragen:
darumb ists vil besser,
Das mans änderst ferb und zertrenn,
Das nur des Junckern Weib nit kenn,
Dann sie gar ein böses maul hat.
Sie gehen ab. Phileman oder Enucles (von Syracusa),
der frembt, geht ein mit dem Schiff -Patron vnd Jahn P ans er,
sein leib-Knecht, Servio, eim andern Knecht, vnd etlichen stum-
men Personen, tragen alle bündel, als stiegen sie erst aus einem
Schiff. Phileman beginnt:
Gott sey lob, das wir allesandt
Sind wider ankommen zu Land!
Nun ist es schon das sechste Jar,
Das ich meinem Bruder nach fahr
Vnd jhn doch nirgents finden kan.
Noch will ich nicht lasen davon,
Auch nicht wider kommen zu hauss,
Bis ich jhn hab gespüret auss,
Gott geb, was mir geschech darummen.
Da kömmt Cocleus, der Koch, und die bekannte Szene.
Phileman staunt, dass Cocleus seinen Namen weiss und ihn
zu seiner Frau lädt:
Darumb ich zu dem gloch bist hab
Vnd will je sehen, was das sey.
Jahn P ans er warnt ihn:
Juncker, ich sags euch auff mein treu,
Das es in diser grosen Statt
Gar vil falsch vnd lose Leüt hat.
Geht jhr hin, so seid jhr verlorn.
Auch der Schiffspatron rät ihm zu bleiben; er aber sagt:
Nein ich will kein gelt geben auss.
Drumb, Jahn, nimb du den Beutl zu dir
und geht mit Cocleus ah.
II. Akt. Der zweite Akt gehört Ayrer vollständig.
Jahn Panser, der Schiffspatron, und Servus kehren hei
dem Wirte Hospes zu, wo sie zechen und jeder ein langes Lied
singt. Der Kellner Cellarius holt Instrumente, „ein Eost, ein
Hafen mit kochlöffeln, Riebeisen, Geigen, vnd was man haben
kan, machen eins zusammen, Juchtzen, Sauffen. '' Endlich ver-
Jacob Ayrer. 587
langt Cellarius die Zeche, „drei gülden''. Sie verwundern sich.
Jahn kömmt auf den Gedanken:
Das rnan jetzt der blinden Kuh spil.
Der Kellner sey die blinde Kuh!
Sie „binden dem Cellarius die äugen zu, drehen jhn drey
mal herumb". Alle machen sich davon; Jahn sagt noch im
Hinausgehen:
Nun fang ein, wer die zech zahm soll!
Der Kellner fängt den unterdessen eingetretenen Wirt
und fordert von ihm die Zeche, der Wirt aber „schlegt jhn
wohl ab".
III. Akt. Der dritte Akt geht wieder auf Plautus (7. 446)
über und zwar auf die Klagen des Peniculus um das versäumte
Mahl:
Enuclern hab ich im gedreng
Auff dem Rathhauss in des Volcks meng
Vor meim angsicht alsbalt verlohrn,
Als wenn er wer vnsichtbar worn.
Seine Motive, warum er nicht an Thasas Thüre klopft, giebt
er damit:
So darff ich auch nicht klopfen an,
Dann die Thasa ist mir nicht gut.
Weiss wol das sie mir nicht aufftkut,
Wenn mich der Juncker nicht führt hinein,
ein Grund, der sich bei Plautus nicht findet, dem aber hier in
den ersten Szenen bereits vorgebaut ist. Peniculus fasst nun
den Entschluss, sich zu rächen:
es sol jm werden eindrenckt,
Das er mich umb die Malzeit bracht,
Vnd ich sol wol werden bedacht
Von seim Weib, das ich jr solchs sag
Das ich zu fressen kauften mag.
Mit diesen Worten geht er; er sieht also nicht, wie Peni-
culus bei Plautus, den aus dem Hause tretenden Menächmus
(Phileman). Vielmehr ist die plautinische Szene mit der Ancilla
vorgerückt. Cocleus bringt eine Kette und richtet den Auftrag
seiner Herrin aus:
Darumb solt jhr drauss lassen machen
Zwei Armbender, die jhr wol wist.
Jetzt erst kömmt Peniculus zurück und schimpft mit
Phileman, der weder ihn kennt, noch verheiratet sein will.
588 * XL Menächmi.
Pliileman geht lachend ab: da „kompt Enucles" vom Rathause;
Ayrer springt also auf V. 570. Die lange Eede des Me-
näehmus I. ist in zwölf Versen abgethan. V. 570 — 598, in
welchen zunächst von römischen Verhältnissen1) die Sprache
ist. heissen hier ganz allgemein:
Jetzt gehe ich erst von dem Rahthauss,
Bin gar zu lang gewesen auss.
Enucles bedauert, den Parasiten verloren zu haben, was
Menächmus I. nicht thut:
Hab den Peniculum verlorn,
Der wird das essen versaumbt han.
Ach, wie wird der alt fresser than,
Wenn er geht hindr der Malzeit hin!
Daran ich zwar vnschuldig bin,
Dieweil der hendl ein gantzen hauffen
Drohen fast alle stund für lauften.
Die folgende Szene hat Ayrer hier eingeschoben.
Im Originale steht sie an dieser Stelle nicht. Jahn P ans er
begrüsst Enucles und erzählt ihm, wie sie gegessen und ge-
trunken :
Darnach gespilt der blinden khu,
Den Wirth betrogen umb die zech.
Auch händigt er ihm den Beutel ein. Die ganze Szene ist
sehr kurz gehalten. Enucles nimmt das Geld, „jedoch nur bis
auff weitern bscheid" und gänzlich unaufgefordert spricht er Jahn
Panser frei:
Ich will dich frey sprechen darumben
Vnd solst fort nicht Leibeygen sein.
Alsdann tritt er ins Haus. Unmittelbar darauf „kompt Plii-
leman, tregt das Kleid vnd Ketten vnd sagt zu Jahnnen":
Was Teuffls machstu auff der Gassen,
Das du mich so gar thust verlassen?
Jahn versteht dies nicht; er hat eben den Beutel abgeliefert
und die Freiheit erhalten, was alles Phil ein an für eitles Gerede
hält. Die Ankunft der Leonora mit dem Peniculo unterbricht
eine weitere Auseinandersetzung. Sie „sieht gar zornig auss" und
schilt ihren Mann Ehebrecher:
Du loser, Ebbrecherischer Mann,
Was gehn dich meine Kleider an
Ynd mein Ketten, die du in ecken
Verbulst mit andern losen Secken?
') Vgl. Teuf fei, Studien, S. 268—273.
Jacob Ayrer. 589
Er kennt sie nicht. Leonora schickt den Peniculus um
ihren Vater. Socerus kommt sofort. Er begrüsst seinen „Eyden"
und kehrt sich vorwurfsvoll zu seiner Tochter:
Ey Tochter, Tochter, es ist nicht fein,
Das du deini Mann thust die vnehr.
Mich bedunckt, du eyfferst zu sehr.
Selbst auf die weiteren Klagen Leonoras bleibt er liebens-
würdig gegen seinen Schwiegersohn; da aber Phileman stets
behauptet, die Frau nicht zu kennen, glaubt er: „Fürwar, er ist
der Sinn beraubt." Auf diesen Gedanken geht Phileman
sofort ein :
Die leut werden mir noth an than.
Auff das ich nur vor jhn mög bleiben
Vnd ich sie von mir mög abtreiben,
Will ich mich gar vnsinnig stelin
Vnd sehen, was si als dann wölln.
„Er wirft als von sich, was er bey jhm hat, stellt sich nerrisch,
ziecht vom leder, schlegt vmbsich." Alle entfliehen, zum Teil selbst,
zum Teil treibt er sie, wie den Alten, mit Schlägen von dannen.
IV. Akt. Phileman kann sich über all das nicht genug
wundern. Sein Gedanke:
Glaub das die Frau vnd der alt Mann
Mich sehen für ein andern an
Nun west ich gar gern, was doch der
Für ein Kerl oder Person wehr,
Für den man mich doch thut ansehen,
ist ein sehr naheliegender. Der Arzt kann mit Fragen bei Phi-
leman nichts erreichen, so wendet er sich an den Schwieger-
vater mit dem Wunsche:
Wenn jhr jhn liest in mein Hauss führn,
So wolt ich jhn noch bass probirn,
Sehen ob jhm zu helffen wehr.
Der Arzt schickt nun „drey starcke Knecht", und es „lauften
Dieterich vnd sunsten noch zwen stummer knecht ein". Er „zeucht
vom leder" :
Wer mich angreifft, sag ich vorhin.
Das ich stoss mein Rappir durch jhn.
..In dem laufft Jahn Paus er mit Servo, vnd wen er haben
mag, ein vnd schnüren die drey Kerl von dem platz ab." Nach-
dem P ans er so Phileman gerettet hat, verlangt letzterer seinen
Geldbeutel:
Ich kan euch den nicht geben zwey mal.
Ich hab euch den zugestelt vor langen.
590 XI. Menächmi.
Da tritt Enucles ein. Jahn geht sogleich auf ihn los.
Enucles gieht zu, die Börse erhalten und Jahn freigesprochen
zu nahen: Phileman erinnert Jahn an ihre Ankunft; und
Jahn weiss nun nicht, wer eigentlich sein Herr ist. Er geht
von einer Seite zur andern und fragt jeden. Beide heissen
Enucles, heide sind von Syracusa. Jahn hekreuzt sich:
Mein lieber Gott wöll mich bewahrn!
Die sacli macht mich zu einem tohrn.
Seind denn jhr zwen auss einem woru?
Die Erkennungsszene geht sehr schnell vor sich. Jahn Pan-
ser sagt zu Phileman:
Hört! der soll wol eur Bruder sein,
Dieweil er eben heist, wie jhr,
Vnd hat lauter angezeiget mir,
Das er von Syracusa sey,
worauf Phileman versetzt:
Ach Gott, so merck ich schon dabey,
Er ist mein Bruder bey meim Eyd.
Nach wenigen gewechselten Worten erkennen sich Enucles
und Phileman als Brüder. — Thasa berät sich mit Ancilla,
was zu thun sei. Sie sieht ein, dass ihr Gast trotz aller Ähn-
lichkeit Enucles nicht war:
Nun hett ich je geschworn, das der
Gast mein Enucles gewesen wer.
Sonst hett ich mich zu jhm nicht Beth,
Auch die dieng jhm nicht geben hett.
Der Koch wird Rettung wissen.
V. Akt. Der fünfte Akt ist wieder Ayrers Arbeit.
Enucles und Phileman treten auf. Vorerst bittet Enucles,
die Angelegenheit mit Thasa zu bereinigen.
Hastu nun was guts bracht davon,
Das ich dir denn wol gönnen will.
Er solle die Sache auf sich nehmen. Sein Verhältnis zu
Thasa sucht er zu beschönigen:
Ich hett mit meinem Weib offt streit
Von wegen jhres losen Guts.
Die macht mir vil Creutz vnd vnmuths.
Weil ich jhr nichts hett zugebracht.
Damit hats mich so zornig gmacht,
Das ich nicht thet. was mir g-ebürt.
Jacob Ayrer. 591
Phil ein an soll nun thun, als habe er mit dem allen Leo-
nora nur prüfen ■wollen. Sie habe ihren Mann mit Eifersucht ge-
plagt, er wollte sie davon überzeugen und ihr die Gegenstände
mit guten Lehren zurückgeben. So kömmt es auch; so zwar,
dass Leonora, da sie ihr Kleid wieder im Kasten findet, ihrem
Manne zu Füssen fällt und ihn um Vergebung bittet:
Ach du mein hertzenliebster Mann,
"Wie bin ich so schendlich bethört!
Die falschen zungen hab ich gehört,
Vnd glaubet jhrem bloseu lallen,
Dess bin ich in gross Torheit gefallen,
Vnd bitt, du wolst mir das vergeben
u. s. w. — In gleicher Weise wendet sie sich an den Schwager,
indem sie auf die Knie sinkt:
Ach, günstiger Schwager, ich hab
Euch warhafft vnrecht gethan,
Euch angsehn für meinen Mann,
Weil ich meinen schmuck hab gekend.
Von Phile man muss sie sich noch lange Predigten über
den Argwohn, der doch so sehr berechtigt war, gefallen lassen,
wie Adriana in der ,,Comedy of Errors" von der Äbtissin.
Aber sie ist völlig geheilt:
Herr Schwager, ich will die zeit meins lebens
Meim Hausswirtt nicht böss mehr zutrauen,
Mich halten, wie einer frummen Frauen
Wol ansteht, will jhn liebn und ehrn
Vnd mit euch in eur heimet kehrn
Vnd alles thun, was euch gefeit.
Jahn bittet um seine Freilassung. Er hat das letzte Wort
und rekapituliert die ganze Geschichte:
Der Fuchsschwentzer Peniculus
Jetzund mit spot abziehen muss
Vnd hat mit seiner falschen goschen
Nichts, denn nur ein leres Stro, gedroschen.
Thasa, das vnverschembte Weib,
Hat hergelijen jhren leib
Eim frembden, den sie nicht hat keudt.
Der hat jhr die Ketten entweudt
Vnd auch der Leonora kleidt.
Der Zuschauer möge das Gute der Komödie behalten, das
Schlechte verachten.
AVer ohrn hat zu hörn, der hör
Vnd habt euch das zu einer lehr.
592 XI- Menächmi.
Jakob Ayrer hat die plautinische Komödie freier
behandelt, als Hans Sachs, der in kerniger, kurzer Sprache
die Gedanken des Originales knapp wiedergiebt, meist ohne ein
Wort Zuthat. Bei Ayrer ist die Sache etwas ins Breite ge-
wachsen. Es ist nicht zu verkennen, dass er das eine oder
andere zu motivieren suchte, dass es ihm aber meist nicht sehr
gut gelang.1) Die ganze Vorgeschichte der Zwillinge,
welche den Zuschauer unter allen Umständen interessieren muss,
ist weder in einem Prologe, noch auch bei der Erken-
nungsszene angebracht worden. Sie liegt in den einfachen
Worten des Enucles:
Meinen Vatter man nennen thet
Den Enuclem Pliileman.
Nur ein eintzigen Bruder ich han,
Der wird als wie mein Vatter gnendt.
Trunk und Prügel machen einen Teil der deutschen Bear-
beitungen aus.
Eine deutsche Übersetzung der Menächmi lieferte 17G6
G. Leo Lipsius.
Maximilian von Klingers „Zwillinge*' haben mit der
Menächmenfabel nichts gemeinsam.
Den Namen der Menächmen hat Helferich Peter Sturz-)
(1736 — 1779), doch ohne weitere Beziehung,3) für seine paro-
distische Zeitschrift gewählt.
Nicht ohne jede Beziehung zur Menächmenfabel sind
Adam Gottlob Oehlenschlägers (1779 — 1850) „Die Dril-
lingbrüder von Damask",4) mit Musik von Kuhlau. Es ist
*) Gervinus. III, 153. „Weder weiss Ayrer eine Intrigue zu ver-
folgen, noch eine komische Situation zu behaupten, wie z. B. in den
Menächmen, wo das so leicht war, noch einen Charakter zu zeichnen.
Nur die Versuche zu diesem letzteren sind da, obwohl so wenig ge-
lungen."
2) H. Peter Sturz. Von Dr. Max Koch. (München 1879.) S. 70.
„Die Menechmen oder zwey Wochenschriften von gleicher Statur in vier
Aufzügen. Mit einer Liste von Druckfehlern und einem Titel, vielleicht
auch mit einer Vorrede versehen und des Spasses wegen dem publico
preis gegeben."
3) Irrtümlich hat man (z. B. Küttner, Charaktere teutscher Dichter
und Prosaisten. Berlin 1781. 1,467 — 470) von einem Menächmenstücke
des Sturz gesprochen. (S. Koch, ebenda.)
4) Auf S. 7 — 160 des dreizehnten Bändchens von „Adam Oehlen-
schlägers Werke. Zum zweiten Male gesammelt, vermehrt und ver-
bessert. Breslau (Joseph Max) 1839". — Der dänische Originaltext:
Trillingbrödrene fra Damask, erschien zum ersten Male gedruckt
im September 1830; dann im fünften Bande der Digtervärke (1845)
u. ö. ; ferner auf S. 89 — 224 des sechszehnten Teiles von Oehlen-
schlägers „Poetiske Skrifter". Udgivne af F. L. Liebenberg.
Kjöbenhavn 1860. (Nach diesem ist hier zitiert.)
Oelilenschlägers Drillingsbrüder. 593
die Geschiclite der drei Messerschmiede, Ibad, Syahuk und
Babekan.
Doch Drillinge wir geboren sind. War das nicht zu weit getrieben?
Alle glichen wir uns so sehr, als wie drei Krallen der Pfote,
Als wie drei Tropfen im blauen Meer, als wie drei Erbsen der Schote? ')
(S. 14.) Sie wurden als Knaben viel geneckt ob ihrer Ähnlich-
keit, und der gereizte Bruder Babekan warf einen spottenden
Knaben mit einem Stein zu Tode. Mit eigener Gefahr retteten
die andern das Leben des Bruders. Endlich trennten sie sich.
„Babekan schlug uns selbst die Trennung vor,
Die Ähnlichkeit, sagt er, wird stets uns schaden,
Sie macht uns zum Gespött nur, zum Gelächter,
Wo wir uns zeigen."-)
(S. 16.) Unterdes hat Babekan eine reiche Heirat in Bagdad
gemacht. Die arm gebliebenen Brüder suchen ihn darum auf.
Ihre Ähnlichkeit mit dem ansässigen Babekan führt nun zu
allerlei Verwechslungen. Vorerst lässt Ibad von einem Wirte
seinem Hunger abhelfen. Von diesem, der ihn natürlich für Ba-
bekan hält, erfährt er allerlei über seinen Bruder und auch, dass
dieser seine beiden Drillingsbrüder für tot ausgab.
Im zweiten Akte stehen sich die drei Brüder gegenüber.
. . . dieselbe Höbe, selbe Länge,
Für alle drei im Durchschnitt selbe Dicke.3)
(S. 47.) Babekan hat wenig Freude an dem Wiedersehen:
hatte ja schon Ibrahim, der Karawanenführer, und nun auch
der Wirt an ihn Forderungen gestellt; auch befürchtet er:
„Wenn ihr vielleicht bei meiner Frau in meiner
Abwesenheit auch meine Rolle spieltet."
(S. 56.) 4) Er giebt jedem fünf Zechinen und einen Rock, um sie
loszuwerden.
') (S. 95.) Hau havde ventet endnu en dreng, men hustruen bragte
liain trende.
Og ganske lignede da saa särt det ene foster det andet,
Som bonner tre i en knäkket ert, og som tre draaber i
vandet.
2) (S. 97.) Han foreslog os der skilsmissen strax.
„Vor liighed," sagde han, „vil stedse skade,
I »en er os kun fci] skam, og \ äkker latter."
3) (S. 124.) samme längde, samme dröide,
I Ig i'u kaliber for oa tre.
4) (S. 132.) I fald
I kom til Lira, gav jer ml for mig —
38
594 XI. Menächmi.
Im dritten Akte begegnet Ibad der Gattin Babekans.
Er lässt sieb von ihr zweihundert Goldstücke holen und küsst sie
als ihr Mann, da naht auch Syab.uk, und es folgt eine Szene,
die an Amphitruo erinnert.
Ibad. Nein, sie ist mein und keines andern Weib!
Syahuk. Nein! mein ist Lira, mein, und soll es bleiben.
Lira. Ich Unglücksel'ge !
Ibad. Lass' sie selber richten.
Sag, süsse Lira, bist du nicht die mein'ge?
Syahuk. Bist du uicht die mein'ge, boldes Engelskind?
Lira. Nein, keiner von Euch beiden ist Babekan;
Zwei Zaub'rer seid ihr.1)
Alsbald löst Syahuk die Irrung.
Babekan findet es für nötig, seine Frau vor seinen Brüdern
zu warnen; denn
sie sind in Bagdad hier
Und sehen mir so «ähnlich, wie das Huhn
Dem eignen Ei.2)
(S. 72.) Nur auf die Losung „Wein und Zechinen" darf sie ihn
einlassen. Ibad hat sie belauscht und findet Einlass. Alle
weiteren, zum Teil unterhaltlichen, zum Teil recht albernen3) Ver-
wechslungen haben auf die Menächmen keinerlei Bezug mehr,
selbst wenn man die hier besprochenen, dem Wirte und der Gattin
gegenüber sich ereignenden hierher beziehen will, wozu indessen
nichts zwingt.
') (S. 138.) S. Nei, hun er min, og hun skal blive min.
L. Jeg ulyksalige !
I. Lad hende dömme
Imellem os! Siig, elskelige Lira!
Est du ei min?
S. Est du ei min, min engel?
L. Nei, ingen, ingen af jer er Babekan.
To troldmänd er I.
2) (S. 145.) de leve her i Bagdad,
Og ligne mig, som ägget ligner honen.
3) Wiederholt schreibt Ohlenschläg er den Misserfolg des Stückes
der Schwierigkeit zu, drei so ähnliche Schauspieler zu finden. So
Oehlenschlägers „Levnet fortalt af kam selv" (1831) II, 354. „Eor-
nemmelig for den umuligheds skyld, at finde tre skuespillere, der lignede
hinanden nok til ikke hvert öieblik at forstyrre illusionen," und Oehlen-
schlägers Erindr. (1851) IV, 47. „Trillingbrödrene giorde ikke den
lykke, det fortiente. Det kom fornemmelig af den vanskeligked, at faae
tre skuespillere til at ligne hverandre saaledes, at det blev naturligt,
man tog den ene for den anden. Man vilde og künde ingen masker
bruge." (Vgl. das S. 538 u. 566 Gesagte.)
595
XII. Miles gloriosus.1)
Der Gestalt des grosssprecherischen Soldaten, der sich
seiner Heldenthaten rühmt, der Abgott aller Weiber zu sein
glaubt und um sein Mädchen betrogen wird, begegnen wir bei
Plaütus ziemlich oft. Tritt er nicht auf als handelnde Person,
wie im Pönulus, Truculentus, den Bacchides, so wird doch
seiner öfter gedacht.
In diesem Stücke nun ist der prahlerische Maulheld
zur Hauptperson und zum alleinigen Vorwurfe eines
Lustspieles geworden, das, wie Lessing sagt,2) ,. genugsam
wegen des von alten und neuen Poeten so oft nachgeahmten
Charakters eines grosssprecherischen Soldaten bekannt" ist.
Teuffei3) bezeichnet das Stück als eine „stark aufgetragene
Zeichnung eines Bramarbas, nicht ohne Gedehntheiten und Un-
wahrscheinlichkeiten , doch im ganzen wohl angelegt und heiter
ausgeführt. "
Was den Titel betrifft, so hat Lessing4) denselben als „Glo-
') Danz (Wimariae 1804); Linde mann (Leipz. 1827); Vallauri
(Torino 1855); A. Lorenz (Berlin 1869): J. Brix (Lpz. 1875); R. J. Ty-
rell (London 1881). Hier ist zitiert nach Fleckeisen.
2) Beiträge, S. 50.
3) Gesch. der röm. Litt'., S. 150.
4) Hamburg. Dramat. Einundzwanzigstes Stück. „Ein Titel
muss kein Küchenzettel sein. Je weniger er von dem Inhalte verrät.
desto besser ist er. Dichter und Zuschauer finden ihre Rechnung dabei,
und die Alten haben ihren Komödien selten andere als nichtsbedeutende
Titel gegeben. Ich kenne kaum drei oder vier, die den Hauptcharakter
anzeigten oder etwas von der Intrigue verrieten. Hierunter gehört des
Plautus .Miles gloriosus'. Wie kommt es, dass man noch nicht ange-
merkt, dass dieser Titel dem Plautus nur zur Hälfte gehören kann?
Plautus nannte sein Stück bloss ,Gloriosus'; so wie er ein anderes ,Tru-
culentus' überschrieb. , Miles' muss der Zusatz eines Grammatikers sein.
Es ist wahr, der Prahler, den Plautus schildert, ist ein Soldat; aber
seine Prahlereien beziehen sich nicht bloss auf seinen Stand und seine
kriegerische Thaten. Er ist in dem Punkte der Liebe ebenso gross-
sprecherisch; er rühmt sich, nicht allein der tapferste, sondern auch der
schrillste und liebenswürdigste Mann zu sein. Beides kann in dem Worte
.(.loriosiis- liegen; aber sobald man .Miles' hinzufügt, wird das , gloriosus'
nur auf das erstere eingeschränkt. Vielleicht hat den Grammatiker, der
diesen Zu-aiz machte, eine Stelle des Cicero (De officiis I, 38) verführt ;
aber hier hätte ihm Plautus selbst mehr als Cicero gelten sollen. Plautus
selbst sagt:
ALAZON Graece huic nomen est Comoediae,
Id nos Latinc GLORIOS VM dicimus,
und in der Stelle des Cicero ist es noch gar nicht ausgemacht, dass eben
das Stück des Plautus gemeint sei. Der Charakter eines grossspreche-
rischen Soldaten kam in mehreren Stücken vor. Cicero kann ebenso
wohl auf den Thraso des Tcrenz gezielt haben.''
38*
596 XII. Miles gloriosus.
riosus" mit Auslassung der Bezeichnung Miles gefordert', was
Fleckeisen1) iintersützt. Als Original der plautinischen Komö-
die gilt der iJla^tor eines unbekannten griecliisclien Dichters,
während die Eingangsszene dem K6la§ des Menander oder
dem -Jt()rtGtT£iyr:g des Diphilos entnommen sein soll.2)
Den ersten Akt leitet der Soldat Pyrgopolinices, der
Türmebezwinger, ein. Ihm zur Seite steht sein Parasit Arto-
trogus, Brockenschröter,3) Brockenschnapper, wie ihn Binder
nennt, der die Heldenthaten seines Herrn und seine Schönheit
in den Himmel hebt. Pyrgopolinices ist eben beschäftigt,
die dem Könige Seleukus versprochene Rekrutierung durchzu-
führen ( V. 75):
Nam rex Seleucus me opere orauit maxumo
Vt sibi latrones cogerem et conscriberem.
[Ei] rei hunc diem mihi operam decretumst dars.
Den zweiten Akt beginnt Paläst rio, der Sklave des Sol-
daten, mit einer Art von Prolog. Von ihm erfahren wir, dass wir
uns in Ephesus befinden. Paläst rio hatte früher einen andern
Herrn in Athen. Dieser wurde von Staatswegen nach Nau-
paktus gesandt. Unterdessen kam Pyrgopolinices nach
x) Ehe in. Mus. XIV, 628. — Vgl. dagegen für den vollen Titel,
wie er überliefert ist, W. Hertzberg, Übersetzung S. 356; A. Riese
im Rhein. Mus. XXII, 303.
2) Teuffei, Studien, S. 273. „Der Prolog des , Miles gloriosus'
(II, 1, 8 f.) enthält die Angabe: 'AXa£,d>v graece huic nomen est comoe-
diae, id nos latine Gloriosum dichnus. Die Weglassung des Namens
des griechischen Dichters und der etwas schwankende Ausdruck, der an
sich auch die Auuahme blosser Abstraktion aus dem lateinischen Titel
zuliesse, könnte Bedenken erregen, wenn der Prolog nicht sonst manche
unverwerfliche und wertvolle Angaben enthielte. Die Stellung dieses
Prologes weist allerdings darauf hin, dass es mit der Eingangsszene eine
besondere Bewandtnis habe, wenngleich der Vorwurf der ,Verbindnngs-
losigkeit' nicht ganz gegründet scheint; vgl. I, 1, 72 ff. mit IV, 1, 2 ff.
Ob nun aber jene aus dem Kolax des Menander genommen ist, wie
W. A. Becker meinte, oder aus dem ÄiQtjGiTtlyjjq des Diphilus, wie
Ritschi vermutete, wird sich schwer entscheiden lassen; für das erste
spräche, dass das, was den Eingang von dem Folgenden unterscheidet,
die Rolle des Parasiten ist; für das zweite der Name des Miles Pyrgo-
polinices."
:i) Lessing, Hanib. Dram. Neunzigstes Stück: „Von ihrem ersten
Ursprung an, das ist, sobald sich die jambischen Dichter von dem Be-
sondern zu dem Allgemeinen erhoben, sobald aus der beleidigenden
Satire die unterrichtende Komödie entstand, suchte man jenes Allge-
meine durch die Namen selbst anzudeuten. Der grosssprecherische, feige
Soldat hiess nicht wie dieser oder jener Anführer aus diesem oder jenem
Stamme, er hiess Pyrgopolinices, Hauptmann Mauerbrecher. Der
elende Schmarutzer. der diesem um das Maul ging, hiess nicht wie ein
gewisser armer Schlucker in der Stadt; er hiess Artotrogus, Brocken-
schröter."
Charakteristik desselben. 597
Athen, sah die Geliebte des eben in Naupaktus weilenden
Jünglings, gewann ihre Mutter für sich und entführte gegen
ihren Willen die Tochter nach Ephesus. Kaum hatte Pa-
lästrio dies alles gesehen, als er ein Schiff nahm, um zu seinem
Herrn zu segeln und ihm Mitteilung von dem Geschehenen zu
machen. Aber Seeräuber nahmen ihn gefangen und verkauften
ihn, und so wurde er Sklave des Pyrgopolinices. Bei diesem
fand er die Geliebte seines früheren Herrn; sie nickte ihm zu,
damit er schwiege; zu gelegener Zeit jedoch erzählte sie ihm, dass
sie den Krieger hasse und nur nach ihrem ersten Geliebten heisse
Sehnsucht fühle. Dies schrieb der Sklave sogleich seinem früheren
Herrn, ein Kaufmann übermittelte ihm den Brief, und sofort eilte
der junge Mann nach Athen, wo er bei dem Nachbarn des
Pyrgopolinices Quartier nahm. Palästrio hat die Wände
beider Häuser an einer Stelle durchbrochen, und so können jetzt
die Liebenden ungehindert beisammen sein.
Periplecomenus, der Nachbar des Pyrgopolinices, tritt
auf, zankend, dass einer von den Leuten des Soldaten vom
Dache aus in seine Behausung geblickt habe, als er hinaufstieg,
einen entsprungenen Affen zu fangen. Dieser sah nämlich, wie
sein Gastfreund Pleusicles und Philocomasium, die Geliebte
des Pyrgopolinices, sich herzten und küssten. Palästrio, dem
dies sehr unlieb kömmt, denkt nach, was sich noch machen lasse,
und „et dulice et comoedice" (F. 213) findet er den Ausweg.
Er will dem Soldaten, seinem Herrn, vormachen, Philoco-
masium habe noch eine Zwillingsschwester, „tarn similem quam
lacte lactist" (F. 240). Diese sei eben „cum amatore aliquo suo-
angekommen und im Hause des Periplecomenus abgestiegen.
Periplecomenus nimmt es auf sich, hiervon Philocomasium
zu verständigen, und geht ab.
Der Hüter Philo comasiums, der Sklave Sceledrus, er-
scheint; er berichtet seinem „conseruos", was er heute von Philo-
comasium gesehen habe, und wie er es seinem Herrn mitteilen
müsse. Palästrio versichert ihm, sie sei im Hause des Sol-
daten; Sceledrus stellt sich vor die Thüre, und zu seiner Über-
raschung tritt Philocomasium aus derselben und erzählt freudig-,
dass ihre Schwester aus Athen angekommen sei, sodass Scele-
drus bereits an seinen Irrtum glaubt und seinen Herrn zu
fürchten beginnt, ob er sich auch doch noch immer einredet:
„Non uidi eam, etsi uidi" (V. 407). Nach kurzer Abwesen-
heit tritt Philocomasium aus dem Hause des Periplecome-
nus, zu welchem sie ja durch die durchbrochene Wand Zugang
hat. Sceledrus ruft sie an: ,.uiti probrique plena" (F. 423);
sie aber thut, als kenne sie ihn nicht, und sagt, sie sei eben
von Athen hierher gelangt. Palästrio stellt sich schlauerweise
598 XH- Miles gloriosus.
gleichfalls, als halte er sie für das Mädchen seines Herrn; er
schickt den Seeledrns ins Hans, dieser aber kömmt sogleich
wieder mit der Meldung, sie sei wirklich zu Hanse, ..in lecto
cuhat" (V. 470). Seeledrns ist froh, dass er seinen Herrn
nicht mit einer voreiligen Anzeige bedient habe. Palästrio
geht, worauf Peripleeomenns den Sklaven Seele d ms noch
scharf anspricht, wie er sich habe beikommen lassen können, eine
fremde Dame zu beleidigen. Er bringt ihn zu einer demütigen
Abbitte (F. 541):
Meae [ut] inscitiae
Et meae stultitiae ignoscas. nunc ilomum scio
Me fuisse exeordem, caecum. incogitabilem,
und (F. 547):
Meruisse nie equidem maxumum fateor malum
Et tuae fecisse nie hospitae aio iniuriam.
Im dritten Akte tritt Palästrio mit Pleusicles und
Periplecomenus auf. Pleusicles bedauert, dass er den alten
Herrn mit seinen Liebesabenteuern behellige; es entspinnt sich
ein längeres, äusserst hübsches Gespräch, in welchem der joviale,
gutmütige Charakter des alten Hagestolz Periplecomenus in
trefflicher Weise entwickelt wird. Periplecomenus soll Pa-
lästrio seinen Ring anvertrauen. Er soll ein Weib herbei-
schaffen, das sich für seine Ehefrau ausgeben und sich in Pyrgopo-
linices verliebt stellen will, was er zusagt. Pleusicles und
Periplecomenus treten ab. Der Kellerbursche Lucrio naht
und erzählt, Sceledrus sei betrunken in Schlaf verfallen. Unter-
dessen hat Periplecomenus an der meretrix Acroteleutium
das Weib gefunden, das sich als Frau und Geliebte ausgeben
will. Der Baumeister des Planes — ..hie noster architectust"
(F. 901) — Palästrio, entfaltet seine Idee weiter.
Am Beginne des vierten Aktes berichtet Palästrio seinem
Herrn Pyrgopolinices, dass eine „luculenta atque festiua fe-
mina" sich nach seiner „pulcra pulcritudo" (F. 959) sehnt. Sie
sende ihm diesen Ring. Pyrgopolinices ist sofort in Fexier
für sie. Philocomasium ist ihm bereits zur Last, weshalb
Palästrio ihm rät, sie mit alledem, was er ihr bisher geschenkt
habe, weiterzuschicken. Milphidippa, die angebliche Magd
Acroteleutiums, tritt auf und erzählt Palästrio von der imbe-
schreiblichen Sehnsucht ihrer Gebieterin nach Pyrgopolinices.
Seitwärts stehend, hört dieser den ganzen Bericht mit an. Als-
dann tritt er vor und thut, als ob ihm Acroteleutiums Liebe
lästig wäre. Da aber Milphidippa fortgegangen ist, berät sich
Pyrgopolinices mit Palästrio, wie er Philocomasium los
werden könnte, «quin si uoluntate nolet, ui extrudam foras"
Charakteristik desselben. 599
(7. 1124). Palästrio wiederholt seinen bereits trüber erteilten
Rat, das Mädchen friedlich mit all seiner Habe weiterzuschicken,
womit sich Pyrgopolinices einverstanden erklärt. In der
nächsten Szene treten Acroteleutium, Milphidippa und
Pleusicles auf. Palästrio entwickelt seine Pläne weiter.
Acroteleutium hat sich aufs äusserste verliebt zu stellen;
Pleusicles, als Schiffsmann verkleidet, soll Philo comasium
abführen, die sich trostlos über den Verlust des Geliebten zeigt.
Alle gehen an ihre Posten; da tritt Pyrg-opolinices und bald
nachher Acroteleutium auf. Pyrg-opolinices spielt anfangs
ihr gegenüber den Stolzen, endlich erklärt er, ihr ins Haus zu
folgen. Pleusicles als Schiffer tritt auf, um Philocomasium
und all ihren Besitz abzuholen. Philocomasnim nimmt rührend
Abschied. Sie gebärdet sich, als breche ihr Herz, da sie den
Geliebten verlassen soll. Nicht minder erschüttert benimmt sich
Palästrio, der ihr folgen und den edlen Herrn nicht mehr be-
dienen soll (7 1359):
Muliebres mores discendi, obliuiscendi stratiotici.
Iam non possum: aniisi oannem lubidinem.
Die Trennung ist vollzogen. Pyrg-opolinices eilt zu seiner
neuen Geliebten; ein Sklave des Hauses weist uns bereits auf
den Lärm im Hause hin (7 1388):
Ipsus illic ses'e iam inpediuit in piagas.
Paratae insidiae sunt: stat in statu senex,
Vt adoriatur moeclium, qui formast ferox,
Qui omnis se amare credit, quaeque aspexerit:
Quem omnes oderunt, qua uiri qua mulieres.
Nunc in tumultum ibo: intus clamorem audio.
Der fünfte Akt, der nur eine Szene umfasst, bringt den
versprochenen „tumultus". Periplecomenus, der vermeintliche
Gatte Acroteleutiums, lässt durch seine Sklaven, unter diesen
den Koch Cario, Pyrgopolinices aus dem Hause schleppen.
Er soll entmannt werden, was der Koch mit Freuden übernimmt
(7 1398):
Quin iam dudum gestit moecho [huic] hoc abdomen adimere.
Faciam uti quasi puero in collo pendeaut crepundia.
Erst wird er gehörig mit Knütteln geprügelt, dann bittet er,
ehe geschnitten wird, „prius quam secat" (7. 1408), nur um
ein Wort. Er verteidigt sich damit, dass er die Frau für eine
Witwe hielt, schwört, dass er einsehe, wie recht ihm geschehe,
dies alles zu dulden, und zahlt den Sklaven eine Mine Goldes,
damit er, „saluis testibus" (7. 1420), entlassen werde. — See-
(500 TETT, Milcs gloriosus.
ledrus meldet ihm noch, dass der Schiffer Pleusicles war und
schon vor dein Thore mit Philo comasium begann (F. 1433),
„ausculari atque amplexari inter se. " Nun erst durchschaut Pyr-
gopolinices den ganzen Plan, und dass ihn sein Sklave, „scelus
uiri Palaestrio," betrogen habe. Mit einer Art Nutzanwendung im
Munde des Sceledrus (F. 1435):
Iure factum iudico:
Si sie aliis moechis fiat, minus hie moechorum siet:
Magis metuant, minus, has res studeant,
die von andern1) allerdings wirksam dem Pyrgopolinices zuge-
teilt wird, schliesst das Stück.
Die Aktabteilung der gewöhnlichen Ausgaben passte wohl für
unsere Bühne nicht.
Der erste Akt mit seinen acht und siebenzig, der letzte
mit seinen vier und vierzig Versen steht allzu dürftig neben den
umfangreichen übrigen drei; darum haben Rapp und Binder das
ganze Stück in ein Vorspiel (= Actus I), einen Prolog (II, V. 79
— 156) und drei Akte geteilt.
Die Figur des Miles Gloriosus mit seinem vielsagenden
Namen Pyrgopolinices, der die Türme der Städte im Sturme
nimmt, ist aufs eingehendste gezeichnet. Vor allem sind es seine
kriegerischen T baten, von denen wir nichts sehen, und
seine sinnliche Lüsternheit, deren Proben uns vor Augen
liegen. Er, den Milphidippa „urbicape, occisor regum" (F. 1055)
anspricht, der siebentausend Feinde an einem Tage vernichtete
(F. 46), der in Kappadozien, „uno ictu", fünfhundert Mann er-
schlagen hätte, wenn sein Schwert nicht stumpf geworden wäre,
„ni hebes machaera foret" (F. 53), der, wie aus seinen Reden
hervorleuchtet, der Freund und die rechte Hand des Königs
Seleukus ist (F. 75), ist nicht bloss der Liebling des Mars,
sondern auch der Venus (F. 1384), wie ihm sein puer schmei-
chelt; ja sogar ihr Enkel. „Nepos sum Veneris" (F. 1265); den
Morgen, nachdem Ops den Juppiter geboren hatte, kam er
zur Welt.
Postriduo natus sum ego, mulier, quam Iuppiter ex Ope natust.
(F. 1082.) — Die schrecklichen Prahlereien, die er zum besten
giebt, von all seinen erschlagenen Feinden, unter welchen selbst
Neptuns Enkel war, (F. 13):
Quemne ego seruaui in campis Gorgonidoniis,
Vbi Bumbomachides Clutomestoridysarckides
Erat inperator summus, Neptuni uepos?
') Rapp (Die pl. L.), S. 190: „Die Nutzanwendung ist aber offen-*
bar weit komischer im Munde des Geprügelten."
Charakteristik desselben. 601
kennzeichnen sich natürlich als greifbare, plumpe Lügen. Wer
äi-ger lügen kann, als er, sagt sein Parasit, mag mich als Sklaven
haben (F. 21):
Periuriorem hoc hominem siquis uiderit
Aut gloriarum pleniorem, [hercle is quidem]
Me sibi habeto. ego nie [ei] maneupio dabo: nisi
Vnum epityrum estur [insanum] insane bene.
Geld besitzt er nach Scheffeln (F. 10(34 1:
Pins [pol] mi anri millest modium Philippi.
Der ,.miles nsqne caesariatus- (F 768) ist aber auch im
vollsten Sinne des Wortes ein ,.moechus miles" (F. 1131). Er
stellt gleiehmässig allen Weibern nach (F. 775):
Ems meus ita niagnus moechus mulierumst, ut neminem
Fuisse adaeque neque futurum credam.
Sein Sklave nennt ihn einen trefflichen Beschäler (F. 1111):
nam tu quidem
Ad equas fuisti scitus admissarius.
Qui consectare qua maris qua feminas.
Vor allem auf den Ehebruch hat er sich eifriger denn auf
alles Übrige verlegt (F. 802):
„Qui nisi adulterio studiosus rei nulli aliaest inprobus."
Freilich gereicht ihm seine unwiderstehliche Schönheit
etwas zur Entschuldigung. Alle Weiber verfolgen ihn. Es ist
ein Unglück, seufzt er, wenn ein Mann so schön ist (F. 68):
Ximiast miseria nimis pulcrum esse hominem.
Er kann sich der Damen nicht erwehren (F. 777):
Atque [is] Alexandri praestare praedicat i'ormae suam:
Itaque omnis se ultro sectari in Epheso memorat mulieres.
Diese stets hervorgehobene1) Schönheit verblendet den Krie-
') Vgl. z. B. V. 58. Te omnes amant mulieres, neque [id] iniuria,
Cum sis tarn pulcer.
V. 1021. Quid? ego astabo hie tantisper cum hac formal
V. 1041. Ecastor hau mirumst: te habes carum,
J [online in in in pulcrum — ■ —
/". 1086. J\e magis sim pulcer quam sunt:
Ita nie mea forma habet sollicitum.
/'. 1211. Salteui id iiolup est^ quom ex uirtute formae
[id] euenit tibi . . .
V. 1328. [Ita] forma huius, mores, uirtus auimum atti-
nuere hie tuum
und noch zahlreiche Stellen.
602 XII. BIil< s gloriosus.
ger, und gerne glauben wir Palästrio, der den Verstand seines
Herrn sehr gering anschlägt (F. 236):
Neque habet plus sapientiae quam lapis
.»der ( T. 1024):
Nullumst hoc stolidius saxum.
Mehrmals hören wir eine zutreffende Personalbeschreibung
des ganzen Menschen.
Palästrio schildert ihn (V. 89) als:
gloriosus. inpudens,
Stercoreus, plenus periuri atque adulteri,
Ait sese nitro onmis mulieres seetarier.
Is deridiculost, quaque incedit, omnibus:
Itaque hie meretricis, labiis dum duetant eum,
Maiorem partern uideas ualgis sauiis.
A e r o t e 1 e u t i u m sagt von ihm (V. 923) :
Populi odium quidni nouerim, maguidicum, ciueinuatum,
Moechuru unguentatum '?
Dieser Gestalt eines verabscheuungswürdigen Wüstlings und
Prahlers steht der feine Lebemann (F. 659, „omnes mores ad
uenustatem ualent"), der „lepidus senex" (F. 135, 655), Peri-
plecomenus, zur Seite. Vier und fünfzig- Jahre alt (F. 629),
will er noch nicht zu den alten Herren zählen.
Cläre oculis uideo, sum pernix manibus, pedibus mobilis,
meint er (F. 630), und Palästrio bestätigt gerne:
Si albicapillus hie uidetur, ne utiquam ab ingeniost senex:
Inest in hoc amussitata sua sibi ingenua indoles.
Noch reichlich fühlt er Lebenslust in sich (F. 641):
Set ego amoris aliquantum habeo humorisque etiam in corpore
Nequedum exarui ex amoenis rebus et uoluptariis.
Herrlich schildert er sich im Weiteren:
Vel cauillator facetus uel conuiua commodus
Itidem ero: ueque ego oblocutor sum alteri iu couuiuio.
Incommoditate apstinere me aput conuiuas commodo
Conmemini: et meae orationis iustam partem persequi
Et meam partem itidem tacere, quom alienast oratio.
Mimime sputator, screator sum, itidem minume mueeidus:
Neque alieuum ego umquam scortum subigito iu couuiuio:
Neque praeripio pulpamentum ueque praeuorto poculum:
Neque per uinum umquam ex me exoritur diseidium in conuiuio.
Siquis ibist odiosus, abeo domum, sermonem segrego.
Venerem, amorem amoenitatemque aceubaus exereeo.
Charakteristik desselben. 603
Er ist unverheiratet geblieben, weil er die rechte Frau, die
zu ihm gepasst hätte, nie fand (F 684):
Nam bona uxor, si ea duci [potis] est usquam gentium,
Vbi eam possiem inuenire?
und weil er nie die Sorge um Weib und Kind auf sich nehmen
wollte, was er (F. 719 ff.) hübsch durchführt. Mit scharfem
Blicke beobachtet er die Welt und die Menschen. Es ist ein
trefflicher alter Herr, der selbst zu leben versteht, der einst die
Jugend genossen und diese Zeit nicht vergessen hat. Es giebt
keinen (F. 658):
Lepidiorem ad omuis res nee qui amico sit amicus magis.
Er ist ein fein durchgeführtes Gegenstück zu Pyr-
gopolinices, der alle Freuden des Lebens — Liebe, Wein
und Lust — in erlaubter, anständiger Weise sich zu ver-
schaffen versteht, ohne zum Cyniker, wie der Miles,
zu werden.
Dem „Baumeister1' des ganzen Planes, Palästrio, dessen
herrlicher Grundsatz ist (F. 477):
Plus oportet scire seruom quam loqui,
(Vgl. S. 404) folgen, wir mit vollem Interesse. Wir freuen uns
seiner erträglichen Sklaverei (F. 351):
Xam quoiquam [alii] quam illi in nostra meliust famulo familia,
und gönnen ihm gerne die wohlverdiente Freiheit.
Gewissermassen ein Rivale des Palästrio ist sein Mitsklave
Sceledrus, dessen thörichten Eifer und plumpe Geschäftigkeit
Periplecomenus mit den Worten kennzeichnet (F. 586):
Sat edepol certo scio
Occisam saepe sapere plus multo suera:
Qui adeo admutiletur ne id quod nidit uiderit.
Das Bild eines gewandten Sklaven ist Lucrio, „qui illi
suppromxi's" (F. 825):
Der Parasit Artotrogus tritt nur in einer Szene auf; dann
wird er als Botschafter an den König Seleukus mit den gemiete-
ten Söldnern geschickt (F. 948). Er ist ein gemeiner Sjieichel-
lecker, der den Hochmut seines Herrn nährt und seine Leiden-
schaften schürt. Da ihm dieser verspricht (F. 50):
Dum tale f'aeies quäle adhuc, adsiduo edes,
(304 XIL Miles gloriosus.
hat er die Richtschnur für sein ferneres Verhalten. Er muss
wohl zu allein ja sagen (F. 33).
Venter creat omnis has aerumnas: auribus
Perhauriendumst, ne [mihi] clentes dentiant,
Et adsentandumst quidquid hie mentibitur.
Dem jungen Pleusicles macht Rapp1) den Vorwurf der
Frostigkeit als Liebhaber; allerdings zeigt er sich nicht als den
feurigen Jüngling, als welche andere plautinische Liebhaber sich
erweisen. Paläst rio nennt ihn einen „adulescens optumus"
(F. 99). In seiner Verteidigung des ehelichen Lebens, gegenüber
dem Hagestolz Periplecomenus, wird er doch warm und vertritt
den Grundsatz des Vicar of Wakefield (F. 682): „procreare
liberos lepidumst opus."
Die weiblichen Figuren sind gut durchgeführt, obwohl es
nicht unrichtg ist, wenn Rapp2) sagt, es sei eigenartig, „wie die
beiden Hauptfiguren der Intrigue, d. h. die um derer Liebe willen
das Stück eigentlich spielt, Pleusicles und Philocomasium,
in ihrer poetischen Ausstattung vernachlässigt sind, während sich
die bloss vermittelnden, intriguierenden Teile, wie Paläst rio und
Acroteleutium, recht in den Mittelpunkt des Gemäldes drängen."
Philocomasium wird durch ihre Liebe zur Schlauheit getrieben
(F. 591):
Ximium festiuarn mulier operam praehibuit.
Sie weiss, wie böse Weiber sein können, und will es noch
mehr sein (F. 355):
edocebo
Minume malas ut sint malae; mihi solaest quod superfit.
Acroteleutium und Milphidippa sind gleichfalls zu
jedem Streiche geschickt; zwei bessere sind nicht zu finden
(F. 803):
Non potuit reperire, si ipsi Soli quaerundas dares,
Lepidiores duas ad hanc rem quam egomet.
Milphidippa (F. 794, „Est prime cata) gewinnt schon
durch ihr hübsches Wesen (F. 989, „bellulast"; F. 1003, „ni-
mium lepida nimisque nitida femina") den lüsternen Pyrgopo-
linices.
Im ganzen bestätigen die drei weiblichen Charaktere des
Stückes die Worte, welche Palästrio über das Weib ausspricht
(F. 190):
') Die pl. L., S. 30.
2) A. a. O., S. 31.
Der Thraso des Terenz. 605
Nam mulier liolitori numquam supplicat, si quast mala:
Domi habet hortum et condimenta ad omnis f molis maleficas,
[Domi] habet os, linguam, perfidiam, malitiam atque audaciam,
[Confideutiam, coufirmitatem, l'rauduleutiam]
Domi dolos, domi delenifica facta, domi fallacias.
Der Miles Gloriosus hat sich die Bühne aller Na-
tionen und aller Jahrhunderte erobert. „Ex hac fabula, "
sagt Ussing,1) „ut ex uberrimo fönte quot postea fluxerint vel
fabularuni partes et personae enumerare longum est. Quid enim
frequentius est in antiquis Italorum , Hispanorum , Gallorum,
Angloruni quam milites isti gloriosi (Capitani) horrendis nomi-
nibus insignes, ignaviam animi inani iactantia tegentes? Hi autem
quum ex ipsa hominum vita, tum niagis etiam ex Plauto et Te-
rentio expressi sunt."
Vielfach spielt bei der Figur des Kapitäns (S. 103—108)
neben dem plautinischen Pyrgopolinices der terentianische
Thraso mit, ein Miles, der um ein paar Jahrzehnte jünger ist,2)
als jener des Plautus. Die direkten Nachahmungen des
ganzen plautinischen Stückes sind nicht gerade viele,
zahllos aber sind jene Komödien, in welche der Miles
verpflanzt ist. Da nun diese nicht minder dem Thraso des
Terenz, als dem Pyrgopolinices des Plautus entwachsen
sein können, meist sogar in beiden wurzeln, können ein paar
Worte über die Erscheinung des Thraso nicht unterdrückt werden.
Im Eunuch us des Terenz3) ist die Gestalt des Thraso
nur episodisch, darum nicht so ausgemalt, wie im Miles.4) Dennoch
tritt er uns auch hier als der selbstgefällige Mann entgegen, der
stets mit sich zufrieden ist.
Est istuc datum
Profecto, ut grata mihi siut quae facio onmia,
') Band P7 (1882), S. 223.
2) Der Miles gloriosus „fällt zwischen 560 und 568, also unge-
fähr 565 d. St. (Varr.)" Teuffei, Studien, S. 274; der Eunuchus ins
Jahr 593. (Teuf fei, G. d. r. Litt,), S. 175.
3) Fleckeisen, P. Terentii comoediae. Lips. (Teubn.) 1881.
'*) Bei George Colman (The Comedies of Terence. London 1765)
findet sich S. 111 eine Note Cookes über Pyrgopolinices und Thraso:
„Pyrgopolinices and Thraso are both füll of themselves. both boast
öl' their valour, and their intimacy with princes, and both fancy them-
selves beloved by all the women, who see them; and they are both
played off by their Parasites; but they differ in their manners
und their speeeh. Plautus' Pyrgopolinices is always in the clpuds,
and talking big and of blood and wouuds like our heroes commonly
called Derby Captains. Terence's Thraso never says too little, nor too
much. bui is an easy ridiculous character, continually supplying the
Audieuce with mirth, withont the wild extravaganl Muster of Pyrgo-
polinices." — Vgl. auch: Ausgewählte Komödien des T. Maccius Plautus.
(3 Bdch.) Erklärt vou Aug. 0. Fr. Lorenz. (Berlin 1869.). S. 253.
606 XTT. Milis gloriosus.
rühmt er sich (T;. 395). Er war der Tafelgenosse des Königs
(7. 401):
Gnatho. Rex te ergo in oculis —
Thraso. Scilicet.
Gnatho. Gestare?
Thraso. Yero: credere omnem exercitum.
Consilia.
Gnatho. Mirum.
Thraso. Tum sicubi euni satietas
Homiuum aut negoti siquaudo odiuni cejierat,
Tum rne conuiuam solum abducebat sibi.
Im Kampfe will er die Methode des Königs Pyrrhus befolgen
und sieh dahin stellen, wo er am sichersten ist: „Ego ero post
principia" (F. 781). Auf Gnathos Bemerkung:
Illuc est sapere: ut hosce instruxit. ipsus sibi cauit loco,
erwidert er:
Idem hoc iam Pyrrhus factitauit. (F. 783.)
Seinen Rückzug weiss er schön zu decken (V. 789):
Omuia prias experiri quam armis sapientem decet.
Qui scis au quae iubeam sine ui faciat?
Einige dieser Züge sind, wie bemerkt, auf die Capi-
tani, die im Pyrgopolinices des Plautus ihr Prototyp ha-
ben,1) übergegangen.
Der spanischen Übersetzung des Miles gloriosus eines
Anonymus ist bereits oben (S. 503) Erwähnung geschehen.
Sie führt den Titel „La comedia de Plauto intitulada:
Milite glorioso, traducida en lengua castellana. En Anvers,
en casa de Martin Nucio. M.D.LV. " 2) Von dieser Antwerpener
Übersetzung von 1555 finden sich im zweiten Bande der Biblio-
teca de autores espanoles3) Proben, welche auf die Arbeit
' Vgl. über die Figuren des Miles gloriosus und seinen Parasiten
bei älteren und neueren Dichtern Anhaug S. 243— "258 bei Lorenz a. a. 0.
— Alle diese capitani kann man iu wenig AVorten schildern, wie
Fernan Caballero (Verano en Bornos, Cart. III) ihren Kommaudanten
zeichnet: „El comandante cuando resuella, parece que no cabe en el
mundo; pero no es de paiio fino, y ä lo niejor descubre la trama."
2) Barrera, Catal., S. 565.
3) Madrid (Rivadeneyra) 1848, S. 200.
Übersetzimg eines spanischen Anonymus. 607
schliessen lassen. Sie umfassen die Reden des Periplecomenus
(F. 672—681):
Monis es.
Nam in mala uxore atque inimico siquid sumas, sumptus est:
In bono hospite atque amico quaestus est quod sumitur,
Vt quod in diuinis rebus sumptumst sapienti lucrost.
Deum uirtute [satis] est, unde accipiam [te] aput me comiter.
Es, bibe, animo opsequere mecum atque onera te hilaritudine:
Liberae sunt aedes, liberum autem [esse] egomet me uolo.
Nam mihi deum uirtute dicam propter diuitias meas
Licuit uxorem dotatam genere summo ducere:
Set nolo mi oblatratricem in aedis intro mittere.
Spanisch: No estäs bien eu losnegocios; porque en la mala muj er
y en el euemigo todo cuanto se gasta es perdido; pero con el huesped,
y con el amigo ganancia es lo que se gasta, y tengo por buena dicha
topar con huespedes de mi conclicion ä quien reciba en mi casa; come
y huelga y bebe libre, quiero gozar de mi con libertad, porque por la
misericordia de los dioses y por las riquezas que me concedieron, pude
muchas veces casarme con alguna de muchas mujeres que se me ofre-
cieron de muy buena casta y con mucho clote. pero no quise meter en
mi casa una grunidora con quien perdiese mi libertad.
Und V. 705 — 716:
Quando habeo multos cognatos, quid mihi opus est liberis?
Nunc bene uiuo et fortunate atque ut uolo atque animo ut lubet.
iNam] mea bona meis cognatis dicam, inter eos partiam:
Ideo ut Liberi] me curant; uisunt quid agam. ecquid uelim:
3rius quam lucet adsunt, rogitant noctu ut somnum ceperini.
[Eos pro liberis habebo, qui mihi mittunt munera].
Sacruficant: dant inde partem mihi maiorem quam sibi,
Abducunt me ad exta, me ad se ad prandium, ad cenam uocant.
Ille miserrumum se retur, minumum qui misit mihi.
Uli inter se certant donis: egomet mecum mussito:
Bona mea inhiant: [at] certatim nutricant et munerant.
Spanisch: Como tengo muchos parientes no me hacen falta los
hijos; agora vivo ä mi voluntad y dichosamente siguiendo lo que se me
antoja; cuando me muriere, dejare mis bienes a mis deudos que los
partan entre si; ellos comen conmigo, curan de mi salud, vienen a vei*
que hago, si mando alguna cosa: antes que amanezca ya estan en mi
cämara; preguntanme si he dormido bien aquella noche, tengolos en
lugar de hijos: envianme presentes y regalos; si hacen sacrificios, dan
de ellos mayor parte a mi que a si : sacanme de mi casa, llevanme a
las suyas a comer y cenar: aquel se tiene por mas desdichado que me
envio menos; ellos debaten entre >i con sns presentes; y callo y reci-
bolos; desean mis bienes; pero entre tanto conservanlos y acrecientanlos
con los suyos.
In Italien wurde auch unter dem Nachfolger des Herzogs
Ercole I., seinem Sohne Alfonso I., das antike Lustspiel ge-
pflegt. Unter seiner Regierung wurde der ,,Soldato millanta-
608 XII. Miles gloriosus.
tore", ovvero il Miles gloriosus di Plauto volgarizzato in prosa
da Celio Caleagnini1) aufgeführt.2)
Eine gelungene Nachdichtung des Miles verdankt die ita-
lienische Litteratur der Feder des Lodovico Dolce. Sein
Lustspiel führt den Titel .,11 Capitano".3) Der Prolog erwähnt
das Verhältnis zu Plautus:
j\li uolgo a dir, ch' io u' appresento Plauto:
Xnn ch' io ue '1 rechi con le man, ma portolo
Con la liugua,4) e se a uoi piace d' attenderci:
Vedrete comparerui iunanzi il Milite
Ma con altra diuisa, e fatto giouane.
I. Akt. (1.) Torquato Capitano und sein Parasit Ma-
nilio treten, wie hei Plautus, ein (V. 1):
Curate ut splendor meo s/t clupeo clarior,
Quam solis radii esse olim quom sudumst solent:
Fate che 1' arme mie siano piu lucide
Che non e '1 Sol, quand' e piü chiaro 1' aere.
Der Parasit macht hierzu die betreffenden boshaften Be-
merkungen:
Ascoltate brauura d1 huom piu timido
Che gli Conigli, i Caprioli, o i Lepori.
Sein Schwert steckt schon zu lange müssig in der Scheide,
„quae misere gestit stragem facere ex hostibus" (V. 8):
Io so com' ella brama e par che smanie
Di tagliar colli, e far balzar per aria
Busti, piei, gambe, man, caualli, & huomini,
worauf Manilio bemerkt:
Cosi suole amazzar le pulci e i cimici.
Wie Artotrogus, schmeichelt ihm Manilio ins Gesicht
und rühmt seine Heldenthaten (V. 52):
Quid in Cappadocia, ubi tu quingentos semul,
Ni hebes machaera foret, uno ictu occideras?
— ■ — non e menzogna o fauola,
Quando in un colpo sol priuaste d' aniino
Trecento Mameluchi: e se disgratia
Non ui faceua alhor la spada rompere
Sarebbono arriuati a piu di milia.
') Argelati. in, 235.
2) Tiraboschi. VII, 858. Gasparo Sardi, Storie di Ferrara.
3) II Capitano, Comedia di M. Lodovico Dolce. Di nvouo ri-
coretta e ristampata. (Iu Vinegia appresso Gabriel Giolito de' Ferrari
1560.) 36 fol.
■ ') Dieser Witz stammt aus dem Prologe der Menächmi (F. 3).
Adportö uobis Plautum, lingua, non manu: .
Quaeso ut beuignis accipiatis auribus.
Dolces II Capitano. 609
Wie Artotrogus, rühmt Manilio Torquatos Erfolge bei
den Damen (V. 54):
Ma che ui dirö io della bellissima
Vostra persona:
Tal che tutte le donue che ui ueggono,
Per uille e per cittä ne fanno smanie.
Er selber findet, dass Michel' An gel o und andere Maler
ihn vornehmlich als den Hauptmann im Leiden Christi brauchen
könnten.
(2.) Truffa, der plautinische Palästrio, der Diener Tor-
quatos, spricht, wie dieser bei Plautus, den Prolog. Der
Capitano ist aus Siena. In Genua hatte Truffa einen jungen
Herrn gehabt, „gentile, accostumato, ricco e nobile," namens
Fabio. Dieser war in ein armes, wunderhübsches Mädchen,
Fulvia, verliebt, die ihn wieder liebte, „che Fabio e ella eran
duo corpi e un' anima. " Unterdessen musste der junge Fabio
in Handelsgeschäften nach Venedig, und der Capitano kam
nach Genua. Er sah Fulvia, sie gefiel ihm, und ihre Mutter,
vom Gelde verlockt, gab ihm das Mädchen gegen seinen Willen.
Sie lebt nun in Rhagusi in seinem Hause. Sofort eilte Truffa
nach Venedig, um seinen Herrn von dem Vorgefallenen in Kennt-
nis zu setzen, wurde aber von maurischen Korsaren gefangen
und an einen Janitscharen verkauft, der ihn seinem Freunde, dem
Capitano, „questa bestia inutile," schenkte. Sobald er Tor-
quatos Haus betrat, erblickte er Fulvia. Sie thaten, als wür-
den sie einander nicht kennen. Truffa benachrichtigte brieflich
Fabio, dieser kam sofort hierher und stieg bei dem alten Freunde
seines Vaters, Biagio, dem Nachbarn Torquatos, ab. Da ihn
nur eine Wand von der Geliebten trennte,1) so fand Fabio Ge-
legenheit, dieselbe an einer Stelle zu durchbrechen, und kann so
nach Belieben mit Fulvia verkehren. Dies alles stimmt genau
zu Plautus (7. 79 — 155).
(3.) Biagio giebt Befehl, dass von des Capitano Leuten keiner
mehr auf dem Dache gelitten werden dürfe, „di cercar scimie, "
mit Aiisnahme Truffas. Wie im Originale, erzählt nun Biagio
dem Truffa, dass heute ein Diener, der des Capitano ent-
kommenen Affen einfing, Fabio mit Fulvia liebkosen sah.
Truffa behilft sich nun, wie Palästrio:
') Ussing. IV, 223. Illud quoque commemorandum est, lepidam
illam fabulam de pariete perfosso duodecimo fere p. Ch. saeculo in La-
tinam versionem fabularum Arabicarum , cui nomen inscribitur Septem
magistrorum sapientium receptani esse. (Dunlop, Hist. of rom. litt.
I. 200.)
39
610 XII. Miles gloriosus.
io gli uo dar a credere,
Che in casa nostra uua sorella trouasi
Di Fuluia, uata a uu parto, & a lei simile
Si che 1' una da 1' altra non discernesi.
Das Meiste ist fast wörtlich ans Plantxis übersetzt.
II. Akt. Stramba (= Sceledms) ist es, der Fulvia
mit ihrem Geliebten gesehen hat. Indes geht der Italiener
etwas weiter. Sceledms sah sie bloss „malam rem quaerere"
(F. 274"), Stramba aber „sollazarsi nel letto con nn giouane",
und das „facinns fecit audax" (V. 309) ist hier:
il quäl faceale
Quel che fa 1' huom, quando la rnoglie ingrauida.
Alles Weitere, Trnffa nnd Stramba in ihrem Dialoge, ist
nur ein breiter gewordener Plantns; ebenso Fulvias Vorwurf,
den sie als Schwester Stramba macht; dann wieder ihr Erschei-
nen, „sopra 1' uscio del vicino," als Lisetta aus Genua, wie
Philo comasium als Glycere auftritt: nicht minder Strambas
Zweifel und seine Unterredung mit Biagio, deren Erfolg ist,
dass Stramba gesteht, er glaube nun an Lisettas Echtheit.
Während jedoch der schlaue Sceledms sich nicht fangen lässt
(V. 576: „Dedit hie mihi uerba"), scheidet Stramba mit den
Worten:
Istinaate d' hauer cresciuto il numero
De' uostri serui, e io sia di tutti il minimo.
III. Akt. Auch dieser Akt ist nur eine Erweiterung des
Plaut us. Fabio bedauert, den alten Biagio noch in solche
Dinge zu verstricken (F. 623); dieser aber will noch mit Fabio
zu den Jungen zählen. Er ist heiter mit den Heiteren und kann
noch lateinische Episteln schreiben,
Che si degna lodar Paolo Mauutio,
II quäle in questa etade e un Marco Tullio.
Sie einigen sich über ihren Plan. Es folgt ein Gespräch
Truffas mit Crivelletto, der genau den Lucrio des Originals
spielt; ferner treten Tullia und Lucia dazu, welche die Acro-
teleutium und Milphidippa des Plantns darstellen. Aus der
einfachen Schilderung des antiken Pyrgopolinices (V. 922) ist
hier schon die breite Beschreibung des bekannten Capitano ge-
worden.
Tr. Quell' huomacciou, che porta di continuo
Vn saio di broccato, che contendere
Puote d' antichitä cou 1' hiprincipio;
E cappa di Dalniaseo di pur nobile,
Et la berretta a la guisa che usano
I Ferraresi co puntali: e portaui
Dolces II Capitano. Q±\
Yn pennacckio che arriua iufino a gli homeri:
La spada serapre a fianchi col suo fodero
Di ueluto, e dorate ha 1' eise e '1 manico.
E lungo di persona, & e rnagrissinio.
lu. Non gir piu oltre. Egli e quell' huom ridicolo
Che fa le sberrettate a quarrte femine
Vede per strada o su fiuestre: e menasi
Dietro la coda un ragazzin di dodici
0 tredici anni: il quäl gli reca il bossolo
Da gli odori, e lo specchio, e reca simile.
Menta la Scopettina & auco il pettine,
Come ho ueduto far dentro di Napoli.
Ein von Dolce eingeschalteter Monolog des Parasiten
schliesst den dritten Akt. Der Capitano hat ihn um ein ver-
sprochenes Dejeuner gebracht; so ändert er seine Haltung und
wird sein Gegner : l)
Poi ch7 io non posso auanzar con le laudi:
Vo prouar altra uolta, se co' i biasimi
Potro seco aquistarmi alcuna gratia.
Ein Jammerruf über die Beschwerden der vita parasitica
mahnt an den Parasiten Ergasilus in den Captivi (F 75 ff.).
IV. Akt. Auch der vierte Akt schliesst sich an das Ori-
ginal (F 947 ff.) an. Wie Pyrgopolinices, hat Torquato
die Aushebungen gut durchgeführt:
Quiuci Mauilio
Ho mandato al grau Turco con sei milia
Schiaui ch' io presi il Giugno in Capadocia.
Ferner hat ihn der Sofi von Persien gebeten, das Oberkom-
mando zu übernehmen:
& mi promette in premio
La corona d' Armenia & di Panfilia.
Die Intrigue ist wörtlich nach Plautus. Lucia tritt
voll des Lobes für den Capitano auf; den „hominem nimium
lepidum et nimia pulcritudine" (F. 998) nennt sie:
1' altissimo
Torquato, capitan senz' alcun simile
und bittet namens ihrer Herrin um gnädige Berücksichtigung.
Die treffliche Anrede (F. 1054):
Age, mi Achilles, hat quod te oro, serua illam, pulcer, pulcre.
Exprome benignum ex te ingenium. urbicäpe, occisor regum!
findet sich hier noch erweitert:
') Wie Peniculus in den Meuächmi. Dies wäre die zweite
Reminiszenz an dieses Stück. Vgl. oben S. 608 A. 4.
39*
612 XII. Miles gloriosus.
Non ui mostrate auaro di tal gratia,
0 Capitano, o Dio de 1' arme, o imico
Mastro di guerra, che amazzate gli huomini,
E Imperadori, e Papi, e Duclii, e Principi,
E prendete cittä piu che fortissime,
Senza tema di Picche, o d' Ai'chibugij.
Lauge bleibt er unerbittlich.
Wenn Pyrgopolinices (F. 1082) mit Juppiter geboren
ist, so rühmt Torquato sich:
io nacqui e uennimi
AI mondo prima di quell' antichissimo
Noemme: e mi trouai ne 1' arca al secolo
Nel quäl Domenedio mandö il Diluuio.
Nun, meint Lucia, von der Arche:
Doueua molto pesar, se ritrouauasi
Dentro quella persona!
worauf Torquato erwidert:
Per miracolo
Non s' affogö.
Endlich gestattet er, dass das Mädchen komme. Er berät,
wie bei Plautus, auf welche Weise er Fulvia loswerden könnte
und versteht sich zu den gleichen Massregeln. — Tullia begrüsst
Truffa als den „architetto" des Ganzen (F 1139). —
Torquato berichtet nach dem Original, wie schwer sich
Fulvia entschliessen konnte, nach Genua zu reisen; aber er sprach
auch zu ihr, dass Demosthenes kein so schönes Exordium hätte
finden können. Dem Originale gegenüber ist die Szene weiter
ausgeführt. — Die beiden Mädchen Lucia und Tullia treten
auf; das einfache: „Era, eccum praesto militem" (F. 1216)
ist hier zu „vedete il pecoron, padrona Tullia" geworden. Fa-
bio, als Schiffsmann, sucht den Kapitän „Tarlato"; Fulvia
geht mit ihm, und der Capitano findet, wie Pyrgopolinices,
(F. 1375):
Io non conobbi mai si fedelissimo
Truffa, com' ho fatt' hora.
Noch begrüsst der Ragazzo (nach F. 1378) den „capitan
diuino e strenuo", den Auserlesenen des Mars und der Venus
(F. 1384), und ruft ihn ins Haus.
V. Akt. Biagio und der Koch Fusco schleifen den Capi-
tano Torquato herbei. Mit dem Originale (F. 1394 ff.) befiehlt
Biagio: „Castralo!" Torquato macht ein langes Testament.
Er hat die Wahl, zu sterben oder entmannt zu werden. In der
letzten Szene klärt Stramba den Capitano auf, viel weitläufiger
Ein lateinisches Gedicht Traso. 613
als bei Plantus, dass Fabio, der Scbiffsmaim und Fulvia seine
Geliebte war.
Ah ingrate femine,
Voi siete tutte pur niacchiate, o perfide,
D' una pece & inchiostro insino a 1' anima!
ruft Torquato aus.
Seine Rede an die Zuhörer endet das Stück, das, wenige
Erweiterungen, Lokalisierungen und Modernisierungen abgerechnet,
ganz Plautus ist, wenn auch in vielen Dingen freier
und lasziver.
Aus dem Jahre 1742 stammt die metrische Übersetzung
des Angelo Carmeli: „P. Lacermi Academici Patavini in Mili-
tem gloriosum Plauti commentarms & ejusdem fabulae inter-
pretatio italicis versibus coneinnata." (Venetiis apud Jo. Bapt. Ke-
curti1); eine andere, „H capitan bravo. Commedia di Phuito, tra-
dotta in versi sdruccioli" dal Sig. Auditor generale D. Orazio
Bianchi, führt gleichfalls Argelati2) an.
Im Jahre 1868 hat Herman Hagen „eine antike Komödie
in distichischer Nachbildung" veröffentlicht, ein Gedicht von drei-
hundert fünf und zwanzig Versen. 3) Schon der in dem Gedichte
handelnde Traso weist auf den Miles hin. H. Hagen ist der
Ansicht, „dass dem Verfasser des Gedichtes noch unmittelbar eine
Komödie vorlag (wohl von Plautus)", und dass man hinsichtlich
der Entstehungszeit des Gedichtes „kaum über die letzten Zeiten
der lateinischen Litteratur (viertes bis sechstes Jahrhundert) zu-
rückgeh en " dürfe . 4)
In einem Zusätze sieht Lucian Müller5) das Gedicht anders
an und hat wohl auch die richtige Anschauung. Er setzt das
Gedicht zwischen das Jahr 1000 und 1200, „Aveil alle übrigen
in distichischen Malsen abgefassten Komödien des Vitalis und
Gulielmus Blesensis, des Matthaeus Vindocinensis u. a. m.
dieser oder der nächstfolgenden Epoche anzuweisen sein dürften;
[dem Autor des Babio war der Amphitruo ersichtlich bekannt
und schreibt er es einem Franzosen zu, wie auch der Codex von
Frankreich stammt.] L. Müller ist aber auch der Meinung, dass
') Argelati. III. 235.
2) Ibid.
3) S. S. 711 — 729 des sieben und neunzigsten Bandes der „Jahr-
bücher für klassische Philologie", herausgegeben von Alfred
Fleckeisen. (Leipzig 1868.)
4) Ebenda, S. 728.
s) Ebenda, S. 729—735.
614 XII. Miles gloriosus.
Plautus nicht Grundlage des Gedichtes war.1) »Auf den Man-
gel eines antiken Originales weist auch der Umstand, dass die
Namen der Personen sämtlich dem Terenz entlehnt sind (denn
Philomena hat nichts mit des Plautus Philocomasinm zu
schaffen, sondern ist die Philumena der Hecyra), ausser der
Kupplerin Baucis, deren Name mit dem der bekanntesten Dame
eines im Mittelalter gleichfalls zerlesenen Schulbuches, der Ovi-
dischen Metamorphosen, identifiziert ist. " 2)
Die Personen sind Baucis, Glicerium, Traso, Davus,
Birria.
Baucis, die Kupplerin, schmückt Glicerium auf alle Weise.
Sie preist vor allem (F. 16), „primos concubitus uirgineumque
decus", freilich „tot spondet primos quot sibi dona ferunt" (V. 18).
Glicerium ändert ihren Namen, diesmal in Philumena. Baucis
hat es nun auf den Miles Traso abgesehen:
Traso, cui gloria potus,
Cui uenter deus est, cui Venus apta comes,
(V. 29) — ein echter Falstaff! Er zahlt auch, nach Glicerium
lüstern; Baucis aber entkommt ihm und lässt ihn unbefriedigt
stehen. Heftig schimpfend:
0 meretrix! monstri facies et imago Chimaerae!
(7. 93) zieht er ab.
Davus, Trasos Sklave, vermittelt mit Baucis, und nach
heftigem Streite, bei dem es zu Thatsächlichkeiten kömmt, ge-
stattet Baucis endlich,
ut ueuiat ad se Traso nocte sequenti.
(V. 183.) — Li der folgenden Nacht macht sich Traso mit
Davus zu seinem Liebesgange auf. Davus geht voran ("F. 209):
Ne te perturbet leuonum turba uidebo.
Praecedam solus, euacuabo domum.
') Dieselbe Meinung vertritt Lucian Müller von den hier bereits
behandelten Stücken: Aulularia (S. 124) und Amphitruo (S. 210).
(S. 733.) „Die Aulularia des Vitalis Blesensis ist nicht aus dem
gleichnamigen Drama jenes Dichters, sondern aus dem Querulus ge-
zogen; ebenso ist der Amphitruo so ganz verändert, bezüglich moder-
nisiert, dass ich an eine Benützung des plautinischen Originales für diese
unzähligemal von antiken, mittelalterlichen und modernen Skribenten
behandelte Erzählung nicht glauben kann. Dagegen spricht auch der
Umstand, dass die Sklavennamen Geta und Birria dem Terenz ent-
lehnt sind."
2) Ebenda, S. 734.
Ein lateinisches Gedicht Traso. 615
Dies alles hat Birria, „seruorum faex pessima uirque ma-
lignus" (7 215), belauscht. Er, ein „uetus hostis" (7 218) des
Davus, will nun dem Traso einen Streich spielen. Erst will er
ihn mit Steinen werfen; aber er findet die passenden nicht:
„Hie nimium leuis est; hie grauis immodice.
Quo feriam subito? si senserit hunc, niorietur:
Illo si i'eriam, non nociturus erit."
(7 232.) — Endlich findet er eine perfide Rache:
„Permingatur enim: sufficit iste pudor."
(7 240.) — Traso, der sich bis zur Rückkehr des ausgesandten
Davus in einen Graben gelegt hatte, fühlt die Nässe:
Extulit os antro, si pluat experiens.
Riuus aquae saliens os implet suspicientis.
Expuit hoc . . .
(7 242.) — Davus kömmt zurück:
Extractum uidet inguen adhuc Dauus remeando.
(V. 251.) — Sofort ruft er Traso zu (7 254):
Xuinquam per caeli numina miles eras.
Phi! perminxit te . . .
Er eilt Birria nach und prügelt ihn aus Leibeskräften.
Nun tritt man bei Glicerium ein. Da sie nicht sogleich
auf die Wünsche des Traso eingehen will, verliert er den Mut:
Traso spe uaeuus aninio simul euacuatur.
Dissimulans hominem: mortis imago sedet.
(7 279.) — Endlich erhält er bestimmte Hoffnung für den näch-
sten Tag.
Baucis laeta datis statuit sibi tempus et horam,
Ventura nocte uirginitate frui.
(7 304.) — Es gelingt ihr auch:
His ibi confectis facit ex meretrice puellam.
(7 321.) — So wird die folgende Nacht für den, wenn auch hin-
sichtlich Gliceriums um die „dos uirginitatis" getäuschten Traso
doch eine freudige, und das Gedicht schliefst:
Noxque sequens aderat. Eu Traso laelus adest.
Secum promissa gerit hie et daus ea Bauci
Glicerio fruitur atque potitus abit.
616 XII. Miles gloriosus.
Dass das Gedicht mit dem Miles gloriosus des Plau-
tus nichts zu thun hat, zeigt die flüchtige Inhaltsan-
gabe. Der terentianische Thraso gab den Namen, seine
Lüsternheit, ein Motiv.
Ebenso verhält es sich mit dem Miles gloriosus des Mat-
thaeus Vindocinensis trotz des gewählten Titels.
Von dem Franzosen Matthieu de Vendome stammt die
lateinische Bearbeitung der „Comoedia de Glorioso milite"1)
vom Ende des zwölften oder Anfang des dreizehnten Jahr-
hunderts. Die Szene ist nach Rom verlegt; der Miles hat nichts
von dem antiken Pyrgopoliniees;2) zunächst hat er mit Wei-
bern nichts zu schaffen.
Über diese Dichtung urteilt die „Histoire litteraire" :3)
..Mamtenant que l'on sait, quel est le plan de ce Miles glori-
osus, y cherchera-t-on la piece de Piaute? On ne l'y trouverait
pas; il n'en reste que le titre. Jamais titre ne fut plus trom-
peur. Ce n'est point lä une comedie ancienne; c'est im fabliau.
La suite de l'Avare et le nouvel Amphitryon, reduits, [comme
nous l'avons vu en parlant de Vital de Blois], aux proportions
etroites d'un recit dialogue qui continuait de s'appeler ,comcedia'
ne fönt point perdre tont a fait de vue la piece originale. Mais
ici presque tout a disparu. Le Militaire de Piaute, l'emule de
Mars, le petit-fils de Venus, ne cesse d'etre meprise et bafoue,
surtout des femmes. Le chevalier quoiqu'il se fasse payer ä beaux
deniers comptants et qu'il se cache un peu trop, est toujours
adore. Philocomasie, que le fanfaron emmene de force et qui se
trouve etre une citoyenne d'Athenes montre une reserve et une
pudeur qui ne promettaient pas ses perilleuses aventures: la dame
qui ne lui ressemble que par le nom de Civis que lui donne le
versificateur, s'abbaisse par sa conduite au dernier rang des es-
claves et des courtisanes. On voit qu'il n'y a point dans tout cela
de progres moral et que la comparaison suggeree par le titre est
peu favorable ä l'auteur chretien. Mais son attention ä conserver
ce titre, quand il a refait l'ouvrage peut-e.tre meme saus con-
naitre 1' original, prouve mieux que ne ferait une imitation
') Endlicher, Catalogus u. s. w., S. 146 u. 163. Als N,o. 303 u. 312
der Manuskriijte der Wiener Bibliothek. Im Jahre 1849 hat Edelestand
du Meril im „Appendice" (S. 285 — 297) zu seinen „Origines latines
du theätre moderne, publiees et annotees" (Paris), in 8°, den Text
zum erstenmale veröffentlicht.
2) Jahrbücher für klassische Philologie, herausgegeben von
A. Fleckeisen. 97. Bd., S. 733: „Der Miles gloriosus des Matthaeus
Vindocinensis hat mit dem Plautus nichts zu schaffen ausser dem
Titel, und selbst dieser kann sehr wohl aus des Terenz Prolog zum
Eunuchus ( V. 31) genommen sein."
3) Band XXJJ, S. 61. (Vgl. auch XV, 420.)
Baifs Le Brave. 617
plus fidele combien les moindres debris et jusqu'aux vagues Souve-
nirs de l'antiquite grecque et latine etaieut encore respectes. "
Der Übersetzung und Nachahmung' des Miles durch Bai'f1)
ist bereits (S. 65) Erwähnung geschehen.
Bai'f s Stück, „Le Brave," das am 28. Januar 1567 im
Hotel de Guise in Paris zum erstenmale aufgeführt wurde,2) ist
ziemlich frei nach dem Original gearbeitet.3) Es ist vorerst
der Versuch einer Lokalisierung gemacht. Pyrgopolinices ist
der Capitaine Taillebras, sein Parasit Artotrogus heisst
Gallepain, ecornifleur. Der heitere Greis Periplecomenus
hat den hezeichnenden Namen Bontams, Palästrio ist der
valet Einet, Sceledrus der valet Humevent, Lucrio der
laquais Raton, der Koch Curio der cuisinier Sabat, Pleusi-
cles ist zu Constant, Philocomasium zur Emee, Acrote-
leutium zur Fleurie, Milphidippa zur chambriere Paquette
geworden. Auch der puer des Periplecomenus hat einen Na-
men erhalten als laquais Sannom.
In ähnlicher Weise ist Bai'f mit der Örtlichkeit verfahren.
Athen ist Nantes, Ephesus Orleans geworden; die Eeise
nach Naiipaktus, welche hei Plautus unternommen Avird, er-
streckt sich hier nach Fontai neble au zu dem Könige von
Frankreich.
Baifs Bearbeitung ist selbst da, wo sich der Dichter enger
an das Original anschliesst, entsetzlich breit geworden. Einen
Beweis mag die erste Szene geben.
Taillebras. Goujats fourbissez ma rondelle
Qu'on me face qu'elle etincelle,
Eclatant plus grande clarte
Que n'est au plus beau jour d'Este
La clarte du soleil, je dy
Lorsque tout brule en plein midy:
Afinque s'il faut que l'on aille
Donuer l'assaut ou la bataille,
Venant aux maius, eile ebarlüe
L'ennemy frappe dans la vue.
0 toy rapiere que je porte
II faut que je te reconforte:
Ne te piain, ne te desespere
D'estre si long temps saus rien faire :
Si d'arracher tu as envie
A plus d'un ennemy la vie,
Fracassant bras, i'ambes et teste,
Force carnage je t'appreste,
Ou ne faudra fraper en vaiu.
Mais oü est icy Gallepain V
») Vgl. Chasles, S. 75 ff.
2) Vgl. dagegen Eiccoboni, Reflexions etc., S. 112. 113.
3) Vgl. die Werke Jean Antoine de Baifs von Dr. Heinrich
Nagel, S. 53—124 im 61. Band von Herrigs Archiv. 1879.
glg XII. Miles glöriosus.
Gallepain. Le voicy prea d'un personage
Grlorieux et de fier courage,
Hazardeux en toute entreprise.
Que la fortune favorise,
Honime eu tout digne d'estre Roy,
Si brave guerrier que (je croy);
Mars mesme le Dieu des combas
Avecque vous n'oseroit pas
S'aparager, non sans raison
N'y ayant point comparaison
De sa prouesse ä vos i'aidarnies,
Tant vous estes adroit aux armes.
laillebras. Mais aux approches d'Edintou
Qui fit la belle faction
A la saillie ou commandoit
Ce brave Millor, qui estoit
Pareut du duc Notomberlaud.
Diese sieben und dreissig Achtsilber sind aus fünfzehn Se-
naren des Plautus geworden.
Die kurze Abbitte des Sceledrus (F. 540):
Scel. Periplecomene, te opsecro
Per deos atque liomines perque stultitiam meam
Perque tua genua . . .
Peri. Quid [iamj ?
Scel. Meae [ut] iuscitiae
Et meae stultitiae iguoscas; nunc demum scio
Me fuisse excordem, caecum, incogitabilem :
Nam Philocomasium eccam intus
lautet bei Ba'if:
Humevent. Je vous supply, seigneur Bontams,
Au nom de Jesus et sa Mere,
Du sainct Esprit, de Dieu le Pere,
Et des Anges et des Arcanges,
Des saincts conus et des estranges,
Toute la Court celestielle,
Qu'a mon aide envers vous j'appelle
Je vous requier et vous coujure,
Je vous supplie et vous ajure.
Par vostre douce courtoisie
Par mon iudiscrete folie.
Bontams. Qui a-t-il?
Humevent. Qu'ä ma sotise,
A ma fadeze, ä ma bestise,
II vous plaise de faire grace.
J'ai bien connu ma folle audace
Tont maintenant, et je confesse
A la parfin ma grand' simplesse.
Je n'avoy sens, yeux, ny raison:
Car Emee est dans la maison.
An den Sebluss hat Bai'f einen Epilog selbst gedichtet, den
Raton (Lucrio) spricht, und den er mit diesen "Worten motiviert:
P. Corneilles Illusion Comique. 619
Messieurs, ce u'est point moquerie.
Un mot de Paton je vous prie:
Finet a joue le Prologue,
Paton va jouer l'Epilogue.
II vous a faict le Ions discours,
Je vous feray les miens plus cours:
Eaton plus petit que Finet
Ne vous tieudra qu'uu tandinet.
S^avons qui nra faict l'entreprendre ?
C'est pour eux qui voudroyent reprendre
La fin de nostre Comedie,
D'avoir une froide sortie,
D'autaut qu'ils ont veu Taillebras
Croizer tragiquement les bras.
Mais outre le droict apparant
Nous avons un tres-bon garant.
Qui s'est garenty de l'outrage
De deux mille ans et davantage
Nul entre les bons ne se trouve
Tant outrecuide, qu'il reprouve
L'euvre si long tams aprouve,
S'il n'a le sens bien reprouve.
Nagel1) urteilt über Bai'fs Lustspiel: „Trotz aller dieser
Freiheiten müssen wir gestehen, dass der Charakter des plauti-
nischen Stückes ziemlich treu gewahrt ist, wenn auch die Schil-
derung einzelner Persönlichkeiten und wirkungsvoller Ereignisse
an Bestimmtheit etwas eingebüsst hat."
Am bekanntesten unter den Franzosen ist der Miles des
grossen Pierre Corneille (geb. 1606; gest. 1. Sept. 1684) in
seinem Lustspiele „L'illusion comique"2) aus dem Jahre
16363) geworden. Die Figur des Kapitän Matamore allein4)
hielt das schwache Stück, ä) obwohl er dort nur ziemlich episo-
disch auftritt.
In der zweiten Szene des zweiten Aktes erscheint Mata-
more, „capitan gascon," zum erstenmal. Seine Bravaden sind
stark aufgetragen.
*) A. a. 0., S. 117.
2) Auf Seite 194 — 219 der „Oeuvres completes de P. Corneille,
suivies des ceuvres choisies de Th. Corneille. I. Tome." Paris (Firmin
Didot) 1837.
3) Noch aufgeführt am 6. Juni 1861 im Theätre frangais.
(H. Lucas, Hist. in, 382.)
4) A. a. 0. (S. 494): Le personnage de Matamore fit cependant le
succes de 1'Illusion comique et la conserva ineme assez longtemps au
theätre.
5) A. a. 0. (S. 3): L'illusion comique est une piece irrcguliere et
bizarre et qui n'excuse point par ses agrements sa bizarrene et son
irregularite". II y domine un pers Lage de capitan qui abbat d'un
souffle le grand sopbi de Perse et le grand Mogol et qui une fois dans sa
vie avait empeche le soleil de se lever ä son heure prescrite parce qu'on
ne trouvait point l'Aurore, qui etait couchee avec ce merveilleux brave.
620 XII. Miles gloriosus.
II est vrai que je reve et ue saurais resoudre
Lequel je clois des deux le premier mettre eu poudre,
Du grand sophi de Perse ou bieu du grand ruogor.
Clindor. Eh de gräce, monsieur, laissez les vivre encor.
Qu'ajouterait leur perte ä votre renommfe?
D'ailleurs, quand auriez-vous rassemble votre armee.
Matatn. Mon armee? Ah poltron! ah traitre! pour leur mort
Tu crois donc que ce bras ne soit pas assez fort?
Le seul bruit de mon nom reuverse les murailles,
Defait les escadrons et gagne les batailles.
Mou courage iuvaincu contre les empereurs
N'arme qu'ä la moitie de ses moindres fureurs.
D'un seul commandement que je fais aux trois Parques
Je depeuple l'Etat des plus heureux monarques.
La foudre est mon canon, les Destins nies soldats:
Je couche d'un revers mille ennemis ä bas.
D'un souffle je reduis leurs projets en fumee:
Et tu m'oses parier cependant d'une armee!
Tu n'auras plus l'honneur de voir un second Mars;
Je vais t'assassiner d'un seul de mes regards,
Veillaque . . .
Die Liebe allein vermag' ihn zu bezähmen:
toutefois je songe ä ma maitresse ;
Ce penser m'adoucit.
In ihm wohnt die Kraft der Bezauberung:
Quand je veux, j'epouvante, et quand je veux, je charme.
Et selon qu'il nie plait, je remplis tour ä tour
Les hommes de terreur et les femmes d'amour.
Seine Schönheit erwarb ihm die Herzen aller Weiber:
Du teinps que ma beaute m'etait inseparable
Leurs persecutions me rendaient miserable.
Je ne pouvais sortir sans les faire pämer;
Mille mouraient par jour ä force de m'aimer.
J'avais des rendez-vous de toutes les princesses:
Les reines ä l'envi mendiaient mes caresses.
Selbst die Göttinnen konnten ihm nicht -widerstehen :
Le Soleil fut un jour sans se pouvoir lever
Et ce visible dieu que taut de monde adore,
Pour marcher devant lui ne trouvait point d'Aurore.
Man suchte sie allenthalben; bis Mittag blieb es Nacht:
Au milieu de ma chambre ä m'offrir ses beautes:
Elle y perdit son temps, eile y perdit ses larmes;
Mon cceur fut insensible ä ses plus puissants charmes;
Et tout ce qu'elle obtint par son frivole amour
Fut un ordre precis d'aller rendre le jour.
P. Corneilles Illusion Coniique. 621
Er kann von sich selber rühmen:
„Tu vois im abrege de toutes les vertus."
Sobald er jedoch seinen Nebenbuhler um Isabelles Liebe,
Ad raste, erblickt, zieht er sich zurück, obwohl Clindor
ihn reizt.
Je ne saurais me faire effroyable ä demi,
Je türais ma maitresse avec mon ennemi
ist seine wohl erwogene Entschuldigung. Nicht minder prahlerisch
begegnet er seiner Geliebten:
Choississez en quels lieux il vous plait de regner.
Ce bras tout aussitot vous couquete im empire :
J'en jure par lui-meme ; et cela est tout dire.
Während er im zweiten Akte eine Botschaft von der Kö-
nigin von Island erhielt, ruft ihn im dritten Akte (3. Sz.) der
Grossvezier, ferner die Tartaren, Narsingue und Calicut. Ge-
rollte hält ihm vor, dass er mitten im Kriege zu Hause sitze
(III, 3), Matamore beruft sich auf die Liebe, die er für
Gerontes Tochter hege. Dabei hört er einige zweifelhafte
Worte, wie:
Bien que je ne sois de ceux qui vous haissent,
J'ai le sang im peu cliaud, et mes gens m'obeissent.
Diese letztere Drohung wirkt auf den Helden; er versteckt
sich, da er (III, 7) Leute herannahen hört:
— — Tout le corps nie frisonne.
Je les entends. Fuyons! Le vent faisait ce bruit,
Marckons sous la faveur des ombres de la nuit.
Ces diables de valets me mettent bien en peine.
De deux mille ans et plus, je ne tremblai si fort,
C'est trop me hasarder: s'ils sortent, je suis mort.
Car j'aime mieux mourir que leur donner bataille,
Et profaner mon bras contre cette Canaille.
Aus seinem Verstecke hört Matamore, wie Clindor seiner
Isa belle Liebesanträge macht und lässt ihm nun die Wahl der
Todesart. Clindor jedoch macht sich über ihn lustig und
sagt, er habe diese Nacht selbst schon zehn Menschen ums Leben
gebracht,
Et si vous me fächez, vous en croitrez le nombre.
Dies imponiert ihm gewaltig.
Cadedion! ce coquiu a marche dans mon ombre;
II s'est fait tout vaillant d'avoir suivi mes pas.
622 XII. Miles gloriosus.
Es wäre schade, die Welt um einen so tapfern Mann zu
bringen; deshalb verzeiht er ihm. Clindor indessen will ritter-
lich sein.
Faisons deux coups d'epee au nom de sa beaute!
schlägt er vor. Dies genügt, um Matamore zum Rückzuge zu
veranlassen. Er tritt ihm die Geliebte ab „pour prix de tes
Services".
Noch einmal tritt der Kapitän in der vierten Szene des
vierten Aktes auf. Er hat Lärm gebort und ist herbeigeeilt,
um Isabelle zu schützen. Diese braucht jedoch nur zu rufen:
,.Lyse, fais-moi sortir les valets de mon pere!", um den Kapi-
tän wegzubringen, der mit den Worten abtritt: „Un sot les
attendrait ! "
Damit scheidet er aus der Komödie überhaupt, iu deren
seltsamen Bau er allerdings einiges Leben gebracht hat, sodass
Corneille sagen konnte:1) „C'est un capitan qui soutient assez
son caractere de fanfaron j)our nie permettre de croire qü'on en
trouvera peu dans quelque langue que ce soit qui s'en acquittent
mieux. " 2)
Dies mag sich so verhalten. Immerhin aber sind seine Ro-
domontaden in das Stück selbst zu wenig verwoben; man ist zu
wenig davon überzeugt, dass Matamore selbst diese Meinung
von sich habe. Er lässt kalt, spricht zu lange und wird darum
langweilig, was weder Pyrgopolinices nocb Thraso und ihre
Epigonen je werden.
Eine französische Übersetzung des Miles gloriosus erschien
1639 zu Paris bei A. Courbe: „Le capitan ou le milles."
Ein Lustspiel: „Le Capitan Fanfaron" von Mareschal
führt Chappuzeau als Repertoirestück an.3) Es erschien im
Drucke im Jahre 1640 und bezeichnet sich ausdrücklich als dem
Plautus nachgeahmt,4) sowie es auch das vom 15. Februar
1639 datierte Privileg des Königs: „Le veritable Capitan
Matamore fanfaron ou Le Miles Gloriosus de Piaute,"
heisst.
Antoine Mareschal nennt dem „avertissement" zufolge
seinen Kapitän Matamore den echten (veritable), weil ein Jahr
') Examen de l'Illusion (a. a. 0.).
2) Man beachte die interessante Beurteilung dieses Capitano bei
Lotheissen. II, 174 ff.
3) Le theätre francois . . . par Georges Monval. (Paris 1875.) S. 81.
J) Le Veritable | Capitan | Matamore, | ov | Le Fanfaron. | Comedie |
Representee svr le | Theatre Royal du Maraiz. | Imitee de Piaute par
A. Mareschal. | A Paris, | Chez Tovssainct Qvinet , au Palais . daus la
petite Salle, sous la rnontee de la Cour des Aydes. | M. DC. XL. | Avec
privilege dv-Roy. (147 S.)
Mareschals Capitan. 623
zuvor ein anonymer erschien, von welchem Mare schal ver-
mutet, er hahe die Berühmtheit und den Erfolg seines Stückes
auf der Bühne1) dem semigen zu gute kommen lassen wollen.
Über sein Verhältnis zu Plautus und dem anderen Bearbeiter
sagt der Dichter: ,,1' auoue cjue ie tiens de Piaute ce suiet, mais
que ie Tay traitte diuersement & k ma mode; que l'autre Autheur
& moy auons puise tous deux dans vne mesme source, mais que
nous en auons fait des ruisseaux bien differents. Ie te laisse
iuger auec quelle liberte lesquelles de ces eaux sont les meilleures
a ton goüt, si le Theatre ancien de Piaute sec & decharne comme
l'autre Autheur l'a laisse, vaut mieux que l'embonpoint du nötre
& s'il n'est pas plus difneile & agreable aussi de donner la ieunesse
et les trais de la mode ä vn visage de 18 cents ans, que de le
peindre auec ses rides & ses cheueux gris. Nous auons tous
deux suiuy Piaute, mais l'vn seruilement & par des chaines qui
montrent encore la rouille du vieux teps: l'autre auecque la
liberte de notre siecle & si ie ne parlois pas de moy mesme, ie
dirois peut-estre auec quelques graees et beaute de notre Poesie:
Ie n'ay point introdxtit sur le Theatre vn Pjrgopolinices plus
badin que Fanfaron, mais i'ay täche de peindre au naturel ce
viuant Matamore du Theatre du Maraiz, cet Original sans copie,
& ce Personnage admirable qui rauit egalement & les Grands &
le Peuple, les doctes & les ignorans. 2) I'ay purge ma Scene au
possible des personnages infames & honteux; des vilennies les
plus crues i'en ay fait vn ieu d'esprit qui ne peut blosser ny les
yeux ny les oreilles; & i'ay si apparemet habille ce vieil Auteur
ä la moderne, qu'ä peine connoltroit-on Piaute dans vne piece
de Piaute. Ie n'ay point corrompu sa Scene, mais ie I'ay adoucie,
& approchee bien plus pres de nous; en vn mot ie Tay changee
en la notre. Au lieu d'Ephese pour le lieu i'ay pris Paris, le
suiet des rodomontades de notre histoire & de notre temps, afin
qu'elles fussent mieux entendues, plus sensibles & plus agreables:
I'ay obserue la liaison des Scenes, qui n'est point dans Piaute
mesme; i'ay reuetu son suiet de moyens & de raisons oü il sem-
bloit les auoir oubliees, i'ay colore de quelques apparences ce
qui paroissoit trop nud, & donne ä des craditez vne digestion
plus douce & plus f'acile."
') Es war bereits zwei Jahre auf der Bühur gespielt worden: ..qui
depuis deux ans a este tant de fois represeutee & i'ose bien dire auec
applaudissement sur le theatre royal du Maraiz." — Beauchamps,
Recherches. II, 164, führt einen anonymen Miles de Piaute an: „at-
tribuee ä un comedien, dediöe ä M. d'Emauville. Paris 1639."
2) Nach Fournel (Les Contemporains de Meliere), Band III,
(Histoire du theatre du Marais), S. XXXII, war dieser vorzügliche Dar-
steller des Matamore der Schauspieler Bellemore.
624 Xu. Miles gloriosus.
Mareschal hat keine geringe Meinung von seinem Ver-
dienste. Betrachten wir uns seine Arbeit näher!
I. Akt. (1.) Matamore, der Capitan Gascon, mit seinem
Begleiter, dem Filou Artotrogve, der Mann,
Inuiucible d'ailleurs, que les feux ni les fers,
Cent mille hömes armez, les Cieux ni les Enfers,
Ce que le Monde entier a de plus redoutable
Ne s§auroit empecher de paroitre indonitable,
nimmt Phylazies (Philocomasinm) Klage entgegen. Sie ist seine
Gefangene, im Stillen jedoch Placides (Pleusicles) Geliebte, und
weiss schlau seiner Liebesbeteuerung zu erwidern :
Mais ie suis trop indigne et trop infortunee
Pour pretendre ä l'honneur d'vn si noble hymenee,
Qui rend mille Beautez ialouses de mon nom.
Alle Fürstinnen aller Zonen bewerben sich um seine Hand;
die Königin von Schweden ist selbst gekommen:
Elle n'a point treuue autre Heros que vous.
Wie sollte sie seiner würdig sein?
(2.) Palestrion, der Diener Placides, der jedoch in
Scheindienste bei dem Capitan getreten ist, hat eine Spalte in
die Wand gemacht, durch welche Phylazie in das Nachbarhaus
des Perimene, eines Pariser Bürgers, gelangen kann, wo ihr
Geliebter Placide wohnt. Die Bühne stellt zwei Zimmer dar,
„diuisöes par vne tapisserie qui les separe. " Die folgende Szene
gehört, nachdem Phylazie abgetreten ist, der Schilderung des
Capitan. Phylazie ist nicht Kriegsbeute, wie er vorgiebt,
sondern entführt.
„Vous l'appellez butin, nous l'auons enleuee,
sagt ihm Artotrogve, zugleich mit der Drohung:
Si Ton poursuit ce rapt, que vous serez pendu."
Es folgen im Weiteren die Heldenthaten Matamores, die
Artotrogve meist der Wahrheit entsprechend hinstellt. Sehr
weniges stimmt zu Plautus, wie etwa die Aufforderung an
Palestrion (3.):
Que mes armes, Coquin, soient encor plus luisantes,
Je veux que leur eclat brillant & sans pareil
Fasse blt^mir l'Aurore, & pälir le Soleil.
(4.) Im andern Gemach hat Phylazie bei Perimene
ihren Geliebten gefunden. Sie war in Brüssel geraubt worden,
Mareschals Capitan. 625
dach hatte Placide erfahren, dass sie nach Paris gebracht wurde.
Er sandte seinen treuen Palestrion dorthin, und dieser entdeckte
sie am Fenster:
II vous voit, il ni'ecrit, & i'arriue en ces lieux;
Oü pour faciliter notre entreprise encore
j'appris des rnon abord qu'il seruoit Matamore.
Palestrion, der die Sache eingeleitet hat, verspricht, sie
auch zu Ende zu führen. Jetzt aber soll Philazie in die Woh-
nung des Kapitäns zurückkehren; um ihr dies leichter zu machen,
hat Palestrion den Affen ausgelassen.
II. Akt. (1.) Per im en e (= Periplecomenus) zürnt heftig
über die Dienerschaft des Kapitäns, die sich beikommen Hess,
auf sein Dach zu steigen, wobei einer (Sceledre) Placide
Phylazie küssen sah. Perimene bemüht sich, Placide zu
trösten. (2.) Dieser berichtet dem auftretenden Palestrion den
Vorfall; Palestrion weiss aber sofort Eat:
Je feindray que la soeur de nötre Damoiselle,
Qui luy ressemble en tont, en vn mot sa iuinelle,
Pour retreuuer sa soeur, dont eile est en soucy,
Avecque son Amant est arriuee icy.
Qu'elle est chez vous logee.
(3.) Palestrion sucht Sceledre, der ihm entsetzt berichtet,
was er gesehen hat, einige Zeit. Sceledre hat die Schlüssel
zu Phylazies Zimmer. Palestrion sucht ihn nun zu verwirren.
(4.) Phylazie spricht von ihrer eben angekommenen Zwillings-
schwester (Isabelle) und erscheint (5.) alsdann in der Maske
derselben, indem sie thut, als sei Palestrion und Sceledre ihr
unbekannt. Sceledre kann es übrigens nicht glauben; er fasst
Phylazie gewaltsam, doch entkömmt sie ihm.
III. Akt. (1.) Sceledre hat Phylazie richtig zu Hause ge-
funden:
Phylazie est cliez nous; apres cette merueille
Je doute si ie dors, ie doute si ie veille.
Je l'ay veue en sa chambre, eile est dans la maison.
Er ist froh, dem Kapitän seinen Verdacht nicht gemeldet zu
haben; da kömmt (2.) Perimene, „tont furieux," mit Placide.
Der letztere macht Sceledre gewaltig aus, und nur die grosse
Ähnlichkeit der Schwestern spricht zu seiner Entschuldigung. (3.)
Perimene belehrt ihn des weiteren. Sceledre eilt in seine
Wohnung, und da er dort Phylazie traf, kann er nur demütig
Abbitte leisten (4.):
Perimene, ä genoux
J'accuse mon erreur; Phylazie est chez nous.
40
626 XII. Miles gloriosus.
Nach einer Lehre, die er von Perimene erhält, geht er in
den Keller, wo er sich soweit betrinkt, um den Liehenden, wie
wir alsbald hören, nicht mehr nachteilig zu sein. (6.) Palestrion
schmiedet nun, wie hei Plautus, seine weiteren Pläne, wobei
ihm Perimene behülflich sein soll. Dieser erweist sich, wie im
Originale, als einen Lebemann. Noch will er (wie Pcripleco-
menus) kein Greis sein:
Vieillard? ä votre auis semble-ie si passe?
J'ay de la vie encore, & ne suis point casse;
On ne treuuera sur mon front vne ride;
A cinquante ans ie fay ce qu'ä trente vn Aleide,
Je ry, ie voy, ie marche, & fay ce que ie veux.
Gerne giebt er den Diamantring, den Palestrion fordert,
um den Kapitän zu betrügen, und auch seine Nichte Artelese
(„eile n'ayme qu'ä rire") und ihre Dienerin Phydippe leiht er
gerne zu dem heiteren Streich. Die Intrigue ist wie bei Plautus.
Der Kapitän wird in die Falle gehen; denn
II le pense du moins, & que tel auiourd'huy
Tout le sexe le court, & meurt d'amour pour luy.
Philazie (6.) und Artelese mit Phydippe (7.) werden noch in
ihre Aufgabe eingeweiht.
IV. Akt. (1.) Palestrion bereitet Matamore auf die
neue Liebe vor, nachdem er ziemlich lange von seinen Helden-
thaten gehört und durch Zustimmung seinen Stolz genährt hat.
Er schildert ihm die in Liebe entbrannte Frau als Gattin eines
Alten, und da er Phydippe schon so reizend sieht:
Quel sera le Soleil, si teile est son Aurore?
(2.) Phydippe spielt die Rolle der plautinischen Milphi-
dippa. Zwar meint der Kapitän von den Damen: ,.Leurs im-
portunitez me banniront de France," doch aber giebt er Hoffnung..
Sein Plan ist nur mehr, Phylazie los zu werden.
Während Palestrion (3.) seine Leute weiter unterrichtet,
hat Matamore Phylazie entlassen und ihr Palestrion geschenkt.
Pal. Quoy? vous m'auez donne?
Mat. Toy mesme, saus nientir;
Ses priores m'ont mis au point d'y consentir. .
Pal. Puis-ie quitter mon maitre; vn si grand Capitaine?
Mat. Ma parole est en gage.
Pal. Ah! fortune incertaiiie!
0 mal-heur! quelle jierte ay-ie faite auiourd'huy?
Mat. Cette plainte nie touche; il en mourra efennuy,
was ganz das Original vor Augen führt.
Mareschals Capitan. 627
(4.) Artelese mit Phydippa tritt auf. Artelese zittert.
Matamore findet das ganz begreiflich. „Mille soldats armez
deuant rnoy fönt le mesme!" („Viri quoque armati idem istuc
faciunt, " V. 1273). Zwar ist ihm ihr Haus etwas bedenklich;
dennoch folgt er ihr.
Mais auant que d'entrer mettons l'autre deliors.
V. Akt. (1.) Placide hat sich nach Palestrions Angabe
(IV, 3) als Kommissär gekleidet. (2.) Mit heissen Thränen
nimmt Phylazie Abschied von Matamore. Placide verlangt
als Polizeiorgan die in Maastricht entführte Jungfrau, die Mata-
more gerne abtritt; aber mit Artelese ergeht es ihm schlecht.
(3.) Perimene giebt sich als ihren Gatten aus, und seine Diener
schleppen unter Prügeln Matamore herbei. Nur eine Ver-
sicherung soll ihn vor dem gewissen Tode retten: „D'oublier le
passe, de n'y songer iamais ... de ne te ressentir sur aucun de
i'iniure," ganz wie bei Plautus. Gerne willigt Matamore ein.
Die letzte (4.) Szene vereinigt alle Mitspielenden auf der Bühne.
Auch der betrunkene Sceledre tritt nochmal auf mit seinen
Zweifeln über Isabelle und Phylazie. Matamore, allen
Schmähungen preisgegeben, bleibt allein auf der Bühne. Da er
sich frei sieht und von allen verlassen und keine Gefahr mehr
zu befürchten hat, da erwacht in ihm wieder der Kapitän. Der
Schluss ist nicht ohne Geschick gemacht.
Med. Le champ m'est demeure; ie suis victorieux;
Quels lauriers ne sont dus ä mon front glorieux?
L'ennemy qui s'enfuit m'abandonne la place.
Sceledre. Laisse battu, tout nu, voilä comme il les chasse:
0 la rare valeur!
Mat. Suiuez moy don, Soldats;
Retirons nous en troupe, allons auepetit pas.
Mareschals Miles gloriosus bietet nach zwei Seiten hin
Interesse. Einmal ist in seinem Stücke die plautinische Fabel
durchgeführt und verhältnismässig sehr wenig moderni-
siert. Es giebt aber nicht sehr viele Kapitänstücke, welche
den Miles vollständig nachahmen; meist wird nur seine Per-
sönlichkeit mit den üblichen Charakterzügen verwendet, nicht
die ganze plautinische Komödie. Andrerseits ist der Ka-
pitän hier ein Gascogner geworden, also ein Franzose, was,
so nahe es bei dem Charakter dieses Volksstammes lag, nur sehr
selten vorkommt. Der Kapitän blieb, wie Fournel1) treffend
') Les Contemporains de Moliere (111,29): „Le Mata <■ bien qu'il
reparaisse si frequemment sur notre vieux theätre, ne 'est pourtant
40*
t,-js XII. Miles gloriosus.
anführt, der französischen Nationalität fremd. Wir treffen ihn fast
nur als Italiener oder Spanier.
A. Mare schal selbst hatte schon vor ein Paar Jahren in
seinem Lustspiele „Le Railleur",1) das dem Kardinal Riche-
lieu gewidmet ist, die Figur des Tai 11 eh ras capitan auf
die Bühne gebracht; dort aber ausdrücklich als Spanier.'2)
L'Hespagne m'a noury moins de laict que d'orgueil,
L'honneur de mon berceau m'affranchit du cercueil.
(I, 3.) — Iu diesem Stücke erscheint Taillebras in der üblichen
Form, als Liebhaber Clyties, in welche auch der Dichter de
Lyzante verliebt ist. Sein Name ist berühmt:
Ce nom de Taillebras dans tont le monde eclatte;
II n'est point de pais, qui luy soit etranger
(I, 3); er selbst ist ohne Gleichen.
II parle de pareils, & moy ie n'en ay point.
Er allein hat Anspruch auf Ehre (II, 3):
Dans mon coeur, conime vn lieu de plus digne loüange:
C'est oti l'Honneur reside en vn tröne eleue
Oü le Sultan feroit glpire d'estre graue u. s. w.
Wo er beleidigt wird, kann nur ..die Erbärmlichkeit des Be-
leidigers" seine Rache verhindern:
Que diront tant de Preux de qui ie suis P Aleide?
Qui respeetent ce bras qui fut leur homieide?
Ne se plaindront-ils point de ce qu'vn lache sang
Dehonore ma main, & fait honte ä leur rang?
Non non, ie ne luy puis aecorder cette gloire.
(II, 4.) — Als er wirklich den Zweikampf wagen soll, entflieht
er (III, 7). Er zittert an allen Gliedern, da er seinen Gegner
jamais entierement naturalise chez nous, et quoique nous eussions le
Gascon qui semblait im moule ä souhait pour recevoir ce type, ou en
faisait habituellement un etranger, surtout im Italien ou im Espagnol/'
') Le | Raillevr | ov la Satyre | du Temps. | Comedie. | A Paris | Chez
Toussainct Qvinet u. s. w. M. DC. XXXVHI. (132 S.)
2) So auch im Avertissement: Pour n'irriter aueun de nos Fan-
farons, qui se fussent imaginez qu'on eust du lire leur nom dessous le
Tableau du Capitan, ie l'ay fait Espagnol originaire combien que sa
vanite soit Franchise autant que son langage. — Auch in dieser Komödie
kann Mareschal nicht umhin, seine Arbeit mit plautinischen Stücken
in Vergleich zu bringen: J'ay pense qu'vne Courtizanne plus adroite que
vilaine, & vn Filou son protecteur, valloient mieux. qu'vn Parasite &
qu'vne effrontee dedans Piaute, & chez les Italiens.
Cailhavas Tuteur dupe. 629
Beaurocher wiedersieht (IV, 5). Selbstverständlich bleibt er ohne
Einfluss auf die Geliebte. *)
Anf dem Miles gloriosus des Plantns, zum mindesten
auf Episoden desselben, beruht das Lustspiel von Cailhava,
,.Le tuteur dupe, comedie en prose et en cinq actes,
representee pour la premiere f'ois sur le theätre de la Nation le
30 septembre 1765." 2)
Lassen wir über das Verhältnis des Lustspiels zu seiner Quelle
den Verfasser des Stückes selbst sprechen:3)
„C'est sous leurs yeux que je vais remettre des larcins faits
ä l'Antiquite; ils decideront, si je suis un Copiste, un Plagiaire,
ou un Imitateur.
„Dans le Soldat Fanfaren de Piaute, le Heros a une
concubine, nommee Philocomasie; un rival favorise la voit tres-
souvent, au moyen d'une porte secrette qui donne de l'apparte-
ment de la Belle dans une maison voisine. Sceledre, esclave du
Soldat, cherche un singe sur les toits; il apercoit la Maitresse
de son Patron, en tete-ä-tete amoiu-eux dans le jardin du voisin:
il court le dire ä Palestrion, son compagnon, & le confident des
deux Amants. Palestrion comptant sur la fausse-porte, avertit
Philocomasie, la fait sortir alternativement par la maison du Sol-
dat, & par celle de son voisin; & persuade ä Sceledre qu'il a pris
la soeur jumelle de Philocomasie pour elle-meme.
,.11 nie seroit difficile d'exprimer l'enthousiasme que cette
partie d'intrigue m'inspira, l'etonnement oü je fus qu'aucun de
mes predecesseurs ne s'en tut empare, & le desir brillant que je
sentis de la marier ä un sujet Francois. Une ressemblance qui,
pour faire illusion n'avoit besoin ni du masque des Anciens, ni
de la complaisance outree des Spectateurs, une teile ressemblance,
dis-je, nie parut une source inepuisable de comique; mais je sentis
bientöt que la Piece latine, en m'indiquant des beautes, offroit uue
inünite de defauts qu'il falloit eviter de transporter sur la Scene
Francoise.
„Chez Piaute, la fausse-porte & la ressemblance des deux
soeurs ne sont aunoncees qu'au second Acte & sans art; j'ai lache*
de fixer des les premieres Scenes de ma Piece, l'attention du
Public sur les deux objets, surtout sur la fausse-porte, dont la
dccouverte y est presque mise en action, puisque Fintrigant Merlin.
qui a senti le mur creux, qui se Hatte d'y trouver un tresor, revient,
en sanglotant, dire qu'il n'v a d^couvert qu'une porte secrette, ä l'aide
') Vgl. auch Lotheissen. II, 174. Aum.
2) Auf Seite 197—324 des ersten Bandes des „Theätre de M. Cail-
hava". Paris 1781."
3) A. a. 0.. S. 200, nach der „Preface de l'edition de 1778".
630 XU. Milcs gloriosus.
de laquelle les Amants pourront se voir & se parier sans craindre
les jaloux
..Dans le Poete Latin, la ressemblance et la fausse-porte
n'animent que deux on trois Scenes inutiles. J'ai retourne mon
sujet, & je nie suis replie de facon ä les rendre la base de la
machine entiere. Cliez mon Mattre, elles ne servent qn'ä tromper
un miserable esclave, Actenr tres subalterne: dans ma Comedie,
elles servent ä duper le Heros de la Piece. Ennn, dans le Poeme
ancien, les Scenes de Philocomasie & de sa pretendue soeur, ont
la meine couleur: j'ai imagine qu'en pretant ä nies denx jumelles
une facon de parier <fc de se mettre, tine liunieur, un caractere
tout-a-fait opposes, je menagerois un jeu varie ä FActrice, des
Scenes nioiiis monotones au Public, & surtout que la vraisemblance
seroit moins blessee.
Jamais aux Spectateurs n'offrez rien d'incroyable.
Le vrai peut quelquefois n'etre pas vraisemblable.
„Ces changements une fois prepares & fondus dans ma teter
je confiai, sans hesiter, a un Valet tous les fils de Fintrigue; je
lui laissai le soin d'en combiner les effets, & de manier, ä son
gre, des ressorts qui ne sont comiques & decents que dans le
mains des Domestiques, quoi qu'en ait pu dire ou le pretendu
bon ton, ou l'impuissance de les faire agir & parier avec grace.
J'eus enfin la double ambition de donner ä mon Merlin la tour-
nure dun intrigant ä l'antique & de ne pas lui laisser les defauts
qui ternissent la gloire des fourbes d'Athenes & de Rome. Je
nie bornerai ä citer quelques exemples, & je les prendrai tous
cliez Piaute; quoique Terence soit quelque fois aussi indecent,
temoin rEunuque
„Je cliercliai dans mon eher Piaute, si peu connu des Auteurs
qui le dedaignent, un pretexte pour intriguer une Piece dans
Fanden genre. Je trouvai dans le Soldat fanfaron deux scenes
echappees a mes predecesseurs: j'en tirai le Tuteur dupe en cinq
Actes; & pour voir si j'etois reellement appele ä faire des come-
dies j'ecrivis mon nouvel Ouvrage en prose: je n'y mis rien de
ce qui fait la plus grande fortune aujourd'bui ; j'eus le courage
d'en exclure les sentences, les scenes puremeut amoureuses, le
ton et les airs de grandeur, le persifflage, les jeux de mots &
sourtout les situations larmoyantes. •'
Diese langatmigen und selbstbewussten Worte reclitfertigen,
dass Cailliavas Komödie hier behandelt wird, obwohl sie von
Plautus direkt äusserst wenig hat und Cailhava aus
dem Miles nicht mehr entnahm, als der Italiener Cecchi
in seinem ..II Corredo" — das Mauerloch, das hier Alessandro
Cailhavas Tuteur dupe. 631
und Beatrice Gelegenheit zur Zusammenkunft gieht, *) ein Ge-
danke, auf den ein komischer Dichter wohl unabhängig von
Plautus kommen konnte.2) Doch Cailhava stützt sich ja selbst
auf den römischen Dichter.
Der Betrogene ist in Cailhavas Stück der Vormund Emi-
lies. Emilie spielt die Rolle der Philocomasium; ihr steht
Richards Kammerdiener, Merlin, und ihre Kammerzofe, Mar ton,
zur Seite, um sie vor den Bewerbungen ihres Vormunds Richard
zu schützen und mit ihrem Geliebten Damis zu vereinigen.
Merlin, der als valet für Geldspenden sehr empfänglich ist,
verrät seinen verliebten Herrn, wie Palästrio den Miles; dieser
hat an dem Gärtner Gregoire, einer Art Sceledrus, seine
Stütze. Merlin entdeckt die geheime Thüre, welche beide Häu-
ser verbindet: allein dieser Fund hat ihm wenig Freude gemacht.
..Mille circonstances m'ont fait croire qu'un des murs de la chambre
de Mademoiselle recelait un Tresor; je m'etais livre d'avance au
dottx plaisir d'en prendre possession. Je viens de lever la ta-
pisserie. Je travaillois avec un soin, une ardeur intätigable.
Helas, et mille fois helas Au lieu de ce eher, de ce pre-
eieux tresor j'ai trouve une porte pratiquee avec beaueoup d'art,
qui donne dans la maison et dans l'appartement de Madame Ar-
gant.« (S. 226).
Zufällig also rindet Merlin, was Palästrio selber thut,
(7. 142):
In eo conclaui ego perfodiui parietem,
Qua conmeatas clam esset hinc huc mulieri.
So viel von der Mauer. — Gregoire macht Richard
davon die Entdeckung, wie Sceledrus es dem Miles mitteilen
wollte: „Eh bian! Jons vu darriere les vitres de Madame Ar-
gante, deux philosomies qui se parliont de tres-pres: l'une appar-
tient ä un jeune homme, l'autre ä Mamneselle Emilie."
Nach 7. 173:
De tegulis
Modo nescio quis inspeetauit uostrum familiarium
Per uostrum iupluuium intus aput nos Philocomasium atcrue hospitem
Ausculantis.
Des alten Periplecomenus Rolle, der darum weiss (7 144:
„Et sene sciente hoc feci) und die Sache begünstigt, spielt hier
Emilies Tante, Madame Ar gante. — Zur Lösung erscheint
') Klein. P7, 666. — „II Corredo" erschien 1585 in Venetia, presso
Bernardo Giunti, in 8°. (Allacci, S. 88.)
2) Allerdings hat Cecchi auch den üblichen Capitano, hier als
Kapitän Ercole mit. seinem Parasiten Pecchia. mit in ilie Geschichte
verflochten und zum Bruder der gefreiten Beatrice gemacht.
(532 Xu. Miles gloriosus.
Em i lies Schwester: ..Einilie a reellement une soeur qui lui res-
semble tout-ä-fait" (S. 248). Und so endet das plautinische
(F. 152):
Atquo eadem erit. uerum alia esse adsimulabitur
das Stück, indem der Notar die Personen verwechselt und Emilie
mit Damis, und Mad. Argante mit Richard vereinigt. Emilie
erklärt schliesslich (S. 321): „Hortense n'est point sortie de son
Couvent. J'ai Jone, alternativenient denx röles; je repreuds mon
vrai caractere pour vons prier de pardonner nne snpercherie, a
laquelle vons m'avez contrainte. " Alles ist zufrieden mit Aus-
nahme Richards, der versichert: ..Je ferai du moins . . . murer
cette maudite porte qui fait mon malheur. "
Eine ziemlich freie Bearbeitung' des Miles, besonders
an den Thraso des Terenz anschliessend,1) ist Ludvig Hol-
bergs Lustspiel: ..Jacob von Tyboe, eller den stortalende
Soldat."2)
Von demselben schreibt Prutz:3) ..Eine andere damals sehr
verbreitete Thorheit, nämlich die hohle Renommisterei des Pol-
trons, die Eisenfresserei des Bramarbas, wird im , Jacob von
Tyboe', sowie im , Dietrich Menschenschreck' gegeisselt. Bei
dem ersteren Stücke hat Holberg, wie er selbst zugesteht, haupt-
sächlich den Miles gloriosus des Plautus benützt; aber auch dem
Eunuch des Terenz ist er viel schuldig geworden. Dass er
Gryphius' ,Horribilicribrifax' gekannt und benutzt, ist uns
nicht wahrscheinlich. Dagegen hat er einzelne Szenen und Wen-
dungen (z. B. die höchst wirksame Szene mit dem Poeten) den
jPromenades a Paris' im Theätre italien entlehnt, während
er zu anderen die Veranlassung aus B i der mann s4) ,Utopia',
Buch VI, Kap. 135 und 136, entnommen. Das Stück wurde
mehrfach ins Deutsche übertragen und ist auch unter dem Titel
, Bramarbas oder der grosssprecherische Offizier' in den
dritten Band der Gottschedschen , Schaubühne' aufgenom-
men.5) Dennoch scheint es auf dem dänischen Theater anfangs
*) Ussing. IV, 223. Ad Thrasonem Terentii proprius accedimt
Petrus Aretinus in La Talanta et Holbergius nostras in Jacob
von Tyboe.
2) Auf Seite 5 — 111 des dritten Bandes von Ludvig Holbergs
Comedier. Kjöbenhavn 1847.
3) Ludwig Holberg, sein Leben und seine Schriften, S. 189.
4) Geb. 1578. Professor der Theologie (Jesuit) in Dillingen; nach-
her in Rom, wo er 1639 starb.
5) Die Übersetzung (1741) ist von Detharding. (Gottsched,
Noth. Yorr. I, 313.)
L. Holbergs Jacob von Tyboe. 633
nur wenig Glück gemacht zu haben; wenigstens kam es von
1748 bis 17(39 nur achtmal zur Aufführung. " J)
I. Akt. (1.) Jesper Oldf'ux, der Parasit (Snyltegiesten),
führt in die Situation ein. Linker Hand wohnt ein vornehmes, aber
armes Fräulein, Lucilia, um welches drei Freier sich bewerben:
..Jacob von Tyboe, en karl der udi mine tanker har en skrue
lös i hovedet. Han siger sig at have väret i tieneste udenlands,
hvorvel han har kunnet viise noget Pas eller afskeed. Andre
officerer her i byen holde gode miner med ham, og titulere ham
nu Hr. Captain, im Hr. Major, nu Hr. Oberst, ligesom hau
tracterer meer eller mindre til. Naar han taler om sine bedrifter,
lader de som de hörer det an med fbrundring. Naar ham skeer
nogen tort, läge de ham i forsvar. Naar han behöver soldater,
laaner de ham gierne, og retter dem af, hvordan de skal om-
gaaes ham med respect og ydmygdhed. Summa summarum:
han er divertissement for den hele guarnison. " Der andere Be-
werber ist Styge Stygesen, seit er von der hohen Schale zu
Rostock zurückgekehrt ist, Magister Stygotius2) genannt. Er
ist als Gelehrter, was Tyboe als Offizier vorstellt. Der
dritte endlich ist Leonardo, ein armer, aber tüchtiger junger
Mann, der Aussicht auf eine reiche Erbschaft hat. Das allmäch-
tige Kammermädchen begünstigt die ersten beiden; Lucilia selbst
hat sich für den letzten entschieden. (2.) Nach kurzem Gespräche
Jespers mit Leonardo (3.) tritt Peer auf, Tj^boes Diener.3)
Sein Herr hat ihm zwei Thaler mitgegeben, um bei einem Dich-
ter Verse auf Lucilia zu bestellen. Da kömmt (4.) Jens, Sty-
gotius' Diener, mit dem er ein launiges Gespräch unterhält.
Warum heisst Tyboe VON? Kriegsleute setzen Von vor ihre
Namen, Gelehrte Us an dieselben. (5.) Auch Leonardo wird
um Verse angegangen; aber um französische: „ tili han inbilder
alle folk at han forstaaer perfect Fransk . . . all bans tale gaaer
ud paa, at alle fruentimmer ere forliebt i bans skiönhed (PL, V.
58), og at han hverken dag eller nat kand have roe for
') Vergleiche eine genaue Würdigung Holbergs bei Lorenz,
S. 258—262.
2) Prutz, Holberg, S. 190: „Bemerkt mag noch werden. <l;iss der
pedantische Magister, der bei Holberg in der ältesten Ausgabe (1725)
Tychonius, späterhin aber, da Christen Larsen Tychonius, früher
Stiftsiiropst iu Wiborg, seit 1726 als Privatgelehrter in Kopenhagen
lebend, dagegen Einspruch erhob, Stychotius heisst, in der Dethar-
dini>schen Verdeutschung bei Gottsched Magister Stifelius genannt
wird: eine Anspielung ohne Zweifel auf jenen ehiliastisehen Träumer.
den Holberg einst während seines Aufenthaltes in Leipzig kennen ge-
lernt, und der sich durch seine närrischen Streiche hinlänglich bekannt
gemacht hatte. Jener Christen Larsen Tychonius dagegen ist der-
selbe, gegen den Holberg seine „Jütische Fehde- richtete."
3) Eine der Rollen Schröders ia. a. 0., S. 224).
634 XII. Milcs gloriosus.
dem." (6.) Der pedantische Stygotius, mit seinen lateinischen
Sprüchen, will zwar selber die Verse nicht machen, aber sein
Freund Petronius (7.) lässt sich dazu herbei, und (8.) Peer macht
noch Profit dabei.
II. Akt. (1.) Tyboe mit seinem Parasiten Jesper Old-
t'ux tritt auf. Sie sprechen voii Tyboes Heldenthaten. Jesper
versichert, dass die Stelle, wo er die letzte Schlacht schlug, jetzt
Tyboes Kirke Gaard (Tyboes Friedhof) heisse, von den
vielen Toten, die er hingemordet habe. Mit eigener Hand hat
er über sechshundert erschlagen. „Ach!" meint der Parasit,
„Herren maatte nok satte et 0 til. " „;,Das sollen andere thun!
Jeg haver, mafoi, aldrig spurdt efter Tallet. Det kom Jacob
von Tyboe i de Tiider ikke an paa et hundrede meer eller min-
dre."" (2.) Peer überbringt die bestellten Verse. In langer
Szene erfahren wir von Tyboes Vorzügen. Auch er kann Ge-
dichte machen; den Beweis liefert ein Liebeslied an Lucilia:
Lucilia rain smukke Dukke,
Mit lijertes fryd, trompet og lierpukke,
Din Deyligked giort haver mig til Coujon
Og indtaget med Storm mit hjertes bastion
u. s. w. — Er ist ein vorzüglicher Tänzer, obwohl er nie tanzen
gelernt hat; „det er puur Naturalier, " und er beweist dies, indem
er mit Jesper ein Menuett zum besten giebt. Er ist ein kunst-
voller Fechter, Jesper muss dies an sich versuchen lassen; er
hat die schönste Taille, und, was wunderbar ist an ihm, ,,at med
alle disse qvaliteter er dog ikke den herre, der berömmer mig
selv af noget, og med all min tapperhed er jeg heller from en
streng i mit huus. " — Mit den Versen schickt er denn seinen
deutschen Bedienten an Lucilia.
III. Akt. (1.) Leonora, Lucilias Mutter, und Pernille
sprechen von Lucilias Verlobung. Der Kapitän mit seinem
roten Federbusch gefiele ihnen am besten. (2.) Pernilles Mah-
nung an die auftretende Lucilia, dem Schnüren, Schminken und
allen kosmetischen Mitteln zu entsagen, erinnert stark an Sca-
phas Worte an Philematium in der Mostellaria (F. 261 ff.)
(3.) Leonora drängt ihrer Tochter die Wahl zwischen Stygo-
tius und Von Tyboe auf; Lucilia will aber nur von Leonardo
wissen. (4.) Stygotius tritt auf mit lauter lateinischen Zitaten;
zu ihnen gesellt sich (5.) Tyboe mit seinem deutschen Diener
Christ off, wobei die zwei Bewerber an einander geraten und in
ziemlich ähnlicher Weise prahlen.
/'////. Alle folk veed at tale om mig udi Holland og Braband.
Styg. Alle Literati viide at tale om mig udi Rostok, Helmstad og
Witemberg.
Tyb. Jeg har nedlagt de sterkeste lieldte med min liaand.
Styg. Og jeg har slaget de sterkeste Opponentes med min mund,
L. Holbergs Jacob von Tyboe. 635
u. s. f. — ■ Leonora will demjenigen ihre Tochter überlassen, der
ihr Herz sich erringen kann. (7.) Pernille macht beiden Be-
werbern vor, dass sie ihre Sache vertreten -wolle, worauf (8.)
Peer die von Tyboe bestellten Verse überreicht.
IV. Akt. (1.) Jesper hat sich, nach der Art der Para-
siten, auf Leonardos Seite geschlagen, (2.) beruhigt aber
Tvboe, er wolle den Gegner nur ausspionieren. (3.) Jesper
greift nun zu einer List. Er befiehlt Christ off, sowie er den
Diener des Magisters erblickt, sich betrunken zu stellen und seinen
Beutel, der mit Kupfermünzen angefüllt ist, fallen zu lassen. Wie
Jesper erfuhr, hat der Magister Pernille eine Geldbörse ver-
sprochen; sein Diener wird glauben, dass jene des Soldaten
reicher sei, dieselbe zu sich nehmen und, wenn er sie an Per-
nille abliefert, mit den Scheidemünzen den Kredit seines Herrn
schwer schädigen. (4.) Stygotius erfährt durch Jesper, da er
eben seinen Diener mit Geld zu Pernille schickt, dass Tyboes
Diener bereits vorangegangen, doch leicht noch einzuholen sei,
da er völlig betrunken sei. Jens soll ihn ins Wirtshaus locken
und dort den Beutel austauschen. Dies geschieht (5., 6.) nach
Verabredung, und Jens geht mit dem ausgewechselten Beutel
ab. (7.) Diese Sendung wird von Pernille sehr ungnädig auf-
genommen, schon darum, weil, indiskret genug, der Beutel offen
ist; noch mehr aber ärgert sie sich, als sie (8.) den Inhalt sieht.
..Ach himmel! hvad seer jeg! ach jeg er färdig at spräkke af
barme. Det er jo Regiie-Penge og halve-skillinger. " Dafür will
sie sich rächen. (9.) Aber auch Lucilia ist über Tyboes Ge-
dicht sehr erbittert, da in demselben sie selber als Kokette, ihre
Mutter als Kupplerin bezeichnet wird, und da denn Tyboe —
wie das die Kapitäne öfters thun — mit Musik kömmt und die-
selbe spielen lässt, während er selbst dazu singt, giesst sie ein
Schaff Wasser auf ihn mit den Worten herab: „Slige poeter skal
saaledes krones!"' Dasselbe passiert Stygotius. Da er um
Einlass pocht, überschüttet ihn Pernille mit Wasser mit den
Worten: „Komm saa og forär mig halve-skillinger og regne-penge
en anden gang!"
V. Akt. (1.) Jesper erzählt, wie nun Leonardo die
meiste Aussicht auf Erfolg bei seiner Brautwerbung habe. (2.).
Von Jesper erfährt Stygotius die Geschichte von der umge-
tauschten Börse. Pernille hat sich für Leonardo entschieden
(3., 4.); Peer aber meldet (5.), dass Tyboe nun gegen Sty-
gotius wüte, und alsbald (6.) kömmt Tyboe selbst mit vier
Soldaten, an welche er eine Standrede hält. „Hörer I vel kin-
ders! feldskriffet skal väre: Per Caudi! Ilvem I treffer udi sort
kiole, skal I stöde ned.:< Da kömmt elend geprügelt (7.) Pen-.
Auch Magister Stygotius hat sich eine Mannschaft aufgebracht.
G36 XII. Milcs glorios'us.
Noch zweifelt Tyboe: „Hvor skulde han driste sig til at gaae
offensivemang. " Da naht (8.) von der andern Seite Magister
Stygotius selbst mit vier Studenten. Die ganze Szene und
Tyboes Anordnung ist nach Terenz (Eun. IV, 7.) Wie
Thraso im Hintertreffen kämpft (7. 781), so Tyboe: „En gene-
ral staaer alticl bagest. " Doch aber will Tyboe Christenblut
sparen. Jespcr soll einen Friedensversuch machen. Wie Thraso
(T. 789) meint: „Omnia prius experiri quam armis sapientem
decet," so soll Jesper dem Gegner vorstellen: „at jeg er en
mand, som bar 10 mäncls styrke . . . at jeg bar slaaet 2000
mänd ihiel med min egen haand . . . at jeg er bekiendt for min
tapperhed over heele Holland . . . at jeg bar omgaaeds med
förster og generaler udenlands . . . at kongen af Holland bar
foräret mig sit porträt u. s. w." Unterdessen ist axich Stygotius
dem Frieden nicht abgeneigt, und die beiden Vermittler, Jesper
und Jens, bringen ihn rasch und leicht zustande.
Jesp. Hr. von Tyboe holdes af alle brave officeers for en giäk.
Jens. Min herre ligesaa af studenterne.
Jesp. Og for en pultron.
Jens. Min lig'esaa.
Jesp. Hr. Tyboe er saa bange som en hare.
Jens. Min herre ligesaa.
Schliesslich erreicht (11.) Leonardo sein Ziel. Er verfolgt
Tyboe und stösst ihn mit dem Degenschaft t in den Rücken,
worauf Tyboe entflieht: ,.A . . . a . . . ich bin totlig blessiert
und durch gestossen . . . a . . .': — Lucilia erhält Leonar-
dos Hand.
Noch in einer andern Komödie, im ,.Ulysses von Ithacia
eller En Tydsk Comoedie" (1724) ') gerät Holberg — frei-
lich in anderer Absicht — in die Manier des grossprahlerischen
Soldaten in der sechsten Szene des ersten Aktes (S. 126):
Scene 6. Ulysses. Chilian.'2)
Ulysses. Chilian! vi maae strax giöre anstalter: Fredsens tempel
maa tillukkes paa nogen tiid, og Bellonae tempel igien aabnes; mit med
drage-blod besmurte svärd Dyrendal träktes af skeeden, mit skiold,
som jeg tog fra kongen af Mesopotamien i det störe slag bey Minchre-
lien hidföres, tillige med min Diamand-haarde brynie og min hielm,
som den brasilianske dronninsf von Saba med sine alabasterhänder satte
') Auf Seite 111 — 202 des dritten Bandes von Ludvig Holbergs
„Comedier".
2) Nach der Übersetzung von Robert Prutz (S. 560):
Ulysses. Kilian, wir müssen sofort Anstalten machen; der Friedens-
tempel muss auf einige Zeit verschlossen und der Bellona Tempel wieder
geönnel werden. Mein mit Drachenblut getünchtes Schwert, Theuerdank,
muss aus der Scheide gezogen, mein Schild, den ich dem Könige von
L. Holbergs Ellefte Junii. 637
paa mit ridderlige hoved, da jeg skulde i kamp med den 4 re-hoved
ridder Langulamisopolidorius. Min udi krig flamme-spyende liest Pe-
gasianus, som tilforn var den stolte ridder Poliphemins af Mundien, men
omskabt til en liest af bans avindsyge stivmoder Constantinopolitania,
maa sadles med min elfenbeens sadel og mit med guld og perler af den
longobardiske jomfrue Kosimunda virkede skabrak.
Vhilian. Det kan snart blive giort, liavde vi kun först en armee
paa beenene.
ih/sses. Armee! Vi skal i en bast faae saa mange folk sammen
som der er sands-korn paa de arabiske beeder.
Über die Bedeutung' dieser Komödie Holbergs siebe bei
Pmtz (Holberg, S. 207—210).
Einige Berührungspunkte mit dem Miles finden sich auch
in Holbergs Lustspiel „Den ellefte Junii".1) Dort kömmt
Henrich, der Diener Skyldenborgs, auf die Idee, den Gläu-
biger seines Herrn, Studenstrup, in eine ähnliche Situation, wie
Pyrgopolinices, zu führen. „Du bar en honnette fruen-
timmer i dit Huus, om forladelse, jeg vilde sige smukke; den
kiönneste iblant dem maa stille sig forliebt i ham og bilde ham
ind, hun er diu hustrue; du selv skal stille dig an, som du est
jaloux, og altid bave Oynene paa ham, for at bestyrke ham dis-
meere i de Tanker" (I, 7). Studenstrup (Ochsendorf) geht
wirklich in die Falle (IV, 1); der Wirt schlägt gewaltigen Lärm,
und nur um hohe Summen giebt er die Rachegedanken auf. Da
Studenstrup gezahlt hat, erfährt er die ganze Geschichte; der
Wirt hat gar keine Frau. Zudem hat er auf ein Haus eine Hypo-
thek gegeben, das sich nachher als Rathaus erweist.
Dieser „Elfte Juni" hat A. v. Kotz ebne, der sich mehr-
fach seine Stoffe bei Holberg holte,2) zu seiner Posse „Der
Mesopotamien in der grossen Scblacbt bei Mingrelien abgewonnen, nräss
hereingebracht werden zusamt meinem demantharten Harniscb und mei-
nem Helm, den die brasilianische Königin von Saba mit ibren Alabaster-
händen auf mein ritterliches Haupt setzte, als ich in den Kampf ging
gegen den vierköpfigen Ritter Langulamisopolidorius. Mein im Kriege
flammenspeiendes Ross Pegasianus, welches zuvor der stolze Ritter Poli-
pliemius von Mundien gewesen, allein seine neidische Stiefmutter Con-
stantinopolitania verwandelte ihn in ein Pferd, muss gesattelt werden
mit meinem elfenbeinernen Sattel und meiner von der longob ardischen
Jungfrau Rosimunda mit Gold und Perlen durchwirkten Schabracke.
lülian. Das kann bald geschehen sein, hätten wir nur erst eine
Armee auf den Beinen.
Ulysses. Armee? In einem Augenblick werden wir so viel Volks
beisammen haben, als Sandkörner sind in den Wüsten Arabiens.
') Auf Seite 1 — 95 des zweiten Bandes von Ludvig Eolbergs
„Comedier" (Kjöbenhavn 1 SIT) und übersetzt bei 1!. Prutz, Holberg,
S. 4Ü7— 470.
2) Prutz, Holberg S. 227. „Dass auch Kotzebue sich eine Zeit
lang von dem Mark der Ho 1 b ergschen Komik zu nähren suchte, die
auch in dieser Verdünnung eines gewissen Beifalls noch immer nicht
entbehrte, wurde bereits erwähnt; er hat nämlich den Ranudo, den
638 XU- Males gloriosus.
Gimpel auf der Messe"1) veranlasst. — Eine Art von Miles
gloriosus in der holländischen Komödie ist Brederoos
Junker Jerolimo Rodrigo, „der spanische Brabanter"
(1617) mit seinem Pagen Robbeknol:2) auch der deutsche
Kapitän im „Prahler" (Zwetser) des Pieter Langendijk
(1683 — 1756) gehört in diese Kategorie.3)
Auch in der deutschen Litteratur finden sich Stücke, welche
den grosssprecherischen Maulhelden Pyrgopoliniees als Mittel-
punkt haben. Obenan steht der „Vincentio Ladislao" des
Herzogs Julius von Braunschweig (1564 — 1613) und der
„Horribilicribrifax",4) ein Scherzspiel von Andreas Gryphius
(geb. 11. Oktober 1616; gest. 1664).
Grässe5) bezeichnet den „Vincentio Ladislao" des Her-
zogs Heinrich Julius als „eine Art Vorläufer des ,Horribili-
cribrifax' . . ., worin er einen echten Krautjunker, Bramarbas
und Feigling zu gleicher Zeit trefflich gezeichnet hat".
Die „Comoedia HIDBELEPIHAL6). Von Vincentio
Ladislao Sacrapa7) von Man tu a, Kempffern zu Ross und Fuess,
Jeppe, den elften Juni and den verpfändeten Bauernjungen
bearbeitet, vou denen besonders der erstere sich ziemlich lange auf den
Brettern behauptete."
*) Almanach dramatischer Spiele zur geselligen Unterhaltung auf
dem Lande. 3. Jahrg. 1805. S. 51 — 114. Hier spielen der Pächterssohn
Stoffelsack von Schiida und der Baron Würfe lknochen, ein „Che-
valier d'iudustrie", mit seinem Diener Filuh.
2) Jonckbloet. II, 137.
3j Ebenda. II, 423.
4) Erste Ausgabe noch zu Lebzeiten Gryphius': Breslau.
ohne Jahreszahl: 2. Ausg. Breslau 1665 (bey Veit Jacob Treschern);
3. Ausg. Audreae Gryphii um ein merekliches vermehrte Teutsche Ge-
dichte. Bresslau u. Leipzig in Verlegung der Fellgiebalischen Erben.
1698. 4. Ansg. Dramatische Dichtungen von Andreas Gryphius:
herausgegeben von Julius Tittmann. Lpz. 1870. (S. 201 — 271.) 5. Ausg.
No. 3 der Neudrucke deutscher Litterat urwerke des 17. und 18. Jahr-
hunderts. 1876. Halle a S. (Xiemeyer), 91 Seiten. (Abdruck der ersten
Ausgabe, besorgt von Wilhelm Braune.) — Tgl. Gödeke, Elf Bücher
deutscher Dichtung (I, 374) mit C. L. Cholevius Geschichte der deut-
schen Poesie (I, 381).
5) Handbuch der allgemeinen Litteraturoeschichte von Dr. J. G. Th.
Grässe (Leipzig 1850). LTI. Bd., S. 612. Vgl. besonders Bud. Genee.
Lehr- und Wanderjahre des deutschen Schauspiels. Berlin 1882. S. 233
u. s. w. und Prölss, Gesch. des neueren Dramas. IH, 1, S. 167.
ej = Henrici Julii Ducis Brunsvicensis Et -Luneburgensis,
Episcopatus Halberstadensis. S. Cohn. Shakespeare in Germany.
S. XL, Anm. 2. — Gervinus. LH, 156.
7) Grässe zitiert Satrapa. was sich auch beiTittma-nn vereinzelt,
S. XXXV. und Koberstein, 6. Aufl., S. 410, findet.
Yincentio Ladislao des Herzogs von Braunscliweig. 639
weiland des edlen und ehrnuesten, auch manhafften vnnd streit-
baren Barbarossa Bellicosi von Mantua, Rittern zu Malta, ehe-
lichen nachgelassenen Sohn. Mit zwölff Personen. Wolffenbüttel
M.D.XCIV," ') des Herzogs Heinrich Julius von Braun-
schweig-,2) enthält „die feinere Auffassung' des Capitano Spa-
vento, des personifizierten Schreckens". Sie „erhebt den Maul-
helden über den ordinären Bramarbas , dessen Lohn auf der
italienischen Bühne eine Tracht Prügel zu sein pflegt. Vin-
cent ius ist im Grunde ein gebildeter Mann, wenigstens so gut
wie mancher andere, der es wirklich zu Ansehen und Würde
gebracht hat Er ist allen Sterblichen überlegen, nicht
nur in allen ritterlichen Künsten und an Tapferkeit, sondern
auch in der "Wissenschaft, als frommer Christ sogar in der Theo-
logie bewandert, er ist Musiker u. s. w. v In der That aber ist
er das gerade Gegenteil dessen, was ein Mann sein soll. Natür-
lich sucht er im Gespräch den Ausdruck mit seinem innern Wert
und dem Glänze seines äussern Menschen in Einklang zu bringen.
Er spricht anders als ordinäre Menschenkinder; die gewöhnlichsten
Dinge — dies ist ein gemeinschaftlicher Zug der Sippschaft, zu
der er gehört — umschreibt er mit hoch klingenden Redens-
arten; er ist überall bemüht, den Ton, der damals schon in
Deutschland eindringenden absonderlichen Amadisischen Redeweise
einzuhalten. " 3)
Vincent ius Ladislaus will vor allem mit dem ihm gebüh-
renden Titel angesprochen werden. Dieser ist: „Edler, Ehrn-
uester, Manhaffter, in Krieg'sleufften vnd andern freyen löblichen
Künsten wol erfarner, weitberhümbter Kempffer zu Ross vnd Fuess,
Gestrenger Juncker vnd Herr" (II, 1), und so wird er von seinem
Schreiber Valerius ständig angeredet. Er selbst spricht von
sich: „Wir Vincentius Ladislaus Sacrapa von Mantua. " Seine
Heldenthaten weiss er ins richtige Licht z\i stellen. „Ist ein
Man in der Welt jetzunder, so dem Türeken wird wiederstandt
thun können, so sol es dieser Man thun. (Weiset auff sich selber),
') Auf S. 137 — 174 des vierzehnten Bandes von „Deutsche
Dichter des sechzehnten Jahrhunderts. Mit Einleitungen und
Worterklärungen. Herausgegeben von K. Gödeke und J. Tittmann.
Lp/. 1880." — Auf S. 507—555 des 36. Bandes der Bibliothek dea
litterarischen Vereins in Stuttgart. 1855 herausgegeben von
W. L. Holland.
2) S. Gödeke, Grdss. I. 407. 408. — Bibliothek des Stuttgarter
Litterarischen Vereins. Bd. 36. (1855.) S. 897— «tu:!.
3) Tittmann. pag. XXXV. XXXVI. — Vgl. ferner II. Grimm,
Das Theater des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig. Wester-
mans Monatshefte, 1856, Dezember. — 0. v. Heinemann. Aus <l«-r Ver-
gangenheit des weifischen Hauses. Wolfenbüttel L881, und eine Reihe
von Holland, S. 805. 809. 810. angeführter Werke! — Vgl. über das Ver-
hältnis lies Vincentius zu Aretinos ,.il marescalco", rrölss. 1,2.124.
6-40 SU. Miles gloriosus.
Vnd wenn Alexander Magnus, so die gantze "Welt in Zwölff
Jaren bezwungen hat, noch lebte, Solte ihm dieser Man zu
schaffen gehen .... Es ist vnmüglich zn gleuben, Was wir vor
Ritterliche, Marihafffce, fürtreffliche Thaten haben ausgerichtet.
Als wir noch ein Student waren, Wie Avir vns dann von Jugendt
auff die (der) Kriege bevlissen, Da haben wir neben andern Stu-
denten, Welcher in der Zal Zweihundert vnnd Nenn vnd Neuntzig
gewesen, Sieben Tausent Kriegsleut erlegt, Vnd keinen gefangen
genommen. -
Ja selbst die Weiber seines Stammes teilen diese ritterliche
Art. „Vnser geliebte Schwester, So im in Gott verstorben, Hat
in einer Vestnng, darin wir belagert waren, in einem Tage im
Stürmen Vier vnd Zwantzig Kerl vinbgebracht" (V, 1).
Die erste Szene des fünften Aktes gilt hauptsächlich der
Aufzählung solcher Bravourstücke Vincentios. Dabei lässt
Herzog Heinrich Julius seinen Capitano zum reinen Münch-
hausen werden.1) Er erzählt die tollsten Streiche. So seine
einmal erfolgte Gefangennehmung.
„Ja," erzählt er, „Wir sind einmal gefangen worden, Wie
aber solches zugangen, wollen wir E. F. G. berichten. Wir waren
inn der Belagerung vor einer Stadt, Vor derselben thaten wir
neben vnsern Gesellen, starcke Scharmützel, Vnnd durch dasselbe
Scharmützel kamen wir gar nahe zum Thor vnd wurden alldar
von vnsern Gesellen verlassen , Wie wir nun nicht wenden
konndten, musten wir noth halben es wagen, vnd mit den Fein-
den in die Stadt eilen. In dem wir hinein renten, liess der Thor-
Wechter das Schutz-Gitter inn aller eile fallen, Vnd schlug damit
vnserm Gaul das hintertheil biss an den Sattel ab, Wir Wurden
aber solches nicht gewahr, Renneten auch dem Feinde mit dem
halben Pferde nach, biss auff" den Marckt, Vnd thaten noch
') Vgl. Tittmann XXXIX. „Das meiste Derartige war in der
Scliwanklitteratur der Zeit zu lesen. Dass fast alles weltbekannt ist,
kann der komischen "Wirkung nur vorteilhaft sein. Kirchhofs „Wend-
unmuth" hat der Herzog, man kann sagen, mit dem Buche in der Hand
benützt. Ein Schlosser zu Cannstadt, „wegen seiner unglaublichen Keden
der Lügensckmied" genannt, erlebte das Unglück mit dem halbierten
Pferde ; so erzählt Kirchhof (I, 25-1), indem er sich auf Bebelius bezieht.
(28.").) Andere Abenteuer, wieder nach Bebelius, stehen in den unmittelbar
folgenden Nummern des „Wendunmuth" : Die beiden Geschichten von
Wildschweinen, von dem umgewendeten Wolf und dem Diener im Magen
iles Fisches, Die grosse Braupfanne und der Schmied, der ein Pferd
im Rennen beschlägt, sind auch im Märchen bekannt. Dass einzelne
der Lügen in R. E. Raspes (1737 — 1794) „Baron Münchhausen" über-
gegangen sind, kann sich dadurch erklären, dass dem Verfasser, der
Bebelius und Kirchhof ohne Zweilel kannte, auch der „Vincentius Ladis-
laus" auf der Göttinger Universitätsbibliothek zugänglich war". Siehe
Eingehendes bei W. Holland. S. 897 ff.
Viucentio Ladislao des Herzogs von Braunschweig. (341
daselbst dem Feinde nicht geringen abbrach. Als wir aber ver-
merckten, das vns der Feindt wollte zu starck werden, wolten
wir vns wenden, Vnd in dem stürtzte das Pferd mit vns, Vnd
würden gewahr, das wir ein solchen grossen schaden empfangen
hetten, Musten also vns wieder vnsern willen gefangen geben, Vnd
vns mit einer Tonnen Goldes Rantzaunieren. "
Johan Bouset, der — eine Art Parasit — alles bestätigt
und gesehen haben will, was Vincentius erzählt, muss hier
doch erklären: „Das habe ich nicht gesehen, Dann ich bin nicht
dabey gewesen."
Im Ferneren (V, 2) erzählt Vincentius die bekannte Ge-
schichte von dem blinden Wildschwein, von dem Wolf, den sie
umwendeten, »wie ein Schuster die Schlich ■', und eine Reihe Jagd-
abenteuer.
Man sieht, der Miles gloriosus hat hier neben seiner
kriegerischen Ruhmredigkeit eine ganz andere Seite
noch ausgebildet.
Die dritte Szene des fünften Aktes lässt uns in ihm den
Fechter bewundern.
„Wir haben vns,'' sagt er, „jederzeit aller Ritterlichen
Künsten vnd Thaten beflissen, Vnd sonderlich des Fechtens vnd
Kempffens, Wie wir dann darin dermassen geübt vnd erfaren
sein, Das wir nicht gleuben, Das vnsers gleichen jetzo in der
Welt ist. Wir seind des Rapiers so mechtig, Das wir einen auff
einen Knopff stossen können, aufF welchen wir nur wollen, Vnd
wenn ein ander meint, Wir sein noch weit von jhnie, So hat er
die Wehre schon im Leibe. Wie wir dann auch, Wenn wir
vnser Wehr auff die Seiten hangen, schon wissen, Was wir gegen
vnsern Feind gebrauchen wollen, Wir haben vns offtmals mit vier
oder fünffen zugleich geraufft, Welche wir zu boden geschlagen,
Vnd seind von jhnen nicht berüret worden. Vnser Fechten ist
auch kein gemeine Fechten, Dann wir fechten im Rapier allein,
Im Rapier vnd Dolchen, Im Rapier vnd Mantel, Auch wol mit vier
Rapieren. Vnnd wie es jmmer tauglich zu erdencken, so können
wirs zuwege bringen."
Als Fechter zeigt sich Vincentius sogleich als Feigling;
es ist ihm zu heiss, der Gegner ist link und ähnliches. Sodann
liebt Vincentius wenig Ehre als Musiker auf und erringt
keinen Beifall als Tänzer, obwohl er nicht glaubt, „das, so viel
springen vnd tantzen anlanget, vnsers gleichen baldt sol gefunden
werden." Schliesslich verlangt er vom Herzog Silvester die
schöne Angelika als „Ehegemahl vnd Bettgenossen".
Des Herzogs Gattin, Eleonora, hat Vincentius durch-
schaut. Nach ihrer Meinung hat er „alle eigenschaffteri eines
hoffertigen Narren an sich" (VI, 1). Dass er nun glaubt, Ange-
41
042 XII. Miles gloriosus.
lika liebe ihn, zeugt am stärksten von seiner Thorheit. Noch-
mal erzählt Vincentius eine Reihe seltsamer Erlebnisse, dies-
mal von Pferden und dem Schmied, der „seiner Kunst so fertig"
war, ..das er im Ringrennen in voller Currir einem Pferde ein
Eisen ausgeschlagen kondte, Vnd am Rennen nichts hinderte."
Da erhält er einen zusagenden Brief Angelicas. Man hat für
ihn und Angelica ein Hochzeitslager hergerichtet, in dieses setzt
man ihn; — ■ aber — „wie er meinet, er sitze zum allerbesten,
feilt er in die Bütte mit Wasser, Da lachet nun niemandt als
jederman. "
Johan Bouset beschimpft ihn: ,.Esel vnd LügenhafFtiger,
in Lügen wolerfahrner mit der Thorheit vnd Tölpischen Moribns
wolbegabter Kempffer zu Fues mit der Leddern Kolbe, vnnd
Ritter auflm Esel mit der Strewgabel, Fliegen- vnd Mucken-Oberster,
Wie gefeilt dem Herrn das Badt?"
Vincentius fasst sich langsam. „Sol man einen so Für-
trefflichenn, Weithberhümbten, Erfahrnen vnd Verstendigen Man,
Als wir sein, So schamphieren, vnd einen solchen Spott, be-
weisen?" Er tritt ab. Sie selber werden durch den Verlust
eines solchen Mannes am meisten bestraft sein. Faule Eier
werden ihm nachgeworfen. „Er mus dauon lauffen, Vnd gehen
alle abe."
Der „Miles gloriosus" erscheint hier nur zum Teile
in seiner Urgestalt als militärischer Bramarbas. Er ist
eine Art gutmütigen Aufschneiders auf allen Gebieten, besonders
auch auf dem der Jagd, ein Mittelding „vom Finkenritter und
den Bramarbassen des dreissigjährigen Krieges, ein Vorläufer
der ,Horribilicribrifax'- und ,Daradiridatumtarides'" i)
geworden.
Das Stück muss sehr gefallen haben. 2) Im Jahre 1601
übernahm es ein Organist in St. Nicolai-Kirchen in Stralsund,
das Lustspiel metrisch zu bearbeiten, da ihn seine Freunde baten,
es „zu vertieren vnd in Reim zu bringen." Der Titel ist hier:
„Comoedia H.I.D.B.E.L.E.P.I.H. A.L. von Vincentio Ladislao,
Satrapa3) von Mantua, Kempffer zu Ross vnnd Fuss, Weilandt
des Edlen vnd Ehrnvesten, Auch Namhafften vnd Streitbaren
Barbarossa Bellicosi von Mantua, Rittern zu Malta, Ehelichen
Nachgelassen Sohn. Welche vorhin in Prosa zu Wolffenbüttel,
Anno 1599 gedrucket, jetzo aber in Reim gebracht durch Eli am
') Holland a. a. 0., S. 898.
2) Vgl. über Aufführungen: Traut mann in Schnorrs Archiv f. L..
Bd. XI (1882) und Joh. Meissner, „Die englischen Komödianten" u. s. w.
Wien 1884. S. 33.
3) Vgl. S. 638. A. 7.
Horribilicribrifax. 643
Herlicitim Cicensem, Organisten zum Strallsundt in Pommern.
Gedruckt zu Wittenberg, durch Lorentz Seuberlich. Anno M.DC.L i)
Wieder ganz auf militärischem Boden .stehen dagegen
die Helden des „Horribilicribrifax-.
Die beiden ..weiland reformierten Hauptleute Don Dara-
diridatum tarides Windbrecher von Tausend Mord auff
N. N. X. Erbherr in und zu Windloch und Don Horri-
bilicribrifax von Donnerkeil auf Wüsthausen sind Er-
rungenscbaften des dreissigjährigen Krieges.
Kapitän Dar adirida turnt arides qualifiziert sich bereits
in der ersten Szene des ersten Aktes als der Miles gloriosus,
bei welchem Prahlerei und Feigheit sich paaren.
Der Erste Aufzug.
[1] Capitain Daradiridatumtarides Windbrecher von Tausend
Mord. Don Cacciadiavolo. Don Diego, seine Diener.
Darad. Don Diego, rücket uns den Mantel zurechte, Don Caccia-
diavolo, Ich halte, dass das Ostliche Theil des Bartes mit der West
Seiten nicht allzuwol überein komme.
Don Cacc. Grossmächtigster Hr. Capiten, es ist kein Wunder! Die
Haare der lincken Seiten sind etwas versenget von den Blitzen seiner
Feuerschiessenden Augen.
Darad. Blitz, Feuer, Schwefel, Donner, Salpeter, Bley und etliche
viel Millionen Tonnen Pulver sind nicht so mächtig, als die wenigste
reflexion, die ich mir über die reverberation meines Unglücks mache.
Der grosse Chach Sesi von Persen erzittert, wenn ich auff die Erden
trete. Der Türkische Kaiser hat mir etlich mahl durch Gesandten eine
Offerte von seiner Krön gethan. Der weitberühmte Mogul schätzt sein
retrenchemente nicht sicher für mir. Africa hab ich vorlängst meinen
Gameraden zur Beute gegeben. Die Printzen in Europa, die etwas mehr
courtese halten Freundschafft mit. mir, mehr aus Furcht, als [2] wahrer
affection. Und der kleine verleckerte Bernhäuter, der Rappschnabel,
Ce bugre, Ce larron, Ce menteur, Ce fils de Putaing, Ce traistre, Ce
faqvin, Ce brutal, Ce bourreau, Ce Cupido darff sich unterstehen, seine
Schuck an meinen Lorberkräntzen abzuwischen Ha Ma Deesse! merville
de monde adorable beaute! Unüberwindliche Schöne! unvergleichliche
Selene ! wie lange wolt ihr mich in der Courtegarde eurer Ungunst ver-
arrestiret halten?
') Bei Holland, S. 641— 734 u. S. 905. — Das Stück hat hierdurch
an Ausdehnung wesentlich gewonnen. So lautet z. B. Johan Bousets
(hier Johan B ausser) letzte oben angeführte Rede:
Esll, vnd Lügenhaffter. Wblerfarner,
In Lüge, mit Thorheit angebornr,
\'ikI andern tölpschen moribus
Wolbegabter, Kempffr zu Boss vnd Fuss,
Mit der ledern Kolb. Lüirenfald,
Rittr auff dem Esl mit der Strewgabl,
Der Pliegn vnd Mückn öbrster Vnflat,
Wie gfelt dem Herren nu das Badt.
i km t wdll es dem Herren gesegn,
Itzund hiei-. vnd sonsl allerwi
41*
(544 XU. etiles gloriosus.
Don Diego. Signor mio illustrissimö ! Mich wundert nicht wenig,
dass ihr das Bollwerk von Selene noch nicht habt minireu könuen. Die
Damosellen dieses Landes erschrecken, wenn sie euch von Spiessen,
Schlachten, Köpftabhauen, Städte anzünden und dergleichen discuriren
hören. Sie meinen, dass ihr todos los Diabolos in der Vorbruch, wie
die Schweitzer in dem Hosenlatz traget. Mich düuckt Palladius richte
mit seiner anmuthigen Courtesi weit mehr aus, als wir mit allen unsern
Rodomantaden.
Darad. Palladius? Wenn er mir itzund begegnete, wollte ich ihn
bey der äussersten Zehe seines lincken Fusses ergreiften, dreymal umb
den Hut schleudern, und darnach in die Höhe werften, dass er mit der
Nasen an dem grossen Hundsstern solte kleben bleiben.
Don Cacc. Es were zu viel, dass er von solchen Ritterinässigen
Händen sterben solte. Wenn er uns gleich itzund in der Furie begeg-
nete, wolte ich ihm bloss in das Gesicht speyen, er würde Zweiffels
ohne bald in Asch und Staub verkehret werden.
Darad. Behüte mich der grosse Vitrliputrli, was ist das ? Dort (es
erscheinet von ferne eine Katze) sehe ich zwey brennende Fackeln uns
entgegenkommen ?
Don Cacc. Holla! ins Gewehr! ins Gewehr. Die Nacht ist nie-
mands Freund.
[3] Darad. Ey last uns weichen! wir sind ausser unserm Vortheil
und möchten verrätherlich überfallen werden. Ich wil nicht von mir
sagen lassen, dass ich mich der Finsternis zu meiner Victorie missge-
brauchet.
Don Cacc. Bey der Seel des General Wallensteins, sie blasen zu
Sturm.
Don Diego. Ey last uns stehen bleiben! sehet ihr nicht? es ist
eine Katze, die also mit den Augen fünckelt.
Don Cacc. Es mag der Beelzebub wohl selber seyn.
Darad. Ho! ich bin vor ihm unerschrocken. Der ganze Leib zit-
zert mir vom Zorn, wie eine Gallart. Ich werde gantz zu lauter Hertze
und kenne mich schier selber nicht, ich schwitze vor Begierde zu fechten.
Voicus le bras qvi rompt le cours des destins de tous!
Don Diego. Des fous ! Und fährt vor Furcht aus den Hosen.
Darad. Was sagt Don Diego?
Don Diego. Ich sage, ihm reissen vor Ungeduld zu warten die
Hosen entzwey.
Darad. zeucht den Degen aus: Sa! sa! heran, heran, du seyest auch
wer du seyest ! je brave la main des parqves, ich habe wohl eher alleine
dreissig mahl hundert tausend millionen Geister bestanden.
Don Diego. Minder eine halbe.
Don Cacc. Wol was gerass ist dieses. Der Nachtwächter beginnt
zu singen, Ihr lieben Leute last euch sagen, und dergleichen.
Darad. Bey meinem adelichen Ehren, ich halte doch, es gehen
Gespenster um. Was ists von nöthen, dass wir die Zeit so früh auf der
Gassen zubringen. Wer Unglück suchet, der verdirbet darinnen.
Den zweiten Akt leitet Horribilicribrifax mit seinem
Pagen Harpax ein. Er hat alle Kennzeichen des Miles
in seiner späteren Form.
[15] Die andere Abhandelung.
Horribilicribrifax Donnerkeil. Harpax sein Page.
WAS? Dass der Keyser Friede gemacht habe, sonder mich um
Bath zu fragen? Oh gvarta! novella de spiritare il mondo.
Horribilicribrifax. 645
Page. So sagen sie, dass der Keyser Frieden gemacht habe mit
dem König in Schwaben.
Horrib. Mit dem König in Schweden wilst du sagen.
Page. Ja Schweden oder Schwaben, es ist mir eins.
Horrib. Friede zu machen sonder mich? ä qvaesto modo si! hat er
nicht alle seine Victorien mir zu dancken? hab ich nicht den König in
Schweden niedergeschossen? Bin ich nicht Ursach, dass die Schlacht
vor Nördlingen erhalten? habe ich nicht den Sachsen sein Land einge-
nommen? habe ich nicht in Dennemarck solche reputation eingelegt?
was wer es auff dem Weissen Berge gewesen sonder mich? E che f'ama
non in' acquistai, quando contesi col granTurca? Pfui! trit mir aus den
Augen; denn ich erzürne mich zu tode, wo ich mich recht erbittere.
Vinto dal ira calda e bollente e dallo sdegno arrabiato, so erwische ich
den Stephans-Thurm zu Wien bey der Spitzen und drück ihn so hart
darnieder, si forte in terra, dass sich die gantze Welt mit demselben
umkehret, als eine Kegel-Kaul.
Page. Ey, Signor mio, wo wolten wir denn stehen bleiben?
Horrib. Non fernere! Als wenn sich iemand kümmern dürffte, der
bey mir stehet! lass mich darvor sorgen! aber siehe da, meine Sonne!
mein Leben! [16] meine Göttin erscheinet. Signora mia, bella di corpo,
bellissima d' animo.
Wie von Pyrgopolinices, weiss axxcli von diesen Leuten
das Volk, was es von ihnen zu halten hat. „Der Kopff tlvut
mir weh," sagt (28.) Don Diego, „über dem unmässigen Auf-
schneiden unsere Capitains, welcher doch in Wahrheit nichts
anders ist, als ein gehelmeter Hase, wer ihn reden höret, meinet,
er were der ander Hercules, oder der grosse Roland. Sobald
er aber in eine „occasion" geratuen, wil er für Furcht gar zii
trieffen. "
Mit Pyrgopolinices rühmt sich Daradiridatumtarides
der Gunst der Hohen. „Mit dieser güldenen Ketten," sagt er
(34.) seiner Selenissa, „welche mir der unsterbliche Soldat von
Pappenheim mit eigenen Händen an den (35.) Hals gehangen,
als ich zuerst mich auff die Magdeburger Mauren geAvagt, ver-
binde ich mir meine Göttin, welche mir GOtt Mars selber mit
allen seinen Feuerspeyenden Granaten und Donnerschwangeren
Canonen nicht abjagen soll." Schon als Kind hatte er seines
Vaters Degen (36.) „von der Mauer herunter gezogen und damit
so ritterlich herumgesehwermet , dass ich," sagt er, „der Heb-
ammen den Kopff und der Kinder -Magd den Leib ontzwey
gehauen. "
Köstlich ist Horribilicribrifax, da er hört, Sempro-
nius, der Gelehrte des Stückes, unterstehe sich, „seine Ge-
danken da einzuqvartiren, wo allein der unüberwindliche Horri-
bilicribrifax Winterlager halten soll." Dieser lateinisch und
griechisch sprechende Sempronius erinnert mit jedem Worte
an Holbergs Stygotius, besonders auch in seiner Gegenüber-
stellung mit Horribilicribrifax. „Ist er Horribilicribrifax
von Donnerkeil, so bin ich (44.) Sempronius von Wetter-
B46 Xu. Hiles gloriosus.
] curli i c n. tänia super aethera notus." Richtig spricht Sempro-
nius von Horrihilicribrifax (43.): „Sed qyid sibi vult Pyr-
gopolinices iste qui itä gladiatorio animo ad nos affectat viam?"
— ein direkter Beweis für die Urverwandtschaft des
Pyrgopolinices und des Horrihilicribrifax.1) Dass Hol-
berg Grryphius gekannt hat, könnte wohl gegen Prutz
(vgl. S. 632) aufrecht erhalten werden.-)
Zum Schlüsse ergeht es den beiden Helden übel. Noch
gestern hat die Königin von Monopotapa durch einen eigenen
Kourier den Daradiridatumtarides ihr Königreich anbieten
Lassen, mit dem Bedinge, dass er sie heirate (75.); da hetzt die
beleidigte Selenissa den Horrihilicribrifax auf ihren treulosen
Liebhaber Daradiridatumtarides. Wir sehen den Kampf der
beiden Hasenfüsse nicht mehr, da Dionysius beiden die Degen
abnimmt, sie mit denselben auf die Köpfe schlägt und mit dem
Rufe (82.) „Aufschneider, Lügner, Berenhäuter, Bengel, Bauren-
schinder, Ertznarren, Cujonen" verjagt.
Diese Gestalt nahm unter den Wirren des dreissig-
jährigen Krieges der „Miles gloriosus" in Deutsch-
land an.
Ziemlich strenge hielt sich Reinhold Lenz an den Gang
des plautinischen Originales, als er im Jahre 1772 sein Lustspiel
„Der grosspralerische Offizier" schrieb, das dann unter
dem Titel „Die Entführungen" umgearbeitet wurde. Über
das Verhältnis der beiden Stücke zu einander berichtet Wein-
hold:3) „Lenz hatte den „Miles gloriosus" soweit gefördert,
dass er Goethes Urteil wünschte, wobei es schon in ihm fest
') Tittman (pag. LIV) sagt: „Ohne Zweifel kannte Gryphius
seinen Plautus and Terenz, aber auch sicher die , Illusion coini-
que' des Jüngern (muss natürlich heissen altern) Corneille und
Shakespeares ,Verlorene Liebesmüh'." An die erstem erinnern
die ganze Auffassung und der Grundton ihres prahlerischen Wesens, an
den letzten nicht bloss allgemeine Anklänge, sondern selbst einzelne
Reminiszenzen. [Man vergleiche nur den Schluss des Liebesbriefes von
Sempronius Act II, „der die Erde küsset, auf welcher das Gras ge-
wachsen, welches der Ochse aufgessen, aus dessen Leder euere Schuch
Solen geschnitten," mit den Worten des Armado I, 2: „Ich verehre
selbst den Boden, welcher niedrig, wo ihr Schuh, welcher niedriger, ge-
führt von ihrem Fuss, welcher am niedrigsten, einhertritt."] Die Gattung
vun Menschen, deren der Dichter sogar zwei einander gegenüber stellt,
trägt von Gryphius bis Plautus hinauf dieselben physiognomischen
Grundzüge. Der Pyrgopolinices ist, wie Corneilles Matamore und
Gryphius' beide Helden, ein Achill, der Legionen mit einem Hauch
wegbläst; aber noch mehr, er ist der Schützling zweier Gottheiten, nicht
allein des Mars, sondern auch der Venus; seine Schönheit ist ihm eine
Qual, denn alle Weiber laufen ihm nach."
2) Vgl. dagegen L. Wachler, Geschichte der Litteratur. HI, 298.
3) Dramatischer Nachlass, S. 10.
R. Lenz, Die Entführungen. (i47
stund, das-, diese-, Stück auf das deutsche Theater sollte. Er
hatte deshalb eine freie, sich nicht genau an den "Wortlaut seines
Originals haltende Übersetzung" gemacht und sich Abweichungen
mancher Art gestattet, um das Stück dem neuen Geschmack
näher zu bringen. Dies hatte ihn zu einzelnen Modernisierungen
geführt: König Seleukus hatte dem König in Preussen Platz ge-
macht, moderne Flüche wurden ausgesprochen, es wurde von
Generals und Herzoginnen geredet, der Titel , gnädiger Herr'
dem P yrgopolinices und , Mamsell' der Philocomasium ge-
geben, kurz, das Stück, das Goethe durch Salzmann erhielt,
war ,Der grosspralerische Officier', wie ihn Lenz am 7. Septbr.
1772 nach Strassburg geschickt hatte. Goethe verlangte nun,
dass auf dem Wege der Modernisierung weiter gegangen und
vor allem die , lateinischen' Namen entfernt würden: es müsse in
Worten, Ausdruck und Rundung der Szenen geändert werden,
um das Stück spielbar zu machen. Auf diesen Brief an
Salzmann, den Goethe eine Eröffnung der Präliminarien nennt,
muss Lenz sich zur unmittelbaren Verhandlung mit Goethe be-
quemt haben."
Über die von Lenz vorgenommene Neubearbeitung heisst
es weiter bei Weinhold:1) „Man kann nunmehr bei Vergleichung
mit den „Entführungen" die Veränderungen, welche Goethes
Ratschläge hervorbrachten, erkennen. Im Äussern ist Ephesus
mit Stockholm, Athen mit Hamburg vertauscht worden. Der
Pyrgopolinices ist zu einem preussischen Werbeoffizier von Kale-
kut, Pleusides zu einem Hamburger Kaufmann Meyer, Philoco-
masium zu einer leidlich ehrbaren Ratschreibertochter Rosemunde
gemacht, und die andern Personen sind ähnlich modernisiert.
Artotrogus wandelte sich in Lamy, Acroteleutium in eine Henri-
ette, Milphidippa in Gertrud, Periplecomenus in Kraft, Palästrio
in Bernhard, Sceledrus in Ehrenhold. Aber die Rezensenten
hatten recht, dass die Änderungen weit tiefer gehen müssten,
und dass der schwedisch-norddeutsche Schauplatz nur eine ganz
äusserliche Dekoration der alten Fabel ist , in welcher der
Alazontypus auf den weitverbreiteten Schwank von dem Betrug"
gepropft ist, der einem Ehemann mittels einer geheimen Thür
in das Nachbarhaus gespielt wird. In dem Dialog des „gross-
prahlerischen Offiziers" hat Lenz für seine Umarbeitung in
..die Entführungen" manches gestrichen, zusammengezogen und
verändert."
Als Beleg, wie Lenz das Original erst frei übersetzte, dann
zu modernisieren suchte, möge die erste Szene des eisten
Aktes folgen :
>) A. a. 0., S. "28.
648
XII. Miles gloriosus.
Der grosspralerische Officier.1)
(S. 31.) Erster Aufzug.
Erste Sceue.
Der Officier. Artotrogus.
Officier (ruft im Heraustreten): Lasst
mir meinen Schild heller putzen,
als die Sonnenstrahlen, damit, wenn
ich ihn nöthig habe, er das ganze
feindliche Kriegsheer blind mache.
Bald sollst du nicht mehr klagen
und nach Blut schmachten, Helden-
säbel, bald sollen meine Feinde dir
eine herrliche Mahlzeit zubereiten.
— Wo ist Artotrosrus?
Artotrogus. Dero unterthänig-
ster Diener steht hier, bey dem
dapfern, beglückten, königlichma-
jestätischen Helden, mit dessen
Thaten und preisswürdigen Tu-
genden der löbliche Kriegesgott
Mars selber die seinigen nicht zu
vergleichen wägete.
Officier. Mars — ist das nicht
der — der Bärenheuter, dem ich
in der Gurgustidonischen Bataille
das Leben rettete. Der feindliche
General hiess Cluninstaridisarchi-
des.
Artotrogus. Ganz richtig mit
dem goldnen Panzer, derselbe,
dessen Armee Dieselben mit ihrem
Athem in die Luft bliesen, dass
ich so sagen mag, gleich wie der
Sturm im Herbst die trockenen
Blätter der Bäume oder ein altes
Strohdach davonführt.
Officier. Kleinigkeit —
Artotrogus. Freylich, wenn ich
der andern preisswürdigen Akti-
onen Meldung thun wollte (bey
Seite), die niemals geschehen sind
— so würde ich Dero Bescheiden-
heit — (bey Seite) ich habe keinen
aufgeblaseneren Nebukadnezar alle
meine Lebenstage gesehen. Wenn
ich nur nicht so hungrig wäre, ich
wollte —
Die Entführungen.2)
(S. 77.) Erster Akt.
Erste Seene.
Herr von Kalekut. Lamy.
Kalekut (ins Haus zurück): Lasst mir
meine Waffen polieren — ich höre
der Feldzug wider die Dänen soll
bald eröffnet werden — meinen
Kürass lasst mir putzen, heller als
die Sonne, damit er die ganze feind-
liche Armee blind mache (schlägt sich
auf den Degen). 0 mein Schwerdt!
mein Schwerdt! Sey nur geduldig,
du sollst nicht lang mehr in der
Scheide schmachten, du sollst dir
an Dänenblut einen Bausch trinken,
dass es eine Lust ist. — ■ Wo bist
du, Lamy?
Lamy. Dero getreueste Diener
ist hier, steht bei dem tapfern,
majestätischen Helden, dessen Tha-
ten und Tugenden Martern et Bel-
lonam selber zum Stillschweigen
bringen.
Kalekut. Martern — ■ ist das nicht
der Bärenhäuter, dem ich im Suc-
cessionskriege in der Bataille bei —
Byswick das Leben schenkte — da-
mals als ich noch in österreichischen
Diensten war.
Lamy (hustet). Ganz richtig —
dessen Bataillon dieselben, dass ich
so sagen mag, mit Ihrem blossen
Anblick übern Haufen warfen.
Kalekut. Kleinigkeit !
Lamy. Freilich wenn ich der
andern preisswürdigen Thaten
Meldung thun wollte, (bei Seite)
die nimmer geschehen sind, (laut)
aber Dero Bescheidenheit —
') Bei Weinhold. a. a. 0.. S. 30—77.
") Ausg. von Tieck (1828), S. 75—123.
E. Lenz, Die Entführungen.
649
Officier. Wo ist er?
Artotrogus. Hier mein werthester
Herr! Vom Elephanten sagte ich,
welchem Dieselben in Indien den
Arm brach.
Officier. Den Arm?
Artotrogus. Das Bein, wollte ich
sagen, mit einem Schlag, den Sie
mit Ihrer flachen Hand darauf
thaten.
Officier. Ich war damals noch
dazu nicht recht disponirt —
Artotrogus. Ey freylich, wenn
Dieselben hätten Dero Leibeskräfte
brauchen wollen, Sie wären ihm
mit der Faust durch Fell, Einge-
weyde und Knochen gefahren, wie
durch einen Eyerkuchen.
Officier. Denk er mir nicht
daran! u. s. w.
Kalekut. Erzähle nur, es hat
nichts zu sagen, ich denk' gern an
die vergangenen Zeiten.
Lamy. 0 es liesse sich ein Buch
davon schreiben, als zum Exempel
— (hustet) als Sie noch in hollän-
dischen Diensten waren — ■ (bei Seite)
wenn ich nur nicht so hungrig wäre,
ich wollte dir was anders erzählen —
Kalekut (sieht sich um). Nun,
wo bist du?
Lamy. Hier gnädiger Herr —
vom Elephanten sagte ich, dem
dieselben in Indien den Arm bra —
Kalekut. Den Arm?
Lamy. Das Bein wollt' ich sa-
gen, mit einem kleinen Schlag,
den Sie mit Ihrer flachen Hand
darauf thaten.
Kalekut. Ich war noch dazu da-
mals nicht recht aufgeräumt.
Lamy. Ei freilich, wenn Sie Ihre
Leibeskräfte hätten brauchen wol-
len, Sie wären ihm durch den gan-
zen Leib gefahren, wie durch einen
Eierkuchen, he, he, he.
Kalekut. Denk nur nicht mehr
dran. u. s. w.
Dies ist das Verhältnis der Lenzsehen Stücke zu einander
tmd zum Wortlaute des Originales. Die Handlung der Entfüh-
rungen ist die folgende.
I. Akt. (1.) Herr von Kalekut, der Offizier ist mit
seinem Klienten Lamy in einem Gespräch, das sich zunächst
um Kalekut s Heldenthaten dreht, welche Lamy, der zwei Seelen-
kräfte besitzt, die gut sind, sein Gedächtnis und seinen Magen, be-
sonders preist. Vor allem erfreut sich Kalekut der hohen Gunst aller
Weiber. (2.) Bernhard, Herrn von Kalekuts Kammerdiener,
schildert im Gespräche mit Lamy den Offizier des Weiteren. Er
ist „der unerträglichste Narr auf Gottes Erdboden" . . . „Er
meint, die ganze Welt zittert vor ihm, und alle Weiber möchten
sich um seinetwillen aufhängen." Bernhard diente zuletzt in
Hamburg bei einem reichen jungen Kaufmann Meyer, der in
Rosemunde, die Tochter des Katschreibers, sich verliebte. Einmal
musste Meyer in Geschäften nach Amsterdam fahren, inzwischen
kam Kalekut, mietete sich bei der Ratschreiberswitwe ein und
entführte Rosemunde nach Lübeck. Sogleich eilte Bernhard
seinem Herrn nach, wurde aber von einem schwedischen Schiffe
gekapert und von dem Schiffsherrn, dem Offizier Kalekut, dei-
chen mit Rosemunde in Stockholm weilte, als Leibeigener
650 XII. Miles gloriosus.
geschenkt. In einem unbewachten Augenblicke gesteht Rose-
munde dem Diener, dass sie nur Herrn Meyer liebe: Bernhard
schrieb ihm dies nach Amsterdam, worauf er sofort hierher
kam und bei dem alten Kraft Wohnung nahm, dem lustigsten
und scharmantesten Mann von der Welt, der so weit ging, die
Mauer seines an des Offiziers Quartier anstossenden Hauses durch-
brechen zu lassen, sodass die Jungfer nur die Tapete aufheben
darf, um aus Kalekuts Wohnung in jene Meyers zu gelangen.
II. Akt. (1.) Herr Kraft zankt ins Haus hinein. Bei
ihm habe niemand zu spionieren. „Ich sag es euch noch einmal,
sobald einer von 's Offiziers Leuten auf meinem Dach erscheint,
den Bernhard ausgenommen, mag er Tauben oder Affen oder
den Teufel suchen, den werft auf die Strass' hinab, dass er mit
dem Kopf auf dem Pflaster stehen bleibt." Bernhard teilt er
alsdann den Grund seines Argers mit. ..Wir sind verraten. Dort
hat einer von meinem Altan herabgeguckt, eben als Meyer und
Rosemunde sich karessirten. " Bernhard findet schnell den
Ausweg. ..Eine leibliche Schwester der Jungfer Rösemunde
soll mit ihrem Mann aus Riga hier angekommen" und bei Kraft
abgestiegen sein. Sie sehen sich ähnlich, „wie ein Tropfen Milch
dem andern." (2.) Erst wird Ehrenhold, welcher, dem ent-
kommenen Affen nachkletternd, die Liebenden belauschte, betrogen,
(3.) sodass er Rösemunde alles abbittet; alsbald (4.) kömmt
Rösemunde als Zwillingsschwester von Riga umgekleidet. (5.) H er r
Kraft rückt nun derb über Ehrenhold ein, dass er seinen Gast auf
der Strasse anfalle: er werde sich Genugthuung beim Offizier erholen.
III. Akt. (1.) Im Gespräche mit Meyer erweist sich Herr
Kraft noch als einen lebensfrohen Alten. Er hat stets jungen
Leuten seine Hilfe angedeihen lassen. „Der alte Kraft macht
auch mit, und sollt' er ohne Perücke nach Hause gehn." In
launiger Weise malt er aus, warum er nicht geheiratet habe.
Nun beraten sie sich über die weiteren Massregeln, die getroffen
werden müssen. Bernhard erbittet sich Krafts Ring. Lamys
Tochter soll dem Offizier als Krafts Ehefrau vorgestellt werden
und thun, als sei sie in Kalekut verliebt. Zum Beweise soll
sie ihm den Ring zusenden. (2.) Zum Glücke erfährt Bernhard,
dass sich Ehrenhold angetrunken habe und so auch der Auf-
passer weg sei. (3.) Herr Kraft unterrichtet noch Henriette,
Lamys Tochter, und das Mädchen Gertrud über die Rolle,
welche sie durchzuführen haben.
IV. Akt. (1.) Herr von Kalekut erhält von Bernhard
den Ring der bewussten, in ihn verliebten Dame, dem einzigen
..Frauenzimmer in der ganzen Stadt, das sich für seine Figur
schickt": (Ad tuam formam illa una dignast. Y. 968.) Er
will nun schleunigst Rosemunde anbringen. (2.) Seine Leiden-
E. Lenz. Gock. Mally. 651
schalt reizt Gert rüde noch in höherem Masse. Bernhard steht,
ihr wacker zur Seite. ..Herzoginnen/' sagt er dem Mädchen,
„gahen ihm schon Herzogtümer für eine Nacht... Und es werden
Lauter Generals, was er macht.- (F. 1077. Meri bellatores
gignxintur, qtias hie praegnatis fecit.) (3.) Meyer soll sich
nun als Schiffer verkleiden, und ..da wird sie der Offizier selbst
noch treiben, damit's Schiff nicht fortgeht." (4.) Kalekut hat
wirklich mit Rosemunde gebrochen. „Nimmermehr hätt' ichs
geglaubt, dass das Mädchen mich so liebte." Er hat ihr alles
geschenkt, was sie von ihm erhalten hatte, den Bernhard dazu,
sodass auch dieser in lautes Schluchzen bei der Trennung von
seinem Herrn ausbricht. (S.) Henriette spielt ihre Rolle treff-
lich; da man dem Offizier versichert, sie habe seinethalbeu ihren
Mann aus ihrem Hause Verstössen, lässt er sich herbei, ihr zu
folgen. (6.) Meyer, als Schiffer, erhält (7.) Rosemunde, die
mit Thränen scheidet. „Hier wohnte der edelste, der gross-
mütigste Mann, hier wohnte Freud und Glückseligkeit," sind ihre
Abschieds worte, denen auch Bernhard launige Reden anfügt.
V. Akt. (1.) Kraft, Lamy und ein Koch prügeln den Offizier
weidlich durch. Der Koch hat Auftrag, ihm den Bauch aufzuschneiden
und ihn zu kastrieren. Aus Gnade will man ihn schonen, falls er
einen Eid schwört, sich wegen der erhaltenen Prügel nicht rächen
zu wollen. Da er dies gerne beschwört, sagt ihm Kraft: „So wisse
denn, dass ich nie verheirathet gewesen bin. Die Person, die dich
in mein Haus lockte, war Lamys Tochter." (2.) Eilig will Ka-
lekut, da die peinliche Szene vorüber ist, Rosemunde zurück-
holen, aber er erfährt von Ehrenhold, dass der Mann im Schiffer-
ge wände ihr Galan war. Wenn man den Worten Kai eleu ts
Glauben schenken darf, so ist er hinlänglich gewitzigt. „Sie
haben mir alle geschmeichelt, um mich um meinen Verstand zu
bringen. Von nun an will ich glauben, ich sei hässlicher, als
der Teufel; das ist das beste Mittel, mich von den verfluchten
Schmeichlern in acht zu nehmen; von nun an will ich vor jedem
Weibe laufen, wie vor einer Schlange, denn beide sind gleich
giftig und listig; von nun an will ich kein Weib mehr ansehen,
ich will mich einschliessen, mich kastrieren, mich — — (zum
Parterre) Klatscht ihr noch?-'
Weiter wurde der .. M iles gloriosus" in Deutsehland verbreitet
durch die Übertragung des S. A. Gock (Lehrer in Münsingen),
„Der grosssprecherische Offizier", Reutlingen 1797 (Prosa,
für die Bühne), und des Karl Friedrich Mally, „Der prahle-
rische Krieger," Berlin (Fröhlich) 1805 (metrisch).) Andere
') Gödcke, Grundriss. II, 1049. — Schweiger, Handb. der klass.
Bibliogr. H, 2; 755.
652 xM. Miles gloriosus.
schrieben diese Übersetzung- dem Joli. Ferd. Koreff zu. Dass
D. Falk in seinem ,. Ainphitruo " auch den ..Miles gloriosus"
hereinzieht, ist dort bereits erwähnt worden (S. 219).
So anziehend die Person des Miles selbst für die Lust-
spieldiehter war, das ganze auf ihm beruhende Stück mochte
nicht passen, um nachgedichtet zu werden. Darum haben
wir wenige Imitationen der Fabel des ,.Miles gloriosus";
niemand aber vermöchte die Stücke aufzuzählen, in
welchen diese Figur eine Rolle, meist sogar eine sehr
bedeutende, spielt.
Der erste italienische Capitan stammt aus dem fünfzehnten
Jahrhundert. Spavento kam 1577 nach Frankreich: 1618 spielte
Mondor (anagrammatisch aus Rodomonte) den Kapitän,, „la
bravura, la valore del todo el mondo". Spezzafer trug bis
1668 das Kostüm der Hofleute Heinrich IV. Giuseppe Bianchi
(gest. 1680) brachte ihn (1639) nach Paris.')
Der Capitan zählte besonders in der commedia de 11' arte
zu den ständigen Figuren und trat fast in jedem Lustspiel auf.
ImTeatro delle Fauole rappresentatiue des Seal a fehlt unter
fünfzig Stücken der Capitan nur sechsmal (in No. 8, 21, 26,
27, 34, 36). Und auch in der Fremde treffen wir ihn, wo ita-
lienische Stücke improvisiert werden. So stellte der bairische
Herzog Wilhelm V. (1579 — 1597) an den berühmten Orlando
di Lasso (1520 — 1594) das Verlangen, ihm eine improvisierte
italienische Komödie aufführen zu lassen. In dieser begegnet uns
wieder der ,,spagnolo desperato" Don Diego de Mendoza,
der im zweiten Akte seinem Diener alle seine Heldenthaten vorführt,
und erzählt, wie viele hunderte er in den Nachen Charons gesendet
habe.2) (8. März 1568.)
') Sand, Masques et bouftbns. I, 169.
2) Die Aufführung- ist beschrieben in den „Discorsi delli triomfi,
giostre, apparati, e delle cose piu uotabili fatte uelle sontuose nozze
dell' Illustrissimo e Eccellentissimo Signor Duca Guglielmo, primo genito
del generosissimo Alberto Quinto, Conte Palatino del Ueno e Duea della
Baviera alta e Bassa, nell' Anno 1568 a 22 di Febraro . . . des Massimo
Troiano. In Monaco appresso Adaino Montano (Berg.) 1568." (Eine an-
dere Ausgabe erschien als „Dialoghi di Massimo Troiano" etc. in Yenetia.
appresso Bolognino Zaltieri 1569; eine freie Übersetzung von F. Würth-
niann. München 1842.) Die Mitteilung Trojanos lautet: e qui vsci,
lo spagnolo col core sonmierso nel pelago della rabbia detta Gelosia:
iui narra al suo seruitore, quante grandezze e prodezze, e
quanti con le sue mani alla barca di Caronte, a cento a cento
gir fatto hauea: & hora vna vil donna priuato 1? hauea del suo va-
loroso core: forzato dall' Amore. vä e troua la sua cara Camilla u. s. w.
(Würthmaun, S. 102 ff.)
Orazio Vecchi. S. Tarentino. And. Calmo. 653
Indes auch in den Stücken der kunstgerechten Dichter
fehlt der Capitano zu einer gewissen Zeit fast niemals.
Mit dem Personal der Kunstkomödie kam der prahlerische
Spanier, hier als Capitan Cardone, auch in eine der aller-
frühesten (1597) komischen Opern, den Anfiparnasso, des Mode-
nesers Orazio Vecchi. Dort singt er seine meist spanischen
Arien.1) Isabella, seine Angebetete, verfahrt mit ihm nicht
besser, als wir es an dem „Miles'' gewohnt sind:
S' a gli arcabagni & alle collubrine
Set' uso a far gran core,
Perche temete poi scherzi d' amore?
fragt sie ihn.
Perche todo vince amor!
muss ihr der Schlachtensieger gestehen.
In der herkömmlichen Form bewegt sich der Capitan Biz-
zarro des Secondo Tarentino.2) Er ist die Geissei der Tapferkeit.
Non sapete Nafissa che mi chiama
Flagel de la brauura il mondo tutto,
& ogni ualent' huom mi teme, & ama.
(fol. 9b.) Er schildert sich selbst (fol. 22 a):
che bizzarro, bizzarro, in su la terra
il Capitan bizzarro mi chiam' io,
Che metto con 1' ardir il ciel sotterra
plusquamperfetto Capitan da bene
ualent' huomo, buon soldato, huomo di guerra ;
und (fol. 30 a):
Potta del mondo io son si esperto ä 1' arte
de la militia, che terror ne piglia
non sol un' huom, ma il gran popol di Marte.
In der Komödie des Andrea Calmo „La Spagnolas"3)
spielt in bekannter Weise der „brauo Venetian" Spezzaferro.
*) Le rivoluzioni del teatro musicale italiano dalla sua origine fino
al presente. Opera di Stefano Arteaga. 2 ediz. 3 voll. Venezia
1785. Bd. L, S. 263—267. — Fried. Bouterwek, Gesch. der Poesie
u. Beredsamkeit. (Göttingen 1802.) IL Bd., S. 406. — Ruth, a. a. 0.
LT, 621.
2) II Capitan | Bizzarro. | Comedia del Secondo Tarentino. | Recitata
in Tarento, in casa del Signor | Trolio Suffiano. | In Vineggia | Appresso
di Agostino Bindoni | 1551. (38 fol.)
3) La Spagnolas | Comedia del S. Scar | pella Bei'gamasco | et altre
diverse | lingve de per | sonaggi. | Cosa bellissima, & giocosa con la
giunta del Proemio da 1' istesso aut|tore Andrea Calmo. | Con gratia e
priuilcgio. | In Vinetia Appresso Stephano di Alessi, alla | Libraria del
Caualletto, al Fontegho de i Todejschi, in Calle de la Bissa 1555.
654 XII. Miles gloriosus.
Giov. Cecehi behandelt den „Capitan" mit besonderer
Vorliebe. Wir treffen ihn als Lanfranco Cäcciadiavölo im
Lustspiele ..II Martello" und den spanischen Maulhelden in
Ceechis ..1 Rivali*-. Der prahlerische Ignico, spagnuolo, sol-
dato di guarnigione, tritt in der letzteren Komödie mir zweimal
auf ] öfter aber wird er mit dem sonst üblichen Namen des Ro-
domonte (II, 2) bezeichnet.
0 sea gallo, o sea gallina.
Lo quiero de matar!
ruft er (III. 4). Sgalla schildert ihn hübsch, als:
Uno
Spagnuolo di Spagna ; al piü, al piü parente
Di Falserone di Ferrau o della
Mula del potesta di Montestentoli.
Es sind meist treffliehe Missverständnisse, die er mit seinem
Spanisch erzielt.
Que yo sere venido
Aqui de Liorna per algo y ve juro
A Dios que si puedo tener rastro
Yo le bare conocer quien es el
Senor Inigo Carpion de Buziquilles,
erklärt er (IV, 3), worauf Spill o in die Worte ausbricht:
Ob che grau bravo! suo padre e suo avolo
Fracassavan i campi con 1' aratolo.
Des Capitan Fracassa in der Emilia des Luigi Groto
Cieco di Hadria ist bereits S. 416 ff. Erwähnung geschehen.
In den Komödien des della Porta1) (geboren um 1540)
findet sich der Capitan in der üblichen Form. In der Fantesca
(82 fol.) dieses Dichters finden wir den spanischen Kapitän Dante;
in der Trappolaria (71 fol.) desselben spielt der Capitano
Dragoleone und sein Diener Dentifrangolo. Es ist der
gewöhnliche „Miles" des Plautus, der aller Frauenherzen
sicher ist (III, 7): „lo ho fatto piü piaghe con gli occhi inna-
morando le gentildonne che non ho fatto con la spada e col mio viso
d' angiolo1', und der seines Heldentums sich bewusst bleibt: „Arme,
arme, allacciatemi 1' elmo, affibiatemi la corazza, o lä, cingetemi
la fulminea" u. s. w. als „lo struggimondo". Im ferneren Ver-
laufe (IV, 9) nennt er sich ..il connnissario della peste, il luogo-
') Comedie del S. Gio. Battista della Porta Napolitano cioe la
Trappolaria, L' Olimpia & la Fantesca. Nuouamente poste in luce «Sc
con cliligenza corrette. Vinegia (Presso Gio. Battista & Gio. Bernardo
Sessa) 1597.
Della Portas Capitani. 655
tenente della morte, il colonello dell' vccisioni". Sein Ruhm ist so
gross, „che bisogna allargarsi il mondo per capirla . . . Ad vn mio
cenno ho cento bandiere di soldati ehe porranno sossoprail mondo...
Ho le braccia eosi lunghe che giungono insino a 1' Inghilterra".
Im allgemeinen spielt er hier eine untergeordnetere Rolle.
Wiederum ein Capitan spielt in della Portas Olimpia
(G5 fol.). Hier heisst er bedeutungsvoll Trasilogo (&gaffvg, Xeyut)
und sein Diener Squadra. Es ist der alte ruhmredige Soldat:
„Fraeasso e Spezzaeatene racconcino 1' armario, poliscano 1' arma-
ture e forbiscano ben bene la mia passacuori ehe sia piü splen-
dente che '1 Sole in Leone') che calando di sopra il colpo il lncido
paia il lampo e caduto il tuono". Er ist in Olimpia verliebt,
doch will er sein Antlitz bedecken, denn: „ho tanta virtü in qnesti
occhi fanellanti che stando irato non e persona di si intrepido
cnore che vi possa fissar lo sgnardo . . . onnnqne vado vien meco
la morte e lo spanento."
Seine Rodomontaden sind die üblichen (II, 5). „Deh
che m' attaccassi hora alla scaramuecia con mille persone che in
.re colpi ve vorrei far cento pezzi di tutti, che non vorrei mai
tirar colpo che non andasse a pieno ne volger sgnardo che non
mi facessi fhggir dinanzi vna compagnia. " Wie Pyrgopolinices,
dem er ziemlich getreu nachgebildet ist, ist er (nach V. 1055)
„Capitan Trasilogo, roninando gli eserciti, distruggitor delle
cittadi, euersor de gl' Imperi, " und (III, 6) „il Capitan Trasi-
logo, sgombrator di Campagne, destrnttor di belouardi, ruina di
muraglie e desolator de cittadi". — Schon die Namen seiner
Diener (Pestamuso, Francinaso, Pelabarba, Rompicollo,
Spezzaeatene, Cacciadiauoli) vermögen Schrecken einzuflössen.
Della Portas Stücke sind genau nach den antiken Mustern
gearbeitet; überall begegnet uns ein prächtiger Parasit, unter
denen sich besonders der in der Trapp olaria mit dem ominösen
Namen Fagone (cpaytlv)2) auszeichnet und Mastica in der
Olimpia. Hier treffen wir auch den Pädagogen Protodidas-
calo, gleichfalls eine bekannte Gestalt.
1) Nach Plautus (V. 1), was die meisten Capitani herübergenom-
men haben.
2) Sein Witz gipfelt in einem schönen Traume, den er (II, 3) hatte.
Es träumte ihm: „che notaua in vn mar di brodo grasso, e che ad ogni
bracciata incontraua rauioli, e maccheroni grossi, e limghi vn palmo
1' vno che sdrucciolauano giu da vno scoglio di cascio Parmigiano gra-
tuggiato e di passo in passo 1' onde buttauano capponi lessi, galli d' India
cotti, con pezzi di vitelle, che pareuauo di lntte, & io come vna balena
che trangugia le navi cosi trangugiaua vitelle e galli d' India, e
i maccheroni a ijuatro, a quatro come ciregie. Ohne che come mi
suegliai, mi trouai hau er digesto, e il venire voto come una vessica
gonfiata."
656 XII. Miles gloriosus.
In der Talanta des Pietro Aretino1) spielt der Soldat
Tinea mit seinem Parasiten B ran ca. Der letztere erhebt, wie
es herkömmlich ist, die Heldenthaten seines Herrn, der für einen
„Ettor Trojano" gehalten werden will (III, 12), und unter dessen
mannigfachen Tugenden „quella della liberalita e in me laudata
bestialissimam enteu. Alles an ihm ist aussergewölmlich. „Tro-
vami, " sagt er, „domattina un poeta che metta i miei fatti in canto
et un musico che gli ponga in rima. •' Er schwört (IV, 3) „per
1' ala dela mia fama, per lo sangue svenato da questo stoeco, e
per 1' anime che ho dato al limbo". Selbst seine Liebesworte
Averden militärisch. Seine Talanta spricht er an (III, 13): „Elmetto
del mio capo, corazza del mio dosso, gambale de' miei stinchi,
e barde del mio corsiero . . . pendaglio de le mie insegne . . . carro del
mio trionfo . . . mia scaramuccia, mia imbasciata, e mia sentinella. "
Im Seruo astuto des Vergilio Verucci2) treffen wir den
spanischen Kapitän. „Mirate quanto orgoglio che regna in questo
capitano delle ranocchie come se non sapessimo chi sia, " sagt ihm
Nespola (I, 6). Alle fliehen ihn; nur die Liebe nicht.
„Todos mi cedon, cadauno me huse y ninguno quiere tozar migo
sino aquello scelerado bastardello di Amor" (IV, 5). Er ist
der herkömmliche „regidor de huestes, vn refrenador de prouin-
cias, un vincedor de enemigos, vn domador de Elefantes (Plautus,
V. 25?), Orsos, tigres, Panteras, leones, Basiliscos, Dragones y
Serpientes de los mas feros y velenosos , che se allassero nunqua
en toda Arabia, vn digo al valor delo que dan tributo no sola-
mente el Turco con la masor parte delos Principes . . . mas tarn
bien las cosas sin anima, como las torres, bastillos, Montes, los
Rios, lagos, bosques de arboles y cadauer otro elemento, y cosa
creada . . . Como puede ser digo que vn hombre di tan valor se ne stea
agora . . . sin hazer ninguna guerra, batalla, contencion, mortandado
almenos da quattros piattonadas ad alguno vellaco ..." u. s. w. (I, 6).
Ins Überirdische, wie später Andreini, überträgt der Neapo-
litaner Fabrizio de' Fornaris, der berühmte Darsteller des
Capitano Cocodrillo, ein Mitglied der Confidenti (um 1570),
seine Heldenthaten. So erzählt er in seinem Lustspiele ,,L' An-
gelica"3) (S. 34; I, 4): „Combattiendo yo vino vna bala d' ar-
') La Talanta, commedia di Messer Pietro Aretino auf S. 133 — 394
im 247. Bande der Classici Italiani (Band 8 des Teatro Italiano antico).
Milano 1809. — Buth erblickt in Tinea den Capitano Spavento der
commedia dell' arte. — Prölss, I, 2; S. 125.
2) II Seruo Astuto [ Comedia delSig. | Vergilio Verucci | Gentil' huomo
Bomano | Dottor di Legge | Detto 1' Vniuersale nell' Academia dell' Intri-
gati di Koma. In Vinegia 1G10. appresso Alessandro Vecchi. 113 pag.-
3) L' Angelica | Comedia | di | Fabritio | de Fornaris | Napolitanol
detto il Capitano Cocodrillo | Comico Confidente. | In Venetia 1607. |
Appresso Francesco Bariletti. 144 Seiten. —Vgl. auch Buth, II, 493.
Goldoni. Andreini. 657
tilleria, y nie diö ne la bocca y nie saccö d' ella dos dientes
como veys sin hazer me otro mal. Yo tomo esta bala en las
manos y la bnoeluo a tras contra los enemigos y doy en vna
torre adonde bauia mil y quinientos soldados y la heclio por tierra
con mattar todos los soldados la bize comxertir en poluo, ne aun
quedö sennal adonde staua. Cleorila viendo mi braneza me vinö
encontra con la espada por mattar me, yo paro con mi espada
y le corto al brazo y 1' becbo per tierra con toda la espada, y
despnes le tomo por los cabellos y la becbo con tal fnria hazia
al cielo que llegada al fuso del hemispero lo rompe y entra nel
quinto cielo y balla Marte que iugaua a taroque con Venus y le
rompe la cabeza.
Venus empieza ä critar aiudo, aiudo; todos los Dioses y las
Diosas del Zielo espantados llamauan ä Ioue que le soccoriesse;
Ioue uiendo Marte por tierra espautado desto viene ä su ventana,
quando yo rodeando mi espada contra los enemigos parezia al
fuego que salia della vn nueuo Mongibello. Dixo, ninguno de
vos otros diga nada, porque el que ba mattado Marte ha sido
el Capitan Cocodrillo, y agora sta enojado, podria venir en el
cielo y mattarnos todos.-'
So ist der Capitano, bei Plautus noch der Liebling des
Mars, bereits zum Mörder des Kriegsgottes geworden!
Und so spielen diese Capitani in Italien1) fort bis auf Gol-
doui herab, der in seinem Lustspiele ,,L' Amante militare"2)
nochmal in Don Gar'cias den allerdings stark abgeblassten
Schatten des alteu Miles gloriosus auf die Bühne bringt.3)
Indessen war schon im Jahre 1607 ein förmliches Kom-
pendium zum „Miles", eine ganze Charakteristik des Ca-
pitano in dem Buche „Le bravure del Capitano Spavento"
des Francesco Andreini4) aus Pistoja (gest. um 1624) er-
') Der Miles mag ausser vielen z. B. zu gründe liegen dem „Vanto
di un Soldato". Opera di Ant. Pietro di Mico in Siena presso a
S. Viglio. — 1546. (Allacci, 329.) „Li tre Capitani vanagloriosi."
Rappresentatione di Silvio Fiorillo Comico in Napoli per Dominico
di Ferrante Maccarano 1621 & 1640. — (Allacci, 322.) „II capitan
schernito " di C. di Rouiglio Lutai, cioeVirgilio Salvi. 1653. (Allacci, 56.)
2) Auf S. 1 — 71 des neunzehnten Bandes der „Collezione com-
pleta delle commedie di Carlo Goldoni. Prato (per i F. Giachetti) 1822".
3) An ruhmredigen Soldaten fehlt es auch in Goldonis „La
guerra" nicht.
4) Ein zweiter Teil erschien im Jahre 1618. — Vor mir liegt: „Le|
Bravvre | del Capitano | Spavento, | Diuise in molti ragionamenti | in
forma di Dialogo; | di Francesco Andreini | da Pistoia Comico Geloso. |
Et in questa Quarta Irnpresskme dal proprio Autore ricorrette, & aggiun-
toui | nel fine dieci nuoui Ragionamenti diletteuoli, e curiosi. | Con
Licenza de' Superiori, & Priuilegio. — In Venetia MDCXXXIIII. | Appresso
Vicenzo Somasco. | (132 fol.)" — Ferner: „La seoohda parte | delle J Bra-
vvre | del Capitano | Spauento, | di Francesco Andreini. | Da Pistoia Co-
42
658 XII. Miles gloriosus.
schienen und von Jean de Fonteny im Jahre 1608 als „Les
Bra \ acheries du Cap itaine Spavente" ins Französische über-
setzt worden. 1)
Diese Bravure del Gapitano sind eine förmliche Anleitung-,
den Capitan in allen Lagen des Lebens zu spielen. In der
Vorrede erzählt uns Andreini, dass er sein früheres Fach als
Liehhaber aufgegeben habe, um den prahlerischen Soldaten ganz
zu übernehmen.
„Mentre ch' io vissi", berichtet er,2) „nella famosa compagnia
dei Comici Gelosi ... mi compiacqui di rappresentar nelle Comedie
la parte del Milite superbo, ambitioso, e vantatore, facendomi
chiamare il Capitan Spauento da Vall' Interna. E talmente mi
compiacqui in essa, ch' io lasciai di recitare la parte mia princi-
pale, la quäle era quella dell' innamorato. E perch' io bramaua
di preseruarmi, e di non dicadere da quel grido che acquistato
m' hauea in quei tempi famosi, mi diedi con molto studio allo
studio della parte del sopranominato Capitano solo per renderla,
piu che per nie si poteua, ricca & adorna. "
Der erste Teil enthält (in der vierten Ausgabe) fünf und
sechzig, der zweite vierzig Eagionamenti, d. h. Szenen,
in welchen in verschiedenen Situationen der Capitano Spavento
mit seinem Diener Trapp ola sich bespricht. Jede dieser im
allgemeinen äusserst langweiligen, nicht selten sehr doktrinär
gehaltenen Unterredungen der beiden bekannten Gestalten, deren
Charakter indessen nicht immer mit besonderer Konsequenz fest-
gehalten ist, umfasst durchschnittlich vier Seiten. Die Aufnahme
seitens des Publikums muss eine sehr günstige gewesen sein, so-
dass Andreini in der Vorrede zum zweiten Teil schreiben
konnte: . . . „Mi sono messo ä scriuere la seconda Parte delle
brauure del Capitano Spauento, la quäle in se contiene fauolosi
pensieri, cauati da bellissime fauole di Poeti, Greci e Latini, tirati
tutti ä piaceuol senso delle brauure del detto Capitano Spauento,
come nella Prima parte si puö uedere, stampata e ristampata
molte uolte in Venetia."
So enthält z. B. der erste Teil:
mico Geloso. | Divisa in Quaranta Ragionarnenti. | Declicata | All' Illu-
striss. et Eccell. Sig. [ D. Giovanni Meclici. | L' Anno 1617. | Con Licentia
de' Superiori, & Priuilegio. | In Venetia MDCXYEH. | Appresso Vicenzo
Somasco. (84 fol.)"
') S. Riccoboni, Reflexion* etc., S. 120. — Beauchainps, Re-
cherches. II, 77. — M. Sand, Masques etc. I, 195. — Auch im frz.
Ballet begegnen wir diesen Figuren des Capitan Spavento, Capitan
Mataruore (z.B. 10. Febr. 1627), s. Beauchamps, Reckerches. DI, 44.
2) Francesco Andreini da Pistoia, detto il Capitano Spa-
vento, Comico Geloso ä i Lettori.
Andreinis Eagionamenti. 659
Ragion. I. II Capitano Spauento racconta al seruitore
1' essere suo, e della inostra generale della gente ä
cauallo.
II. Della guerra fatta ä Gioue, e come lo facesse suo
prigione.
III. Del giuoco del Pallone, del giostrare, e del correre
all' anello.
IV. Della caccia del Ceruo, del Ciugliiale, e dell' Orso.
V. De' suoi rigli bastardi, e del contrasto hauuto con Giano.
VI. Della sua habitatione, della sua seruitü, della sua spada,
e della sua Galea.
VII. Del suo natale, e del banehetto fatto al Diauolo, & alla
Morte.
VIII. Come fü fatto prigioniero d' Amore, come si liberasse, e
di una lettera strauagante scritta alla sua Donna.
IX. Della partita al Pallone, fatta con diuerse Deitä.
X. De i Fulmini, del Coas, e del suo Barbiero,
und älmlicbes. Ebenso der zweite Teil:
Ragion. I. Del trionfo d' Amore. II. Innamoramento del Capitano
Spauento. III. La Monarcliia del Capitano Spauento. IV. II
Capitano Spauento combatte nel Cielo di Marte. V. II Capitano
Spauento libera Ainore ne campi Elisij. VI. Essercito strauagante
del Capitano Spauento. VII. Strano nascimento del Capitano
Spauento. VIII. Trasformation d' vna serua del Capitano Spauento.
LX. Capitano Spauento Scultore eccellentissimo. X. Capitano
Spauento distrugge 1' Albergo del Sonno, u. s. w.
Man siebt aus diesen Titeln bereits, dass es ins Gebiet des
Fabelhaften gebt. Der Kapitän befreit einen Seegott (13): kämpft
mit Gespenstern (17), löst Zauber (18), besucbt den Saturn (23),
legt sieb zwischen Sonne und Mond, wodurch eine Sonnenfinsternis
entsteht (25) und anderes albernes Zeug. Der natürliche Hu-
mor ist zu Ende: die seltsamsten Abenteuerlichkeiten
werden zu Hilfe gerufen.
Dennoch aber erkennen wir in manchen Zügen den
Grosssprecher der alten Komödie noch. Grossartig ist sein
Titel: ,.Io sono il Capitano Spauento da Valle Inferna. Prencipe
de gl' Insossiegadi, Re de i Superbi, Imperator de gli Ambitiosi,
e Monarca de gli huomini Iracondi ... Io sono quello che col
capo minaccia 1' Orto, col piede preme 1' Occaso, con la sinistra
mano lega 1' Austro, e con la destra doma il freddo, e agghiacciato
Settentrione (I, IV). " An ihn adressierte Briefe lauten: ,, Allo strenuo,
inuitto, & insuperabil Capitano, il Capitano Spauento da ValT in-
ferna, per sopra nome detto il diabolico (II, XXXIH). Bei seiner
Geburt ging es seltsam bei-; er sprang aus der Mutter Leib.
42*
66Q XII. Miles gloriosus.
(„Neil' vltima doglia ehe le [der Mutter] nenne, saltai fuora gri-
dando, sono il Capitano Spauento" [II, IV]); sein Leib war ge-
schuppt („io quando nacqni, nacqui vestito di piastra e maglia,
ruggendo, come febricitante Leone, & fischiando, come arrabbiato
Serpente" [I, Xm], und das Fatum begrüsste ihn mit den Worten:
..Capitano Spauento, Vä; Vedi, e Vinci" (I, LX). Mars wurde
sein Leutnant (I, XLIV). Allseitige Bewunderung folgte ibm;
vier Weise kamen „sopra i confini dell' Asia, dell' Europa, solo
per parlamentare insieme, e per conoscere di quäl genere fusse
la brauura mia" (I, XLm). Er braucht keinen Ämilius Paullus,
keinen Kato, Szipio u. s. w. zu beneiden, denn alle ihre Vorzüge
besitzt er im Überfluss (I, XXIII). Könige und Fürsten haben
sich um seine Verwandtschaft beworben. („Graudissima discordia,
estremo litigio e nato nella Cittä, doue al presente siamo, solo
perche ogni nobilissimo Caualliero vorrebbe meco apparentare, e
darmi Moglie" [I, V]). Auch die Damenwelt ist ihm hold.
Schon als er als Jüngling Athen besuchte, bezauberte er alle.
(,,Innamorai di me tutte quelle Pulzelle Atheniesi" [II, XXX]).
Eine Unzahl Weiber verfolgt ihn ob seiner unwiderstehlichen
Schönheit. Er wird geliebt „da un numero infinito di donue,
perche chi mira la mia bellezza, e non 1' ama, e non 1' ammira,
o non e donna, o di giuditio priua" (II, IX). Und doch hat er
nicht geheiratet. Und weshalb? Kein Sohn hätte seine Grösse
erreichen können! (Qual tigliuolo potrebbe giamai vguagliarsi al
Capitano Spauento, suo padre?" [I, LXII]).
Wie einige seiner Vettern hat auch er in seinem Blicke die
Kraft der Medusa. Ein Maler wollte ihn abnehmen; allein er
litt es nicht, „perche il mio ritratto haurebbe hauuto la uirtü, che
haueua il uolto di Medusa, che trasformaua in sasso, chi la mi-
raua" (II, XXVIII). So konnte der Tod, als er einmal seines
Waltens müde wurde, keinen besseren Stellvertreter finden, als
den gewaltigen Capitan, und ihm übertrug er sein Amt. („Essendo
la Morte stracca, & infastidita di tanto vccidere, e di tanto spargere
humano sangue, sene venne vna mattina meco ä desinare ... la
Morte mi pregö, che per vn niese io volessi essercitare 1' ufhcio
suo" [I, xxn]).
Gewiss lässt sich diese Arbeit Andreinis als ein Kom-
pendium über den Capitano, den sie uns in einhundert-
fünf Szenen der verschiedensten Art vorführt, bezeichnen. Sie
ist uns ein Beleg für die unendliche Beliebtheit dieser Bühnen-
figur, die auf den Brettern unentbehrlich erschien, zugleich auch
für die schwierige Lage, in welcher sich der Darsteller befand,
der sich abmühen musste, in dieser Gestalt immer etwas Neues zu
bringen, und der infolge dessen zu den seltsamsten Absonderlich-
keiten griff. Wir sehen aus diesen Eaffionamenti des An-
Ferreiras Bristo. 661
dreini, welchen Gang der Witz des Miles nahm. In den
einzelnen Gesprächen treffen wir noch überall die Grund-
züge des Pyrgopolinices und Thraso; als aber der Helden-
mut auf Erden ausgespielt war, da musste man zum Überirdischen
greifen, und die grossen Thaten des gefeierten Kapitän gingen
über die Erde hinaus.
In Spanien hat Lope de Rueda in seiner bereits (S. 523)
angeführten Medora in Gargullo, „den ruhmredigen Soldaten
des alten lateinischen Dichters"1) wieder als Episode auf die Bühne
gebracht.
Auch die portugiesische Bühne hatte durch die italie-
nische ihren „Miles gloriosus" in der herkömmlichen Weise er-
halten. Zwei echte Capitani finden sich in der Komödie Bristo
des Dr. Antonio Ferreira (S. 62)-) — der Ritter Annibal
von Rhodes und sein Soldat Montalväo.
Annibal hatte vor Rhodus riesige Heldenthaten vollbracht.
Mehr kann ein Mann nicht ausführen. Stolz gedenkt er dieses
Tages (II, 5):
Ann.: Oh Rhodes, Rhodes.
Moni.: Ah, ah, ja nie ha enveja, eile comegarä com as suas.
Ann.: Lembra-te aquelle dia?
Mont.: 0 do diluvio do sangue?
Ann.: Ja nunca perderä esse nome.
Moni.: Queres que se esquecäo cousas tuas?
Ann.: Näo me parece que podia fazer mais hum hörnern contra tantos.
Mont.: Eu que o vi, o näo creo.
Ann.: Tomarem-me desarmado, e elles carregados de ferro.
Mont.: E creo ainda que te faltava a espada.
Ann.: Si. Mas eu de hurna pancada lancei hum no chäo, e levei-lhe
a sua.
Mont.: Entäo te deu o outro o golpe no hombro,
u. s. w. — Der Held von Rhodus,3) dem nicht hunderte Widerstand
leisten können, der zweite Hannibal (II, 3: „Näo havia cem
homens que na forca de minha colera me tivessem rosto meya
hora. Todos assombrava, todos tremiäo; onde quer que meu nome
soava, fazia espanto, e assi era chamado o segundo Annibal"),
dessen gelindeste Strafe der Tod ist („Näo sabes que nunca me
ninguem anojou hum tamanino, que o menor castigo näo fosse
perder a vida," ibid.), dessen Rache niemand, ja die Stadt nicht,
entgeht („Daqui faco voto solemne, de nenhum hörnern que esta
») Ticknor a. a. 0. I, 448.
2) Auf Seite 285 — 402 des zweiten Bandes der „Obras completas
do doutor Antonio Ferreira. Quarta edigäo annotada e precedida de
um estudo sobre a vida e obras do poeta pelo Conego Doutor J. C. Fer-
nandes Pinheiro. Rio de Janeiro (Garnier) e Paris (Durand) 1865".
3) Vgl. auch III, 6.
fj(32 XII. Miles gloriosus.
noite achar, deixar com vida . . . Näo me ha de ficar casa em
toda a Cidade". IV, 7), er, den Schwerter und Bomben nicht er-
reichen konnten, schmachtet in den Banden der Liebe. (,,Perco-me
por ella a olhos vistos, e hey medo que me achem hum dia morto,
e matar-me-häo amores, näo me podendo nnnca matar espadas,
nein bombardas". II, 3). In seiner Liebe hat . er natürlich so
wenig Glück, wie seine Namens- und Gesinnungsvettern, die be-
kannten Capitani seit Pyrgopolinices.
An seiner Seite treffen wir den herkömmlichen Parasiten,
hier in der Gestalt des Soldaten Montalväo.
Seine Aufgabe ist es, seinem Herrn überall Recht zu geben,
seine nie vollführten Heldenthaten zu bestätigen und womöglich
zu vergrössern. „0 serviqo que lhe fa<jo he fallar-lhe a vontade,
gabar-lhe quanto faz, rir-me quando ri, crer-lhe quanto diz, men-
tir-lhe isso que posso, se chora, choro, se canta, bailo, se brada,
grito, e so com isto o contento. Conto-lhe cousas, que eile nunca
ouvio, nem fez, desafios que teve, ba.talhas que venceo, mil pe-
rigos de que me livrou e tudo cuida que he si. Se näo de quando
em quando me diz que lhe näo lembra." (II, 5). Vollständig
also die Tendenz des plautinischen Artotrogus. Indes ist
Montalväo auf portugiesischem Boden noch etwas weiter gekommen.
Er lügt aus dem Stegreif. Rhodus hat er nie gesehen; so-
bald ihn aber Annibal von Rhodus, den Türken u. a. sprechen
hörte, umarmte er ihn, nahm ihn in seine Dienste und hielt ihn,
wie ein König. Bei ihm hat er nur von Grossthaten zu sprechen;
er ist ein förmlicher Herkules geworden, um sich bei ihm in
Achtung zu setzen. (,,Eu tambem, porque lhe sey a condicäo,
faco-me com eile hum Hercules, onde quer que o vejo, tudo säo
feros, e cruezas". Ibid.)
So spielt er sich denn als grossen Helden auf. Kampflose
Tage sind ihm qualvolle. „Ha dias que ando dezesojo de achar
com quem peleje, he grande enfadamento ser hum hörnern täo
pacifico." II, 4. In Rhodus, da war das Leben anders. Jeden
Tag gab es neuen Mord („Por isso folgava em Rhodes; cada
dia havia mortes, e desafios"); da ist Montalväos Lebenselement.
(„Bern sabes que me criei com sangue de homens, onde näo ouco
armas, e golpes, cobre-se-me o cora^äo." Ibid.)
Dieser Mensch ist nach Ann ib als Geschmack und weiss es
wohl auszunützen. Annibal selbst hat aber schon von seinem
Ahnen Thraso gelernt, dass die Klugheit das erste ist, und dass
ein echter Ritter erst zum Schwerte greift, wenn die gütlichen
Mittel erschöpft sind. ,,0 hörnern prudente," versetzt er Pinerfo,
der ihn gegen seinen Nebenbuhler aufzureden sucht, ,,primeiro ha
de andar äs boas que äs mäs, que este he hum dos bons preceitos
da cavalleria . . . Em toda a parte parece bem o sizo, e a pru-
M. de Macedo. F. Villon. 663
dencia," allerdings fügt er bei: Wehe dem, der meinen Zorn
reizt, „guarde-se de minha ira que a ninguem perdoa. ''
Dass es soweit nicht kömmt, weiss Annibal allerdings, so
geschickt wie seine Vorbilder, in beiderseitigem Interesse wohl
zu verhüten.
Die dreiaktige Oper ,,0 fantasma branco" des Brasilianers
Joaquim Manoel de Macedo1) brachte noch in tmsrer Zeit
(1856) eine Art von Kapitän-) auf die Bühne. Tiberio, ein
alter Soldat (velho militar), hat ein martialisches Auftreten:
,,com grande barriga e enormes bigodes; uniforme de capitäo, es-
pada e pistolas a cinta, e as calcas enlameadas. " Sein Mut wird
axxf eine harte Probe gestellt, da er gegen ein vermeintliches
Gespenst losgehen soll. Seine heldenhaften Anschauungen spricht
eine Arie (II, 2) aus:
Näo nasci para mata-raouros,
Ao meu corpo tenho amör:
Para morrer falta-me o brio,
Para fugir tenho valör.
Nach Frankreich hat sich der Capitan natürlich gleich-
falls über Italien den Weg gebahnt. Eine Art Miles gloriosus
findet sich frühe schon in dem Monologue de Franc Are hier
de Baignollet, welcher dem Francois Villon (geb. 1431)
zugeschrieben wird.3) Der Franc Archier tritt auf, von seiner
Kampfbegier sprechend :
Par la morbieu! j'enraige
Que je n'ay ä qui me combatre . . .
Y a-il komme qui ä quatre,
Dy-je, y a-il quatre qui vueillent
Combatre ä moy?
Alsdann geht er auf seine Heldenthaten über:
J'ay autresfoys tenu le rencz,
Dieu merey! et gaigne le prix
Contre ciuq Angloys que je pris,
Povres prisonniers desnuez,
Si tost que je les euz ruez.
Ce fust au siege d'Alengon.
Les troys se misrent ä rangon,
Et le quatriesme s'enfuyt.
') Auf Seite 141 — 302 des dritten Bandes von „Theatro do doutor
Joaquim Manoel de Macedo. Rio de Janeiro (Garnier) 1863".
2) Vgl. Wolf, Le Brasil litteraire, S. 232: „Le capitame Tiberio,
vrai glorieux."
3) Zum erstenmale den Werken Villous iu der Ausgabe von
Galiot du Pre (1532) beigedruckt; danuaufS.227 — 243der „Oeuvres com-
pletes de Villon, publikes par M. Louis Mol and. Paris (Garnier) 1879",
und im „Ancien theätre francois" (Bibliotheque elzevirienne), Bd. II,
S. 326—337. — W. Holland, S. 903 des 36. Bandes der Bibliothek
des Stuttö-. litt. Vereins.
664 Xu- Miles gloriosus.
Während der Franc Arehier eben wohlgefällig von seinen
Erlebnissen spricht, bemerkt er „im espoventail de chene-
viere, faict en facon d'ung gendarme, croix blanche de-
vant et croix noire derriere, en sa main tenant nne ar-
baleste." Diese Erscheinung' jagt ihm grossen Schrecken ein;
sie antwortet auf seine Anrede nicht; da bemerkt er das schwarze
Kreuz :
Par le sang bieu! c'est ung Breton,
Et je dy que je suis Francois! . . .
II est faict de toy, ceste fois,
Pernet; c'est ung parti contraire!
Seine Angst steigert sich, da der espoventail nichts er-
widert. Er ruft alle Heiligen an, ,,ey laisse tomber ä terre l'es-
poventail celluy qui le tient", und der Held überzeugt sich nun
von der Nichtigkeit des gefürchteten Gegenstandes. Da wächst
ihm der Mut neu:
Et ce n'est, j'advoue sainet Pierre!
Qu'espoventail de cheneviere,
Que le vent a cy abattu! . . .
La mort bieu! vous serez batu,
Tout au travers, de ceste espee . . .
Quant la robbe seroit couppee,
Ce seroit ung tres grand doniniaige.
Je vous emporteray pour gaige,
Toutesfoys, apres tout hutin.
Au fort, ce sera mon butin,
Que je rapporte de la guerre.
Nach diesen Heldenthaten empfiehlt er sich dem Publikum
und geht, um seinen Sold einzuheben; ,.je m'en vois au relief. "
Der Cap itaine Kodomonte spielt in dem einzigen Lust-
spiele des mit achtundzwanzig Jahren (1581) verstorbenen Odet
de Tournebu (Tournebeuf), dem Sohne des bekannten Adrien
Tour nebe,: „Les Contens. t:1) Ihm zur Seite steht sein la-
quais Nivelet. Trotz seiner Tapferkeit wird er genarrt. In
den Schlachten von Moncontour, Jarnac, Lepanthe hat er
Wunder der Tapferkeit gethan; ,,d'un seul coup donne en taille
ronde, j'ay coupe deux hommes par la ceinture . . . et de ceste
fac,on je pense avoir fait mourir plus de quarante hommes, ä la
rencontre de Jarnac, en moins de quinze coups." Doch sagt er,
„je ne suis pas homme qui prenne plaisir de me vanter; mais si
ma rapiere pouvoit parier, eile diroit choses qui vous feroient faire
le signe de la croix." Sein Schwert Pleure-Sang (IV, 3) über-
trifft alle andern.
') Auf S. 107 — 232 des siebenten Bandes des „Ancien tlieätre
francois (Paris, Jannet, 1856)". — Vgl. Chasles, S. 146.
Paul Scarrou. 665
Co sine de la Gambe, genannt Chateauvieux, schrieb
(1580) einen nicht gedruckten „Capitaine Bourbouf'le (Beau-
ehamps II. 51). Vielleicht gehört auch hierher Chevaliers
(gest. 1674) Lustspiel „le Soldat poltron, ouGuillot poltron",
Comedie en un acte en vers de 4 pieds. 1668. Paris (Gabriel
Quinet). (Beauehmnps II, 237.)
In der einaktigen Komödie: „Les Boutades du Capitan
Matamore" des Scarron (1646) spricht Matamore in langen
Keimen auf ment.1) — Scarrons „Jodelet ou le maitre valet "2)
(1645) hat fast gar keine Beziehungen zum Miles. Dass
der als D. Juan verkleidete Diener Jodelet sich vor Don
Louis de Rochas, „un tel matamore" (IV, 7), zurückzieht und
meint :
je ue me bats donc pas.
Puisqu'il a votre iiom qui m'est si venerable
oder „il faut etre en humeur de se battre", sind Dinge allge-
meiner Art. Dagegen tritt die Gestalt des Prahlers in Scarrons
Lustspiel ,,Le Jodelet duelliste"3) auf. Hier ist es der,.Fan-
faron", Dom Ga spar d dePadille, dune illustre famille, pauvre
de biens, mais tres-riche dhonneur, der seine Grossthaten in
Flandern vollbracht hat (I, 2). Er ist in zwei Schwestern (Helene
und Lucie) verliebt, und man glaubt ihm (V, 7):
Eien n'est comparable ä la Quarte ou la Tierce.
Im übrigen gilt er (II, 6) als ,,fort liberal, for vaillant, fort
fidele." Der Feigling des Stückes ist Jodelet. Nachdem ihn
Alphonse beohrfeigt hat, will er sich mit ihm schlagen: denn:
Un coup de poing est plus honnete qu'un soufflet. (H, 2.)
Man spricht bereits davon, und auch ihm ist die Ehre ,.un
tresor bien eher" (III, 1). Freilich, da der Gegner vortritt, meint
er: „N'en parlons plus; ce n'etoit que pour rire" (III, 2), und
endlich, zum Kampfe gerüstet, hat er den Wunsch (V, 1):
Helas, plaise au seigneur, qu'il soit sot ä tel point
Qu'il me tienne mauvais, & ne se batte poiut !
') Sand. Masques. I, 191. — Foumel, Le Contemporaius de Hö-
here, m, 405: „s;il est permis de rauger cet ouvrage hybride parmi les
pieces de theatre." — H. Lucas (Histoii-c. III, 286): „en vers de huit
syllabes sur la seule rime en ment."
2) Chefs-d'oeuvre des auteurs comiques. Paris (Finnin Didot)
1866. S. 7—84.
3) Auf S. 285 — 382 des sechsten Bandes der „Oeuvres de Ms.
Scarron. Nouvelle edition. Amsterdam (Chez .1. Wetstein & G. Smith)
1737. _ Vgl. Ussing. IV, 223.
666 XII. Miles gloriosus.
Im Carte] erklärt er: „Quelques medisans disent que vous
m'avez donne im soufflet: je ne puis croire cela de votre cour-
toisie. " Glücklichenveise kömmt der Zweikampf nicht zu stände.
In dem Lustspiele des Savinien Cyrano Berger ac (1619
bis 1655) „Le pedant Jone"1) (1654 — 1658) ist es der Ca-
pitan Cliasteaufort, der sich in pomphafter, langer Rede ein-
führt. „Puisque je tevoy curieux de connoistre les grandes choses,
je veux t'apprendre les miracles de mon berceau. La Nature se
voyant incommodee d'un si grand nombre de Divinitez, voulut
opposer un Hercule ä ces Monstres. Cela luy donna bien jusques
ä la hardiesse de s'imaginer qu'elle me pouvait produire. Pour
cet effet eile empoigna les ämes de Samson, de Hector, d'Achille,
d'Ajax, de Cyrus, d'Epaminondas, d' Alexandre, de Romule, de
Scipion, d'Annibal, de Sylla, de Pompee, de Pyrrhus, de Caton,
de Cesar & d'Antonie; puis les ayant pulverisees, caleinees, recti-
fiees, eile reduisit toute cette confection en un spirituel sublime
qui n'attendoit plus qu'un fourreau pour s'y foure", u. s. w. in
diesem faden Tone.
Auch bei der Damenwelt hat er grosse Erfolge aufzuweisen.
„C'est mon foible de n'avoir jamais pü regarder de Femme sans
blesser" (S. 9).
Angegriffen hat er die herkömmliche Entschuldigung der
Feiglinge (II, 2): „Quelque faquin de coeur bas & ravale auroit
voulu mesurer son epee avec le vilain; mais moy qui suis
gentilhomme & gentilhomme d'extraction, je m'en suis fort bien
sceu garder/' oder noch alberner (F. 8): „J'aurois dejä faict un
crible du ventre de ce coquin; mais j'ay crainte de faillir contre
les regles de la Comedie, si j'ensanglantois la Scene."
Die ganze Komödie ist wertloses Zeug, das erst unter
Mo Her es Händen in den Fourberies de Scapin und l'amour
medecin Leben gewann. -) In dem ersteren Lustspiele ist Sil-
vestre der Schreier aus dem bramarbasierenden Capitano
entstanden. „Si je le trouve, je le veux echiner .... s'il etait
lä, je lui donnerais tout ä l'heure de l'epee dans le ventre," ruft
er (11, 9). (Mettant l'epee ä la main) „Ah, tete! ah, ventre! Que
ne le trouve-je ä cette heiire avec tout son secours! Que ne
parait-il ä mes veux au milieu de trente personnes! Que ne le
vois-je fondre sur moi les armes ä la main! (Se mettant en garde)
Comment! marauds, voxts avez la hardiesse de vous attaquer ä
moi! Allons, morbleu, tue!" (Poussant de tous cötes, comme s'il
') Auf S. 1—105 des ersten Bandes von „Les oeuvres diverses de
Monsieur de Cyrano Bergerac (Amsterdam, Jacques Desbordes, 1710)".
Auslassend auch im dritten Bande von Fournel, Les contemporains etc.,
S. 379 — 405. — Beauchanips. Reckerches. II, 205.
2) Malirenholtz, S. 68. — Lotheissen, S. 271.
Barons Homme ä boirne fortune. 667
avait plusieurs personnes ä combattre) Point de quartier! Donnons.
Ferme. Poussons ! Bon pied, bon oeil. Ab. , coquins ! ab , canailles !
vous en votilez par la! je vous en ferai tater votre soül. Sou-
tenez, marauds, soutenez! Allons! A cette botte. A cette autre. A
celle-ci. A celle la. Comment? vons reculez. Pied ferme, morbleu,
pied ferme!" Die Würdigung- dieser ganzen Bravade enthält
Seapins kalte Erwiderung: „He, he, he! Monsieur, nous n'en
sommes pas."
In dem etwa um 1616 gedichteten Stücke La Comedie
des Proverbes1) spielt der Capitaine Fierabras und sein
Page. Der „invincible Fierabras, de qui la valeur fait fendre
les pierres" (II, 6), huldigt dennoch dem Grundsatze: „Bien courir
n'est pas un vice- und ergreift die Flucht (III, 5). Der vaillant,
terrible et foudroyant Fierabras, verachtet seine Feinde „quand ils
sont trop foibles" (III, 6), und so zieht er ab, „le Mars des mortels,"
sich tröstend, „je vay faire baiser mes pas ä cinq cens monarques
et me faire adorer par mille princesses, ou Dieu nie damne".
E. Sommer2) führt auch zwei Stücke von Baron3) an, die
hierher Bezug haben. In „L 'homme ä bonne fortune"4) mag
Moncade einige Züge des Hauptmanns kopieren. Er möchte
nicht der „joli homme" sein, als den ihn sein Diener Pas quin
rühmt. „II y a des momens oü je voudrois n'etre point fait comme
je suis, & oü je donnerois toutes choses au monde pour etre fait
comme toi, ne scaurois tu point quelque secret pour se faire hai'r?"
(I, 8). Die Damen halten sich an Pasquin, um Moncade näher
zu kommen. „Mon pauvre Pasquin, me dit l'une, tien voihi uue
bague, je te prie, apprens moi ce qiie fait ton maitre ....
Songe-t-il ä moi? te parle-t-il de moi? est-il inquiet, joyeux,
triste, gai, melancolique, content, taeiturne, evapore?" u. s. w.
(I, 10).
Den Militaire fanfaron enthält die mir vorliegende Aus-
gabe nicht, und auch Beauchamps verzeichnet dies Lustspiel
nicht unter Barons Stücken.
') Enthalten auf S. 5—99 des neunten Bandes des „Ancien
Theätre Erangois." (Paris, P. Jannet, 1856.)
2) Les comedies de Piaute. II, 54. Baron s'est aussi inspire
de Piaute dans son Militaire fanfaron et dans l'Homme ä bonne
fortune.
3) Eigentlich Michel Boyron, geb. 1653; gest. 22. Dez. 1729. —
Beauchamps, Recherches. II. 273. — Ancien theätre frangois.
Bd. rV. Introd. XHI.
4) L'homme | a bonne | Fortune, | Comedie | Suivant la Copic. | A
Paris, | Chez Thomas Guillain, sur | le Quay des August ins. ;'i la dcsecnte
du | Pont-neuf, ä l'Image S. Loüis. | 1694. — Beauchamps zitiert (II. 273)
ä bonnes fortunes und eine Ausg. von 16Sf> und 171S. nicht aber die
vorliegende.
668 XU- Miles gloriosus.
Dagegen übersetzte Baron (1704) die Andria und (1705)
die Adelplii des Teveuz.1)
Dass Palaprat bei seiner Bearbeitung- des Ennncbiis (S.109)
den Charakter des Tbraso beibebielt, ist natürlich. Wie aber
Fuhrmann2) von Destonches behaupten konnte: „Die feinere
Art der Prahlerei hat der Verfasser des Glorienx sehr lächer-
lich gemacht" und also. Beziehungen zwischen dem Miles und
Destonches' Glorieux herstellen will, muss jedem unklar
bleiben, der den Glorieux dieses Dichters gelesen hat.
Die herrlichsten Gestalten haben sich bekanntlich
in England aus dem plautinischen „Miles" ergeben. Dort
wurde er jederzeit mit besonderer Liebe bearbeitet und zählt zu
den gelungensten dramatischen Figuren.
Eine sehr frühe, allerdings selbständige Spielart des
Miles gloriosus findet sich in dem Interlude Thersytes,3)
das, einer Stelle des Epilogs nach zu schliessen, im Jahre 1537
aufgeführt wurde.4) Thersites ist der prahlerische Krieger
des an sich armseligen Spieles.5) Er führt sich mit einer Er-
zählung seiner Grossthaten ein und ist eben auf dem Wege zu
dem Schmied Mulciber, der ihm seiner würdige Waffen schmieden
soll. Vorerst bestellt er einen Helm „a sallet", den Mulciber
sofort macht. Thersites nimmt ihn und rühmt sich:
Hercules in comparison to me was but a boye
When the bandogge Cerberus from hell he bare awaye.
When he killed the lyons, hydra and the bere so wylde,
Compare him to me and he was but a chylde
xx. s. w. — Doch bedarf er noch weiterer Waffen, die ihm
Mulciber herzustellen verspricht. Thersites fährt fort in seiner
Selbstbewunderung.
When I consider my Shoulders, that so brode be
When the other partes of my bodye I do beholde
I verily think that none in chrystente
With me to niedele dare be so bolde . . .
') Allerdings bemerkt Beauchamps (a. a. 0.): On croit que cette
piece et la pre"cedente sont du pere de la Eue.
2) Handbuch, m, 53.
3) A uew Enterlude called | Thersytes | Thys Enterlude Folowynge
Dothe Declare howe that the | greatest boesters are not | the greatest |
doers. — Es findet sich auf S. 49 — 89 der von F. J. Child herausgegebenen
„Four Old Plays". (Cambridge 1848) und bei Haslewood, 1820. (S. 18G.)
4) Unter Elisabeth wurde es wohl wieder gespielt und von John
Tysdale gedruckt, dessen typographische Arbeiten nicht vor 1561 (in
Alhallow's Church-yard) begannen. (Haslewood's Preface.)
5) Child (Introd. XV). The play does not require particular notice.
Its lively absurdity could not have failed to be entertaining to an easy
audience, and is not tiresome now. Thersytes indulges plentifully in one
of the Privileges of the old Vice — that of talking incoherent nonsense.
Thersytes. N. Uclall. 669
König Arthur und die Tafelrunde, Gawyn, Lancelot
u. a. ruft er zum Kampfe auf:
For I thinke verely
That none in heauen so hye
Nor yet in hell so lowe
Whyle I haue this clubbe in my hande
Can be able nie to withstande
ür nie to ouer throwe
Nun kömmt seine Mutter, Mater. Sie will von dem
kriegerischen Sinne ihres Sohnes nichts wissen; doch ihre Vor-
stellungen sind umsonst.
Mother thon spendest tliy winde but in wast.
The goddes oi' battayle hyr fury on me hath cast
I am fullye fyxed battayle for to taste
0 how many to deth I shall dryve in haste . . .
Bald aber wird sein Mut auf eine schwere Probe gestellt.
Ein Ungeheuer, a snaile, ') (eine Schnecke) zieht gegen ihn und
alsdann der Miles.
0 mother, mother, I pray the nie hyde
Throw sonie thinge ouer me and couer me euery syde,
ruft er verzagend, und erst auf die Versicherung der Mutter:
Come foorth my sonne, your enemy is gone,
Be not afrayde for hurte thou canst haue none,
wagt er sich vor.
Später macht sich der Miles wieder an ihn, „and Thersytes
must runne awaye and leaue his clubbe & sworde behynde. " Der
..Miles" spricht in den letzten Worten die Moral des Stückes:
Nowe thys is a sure carde, nowe I maye well saye
That a cowarde crakinge here I dyd fynde.
Maysters ye maye see by this playe in sighte
That great barking dogges do not niost byte
And oft it is sene that the best men in the hoost
Be not suche, that vse to bragge most.
Alsdann begegnet) wir dem berühmten2) Roister Doister
des Nicholas Udall (1504 — 1556), der vor 1553 geschrieben
') S. über snail bei Child, S. 266.
2) Collier, History of Dram. Poetry. 1830. II, 445— 460. — Klein.
XIII. 210.
670 XTT- Miles gloriosus.
wurde.1) Ralph Roister Doister ist der Pyrgopolinices
des Plaut us.2) Der Dichter beruft sieb, in seinem Prologue
selbst auf die Alten:
Suche to write neither Plautus nor Terence dyd spare,
Whiche among the learned at this day beares the bell:
These with such other there in dyd excell.
Our Cornedy or Enterlude which we intende to play
Is uarued Royster Doyster in deede.
Which against the vayne glorious doth inuey,
Whose h'umour the rpysting sort continually doth feede.
Der prächtige Parasit Mathewe Merygreek3) mit seinem
trefflichen Grundsätze:
As long lyueth the mery man (they say)
As doth the sory man, and longer by a day,
schildert uns den Helden Roister Doister, ganz, wie er bei
Plautus steht. Er ist zunächst stets mit seinen Helden-
thaten beschäftigt,
In these twentie townes, and seke them throughout,
Is not the like stocke, whereon to graffe a loute.
All the day long is he facing and craking
Of his great actes in fighting and fraymaking;
dann aber von der Einbildung geplagt, dass jedes Weib in ihn
verliebt sein muss:
If any woman smyle or cast on hym an eye,
Vp is he to the harde eares in loue by and by,
And in all the hotte haste must she be hys wife.
1) Erste Ausgabe 1566? in 4'°- 33 folios. — 2. Ausg. Ralph Royster
Doyster. A Comedy. London. Reprinted in the year 1818, in 30 Ab-
zügen. — 3. Ausg. Ralph Royster Doyster. London 1821. — 4. Ausg. In
The Old English Drama. A series of plays at 6 d. each, printed and
published by Thomas White. London 1830. — 5. Ausg. In der Shake-
speare Society. 1847 (mit dem Gorboduc). — 6. Ausg. English Reprints
by Edward Arber. London 1869. 88 S. (S. dort S. 8 näheres zur Biblio-
graphie.)
2) Rapp, Studien, S. 125: „Roister Doister ist der Haupt-
charakter; der antike Miles gloriosus . . . Die erste Szene ist
fast ganz aus Plautus, Roister ist der Miles undMerigreek sein
Parasit. Der Dichter hat sich vorgesetzt, aus dem plautinischen ,Miles'
und dem terentianischen ,Thraso' ein Lustspiel zu kombinieren, wie es
nach ihm Holberg in seinem ,Jacob von Tyboe' versuchte." — W. De
Cooper, Intro. Memoir., pag. XVI, giebt die Vermutung, dass das Stück
von den Schülern des Eton College gespielt wurde. — M. Koch,
Shakespeare, S. 227.
3) M. Koch, Shakespeare, S. 227: „Dagegen ist Mathewe Mery-
greeke, der Diener des auf Freiersfüssen stolzierenden Helden, unver-
kennbar dem altenülischen Vice verwandt und keinem römischen Sklaven."
Udalls Roister Doister. ß71
Seine Liebe macht ihn melancholisch: der Parasit aber
muss, seines Vorteiles halber, ihm stets in allen Dingen, wie
Artotrogus, Recht geben.
Merygreek spricht darum so, wie es Roister Doister
gerne hört. Die Schilderung des Artotrogus, wie sich alle
Damen um ihn kümmern, ist auch ins englische Lustspiel über-
getragen worden. (V. 61):
Rogitabant: „hicine Achilles est?" inquit mihi.
„Immo eins frater" inquam „est", ibi Warum altera
„Ergo mecastor pulcer est," inquit mihi
„Et liberalis: nide caesaries quam clecet:
Ne Mae sunt fortunatae quae cum isto cubant."
And ye will not beleue what they say in the streete,
When your rnashyp passeth by all such as I meete,
That sometimes I can scarce finde what aunswere to rnake.
Who is this (sayth one) sir Launcelot du lake?
Who is this, gi'eate Guy of Warwike, sayth an other?
No (say I) it is the thirtenth Hercules brother.
Who is this? noble Hector of Troy, sayth the thirde?
No, but of the same nest (say I) it is a birde.
Who is this? gi'eate Goliah, Sarnpson, or Colbrande?
No (say I) but it is a brüte of the Alie lande.
Who is this? greate Alexander? or Charle le Maigne?
No, it is the tenth Worthie, say I to tkern agayne.
„Nimiast miseria nimis pulcrum esse hominem,"
bestätigt Pyrgopolinices. But I perceyue thou doste me
throughly knowe, ist Roister Doisters Bekräftigung.
Einen Teil der Heldenthaten Roister Doisters erzählt
hier (I, 4) Meregreek der staunenden Margerie Mumble-
crust; so auch die Geschichte mit dem Elephanten in etwas
anderer Fassung:
Yea and the last Elephant, that euer he sawe,
As the beast passed by, he start out of a buske,
And een with pure strength of armes pluckt out bis great tuske.
Auch Roister Doister hat seine musitians (I, 2), wie
Tyboe, und wie sie sonst öfter dem Capitano zur Seite stehen.
So bei Scala, Teatro im 29. Stücke, S. 86: ,.H fido amico."
Capitano Spavento viene con li inusici per far una mattinata a
Isabella.
Roister Doister in seinen missglückten Liebeshändeln
steht noch vielfach auf dem Boden seiner Vorbilder. Völlig
neue Capitani aber entstehen unter Shakespeares Feder, und
die Krone aller bleibt der unsterbliche Falstaff.
Von mancher Seite wird indes Falstaff durchaus nicht in
die Kategorie des Miles gloriosus und seiner Nachfolger ge-
setzt. Ohne gerade soweit zu gehen, wie der alte Maurice
672 XII. Miles gloriosus.
Morgann,1) der ihn zum Helden stempeln will, glaubt auch
Paxil Stapfer,2) er sei kein -type de poltronnerie", kein „type
de Miles gloriosus".
Er urteilt hierüber: „II est clair que si Shakespeare avait
voulu faire de Falstaff un type de Miles gloriosus, c'est-ä-dire
de vantardise et de lächete, il aurait du le representer dans la
fleur et la force de l'äge; un vieil infirme qui fuit n'est point
ridiciile. Mais Falstaff n'est pas un soldat fanfaron, il ne se
vante d'avance d'exploits qu'il n'accomplit point; ses rodomon-
tades ne viennent qu'apres l'action et sont une libre et joyeuse
bavention de 1'humour brodant sur des faits particuliers. "
Betrachten wir Falstaff ein wenig!
Man darf sich über diese Gestalt wohl kurz fassen. Wie
im Aussehen, so hat sich auch in seinem Charakter der Capitan
mannigfach geändert , als er zum Falstaff wurde. Wenige
seiner Worte charakterisieren ihn zur Genüge. Die Ehre ist
ihm ein Wort — Luft.3) (King Henry IV., I. T., V, 1.) „What
is honour? A word. What is in that word honour? what is that
honour? air. " Sein Grundsatz ist der, dass der Gründling
naturgemäss der Köder des Hechts ist. (K. Henry IV., IL T.,
IH, 2): „If the young dace be a bait for the old pike, I see no
reason in the law of nature but I may snap at bim.-' Von
seiner Tapferkeit giebt er Proben, als der Prinz und Po ins den
fingierten Angriff machen (I. T., H, 2); von seiner Ruhmredig-
keit, wo er eben diese Erlebnisse erzählt und die ..zwei steif-
leinenen Kerle", die ihn anpackten, zu elf heran wachsen lässt
— Lügen, die so gross sind, wie ihr Vater, meint der Prinz
(ib. II, 4). „These lies are like their father that begets them;
gross as a mountain, open, palpable." Seine ganze Erbärmlich-
keit zeigt er bei den Aushebungen, wo er nach eigenem Ge-
ständnisse den königlichen Aushebungsbefehl schändlich miss-
braucht. (Ib. IV, 2): „I have misused the king's press damnably. "
Englands Gesetze stehen ihm zu Gebote (IL T., V, 3): ,,The laws
of England are at my commandment." Im Kriege hält er über-
einstimmend mit Thraso die Vorsicht für den besseren Teil der
Tapferkeit (I. T., V, 4): „The better part of valour is discretion,
') Essai on the draniatic character of Falstaff.
2) Shakespeare et PAntiquite (Paris 1879). II, 510.
3) Wie Moli eres „Sganarelle" in der gleichnamigen Komödie
(1660) dieselben Grundsätze vertritt iL 17 :
Quand j'aurai fait le brave, et qu'un fer, pour ma peine,
M'aura d'un vilain coup transperce la bedaine
Que par la ville ira le bruit de mon trepas,
Dites-mui, mon honneur, en serez-rous plus (/ras? -
hat schon Dr. Scheffler (Herrigs Archiv, Gl. Bd., S. 314) bemerkt,
Falstaff. Parolles. 673
in which tlie better part I have saved my life. " Iu der Liebe
sprechen bei ihm in erster Linie nur materielle Rücksichten.
Diesen Punkt haben wir in den Merry Wives nach allen Seiten
hin klar gelegt. Trotz aller seiner Schurkereien gelallt uns der
alte,' dicke Falstaff; es ist, als räumten wir ihm ein, dass er
mehr Fleisch als andere Menschen und darum auch mehr Schwach-
heiten habe, (I. T. III, 3): „I have more flesh than another man
and therefore more frailty, " und verziehen seinem trefflichen Witze,
von dem er rühmen darf (ib. IL T., I, 2): „I am not only witty
in myself, but tlie cause that wit is in other men. "
Dies hat er vor allen übrigen Gestalten ähnlicher Art, vor
dem Renommistenfähnrich („ancient swaggerer, " IL T., II, 4)
Pistol, dem witzlosen Poins (ibid. „Ins wit 's as thick as Tewks-
bury mustard; there 's no more coneeit in hiin than is in a mallet")
und vor allem dem schurkenhaften Parolles in All 's well that
e n d s well " voraus.
Hierüber äussert sich Hense:1) „Es ist unverkennbar,
dass der Franzose Parolles und der Engländer Falstaff
grosse Ähnlichkeit haben. Beide sind „grosssprecherische Lands-
knechte , beide sind die Parasiten vornehmer junger Leute,
beide legen in Wort und That eine gleich grosse Unverschämt-
heit an den Tag" (J. Thüm'mel, Vorträge über Shakespeare-
Charaktere, Halle 1881, p. 272); beide sind feig und halten
die Vorsicht für den besseren Teil der Tapferkeit; beide sind
lügnerisch, wenn auch Falstaff meist nur lügt, um durch
Renommisterei zu ergötzen, während Parolles lügt, um andere
zu täuschen; beide haben auf ihre Gönner einen sittlich nach-
teiligen Einfiuss; Falstaff wird von dem Prinzen, wo er seinen
Vater spielt (Heinr. IV., I, 2. 4), ein Vater Kuppler, ein Ver-
führer der Jugend, ein weissbärtiger, alter Satan, ein Teufel ge-
nannt, der in Gestalt eines fetten, alten Mannes den Prinzen
heimsucht, und der Prinz, zum König geworden, sagt zu Fal-
staff (II, ö. 5): „Vernimmst du, dass ich sei, was ich g-ewesen,
dann komm, und du sollst sein, was du mir warst, der Lehrer
und der Pfleger meiner Lüste.-' Zu Parolles sagt Lafeu (Ende
gut, alles gut. II, 3): „Der Satan ist dein Gebieter." Parolles
wird von Lafeu (IV, 5), von Diana (III, ö) als Verführer
Bertrams und als nichtswürdiger Helfershelfer bezeichnet. Beide,
Parolles und Falstaff, betrachten sittliche Verhältnisse mit
sophistischer Leichtfertigkeit, Parolles das Jungfrauentuni (I, 1),
Falstaff die Ehre. Beide benehmen sich verläumderiscb gegen
ihre Gönner, Parolles sogar verräterisch gegen Bertram. Aber
der grosse Unterschied ist, dass Parolles ohne Witz i>t , Fal-
') Shakespeare, Untersuchungen and Studien.
43
674 XII. Miles gloriosus.
s t a t't' dagegen durtli Witz und Humor , durch ironische Be-
handlung seiner eigenen Persönlichkeit gewinnt. Der weitere
Unterschied ist, dass Falstaff mit seinem Gewissen im Kampfe
liegt, während Par olles es nicht weiter hringt, als his zur kahlen
Erkenntnis seines Wesens. „Ich hnde, " sagt er (IV, 1), ..meine
Zunge wird zu tolldreist; aber vor meinem Herzen steht die
Furcht vor Mars und seinen Kreaturen, und etwas nicht zu
thun, was meine Zunge prahlt." Während Falstaff nach dem
Schiffbruche seiner Hoffnungen und Wünsche zuletzt zur reue-
vollen Erkenntnis seiner Vergangenheit gelangt , beruhigt sich
Parolles nach seiner Entlarvung und Niederlage mit der blossen
Erkenntnis seiner Erbärmlichkeit und gründet auf dieselbe eine
neue Lebensbahn (IV, 3):
Wäre gross mein Herz.
Jetzt brach' es! Mit der Hauptmannschaft ist's aus;
Doch soll mir Speis' und Trank und Schlaf gedeihn.
Als war' ich Hauptmann: nähreu muss mich nun
Mein nacktes Selbst. Wer sich erkennt als Prahler,
Der nehm' ein Beispiel dran; es kaun nicht fehlen,
Kein Grossmaul weiss sein Eselsohr zu hehlen.
Verroste, Schwert, und, Scham, fahr' hin! Glück auf!
Beginn' als Narr den neuen Lebenslauf,
Denn noch sind Platz und Unterhalt zu Kauf."
Dem Falstaff Shakespeares verdanken einige deutsche
Nachahmungen, in denen jedoch von dem ursprünglichen Miles
gloriosus wenig mehr zu verspüren ist, ihr Dasein.
Den lustigen Weibern nachgebildet ist der Hannibal
von Donnersmark1) des Wilhelm Heinrich Brömel (1754
— 1808) und der Gideon von Tromberg desselben Verfassers im
,, Beitrag zur deutschen Bühne". (Dessau und Leipzig 1785.)2)
In Frankreich haben P. Meurice und A. Vacquerie die
beiden Kapitäne in ihrem ..Falstaff" (1842) und „Le cap itaine
Parolles" (28. Febr. 1843) auf die Bühne gebracht. 3)
Der fantastical Spaniard Don Adriano de Armado in
Shakespeares Love's labour 's lost mit seinem Pagen Moth
hat gleichfalls eine hohe Meinung von seiner Ritterlichkeit. ,.Adieu,
valeur! rust, rapier! be still, drum! for your manager is in
love!" (I, 2) Diesen Armado hat, nach Papp,4) John Lilly s
„Endimion, the man in the moone,"5) (1591) beeinflusst.
*) Hagen, Geschichte des Theaters etc., S. 294, Anm.
2) Brömel nahm meist ausländische Stoffe. Siehe 0. L. B. Wolff,
Enzyklopädie der deutschen Nationallitteratur. (Lpz. 1835.) I, 409: „Seine
übrigen Leistungen sind nur Bearbeitungen ausländischer Vorbilder."
3) Histoire philosophique et litteraire du theätre francais par
M. Hipp. Lucas. HI, 3(33.
l) Studien, S. 38.
Kndimion, the Man in the Moone, play'd before the Queene's
Ätajestie at Greenewich on Candlemas day at night, by the Chyldren of
J. Lilly. Jonsons Bobadill. 675
In dieser Komödie spielt, „a b ragging soldier," Sir
Tophas, mit seinem Pagen Epiton. Schon seine Worte ver-
wunden. „Commonly my words wound;" von seinen Schlägen
aber sagt er: „not only wound, but also confound". Er verübt
nur Massenmord. „Commonly I kill by the doozen, and have for
every particular adversarie, a peculiar weapon. " Er muss allezeit
fechten. „Now will I march into the field, where if I cannot
eneounter with my foule enemies, I will withdraw myselfe to
the river, and there fort ine for fish: for there resteth no minute
free from fight" (I, 3). Sein „martiall life, where nothing but
blood besprinkleth our bosomes" (II, 2) wird zwar vielfach
Gegenstand des Spottes seines Dieners, was ihm indes nicht sehr
schwer fällt. Die Liebe der Frauen verfolgt ihn, wie sein Vor-
bild. Schöne Damen kommen „to wonder at your person, your
valour, your wit, the report whereof hath made them carelesse
of their owne honours, to glut their eyes and hearts upon yours-;
und er glaubt es gerne, da er es selbst natürlich findet. — (Vgl.
M. Koch, Shakespeare, S. 73.)
Ben Jonson, „dessen Vorbilder die alten Meister Terenz
und Plautus1) waren", hat in seiner Komödie „Every man in his
humour",2) die so zuerst 1598 gespielt, aber erst 1616 gedruckt
wurde, in dem Captain Bobadyll, („a PauTsman"),3) einen
prächtigen Miles gloriosus geschaffen. Über denselben äussert
sich der Herausgeber4) folgendermassen:
„Bobadill has never been well unterstood, and, therefore, is
always to lightely estimated: because he is a boaster and a
cpward, he is cursorily dismissed as a rnere copy of the ancient
bully, or what is infinitely more ridiculous , of Pistol; but
Bobadill is a creature sui generis, and perfectly original. The
soldier of the Greek comedy, from whom Whalley wishes to
derive him, as far as we can collect from the scattered remains
of it, or from its eternal copysts, Plautus and Terence, had not
many traits in common with Bobadill. Pyrgopolinices, and other
captains with hard names, are usually wealthy; all of them keep
Paulos. At London by J. Charlewood 1591. — Das Stück ist abgedruckt
von Blount und in Dilke's „Old Plays", Lond. 1814, vol. 2; dann (in
der „Library of old authors") Bd. I, S. 1 — 87, „The dramatic works
of John Lilly," ed. Fairholt (London 1858). — Klein. XIII, 480.
') Taine. I. 404.
2) Auf S. 1 — 162 des ersten Bandes von „The works of Ben Jon-
son in nine volumes, ed. W. Gifford (London 1816)". — Auch in No. 12
der „English Library. Zürich (Rudolphi u. Klemm 1882)".
3) A Paul'sman i. e. a frequenter of the middle aisle of St. Paul's
Cathedral, the common resort of cast captains, sharpers, gulls, and gossi-
pers of every description.
*) Ed. Gifford. I, 160.
43*
676 ^TT. Miles gloriosus.
a mistress, and some of thein a parasite: but Bobadill is poorr
as indeed are most of his profession, which, whatever it might be
in Grreece, has never been a gaineful one in this country. They
are profligate und luxurious; but Bobadill is stained with no
inordinate vice, and is besides so frugal, that ,,a bunch of
radisb.es and a pipe to close the orifice of his stomacb." satisfy
all bis wants. Add to this , tbat the vanity of tbe ancient
soldier is accompanied with such deplorable stupidity, tbat all
temptation to mirth is taken away, whereas Bobadill is really
amusing. This gravi ty, which is of the most inflexible nature
contrasts admirably with the situations, into which he is thrown,
and though beaten, baffed and disgraced, he never so far forgets
himself as to aid in his own discomfiture. He has no soliloqnies
like Bessus and Parolles to betray his real character, and expose
himself to unnecessary contempt; nor does he break through the
decorum of the scene in a single instance. He is also an admirer
of poetry and seems to have a pretty taste for criticism, though
his reading does not appear very extensive, and his decisions
are usually made with soinewhat too much promptitude. In a
word, Bobadill has many distinguishing traits, and tili a preceding
braggart shall be discovered with something more than big words-
and beating to characterize bim, it may not be amiss to allow Jon-
son the credit of having depended entirely on his own ressources."
Er steht auf einer höheren Stufe als andere. „In regard,
I would not be too populär, and generally visited, as some are, "
ist sein Grundsatz (I, 4).' „. . . By the heart of valour in nie,
except it be to some peculiar and choiee spirits, to whom 1 am
extraordinarily engaged, as yourself or so, I could not extend
thus far." Mit gewöhnlichen Leuten gab er sich nie ab. „By St.
George . . . as I am a gentleman and a soldier." Seine Helden-
thaten bei Strigonium (Graan in Ungarn) sind der berechtigte
Grund seines Stolzes. „By St. George, I was the first man that
entered the breach; and had I not effected it with resolution, I
had been slain if I had a million of lives (III, 1) . . . . They
had planted me three demi-culverins just in the mouth of the
breach; now, sir, as we were to give on, their lnaster-guuner
(a man of no mean skill and mark, you must think) confronts
me with his linstock, ready to give fire; I, spying his intendment,
discharged my petronel in his bosom, and, with this single arms,-
my poor rapier, ran violently upon the Moors tbat gnarded the
ordnance, and put 'ein pell-mell to the sword. •' Dies Schwert ist
aber auch gewaltiger, als Morglay, Excalibur und Durindana, die
Watten des Bevis of Southampton, König Arthurs und Orlandos;
..I know the virtue of mine own, and therefore I dare the boldlier
maintain it."
Ben Jonson. G. Cbapman. 677
Weitere Kraftstücke erzählt Bobadill später (IV, 5). „They
have assaulted me some three, four, five, six of them together,
<ns I walked alone in divers skirts i' the town ... I liave driven
them afore me the whole length of a street, in the open view of
all our gallants, pitying to hurt them, helieve me .... By
myself, I could have slain them all, but I delight not in murder;"
u. s. w.
Das Lustspiel bietet auch sonst Reminiszenzen an
die lateinischen Komiker, z. B. Knowells Wort (I, 1):
There is a way by winning more by love,
And urging on the modesty thau fear,
zu Terenz (Adelphi, V. 57):
Ptidore et liberalitale liberos
Hetinere satius esse credo quam metu.
In Ben Jonsons „Every man out of his humour"1) findet
sich wieder „a vain-glorious knight" in der Gestalt des
Puntarvolo. Gifford nimmt diesen und Bobadill für wirk-
liche Persönlichkeiten.2) Im Poetaster, or his arraignment,3)
treffen wir auf eine verwandte Figur in Pantilius Tucca, den
Davies als eine „Avretched copy of Falstaff" bezeichnet, wo-
gegen Gifford5) eifert. — Auch Dekkers Captain Tucca und
Congreves Noll Bluff5) sind ziemlich ungeschickt Ben Jon-
sons Bobadill nachgeahmt.
Eine Art von Miles verzeichnet Rapp'>) in „May-day7)"
einem Lustspiele des George Chapman, das 1611 zuerst ge-
druckt wurde. „Der Gemahl jener jungen Frau," findet er,
„der im Wirtshause stets betrunken den Captain oder Miles
gloriosus spielt und seinen Leutnant oder Parasiten zur Seite
hat; ganz plautinisch oder terenzisch. "
Hier ist es der Captain Quintiliano, der seinem Parasiten,
dem Leutnant Innocentio, (S. 18) die Lehre giebt: „In a word,
l)c impudent enough, for that 's your chief virtue of society, „wo-
rauf dieser von sich sagen kann: ,.I need not learn that, I have
that by nature, I thank God." Ähnlich fährt Quintiliano in
») Ed. Gifford. II, 1—213. — Schlegel, Vorles. II. 333.
-) A. a. 0. II, 213. No one believes that Bobadill was a mere
creature of imagination.
•') Ed. Gifford. II, 384-551. — Kapp, Studien, S. 223.
-'■) A. a. 0. II, 550.
5) A. a. 0. I, 214.
G) Studien, S. 43.
') Auf S. 1—115 im vierten Bande der „Old Euglish Plays".
(London 1816.)
678 XTT- Miles gloriosus.
seinen Unterweisungen fort: „There 's no prescription f'or gentility,
but good elotlies and impudence (S. 19) . . . if you change to
teil a lie, you most bind it with some oath."
Indes ist Quintiliano schon mehr ein Captain nach Fal-
Btaffs Art, denn ein Miles; was er besonders im vierten Akte
(S. 89 — 93) zeigt, wo in launiger Weise sehr gelungen der Ge-
danke durchgeführt wird, „the first model of a battle was taken
from a banquet."
Bei Beaumont und Fl et eher begegnen wir in „A king
and no king"1) dem Captain Bessus, der im dritten Akte
(2. Sz.) eine Schilderung seiner Laufbahn giebt, die vielfach an
Falstaff erinnert. „I was never at battle but once, and there
I was running, but Mardonius eudgelled me; yet I got loose at
last, but was so afraid that I saw no more than my Shoulders
do, but fled with my whole Company amongst my enemies and
overthrew 'em. " In seltener Feigheit weicht er Herausforderungen,
die er durch sein Benehmen sich zugezogen hat, aus. Etwas stark
z. B. ist III, 2 aufgetragen:
Bacvrius. You know you were a coward.
Bessus. Very right.
Bacurius. Aud wronged me.
Bessus. True, my lord.
Bacurius. But now people will call you valiant-desertlessly . I tbink;
yet for their satisfaction, I will have you fight with me.
Bessus. 0, my good lord, my deep engagements.
Bacurius. Teil not me of your engagements, captain Bessus : it is not to
be put off witb an excuse. For my own part, I am none of
the multitude that believe your conversion from coward.
Bessus. My lord, I seek not quarreis; and this belongs not to me;
I am not to maintain it.
Bacurius. Who then, pray?
Bessus. Bessus the coward wronged you.
Bacurius. Right.
Bessus. And shall Bessus the valiant maintain what Bessus the co-
ward did?
XL. s. w. — In ähnlicher Weise wird Bessus noch mehrmals in
dem Stücke als gewöhnlicher Feigling entlarvt und mit den un-
ritterlichsten Namen belegt.
Weitere Anklänge an den prahleri sehen Kapitän hat der
Duarte in ,,The custom of the country" von Beaumont
und Fletcher,2) obwohl sich der prahlerische Held etwas anders
äussert. Seine Anschauung:
a) Auf S. 231 — 348 des zweiten Bandes von „The works of Beau-
mont & Fletcher. with notes by The Rev. Alexander Dyce (Lon-
don. Moxon, 1843j".
2) Auf Seite 38fj — 496 des vierten Bandes von „The works of Beau-
mont & Fletcher, ed. by AI. Dyce (London, Ed. Moxon, 1844)".
Beaumont und Fletcher. Congreve. 679
no mau lives
That 's worthy to command me,
trägt er in allen Dingen zur Schau; den Grundsatz:
All I speak.
In act I can make good,
führt er weiter durch:
For, if I studied the country 's laws,
I should so easily sound all their depth,
And rise up such a wonder, that the pleaders,
That now are in most practice and esteem,
Should starve for want of clients: if I travell'd,
Like wise Ulysses, to see men and manners,
I would return in act more knowing than
Homer could fancy him: if a physician,
So oft I would restore death-wounded men,
That, where I liv'd, Galen should not be nam'd;
And he that join'd again the scatter'd limbs
Of torn Hippolytus should be forgotten:
I could teach Ovid courtship, how to win
A Julia, aud enjoy her, though her dower
Wefe all the sun gives light to: aud for arms,
Were the Persian host, that drank up rivers, added
To the Turk's present powers, I could direct,
Commaud and marshal them.
Die Prahlerei Duartes geht noch etwas weiter, als jene des
Pyrgopolinices. Dass der Dichter jedoch bei dem wirk-
lich an den „plautinischen Miles- dachte, lässt sich nicht
nur nach den zahlreichen Reminiszenzen an die lateini-
schen Klassiker, die er bringt, glauben, sondern nach
der Antwort, die ..Manuel du Sosa." giebt:
And yet you know not
To rule yourself; you would not to a boy eise,
Like Phallus1 brat/gart, boast thus.
Der Page spielt hier die Rolle des plautinischen puer,
allerdings ungleich bescheidener, als dieser. Freilich bezeichnet
Guiomar ganz richtig Duartes Benehmen als „stränge self-
love", was es auch eher ist, als capitänartiges Aufschneiden.
Den Capitän, jedoch in gutmütigerer Form, ruft Captain
Bluffe in "William Congreves Lustspiel „The old Bat-
chelour"1) ins Gedächtnis. Zwar gilt auch bei ihm der Grund-
satz: „He that knows me, must be a stranger to fear." Er hat
die Flandrischen Kriege mitgemacht und viel gethan, obwohl die
') Im ersten Bande von „The works of Mr. William Congreve.
London (Printed for Tonson in the Strand) 1752".
680
XIIL Mercator.
undankbaren Zeitungsschreiber von ihm nichts berichteten. „You
must know," erzählt er (II, 1), ,.I was resident in Flanders tbe
last Campaign, bad a small Post there, bnt no matter for tbat.
Perhaps, Sir, there was a scarce any thing of moment done bnt
an humhle Servant of yours, tbat shall be nameless, was an eye-
witness of — I won't say bad tbe greatest share in 't; tbo1 I
might say that too, since I am no-hody, von know. Well, Mr.
Sharper, would you tbink it? In all tliis time — as I hope for a
Trunebeon, tbis rascally Gazette-writer never so mueb as onee
mention'd me. — Not onee by tbe wars — Took no more
notiee, than as if Nol Bluffe bad not been in tbe land of
the Irving."
Man siebt — eine andere Art von Prahler und Maulheld,
dem in trefflicher Weise Sir Joseph Witoll stets seine Be-
scheidenheit vorhält: „Ay, tbis damn'd modesty of yours." Und
da Witoll erzählen will, „how you eat fire onee out of tbe moutb
of a Canon — agad be did; those impenetrable Wbiskers of bis
have confronted Flames," und Captain Bluffe wieder abwehrt, be-
stätigt er: ,.Look you now, I teil you be 's so modest, be '1 own
nothing."
Bluffe ist trotz seiner gewaltigen Schwüre („by tbe immortal
Thunder of great guns," III, 1) gänzlich ungefährlich.
XIIL Mercator.1)
Das vom sittlichen Standpunkte aus anwidernde Thema der
Casina (und Asinaria), dass die Gelüste des greisen Vaters sich
auf die Geliebte des Sohnes erstrecken, bildet die eigentliche
Grundidee des Mercator. „Aus dem Titel wird man es schwer-
lich erraten," sagt Lessing,2) „dass dieses Stück von einem
alten, verliebten Narren handelt, der seinem Sohne seine Liebste
vor dem Maule wegnehmen will." Indessen ist hier das An-
stössige in eine heiterere Form gekleidet, der Alte wird ge-
prellt und scheint sich diese Strafe selbst zu gönnen; die letzten
Worte des Eutychus verdammen zum mindesten das Gebahren
solcher Greise.
Charinus, der Sohn des Demipho, leitet das Stück,
') Hier zitiert nach C. H. Weise.
(Progr. 50 S.).
2) Beiträge, S. 50.
— Übersetzt von Kost 18'JG
Charakteristik desselben. 681
ein Lustspiel des Philemon (tiiTTOQog), mit einem Prologe1)
ein (F. 9):
Graece haec uocatur Emporos Philemonis;
Eadem latine Mercator Marci Accii.
Charinus -wollte in seiner frühen Jugend nicht recht gut
thun; er verbrachte sein Geld bei Kupplern und Dirnen. Da
liess sein Vater öffentlich warnen, ihm etwas zu borgen; er sei
betrunken, meineidig, frech (V. 51):
Conclamitare tota urbe et praedicere,
Omnes tenerent, mutuitanti credere:
Amorem multos inlexe in dispendium:
Intemperantem. non modestum, iniurium,
u. s. w. — Endlich liess sich der Sohn von seinem Vater be-
reden, eine Geschäftsreise mit seinem Sklaven Acanthio nach
Ehodus zu machen. Dort trieb er günstigen Handel, fand aber
auch ein Mädchen, das er sich kaufte, und mit welchem er nun
eben heimkam. Es weilt noch auf dem Schiffe im Hafen.
Acanthio kömmt gelaufen xmd meldet seinem Herrn
Charinus, dass das Mädchen entdeckt sei, da der alte Demipho
sie im Schiffe aufgefunden habe. Der Sklave konnte sich ma-
nnt der raschen Ausflucht helfen, dass der Sohn dies Mädchen
für die Mutter erworben habe. — Vater Demipho tritt auf; er
ist bereits vollständig in das Mädchen vernarrt (F. 261):
Quam ego postquam adspexi, non ita amo, ut sani solent
Homines, sed eodem pacto, ut insani solent.
Amaui hercle equidem ego olim in adulescentia;
Verum ad hoc exemplum numquam ut nunc insanio.
Zu ihm gesellt sich sein Freund und Nachbar Lysimachus,
dem er seinen Zustand anvertraut. Unterdessen erscheint Cha-
rinus ratlos und verzweifelt. Sein Vater fragt ihn, was ihm
fehle, er schiebt die Schuld auf die Seereise. Nun fängt Demipho
an, über das Mädchen zu sprechen; es passe für die Mutter nicht:
einmal sei es zur Hausarbeit zu zart (F. 391):
non nostra formam habet dignam domo:
Nihil opus nobis ancilla, nisi quae texat, quae molat,
Lignum caedat, pensum faciat, aedis uerrat, uapulet,
Quaeque habeat cotidianum familiae coctum cibum.
Horunc illa nihilum quidquam facere poterit admodum,2)
') K. Dziatzko, Über den Prolog zum Mercator und seine In-
terpolationen. Rhein. Museum XXVI. 421; XXIX, (33. — L. Rein-
hardt, De retractatis fabulis PI. Greifsw. 1872. (= Studemunds Stu-
dien, I, 80.)
*) Verl. S. 389.
ß82 XIII. Mercator.
wollte sie aber andrerseits neben der Mutter geben, so würde
ihre grosse Scbönbeit zweifelhaftes Gerede erregen. Er wolle
deshalb der Mutter eine andere Sklavin kaufen, diese aber für
einen alten Herrn erwerben. Hierauf erwidert Charinus, er
habe den gleichen Auftrag für einen jungen Mann (F. 421):
At quidam adulescens, pater,
Mihi mandauit, ad istanc faciem, ita nt illa est, emerem sibi.
Sie suchen , sich im Preise gegenseitig zu überbieten.
Demipho geht in der Absicht, das Mädchen im Hafen durch
Lysimachus kaufen zu lassen. Charinus, verzweifelt, denkt an
das Äusserste (F. 464):
Cur ego uiuo? cur non morior? quid mi est in uita boni?
Certum est, ibo ad medicum atque ibi me toxico morti dabo:
Quando id mi adimitur, qua causa uitam cupio uiuere?
Da naht sein Freund Eutychns, des Lysimachus Sohn-,
diesen schickt er zum Hafen, auf dass er um jeden Preis das
Mädchen kaufe.
Im zweiten Akte1) hat Lysimachus Pasicompsa, die
ihrem Namen alle Ehre macht — „Ex forma nomen inditum est,"
sagt Lysimachus (F 510) — bereits gekauft und schafft sie
eben in sein Haus, da seine Frau auf dem Lande ist. Lysi-
machus versichert seinem Freunde, dass er das Mädchen nur
einen einzigen Tag bei sich bebalten könne (F. 579):
Nulluni hercle praeter huno diem illa apud me erit.
Metuo ego uxorem, cras si rure redierit,
Ne illam hie offenclat.
Mit banger Sehnsucht erwartet Charinus seinen Freund
Eutychus. Dieser kömmt vom Hafen mit der traurigen Nach-
richt zurück, dass Pasicompsa bereits verkauft sei. Nun will
Charinus nicht mehr bleiben. Er wählt ein freiwilliges Exil
ferne von Athen. Eutychus macht sieh auf, um noch alles zur
Entdeckung des Mädchens zu thun. Unterdessen ist Dorippa,
des Lysimachus Frau, mit ihrer vier und achtzigjährigen Sklavin,
Syra, auf die Nachricht, dass ihr Mann nicht nachkommen werde,
sofort vom Lande nach der Stadt gegangen. Syra entdeckt die
..Kebsalkmene ihrer Juno-' (F. 685):
I hac mecum, ut uideas simul
Tuam Alcumenam pellicem, Iuno mea.
') Nach Rapps Einteilung, der (S. 1237) sagt: „Wir haben es be-
quemer in drei Akte geteilt, als in fünf; es spielt fast oh'ue sichtbare
Unterbrechung."
Charakteristik desselben. 633
Da nun Lysiniachus auftritt, folgt eine eheliche Szene,
bei welcher Dorippa, da sie ihren Gatten für treulos hält, nach
ihrem Vater schickt und Lysimachus viel zu leiden hat. Dazu
gesellt sich auch noch der Koch, den Lysimachus selber ge-
mietet hat (F. 693: „Egomet conduxi coeum"), da Demipho im
Hause des Lysimachus seiner Geliebten ein Mahl geben will.
So spricht alles gegen Lysimachus. Zum Glücke hat Syra
Dorippas Vater nicht zu Hause getroffen. — Eutychus kömmt
von seinen Forschungen nach Pasicompsa zurück. Zu seinem
Erstaunen hört er von der alten Syra, dass sich sein Vater eine
Dirne beigelegt habe (F. 818):
Tuns pater bellissumus
Amicam adduxit intro in aedis.
Eutyclms kann es nicht glauben und tritt ins Haus.
Im dritten Akte erscheint Charinus reisefertig und nimmt
von Attika Abschied (F. 826):
Occidi !
Di penates meum parentum, familiai Lar pater,
Vobis mando, meum parentum rem beue ut tutemim.
Ego mihi alios deos Penates persequar, alium Larem,
Aliam urbem, aliam ciuitatem: ab Atticis abhorreo,
u. s. w. Da findet ihn Eutychus, der ihn vergeblich bisher
gesucht hat. Er berichtet ihm, dass Pasicompsa im Hause
seines Vaters sei. Anfänglich glaubt es Charinus nicht. Wie
ein Rasender tritt er seine Fahrt an. Schon ist er in Cypern
(F. 930: „Iam Cyprum xienü"), in Chalcis und, endlich glücklich
aus dem Exil zurück, begrüsst er seinen Freund (F. 939):
Iam sum domi,
Iam rediui exilio. Salue, mi sodalis Eutyche!
Ut ualuisti? Quid? parentes mei ualent?
..Die Erfindung der fingierten Reise des Charinus ist (nach
Rapps Urteil)1) eine komische Schönheit von so leuchtender
Natur, dass sie in der That nirgends so gefunden werden kann,
als in der griechischen Antike."
Charinus eilt nun mit Eutyclms ab, um Dorippa zu
versöhnen. Lysimachus und Demipho treten auf und alsbald
Eutychus mit der Botschaft, die Mutter sei wieder gut. Lysi-
machus redet dem Demipho ins Gewissen; es sei von ihm nicht
recht gewesen, seinem Sohne das Mädchen abzujagen (F. 965):
Nam 1c istac aetate haut aequom fuerat filio tuo,
Adulesceuti amanti amicam eripere emptam argento suo,
') A. a. 0., S. 1237.
C84 XIII. Mercator.
worauf dieser thut, als wisse er es nicht. „Ut dissimnlat malus!"
ruft Eu ty ch us aus. Demipho versichert es jedoch nochmal.
Eutychus schliesst mit dem Vorschlage, ein Gesetz zu erlassen,
dass jeder, der sechzig Jahre alt ist, wenn er einem Mädchen
nachstellt, als ein Narr behandelt werden solle. Junge Leute
aber mögen lieben, und zwar öffentlich, denn insgeheim komme
es zu teuer. Noch diesen Abend hat dies Gesetz in Wirksamkeit
zu treten (F. 1011):
Annos natus sexaginta qui erit, si quem seibimus,
Seu maritum, siue hercle adeo caelibem, scortarier:
Cum eo nos hac lege agemus: inscitum arbitrabimur.
Et per uos quidem hercle egebit, qui suom prodegerit.
Neu quisquam posthac prohibeto adulescentem filium,
Quin amet, et scortum ducat, quod bono fiat modo.
Si prohibuerit, plus perdet clam, quam si praebuerit palam.
Haec adeo ut ex hacce nocte primum lex teneat senes.
Die beiden Rivalen des Stückes und der Gegenstand ihrer
so glühenden Liebe ziehen vorerst unser Interesse auf sich. Der
alte Demipho ist in strenger Jugendzucht herangewachsen
(F 64: „adeo arte cohibitum esse se a patre. ") Nun ist er in
alten Tagen, ein „Acherunticus, senex iietus, decrepitus (F 288),
capite cano (F 303)", verliebt geworden, obwohl er sonst harten
Charakters ist. „Scio, saeuos quam sit, domo doctus" (F 351).
Seine Anschauungen setzt er in dem Monologe (F. 538) ausein-
ander. In seinem Alter „id iam lucro est, quod uiuis" (F 547):
also trinke und liebe! („potes, ames!"). Seine Absicht ist (F. 541):
breve quod uitae reliquum est,
Voluptate, uino et amore delectauero.
Sein Freund Lysimachus, ein wirklicher Freund (F. 286:
„Non sinn oecupatus umquam amico operam dare"), wird nach
seinem Äusseren als der Käufer Pasicompsas geschildert (F. 635):
Cauum, uarum, uentriosum, bueculentum, breuiculum,
Subnigris oculis, oblougis malis, pansam aliquautulum.
Charinus, der in seiner Liebe an den Tod denkt, ist mit
allem Feuer der Jugend ausgestattet , das wohl die wunder-
schöne Pasicompsa (,, forma eximia," F. 209; 259; 500) leicht
erregen konnte.
Der Mercator des Plautus ist wenig nachgeahmt worden.
Rapp1) vermutet eine Erinnerung an das Stück in Arthur
') Studien, S. 170.
Murphy. Cohnan. Cecchi. 685
Murphys (1727 — -1805) zweiaktigem „The Citizen-'.1) „Übrigens
kommen in diesem Stücke zwei deutliche Reminiszenzen aua
Moli er e und vielleicht eine unbewusste aus Plautus' Mercator
vor." Die Reminiszenz ist eine schwache, falls sie den
Vater Philpot betrift't, der bei Corinna seinen Sohn George
als Rivalen findet und dort viel zu hören bekommt.
Drawn in by strumpets, and detected too!
klagt er im Epilog, worauf George erwidern kann:
That 's a sad tliing, Sir! I '11 be judg'd by you.
Colmans englisches Stück, „Der Kaufmann," hat, wie viele
andere, nur den Titel mit Plautus Lustspiel gemeinsam. Die
englische Übersetzung von George Colman „The merchant"
ist der zweiten Ausgabe seines Terenz beigedruckt.2)
Eine italienische Übersetzung „II Mercadante " in versi
sciolti von Orazio Bianchi führt Argelati3) an. — Eine Über-
arbeitung des plautinischen Stückes liegt in Gio. Maria Cecchis
.. la Stiava"4) vor, obwohl diesmal wider die Gewohnheit die
Quelle im Prolog nicht genannt ist.
I. Akt. (1.) Alfonso klagt, wie Charinus (7. 18 ff.), über
die Leidenschaft der Liebe. Er hat sein Mädchen mitgebracht,
das sein Vater nicht sehen darf. (2.) Sein Diener Gorgoglio,
der plautinische Acanthio, kömmt herbeigelaufen (V. 113):
Simul enica suspiritus: nix suffero hercle anhelitum
E mi manca la lena, i ho la gola di Pomice.
V. 122.) Genua hunc cursorem desertont
Le gambe mi fiaecono.
| V. 133.) Periimus!
Xoi siam presso che rouinati.
Die lange Szene des Plautus ist etwas gekürzt; dagegen:
Alf. Che e stato?
Gorff. Vostro padre?
Alf. Che ha? Che ha?
(-<ii'f/. E venuto alla naue.
Alf. E quando n' e venuto?
Gorg. Adesso e ueduta la nostra Adelfia;
') Auf S. 21ö — 301 des zweiten Bandes von „The works of Arthur
Murphy, Esq. London (Printed for T. Cadeil) 1786".
2) S. 301 — 388. „Translated from Plautus into familiär blauk verse.
London 1768."
s) in, 236.
4) La Stiava. | Comedia | di Gio. Maria Cerchi | (sie) Fiorentino.
In Viuegia appresso Gabriel Giolito de Ferrari e l'ratelli. MDL. .'!() fol.
— Ginguene. VI. 277. — Ruth. IL Ö8:J. — Klein. IV. Ö14.
686 XIII. Mercator.
nach Vers 180:
A.c. Eloquar, quandoquidem me oras. Tuus pater . . .
Chor. Quid meus pater?
Ar. Tuam amicam . . .
Uhar. Quid eam?
Ar. Vidit . . .
Er sali sie und sprach mit ihr:
Chor. Vidit? Vae misero mihi.
Alf. Nou ti domando egli chi ella era?
Gorg. Si, io gli dissi che ella era ima Stiaua Perotta: la quäle uoi haue-
uate compera per uostra madre.
( V. 200.) matri te ancillam tuae
Emisse illam.
So, meint Gorgoglio, habe er die Geliebte stets um sich.
(3.) Der Vater Filipo (Demipho) tritt auf. Wie bei
Plautus, so hatte er auch hier einen Traum, doch einen andern.
Ihm träumte nicht von Ziege und Affe, sondern sein Sohn sei
glücklich heimgekehrt. Und richtig fand er ihn im Hafen; und
noch dazu .,una fanciolozza bianca, grassa e fresca che pare im
sole di Maggio. Io non potetti teuere che i non gli toccassi
la mano, o che carni son quelle!" (4.) Nastagio mit seinem
Verwalter Meino gesellt sich dazu. Aus den zwei Versen
(F. 270):
Profecto ego illuuc hircum castrari uolo,
Pari qui nobis exhibet negotium.
welche Lysimachus ins Hans ruft, hat sich eine eigene Szene
mit dem Verwalter gebildet, in welcher über einige landwirt-
schaftliche Punkte gesprochen wird. Der derbe Witz aber
Demipho s, der fürchtet, selbst der Bock zu werden, ist unter-
drückt. (5.) Filipo begrüsst seinen Freund Nastagio ganz
nach Plant us.
Fil. Nastagio, io sto male.
Nast. Oime, cosa che mi dispiace. che hai tu?
Fil. Se tu non hai facenda, io te '1 dirö.
Nast. Bench' io 1' habbia, io lascerö stare, che io non son mai per gli
amici oecupato.
Fil. Tu sei tutto cortese. Di quanto tempo mi stimi tu?
Nast. 0 s' io te lo dicessi, tu 1' haresti per male,
getreu nach dem Originale. Alsdann folgt eine Erweiterung
bis zu Filipos Worten: „Io sono ancor si pu6 dir un fanciullo"
(F. 290): ,,Puer sum, Lysimache, septuennis." Das hübsche Wort-
spiel mit den drei Buchstaben AMO (F. 302) ersetzt das ein-
fache ,,I son innamorato." Alles Weitere ist plautiniscb, nur
stellenweise breiter geworden.
Cecchis La Stiava. 687
II. Akt. (1.) Filipo ist selig. Noch hat niemand etwas
geahnt. ,,Io la f'arei comperare a qualcuno per me & la terrei
in una casa a posta mia segretamente & crederei darmi mille
piaceri senza un dispiacere al mondo." (2.) Alfonso begrüsst
seinen Vater, wie im Originale. Auch Filipo findet den Sohn
hlass. ,,Che vuol dire che tu sei cosi pallido?" (F. 364: ,,sed istuc
quid est, tibi quod conmutatust color?") Er solle daheim bleiben
und sich pflegen; der Alte werde für ihn die Geschäfte ab-
machen. Alfonso lehnt das Anerbieten ab. Nach einigen Fragen
kömmt das Gespräch auf das Mädchen: ,,Non ha tu inenata non
so che stiava per tua madre?" (F. 386: „Ecquara tu aduexti
matri ancillam Rhodo'?") Die Worte des plautinischen Cha-
rinus aber, „non edepol mala," hat hier Filipo. ,,Ella e una
bella giouane." Allein sie passt nicht in unser Haus, „perche noi
habbian bisogno d' una serva da fatica, che spazi cucini, laui
bucati & faccia le facende di casa & che si possa mandare sola
per tutto a ogni hora. Questa e una figura gentile da star per
cameriera di qualche gran madonna che tenga chi la serva." Alles
nach F. 391 ff. Auch wäre sie zu schön. Wie bei Plautus
stimmt Alfonso dafür, sie zu verkaufen: er will sie einem
Freund geben, der Alte hat aber bereits einen Käufer, der, wie
im Originale, jedes Angebot zahlen kann. Nach einigem Hin-
und Widerreden schickt der Alte seinen Sohn an den Hafen;
& vi sara tua madre, e quiui consulteremo, se egli e meglio
tenerla per noi o darla ad altri e a chi. Dieser Entschluss,
der Mutter die Entscheidung anheimzustellen, ist gegen
Plautus. Der Sohn geht. Filipo rechnet auf Nastagio, wie
Demipho auf Lysimachus. (3.) Alfonso klagt seinem Freunde
Hippolito, der, wie Eutychus, das Meiste gehört hat. Diese
Szene entwickelt sich aber anders, als bei Plautus. An-
knüpfend an den Vorschlag des Alten, die Mutter entscheiden zu
lassen, rät Hippolito, Alfonso solle dieselbe für sich ge-
winnen, und „oltre a cio dillo che tu hai sospetti che tuo padre
non la uoglia per se." Damit der Alte nicht unterdessen an den
Hafen geht, eilt Hippolito dorthin und will alles überwachen.
III. Akt. (1.) Filipo hat sein Ziel erreicht. ,,Io mi sono
compero una donna fingendo di uenderla a Nastagio." (2.) Es
folgt ein langer Dialog Nastagios xtnd Filipos. Nastagio ist
der Ansicht, ..in credo che questo padrone a ch' ella uuol bene
non sia Filipo ma Alfonso sun Figliunl con chi ella e uenuta di
leuante." Dieses Gespräch ist neu: nur die Einleitung: ,,Si
si, in te lo condurrö, non dubitare" ist nach Plautus ( I". 556:
,,Adducam ego illum iam ad te, si conuenero"), so wie einiges ans
dem Schlüsse, wo Nastagio verlangt, das Mädchen möge baldigst
ans seinem Hanse kommen. (3.) Alfonsos Monolog entspricht
(388 Xu!. Mcrcator.
dem des Charinus (7 582 ff.) Die nächste (4.) Szene führt
X.istagios Frau, Giovanna, die plautinische Dorippa, genau
nach dem Originale ein: „Apoi che '1 inio marito in' ha abban-
donata in uilla e non ui capita io non ci starö giä piu. Dove e
restata cosiei"? (7 663):
Quoniam a uiro ad me rus aduenit nuntius,
Rus non iturum: feci ego ingeuium meum:
Reueni u. s. w.
Die vier und achtzigjährige Syra vertritt hier die um zwanzig
Jahre jüngere Nuta. Wie Syra kömmt sie aus dem Havise.
,,0 padrona, padrona, padrona! ... 0 padrona, io ho veduto su
in casa una Fanciulla" (V. 680). Die Alte meint, das Mädchen
sei des jungen Herrn halber da, Giovanna aber glaubt: ,,ella sarä
piu tosto per conto del mio buon marito." Bei Plautus ist es
umgekehrt Syra, die diesen Argwohn ausspricht. (,,Illam esse
ämicam tui uiri bellissumi," 7 684.) Sie treten ins Haus ein.
(5.) Nastagio hält im allgemeinen Lysimachus' Selbstgespräch
(7. 688):
Parumne est hoc malae rei, quod amat Demipho,
Ni sumptuosus iasuper etiam siet?
„Filipo che soleua essere il piu misero huomo che forse io
conoscessi mai, e oggi diuentato il maggior scialacquatore," u. s. w.
Da öffnet sich die Thüre, und Giovanna tritt ein, wie bei
Plautus: ,,0 sciagurata a me!" (7 704.) Nastagio begreift
die Situation sofort. „Mogliama e tornata e ha ueduto colei, io
son morto" (7 701):
Peru hercle, rure iam rediit uxor mea!
Vidisse credo mulierem in aedibus.
Nun beginnt der Zank. ,,Aucor fingi di non sapere?" (,,Sed
tu me temptas sciens," 7 717.) Dazu kömmt noch (7.) der Koch.
Wie Lysimachus, erklärt Nastagio: „Questa e una stiaua leuan-
tina che si litiga, e m' e stata data dalla corte in diposito." Da
der Koch um weitere Befehle bittet, meint Giovanna: „Son ti
anco questi mandati in diposito.'' („Etiamne haec illi tibi
iusserunt ferri, quos inter iudex datus 's" 7 744.) Wie im
Originale, ruft Giovanna (8.) ihre alte Magd. Sie soll Fran-
cesco oder Grimaldo holen. Vergeblich versucht Nastigio, sie
zu beschwichtigen.
IV. Akt. (1.) Alfonso erwartet voll Sehnsucht seinen
Freund: endlich (2.) kömmt er. Das Mädchen ist verkauft; nie-
mand weiss, an wen. Als Hippolito zum Hafen kam, war sie
weg. Die Szene ist aus Vers 811 — 814 gemacht. (3.) Von
Cecchis La Stiava. 689
Nuta erfährt Hippolito, dass sein Vater ein Mädchen heimgeführt
habe; er ahnt, wer dies sein kann und eilt ins Haus. Es folgt
nun die Rede Nutas über das harte Los der Frau: „Noi siamo
pure sottoposte a una dura legge", Avelche bei Plautus die
Szene (V. 798 — 810) einleitet. (4.) Nuta hat die Verwandten
nicht zu Hause angetroffen. (5.) Filipo erfährt von Nastagio
das Vorgefallene; er möge sofort das Mädchen zu sich nehmen.
(6.) Hippolito teilt, voll Freude, seinem Freunde den Aufenthaltsort
seiner Geliebten mit.
V. Akt. (1.) Nuta berichtet von den ernsten häuslichen
Kämpfen, deren Zeuge sie war, und die hauptsächlich darum ent-
standen, weil jeder etwas anderes vorgab. Nastagio wollte das
Mädchen „in diposito" haben, dann trat er sie als Eigentum
an Filipo ab, und Hippolito behauptete, sie gehöre Alfonso.
(2.) Nuta kehrt sich nun an den auftretenden Filipo. Er solle
ihrer Frau sagen, ,,chi e cotesta fanciulla, ma uedete, dite le il
uero uero!" Filipo meint, es sei ja doch nichts Seltsames, dass
man sich eine Sklavin anschaffe „per seruirsene, per in casa, per
fare il pane, il leuato". Doch das glaubt Nuta nimmermehr.
„Una giouane bella come e questa, si toglie per altro; coteste
brighe e coteste fatiche toccano a una mia pari, coteste non si
mettono in cucina alla fäuica. " Er erklärt, dass die Sklavin ihm
gehöre und nur bei Nastagio untergebracht worden sei.
(3.) Hippolito macht seinem Freunde Alfonso von allem Mit-
teilung. Seine Geliebte sei in seines Vaters Hause; ,,e mio padre
e quello che fingendo di comprarla la serba a tuo padre." Al-
fonso ist überglücklich. Unterdessen (4. 5.) hat (6.) Nastagio
in der fremden Sklavin seine Tochter entdeckt, welche ihm vor
fünfzehn Jahren von Mauren geraubt . wurde. Sie hatte „una ca-
tenuzza con certi breui & una pendente smaltata ui entro V arme
nostre che tutte queste cose haueua al collo quand' ella ci fu
tolta." (7.) Gorgoglio kömmt mit diesem Berichte von Adelfias
Wiederfinden, und alles (8.) endet zur Befriedigung der Be-
teiligten.
Cecchis Stück hält sich genau an Plautus und weist
die den meisten Stücken dieses Autors in hohem Grade eigene
Dezenz auf. Einige hübsche Punkte hat er sich entgehen lassen;
doch wirkt sein Lustspiel ganz hübsch und kann als eine ge-
lungene Modernisierung eines an sich heiklen Stoffes gelten.
Argelati1) nennt „II Mercadante - Commedia di Ercole
Bottrigaro Cavalier Bolognese, tratta da quella di Plauto in
versi tronchi o da X sillabi.
•) IV, 3G1.
44
690 XIV. Pseudolus.
XIY. Pseudolus.1)
Nach Mitteilungen aus dem Altertume war Plautus selbst
über seinen Pseudolus,2) ein Stück, das „nach Haltung-, Ton
und Form von einer gewissen Gereiftheit" 3) zeugt, besonders er-
freut. Bei Cicero4) heisst es: „Quam gaudebat bello suo Punico
Naevius, quam Truculento Plautus, quam Pseudolo." Wenn
dem so ist, so erhellt daraus, welche Art von künstlericher Pro-
duktion dem Dichter am angemessensten schien. Im Pseudolus,
dessen ununterbrochene Heiterkeit sicher den Zuschauerkreis in
stetem Lachen erhielt, hänfen sich die komischen Szenen ohne
Unterlass. Zwar findet Papp5) die Intrigue „ungeschickt und-
schülerhaft gemacht":6) und es muss auch zugegeben werden,
dass Pseudolus dieselbe Aveniger selbständig entwickelt, als viel-
mehr für ihn der günstige Zufall thätig ist. Er sagt uns auch,
dass er einen ganzen Plan fertig habe, dass dieser jedoch unnötig
geworden sei, nachdem das Glück für ihn gewirkt habe (F. 675):
Quo modo quicque agerem, ut lenoni sübruperem mulierculam,
Iam instituta, ornata cuncta mi ordine, auimo ut uolucram,
Certa, deformata habebam. set profecto hoc sie erit:
Centum doctum hominum consilia sola haec deuincit dea.
Fortuna.
Allerdings hat Pseudolus Grund genug, Fortuna zu preisen;
denn sie wirkte für ihn in einer Sache, vor welcher er anfangs
ratlos stund (F. 395):
Quid nunc acturu 's, postquam erili filio
Largitu 's dictis dapsilis lubeutias?
Quoi neque parat ast gutta certi consili
Neque adeo argenti * * *
Neque exordiri primum unde oecupias habes
Neque ad detexundam telam certos terminos.
Ist indessen die Intrigue des Stückes wirklieh nicht so fein
durchgesponnen, so ist jene andere Bemerkung Rapps7) unbestreit-
') Ausgaben von Komeijn (Daventr. 1836); Lorenz (Berl. 1876).
Hier zitiert nach Fleckeisen.
2) Pseudolus nach 0. Seyffert (Philol. XXY. 448); Fleckeisen
(Jahrb. 93, 9. 242); 0. Lorenz (Philol. XXXY, 153); Ritschi (Op. m, 7)
hält an Pseudulus.
3) Teuffei, G. d. r. L., S. 151.
4) Cato maior, § 50.
5) Die pl. L., S. 1857.
6) Dagegen nennt es Binder (S. 9) ein „höchst anziehendes durch
reichen Szenenwechsel u. rasche Entwickelung sich auszeichnendes Stück".
7) A. a. 0.
Charakteristik desselben. 691
bar, dass das Lustsjiiel „eine gewisse Fülle in der Ausführung"
habe, welche ,.die dünnen Fäden der Intrigue überdeckt".
Neben zahlreichen eingestreuten griechischen Sentenzen (F. 443,
483, 484, 498, 712) interessieren die technischen Auslassungen
über Dichtkunst und Dichter. So spricht Plautus von des
Dichters Aufgabe zu erfinden, ..was sich nie und nimmermehr
begeben" (F. 401):
quasi poeta, tabulas quom cepit sibi,
Quaerit quod nusquamst gentium, reperit tarnen:
Facit illut ueri simile quod mendaciumst :
und wie ein Kapitel aus der Technik des Dramas klingt
es, wenn Pseudolus sagt, der Umfang des Stückes erlaube es
nicht, dies zweimal zu sagen (F. 388):
Nolo bis iterari: sat sie longae turnt fabulae,
und wiederum, dass das Stück für die Zuschauer gespielt werde
und die Fragen der Schauspieler auch nachher können beant-
wortet werden (F. 720):
Horum caussa haec agitur speetatorum fabula:
Hi sciunt qui hie adfuerunt: uobis jiost narrauero.
Da das gesamte Stück 1334 Verse umfasst und der erste
Akt bis zu Vers 574 reicht, ist die Symmetrie der Akte arg
erschüttert. Ein tibicen hat für die Unterhaltung der Zwischen-
akte zu sorgen (F. 573):
Tibicen uos interea hie delectauerit.
In der ersten Szene des ersten Aktes finden wir den
jungen Caliidorus, Simos Sohn, im Gespräche mit seinem
Sklaven Pseudolus. Caludorus ist ausser sich, denn ein Brief
seiner Geliebten Phönicium hat ihm die Mitteilung gebracht,
dass der Kuppler Ballio, in dessen Hause sie ist, sie an einen
makedonischen Kriegsmann um zwanzig Minen verkauft und der
Soldat bereits fünfzehn derselben erlegt hat. Das Mädchen soll
demjenigen überliefert werden, welcher das Siegel des Kriegers
überreicht. Dem trostlosen Caludorus giebt Pseudolus die
Versicherung, dass er die Sache ins Reine bringen werde.
In der zweiten Szene tritt Ballio auf; er schmäht heftig
auf seine Sklaven in einer Apostrophe (F. 133 — 152), die ihr
ganzes Thun und Treiben eigentümlich beleuchtet. Er erteilt
ihnen Befehle aller Art, da sein Geburtstag gefeiert werden soll.
Caludorus und Pseudolus treten ihm in den Weg. Calu-
dorus lässt nichts unversucht, um sieh die Geliebte zu retten:
44*
692 xrVT- Pseudolus.
alleii) der Kuppler bleibt für alle seine Bitten taub. Nur zu dem
Einen lässt er sieb herbei, den Soldaten zu hintergehen, falls
Caludorus die zwanzig Minen früher auszahlen könnte (F 376):
Si tu argentum attuleris, cum illo perdidero fidem.
Ballio tritt ab, alsbald auch Caludorus. Da eben Pseu-
dolus mit sich zu Rate geht, was zu thun sei, tritt Simo in
Begleitung des Callipho auf. Simo hat bereits in Erfahrung
gebracht, dass sein Sohn Geld für die Loskaufung Phöniciums
brauche, was die Pläne des Pseudolus kreuzt (F 423):
Occissast haec res, baeret hoc negotium.
So tritt er denn offen auf und bietet dem Alten eine Wette,
er werde freiwillig die zwanzig Minen zahlen und der Kuppler
die Flötenspielerin dem Caludorus ausliefern.
Egoue ut cauere uequeam, quoi praedicitur?
sagt Simo siegesgewiss (F 516).
Praedico, ut caueas: dico, iuquam, ut caueas: caue:
Hern, istis mihi tu hodie manibus argentum dabis,
versetzt ihm Pseudolus lächelnd.
Mit dem zweiten Akte will Pseudolus seine Arbeit be-
ginnen, da tritt Harpax, der Knappe des makedonischen Kriegers,
auf, das Haus des Kupplers suchend. Pseudolus belauscht ihn
und fasst auf das Gehörte hin sofort einen neuen Plan (F 601):
Nouo cousilio nunc mi opus est; noua res subito mi haec obieetast.
Es gilt nun den Mann „cum machaera" (F 593), den ,,stratio-
ticum nuntium" (F. 603), zu überlisten. Pseudolus tritt ihm in
den Weg, nennt sich zwar nicht Ballio, doch Subballio —
Vizeballio, — und da er ahnt, dass dies der von Makedonien
gesandte Bote ist und den Zweck seines Hierseins weiss, bringt
er ihn dazu, dass ihm, nachdem er sich für den Sklaven Syrus
ausgegeben hat, Petschaft und Brief, wenn auch nicht das Geld,
ausgeliefert wird, und dass sich der Bote dazu versteht, in einer
„taberna extra portam ,aput anum illam doliarem cludam crassam
Chrusidem''' (F. 659) einzukehren, um in derselben die weitere
Antwort abzuwarten. Im Besitze dieser Gegenstände kann Pseu-
dolus nun dreifachen Betrug ausüben (F. 690):
nunc ego hac epistula
Tris deludam, erum et lenonem et qui hanc dedit mi epistulam.
Charakteristik desselben. 693
Caludorus tritt in Begleitung' seines Freundes Charinns
auf. Pseudolus hatte ihm aufgetragen, „aliquem ut hominem
strenuom, beneuolentein adducerem ad se" (F. 697). Ein solcher
ist Charinus (F. 699). Charinus borgt fünf Minen und ver-
mittelt einen Sklaven Simmia, der, als Harpax verkleidet, von
Ballio das Mädchen in Empfang nehmen soll. Jetzt erst hat
sich, allerdings nicht auf des Pseu dolus ausschliessliches Zuthun,
die Sache so geklärt, dass er sagen kann (F. 759):
Quidquid incerti mi in animo prius aut ambiguom fuit,
Nunc liquet, nunc defaecatumst: cor [meum] mihi nunc peruiumst.
Der dritte Akt lässt uns wieder einen Blick in das Haus
des Kupplers thun, in seinem Zwiegespräche mit dem Koche.
Sein Nachbar Simio hat ihn gewarnt (F. 898):
Vt mihi cauerem a Pseudolo seruo suo,
Ne fidem ei haberem: nani eum circum ire in hunc diem,
Vt me, si posset, muliere interuorteret.
Eum promississe firmiter dixit sibi,
Sese abducturum a me dolis Phoenicium.
Dem zu begegnen, ist er wohl bedacht.
Im vierten Akte bringt Pseudolns den als Harpax ver-
kleideten Simmia. Da Ballio auftritt, zieht sich Pseudolus
zurück, und Simmia spielt die Rolle des Harpax so vortrefflich,
obwohl er nicht einmal den Namen seines Herrn Polymachäro-
plagides weiss und ihn erst erfährt, als er den Kuppler, um
sich zu vergewissern, um dessen Namen fragt (F. 990), dass ihm
Ballio ohne Bedenken das Mädchen einhändigt. Pseudolus
fürchtet bereits die Konkurrenz dieses gewandten Menschen, und
dass er etwa gar ins feindliche Lager übergehen möchte (F. 1026):
Primum oninium iani hunc conparem nietuo meum
Ne deserat me atque [hinc] ad hostis transeat.
Simmia bringt die weinende Phönicium aus dem Hause und
eilt mit Pseudolus triumphierend ab.
Im fünften Akte kommen Ballio und Simo zusammen.
,, Nihil est quod metuas", meint (V. 1066) Ballio; die Sache ist
erledigt; das Mädchen ist fort. Da tritt Harpax auf. Anfäng-
lich halten sie ihn für einen Betrüger, den Pseudolus abschickte,
„qtxasi [si] a Macedonio milite esset" (F. 1162). Nach einiger Zeit
jedoch, da Harpax den vermeintlichen Syrus schildert, dämmert
es zuerst Simo, dass dieser der richtige Harpax und die Wette
somit verloren sei. Ohne Zorn („inultus", F. 1241) will Simo die
versprochenen zwanzig Minen zahlen, denn (' F. 1243): ,,nimis illic
mortalis doctust, nimis uorsutus, nimis malus."
694 XIV- Pseudolus.
Pseudolus naht betrunken „cum Corona" (F 1287). Er
hat mit seinem Herrn Caludorus ein prächtiges Mahl einge-
nommen und giebt davon eine begeisterte Schilderung (F 1252
— 1269). Simo tritt aus dem Hause und bezahlt ihm das
Geld. Ballio erhält von Pseudolus die Hälfte der Summe, und
die Frage des Pseudolus an den Vater (F. 1328):
Quid nunc?
Numquid iratus es aut mihi, aut filio
Propter has res, Simo?
und dessen Antwort: „Nil profecto!" verleiht dem heiteren Spiele
einen befriedigenden Abschluss.
Der Liebhaber des Stückes Caludorus tritt gegen den Schluss
der Komödie nicht mehr auf. Er hat seine Phönicium erhalten,
ob auch ohne sein Zuthun. In den ersten Akten ist er einer
der herkömmlichen Liebhaber. Er badet den Brief seines Mädchens
in Thränen (F. 10: „Gestas tabellas tecum, eas lacrumis lauis").
Venus hat ihn mit ihren Streichen heimgesucht (F. 15: ,,Sub
Veneris regno uapulo"), sodass er schon an das Aufhängen denkt
(F. 89: "Qui nie faciam pensilem") und vom Leben Abschied nimmt
(F. 94):
Profecto nullo pacto possum uiuere,
Si illa a me abalienatur atque abducitur.
Sein Vater fällt über ihn ein hartes Urteil (F. 415):
Si de damnosis aut si de amatoribus
Dictator fiat nunc Athenis Atticis,
Nemo anteueniat filio credo ineo.
Seine Geliebte, Phönicium, zählt zu den stummen Personen
des Stückes. Ballio nennt sie (F. 227): „deliciae summatum
uirum. " Mit welch heisser Liebe sie Caludorus anhängt, be-
weist ihr Brief (F. 64):
Nunc nostri amores mores consuetudines
locus ludus sermo suauis sauiatio,
Conpressiones artae amantum conparum,
Teneris labellis molles morsiunculae,
Papillarum horridularum oppressiunculae:
Harum mihi uoluptatum omuium atque itidem tibi
Distractio discidium uastities uenit,
Nisi quae mi in ted est aut tibist in me salus.
Der Vater Simo, dieser „tarn cautus senex" (F. 290), hat
nach der Aussage des nachsichtigen Callipho als Jüngling so
manches durchgemacht, dass sich viele in seine Streiche teilen
könnten. Sollte ihm der Sohn nicht nachgeraten? ..Tene id mi-
rari, si patrissat filius?-' (F. 442).
Charakteristik desselben. 695
Eine gemeine Seele ist liier, wie in allen plautinischen Stücken,
der Kuppler Ballio. Der Stellen, welche gegen dies elende
Gewerbe gerichtet sind, die „nugae theatri, uerba quae in comoediis
solent lenoni dici, quae pueri sciunt" (V. 1081) sind auch in
diesem Lustspiele zahlreiche. „Non lenoniumst" [V. 289), sagt
Ballio von allem Ehrbaren. Der Mann mit seinem Bocksbarte
(„cum hirquina barba" V. 967) und seinem krebsartigen Gange
(F. 955: ,,Nonprorsus, uerum transuorsus cedit, quasi Cancer solet")r
der sich in einfältiger Selbstgefälligkeit sehr viel auf seinen Ge-
burtstag zu gute thut (V. 165: ,,Nam mi hodiest natalis dies: eum
decet omnis uos concelebrare") — treffend ruft ihn Pseudolus
(V. 243): ,,Hodie nate, heus, hodie nate: tibi ego dico: heus,
ho die nate!" — ist sich seiner erbärmlichen Stellung als Kuppler
Avohl bewusst. Jeden Schimpf, der ihn trifft, nimmt er als selbst-
verständlich auf sich (V. 359 ff.).
Pseud. Iam ego te differam dictis meis.
Inpudice. BA. Itast. PS. Sceleste. BA. Dicis uera. PS. Ver-
bero. BA. Quippini? PS. ßustirape. BA. Certo. PS. Fur-
cifer. BA. Factum optume. PS. Sociofraude. BA. Sunt mea
istaec. PS. Parricida. BA. Perge tu! CA. Sacrilege. BA.
Fateor. CA. Periure. BA. Vetera uaticiuamimi. CA. Legi-
rupa. BA. Valide. PS. Pernicies adolescentum. BA. Acer-
rume. CA. Für. BA. Babae. PS. Fugitiue. BA. Bombax.
CA. Fraus popli. BA. Planissume. PS. Fraudulente. CA.
Inpure leno. PS. Caenum. BA. Cantores probos.
u. s. av. — Richtig ist des Pseudolus Wort (V. 369): „In per-
tussum ingerimus dicta dolium : operam ludimus, " worauf Ballio
nur noch fragt: „Numquid alium [nie] etiam uoltis dicere?"
Da Simmia als Pseudoharpax einen gottlosen Schurken
sucht (V. 974):
Hominem ego hie quaero malum
Legirupam inpium periurum atque inprobum,
sagt Ballio, er könne damit gar niemand andern als ihn
meinen:
Me quaeritat:
Xam illa [mea] sunt cognomenta: nomen si memoret modo.
Es ist ihm an all diesen Schimpfreden gar nichts gelegen.
Ergo haut iratus fui.
NaiM quanti referl ei nee recte dicere.
Qui uihili faciat quique infitias nun eat?
(F. 1084) ist seine Anschauung Schmähworten gegenüber. Er
will nur Geld verdienen und reich werden: darum ist er hart gegen
seine Sklaven, von denen er eine sehr schlimme Meinung li.it
696 XIV. Pseudolus.
(7. 133 ff.), gierig- auf Gewinn mit seinen Dirnen (F. 172 ff).
Sein Ziel ist, durch Gelderwerb es einmal so weit zu bringen:
Vt ciuitas nomen mihi conmutet meque ut praedicet
Lenone ex Ballione regem Iasionem.
(V. 152.) Darum lebt er nur für den Gewinn. Vom begonnenen
Opfer liefe er weg, wenn es irgendwo etwas zu erhaschen gäbe
(7 265):
nam si sacrufieem summo Ioui
Atque in manibus exta teneam ut poriciam, interea loci
Si lucri quid detur, potius rem diuinam deseram.
Darum scheut er weder einen Meineid, noch steht er an, sich als
einen Meineidigen zu bekennen (7 354):
VA. Periurauisti, sceleste.
BA. At argentum intro condidi.
Bei solcher Weltanschauung hat natürlich für ihn nur das-
jenige Wert, was ihm nützen kann. Dankbarkeit ist ihm fremd;
der augenblicklich Mittellose ist tot für ihn. Da ihn Pseudolus
daran erinnert, dass Caludorus einst sein „sospitalis" war, hat er
nur das Wort (V. 248): „Mortuost qui fuit: qui est (is) uiuost."
Nicht wer er war, nur wer er ist, kömmt bei ihm in Be-
rechnung.
Harpax, der Diener des makedonischen Kriegsmannes (von
seinem Namen ist in V. 654 die Eede), erweist sich als einen
treuen Knecht seines Herrn. Die Anschauungen von treu zu
leistenden Diensten setzt er in seinem Monologe (7. 1102 — 1114)
auseinander. Auch dem abwesenden Herrn dient er, als ob er
hier wäre (F. 1112: ,,Ecsi abest, hie adesse erum [meum] arbitror").
Er benimmt sich klug und vorsichtig, indem er dem vorgeblichen
Syrus das Geld nicht ausliefert (7. 633).
Um den Pseudoharpax zu spielen, ist ein Mensch nötig,
den Pseudolus bezeichnet (Y. 724):
Malum
Callidum doctum, qui quaudo priueipium praeheuderit,
Porro sua uirtute teueat quid se facere oporteat.
Ein solcher bietet sich in dem Sklaven Simmia. Er wird
7. 739 — 750 eingehend geschildert. Selbst dem listgewandten
Pseudolus zwingt er das Geständnis ab, er habe nie einen
schlaueren Menschen gesehen (V. 1017):
Peiorem ego hominem magisque uorsute malum
Numquam edepol quemquam uidi, quam hie est Simmia.
Charakteristik desselben. 697
Er muss ihn um seiner unvergleichlichen Tücke halber lieben,
fürchten und bewundern (7 944):
Yt ego ob tuam, Simmia, perfidiam te amo et metuo et magnifico.
Dem Kuppler gegenüber benimmt sich Simmia ganz vor-
trefflich. Einen Gruss hat er als echter Kriegsknecht für nie-
manden. „Nullast mihi salus dataria" (7 969). Auch seinen
vorgeblichen Herrn Polymachäroplagides zeichnet er in den
üblichen Farben des „Miles" als den „fortis atque bellator probus"
(7 992) und als „inperiosus" (7 996).
Ausser dem unbedeutenden Charinus und dem Koche,1)
der als solcher schon ein Dieb ist2) und sich noch gut erweist,
da er nur einen Becher und einen Krug mitgehen Hess, 3) tritt
nur noch die Hauptfigur des Pseu dolus auf, die alles Interesse
auf sich konzentriert. „Unter dem Pseudolns soll sich Plautus
selbst durch Harpax haben schildern lassen"4) (7. 1218):
Rufus quidam, uentriosus, crassis suris, subniger,
Magno cäpite, acutis oculis, ore rubicundo, ad modum
Magnis pedibus.
Veranlassung zu dieser Vermutung gaben die „magni pedes", welche
den Namen Plautus verursacht haben sollen.
Pseudolns ist der Meister der Schlauheit, des dolus, was
zweimal zu einem Wortspiele mit seinem Namen führt (7 1205) 5):
Edepol honiinem uerberonem Fseudolum, ut docte dolum
Conmentust . . .
( V. 1244.) Superauit dolum Troiannm atque Ylixem Fseudolus.
Er ist der beständige Rat des jungen Herrn (7. 16):
tu me antidhac
Supremum habuisti comitem consiliis tuis,
sagt er ihm; auch Simo nennt ihnen seinen verderblichen Lenker
(7. 446):
Hie mihi conrumpit filium, scelerum caput:
Hie dux, hie illist paedagogus.
') Über die Kochkunst selbst erfahren wir einiges V. 810 — 825.
2) V. 851. An tu inuenire postulas quemquam coquom
Nisi miluinis aul aquilinis ungulia?
3) V. 956. Minus malum hunc hominem esse opinor quam esse
censebam coquom:
Nam nihil etiam dum harpagauit praeter cuathum et
cantharum.
<>) Lessing a. a. 0., S. 23.
5) Darauf stützt sich die Schreibart Pseudolus = Wevdiloc.
(Teuf fei, G. d. r. L.. S. 151.)
698 XIV. Pseudolus.
Caludorus preist ihn als seinen Helfer in der Not (V. 700):
Nimiumst mortalis graphicus: heuretes mihist,
und er selber kann von sich rühmen (V. 109):
Scis tu quidem hercle, mea si conmoui sacra,
Quo pacto et quantas soleam turbellas dare.
Seine Bimssteinaugeu sind keiner Thräne fähig (V, 75):
Pumiceos oculos habeo: non queo
Lacruuiam exorare ut expuant unam modo.
Geschickt führt er das übernommene Werk zu Ende, indem er
„in der Schelmerei rechte Wunder thut", wie Lessing1) sagt.
Der Psexidolus ist mit dem Epidikus das Vorbild der
schlauen Diener geworden, das sich den Zeitanschau-
ungen anpassend mannigfache Wandlungen annahm, ohne
je den Grund ton zu ändern.
Pseudolus hat einen Rivalen gefunden im D a v u s der A n d r i a
des Terenz. Dieser ist es, nicht wie gesagt wurde, Pseudolus,
der in Vergilio Veruccis Lustspiel (S. 656) „II seruo astuto "
wieder erstanden ist. 2)
Der Komödie „La Serenade-'3) des Jean Francois
Regnard, die am 3. Juli 1694 zum erstenmale als das erste
Stück, das Regnard für das Theätre francais schrieb, gespielt
wurde, liegen Motive des Pseudolus4) zu gründe. Ursprünglich
war das Stück für die italienische Bühne bestimmt, Scapin
war der Arlecchino, Marine die Columbina. Damit werden
auch die argen Schwächen der Dichtung etwas entschuldigt.5)
') Beiträge, S. 50.
2) Darauf weist schon der Prolog hin, wo es (S. 7) ausdrücklich
heisst: „1' Autore in questa fauola ha voluto imitar Terentio & perö lo
fä sapere auanti acciö gl' inuidiosi detrattori & maldicenti non si vadano
vantando di hauer col proprio giuditio loro conosciuto il furto."
3) Auf S. 227 — 264 des ersten Bandes der „Oeuvres completes de
Regnard. Paris (Adolphe Delahays) 1854".
4) A. a. 0., S. 227. La P"e edition est de 1695. L'intrigue de la
Serenade est presque entiere dans le Pseudolus (de Piaute),
acte IV, scene 2. (Lettre de Boi, dans „Lettres de quelques ecrits de
ce tenrps", I, 292. 293.)
5) A. a. 0., S. 228. Le denoüment se ressent encore davantage de
la maniere italienne: c'etait ainsi ä peu pres que fiuissaient la plupart
des pieces de l'ancien theätre italien. On sacrifiait la raison, et quel-
quefois le goüt, ä im jeu de theätre plaisant et d'un comiqiie Charge.
Regnards La Serenade. 699
Der Inhalt ist in Kürze folgender: Der Wucherer Matthieu
beschäftigt sich auch mit Ehebesorgungen imd thut das Seinige,
seinem Geschäftsfreunde Grifon die Hand Leonors, der Tochter
der Madame Argante, zu verschaffen. Nun ist aber Leonor
in Grifons Sohn Valere verliebt, und auch dieser ist nach den
Worten seines Dieners Scapin „diabl erneut amoureux". Wie
Phönieium, schickt nun Leonor in ihrer höchsten Not ein
Briefchen an ihren Geliebten: „Si vous m'aimez autant que je
vous aime, nous sommes les plus malheureuses personnes du monde.
Ma mere pretend nie marier ä im lioiiime que je ne connais
point. Detournez le malheur qui nous menace; et soyez certain
que je choisirai plutöt la mort que d'etre jamais ä d'autre qu'ä
vous." Scapin fällt nun die Aufgabe des Pseudolus zu.
Während Scapin und Valere sich besprechen, kömmt Grifon,
Valeres Vater, und sein Geschäftsfreund Mathieu. Es handelt
sich um eine Geldsumme und ein colli er, wobei Grifon Mathieu
mit den Worten entlässt: ,,Envoyez-y quelqu'un de votre part,
avec un billet de votre main; cela suffira; c'est de l'argent comp-
tant." Grifon sieht seinen Sohn. WieHarpagon, fragt er ängst-
lich: ,,Que faites-vous lä? Y a-t-il longtemps que vous y etes?"
Scapin, den Grifon nicht kennt, wird als ,,musicien del'Opera"
vorgestellt. Als solcher kömmt er eben recht; Grifon bestellt
eine Serenade für seine Geliebte bei ihm, wobei er sich als
einen grossen Knauser erweist. Madame Argante mit ihrer
Tochter Leonor tritt auf, wobei Leonor xmd ihr Geliebter er-
fahren, dass der alte Grifon der Bräutigam ist. Vergeblich er-
heben sich die beiden Liebenden; ihre Eltern sind gegen sie.
Scapin fasst einen Plan für sich. Champagne, Mathieus
Gehilfe, bringt ein Billet seines Herrn. Scapin, der sie belauscht
hat, weiss es, und giebt sich als den „associe du nls de monsieur
Grifon" aus, der ermächtigt sei, alles in Empfang zu nehmen;
er führt Champagne in die Schenke, bezecht ihn stark und
kehrt alsbald verkleidet, „ayant un emplätre sur l'oeil", zu Grifon
zurück, von dem er als „ Isaac- Jerome-Boisme Rousselet,
maitre marchand fripier ordinaire privilegie suivant la cour", das
Geld erhält. ,,Voilä de quoi payer la Serenade!" lacht Scapin.
Alsbald kömmt der betrunkene Champagne, freilich ohne Ma-
thieus Handschrift. Grifon glaubt in ihm einen von seinem
Sühne gesandten „emissaire" zu erblicken und fragt ihn : „Combien
te donnet-on pour jouer le personnage que tu fais?" Er glaubt:
„Monsieur mon fils choisit mal ses gens." Nun beginnt die Sere-
nade mit Tanz, bei welcher Grifon arg mitgespielt wird. ,,Ils
nie deshabillent!" ruft er. ,,11 fouillent dans nies poch.es et pren-
nent bourse! . . . 11 nie prennent un collier de quatre Cents pi-
stoles!", wobei ihn Scapin tröstet: „Bon, hon, ils ne tueront per-
700 XIV. Pseudolus.
sonne! Da tritt V alere mit Leonor vor. Der alte Grifon ärgert
sicli entsetzlich, und das alberne Stück scliliesst mit einem Chor.
Madame Sophie Gay hat daraus eine einaktige komische Oper
gemacht,') zu der Madme Gail (Paris 1818) die Musik schrieb.
Nicht nur der Gang des ganzen Stückes, sondern
auch der Wortlaut einzelner Szenen des „Diderich Men-
schen-Skräk"2) (Comoedie paa en Act) des Ludvig Holberg
weist auf den Pseudolus hin.3) Holberg hat es verstanden,
aus dem plautinischen Stücke einen lustigen Einakter zu machen,
in welchem der bei Plautus nur genannte Miles eine wichtige
Rolle spielt, und wobei auch amphitruonische Szenen und
Anklänge an Curculio das Ganze beleben. Das Stück zählte
zu den beliebtesten des Dichters.4)
(1.) Leander (Caludorus) ist trostlos. Der Jude Ephraim,
den in dieser Komödie aller Schimpf des plautinischen Ballio
trifft, hat ein Mädchen Hyaeinthe als Sklavin gekauft. ,,Det er
en Venetiansk jomfrue, hvis foräldre bar boet i Dalmatien. Htm
er bleven fangen bortfört i den sidste tyrkiske kriig, og soldt til
dinne Jode af tyrkiske Kjöbmänd. " Nun bewacht sie der Jude
mit äusserster Strenge. Henrich (Pseudolus) muss Hilfe schaffen.
Da (2.) zeigt sich Hyaeinthe (Phönicium) am Fenster und ver-
rät, dass sie an einen Offizier verkauft werden soll. Diese Mit-
teilung versetzt Leander in Raserei. Seine ganze Hoffnung
beruht nur mehr auf Henrich. Der Jude Ephraim (3.) kömmt
1) Clement, Dict. lyr., S. 618, urteilt darüber: „Que Scapin soit
fripon cela est proverbial. Mais que des enfants desirent la mort de
leurs parents pour en heriter, cela ne s'est vu que chez les Romains au
temps de Piaute et de Tereuce."
2) Auf S. 97 — 155 vou Ludvig Holbergs „Comeclier" im
vierten Baude. (Kjöbenhavn 1849.)
3) Prutz (Holberg), S. 190. Der Dietrich Menschenschreck, oder
wie Holberg selbst das Stück in der Lebensbesckr. H, S. 177 neuut:
..Der listige Heiuricbs (denn so beissen alle meine Bediente)" ist, wie
Holberg wiederum selbst einräumt, dem Pseudolus des Plautus nach-
geahmt; einzelnes ist auch aus dem Curculio desselben Dich-
ters entnommen.
4) A. a. 0. „Das Stück war eines der beliebteren vou Holberg;
in den 21 Jahren von 1748 bis 1769 wurde es siebenzehumal gegebeu,
iiml auch späterhin noch wurde es, wenu auch mit abnehmendem Bei-
fall, dem Publikum von Zeit zu Zeit immer wieder vorgeführt. Einigen
Anteil au diesem Erfolg hatte wohl das Vergnügen, das König Fried-
rich V. an diesem Stück gefunden. Dietrich Meuscheuschreck uuddie
Maskerade waren diejenigen Holbergsclien Komödien, welche dem König
am besten gefielen, und die daher auch am meisten dazu beitrugen, der
dänischen Bühne die Unterstützung dieses hohen Gönners zuzuwenden."
Vgl. Bahbek, Holbergs ausgewählte Schriften, DI, 364—368 u. XL
440—471.
Holbergs Diderich Menschen-Skräk. 701
eben dazu, wie Henrich seinem Herrn zum Fenster Hyacinthes
hinanhilft. Lärmend und fluchend treibt er sie fort. „Ich will
lieber mit huus vollJuwelen til forwaring heben, end een Jomfer!"
x-uft er in seinem Judenjargon. (4.) Er beklagt sich nun bei
Jeronimus (Simo), dem Vater Leanders, der über seinen Sohn
heftig aufgebracht ist und ihm (5.) und Henrich arge Vorwürfe
macht. Allein Henrich ist offen. „Men jeg vil kun alleene sige
det, at denne jode har kiöbt en fornemme jomfrue, som min herre
er dödelig forliebt udi, og som jeg uvärdig af alle magt practi-
cerer at spüle joden af händerne. " Von seinem Vater aber hört
Leander Hyacinthes Schicksal bestätigt: „Jomfruen skal af-
hentes af en officeer i dag, som har kiöbt hende, og joden gaaer
imidlertid ikke af sit huus, förend hun er borte." (6.) Henrich
wird nun die Sache auf sich nehmen. Während er vor des Juden
Hause lauert, führt ein günstiger Zufall (7.) die Frau des Offiziers
herbei. »Ach hvor ulyksalige ere ikke dog' vi officerer fruer!
Vore mänd seer vi kun sielden, og naar de kommer hiem, saa
förer de maitresser med sig. " Das ist für Henrich die richtige
Verbündete. Sie will vor dem Hause des Juden Lärm schlagen,
allein Henrich widerrät ihr dies. Er braucht nur zu wissen,
wer der Diener ist. Der Herr heisst Hans Frantz von Men-
schenskräk, der Diener aber ist so dumm, dass er glaubte, da
er öfter „lieutenant d'infanterie, capitaine d'infanterie, major d'in-
fanterie" las, man müsse d'infanterie überall hinsetzen, und
darum an einen Pächter schrieb: „A monsieur Lars Erichsen, for-
pagter d'infanterie."
(8.) Jeronimus bespricht sich mit seiner Schwester Elvire
über seinen Sohn. Dabei erfahren wir auch von ihrem Unglück.
Sie hat alle ihre Güter, ihren Mann und ihre einzige Tochter
im Kriege verloren; „min mand som blev slagen udi krig, og
min eeneste datter Leonora, som blev bortfört i slaveri udi
hendes späde aar."
(9.) Henrich hat sich als Jude gekleidet; da naht der
Offiziersdiener. Henrich, in alle Verhältnisse eingeweiht, nimmt
den Brief, ohne ihn zu Öffnen, und giebt dem Diener die Frau
des Offiziers als das gekaufte Mädchen. Damit entfernt sich der
Diener, Christopher Matirenbrekker. In einer halben Stunde
wird sein Herr kommen, um den Rest der Kaufsumme zu be-
zablen. Das ist ein neuer Wink für Henrich. „Denne sidste
relation gir mig anledning til et nyt puts, at täae ogsaa pengene
som joden skulde have."
(10.) Leander erhält von den bisherigen Erfolgen Kunde.
Alsbald erscheint (12.) Henrich als Soldat (..i krigs-habit"). Mit
grossem Lärme tritt er als Christoph Mauerbrecher auf. „Du
bist Jörgen Hattemayer und jeg Alexander .Magnus. Mach auf,
702 XIY. Pseudolus.
oder du bist dödsens. " Er schwätzt dem Juden lauter militärische
Ausdrücke vor und kömmt endlich zur Sache. Er sei Menschen-
schrecks Diener; als solcher übergiebt er ihm den Brief, worauf
Ephraim Hyacinthe holt. (13.) Auf den Lärm ist Jeronimus
mit Elvire aus dem Hause gekommen. Henrich stellt sich
sehr böse gegen ihn, weil er der Vater Leanders, des Gegners
und Rivalen seines Herrn, sei; er prügelt den Juden und Jero-
nimus, dennoch aber schenkt ihm der letztere „et par ducater",
weil er ihm versichert, „Leander werde das Mädchen niemals
bekommen." Hyacinthe wird unter Thränen abgeführt, bis ihr
Henrich einige Worte ins Ohr flüstert. (14.) Ephraim und
Jeronimus streiten, wer die meisten Prügel bekommen habe;
trotzdem aber bleibt Jeronimus auf seiner Meinung stehen, der
Soldat sei ein ehrlicher Kerl gewesen (,,det var dog eil ärlig
kärl"). Schlauer ist Elvire, die an Mauerbrecher ihre Zweifel
hegt. „Jeg tänker paa, om Henrich ikke künde have udklädt
en anden at agere soldat. " Allein der Jude hat Brief und
Siegel.
(16.) Henrichs Triumph ist grossartig: „Triumph! Jomfruen
er alt i Leanders händer. Spület er vundet, men historien ikke
til ende. Nu agerer jeg jode igien, for at faae pengene fra
Officeren, som joden skal have." — Der Offizier hat sich von
Christopher herführen lassen. Henrich, als Jude, kömmt zurück.
Eben besprechen sie sich, da erscheint (17.) Ephraim und sieht, wie
der Offizier den Rest mit huudertzwanzig Dukaten an Henrich
bezahlt. Den Betrug durchschauend, tritt er vor. Es erinnert
an Amphitruo, wenn die beiden Juden einander gegen-
überstehen und der falsche für den richtigen gehalten
wird: ,,Gid jeg faaer en verdsens u-lykke; er ikke denne Ephraim,
og den anden en Gaudieb, ja." Christopher will in Ephraim
einen gewissen Dragoner Jochum Trekhol(d)t aus Kapitän
Feuer fr essers Kompagnie erkennen, sodass der Offizier den
J u den für einen verkleideten entlaufenen Soldaten hält und ihn
ins Haus führen lässt, wohin Henrich folgt.
(18.) Mens eben sehr eck und Elvire erkennen sich nun von
Dalmatien her, und sofort beginnt der Offizier — ein üppiger
Trieb des „Miles gloriosus" — seine Grosssprechereien. Elvire
erzählt, welches Unglück sie betroffen habe, und wie ihr Haus
von den Türken geplündert, ihre Leute von den Feinden fort-
geschleppt wurden. ,.Det maa da," meint der Offizier, „ikke väre
skeet, mens jeg var partiegiängere; tili mit navn var saadan
skrek iblant Tyrkerne, at de havde ingen lyst at giöre noget
forsög paa bytte: saa kied havde jeg giort dem af det handverk.
Jeg tör sige at jeg alleene ved partie hid og did skildte dem
over ved 20000 mand, og med min egen band paa en maanads
Holbergs Diderich Merischen-Skräk. 703
tid massacrerte über 2000 janitscharen auf einmahl. Ist nicht
wahr, Christoffer Manrbrekker?"
Im Weiteren entwickeln sich auf Christoffers bestätigendes
„Freylig" des Offiziers Ruhmreden.
Off. Hverudover generalen selv gav niig dette navn Mensckenskrek.
Elv. Er det mueligt, fik hau saaledes det navn?
Off. Ja, lian selv havde den naade at praesentere mig for hertugen
af Dalmatien med disse Ord: ..Ikro Durchleuchtigkeit, hier
ist der andere Scanderbeg, der itzige Türken ruhte." . . .
Ingen plaisir künde väre mig större end at möde med et
heel Compagnie beväpnede Tyrker alleene. Ist nicht wahr,
Maurbrekker?
Christ. Freylig.
Off. Den tyrkiske Vezier, Mahomet Podolski, havde jeg rigtig ved
vingebeenet, meu i dette samme kom eu bombe, som slog
min haand tilbage saa han den gang undgik, aber das ist
nur Galgenfrist. Jeg glemmer aldrig hvor han skreg paa
sin Tyrkisk: ach, la! la! la!
Elv. Hvad betyder det paa vort maal?
Off. Det vil sige: Ach du störe Mahomet, hielp mig vel fra denne
sterke kiempe Menskenskrek.
Elv. Kand de faa ord betyde saa meget?
Off. Ja, det Tyrkiske sprog er meget rigt.
Auf weitere Fragen erzählt er, stets unter dem Siegel der
Verschwiegenheit, dass er ein Mädchen gekauft habe, und schickt
Christ off er uni dasselbe. Doch ist ihm um seine Frau bange,
was Jeronimus von einem so tapfern Manne nicht recht glauben
will. Vielmehr holt er seinen Sohn und Henrich, um ihnen
zu zeigen ,.hvad for en tapper rival de har" und sie vor allen
weiteren Schritten abzuschrecken. (19.) Leander und Henrich
treten herzu, da naht (20.) die Frau des Offiziers als Sklavin
verkleidet. Menschenschreck fällt auf die Knie und erhält
eine gehörige Tracht Prügel. ,,Tänk paa det Slag ved Bagusa,
In. Scanderbeg!" ruft ihm Jeronimus zu. „Tank paa den störe
Vezier, Hr. Turkenruht!" meint Elvire. Jammernd (21.) tritt auch
noch der Jude Ephraim auf: „Ach wai mir! ach wai mir! welcher
Betrug!" Jeronimus sagt aus, dass dies „den rette Ephraim" sei,
und die Fraxi erzählt den Hergang der ganzen Sache. Jeronimus
ist sehr erzürnt gegen Henrich; Leander jedoch klärt seinen
Vater auf, das Mädchen sei nicht gewöhnlicher Herkunft, vielmehr
vor Jahren in die Sklaverei geführt Morden, nachdem ihr Vater
Pandolfus im Kriege geblieben war. Man holt Hyacinthe, und
leicht erkennt ihre Mutter in ihr die lange vermisste Tochter.
— Wer soll nun das Geld erhalten? „Pengene," meint Henrich,
„har jeg ärlig fortient", und die Frau sagt ihm: „Det er sandt,
behold I kun pengene, kammerat!" Einsprache erheben nur
der Offizier: „Men min liierte kone! det var jo mine penge!" und
704 XDf. Pseudolus.
der Jude: „Men det var jo meine Vahre!-' Umsonst! beide werden
geprügelt: „Det er for dine penge, og det er ibr dine Vahre."
Holberg hat vor allem dem Vater des Jungen eine an-
ständigere Rolle zugeteilt, indem er ihn nicht den Rivalen seines
Sohnes, vielmehr seinen besorgten Hüter sein lässt; sonst hält
er sich ziemlich genau an Plautus,1) den er zusammen-
zieht und modernisiert. Vielfache andere Punkte des Stückes
weisen auf seinen Zusammenhang mit der antiken Komödie hin,
der mehrere der hier spielenden Personen entnommen sind.
„Diederich Menschenschröck" findet sich auf S. 155 — 205
im zweiten Bande von „Dänische Schaubühne", geschrieben
von dem Freyherrn Ludwig von Holberg, und nun in die
deutsche Sprache übersetzet. Copenhagen und Leipzig, verlegts
Gabriel Christian Rotte. 1750.
Bekanntlichst hat sich auch G. E. Lessing mit dem „plau-
tinischen Pseudolus" beschäftigt und legte ihn seinem Lustspiele
„Justin1' zu gründe.2) Über dies nicht ausgearbeitete Stück
heisst es in der Einleitung des genannten Buches (p. XLIIJ:
„Justin. Davon ist weiter nichts als der Plan da, und hat nicht
einmal einen Titel. Plauti Pseudolus ist darin zum Grunde ge-
legt; und weil Justin im Deutschen ohngefehr das werden sollen,
was Pseudolus im Lateinischen ist, so habe ich diesen Nahmen
angenommen . . . (p. XLV). Nach dem vorliegenden Plan hätte
mein Bruder freylich diesen Stof unsern Sitten näher gebracht,
die besten lateinischen Scenen genutzt, und den Ausgang des
Stücks selbst ein bischen moralischer ausfallen lassen, als im
Lateinischen. Denn ob es wohl unter Christen nichts ungewöhn-
liches ist, dass ein junger Mensch mit Wissen seines Vaters eine
Beyschläferin hält, so würde man sich in der Christenheit doch
über eine solche Vorstellung ärgern.'' (Karl G. Lessing.)
Der ausgearbeitete Plan Lessings zeigt ganz deutlich, in
welchem Verhältnisse sein Justin zu Plautus hätte stehen sollen.
Er lautet:
Herr Ballof. In Trauer um seine jüngst verstorbene Frau,
welche eine Französin gewesen war, bey der man die Jungfer
') Ussing. IV, 221: „Holbergius autem nostras festivissimam fa-
bulani Diderich Menschenschreck magnam partem hinc duxit."
2) Gotthold Ephraim Lessings Theatralischer Nachlass.
Erster Theil. Berlin bey Christian Friedrich Voss u. Sohn 1784. Seite
237—248. — S. 539—546 in „Vier und fünfzig zum Theil noch
ungedruckte dramatische Entwürfe und Pläne Gr. E.. Lessings.
Herausgegeben von Robert Boxberger. Berlin (Hempel) 1876."
Lessings Justin. 705
Charlotte in die Kost gethan hatte. Sie hatte die Mamsel du Babil
geheissen, ehe sie den Herrn Ballof geheyrathet. Einen Geitzhals
und Betrüger, der siebenzig Professionen schon versucht, Sprach-
meister, Coffetier, Fechtmeister, Komödiant, und wer weiss was,
schon gewesen war.
Jungfer Charlotte. Die als ein Kind von vier Jahren
hey der Mamsel du Bahil in die Kost gethan worden. Niemand
hatte seit dieser Zeit das Kostgeld für sie hezahlt. Sie hatte
allerhand künstliche Frauenzimmer Arbeit gelernt, und Herr Ballof
hatte endlich eine vornehme Dame gefunden, die das Kostgeld
für sie bezahlen und sie als Kammermädchen zu sich nehmen
will. Er hatte auch wirklich bereits mehr als die Hälfte davon
bekommen, rmd das übrige sollte er bekommen, wenn die Dame
Charlotten würde abholen lassen. Dieses soll heute geschehen.
Callidor. Ein junger Mensch, der sich in Charlotten ver-
liebt und von ihr auch wieder geliebt wird.
Simon. Des Callidors Vormund. Und wie man am Ende
erfahrt, der Charlotte Vater, von der auch dieses zu merken,
dass sie nicht lange mit dem Ballof an den Ort gekommen, wo
die Komödie vorgeht.
Martin. Knecht. Der Kutscher der vornehmen Dame,
Avelcher Charlotten abholen will.
Justin. Bedienter des Callidor, welcher dem Martin die
Briefe abnimmt, indem . er sich für einen Bedienten des Ballof
ausgiebt.
Wolfgang. Ein andrer Bedienter, der die Rolle des unter-
geschobenen Martin Knechts spielt.
Plautina longa fabula in scenam venit.
Schon aus den Personell und den ihnen beigefügten Notizen
ergiebt sich ein ziemlich genauer Überblick, wie das Stück werden
sollte. Wir haben aber auch noch den vollständigen Entwurf.
Erster Act. Erste Scene.1) Callidor und Justin: Die-
selbe Scene beym Plaut.
Zweyte Scene. Ballof. Callidor. Justin. Dritte
Scene des ersten Acts.'2) Ballof sagt, er gehe eben, um
sich einen Domestiquen zu suchen, weil er, wenn Char-
lotte wegkäme, einen haben müsse, der ihm den Tisch
besorgen könne.
Dritte Scene. Callidor. Justin. Justin ver-
spricht dem Callidor, sein möglichstes anzuwenden, dem
Ballof das Mädchen aus den Zähnen zu rücken. Unter-
') Bei Boxberger (a. a. 0., S. 543): Actus primus. Sc. I, v. eandem
»Scenam apud PI.
-) Viele Sc. III, Act. I und so jedesmal.
45
706 XIV. Pseudolus.
dessen solle er sehen, wo er Geld auftreiben könne,
wodurch man es zwingen müsste, wenn List nicht ein-
schlagen wollte.
Vierte Scene. Justin. Vierte Scenc des ersten Acts.
Fünfte Scene. Simon. Justin. Zum Theil fünfte
Scene des ersten Acts. Simon muss sich als ein guter,
ehrlicher Mensch beklagen, dass Callidor auf solche Aus-
schweifungen falle. Er habe gehört, dass er sich in ein
Frauenzimmer in der Nachbarschaft verliebt habe. Er
ist besorgt, dass er etwas Unrechtes thun möge. Es
geht ihm nahe, dass er wenigstens an seinem Mündel
seine Freude nicht erleben solle, da er sie an seiner
Tochter nicht erleben können; da er als ein Kind von
vier Jahren, als er eines Unglücks wegen das Land ver-
lassen müssen, in die Kost gegeben, ohne seitdem von
der, der er sie anvertrauet, das geringste erfahren zu
haben. Er befiehlt dem Justin zu Hause zu bleiben,
weil er einen nöthigen Gang unterdessen verrichten wolle.
Zweyter Act. Erste Scene. Justin. Erste Scene des
zweiten Acts.
Zweyte Scene. Justin. Martin Knecht. Die-
selbe Scene beym Plaut.
Dritte Scene. Justin. Dieselbe beym Plaut.
Vierte Scene. Callidor. Justin. Callidor hat
etwas weniges Geld bekommen, welches aber ungefehr
so viel ist, als Martin Knecht dem Ballof von der Dame
auszahlen sollen. Siehe zum Theil eben dieselbe Scene
bey dem Plautus. Sie gehen ab, einen falschen Martin
Knecht zu suchen.
Dritter Act. Erste Scene. Ballof und ein neuer
Domestique. Zweyte Scene des dritten Acts.
Zweyte Scene. Simon zu den vorigen. Ballof
schickt den Bedienten voran in das Haus. Simon redet
den Ballof unbekannter Weise an und warnet ihn wegen
seines Mündels.
Dritte Scene. Simon.
Vierte Scene. Simon. Callidor. Simon redet
seinem Mündel vernünftig zu; und tadelt ihn, dass er
sich in eine Unbekannte verlieben können. Nun, sagt
Callidor, wenn Simon weg ist, wird es darauf ankommen,
ob ich glücklich seyn soll. Es ist alles bestellt, und ich
will mich nur in dieser Gegend aufhalten, um von
weitem zu sehen, wie die Sache ablaufen wird.
Vierter Act. Erste Scene. Justin. Wolf'gang. Dieselbe
Scene beym Plaut.
Lessings Justin. 707
Zweyte Scene. Ballof und die vorigen. Die-
selbe Scene beym Plaut.
Dritte Scene. Justin. Dieselbe beym Plaut.
Vierte Scene. Justin und Wolfgang, welcher
Charlotten geführt bringt. Ballof ruft dem verstellten
Martin Knecht noch nach, sie richtig zu überbringen.
Charlotte sagt wenig Worte, mit welchen sie sich ohn-
gefehr beklagen kann, dass sie Ballof gleichsam in eine
Dienstbarkeit verkaufe, indem ihr Wolfgang immer heim-
lich in das Ohr flistert, sich nicht so zu sperren, sie
werde es besser finden, als sie es glaube.1)
Fünfter Act. Erste Scene. Ballof. Die fünfte Scene
des vierten Acts.
Zweyte Scene. Ballof und Simon. Sechste
Scene des vierten Acts.
Dritte Scene. Martin Knecht und die vorigen.
Siebente Scene des vierten Acts. Martin Knecht geht
voller Bosheit fort , um sich bey einem Richter zu
beschweren.
Vierte Scene. Ballof und Simon. Hier geht
die Entdeckung vor sich, dass Simon der Charlotten
Vater sey.
Fünfte Scene. Charlotte. Martin Knecht
itnd Justin zu den vorigen. Martin Knecht hatte
den Justin ertappt und erkannt, eben als er sich mit
Charlotten in einen Wagen werfen und sie davon führen
wollen. Er bringt ihn also mit Gewalt nebst dem Frauen-
zimmer zurück. Die Erkennung geht vor sich.
Sechste Scene. Zu diesen Callidor. Er kömmt
verzweifelnd zurück, weil er vergebens vor dem Thore
auf beyde gewartet und erfahren, was mit seiner Dame2)
vorgegangen. Der vergnügte Schluss und das Ende des
Stücks. Nachdem Simon dem Martin Knecht versprochen,
an die Dame einen Brief mitzugeben und sie in allen
Stücken zu befriedigen.
Lessing hat sich engstens an sein Vorbild ange-
s ehl os sc n, wobei der Versuch der Modernisierung des Stücks
manche Schwierigkeiten bot, indem aus dem Kuppler Ballio der
schurkische Ballof und das Sklavenverhältnis in einen Kostgeld-
rückstand umgewandelt wurde. Auch hat Simon gegenüber dem
plautinischen Simo eine ehrenvolle Rolle erhalten.
1) Boxberger: — und wird oben an der Scene sogleich von Callidor
in Empfang genommen. Sie führen sie fort.
2) Boxberger: Dirne.
45*
708 XIV. Pseudolus.
Danzel') äussert sich über Lessings Bearbeitung: „Sehr
viel leichter (als beim Trinummus) wollte sich Lessing die Sache
bei der Bearbeitung des Pseudolus machen. Hier verändert er
im Grunde nichts anderes, als dass er das Mädchen von der
Frau des Ballof erzogen sein lässt und statt des Soldaten, welcher
dasselbe gekauft, eine Dame einführt, die für sie Kostgeld be-
zahlt, und den Vater des Liebenden erspart, indem er diesen zu-
gleich den Mündel des Alten sein lässt, als dessen Tochter das
Mädchen zuletzt erkannt wird. Mit der ersten Abänderung war
der Stoff den modernen Sitten etwas mehr angenähert, die keine
Sklaven kennen und, Kuppler aufs Theater zu bringen, nicht er-
lauben; doch mochte Lessing fühlen, dass das Mädchen immer
noch zu sehr als blosse Sache behandelt würde, als dass das
Stück nicht von vornherein einen fremdartigen Anstrich be-
kommen haben sollte, und so blieb dasselbe unausgearbeitet. "
Sehr auslassend2) findet sich. der Pseudolus deutsch im ersten
Band von Schmidts Biographie der Dichter (S. 231 — 300)3);
metrisch wurde er übersetzt von Rost (Lpz. 1823). 4)
Ihre Hauptmotive verdankt dem Pseudolus die schon
oben (S. 654) genannte Komödie des Gio. Battista della Porta
„La Trapp olaria".6) G. B. della Porta lehnt sich überall an
das antike Lustspiel an.6) Die Trappolaria selber, ein Stück,
in welchem das Wortspiel mit trappola, trap polare und dem
so genannten Sklaven immer wiederkehrt, ist reich an plautini-
schen Reminiszenzen aus allen Stücken.
I. Akt. (1.) Der alte Callifrone beauftragt seinen Sohn
Arsenio, eine Reise nach Barcelona zu machen, indem er ihm
eine Episode seines Lebens erzählt. Als er einst in Barcelona
lebte, machte er die Bekanntschaft einer gewissen Helionora,
einer Neapolitanerin, der Witwe eines spanischen Edelmannes
2) Sulz er, a. a. 0. III, 705.
3) Gödeke, Grd. II, 1094.
4) Ebenda, in, 1297.
ä) Ussing, a. a. 0. IV, 221. Recentiorum poetarum Pseudolum
imitati sunt primus Baptista Porta „la Trappolaria" (Dunlop, I, 21tj);
tum Molierius in „l'Etourdi" nonnulla hinc sumpsit.
fi) Vgl. z. B. den Prologo zur Olimpia: „se pur i specchi, ch' ella
suol straccare speeckiandouisi dentro (che le hau venduti certi maestri
d1 Africa, e di Vmbria)"; ferner denjenigen zu „La Fantes ca", wo er
sein Vorgehen, die Eifersucht („La Gelosia") als Prolog verwendet zu
haben, mit den plautinischen Prologen motiviert: „Ne io ha.uerei hauuto
ardir comparir in questa Scena, se anticamente non vi fussero comparsi
i Lari, gli Arturi, i Sileni, la lussuria e la pouerta."
Portas Trappolaria. 709
Don Giovanni di Moncada. Moncada hatte von seiner
ersten Frau bereits zwei Töchter, Eufragia und El vir a. Calli-
frone heiratete Helionora in Barcelona „e nel primo anno la
feci madre di duo maschi in vn parto," deren einer Arsenio,
der andere Lelio ist. Callifrone wollte wieder nach Neapel
zurückkehren; da nahm er den stärkeren seiner Söhne Arsenio
mit sich, den schwächlichen Lelio Hess er hei der Mutter zurück.
Die Ähnlichkeit der beiden Brüder täuschte alle Welt. „Erauate
tanto simili che ne io ne ella vi poteuamo distinguere. " Wir
haben also ein Stück Menächmi. Schon frühe wurden die
beiden Brüder mit ihren Stiefschwestern, die sie aufs innigste
liebten, verlobt. Donna Eufragia ist bereits mit Lelio ver-
heiratet, El vir a aber ist unterdes geraubt worden. Arsenio
soll nun nach Barcelona reisen, um Helionora, Lelio und
Eufragia abzuholen. Dieser aber hört den Auftrag seines Vaters
mit Entsetzen. Vergeblich bittet er um Aufschub, nur so viel,
um einigen Freunden ihre Depositen zurückzugeben. Das Schiff
steht bereit, das ihn aufnehmen soll. Arsenio hat allen Grund,
hier bleiben zu wollen, worüber uns sein Monolog belehrt.
(2.) Drei Jahre ist er bestrebt, seine geliebte Filesia aus
den Händen des Ruffiano zu befreien: und nun soll er die Reise
nach Spanien machen. (3.) Filesia macht ihm mit ihren Klagen
das Herz noch schwerer; denn der Capitano Dragoleone hat
dem Kuppler ein schriftliches Angebot auf Filesia gethan. Als
Tröster naht (4.) Trappola, Arsenios erprobter Diener. Als-
bald gesellt sich der Kuppler Lucrino (5.) dazu. Trappola
berichtet von Lucrinos Leben: ,.E stato dieci anni in galea per
moneta falsa, quattro volte in berlina per ladronecci, cinque volte
con la lingua inchiodata per bestemmie, e sette volte scopato
per traditore." Er selber nennt sich „la corona e '1 trionfo di
tutto il mestiero". Von Arnesios Bitten um Filesia will er
nichts hören.
(6.) Ein heiteres Gespräch Trappolas mit dem alten Calli-
frone schliesst den ersten Akt. Trappola prophezeit Calli-
frone, dass der junge Herr nicht nach Spanien gehen, er ihm
aber dreihundert Scudi abjagen werde, ja „anzi mi pregherete
che li riceua per riscattar la sua puttana".
II. Akt. (1.) Callifrone hat seinen Sohn eingeschifft; so
ist Trappola nicht mehr zu fürchten. (2.) Allein Arsenio ist
nicht abgereist. Er tritt mit Trappola auf, und dieser entwirft
ihm sein Programm, wie Filesia aus den Händen des Kupplers
zu retten ist. „Liberal- Filesia da man di Lucrino sarä facile.
Ecco la lettera doue il Capitano Dragoleone auisa, ch' hoggi
manderä vn suo seruo detto Dentifrangolo con cento scudi per
saldo di trecento per lo prezzo, e con vn segnale secreto fra
710 XIV. Pseudolus.
loro, li eonsegni Filesia. I non mi partirö hoggi dinanzi la casa
sua, iinclie non vedrö comparir il sno seruo, lo condurrö ad vn
amico, die finga il Ruffiano, e rieeuuti i cento ducati, e dato il
segno, gli daremo vna donna in cambio di Filesia, e subito daremo
quei danari, segnale, e la lettera, ad vn altro amico, ouero al-
l1 istesso vestito da soldato, lo manderemo con tutte qneste cose al
Ruffiano, al quäl senza dubbio subito consegnera Filesia, e cosi
verrä in man nostra" — ganz also der Plan des Pseudolus.
Dem Vater gegenüber soll Arsenio seinen Bruder Lelio und
Filesia dessen Gattin Eufragia spielen, was leicbt gelingt, da
sich beide zur Unkenntlichkeit ähnlich sehen und Arsenio so-
wohl als Filesia Spanisch verstehen. Die Frau des Parasiten
Fagone soll die dem Capitano an Filesias Stelle auszu-
liefernde Geliebte sein. (3.) Fagone kömmt eben gelegen, um
in die Sache eingeweiht zu werden. Er bereitet (4.) seine Frau,
Gabrina, zu dem Streiche vor.
(5.) Poleone liefert die Arsenio nötigen Kleider, um die
verschiedenen Verkleidungen zu ermöglichen.
III. Akt. (1.) Dentif'rangolo, der Diener des Capitano,
trifft Trapp ola. Dieser stellt sich ihm vor als „Nullacredimi,
Tuttigabbali, Ororubbali, Donnascambiali". „Non e
marauiglia, " erklärt Trapp ola dem über die vier Namen stau-
nenden Dentif'rangolo, „son di razza spagnuola, & ho vn
nome per quattro. Da mio padre hö il Nullacredimi, da mia
madre Tuttigabbali, da mio auo Ororubbali, da mia aua Donna-
scambiali." Diese Namen sind dem Sagaristio in der Persa
(V. 701) nachgebildet. (Vgl. S. 720.)
Er weist ihn an Lucrino, als den sich (2.) Fagone aus-
giebt, der dem Diener Gabrina überliefert. Sie thut, als scheide
sie schwer von ihm. (3.) Nun muss sich Fagone als Soldat
verkleiden und vom Kuppler Filesia holen, was er (4.) ge-
schickt zu Trappolas Freude (5.) ausführt. Die über ihr Los
trauernde Filesia tröstet Fagone (6.): „Ti porrö in braccio al
tuo desiato Arsenio," worauf diese erzählt, dass sie als Kind in
Barcelona geraubt , in die Barberei geschleppt und dort der
Königin von Fessa geschenkt worden sei, wo sie der Kuppler
gekauft habe.
(7.) Der Caj)itano ist bitter enttäuscht über die alte
Gabrina, die er an Stelle Filesias erhielt. ,,Se non temesse
oscurar i miei fatti illustri e gloriosi," sagt er ihr, ,,di haner preso
tante Cittä, soggiogati Principi, e debellati Re potentissimi, con im-
brattarmi le mani del sangue della feccia delle donnicciuole, io hora
ti taglierei il naso, e me lo porrei per cimiero sopra le mie armi."
(8.) Gabrina eilt nach Hause und findet dort Filesia. Es
entfaltet sich die bekannte Szene aus dem „Mercator",
Portas Trappolaria. 711
wo Dorippa Pasicompsa für ihre Rivalin hält. Sie hält
File.sia für die .. galant issima puttana" ihres Gatten. Laitt
ruft sie: „La mia easa e fatto serraglio delle puttane di inio
liiarito come si fnsse il gran Tnreo.-' Vergeblich sucht sie
Filesia zu beschwichtigen; vergeblich (9.) Fagone. Nun kömmt
auch noch der Koch dazu (10.), um das bestellte Abendessen zu
bereiten. Gabrina jagt Filesia aus dem Hause.
IV. Akt. (1.) Lucrino freut sich, dass Filesia glücklich
aus dem Hause ist: „ Trapp ola non mi puö piü trappolare. "
Da tritt Leo netto, ein Diener des Capitano, auf. Der Kuppler
vermutet in ihm einen Betrüger, den Trappola schickt, „quel
trauestito da soldato, che manda Trappola.-' Leo netto aber
führt namens seines Herrn Klage; es sei an Filesias Stelle
„vna vecchia stregona" dem Capitan geschickt worden. Sie
scheiden unter heftigem Streite.
(2.) Arsenio glaubt, seine Geliebte bei Fagone zu finden,
erfährt aber schlimme Nachrichten.
Fag. Romori, fracassi, naufragi, vccisioni.
Ars. Che rumori? che fracassi? che vccisioni?
Fag. Me 1' han tolta.
Ars. Oime, che dici?
Fag. II uero. AI primo incontro leuö vna botta in testa, e si nippe
in mille parti, e sparse tutto il sangue.
Ars. Come 1' han morta?
Fag. A bastonate.
Ars. Dunque ella e morta?
Fag. Mortissima.
Ars. A bastonate?
Fag. A bastonatissime.
Ars. E sparso tutto il sangue?
Fag. Tutto il sanguissimo.
Während Arsenio um Filesia klagt, kömmt diese (3.) des
Weges. Nach einer herzlichen Begrüssung teilt ihr Arsenio
seinen Plan mit. Sie muss Donna Eufragia spielen und
Spanisch sprechen. Kaum haben sie dies verabredet, so tritt
Callifrone auf. (4.) Er ruft Arsenio, da dieser jedoch thut,
als kenne er ihn nicht, imd Spanisch redet, kömmt ihm der Ge-
danke, es könnte Lelio sei. Arsenio giebt sich auch als
diesen zu erkennen und stellt dem erfreuten Vater Filesia als
seine Frau Eufragia vor. Auch Trappola (5.) glaubt, Arsenio
zu sehen; Callifrone aber belehrt ihn, dass die Ähnlichkeit der
beiden Brüder stets so gross war, „eh 'io , e mia moglie non
poteuamo discernere 1' vn da 1' altro." (6.) Poleone macht sich
gleichfalls an Arsenio. Er hat bei ihm Kleider bestellt und ihm
dafür einen Messirijrrhm' mit einem Glasstück statt eines eckten
712 Xl\. Pseudolus.
hinterlegt. Er hört, dass dies hier der Zwillingsbruder Lelio
sei, worauf er sieh zu Gericht begiebt.
(7.) Der Capitau Dragoleoue macht seinem Diener Denti-
frangolo Vorwürfe, dass er das richtige Mädchen nicht gebracht
habe. Da aber Lucrino dazu kömmt (8.), kann Dentifrangolo
bestätigen, dass dies der Kuppler nicht war, von dem er Gabrina
erhielt. Die Erzählung des Dentifrangolo, vor allem die Namen
Nullacredimi u. dgl., führen Lucrino auf die Spur Trappolas.
„Vorrei inorire, questi e Trappola!" ruft er, indessen Dragoleoue
seinem Diener die Namen erklärt. Sie wenden sich nun an den
Vater Callifrone. (9.) Dieser aber erklärt, Arsenio sei in
Barcelona: bei ihm wohne nur Lelio mit seiner Gattin Eufragia.
Auf den Wunsch des Kapitäns wird Eufragia gerufen. Filesia
tritt, Spanisch sprechend, auf. Der Capitano erkennt sie natür-
lich sofort, sie aber will ihn nie gesehen haben. Arsenio als
Lelio, gleichfalls Spanisch sprechend, kömmt ihr (11.) zu Hilfe.
Den Akt schliesst (12.) Poleone, der seine geliehenen Kleider
zurückverlangt.
V. Akt. (1.) Helionora, Callifrones Frau, ist von Bar-
celona in Neapel angekommen. Sie sucht nun ihren Gatten, der
ihr schrieb: „che habitaua alla strada Toledo uicino alla Caritä."
Die folgenden Szenen sind genau dem Epidikus ent-
nommen. Helionora spielt die Rolle der Philippa,
Callifrone jene des Periphanes. (2.) Callifrone findet
Helionoras Züge bekannt, Helionora jene des Callifrone.
Doch aber zweifeln beide wieder.
Cal. Mi par troppo vecchia, non e mia moglie, nö.
Hei. Mi par troppo ricaduto di etä, troppo vecchio.
Cal. Non e dessa, certo nö.
Hei. Nö nö, non e desso nö.
Dennoch aber erkennen sie sich, und Helionora erzählt
nun, sie habe Lelio und seine Frau Eufragia im Hafen zu-
rückgelassen, da sie von der Seereise angegriffen seien. Dies
begreift Callifrone nicht, da ja beide bereits heute früh bei
ihm ankamen. Er ruft nach Eufragia. Filesia und Trappola
treten auf. (3.) Helionora vermag nun in Filesia natürlich
Eufragia nicht zu erkennen. Doch erweichen Filesias Thränen
Helionora, und nach längerem Forschen findet sie in ihr die
verlorne Tochter Donna Elvira. Helionora will nun auch
Arsenio begrüssen: da erfährt er von Helionora, dass das
Schiff, auf welchem er sich, der Schilderung nach, befinden
musste, untergegangen sei. Callifrones heftigen Schmerz er-
höht Trappolas Bericht. Mit den Worten des Curculio
(V. 280):
Portas La Carbouaria. 713
Date uiam mihi, noti ignoti, dum ego hie officium meum
Facio: fugite omnes, abite et de uia secedite
n. s. w., tritt Trapp ola auf. „Scostateui, o huomini, lasciatemi
correre, non mi impedite la strada." Er berichtet, dass Arsenios
Leiche vom Meere ausgeworfen worden sei. Callifrone macht
sich bittere Vorwürfe, gegen seinen Willen seinen Sohn abge-
schickt zu haben. Nun ist Trapp ola s Stunde gekommen. Nach-
dem er dem Alten Vorwürfe aller Art gemacht hat, fragt er ihn,
ob er wohl dreihundert Scudi um das Leben seines Sohnes zahlen
wollte. Da er alles gerne verspricht, erfährt er, dass Arsenio
der vermeintliche Lelio sei, und dass seine List allein El vir a
aus den Händen des Capitano gerettet habe. Trappola er-
hält die Freiheit. Das Stück endet zu allgemeiner Freude.
Man sieht, dass die Trappolaria aus einer Reihe
plautinischer Stücke, zum Teil mit wörtlicher Be-
lassung des Textes, zusammengesetzt ist.
Vielfache Ähnlichkeit mit diesem Stücke hat auch das Lust-
spiel Olimpia desselben Verfassers (S. 521); noch mehr ist auf
demselben die Komödie „La Carbonaria £i *) desselben Dichters
aufgebaut.
Wie Caludorus, ist Pirino in ein Mädchen, Melitea,
verliebt, das in den Händen des Kupplers Mango ne ist. Wie
Caludorus wird er durch einen glühenden Brief der Geliebten
in Kenntnis gesetzt, dass Mango ne sie um fünfhundert Dukaten
an den ,,dottore" verkauft habe. Pirino ist trostlos, und sein
Diener Forca spielt in allen Stücken bisweilen fast mit den
Worten des Originales die Rolle des helfenden Pseudolus. Wie
im römischen Stücke sind der Kuppler und der dottore vor den
beabsichtigten Ränken F o r c a s wohl auf der Hut , und auch
Filigenio, der Vater Pirinos, weiss, wie Simo, dass sein
Sohn fünfhundert Dukaten um jeden Preis erwerben will, um
Melitea loszukaufen. Ja Forca teilt ihm mit der Offenheit
seines Vorbildes Pseudolus den gefassten Plan, ihn zu bestehlen,
mit (I, 5).
Filig. Doue pensaua hauergli?
Forc. Rubargli a voi, conic meglio poträ.
Filig. . . . Come volete ruliarmi, se stö iuceruello, e mi guardo piü di
, voi, che di tutti i ladri del mondo?
Forc. E deliberato scassar lo scrittorio, se non lo puö aprir co '1 li'ri-
maldello.
') La | Carbonaria | Comedia | Dell' Illustre | Sig. Gio. Battista]
Della Porta | Napolitano. | Nouameute data in luce. | Con Privilegio | &
licenza de' Superiori. | In Venetia 1628. | Presso Gio. Battista Combi.
(143 pagg.)
714 XV. Poenulus.
u. s. w. — Die Intrigue selbst ist anders, als im Pseu-
dolus. Pirino färbt sich als Mohrensklave, lässt sich von dem
verkleideten Parasiten Panfago an den Kuppler verkaufen, kleidet
Melitea mit seinem Gewände und lässt sie als Sklaven von
seinem Vater kaufen, sodass sie in sein Haus kömmt. Dieses
Motiv ist dem Epidikus entnommen, auf den auch im
Folgenden manches hinweist. Melitea stellt sich zum
Schlüsse als die Tochter des dottore Carisio heraus, der sie
als Frau hat kaufen wollen, wobei Isocho beinahe die Rolle
der Philippa des Epidikus spielt, insofern er gewissermassen
Melitea seine Tochter nennen kann. Seine verstorbene Frau
war nämlich Meliteas Amme gewesen und mit dem dreijährigen
Kinde aus dem Hause des Doktors Carisio entflohen, als dieser
nach dem Tode seiner Gattin ' ihrer Unschuld nachstellte. Sie
gab Melitea als ihr Kind aus erster Ehe aus und gestand ihrem
Manne Isocho erst auf dem Totenbette die volle Wahrheit.
Auch der Parasit, der, um ein Mahl betrogen, zur feind-
lichen Partei aus Rache übergeht, ist plautinisch und den Me-
nächmen entnommen. Die Drohung des Panfago, der sich
um sein Essen gekommen sieht: ,,m' hauete honorato per beffami,
nia farö che la beffe torni sopra voi, il eibo che hauete diuorato
senza me farö che mal pro vi facci" (IV, 1), ist nichts anderes,
als des Peniculus Worte:
Omnes in te istaec reeident contumeliae.
Faxo haud inultus prandium comedereis.
(Men. 7. 520.)
Eine italienische Übersetzung des Pseudolus aus dem
Jahre 1756 (Florenz) stammt von Giuseppe Torelli.1)
XV. Poenulus.2)
Der Pönulus des Plautus, „in Erfindung und Anlage
nicht ohne Mängel, " 3) leidet vor allem an Einheit der Handlung.
Teuffei sagt:4) „Beim Pönulus läge die Annahme einer Konta-
mination ziemlich nahe, wenn dadurch etwas gewonnen wäre.
Denn die zweierlei Intriguen zum Zwecke der Befreiung der
Adelphasium, die völlig unvermittelt und zusammenhangslos
') Sulzer, a. a. 0. m, 705.
2) Hier zitiert nach der Ausg. von C. E. Geppert. (Berl. 1864.)
3) Teuffei, G. d. r. L., S. 151.
4) Studien, S. 274.
Charakteristik desselben. 715
neben einander herlaufen, und von denen eine die andere über-
flüssig macht, könnten auf ursprüngliches Auseinanderliegen der
beiden Teile hinweisen .... Aber die Erfindung und Anlage
des Stückes ist so durch und durch mangelhaft, dass jene beiden
Eigentümlichkeiten wohl passender aus dieser allgemeinen Mangel-
haftigkeit abgeleitet werden."
Der Prolog1) holt weit aus, bringt uns aber einige sehr inter-
essante Mitteilungen über die Theatergebräuche bei den Römern.
Zwei reiche Karthager waren Geschwisterkinder; der eine
ist tot, der andere aber noch am Leben. Der Verstorbene hatte
einen Sohn, der ihm, als er kaum sieben Jahre zählte, geraubt
wurde. Der Kummer brachte ihn bald unter die Erde, nachdem
er seinem Vetter sein Vermögen vererbt hatte. Der Vetter selber
besass zwei Mädchen von vier und fünf Jahren, welche beide
gleichfalls ihm, samt ihrer Amme, geraubt und an einen Kuppler
Lycus in Kalydon (Ätolien) verkauft wurden. In dieselbe Stadt
hatte der Räuber des Knaben seine Beute gebracht und das
Kind an einen reichen, alten Herren verkauft, der es an Kindes-
statt annahm und zu seinem Erben einsetzte. Der Knabe —
Agorastocles — ist zum Jüngling herangewachsen und in das
ältere der beiden Mädchen ■ — Adelphasium — verliebt. Der
Vater ist nun eben in die Stadt gekommen, um auch hier seine
Tochter zu suchen.
Den ersten Akt leitet ein Gespräch des Agorastocles
mit seinem Sklaven Milphio ein. Die Liebe verzehrt ihn. Da
macht ihm der Sklave einen Vorschlag, um in den Besitz der
Geliebten zu gelangen. Der Kuppler Lycus kennt den Ver-
walter Collybiscus (F. 168), einen Sklaven des Agorastocles,
nicht. Diesem soll Agorastocles dreihundert Philipper geben;
als fremder Reisender soll er zu Lycus kommen, um dort ein
Mädchen zu verlangen. Alsdann soll Agorastocles nach seinem
Sklaven verlangen, wobei Lycus als doppelter Dieb überrascht
werden wird, da er den Sklaven und das Geld in seiner Hand
habe. „Ita decipiemus fouea lenonem Lycum" (V. ,185).
Adelphasium und ihre jüngere Schwester Anterastilis
treten auf. Sie begeben sich geschmückt zu den Aphrodisia.
Agorastocles begrüsst sie; nach kurzem, neckischem Gespräche
geht sie ihres Weges, worauf sich Agorastocles Leute holt,
welche ihm als Zeugen gegen den Kuppler dienen sollen (T. 439).
Im zweiten2) Akte tritt Lycus, der Kuppler, auf. Zu
ihm gesellt sich der Soldat Anthemonides, die übliche prahle-
') Siehe 0. Benndorf in der Zeitschrift f. d. öster. Gym. XXVI,
83. — .1. Sommerbrodt im Rhein. Mus. XXXI, 129.
2) Nach Rapps Einteilung (die pl. L.), S. 1112.
716 XV. Poenulus.
rische Figur, der sechzigtausend Mann an einem Tage getötet,
hat (7. 464):
Quom sexaginta millia hominum uno die
Yolaticorum manibus oeeidi meis.
Er will, wie uns der Prolog sagte, (F. 102):
Illam minorem in coneubmatum sibi
Volt emere miles quidam, qui illam deperit,
die jüngere Schwester kaufen. Agorastocles kömmt mit Zeugen
(„advocati"), einer Bande, die Milphio trefflich schildert (F. 573):
Tot quidem
Non potuisti adducere homines magis ad hanc rem idoneos.
Nam istorunc nullus nefastust: comitiales sunt meri.
Ibi habitant: ibi eos conspicias quam praetorem saepius.
Hodie iuris coctiores non sunt, qui lites creant,
Quam hi sunt, qui si nil est. quicum litigent, lites emuut.
Ihre Aufgabe ist es, den vilicus Collybiscus erst als
Ausländer in des Kupplers Haus zu empfehlen und Zeugen zu
sein, wie dieser dreihundert Philipper von ihm empfängt, um
dann vor dem Prätor zu erklären, dass Lycus dem Sklaven des
Agorastocles in seinem Hause Zutritt gewährte, hinterher jedoch
es leugnete. Alsbald kömmt Collybiscus fremdartig, als freier
Spartaner, gekleidet. Freudig nimmt ihn der Kuppler, dem die
Opfer eben Ungünstiges vorbedeutet hatten, auf: sofort aber naht
Agorastocles und fordert seinen Sklaven. Die Zeugen be-
stätigen die Schuld des Kupplers, worauf dieser geängstigt ent-
flieht. Diese Szenen haben viel Komisches, allein mit allem Rechte
bemerkt Teuf fei, J) dass diese Intrigue „von einer Verworrenheit
der Rechtsbegriffe, die an einem Römer unbegreiflich ist", zeuge.
,.Als ob Aneignen einer Sache, wenn man nicht nur nicht weiss,
dass sie fremdes Eigentum ist, sondern, von der man sogar das
Gegenteil zu glauben, zureichende Gründe hat, irgendwo Diebstahl
genannt würde!"
Milphio naht, um zu sehen, wie sich alles entwickelt
(F. 807):
Expecto, quo pacto meae tecinae processurae sient.
Da kömmt Syncerastus, der Diener des Kupplers. Es
folgt eine Szene, die uns, wie Rapp2) sagt, die Sitten des Sklaven-
standes mit einer Wahrheit zeichnet, „wie ich mich keiner ähn-
lichen bei Plautus und Terenz erinnere." Syncerastus, voll
') Studien, S. 274.
2) Die pl. L., S. 11U.
Charakteristik desselben. 717
Hass gegen seinen Herrn, teilt Milphio mit, dass Adelphasium
sowohl, als ihre Schwester freigeborne Mädchen ans Karthago
seien, eine Botschaft, die Milphio natürlich jubelnd seinem Herrn
hinterbringt (7. 907 ff.).
Im dritten Akte tritt Hanno mit einem pimischen1) Mono-
loge auf. Agorastocles und Milphio nahen im Gespräche.
Sie werden den Punier gewahr, und die Versicherung des Milphio,
dass er Phönizisch verstehe — er weiss die Worte avo und
rufen, dennoch aber „Nullus me est hodie Punus Punior" (7. 981)
— führt eine äusserst komische Szene herbei, da Milphio seinem
Herrn alles falsch interpretiert, Hanno aber ganz gut Römisch,
und somit auch Milphio s Lügen, versteht. Der Punier fragt
nach seinem Gastfreunde und dem jungen Agorastocles. So ist
die Erkennungsszene eingeleitet, die ein Biss, den Agorastocles
von einem Affen in der Jugend erhalten hatte, fördert (7 1061):
Signum esse oportet in manu laeva tibi,
Ludenti puero quod memordit simia.
Agorastocles erkennt seinen Oheim und will durch ihn
seine Geliebte frei machen. Da kömmt die alte Amme Gidde-
neme, die Hanno als ihren Herrn, den Hanno Carthaginiensis
(7. 1111), „mearum alumnarum pater", begrüsst. Alsbald er-
scheinen auch die beiden Mädchen, und es folgt die Erkenungs-
szene, von der Rapp2) sagt: sie „ist meines Erachtens über alles
Lob erhaben, schöner, als ich etwas im Plautus kenne, dem
Dichter des ersten Akts gewiss angehörig, überhaupt nur modernen
Dichtern, wie Shakespeare, zu vergleichen". Agorastocles
erhält seine Geliebte zur Frau. Nochmal tritt der Kuppler auf.
Man verfährt glimpflich mit ihm. Er zahlt dreihundert Philipper
und bleibt die Nacht über im Blocke (7 1348):
Tantisper quideni
Vt sis apud me lignea in custodia.
Alle jubeln: ,,Malum postremo hoc omne ad lenonem redit'f
(7 1353).
') Vgl J. J. Bell ermann, Versuch einer Erklärung der pimischen
Stellen im Poenulus des Plautus. 3. Prog. (Berlin 1806—1808); E. Linde-
mann (Schneeberg 1833. 1837); Wex (Schweriu 1838). — F. C. Movers,
Die pimischen Texte im Poenulus des Plautus kritisch gewürdigt und
erklärt (Breslau 1845). — Wex im Rhein. Mus II, 130. IX, 312. XII, 627.
J. Hitzig, Rhein. Mus. X, 77. — Ewald in Lassens Ztschr. f. d. Kunde
des Morgenlandes, IV, 400 (1842). — J. Derenbourg, Journ. asiat, (1869)84.
— A. M. Malmström, de punicis plaut. Lund. 1871. — G Hennen, de
Hannonis in Poenulo Plaut, precationis, quae fertur recens. altera punica.
Marburg 1883..
-) A. a. O., 1117.
718 XV. Poenulus.
Von der letzten Szene liegt auch noch eine andere Re-
daktion vor.1)
Die Figuren des Stückes sind die üblichen. Dem liebes-
kranken Jüngling- (,,adamans per amorem" V. 138), der selber sagt:
amo immodeste" (F 152); „differor cupidine eius" (F 155), steht
an Milphio der Sklave zur Seite, der „sapienter, docte et cor-
date et cate" (F 129) handelt, und die keusche Geliebte (F. 99):
Neque quiequam cum ea fecit etiainnum stupri.
Der Kuppler steht auch hier als der meineidige, schmutzige Schurke,
der IvKog (F. 639 u. öfter), ohne Rücksicht da.
Der fremde Dialekt Hannos soll (vergl. 109) andere
Lustspieldichter zur Einführung von Ausländern veran-
lasst haben. Sonst aber sind Nachahmungen des Poenulus nicht
beliebt, obwohl es an Aufführungen desselben nicht fehlte. Im
Februar 1499 wurde Trinummus und Poenulus und der Eu-
n u eh us des Terenz in Ferrara nach dem Berichte des Bembo
in einem Briefe an Angiolo Gabbrielli aufgeführt.2)
Aus dem Jahre 1520 stammt: ,,11 Penolo", Commedia antica
di Plaut o nella commune lingua in prosa tradotta. In Vinegia
presso il Zoppino; aus dem Jahre 1526 eine weitere Ausgabe
aus Venedig (per Nicolö d' Aristotile detto Zoppino), der Neu-
auflagen 1530 und 1532 folgten.3)
Dass in der Cassaria des Ariosto sich der Kuppler auf
ebenso unjuristische Anklagen hin einschüchtern, zur Flucht treiben
und bestrafen lässt, und dass diese Idee Ariosto höchst wahr-
scheinlich dem Poenulus entnahm,4) ist bereits (S. 482) bei der
„Mostellaria" besprochen worden, mit welcher man das Stück
meist in Zusammenbaus: brinfft.
') Th. Hasper. „De Poenuli duplici exitu. Lips. 1868." — GL Götz,
Acta Lips. VI, 253. 3*26. — C. M. Francken, De Poenuli compositione.
Mnemos. (1876). IV, 146. — Ritschi, Parerg. 601.
2) Fam. epist. 18 cal. mart. 1499. „Tres fabulae aetae sunt per
hos dies; Plautinae duae: Trinummus et Poenulus, et una Terentii:
Eunuchus."
3) Argelati. m, 236. IV. 359. — Alläcci, 250.
<) Klein. IV, 307.
Persa. 719
XVI. Persa.1)
Das Lustspiel „Persa" (der Perser oder die Perserin),2)
„ein Bedientenstück von einfacher Erfindung1, doch teilweise sehr
lebendiger Ausführung" , 3) wird fast durchgängig von Sklaven
gespielt. Es ist für den stellenweise sehr breit gehaltenen Dialog
wenig Handlung in dem Stücke.
Toxilus, der Sklave des Timarchides, hat in Abwesen-
heit seines Herrn das Regiment des Hauses erhalten und spielt,
ob er auch wohlwollend und ohne Übergriffe bleibt, doch in
einigen Stücken den Herrn, „ stabulum seruitutium '• (F. 418),
wie ihn Dordalus nennt. Er braucht nun Geld, um seine Ge-
liebte Lemniselenis dem Sklavenhändler abzukaufen. Seinem
Freunde, dem Sklaven Sagaristio, teilt er in der ersten Szene
des ersten Aktes sein Anliegen mit und bittet ihn dringend, ihm
das Geld zu verschaffen, was Sagaristio auch verspricht. In
der nächsten Szene tritt, in der herkömmlichen Weise gezeichnet,
der Parasit Saturio auf; ihn begrüsst Toxilus und macht ihm
den Vorschlag, er möge ihm seine Tochter, die Virgo (Rapp
und Binder heissen sie Lais), überlassen. Ein Fremder soll sie
an den Kuppler Dordalus, der erst seit sechs Monaten von
Megara hierher gereist ist (F. 137). als Perserin verkaufen.
Ist. dann der Kauf vollzogen und das Geld in den Händen des
Toxilus, dann mag Saturio seine Tochter als freigeboren
zurückverlangen (V. 162):
nam ubi ego argentum aeeepero,
Continuo tu illam a lenone adserito manu.
Den zweiten Akt leiten Lemniselenis und ihre Dienerin
Sophoclidisca, die auf den Wein vor allem andern versehen
sind, ein. Letztere erhält einen Auftrag an Toxilus. Als sie ihn
eben vollziehen will, naht der Bursche des Toxilus, Paegnium,
was zu einer witzigen Szene zwischen den beiden führt. Die
Alte kömmt dem Burschen etwas lüstern entgegen.
Unterdessen hat Sagaristio Geld herbeigeschafft. Sein Herr
hatte ihn nach Eretria gesandt, um Ochsen einzuhandeln; die dazu
bestimmte Summe will er nun seinem Freunde Toxilus zur Ver-
*) Hier zitiert nach der Ausg. von Fr. Ritschi. (Elberfeldae
1853.) — Übersetzt von Rost (Der Perser) 1823 (Progr. 42 S.).
2) Nach Lessing (Beitr. 50) die Perserin. „Sie hatte sich müssen
für eine Persianerin ausgeben, welcher Umstand dann dem Stücke
seine Benennung ertheilt hat." S. Rapp. 1488. — Sommer. II, 103.
„Le Persan."
3) Teuf fei (G. d. r. L.), S. 151.
720 XVI. Pcrsa.
fügung stellen. Pägnium kömmt eben dazu und reizt ihn, wie
vordem Sophoclidisca, mit spitzigen Worten. Toxilns erscheint
und erhält von Sagaristio den Beutel mit dem vollen Inhalte.
In der ersten Szene des dritten Aktes führt Saturio
seine Tochter ein. Sie ist zu dem verabredeten Seheinverkauf
ungern bereit und widerrät seinem Plane (V. 382):
Necessitate me, mala ut fiam, faois.
Dordalus und Toxilus unterhandeln wegen Lemniselenis;
der leno geht, um das Mädchen zu holen. Sagaristio über-
bringt die Tochter des Saturio; beide sind in persischer Tracht.
Sie warten den Augenblick ab, wo nach Verabredung Dordalus
und Toxilus im Zwiegespräche des Weges kommen.
Im vierten Akte erscheint Dordalus; zu ihm tritt To-
xilus, der ihn bereits erwartet (F. 480):
Hunc hominem ego hodie in trasennam doctis inducam dolis:
Itaque huic insidiae paratae sunt probe.
Er sagt ihm gesprächsweise, er habe eine Neuigkeit für ihn, und
lässt ihm nun einen gefälschten Brief seines Herrn Timarchides
(7. 501 — 527) lesen, des Inhalts, dass die Perser jüngst Chryso-
polis in Arabien eingenommmen hätten ( V. 507 : ,, Plenum bonarum re-
rum atque antiquom oppidum"), wobei es reiche Beute absetzte. Der
Überbringer des Briefes sei sein persischer Gastfreund, den er gut
aufgenommen wissen wolle; er bringe eine feine Sklavin, (V. 521):
Forma expetunda liberalem mulierem,
Furtiuam abductam ex Arabia penitissuma,
mit sich; Toxilus möge ihm zum Verkaufe derselben nach
Kräften behilflich sein. Alsbald zeigen sich Sagaristio und die
Jungfrau verkleidet. Die letztere spricht in sehr gewählter
Weise (,,uerba quidem haut indocte fecit" F. 563). Dordalus
bekömmt Lust, sie zu kaufen. Toxilus tlvut das Seinige, den Kauf
zu vermitteln, dessen Vollzug ihm auch gelingt. Sum Schlüsse
fragt Dordalus den Perser noch um seinen Namen, der sich
auch legitimiert als (F. 702):
Vaniloquidorus Virginesuendonides
Nugipalamloquides Argentumexterebronides
Tedigniloquides Nummosexpalponides
Quodsemelarripides Numquampostreddonides. ')
') Bei Rapp (S. 1563):
Larifaridorus, Jungfernverkaufonides,
Blaudunstimachides, Geldabzapfidonides,
Dichreclrtanführides, Wasduzahlsteinsteckides,
Wasausdonhändenduniemalswiederbekommides.
Charakteristik derselben. 721
Der Name ist lang; aber (7. 707):
Ita sunt Persarum mores: longa nomina
Contortiplicata habemus.
Da Sagaristio fort ist, freut sich Dordalus des glück-
lichen Handels. Saturio aber schickt sich bereits an, seine
Tochter zurückzuholen.
Im fünften Akte ist Dordalus noch seines Geschäftes froh,
da kömmt Saturio und fordert ihn vor Gericht. Toxilus hat
mittlerweile mit Dordalus' Geld seinen Freund Sagaristio be-
zahlt und feiert nun mit diesem und seiner Geliebten ein Gast-
mahl. Dem Kuppler ist von gerichtswegen das Mädchen abge-
sprochen worden. Man zieht ihn zum Gelage, wobei er bereits
ahnt, dass Sagaristio der Pseudoperser war, der ihn prellte.
(7. 829: ,,tu Persa 's, qui nie usque admutilauisti ad cutem".) Er
wird von der Gesellschaft geprügelt und beohrfeigt (7. 846).
„Age sultis hunc ludihcemus, ;< fordert (7. 833) Toxilus die Ge-
sellschaft auf. Endlich bietet man dem leno, „qui hie mercatur
liberas" (7. 845), Versöhnung an; jedoch „Conuenisse Toxilum
te memineris!" (7. 856.) Der Triumphruf des Cantors ist: „leno
periit" (7. 857); darum „plaudite"!
Dadurch wird, wie Binder1) anmerkt, „das Gehässige des
offenen Betrugs, um welchen sich die ganze Handlung vom Anfang
bis zu Ende dreht, gemildert, dass die öffentliche Meinung gegen
die wegen ihrer Niederträchtigkeit und schändlichen Habsucht
allgemein verrufenen Kuppler alles und jedes für erlaubt hielt."
Eis sind keine neuen Gestalten, die uns der Dichter hier
vorführt. Der übermütige Toxilus spielt gewandt die Rolle, die
er seinem Herrn abgelauscht haben mag. Sagaristio, der Sklave,
der Strafe und Prügel gewohnt ist und mit Trotz hinnimmt,
(7 270):
nil iam mihi noui
Offerri pote, quin sim peritus;
der vorlaute Pägnio („millus puero hoc peior esse hodie
perhibetur," 7. 202), die weinliebende Sophoclidisca (7 170)
sind wohlbekannte Gestalten; nicht minder der Parasit, der den
„ueterem atque antiquom quaestum mäiorum" (7 53) treibt,
unter dessen Ahnen keiner war, „quin parasitando pauerint ucn-
tris suos" (7 56), und den niemand kennt, „nisi ille qui praebet
cibuin" (7. 132).
Das Lustspiel Persa hat keine direkten Nachah-
mungen aufzuweisen. Die Franzosen schätzten es gering,
») A. a. 0., S. 7.
46
722 XVII. Rudens.
weil nur Sklaven vorkommen; Cammerarius nennt das argu-
mentum „exile".1)
Es fehlt nicht an Lustspielen, besonders an niedrigeren Possen,
welche dieses sehr naheliegende Thema: „Bedientenherrlich-
keit während der Abwesenheit der Herrschaft" mehr oder
minder drastisch verarbeiten. „Es ist das älteste Prototyp für
manche moderne Komposition, unter denen ein englisches Stück:
,High life below stairs' einen grossen Namen sich erworben
hat."2) Allein alle diese Possenschreiber haben selbst-
redend an Plautus nicht gedacht. Die Idee liegt gar zu
nahe, um so weit hergeholt zu werden. 3)
XYII. Rudens.4)
Der Rudens (das Schiffsseil) des Plautus, „vorzüglicher
durch die heitere und witzige Ausführung vieler einzelnen Szenen,
als durch die Anlage des Ganzen, " 5) zählt nicht zu den regel-
mässigsten Stücken des Dichters; dennoch nennt es Lessing6)
„eines von den anmutigsten Stücken des Plautus"; auch Rapp7)
urteilt, „das Stück ist nur unglücklich, oder nachlässig, ent-
') Rapp (die pl. L.). S. 1487.
2) Ebenda, S. 1487.
3) Vergl. Rapp a. a. 0., S. 1488. „Mich erinnerte die Perserin
und ihr Vater bald an Victor Hugos Triboulet mit seiner Tochter
in dem Stücke ,Le roi s'aniuse', bald an die verkleidete Holländerin
in dem englischen Stücke , der Londoner verlorne Sohn', das Tieck
für ein Jugendwerk Shakespeares hält." — Wie viele Reminiszenzen
dieser Art könnte man wohl hier noch anfügen!
4) Ausg. von F. V. Reiz (Lpz. 1789); C. E. Chr. Schneider (Breslau
1824); E. H. Bothe (mit Pseudolus und Truculentus) (Lpz. 1840);
C. E. Geppert (Berlin 1846); L. E. Benoist (Paris 1864). Hier ist
zitiert nach Fleckeisen.
5) Teuf fei (G. d. r. L.), S. 152.
8) Beiträge, S. 50. 51.
7) D. pl. L., S. 569. Vgl. auch vordem. „Dieses Stück steht, wie
die Captivi, gewissermassen isoliert unter den plautinischen und hat
auch wenig Verwandtes im Altertum überhaupt. Der Dichter hat darin
Töne angeschlagen, die eigentlich erst die moderne Kunst in die volle
Harmonie zu setzen bestimmt war. Denn in einem und vielleicht im
Hauptpunkt dieser Gattung ist er nicht so glücklich gewesen, wie neuere,
namentlich Shakespeare. Wenn er es auch versteht, reizende Situationen
und imaginative Motive durchzuführen, so ist ihm doch die Kunst nicht
zu Gebote, seine Mittel auszusparen und den Stoff zu steigern, und es
ist ihm damit das Unglück passiert, dass er voruhereiu zu sehr über-
rascht, zu interessant ist, schon vor der Mitte des Stückes sich selbst
erreicht hat und kulminiert, so dass ein Abfall, ein Mangel, eine Leere
sich vordrängt, mehr und mehr zunimmt und zu einem nicht befriedigen-
Charakteristik desselben. 723
warfen, hat aber recht schöne, reizende Partien." „Es sollte
vielmehr der glückliche Schiffbruch heissen," sagt L es sing.1)
Der Titel verrät vom Stücke nichts;1) der seltsame Name „rudens"
ist nur aus der dritten Szene des vierten Aktes entnommen.'2)
Das Lustspiel leitet ein Prolog3) ein, gesprochen von
Arcturus, dem weissen Gestirne („splendens Stella Candida" F. 3),
der vorerst (F. 1 — 31) mahnende Worte an die Zuschauer richtet.
Im Weitern erfahren wir, dass Diphilos, von dem das Stück
stammt (V. 32), die Szene nach Cyrenä (an die Nordküste
Afrikas) verlegte. Dort am Meeresstrande lebt Daemones in
unverdientem Exile (F. 35):
Senex qui huc Athenis exul uenit, hau malus.
Neque is adeo propter malitiam patria caret,
Set dum alios seruat, se inpediuit interim.
Diesem ward frühe seine Tochter geraubt und dem Räuber
von einem Kuppler, der sie nach Cyrenä brachte, abgehandelt
worden. Ein Jüngling aus Attika sah sie, als sie „e ludo ndicino"
(F. 43) heim ging, verliebte sich in dieselbe und kaufte sie dem
Kuppler um dreissig Minen ab. Bei dem Kuppler war ein Gast-
freund aus Agrigent, „urbis proditor" (F. 50); dieser riet dem
leno, das von dem Jünglinge bereits gekaufte Mädchen nach
Sizilien überzusetzen, dort gebe es Wüstlinge genug; ,,ibi eum
potesse fieri diuitem" (F. 55). Der Kuppler lässt sich bereden,
er rüstet ein Schiff und meldet dem Jünglinge, er habe der
Venus ein Gelübde zu lösen (F. 60), weshalb er den jungen
Mann zum Tempel der Göttin rief. Statt aber dort mit diesem
zusammenzutreffen , segelte er mit dem Mädchen heimlich ab.
Nun, sagt Arcturus, griff ich ein (F. 67):
Ego quoniam uideo uirgiuem asportarier,
Tetuli et [ei] auxilium et lenoni exitium semul.
den Schlüsse führt. Es ist der Anblick eines übermütigen Renners, der
über Kräfte anläuft, auf halber Bahn erlahmt und um der getäuschten
Erwartung willen uns doppelt zuwider ist."
*) Teuf fei, Studien, S. 276. „Vom Rudens sollte man meinen,
er müsse nach der Cis teil aria und derVidularia verfasst sein; denn
es liegt auf der Hand, dass nach seinem Inhalte einer der beiden letztern
Namen für das Stück weit passender und natürlicher gewesen wäre, als
der wirklich gewählte, und es kann für die getroffene Wahl kaum ein
anderer vernünftiger Grund gedacht werden, als der, dass die beiden
näher liegeuden Titel durch frühere Stücke bereits vorweg genommen
waren. Nur aber ist mit dieser Bemerkung sehr wenig geholfen; denn
von der Vidularia haben wir nur magere Bruchstücke, und von der
Cistellaria wissen wir wenigstens die Abfassuugszeit nicht" u. s. w.
2) V. 938. Dum haue tibi quam trahis rudentem couplico.
V. 1031. Vt abeas, nulciiWni amittas mihi molestus ne sies.
3) R. Dziatzko im Rhein. Museum. XXIY. 570. — Teuf fei,
Studien, S. 256.
46*
724 XVH. Rudens.
Er erregte einen entsetzlichen Sturm; ,,nam signtim Arcturus
omnium sinn acerrumum" (7. 70). Das Mädchen und seine Be-
gleiterin sprangen, als das Schiff des Kupplers hörst, in ein
Boot (7. 75); der Kuppler und sein Freund Hieben auf einem
Schiffe sitzen. Alsbald gelangen die beiden Mädchen zum Hause
des Dämon es.
Dieser mit Recht von Rapp1) als „romantisch" bezeichnete
Prolog war notwendig, um uns in die Situation einzuführen. Nun
beginnt das Stück.
Im ersten Akte stehen wir vor des Dämon es Haus.
Schon im Prologe erfuhren wir, dass die Dachziegel vom Sturme
heftig gelitten haben (7 78; 85). Der Sklave Sceparnio ist
eben am Hause beschäftigt; „non uentus fuit, uerum Alcumena
Euripidi" (7. 86). Da tritt der junge Plesidippus mit drei
Begleitern auf, um den Kuppler zu suchen, und eilt nach einge-
zogenen Erkundigungen wieder ab. Palästra, eben dem Meere
entkommen, erscheint; alsbald Ampelisca; die beiden Mädchen,
welche glaubten, von einander getrennt zu sein, sehen sich mit
grosser Freude wieder. Die Priesterin der Venus tritt aus dem
Tempel und nimmt die beiden Schutzflehenden bei sich auf.
Der zweite Akt beginnt „recht opernhaft"2) mit einem
Fischerchor.3) Er enthält eine vortreffliche Schilderung des
Fischerlebens. Trachalio, der Sklave des Plesidippus, tritt
auf. Alles ist geschehen, wie er es voraussagte (7 325):
Data uerba ero sunt: leno abit scelestus exulatum.
In nauem ascendit, mulieres auexit: ariolus sunt.
Da er eben zur Venuspriesterin will, kömmt ihm Ampelisca
aus dem Tempel heraus entgegen. Von ihr erfährt er den Schiff-
bruch des Kupplers, und dass ihnen dieser ein Kästchen ab-
nahm, das nun mit seinem Mantelsacke das Meer verschlang, in
welchem Gegenstände enthalten waren, die auf die Spur von
Palästras Eltern führen konnten (7 389). Es folgt nun eine
Szene zwischen Sceparnio und Ampelisca, welche im Auf-
trage der Venuspriesterin am Brunnen Wasser zu schöpfen kam,
eine Szene, welche Rapp4) als „die schönste Partie des Stücks,
ein Idyll für sich, mit so lebenswarmen Zügen gezeichnet, dass
das ganze Stück darunter leidet", bezeichnet. Sceparnio ist
von der „lepida mulier" (7 415) hingerissen und schöpft ihr,
da sie ihn „mea uoluptas" (7 441) genannt bat, "Wasser. Plötz-
') A. a. 0., 573.
2) Ebenda, S. 569.
3) Teuf fei, G. d. r. L., S. 23. (16, 3.)
4) S. 570 (8).
Charakteristik desselben. 725
lieh erblickt sie in der Ferne den Kuppler und eilt von dannen.
Seeparnio kömmt mit dem gefüllten Eimer zurück und hält
einen hübschen Monolog, wie schön eigentlich das Wasserschöpfen
sei (7. 458):
Pro di inmortales, in aqua numquam credidi
Voluptatem inesse tantam: ut hanc traxi lubens.
Nimio minus altus puteus uisust quam prius.
Vt sine labore hanc extraxi
u. s. w. Allein er findet seine Ampelisca nicht mehr.
Der Kuppler Labrax mit seinem Gastfreunde Charmides
tritt auf und hält diesem ernstlich böse vor, dass er mit seinen
Vorspiegelungen ihn aufs Meer gelockt habe. Am meisten be-
jammert Labrax den Verlust der beiden Mädchen. Seeparnio
kömmt vom Tempel zurück und begreift nicht, warum dort die
beiden Mädchen das Bild der Venus umschlungen halten. Labrax
hört es und ist sofort überzeugt, dass dies seine beiden Mädchen
sein müssen. Sogleich bricht er in den Tempel ein. ,,Intro
rumpam iam huc in Veneris fanum" (7 570). Nach einiger Zeit
folgt ihm Charmides.
Den dritten Akt leitet Dämones ein; er hatte einen Traum.
Ein Affe wollte zu einem Schwalbenneste emporklimmen, und da
es ihm nicht gelang, bat er Dämones um eine Leiter. Dieser
schlug sie ihm ab, da wurde der Affe grob und rief ihn vor
den Richter. Dort ergriff er den Affen und fesselte die Bestie.
Während dieses Selbstgespräches hört man Lärm vom Venus-
tempel her. Trachalio stürzt aus demselben und ruft die Leute
von Cyrenä herbei, um Hilfe zu leisten; zwei Mädchen würden
von dort mit Gewalt herausgezerrt und die Priesterin selbst be-
leidigt (7 641 ff.). Dämones ruft seine Knechte; sie dringen
in den Tempel ein, und Dämones folgt ihnen selbst. Palästra
und Ampelisca fliehen aus demselben. Alsbald schleppen die
lorarii des Dämones den Kuppler Labrax herbei. Er be-
hauptet, die Mädchen seien Sklavinnen. Daemones jedoch ver-
mutet sofort, er sei jener Affe aus seinem Traumgesichte und
lässt ihn überwachen. Plesidippus und Trachalio kommen
dazu. Plesidippus will ihn vor den Richter führen, wohin
Charmides ihm folgt (7. 890):
Verum tarnen ibo, ei aduocatus ut siem,
Si<iui mea opera citius addici potest.
Den vierten Akt beginnt Daemones, bis ihn seine Frau,
welche bereits auf die beiden Mädchen eifersüchtig wird, zu
Tische ruft. — Der Fischerknecht Gripus tritt auf; er hat
zwar keine Fische, aber den Mantelsaek des Kupplers aus dem
726 XVII. Rüdens.
Meere gezogen. Traehalio sah ihm hierbei zu und verfolgt
nun seine weiteren Schritte. Er beginnt mit ihm einen Streit
um den Besitz des Mantelsackes, einen Streit „so ganz seerecht-
licher Natur, dass man sich in die Seele eines ewig prozessieren-
den Atheners hineindenken muss, um in einem romantisch einge-
führten Stück in der Ordnung zu finden, dass es zur Hälfte und
mehr in wirklichen Prozessverhandlungen besteht".1) Dämones
kömmt mit den zwei Mädchen, Traehalio verrät den Fund des
Gripus und seinen Inhalt, und so erkennt Dämones in Palästra
seine längst verlorene Tochter.
Den fünften Akt eröffnet der glückliche Vater Daemones.
Er will seine Tochter dem jungen Plesidippus zur Frau geben,
da er von ihrer Liebe erfahren hat. Nochmal macht Gripus
Versuche bei Dämones, den aufgefischten Mantelsack sich zu
erstreiten. Unterdessen hat Traehalio seinem Herrn Plesi-
dippus berichtet, was mit Palästra vorging, und seine Freiheit
erhalten. Jubelnd eilt er herbei, nachdem Labrax vom Richter
Palästra abgesprochen wurde. Labrax will nun Ampelisca
holen, um sie, „de bonis quod restat reliquiarum" (V. 1287), heim-
zuführen.
Gripus kann noch immer den ihm abgenommenen Mantel-
sack nicht verschmerzen. Labrax hört seine Klagen. Er bietet
ihm drei-, vier-, fünfhundert u. s. w. Drachmen, zuletzt ein
„talentum magnum" (V. 1330), um ihn zurückzuerhalten, da er
allerlei enthalte (7. 1318):
Talentum argenti commodum magnum inerat in crumina,
Praeterea sinus, cantharus, epiehysis, gaulus, cyathus.
Dies beschwört er bei der Venus Cyrenensis (1338).
Daemones naht; er giebt Labrax den Mantelsack unver-
sehrt zurück :
Omnia insunt salua: una istinc cistella exceptast modo
Cum crepundiis, quibus hodie filiam inueni meam.
(V. 1362). Infolgedessen verlangt Gripus sein versprochenes
Talent. Labrax weigert sich. Daemones hält ihn zur Zahlung
an; allein fügt er bei (F. 1384):
qnod seruo meo
Promisisti, meum esse oportet.
Auch hierzu lässt sich Labrax herbei. Gripus wider-
streitet heftig; Daemones aber löst die Sache anders; er nimmt
das Talent; um die eine Hälfte soll Gripus, um die andere
') Rapp a. a. 0., 570.
Charakteristik desselben. 727
Ampelisca frei werden. Labrax stimmt ein. Gripus erfahrt
nichts, da Dämon es leise mit dem Kuppler verbandelt. Erst
des Dämones Einladung- an Gripns und den Kuppler „Vos
hodie hie cenatote ambo" (U. 1423) zeigt ihm seine Freilassung
(die „manumissio per mensam") an.
Die Handlung des Stückes ist eine ziemlich reichhaltige.
Auf Dämones liegt ihr Schwerpunkt. Seine ernste Ruhe und
sein würdiges Auftreten, ob auch er der Liebe nicht völlig un-
zugänglich (V. 896) und seiner Frau gegenüber etwas furchtsam
ist (U. 1046: „Metuo propter uos mea uxor ne me extrudat
aedibus"), halten und lösen das Stück in befriedigender Weise.
Plesidippus, der „adulescens strenua facie, rubieundus, fortis"
(V. 313), hat einen treuen Gehilfen an seinem Diener Trachalio,
der alles für seinen Herrn übernimmt, und dessen Versicherung
(V. 1271): „Quod rogas, censeo" sich überall als wahr erweist.
Eine höchst liebliche Gestalt ist Palästra. Mit drei Jahren
hat sie ihren Vater verloren (V. 744: „Trima quae periit mi"),
doch denkt sie stets ihrer Eltern (V. 216):
Haec hauscitis, mei parentes, me nunc niiserani ita esse nti sum:
Sie wiederzufinden, ist ihre einzige Hoffnung; darum geht ihr
das Kästchen über alles (V. 1144):
0 mei parentes, hie uos conclusos gero!
Huc opesque spesque uostrum cognoscendum coudidi.
Kindespflicht ihren Eltern gegenüber üben zu dürfen, wäre
ihr höchstes Verlangen (V. 190 ff.). Lieblich naiv zeigt sie sich
in der Szene, da Labrax ihr neuerdings nachstellt. Unendlich
viel Wahres liegt in ihrer Rede. Entschlossen ruft sie (V. 684):
Certumst moriri quam nunc pati [grassari] lenonem in me;
schnell aber obsiegt die Weiblichkeit wieder:
Set muliebri animo sum tarnen: miserae [quom uenit] iu mentem
Mihi mortis, metus membra oecupat.
Ampelisca, die „lepida muher" (F. 415), ist etwas freier ge-
zeichnet. Sie ist voll Lustbarkeit („mea hilara," F. 420), und selbst.
im Unglücke verlässt sie der gute Humor nicht. Sie nennt sich
„aetatem hau malam male" (F. 337). Sceparnio entwirft in der
mehr genannten Szene (II, 3) ein reizendes Bild von ihr (V. 421):
Veneria eefigies haec quidemst.
V in ocellis hilaritudost: heia corpus quoius modi:
Subuolturiumst, illut quidem ,subaquiliäum' uolui dicere.
Vel papillae quoius modi: tum quae indoles in suauiost,
728 XVII. Rudens.
die selber sagt (7. 425):
Nou ego suni pollucta pago.
Der Kuppler Labrax, ,.cum inraso capite" (F. 1303), ist als
solcher schon der Spott der Leute (F. 1284):
Nam lenones ex gaudio credo esse procreatos:
Ita onmes mortales, siquid est mali lenoni, gaudent.
Das ScliifT scheitert, das einen solchen Schurken trägt (F. 505),
einen Kuppler, dessen Name alles Schändliche in sich birgt
(F. 651):
Fraudis, sceleris, parricidi, periuri plenissumus,
Legirupa, inpudens, inpurus, inuerecundissuraus :
Vno uerbo apsoluam: lenost: quid illuin porro praedicem?
Plesidippus schildert ihn (F. 125):
Ecquern tu hie hominem crispum, incauum uideris,
Malum, periurum, palpatoreru,
und derber noch Trachalio (F. 316):
Ecquern
Eecaluom ac silonem senem, statutum, uentriosuin,
Tortis superciliis, contraeta fronte, i'rauduleutum,
Deorum odium atque hominum, malum, mali uiti jjrobrique pleuum.
Wie der in jeder Komödie meineidige Kuppler mit dem
Eide umspringt, sehen wir hier «ich vor unsern Augen entwickeln.
Seinen Grundsatz (F. 1355):
Meus ai'bitratust, liugua quod iuret mea.
führt er Gripus gegenüber praktisch durch (F. 1373):
Iuratus sum, et nunc iurabo, siquid uoluptatist mihi:
Ius iurandum rei seruandae, non perdundae conditumst.
Der zweifelhafte Freund des Kupplers, Charmides, trägt
zur Komik einzelner Stellen wisentlich bei.
Sceparnio ist trotz seiner rauhen Aussenseite, und ob er
auch einem Manne gleicht , der Sklaven zum Markte treibt
(F. 584, „uenalis illic duetitauit, quisquis est"), und herzlos scheint
(,,non est misericors, " F. 585), doch ein ,,peculiosus seruos adprobe"
(F. 112), und dass er, wenigstens Ampelisca gegenüber, nicht
gefühllos ist, haben wir zur Genüge gesehen.
Die Priesterin der Venus ist eine ehrwürdige Frau (F. 406,
..inque digniorem censeo uidisse anum nie quemquam"), welche,
. Dolces Ruffiano. 729
obgleich selbst dürftig voll Mitleid gegen andere ist (F. 281:
„Misericordior nnlla mest feminarum. ")
Hervorragendes Interesse bietet noch die Gestalt des Gripus.
Er trägt sich mit kühnen Gedanken.1) Eine grosse Stadt will er
bauen, die seinen Namen tragen soll (F 934: „Oppidum magnnm
commoenibo: ei ego nrbi Gripo indam nomen"). Er berechnet,
was alles ihm der Mantelsack eintragen wird, obwohl der künftige
„rex" jetzt noch „aceto pransurust et sale" (F 937). Wiewohl
er zu seinem Herrn sagt (F. 1234): ,.Isto tu 's pauper, quom
nimis sancte pius 's," erweist er sich doch sonst als einen getreuen
Diener, der rührig für seinen Herrn arbeitet und nichts so sehr
verabscheut, als die Trägheit (F. 922 ff).
Eine interessante Modernisierung des Rudens ist Lodovico
Dolces Komödie ,,11 Ruffiano".2)
An die Leser heisst es: „La presente Comedia, gia piaceuole
inuentione di Plavto o di Autore greco, da cui egli la si
togliesse, fu dal medesimo intitolata Rudente da quelle funi, onde
sono sostenuti le reti de pescatori: hora sotto nome di Roffiano,
dalla persona eh' interuiene, come altre volte sotto quelle di TA.
si rappresenta. " Der Prologo bezeichnet die Komödie als „fatta
di uecchi panni, ma questo ui dee essere inditio della sua bontä;
perche le cose uecchie sono migliori che le nuoue . . . Vedrete
adxtnque la nostra Comedia uestita di habito antico, e ridrizzato
alla forma moderna."
I. Akt. Lorenzino (Plesidippus) spricht von den Leiden
der Liebe. Er ist begeistert von seiner Lauretta, welche der
Kuppler mit sich fortnahm, und die er nicht mehr auffinden
kann. Allein und sorgenvoll irrt er an diesem Gestade, da tritt
Malpensa (Sceparnio) aus dem Hause. Was für Sceparnio
Alkmenes Sturm war (F. 86), ist Malpensa die Sintflut, ,.al
tempo di Noe. " So war der Sturm dieser Nacht. Lorenzino
schreitet auf ihn zu und fragt ihn: „Haresti per auentura,
fratellino da bene, ueduto in questo paese im' huomo co capeli
rizzi, col naso schiacciato, con le mascella grandi, con due peluzzi
in barba, con guatatura torta, nero come un carbone?" dieselbe
') Von SL'ineiuMonolog sagt E. Sommer („Les comedies de Piaute")
II, 316: „L'on admirera son monologue qui n'est pas sans analogie avec
le Pot au lait de notre la Fontaine."
2) II Rvffiano, Comedia di M. Lodovico Dolce. tratta dal Kudente
di Plauto. Di nvovo ricorretta e ristampata. In Vinegia appresso
Gabriel Giolito de' Ferrari. L560 (48 fol.). Klein. IV, 828. — Nochmal
einen Ruffiano brachte 1638 Lorenzo Stellato.
730 XVII. Rudens.
Präge, welche Plesidippus (V. 125), jedoch an Dämones,
stellt. Hierher, lautet Malpensas Erwiderung, kommen nur
solche, ,,che hanno per diuenir santi a Roma." Malpensa ist,
gleich Sceparnio, eine ganz hübsche Figur; er ist um keine
Antwort verlegen und hat Überrluss an witzigen Worten. Wenn
ihm Lorenzin o anvertraut, dass er liebe, und dass ihn die Liebe
treibe, wundert er sich. Warum treibst du nicht vielmehr jene?
„Perche non spingete lui ancora?" Lorenzino erzählt weiter, wie
er aufs höchste gegen den Kuppler erbittert sei. Ganz Chioggia
habe er vergeblich durchsucht, um ihm auf die Spur zu kommen,
nun wolle er auch noch die Kirche nach ihm durchforschen,
welche hier das fanum Veneris {V. 128) vertritt.
Isidoro (Daemones) tritt auf mit einem Vergleiche zwischen
dem Alter und der Jugend. Dann wendet er sich an seinen
Diener Malpensa, im allgemeinen nach Plautus (F. 98 ff.). Das
Landhaus muss ausgebessert werden; ,,ha piu occhi che non ha la
coda d' un pauone." (F. 102, „nunc perlucet ea quam cribrum
crebrius.) Zu Isidoro gesellt sich sein Nachbar, der alte
Lucretio, der jüngst erst hier eingemietet hat. Er beginnt
mit einem Fluche auf die Ehe und die Weiber und erzählt seine
Geschichte. Er hatte in Venedig ein reiches Handelshaus. Sein
Sohn fing mit einem Mädchen eine Liebschaft an, das bei einem
Kuppler erzogen worden war. Da seine Frau dies Verhältnis
durchaus nicht dulden wollte, entfloh vor einem Vierteljahre sein
Sohn, und auch der Kuppler hat sich fortgemacht. Die Frau
trifft alle Schuld. Missmutig brach der Alte auf, verliess Venedig
und seine Frau, mietete hier „queste pepponaie" in Chioggia
und will nun von allem nichts mehr wissen. Isidoro tröstet
ihn, sein Sohn werde wieder kommen; es treten ihm jedoch
selber dabei die Thränen in die Augen; denn er gedenkt seines
Töchterchens, seines einzigen Kindes, das ihm im letzten Kriege
spurlos verschwand. Malpensa selber möchte weinen, aber er
kann es nicht, „auanti che io non habbia beuuto: che pare se
io non beuo che gli occhi miei siano asciutti." Darum geht er
zum Trinken.
II. Akt. Malpensa sieht vom Dache des Hauses aus eine
Barke, in welcher sich zwei Mädchen befinden, im grossen
Ganzen nach V. 162 ff. — Dem klagenden Lorenzino, der
auch in der Kirche seine Lauretta nicht fand, erzählt Mal-
pensa, was er eben erblickte, worauf dieser nach dem Hafen
eilt. Indessen bei Plautus Palästra und Ampelisca sich auf
einige Zeit verlieren und erst auf der Bühne wieder finden, treten
hier Lauretta und Giulia mit einander durchnässt auf. Ihre
einzige Freude ist, dass der Kuppler im Meere versank; doch
jammert Lauretta um ihren Lorenzino; lieber wollte sie von
Dolces Ruffiano. 731
tausend Wölfen gefressen, als noch an einen andern Mann ver-
geben werden. Anders denkt hierüber die heitere Giulia.
Crespo, Lorenzinos Diener, verbreitet sich über die ver-
schiedenen Arten von Herren. Der seinige gehört zu denjenigen,
welche in einem Augenblicke hundert Befehle geben; ,,come se
egli si potesse in una uolta abbaiar, mordere, soffiare e sorbire."
So soll er jetzt Lauretta suchen, beim Schiff bleiben, nach dem
Kuppler forschen, Cbioggia ausspionieren u. s. w. Ohne erst,
wie bei Plautus (F. 306 — 330), sich bei den Schiffern zu er-
kundigen, trifft Crespo hier sofort Lauretta und Giulia,
während Trachalio späterhin nur auf Ampelisca stösst. Lau-
retta erzählt, wie der Kuppler sie zu Schiffe gebracht, wie sich
ein Sturmwind erhoben habe, xxnd wie sie kaum sich retteten.
Doch ihr „catenino d'oro" und ihre „paternostri di ambra," sind mit
dem Kästchen, in welchem sie lagen, vom Meere verschlungen
worden. Wertvoll zwar waren sie nicht, sonst hätte sie der
Kuppler längst zu sich genommen; aber auf die Spur ihrer
Eltern hätten sie führen können (F 390). Die Mädchen gehen
in die Kirche, um ihre Kleider zu trocknen.
Eingeschoben ist ein kleiner Monolog Lorenzinos
über seine Liebe zu Lauretta. Giulia klopft an Isidoros
Haus und stört den eben einige Stanzen vortragenden Malpensa.
Sceparnios: „Quist qui nostris tarn proterue foribus facit in-
iuriam" (F 414) giebt zu weiteren Witzworten Veranlassung;
doch ist die folgende hübsche Unterredung Sceparnios und
Ampeliscas nicht verwertet. Malpensa holt auf Giulias Bitte
Wasser; diese erblickt zu ihrem Entsetzen den Kuppler und eilt
ab. Vor Malpensas Monolog über die Süssigkeit des Wasser-
tragens für Giulia hat Dolce eine Szene zwischen dem Kuppler
und dem hostiere gesetzt, in welcher der Kuppler dem letzteren
bittere Vorwürfe macht, dass er ihn veranlasst habe, Venedig
zu verlassen; im Ganzen genau der Dialog des Labrax und
Charmides im Originale. — Malpensa kömmt mit den Wasser-
eimern: „Doue entra amore, le fatiche sono piaceri." Die Idee
ist nach F 459 — 485, der Monolog jedoch wesentlich ge-
kürzt. Aus den wenigen Worten, welche nachher Malpensa
mit den beiden Fremden wechselt, ersieht er, dass es sich um das
Mädchen handle, welches ihm den Eimer übergab. Da dieser ins
Kloster gehört, geht er gleichfalls dorthin.
III. Akt. Malpensa hat die Mädchen bitter weinend an-
getroffen, und ein „valentuomo", welcher bei ihnen nahe war,
jagte ihn weiter, „come si caccia una pecora." Aus Rache dafür
verrät er dem Kuppler und seinem hostiere, dass sie in der
Kirche sind, ganz nach Plautus (F. 564):
732 XYII. Rudens.
Scep. Hie in fano Veneris.
Lahr. Quot sunt?
Scep. Totidem quot ego et tu sumus.
Mal. Le giouane che perdute liauete souo in quella Chiesa.
See. Quant e sono eile?
Mal. Quanti saressimo tu & io.
Malpensa will die Liebe, die ihn so rasch gefesselt hat,
wieder vergessen; denn „se subito non si leiia, egli fa doppio
male & con fatica si mauda fuori".
Eine neue Szene hat Dolce eingeschoben, die hin-
sichtlich der Prahlereien des Kupplers an den Miles gloriosus
erinnert und auch etwas die Szene des Amphitruo nahelegt,
wo Mercxir-Sosia von seinen Thaten spricht, um Sosia abzu-
schrecken. Crespo bangt um die zwei Mädchen in der Kirche.
Er will dem Kuppler Schrecken einjagen, andrerseits aber schneidet
auch dieser gewaltig auf in der gleichen Absicht. So ganz Pyr-
gopolinices lässt sich der Secco, Kuppler, vernehmen: „Tutto
1' ho guadagnato con queste pugna. Pensate se eile mi daranno
ancora le giouani. Et quando e non bastasse 1' amazzare im' huo-
mo, raecordate quando con im pugno spezzai im elmo in testa
a imo Svizzero, come egli fosse stato di cartone? & a im Fran-
cese ruppi le ossa come fanno i Baccigli Et quando io
comincio, non ueniste mig'a a metterui in mezzo, perche alhora
io diuengo cieco, & nella furia do cosi a gli amici come a i
nimici" u. s. w. Bei dem in den Klassikern so sehr be-
wanderten Dolce geht man nicht irre, wenn man darin
Reminiszenzen an Plautus sucht. Crespo lässt sie ge-
währen, um sie endlich ins Netz zu locken.
Nun geht die Szene wieder auf Plautus (F. 615 ff.) über.
Isidoro tritt aus seinem Hause, da eben Crespo die beiden
Fremden in die Kirche sperrt. Laut schreit nun Crespo, die
Kirche werde entweiht, die Kruzifixe zu Boden geworfen, alles
entheiligt: Lutheraner, Leugner der päpstlichen Schlüssel-
gewalt und der Fasttage, seien drinnen. ,,Sono Lutherani: due
ghiotti della scola di Martin Luthero . . . Essi hanno rotta la
cassetta da i danari con dire che le limosine non uagliono, che
noi siam predestinati .... che '1 Papa non ha le ehiaui & che
non puo aprire ne serrare . . . che non si dee digiunare, ne far
quaresima, ne mangiar pesce di Venerdi ne di Sabbato . . . ." —
eine hübsche Rückwirkung der Reformation auf das
fromme Italien von 1550! Sofort werden Leute gesammelt,
um die Häretiker zu strafen. So ist aus dem plautinischen
Tempelschänder (F. 650), ,,qui deos tarn parui pendit (F. 646);
qui sacerdotem audeat uiolare" u. s. w., unter Dolces Moderni-
sierung- ein Protestant geworden, ein Mann, der soeben
für das Gegenteil — die Erhebuno- Gottes und die Würde
Dolces Ruffiano. 733
seiner Priester — stritt, zui| selben Zeit, da, um bei unserm
Thema zu bleiben, die Schamlosigkeit des italienischen Lustspiels,
wie es zumeist dort die Kleriker pflegten,1) den Mass-
stab des Glaubens und der Sitte jenes Landes in jeder Szene
bietet.
IV. Akt. Die beiden „Lutheraner-' sind gefesselt worden.
Das eine der Mädchen jedoch, .,1a maggioretta, " erinnert Isidoro
auffällig an seine verlorne Tochter. Da ihm Crespo sagt, Lau-
ret ta sei eine Treuigiana, erklärt Isidoro, auch er stamme von
daher. Crespo meint, er solle das Mädchen in sein Haus
fähren. Isidoro aber wagt dies nicht; „che io ho una doima
cotanto maladetta che subito si darebbe a credere che eile fossero
ree femine & caccierebbe di casa & me & loro;" ein Motiv, das in
diesem Stücke nur angedeutet (F. 895):
Set uxor scelesta me omnibus seruat modis,
Nequi significem quidpiam mulierculis,
im Mercator weiter durchgeführt ist. Er will sie also, da er
sie nicht Verstössen kann, zu seinem Nachbarn thun, „perche egli
e buono huomo & da bene."
Vergeblich hat indessen Loren zino allenthalben seine Lau-
retta gesucht. Er spricht, wie schon in einem früheren Auf-
tritte, von Selbstmord, falls er sie nicht fände. Mittlerweile ist
der alte Lucretio hocherfreut, in dem einen der zwei Mädchen,
die Isidoro in sein Haus brachte, die Geliebte seines Sohnes
entdeckt und gehört zu haben, dass auch dieser hier weile. Er
erzählt sodann den Traum von den Schwalben und dem Affen,
genau wie bei Plautus (F. 594), nur dass ihn dort Dämones
träumte.
Tagliacozzo, Lorenzinos Diener, hat unterdessen den
Versuch gemacht, bei Simona, der Mutter seines jungen Herrn,
für diesen fünfzig Scudi zu bekommen. Er erzählte ihr eine
Lügengeschichte, dass ihr Sohn bei einem Schuhmacher sei, dessen
Tochter er ehelichen müsse, zu welchem Zwecke er dieses Geld
bedürfe. Simona glaubte ihm nicht und schickte ihn mit leeren
Händen fort: doch aber liess ihr die Sache keine Ruhe. Sie fuhr
nach Chioggia, ungeachtet ihres Schwures, ihren Gatten nie
wieder aufzusuchen, und, hier angekommen, begegnet sie
Tagliacozzo. Dieser macht ihr ein langes Märchen vor. Ihr
Mann habe es den Türken nachgemacht und sich einen Harem
gegründet: „egli ha tolte taute moglie quante egli puo pascere,
') Lehrreich für diesen Punkt ist K. v. Räumer, Geschichte der
Pädagogik vom Wiederaufblühen klassischer Studien bis auf unsere Zeit.
Stuttgart 1843. I, 55. 56.
734 XVII. Ruclens.
iK; fax Loro le spese. Zunächst habe er zwei Weiber genommen.
Simona ist auis höchste erbittert üher die beiden; Tagliacozzo
aber erringt die gewünschten fünfzig- Scudi. — Simona- — „pareua
un Drago che soffiasse füoeo per la bocca" — wirft Lauretta
und Griuli a zum Hanse binans in ein er vielleicht de m M e r ca t o r
nachgeahmten Szene. Sie suchen Hilfe bei Isidoro; aber
auch über diesen fallt das gekränkte Weib her. Sie fordert ihre
Mitgift und , was ihr gehört , hinausbezahlt zn erhalten. —
Tagliacozzo bringt mit dem Gelde Lorenzino die frohe
Botschalt, dass Lauretta hier sei, und will ihn sofort zu ihr
führen.
Nach diesen Episoden, die Plautns nicht kennt, geht das
Stück wieder auf das Original (V. 906) zurück. Merenda, der
plautinische Gripus, freut sich des aus dem Meere gezogenen
Schatzes. Nun ist er ein gemachter Mann. Zu ihm gesellt sich,
wie im Originale, Crespo, der ihn wegen seines Fanges zur Rede
stellt: ,,Odi, galant' huomo, se tu pigli pesce, egli e tuo, perche
e nasce in mare: ma se tu pigli Tasche, non nascono nel mare."
Während ihres Wortwechsels kömmt Isidoro mit den Mädchen
und verspricht ihnen seinen Schutz. Sie erkennen die Kassette
und den Inhalt derselben. Lauretta berichtet, dass ihr Vater
aus Treuigi, ihre Mutter Brigida de i Lomellini war, worauf
die Erkennung folgt. Sie gehen ins Haus, wie bei Plautus,
zu ihrer Mutter. Auch Merenda s Worte: ,,0 sciaurato che fu io
a non guardarmi ben d' intorno prima che io trahessi fuori la
rete dell' acqua. Mi uien uoglia d' impiccarmi, " stammen aus
Plautus (F. 1184):
Sumne ego [homo] scelestus, qui illunc hodie excepi uidulum?
Aut quom excepi, qui non alieubi in solo apstrusi loco?
Quid meliust quam ut hinc intro abeam et me suspendam clanculum.
V. Akt. Tagliacozzo sieht ein, dass er eine riesige Ver-
wirrung verursacht habe, welche gelöst werden müsse. So erzählt
er Simona eine weitere Fabel, dass ihr Sohn sich von der
Schuhmacherstochter loszumachen gewusst habe und sie nun nicht
zu heiraten brauche. Auch die Sache mit den beiden Mädchen
bringt er ins Reine.
Hocherfreut sendet Isidoro zu Lucretio, sein Sohn möge
seine wiedergefundene Tochter heiraten. — Merenda ist un-
tröstlich über den Verlust seines Fanges; erbitterter aber ist der
Kuppler, dass er „che da' primi anni fui alleuato nelle scole de'
mariuoli, de' barrattieri & truftatori, mi sono lasciato cog-liere a
un famiglio." Er, ,,il quäle non uidi mai libro ne carta di
Lutherano aleuno," kam so übel an. Es bleibt ihm nichts übrig,
L. Echard. 735
als sich in Güte an Lorenzino um die fünfzig Dukaten zn
wenden und alle Schuld auf den ho stiere zu schieben.
Unterdessen bat Lorenzino alle diese freudigen Mitteilungen
von Crespo gehört. Zum Schlüsse veranlasst Tagliacozzo den
Kuppler zur Flucht, indem er ihm vorstellt, dass es ihm schlecht
ergehen werde, nachdem das Mädchen seinen Vater wieder ge-
funden habe. Der Schluss ist im allgemeinen nach Plautus.
Dole es Stück ist eine frische, lebhafte Komödie, in Avelcher
es dem Dichter gelungen ist, von mancherlei neuen Verkettungen
und Intriguen nicht ohne Vorteil Gebrauch zu machen.
Eine spätere italienische Übersetzung stammt von Redi:
,,11 Rudente di Plauto col Testo latino a canto, onde chi legge
possa agevolmente raecorre, se la versione in Versi toscani sciolti
corrisponda alla venustä del Dramma Latino di Monsg. Bali
Gregorio Redi im zweiten Bande seiner Werke. Vencd.
(Recurti) 1751.')
In England erschien im Jabre 1694. „Rudens." A comedy
translated from Plautus by Lawrence Echard.2) — Über die
amerikanische Bearbeitung (von St. Louis 1884) war oben
(S. 44) die Rede. Die amerikanische Bearbeitung hat sich
genau an das Original gehalten. Der leno ist, wohl leicht
erklärlich, zum slave-dealer geworden. Nur weniges erscheint
gekürzt. So fehlt der launige Traum des Dämones (F. 747;
infolge davon natürlich V. 771 ff.). — Die erste Szene des
vierten Aktes (V. 892 — 906) ist ausgeblieben; auch die Reden
des Gripus sind stark zugeschnitten (z. B. V. 1193 — 1208).
Einiges ist im Englischen sehr gut ausgedrückt worden.
Das Wortspiel mendicus und medicus (V. 1304):
Grip. Quid tu? num medicus quaeso 's?
Lahr. Immo edepol una litera plus sum quam medicus.
Grip. Tum tu
Mendicus es?
lautet trefflich im Englischen:
Grip. Pray, are you a medical man?
Lahr. No by Pollux, I 'in one lettre more thau a medicant.
Grip. Are you tlien a mendicant?
') Argelati. III. 236.
2) Halliwell, pag. 217. This play togetker with two others from
the same author are published in one volume and dedicated to Sir
Charles Sedley.
736 XVII. Rudens.
Zum Schlüsse sprechen alle noch die Verse:
Farewell, dear friends, now give applause
Aud liappy live by fate's fixed laws.
Dass der romantische Teil des Rudens an manches andere,
z. B. auch an einzelnes hei Shakespeare, erinnert, ist Zufall.
Es ist richtig-, wenn es bei Rapp1) heisst: „Es lässt sich hier
selbst der Stoff mit einem Shakespearischen Stück noch zusammen-
halten, nämlich mit dem Sturm. Beide Stücke kommen in der
Ausserlichkeit überein, dass sie mit einem Seesturm und Schiff-
bruch sich introduzieren, und dann auch in dem bedeutenderen
Umstände , dass in diesem Zufall beidemale die eigentliche
Katastrophe des Stücks enthalten ist und, in der Art voraus-
gehend, das Übrige eigentlich als Nachverhandlung nachbringt,
durch die Situation , die der Schiffbruch hervorgebracht hat.
Beide Stücke haben durch diese Anordnung etwas nachlässig
Anziehendes erhalten, was wir doch nicht anders als den Opern-
effekt nennen möchten, das ist, ein selbstgefälliges Verweilen in
Lieblingssituationen, die sich sonst los genug an einander reihen."
Eine andere Reminiszenz bietet äusserlich Shakespeares
Perikles durch den Schiffbruch und seine Folgen, und im Stücke
selbst die Fischer, von denen einer den für Perikles glück-
spendenden Harnisch mit seinem Netze fischt (II, 1).
Eine deutsche Bearbeitung des Rudens findet sich im
zweiten Teile von Goldhagens Anthologie (Brandenburg 1767)
und von Leo Lipsius (Schmalkalden 1768).2)
In Frankreich erschien die Übersetzung der Dacier im
Jahre 1683; „die Jungfer Helena Baletti Riccoboni hat es sehr
artig unter dem Titel ,le N au frage' nachgeahmt. Diese Nach-
ahmung ist zu Paris 1726 in 12° und 1730 gedruckt. "3) Helene
Baletti, mit dem Beinamen Fl am in ia, war die Gattin des
Louis Riccoboni, genannt Lelio.4)
Die Bibliotheken von Berlin, Dresden, München,
Wolfenbüttel u. a. besitzen diese Bearbeitung- nicht.
J) A. a. 0., S. 568.
2j Sulzer, 705b.
3) Lessing, Beiträge, S. 51. — Auch an Opern fehlt es nicht.
Ob indessen die zahlreichen bei Clement (S. 173. 474) genannten Ojjern
„le Naufrage" von Hoffmeister (1790), Kerpen (1786), Romberg (1791),
Gassner (1814), Volkert(1815) oder P. C. Guglielmis Naufragiofortunato
(cc. 1787) hierher zu zählen sind, ist fraglich. Viele dieser Stücke
können auch mit L. v. Holbergs Glücklichem Schiffbruche, deutsch
im ersten Bande der dänischen Schaubühne (S. 135 — 339) zusammenhängen.
4)Beauchamps, Recherches. IV, 152. — Voisenon, Oeuvres. IV, 147.
— Einen „heureux naufrage" gespielt am 9. Juni 1720, den Werken
Barbiers beigedruckt, nennt Beauchamps. IV, 138.
Stichus. 737
XVIII. Stichus.1)
So wie der Stichus vorliegt, wird man über das Urteil des*
Cammerarius, der ihn argumentum ,,leve et futile" nennt, und
die Abweisung desselben seitens französischer Kritiker'2) schwerlich
hinauskommen. Rapp hat das Stück zu retten versucht. Ihm
ist der erste Akt ein Idyll, wie das fünfzehnte des Theokritos
und der Mimus des Sophron; wer ihn liest, wird ausrufen müssen:
hier ist dasselbe, dieselbe Manier, dieselben Gedanken, Wendungen
und Gewöhnungen; hier ist derselbe Dichter, mit einem Wort:
hier ist ein Mimus des Sophron!3) Und so würde der „verachtete
Stichus zu den interessantesten Stücken unsrer Sammlung
gehören''. Da nun aber auch Rapp zugestehen muss, dass das
Lustspiel derartig ist, dass man es einem hervorragenden, sonst
so formvollendeten Dichter, wie Men ander, nicht zumuten darf,
dass er „doch auch einmal ein Drama schreiben konnte, dem
absolut etwas fehlt, was ein Stück nicht zu einem guten Drama,
sondern überhaupt zu einem Drama macht",4) dass er, der sonst
gerade in der Intrigue gross ist, „hier hinter dem, was der unge-
übteste Anfänger zu machen wüsste, weit zurückgeblieben" ist,
und dass das ganze Stück „ein so seltsames Gemengsei von Szenen,
Dialogen, Stilen, die unter sich gar nichts gemein haben," sei,
so scheidet er es in vier Hauptteile: 1. die guten Weiber; 2. die
Heimkehr des Herrn; 3. der geprellte Parasit; 4. ein Sklaven-
mimus. Diese Teile hätte Plautus nach griechischen Quellen
bearbeitet, durch Monologe u. dgl. lose verknüpft, und „wenn
der Dichter uns, wie es scheint, in diesem Stücke eine Muster-
karte von Stilen zum besten giebt, so hat er wenigstens psycho-
logisch richtig einen das andere zudeckenden Schluss dem ganzen
Quodlibet angehängt".5) „Es ist also dieses Stück ein Quodlibet,
in dem uns aber Parzellen aufbehalten sind von so hohem Wert,
dass sie andere ganze Stücke aufwiegen, und darum Dank der
Vorsehung, die es uns erhalten hat."6)
Binder7) sagt über das Lustspiel: „Den Gegensatz des
frivolen, zügellosen Taumels gemeiner Seelen nach überstandenen
Mühen zu der gemessenen und würdigen Freude ehrenwerter
') Hier ist zitiert nach Fleekeisen.
*) Rapp, S. 1785.
3) Ebenda, S. 1780.
*) Ebenda, S. 1781.
*) Ebenda, S. 1785.
(;) Ebenda, S. 1786.
■>) A. a. 0., S. 6.
47
738 XVIII. Stichus.
Männer, die sich des Besitzes treuer Weiber wieder wert gemacht
baben, zu schildern, das scheint die poetische Tendenz dieses
etwas flüchtig skizzierten Lustspiels zu sein." Er nennt es
ein „Quodlibet mimisch dialogischer Szenen nach griechischen
Dichtungen."
Teuffel1) urteilt: „Der Stichus ist ein rätselhaftes Stück.
Ich will gern glauben, dass es, wie Ritschi Parerg. I, S. 280 A.
angiebt, in sehr unvollständiger Gestalt auf uns gekommen ist,
wiewohl LadeAvig doch wohl des Guten zu viel thut, wenn er
meint, das Vorhandene sei nur etwa die Hälfte des ursprüng-
lichen Ganzen; aber ich sehe nur nicht recht, was das voll-
ständige Stück weiter enthalten haben soll, welche angefangene
Handlung, welche eingefädelte Intrigue darin zu Ende geführt
werden mochte. Sollte etwa das ernsthaftere Herrenmahl durch
das Sklavengelage verdräng't worden sein'? Oder spielte darin
besonders Stichus eine Rolle xind rechtfertigte den gewählten
Titel? Oder war es darauf angelegt, dem hetzerischen Alten
mittelst der erbetenen Konkubine eine Beschämung zu be-
reiten?" u. s. w.
Der erste Akt führt uns Philumena und Pamphila ein,
deren Ehegatten nun schon drei Jahre von Hause abwesend
sind (V. 29):
Nani uiri nostri domo ut abierunt,
Hie tertiust annus.
Ihr Vater Antipho möchte sie gerne wieder verheiraten,
obwohl er sie zu diesem Schritte nicht gerade zwingen will; die
beiden Frauen jedoch weigern sich, voll kindlichen Respektes
zwar, doch aber mit Entschiedenheit, dies zu thun. Sie zeigen
sich voll Liebe und Treue gegen ihre abwesenden Männer.
Philumena schickt ihre Magd, Crocotium, nach dem Parasiten
Gelasimus; er soll sich am Hafen, wo Tag*e lang der Fischer-
knabe Pinacium sitzt, um Acht zu haben auf die Rückkehr
der Gatten, nach Neuigkeiten erkundigten.
Mit dem zweiten Akte tritt der Parasit Gelasimus auf;
er jammert über die schlechten Zeiten und denkt bereits daran,
Ausrufersdienste („praeconis conpendium," F. 194) zu übernehmen.
Crocotium belauscht einige Zeit sein Selbstgespräch und meldet i
ihm dann, er möge zu Philumena kommen. Pinacium betritt
freudig die Szene; er hat eine frohe Botschaft (F. 300: „Secundas
fortunas decent [fastidia et] superbiae"). Philumena zeigt sich;
Pinacium befiehlt, alles zu scheuern und zu schrnücken; denn er
hat am Hafen den Gatten der Philumena, Epignomus, mit
») Studien, S. 277.— Vgl. Sulzer, Theorie etc. I, 240a.
Charakteristik desselben. 739
seinem Sklaven Stichus gesehen. Philumena freut sieh der
Nachricht unendlich, nicht minder Gelasimus; aber Pinacium
sagt ihm, Epignomus habe die Parasiten bereits mit sich ge-
bracht (F. 388: ,,Poste autem aduexit parasitos secum"). Gelasimus
bleibt demnach nur mehr die Aufgabe, diese wegzubringen (F. 401 :
,,Nam ni illos homines expello, ego occidi planissume".
Im dritten Akte kehrt Epignomus, reich mit Schätzen
beladen, mit seinem Sklaven Stichus zurück. Er schenkt
seinem Diener diesen Tag zur freien Verwendung (F 435, ,,hunc
tibi dedo diem"), worauf dieser den Plan fasst, mit einem andern
Sklaven, Sagarinus, ein Gelage abzuhalten. Den Zuschauern
sagt er ausdrücklich, dass dies in Athen gestattet sei (F 446):
Atque id ne uos miremini, homines seruolos
Potare amare atque ad cenam condicere:
Licet hoc Athenis nobis.
Gelasimus naht in der Hoffnung, „ridiculis logis" (F. 455)
seinen „rex" für sich zu gewinnen. Ein günstiges Auspicium
berechtigt ihn zu solcher Erwartung. Allein Epignomus hat
bereits, wie er sagt, die ,,oratores populi", die „summi uiri" (F. 490)
zu Gästen. „Haut aequomst te inter oratores accipi, " fertigt er
den hungernden Parasiten ab.
Im vierten Akte begrüsst Antipho den angekommenen
Pamphilus, den Gatten der Pamphila. Zu ihnen gesellt, sich
Epignomus, worauf der alte Antipho einen „apologus" erzählt,
der darauf abzielt, eine Flötenspielerin zu erhalten. Nochmal
tritt nach dem Abgange des Antipho Gelasimus auf und
macht bei Pamphilus und Epignomus wiederholte. Versuche,
eingeladen zu werden. Doch weisen ihn beide ab. (F. 630):
Dum parasitus mihi atque fratri fuisti, rem confregimus.
Nunc ego nolo mi ex Gelasimo fieri te Catagelasimum.
Von allen diesen Personen tritt im fünften Akte keine mehr
auf. Stichus bringt ein Fass Wein. Sagarinus findet sich
dabei ein und später die Sklavin Stephanium. Sie beginnen
das Gelage. Stichus hat schon früher von der Bühne herab
dem ,,tibicen" Wein gereicht mit den Worten (F. 713):
Bibe, tibiceu: [bibe si bibis] bibumlum hercle hoc est: ne nega
Quid hie fastidis quod faciundum uides esse tibi? quiu bibis?
Age siquid agis. aeeipe inquam: nam hoc inpendit puplicum.
Hau tuum istuc est uereri te. eripe ex ore tibias.
Nun lässt er ihn nochmal trinken ( F. 758):
Tene, tibicen, primum:
47*
740 XVIH. Stichus.
und verlangt von ihm ein Tanzlied u. s. w., (F. 767):
Age, iam infla buccas: nunc i'am aliquid suauiter.
Cedo cantionem ueteri pro uino nouam.
Nachdem sie genug getanzt haben (F. 774: „saltatum satis
pro uinost"), schliesst das Stück.
Von den beiden Schwestern ist Philumena die ältere (F. 41).
Sie hält sich für die arme Penelopa (V. 1), seit ihr Gatte, den
sie so treu liebt (V. 48), abwesend ist. Auch Pinacium rühmt
ihre Liebe zu ihrem Manne (F. 284, ,,ut decet uirum amat suum
[et] cupide expetit").
In nicht geringerem Grade ist Pamphila ihrem Gatten
zugethan. In schöner Weise verleiht sie dieser Hingabe Aus-
sprache (7. 133):
Placet ille meus mihi meudicus: suus rex reginae placet.
Idem animust in paupertate qui olim in diuitiis fuit.
Sie ist voll Zärtlichkeit, und rühmenswert ist die Pietät, die
überall in den Vordergrund tritt [V. 7), und die in gleicher Weise
dem Vater wie dem Gatten gilt.
Numquam euim niniis curare possunt suum parentem filiae,
ist ihr schöner Grundsatz (V. 96). Gleich kindlich gedenkt sie
der verstorbenen Mutter (V. 109). Interessant ist ihr Urteil
über die Weiber, als von einem Weibe gesprochen, (V. 129):
Quanta meast sapientia
Ex malis multis malum quod minumimist, id minumest malum.
Qui pote mulieres uitare, is uitet: ut cotidie
Pridie caueat ne faciat, quod pigeat postridie.
Ihr Vater Antipho, ein alter Mann („decurso aetatis spatio,"
V. 81), der, ob er auch mit den Sklaven zankt (V. 58), nichts
weniger als energisch ist, zieht zwar gegen die abwesenden
Ehemänner los (T. 14), dennoch aber will er mit seinen Kindern
nicht „gerere bellum" (V. 82). Die allgemeine Schwäche, den
Menschen nach seinem Besitze zu schätzen, legt er auch seinen
Schwiegersöhnen gegenüber an den Tag.
BKSy
Yidete, quaeso, quid potest pecunia.
Quoniam redisse bene re gesta me uidet,
Maguasque adportauisse diuitias domum,
Sine aduocatis ibidem in cercuro, in stega,
In amicitiam atque in gratiam conuortimus,
beklagt sich Epignomus (P. 410). Die hübsche Erzählung von
dem verwitweten Alten, der gerade so alt war, wie er, und zwei
Charakteristik desselben. 741
verheiratete Töchter besass, wie er, der seinen Schwiegersohn
bat (7 547):
Ego tibi meam filiam bene quicum cubitares dedi:
Nunc mihi reddi ego aequom esse aps te quicum cubitem censeo,
zeigt, dass der „graphicus mortalis" (7 570) in gewissen Dingen
noch jugendlich denkt.
Etiam nunc scelestus sese ducit pro adulescentulo.
(7. 571.) — Indessen steht er bei seinen Mitbürgern in hohem
Ansehen (7. 11 ff.).
Von den Schwiegersöhnen ist Epignomus eingehender ge-
zeichnet. Die Freude, mit welcher er sein Haus betritt (7.523),
zeigt, dass er die Liebe seiner Gattin verdiente.
Von den Nebenpersonen zieht zunächst der Parasit unsere
Aufmerksamkeit auf sich. Er ist in der herkömmlichen Weise
gezeichnet. Im Vers 174 erklärt er seinen Namen.
Gelasimo nomen mi indidit paruo pater,
Quia iam a pausillo puero ridiculus fui.
Etwas später dann (7. 242) nennt er sich „Miccotrogus".
Er ist niemals satt geworden, solange er lebte (7 155):
Famem ego fuisse suspicor matrem mihi:
Nam postquam natus sum, satur numquam fui.
Darum ist er stets zum Essen bereit und so leutselig, dass er
eine Einladung nie abschlagen kann (7. 181):
Set generi nostro haec redditast benignitas:
Nulli negare soleo, siqui essum uocat.
Ob er bei einer Tafel als Ehrengast oder zu unterst sitzt (,,imi
supselli uirum" 7.489; „infumatis infumus" 7.493), ist für ihn be-
deutungslos. Er hat seine Zunge längst verkauft: „Linguam
quoque etiam uendidi datariam" (7 257). Sie kann nur mehr
„Gieb" sagen. (7. 261: Eccillam quae dicat „cedo"!)
Zerfallen mit der bösen Zeit, scheidet er aus dem Stücke.
Wo die Herren selbst Parasiten sind, ist für keinen Gelasimus
mehr Raum. „Es ist keine Ehrlichkeit mehr unter den Leuten,"
sagt Falsta ff. So unser Parasit (7 635):
uiden ut annonast grauis?
Viden benignitates hominuni ut periere et prothumiae?
Viden ridiculos nihili fieri atque ipsos parasitarier?
742 XVm. Stichus.
Stichus und Sagariuus entwickeln in der Freiheit ihre
Sklavennatur. Der leichtsinnige Stichus vergeudet sein erspartes
Geld (7. 751):
Vapulat peculium: actumst: fugit hoc libertas caput,
um die Lust eines Tages. Würdig steht ihnen Stephanium
zur Seite. Sie liebt beide gleich. „Cum ambobus uolo: nam
ambos amo" (F. 750).
Diese Analyse des p laut mischen Stückes wird es klar
machen, warum keine Nachahmung desselben vorliegt, so oft die
einzelnen Personen des Lustspiels am Ende auch als Vorbild
gedient haben können. Es ist ein problematisches Stück,
aus dem erst etwas hätte geschaffen werden müssen, ein
Stück, von dem fast nichts zu benützen war.
Um so mehr ist es zu bedauern, dass wir von Lessings
Nachahmung: „Weiber sind Weiber" (Ein Lustspiel in zwey
Autzügen. Berlin 1749), x) nur wenige Fragmente besitzen.
Lessings Bruder äussert sich in der Vorrede'2) nach einer
Kritik des plautinischen Stichus, wie tblgt: „Aus dem ersten und
dem Anfänge des zweyten Akts dieses Lustspiels, denn mehr hat
mein Bruder davon nicht hinterlassen, kann man nicht recht
ersehen, wie er diesen Stoff ganz behandelt haben würde. Der
Plan, den er dazu sich so gut entworfen haben wird, als er bei
seinen übrigen Stücken allezeit gethan, muss verloren gegangen
seyn; ich habe ihn wenigstens nicht finden können. So viel aber
sieht man doch schon, dass Hilarien das Ausbleiben ihres Mannes,
der sich blos um ihrentwillen ruinirt, lange nicht so nahe geht,
als Lauren, die von ihrem Mann tyrannisirt worden. Vielleicht
wollte er ein Beyspiel liefern, dass Zärtlichkeit gegen den Mann
von gar keinen moralischen Umständen, sondern blos von dem
physikalischen Temperamente abhängt, und so unerklärlich als
Sympathie ist. Doch was er auch bezweckt haben mag, und
wie sehr auch der Dialog darinn gegen den in seinen nachherigen
Stücken absticht, so bin ich doch versichert, dass er diesen
schönen Hauptstoff mit so abgeschmackter Episode, wie Plautus,
unmöglich vernachlässiget hätte."
Auch in den „Beiträgen" fasst Lessing die plautinische Ko-
mödie als eine Bestätigung ehelicher Treue. Dort heisst es:3) „Der
») S. 1—47 in G. E. Lessings Theatral. Nachlass . . . Erster Theil.
Berlin 1784 (s. S. 704). — S. 484—505 bei R. Boxb erger a. a. 0.
2) Pag. XIII.
3) S. 51.
Lessings Weiber sind Weiber. 743
Herr von Limiers benennt dieses Stück in seiner Übersetzung
den Triumph der ehelichen Treue.1) Der Hauptinhalt ist auch
so ziemlich dadurch ausgedrückt; ein paar Weiber nämlich, die
ihre Männer verlassen haben, wollen sich, des Verlangens ihrer
Väter ungeachtet, doch nicht wieder verheirathen, sondern bestehen
darauf, die Rückkunft ihrer Männer zu erwarten, welche auch
erfolgt. Den Namen hat dieses Stück von dem Knechte, der
diese Männer begleitet hat, und sich den Tag der Rückkunft
mit seinem Kameraden lind ihrer gemeinschaftlichen Liebsten
lustig macht."
AVas von Lessings Entwurf zu „Weiber sind Weiber"
im ..Xachlass" steht, ist Folgendes:
I. Akt. In derber Weise verbreitet sich die Kammerjungfer
Lisette ihren Herrinnen Hilaria und Laura gegenüber über die
„Schufte von Ehemännern", die drei Jahre bereits weg sind.
Laura möchte in Thränen um ihren Mann Leander zerfliessen.
Hilaria ist heiter. „Wenn es ihm an einem Orte besser geht,
als es ihm hier gehen würde, warum sollte ich es ihm nicht
gönnen?" Herr Seitarm, ihr Vater, will es nun in Güte ver-
suchen, seine Töchter zii einer Heirath zu bestimmen. Vergeblich!
Wohlklang, der Musicus, und Segarin, der Capitain, sind die
Freier der beiden Frauen.
II. Akt. Naturalienhändler Labrax, eine Art Parasit, dessen
Noth Seitarm ausnützen will.
Was sich bei Boxberger aus der Lessingschen Be-
arbeitung des Stichus entnehmen lässt, ist Nachfolgendes:
Erster Aufzug. (1.) Die Kammerjungfer Lisette schildert
den beiden Frauen Hilaria und Laura gegenüber die Ehemänner
als schlimme Leute. Sie hat sie zwar nicht selbst gekannt.
„Aber nach Ihrer eignen Beschreibung, so ist der Eine ein Ver-
schwender, der Andre ein Verthuer gewesen." Dennoch weint
Laura um ihren Gatten. „Das betrübt mich," sagte sie, „dass
ihn vielleicht Gott meinetwegen itzo heimsucht." Hilaria dagegen
grämt sich, dass ein Frauenzimmer, Avie sie, nur einen Freier
haben sollte. Sie will ihrer Schwester ihren Herrn Wohlklang
abspenstig machen.
(2.) Der Vater der beiden verlassenen Frauen, Herr Selten-
arm, tritt auf. Er hat bisher gegen sie nur „das Rauche heraus-
gekehrt", jetzt will er es in Güte versuchen. Er will die Ehe-
scheidung seiner Töchter bei seinen Freunden, den Konsistorial-
räten, durchsetzen. Laura spricht wenig; Hilaria will gleichfalls
') So schon eine alte Ausgabe von 1513 (Mclch. Lotter. Lips.): „Sti-
chus Plautinus pudicitiam ac maritalem fidem etiam in sinistra
fortuna seruandam esse docens." (Schweiger, II, 2. 772.)
744 XVIII. Stichus. .
von ihrem Manne nicht getrennt werden. „ Anders wäre es,
wenn er gestorben wäre, oder wenn ich gewiss wüsste, dass er
mich gänzlich vergessen habe. So lange als Eines von Beiden
nicht ist, so lange — — "
(3.) Laura ist entsetzt über den Leichtsinn ihrer Schwester.
Sie "will stets an ihrem Manne, wo er auch sein mag, „als eine
treue und rechtschaffene Frau" handeln.
(4.) Seltenarm bespricht sich mit der Kammerjungfer Lisette.
Sie soll die Heirat der beiden Frauen beschleunigen; „so bliebst
du ja hernach alleine im Hause — ." Lisette will von seiner
Zudringlichkeit wenig wissen.
(5.) Herr Wohlklang, der Musikus, fragt bei Seltenarm an.
„Nun, mein Herr, werden die EntSchliessungen Ihrer Frau Tochter
bald mit unsern Absichten harmonieren? Wie lange soll noch
diese mir so widrige Dissonanz anhalten? u. s. w. " Seitenarm
tröstet ihn, Laura werde sich noch für ihn entscheiden.
(6.) Wohlklang wendet sich an Lisette um ihre Beihilfe.
Diese aber erklärt, hierzu „keine Ursache" zu haben. Wohlklang
versteht - sie nicht oder thut so, obwohl sie ihm die Ursache,
„warum die Herren Musici componiren, die Diebe stehlen, die
Advocaten Advocaten sind, die Dichter singen, die Bettler weinen,
die Arzte Wind machen, die Taschenspieler hexen, die Juden
Christen und die Christen Juden werden, kurz die Ursache aller
Ursachen — die Hauptur — ur — Ursache" ziemlich nahe legt.
(7.) Der Capitän Segarm tritt auf. Er scheint sich nicht
gut mit dem Musicus zu sprechen. Der Capitän entfaltet einige
Züge, die an seine grosssprecherischen Ahnen erinnern. „Es ist
mancher schlechter Kerl Capitän gewesen. Ich aber stamm' aus
einem alten adlichen Geschlechte." Noch mehr in der nächsten
(8.) Szene, wo er um Lisettens Beihilfe wirbt. Das Gehirn
thut ihm nichts, ob es gesund ist oder nicht. „Zu was ist das
einem Soldaten viel nütze?" Er will keine lange Belagerung.
„Ich muss also einen Sturm wagen, einen Generalsturm." Lisette
soll Hilarie zur „Capitulation" bewegen. Er könnte ihr Dukaten
und Ringe geben. Allein er verspricht ihr „das Allerkostbai'Ste,
was ich dir nur geben könnte" — ■ — „meine ewige Gewogen-
heit." Mit diesem „Bettel" ist jedoch Lisette nicht zu gewinnen.
(9.) Segarin hat wenig Aussichten. Wenn er die Heirat
nicht fertig bringt, so könnte „aus dem gnädigen Herrn wieder
ein Schuhputzer werden".
Andrer Aufzug. (1.) Labrax, ein Name, den Lessing dem
plautinischen Rudens entnommen hat, tritt auf. Seltenarm hat
ihn rufen lassen.
(2.) Seltenarm weist das Angebot von Naturalien, das ihm
Labrax macht, ab. Er will anderes von ihm. „Welches sag'
Lessings Weiber sind Weiber. 745
ich ihm zuerst? Dass er Geld verdienen kann, oder dass ich ihn
zu einem Schelmenstreiche brauchen will?" Er fragt ihn, oh er
ein ehrlicher Mann sei.
Mit Labrax' Worten endet das Fragment, an dessen Voll-
endung Lessing vielleicht noch 1755 dachte.1)
Danzel urteilt über Lessings Bearbeitung:2) „Der zweite
Gesichtspunkt, den Lessing in die Behandlung des plautinischen
Stoffes einführt, ist die genauere psychologische Motivierung,
welche die Neuzeit fordert. So lässt er die beiden Schwestern
in „Weiber sind Weiber11, die bei Plautus nur eben auf
ganz gleiche Weise schlechthin ihren Männern ihre Treue be-
wahrt haben, wenigstens von verschiedenem Charakter sein; ja es
scheint fast, als ob die eine, Laura, eine Heuchlerin sein sollte,
was dann wiederum den Stoff des Werkes reicher machen musste,
und der alte Seitenarm Avill seine Töchter wieder verheiraten,
um mit seinem Dienstmädchen zu leben: worauf übrigens Lessing
durch den Einfall bei Plautus gekommen ist: Antipho will seine
Töchter ,,ad absurdum" führen und fragt sie, wie ein wackeres
Weib denken müsse — sie antworten, warum er so frage, und
er sa°-t — zur Ausflucht, ..er wolle AAieder heiraten.'1
Weitere Spuren hat der Stichus nicht hinterlassen.
Wenn Rapp3) sagt: „Das Examen der Töchter erinnert übrigens
nicht undeutlich an die Exposition von König Lear, und selbst
die Streitfrage über die beste Frau kommt ebenso im Othello
vor," so sind das Zufälligkeiten, Szenen und Gedanken, zu denen
Shakespeare und manch minderer nach ihm gewiss selbständig
kommen konnte. Daraus zu schliessen, ..dass Plautus Jugend-
eindrücke in Shakespeare zurückgelassen, ist hier abermals, wie
in andern Stücken, klar,11 kann, selbst wenn man die Thatsache
an sich ztizugestehen geneigt wäre, nach dem Stichus und den
betreffenden Stellen im König Lear und Othello gewiss nicht
angehen.
Als letzte Arbeit Brunamottis führt Argelati4) an: „Lo
Stico, Commedia di Planto, tradotta in versi ital. sciolti" Msk.
') Düntzer, Lessing. #als Dramatiker, S. 34.
2) A. a. 0. I, 149. Über weitere den Franzosen entlehnte Motive.
des Stückes s. ebenda I, 152.
3) Die plaut. Lustsp., S. 1781.
*) in, 237.
746 XIX. Trinummus.
XIX. Trinummus. *)
Zu allen Zeiten galt der Trinummus als eines der besten
Stücke des Plautus. Lessing2) sagt: „Nach den Gefangenen des
Plautus ist dieses sein vortrefflichstes Stück." Es fehlt ihm
nicht an Szenen, welche auch auf unsrer heutigen Bühne eines
glänzenden Erfolges versichert sein dürften; darum trug sich
auch der Stuttgarter Schauspieler Seydelmann einige Zeit mit
dem Gedanken, den Trinummus auf die Bühne zu bringen.3)
„Gewiss ist," bemerkt Rapp,4) „dass unser gegenwärtiges Stück
in einem hohen Grade die häusliche Behaglichkeit des Familien-
stücks mit einem Anhauch freierer Poesie, teils hochkomischer
Charakteristik, teils einem bedeutenden Einflüsse des Zufalles,
also des Abenteuers zu vereinigen weiss." Er nennt den
Trinummus „in seiner Gattung, dem Familienstück, gewiss eines
der ersten Musterstücke;" auch Teuf fei5) bezeichnet es als „ein
Familienstück von bemessener Anlage und Tonfärbung."
Mit den Captivi hat es ferner den Mangel weiblicher
Rollen gemeinsam.
Ein Prolog, von der Luxuria und ihrer Tochter Inopia
gesprochen, der nach Ritschi6) zu den echten zählt, belehrt uns,
dass das Stück im Griechischen „Der Schatz" heisst (V. 18):
Huic Graece nomen est Thensauro fabulae:
Philemo scripsit: Plautus uortit barbare,
Nomen Trinummo l'ecit.
In der ersten Szene des ersten Aktes tritt der alte
Megaronides auf. Schwer Avird ihm die Pflicht, seinen Freund
Callicles Avegen Avohlverdienter Schuld zu Rede zu stellen; allein
es muss sein. Eben naht Callicles, und in edler, offener Weise
macht ihm nun Megaronides Vorhalt über alles, was man in
der Stadt von ihm sich erzähle. Noch als Greis begehe er
Bubenstreiche (V. 43):
Hie illest seneeta aetate qui factust puer,
Qui admisit in se eulpam castigabilem.
') Ausg. von G. Hermann (Lpz. 1800. 1853); Göller (Coloniae 1824);
Lindemann (Lpz. 1830); Geppert (Berl. 1844, Leipz 1854); Thom.
Vallauri (Turin 1856); J. Brix (Lpz. 1879, 2. Aufl.); W. Wagner (Cam-
bridge 1875, 2. Aufl.); And. Spengel (Berl. 1875); C. E. Freeman and
A. Sloman (London 1883). Hier ist zitiert nach Fleckeisen.
2) Beiträge, S. 51.
3) Rapp, Die pl. L., S. 1980.
'■) A. a. 0., S. 193.
5) G. d. r. L., S. 152.
6) Parerg. I, 236. (Vgl. Teüffel, Studien, S. 256.)
Charakteristik desselben. 747
Schändlicherweise sammle er Geld, ja selbst seinem lieder-
lichen Mündel habe er sein Haus abgekauft, als er es leichtfertig
feilbot. So spreche jedermann (F. 98):
Primumdum omnium
Male dictitatur tibi uolgo in sermonibus.
Turpilucricupidum te uocant ciues tui :
Turn autem sunt alii qui te uolturium uocant:
Hostisne an ciuis comedis parui pendere.
Callicles sieht sich denn gezwungen, sein lange verhaltenes
Geheimnis seinem Freunde zu verraten. Als Charmides, sein
Freund, in die Ferne zog, vertraute er Callicles an, dass in
seinem Hause ein Schatz verborgen sei (F. 152):
Nummum Pkilippeum ad tria milia.
Doch beschwor er ihn, seinen Sohn ja nichts wissen zu lassen.
Diesen und seine Tochter vertraute er ihm an; sollte er glücklich
wiederkehren, so war für beide gesorgt; wo nicht, so gereichte
der Schatz der Tochter zur Aiissteuer. Nun ist aber der Sohn
des Charmides, Lesbonicus, ein schlechter Wirtschafter ge-
worden. Wein und Liebe zerrütteten seinen Vermögensstand,
und während Callicles nur auf sechs Tage sich aufs Land begab,
schrieb Lesbonicus sein Vaterhaus als verkäuflich aus. Da
hielt es denn Callicles für seine Freundespflicht, dasselbe an-
zukaufen und so dem Freunde den dort verborgenen Schatz zu
retten. (F. 179):
argentum dedi
Thensauri causa, ut saluom amico traderem.
Mit diesem Geständnisse hat er freilich die Meinung des
Megaronides zum Gegenteile umgestimmt. Dieser hält, --da
Callicles abgetreten ist, einen wundervollen Monolog, der in
trefflichen Worten die ganze Erbärmlichkeit der Klatschsucht
brandmarkt. (F. 199):
Nihil est profecto stultius neque stolidius
200. Neque mendacilocum neque adeo argutum magis
Neque confidentiloquius neque periurius
Quam urbani adsidui ciues, quos scurras uocant.
Atque egomet me adeo cum illis una ibidem traho:
Qui illorum uerbis falsis aeeeptor fui,
205. Qui omnia se Simulant scire neque quiequam sciunt.
Quod quisque in animo habet aut habiturust, sciunt:
Sciunt, quid in aurem rex reginae dixerit:
Sciunt quod Iuno f'abulatast cum Ioue:
Quae neque fuerunt neque sunt, tarnen illi sciunt.
210. Falsone an uero laudent, eulpent quem uelint,
Non flocci f'aeiunt, dum illut quod lubeat sciant.
748 XIX. Trinummus.
Nur ein Mittel gäbe es gegen diese schändliche Klatschsucht
(F. 217):
Quod si exquiratur usque ab stirpe auctoritas,
Vnde quid auditum dicant: nisi id adpareat,
Famigeratori res sit cum damno et malo:
220. Hoc ita si fiat, puplico fiat bono.
Pauci sint faxim qui sciant, quod nesciuut,
Occlusioremque habeant stultiloquentiam.
Im zweiten Akte tritt Lusiteles auf, ein vortrefflicher,
fast altkluger Jüngling. Sein Vater Philto hat allen Grund,
sich dieses Sohnes zu freuen. Da Lusiteles nun seinen Vater
bittet, ihm die Schwester des Lesbonicus zur Frau zu geben
und selbst für ihn zu werben, giebt er nach ganz kurzem Wider-
stände seine Einwilligung hierzu. Eben naht Lesbonicus mit
seinem Sklaven Stasimus. Ihm tritt Philto in den Weg, um
für seinen Sohn zu freien. Anfangs glaubt Lesbonicus Philto
spotte seiner Armut; als er ihm jedoch erwidert, er verlange
nicht die geringste Mitgift, erwidert ihm Lesbonicus, sein Leicht-
sinn solle nicht seiner Schwester zum Schaden gereichen. Noch
besitze er ein Gütchen ausserhalb der Stadt (,,'st ager sub urbe
nobis, " V. 508); dieses soll die Mitgift seiner Schwester werden.
In ungeheuer drastischer Weise spricht Stasimus gegen diesen
Plan seines Herrn und sucht durch die schrecklichsten Schilde-
rungen jenes „ager", auf welchem „in quincto quoque sulco mori-
untur boues" (F. 524), wo „Acheruntis ostium" (F 525) sei, wo
alle Reben faulen, ehe sie reifen (F 526), wo die Ernte dreimal
kleiner ist als die Aussaat (F. 530) u. s. w., Philto abzuschrecken,
seinem Herrn den letzten Besitz („nutricem quae noseducat," F. 512)
abzunehmen. Lesbonicus aber beharrt darauf, seine Schwester
nicht unter seinem Leichtsinn leiden zu lassen (F. 585):
Neque enim illi damno umquam esse patiar — —
Meam neglegentiam.
Im dritten Akte meldet Stasi mus dem Callicles die
Verlobung des Lusiteles mit der Schwester des Lesbonicus.
Callicles begreift sofort die Notwendigkeit einer Aussteuer. —
Die zweite Szene führt uns den Streit des Lusiteles und Les-
bonicus wegen der Mitgift vor. Unverrichteter Sache scheiden
sie. Stasimus sieht, dass auf solche Weise seines Bleibens bei
seinem Herrn nimmer sein kann (F. 727):
Ad forum ibo: nudius sextus quoi talentum mutuom
Dedi reposcam, ut babeam mecum quod feram uiaticum.
Megarönides und Callicles beraten sich über die Mitgitt
des Mädchens. Callicles kann ihr eine solche nicht geben; es
Charakteristik desselben. 749
würde dies dem Stadtgespräche neue Nahrung- leihen. Man würde
sagen, die Mitgift sei längst bei ihm hinterlegt und eher ver-
ringert als vermehrt worden (F. 740 ff.). So ersinnt Megaro-
nides einen anderen Plan. Ein Unbekannter hätte als Bote des
abwesenden Vaters Charmides zwei Briefe und Geld für die
Tochter zu überbringen. Die Summe aber soll von dem ver-
grabenen Schatze weggenommen werden.
Mit dem vierten Akte tritt Charmides auf. Er ist zurück-
gekehrt und dankt, ähnlich Theuropides in der Mostellaria,
den Göttern für ihre Gnade. Reich ixnd glücklich kömmt er
heim. Zu ihm stösst der sucophanta Pax, derselbe Gauner,
der von Megaronides als Überbringer des Goldes des Char-
mides gedungen worden war. Er fragt Charmides, wo Les-
bonicus wohne, da er von seinem Vater Gelder und Briefe für
ihn habe. Nach längerer, launiger Unterredung giebt sich Char-
mides als diesen — „ipsissumus" (F. 988) — zu erkennen. Der
sucophanta händigt ihm alles ein. Da erscheint Stasi raus; er
ist zurückgelaufen (F 1011):
ne bubuli in te cottabi crebri crepent,
Si aberis ab eri quaestione.
Charmides erkennt ihn, nach einiger Zeit auch Stasimus
seinen Herrn. Von dem Sklaven erfährt Charmides, dass dies
Haus nicht mehr sein eigen sei. Call i des tritt aus demselben
und antwortet auf des Charmides Klage (F. 1095):
Qualine amico mea conmendaui bona?
die Worte: „Probo et fideli et fido et cum magna lide!" Dann
geleitet er ihn ins Haus.
Im fünften Akte löst sich der Knoten leicht. Lusiteles
hat erfahren, dass Charmides zurückgekehrt sei, und will nun
von ihm die Tochter erhalten, die ihm dieser auch freudig, doch
nur mit einer Mitgift, zugesteht (V. 1159):
Si illa tibi placet, placenda dos quoquest quam dat tibi.
Lesbonicus heisst seinen Vater willkommen und nimmt
des Callicles Tochter zur Frau mit dem Versprechen eines
besseren Lebens (F. 1187: ,,At iam posthac temperabo"). So endet
mit dem üblichen Plaudite des Cantor die Komödie.
Die Grundidee des Stückes ist eine sehr ernste.
Nicht das Schlimmste darf man von allen Leuten glauben; selbst
der als leichtfertig gezeichnete und als solcher verrufene Les-
bonicus hat edle Seiten und ist im Grunde seines Wesens kein
verächtlicher Mensch. Was nun gar von dem Gerede der Menge
750 XIX. Trinummus.
zu halten ist, hat uns ja Megaronides bereits in beredten
Worten erörtert.
In dem Stücke spielen vier Alte und zwei Jünglinge.
Megaronides ist eine Achtung gebietende Erscheinung. Als
Jugendfreund des C all i des (F. 48) und unter allen sein bester
(V. 94: ,,tu ex amicis certis mi 's certissumus") hält er es für seine
Pflicht, wenn auch mit schwerem Herzen (V. 24), den Freund
„castigare ob meritam noxiam" (V. 23). Das Gerede der Menge
verführt ihn, sodass er an seinem Freunde Zweifel hegt. Daran
thut er unrecht, und er rechnet es sich zum Vorwurfe an (F. 215):
Ego de eorum uerbis famigeratorum insciens
Prosului amicurn castigatum innoxium.
Von nun an steht er ihm in allem treu zur Seite. Ungern
vermisst man in den beiden letzten Akten den Mann mit seinem
allezeit bereiten Rate.
Callicles, das Opfer der Verleumdung, rechtfertigt sich in
glänzender Weise. Von ihm gilt das Wort, womit der Sklave
Stasimus seine Hingabe preist (F. 1110):
Hie meo ero amicus solus firmus restitit
Neque demutauit animum de firrna fide,
und das Charmides von ihm ausspricht (V. 1125):
Neque fuit ueque erit neque esse usquam honiinem terrarum arbitror,
Quoius fides fidelitasque amicum erga aequiperet tuam.
Er aber weist jede Anerkennung mit den Worten zurück (F. 1129):
Non uideor meruisse laudem, culpa caruisse arbitror.
Eigentümlich führt sich Callicles ein mit den Worten, die
er von seiner Frau spricht (F. 42): „Teque ut quam primum possim
uideam emortuam" und (F. 51) auf die Frage, wie es ihr ergehe
(ut ualet?) ,.Plus quam ego uolo". Rapp1) meint, das Stück
habe keine Weiber, „ja eine gewisse Weiberverachtung ist nicht
nur der Faden, der durch das Ganze hindurchgeht, sondern der
ausgesprochene Anfangs- und Schlusspunkt desselben." Der Stellen,
welche gegen die Weiber gerichtet sind, sind allerdings meln-ere;
allein es ist ein auch für unser Lustspiel nicht zu grober Spass,
wenn Megaronides findet, dass kein Weib ein Geheimnis be-
wahren könne (F. 800. 801), oder wenn Charmides meint, für
Lesbonicus sei ein Weib zu wenig Strafe, man sollte ihm
hundert geben (F. 1186).
') Rapp a. a. O., S. 194.
Charakteristik desselben. 751
Der alte Philto mit seinen rechtschaffenen Grundsätzen ist
der neueren Zeit gram. Lieber wäre er tot, als dass er sie er-
leben mnsste (F. 290):
Lacrumas haec mihi, quom [ea] uideo, eliciunt, quia ego ad hoc genus
Hominum perduraui.
Die Gegenwart schildert er in den trübsten Farben (F. 283):
Noui ego hoc saeculum, moribus quibus siet:
Malus bonum malum esse uolt, similis ut sit sui.
Turbant, miscent mores mali, rapax, auarus, inuidus:
Sacrum profannm, puplicum priuatum habent, hiulca gens.
Er lebt in Wohlstand von dem, was er sich selbst erwarb
(F. 347. 355), seinem Sohn ein treuer Freund imd Berater.
Charmides kömmt nach mannigfaltigen Erlebnissen zur See
in seine Heimat zurück und begrüsst sie mit Worten voll er-
habenen Schwunges. Er geht der lange ersehnten Ruhe ent-
gegen (F. 838):
dehinc iam certumst otio dare me: satis partum habeo,
Quibus aerumnis deluctaui, filio dum diuitias quaero.
Er hat die Genugthuung, die Besserung seines Sohnes zu
sehen und mit dem zufriedenen Worte „Optumumst" das Stück
zu schliessen.
Die beiden Jünglinge Lusiteles und Lesbon icus sind in
vielen Stücken reine Gegensätze. Lusiteles ist das Ebenbild
des Vaters; ein vortrefflicher Sohn, der sich rühmen kann (F. 301):
Semper ego usque ad hanc aetatem ab ineunti adulescentia
Tuis seruiui seruitutem inperiis praeceptis, pater.
Auch an ihn ist die Versuchung, und zwar ernstlich, heran-
getreten (F. 225):
Egomet me coquo et macero et defetigo,
und er ist noch nicht völlig im Reinen (F. 228):
Vtram potius harum mihi artem expetessam,
Vtram aetati agundae arbitrer firmiorem.
Doch alsbald findet er wieder den richtigen Weg (F. 270):
Certa res est ad frugem adplicare animum
u. s. w. So verabscheut er die Verlockungen der Liebe. Es
klingt fast asketisch, wenn er (F 264) ausruft:
752 XIX. Trinummus.
Mille modis amor ignorandust, j>rocul abdendust, apstinendust.
Nam qui in araorem praecipitauit, periit quasi [de] saxo saliat.
Apage sis amor: tuas tibi res babeto.
Amor, amicus aiihi ne fuas umquam.
Bei diesen an einem Jünglinge dieses Zeitalters seltenen
Grundsätzen überrascht es indessen ganz wohlthuend, dass Lu-
sit el es die Verirrungen anderer nicht mit seinem asketischen
Massstabe misst, vielmehr lür Lesbonicus Worte freundschaft-
licher Entschuldigung bereit hat.
Lesbonicus, aus einer vortrefflichen Familie (F. 326: ,,genere
summo;" F. 373: ,,genere adprime probo") stammend, ist allerdings
durch seine eigene Schuld, durch Nichtsthun und Liebeshändel,
herabgekommen. Offen sagt es ihm Lusiteles (F. 647): „culpa
maxume et desidia tuisque stultis moribus. " Er gesteht, dass
Sinnenlust und Liebe ihn zu Fall gebracht haben; ,,ui Veneris
uinctus, otio aptus in fraudem incidi" (F 658). Sein Eigentum
hat er vergeudet (F 360), in vorschnellem Mitleid für andere
Bürgschaft geleistet (F 437). Sein Sklave sagt (7. 406):
Comessum, expotum, exunctum, elutum in balineis:
Piscator, pistor apstulit, lanii, coqui,
Holitores, muropolae, aucupes.
Er gesteht dies selbst (F. 682): „abusus tantam rem sum pa-
triam," sowie er sich seines Leichtsinnes völlig bewusst ist (F. 585.
586. 587). Dennoch aber bricht überall bei ihm ein tiefwurzelnder
edler Sinn vor. Ehrlich zu sein, kann er sich trotz seiner Dürftig-
keit rühmen (F. 689: ,,ut inops infamis ne sim"). So besteht er
nachdrücklichst darauf, seiner Schwester den letzten ,, ager" als
Mitgift zu geben (F. 689):
ne mi banc famam differant
Me germanam meani sororem in concubinatum tibi
Sic sine dote dedidisse magis quam in matrimonium.
Es ist ein Jüngling, wie ihn der ernste Lusiteles schildert,
in welchem ein Stück Unbesonnenheit steckt (F. 327: „minus qui
caute et cogitate suam rem tractauit"), der teils aus Gutherzigkeit,
teils aus Lebenslust das Seinige hinwarf (F. 333):
Per comitatem edepol, pater:
Praeterea aliquantum animi causa in deliciis disperdidit.
Doch ist er ein Mensch ohne jegliche Bosheit („Sine omni
malitiast," F. 338). Auch bei der Rückkehr seines Vaters zeigt
er eine ungeheuchelte Freude.
Ihm zur Seite steht sein Sklave Stasimus, seinem Herrn
treu ergeben (F. 527):
etsi scelestus est
At mi infidelis non est.
Cecchis La Dote. 753
Seine Hauptsorge erstreckt sich auf die Erhaltung des letzten
ager. ,,Si quidem ager nobis saluos est!" ist sein Ziel (7. 593).
Was er sonst vom Leben hält, hat er hübsch in die Sätze zu-
sammengefaßt (F. 478):
Verecundari neminem aput mensam decet:
Nam ibi de diuinis atque hunianis cernitur.
Der Sykophant mit dem „nomen nugatorium" (7 890) Pax,
„der professionierte Gauner," *) ist eine trefflich gezeichnete Gestalt.
Seine Aufgabe ist, dass derjenige, welcher ihn gemietet hat, „me
ipsum plane esse sucophantam sentiat" (7 860). Charmides
zeichnet ihn als einen Pilz (7. 851: ,,fungino generest") mit ver-
dächtigem Aussehen (7 862):
Quo niagis specto, minus placet mi ea hominis facies: mira sunt
Ni illic homost aut dormitator aut sector zonarius.
Sein Gaunertalent erweist sich vorzüglich da, wo er, der
noch keine Reise gemacht hat, aus Seleucien, Makedonien, Syrien,
Asien und Arabien zu kommen vorgiebt („quas ego neque oculis
neque pedibus umquam usurpaui meis," (7 846) und von Arabien
im Pontus (7 934), ja selbst von Juppiters Thron (7 940)
spricht.
Eine geschickte Bearbeitung2) des Trinummus mit Be-
nützung der Mostellaria ist Cecchis Lustspiel ,,La Dote".3)
Im Prologe heisst es nicht ohne litterarische Seitenhiebe:
Fia questa dota una nuoua comedia
In buona parte cauata da Plauto,
Questo si dice perche alcun non pensi
Quest' uno autore uogl' esser simile
A certi ladroncelli, i quali rubano
Non gli argomenti, ma le comedie
Intere, intere e sol con lo intratesserui
Un framessuzzo le dan fuori, e giurano
Con le mari e co pie che hanno cauatosela
Della lor testa. EgV ha tolto da Plauto
L' argomento in gran parte de la fauola.
') Rapp, die pl. L., S. 194.
2) Bei Riccoboni, II, 225 — 251, findet sich eine genaue Analyse
des Stückes. Dort heisst es ferner II, 257: „Suivant ma facon de penser
je trouve cette piece tres-bonne." (258): „Entre les autres merites de
la comedie de la Dote celui de l'economie de theätre me paroit tres-
remarquable."
3) La Dote. | Comedia | di Giovau Maria | Cechi (sie) Fiorenjtino.
In Vinegia appresso Gabriel Giolito de Ferrari e fratelli. 1550. (47 fol.)
— Vgl. Ginguene, VI, 273. — Ruth, IL, 583.
48
754 XIX. Trinummus.
Die Entschuldigung' Cecchis ist die hundert und hundertmal
bei allen Imitatoren wiederkehrende, dass auch Plautus und
Terenz sieh fremde Stoffe aneigneten.
I. Akt. (1.) Bindo (Megaronides) redet seinem Freunde
Manno (Callicles) ins Gewissen, dass er alt und kinderlos, ,,eo
]>iedi horamai nella fossa," noch ein Knecht der Habsucht sei, zu-
nächst, dass er das Haus seines Freundes F i 1 i p o Rauignani,
der auf dem Wege nach London Schiffbruch litt, dem verschwen-
derischen Sohne abgekauft habe, obwohl der scheidende Freund
ihm seine Kinder anvertraute. Wie bei Plautus erzählt Manno
den Grund dieser Handlungsweise. „Tre mila ducati d' oro" seien
dort vergraben gewesen, welche die Aussteuer der Tochter aus-
machen. Ja Manno that noch mehr als Callicles. Das Hatis
war bereits verkauft; es fehlte nur noch die Ausfertigung des
Kaufvertrages. Sobald Manno dies von seinem Bruder Guido
erfuhr, machte er alles rückgängig, rettete für sich das Haus
und somit für die Tochter den Schatz. Das Mädchen ist bei
Manno.
(2.) Federigo (Lesbonicus) tritt auf im Gespräche mit
Ipolito (Lusiteles) im allgemeinen nach Plautus (V. 276 ff.).
Ipolito will Federigos Schwester heiraten, und zwar ohne Mit-
gift; ,,io non uoglio che si parli di dote." Er hofft, es dahin zu
bringen, dass sein Vater die Erlaubnis nicht verweigert. Fede-
rigo aber will davon nichts hören. Er hat nur noch ein kleines
Landgut, das soll die Mitgift seiner Schwester ausmachen. Ganz
so edel, wie Lesbonicus, ist indes Federigo nicht. Ipolito
möge es, meint er, bei seinem Vater versuchen, ob er zur Heirat
beistimme.
II. Akt. (1.) Federigo, welcher die Stadt verlassen wollte,
ist auf die dringenden Bitten seiner Freunde noch vier Tage
geblieben. Nach kurzem Gespräche Federigos mit seinem Diener
Moro (2.) und Moros mit der Magd Tessa (3.) folgt die Unter-
redung (4.) des alten Fazio mit seinem Sohne Ipolito. Fazio
lässt sich weit anders vernehmen, als der gute plautinische Philto.
Sein Sohn darf nur eine Frau heiraten, die über dreitausend
Golddukaten Aussteuer verfügt. ,,Se la fasse piu bella ch' el sole,
piu nobile che la nobiltä e figliuola del Doge di Vinegia, non
uoglio che tu tolga moglie senza dote." Er will nicht wissen,
AVer sie ist, und auch da er hört, dass es die Tochter seines
einst reichen, liebsten Freundes Filipo ist, bleibt er bei seinem
Ausspruche. Cecchi hat so eine neue Episode, ein neues Ehe-
hindernis geschaffen.
(5.) Federigo, Ipolito und Guido haben eine lange Unter-
redung, wie Fazio zu bestimmen wäre, seine Einwilligung zur
Heirat Ipolitos zu erteilen. Moro, der gelungene Diener, ist,
Cecchis La Dote. 755
wie Stasimus, mit seinem Herrn gar nicht einverstanden. Das
Gut muss unter allen Umständen erhalten bleiben. Er versucht
alles, es nach Kräften herabzusetzen. Das Schrecklichste wäre
für ihn, wenn er mit seinem Herrn in den Krieg- ziehen müsste;
und etwas anderes bliebe ihm ja nicht mehr übrig. Weit vorteil-
hafter wärt' es nach seiner Anschauung-, Camilla in ein Kloster
zu stecken: sie würde den Himmel erringen, und ihnen verbliebe
das Landgut.
III. Akt. (1.) Auch Manno hat sich unterdessen bei Fazio
zu gunsten Ipolitos verwendet; er habe in Erfahrung gebracht,
dass das Gut nicht viel wert sei. (2.) Fazio ist nicht gänzlicb
abgeneigt, da die Verhältnisse sich besser zu gestalten scheinen.
Er erkundigt sich bei (3.) Moro eingehend um alles, und dieser
erzählt ihm weitläufig, was er in sechszehn Jahren gesehen und
erfahren hat. „La sorella e in casa, e danari sono spesi. " Wie
Stasimus (F. 521 ff.) schildert er nun das Landhaus: „La casa
e tutta spaleata e in puntelli;" ja — zum erstenmale spielt
hier schon ein Stück Mostellaria herein — „et anco da
pochi mesi in qua ui si e cominciato a sentir dentro non so che
diauolerie la notte ch' io per me non u' albergo mai in pace." —
Die weiteren Gespräche der Dienstboten (4. 5. 6.) haben zur
Sache wenig Bedeutung. Am besten gezeichnet ist die unbe-
ratene Geschwätzigkeit Tessas.
IV. Akt. (1.) Moro hat den alten Herrn zurückkehren
sehen: er ist in Florenz (F. 1007). »Che diauolo di partito ha
il nostro? e trouerä uenduto il nido e dato il fondo quasi a ciö
ch' egli ci lasen)."
(2.) Filipo tritt in kurzer Rede auf statt der langen (F. 826
— 841) des Originales. „Ringratiato sia Dio ch' i son condotto
doppo tanti trauagli a casa sano, o dolce patria, o cara patria,
come e suaue il goderti, o casa mia, io ti riueggo pure." Diese
Rede mit ihren Anklängen an Theuropides führt uns
wirklich in die Mostellaria ein. Moro übernimmt die
Rolle des Tranio. Nachdem er den Alten begrüsst hat, von
dem er glaubte, er sei tot, will dieser ins Haus treten, woran
ihn Moro hindert:
Filip. 0, Perche dunque non si puö entrarui?
Mor. Ell' e piena di spii-iti.
Filip. Come, di spiriti?
Mor. Oime, dite piü piano che non si scuopra quel che fiuo a hora
e stato segreto, deh andiancene qua, padron, di gratia.
Im Hause ist einer ermordet worden lind zwar von dem-
jenigen, welchem das Haus abgekauft wurde. Federigo, erfahrt
Filipo weiter, sei kaum erst vom Krankenbette aufgestanden,
auf welches ihn die schmerzliche Kunde, dass sein Vater mit dem
48*
756 XTX. Trinummus.
Schiffe unterging, hinstreckte. Da sei ihm eine Gestalt erschienen
mit dem Rufe: „Quanto mi uuotu tener sotterä in questa casa?"
Man wandte sicli an den Beichtvater. Dieser war schnell hei der
Hand. Es geschah alles Mögliche, endlich fand man „queste
henedette ossa di qnesto morto" und ein tiefes Loch. Entsetzt
ruft Filipo aus: „Ohne i' son morto; e che ui trouaste?" Er
denkt an seinen vergrabenen Schatz, und so stehen wir mit
einem Sprunge in der Aulularia. „Nulla," erwidert ihm be-
ruhigend Moro. „„Ne pentole di terra?"" „Ne pentole ne teste."
„„Also nichts fand man'?! Ohne i miei danari son iti uia!""
Federigo, fährt Moro weiter, ist auf dem Landhause, und dort
hat er auch die Schlüssel. Filipo will vorderhand seine Ankunft
geheim halten.
(3.) Wie Tranio teilt Moro seinem Herrn Ipolito die An-
kunft des Vaters mit. ..Noi siam rouinati!" Nach einer Rede
der Tessa (4.) ermahnt Moro seinen Herrn, Mut zu fassen.
(5.) Die Sache sei geschickt eingeleitet. ,,Se uoi mi date spazzio
due giorni soli, io harö quaranta huomini degni di fede che di-
ranno che uoi hauete speso 400 ducati in medicarui et harö da
tino spetiale im conto eh' e piü la." Ausserdem soll Manno
sagen, er wohne nur zur Miete im Hause; denn er hätte es nie
gekauft, wenn er nicht den Alten tot geglaubt hätte. Den suco-
phanta vertritt hier der Tranes tito alla leuantina, der Brief
und Geld Filipos an Federigo überbringen soll. Sein Gespräch
mit Filipo ist so ziemlich wie bei Plautus (F. 851 u. s. w.).
V. Akt. (1.) Federigo teilt seinem Freunde Ipolito mit,
dass sein Vater zurückgekehrt sei, worauf ihm dieser rät, er solle
seine Fehltritte offen bekennen. ,,Lo hauer uoi speso troppo e un
male che si da a tutti o alla maggior parte di quei giouani che
non hanno sopracapo che li ratfreni;" aber den Vater zum besten
zu haben, gehe nicht an. Federigo zweifelt noch; er schwankt,
ob er nicht nach Bologna gehen solle. Ipolito will dies ver-
meiden und bespricht sich darüber (2.) mit Moro. Von diesem
erfährt auch Bindo (3.), dass Filipo zurückgekehrt sei, was
Tessa bestätigt. Den Hauptinhalt bildet noch eine bedeutende
Mahnrede Filipos an seinen Sohn ((3.), sowie dessen Entschuldi-
gung und die für alle gleich erfreuliche Lösung bis zum Plau-
dite! ,,Se la fauola u' e piaciuta, fatene segno!" fordert Moro
die Zuschauer auf.
Nichts mit dem „Trinummus" gemeinsam hat Luigi Groto
Ciecos Stück,. II Tesoro". — Eine italienische Übersetzung des
Trinummus stammt von Rin. Anffel. Alticozzi.
Destouches' Tresor cache. 757
Dem plautinischen „Trinummus" ist die Comedie ,.Le tre-
sor cache" des Nericault Destouches1) entwachsen.
I. Akt. (1.) Lucidor (Megaronides) klagt über die ver-
fallenen Sitten der Zeit. ,,Ce qu'il y a de plus commun & que
Ton trouve partout ce sont les faux amis et les mauvaises moeurs:
tous les quartiers regordent de cette marchandise. " (F. 30:
„interim mores mali quasi herba inrigua succreuere
üb er r um e.") Selbst seinen Freund muss er heute hernehmen.
,.Je ne veux plus supporter son changement et je veux le lui
reprocher en face." (F. 25: ,.nam ego am i cum ho die meum
concastigabo pro conmerita noxia.") (2.) Geronte (Calli-
cles) kömmt wie gewünscht. Mit Umgehung der plautinischen
Witze über die Frau des Callicles (F. 57 — 66) beginnt Luci-
dor. seinem Freunde Vorwürfe zu machen. „Qu'avez-voiis fait
de ces moeurs antiques que vos peres vous avoient transmises?
. . . Ignorez-vous qu'en adoptant Celles d'aujourd'hui vous scan-
dalisez vos anciens amis et les exposez a se corrompre par votre
exemple" [V. 72 ff.). Ganz nach Plautus, zum Teile sogar
mit den gleichen Worten, hält nun Lucidor Geronte vor, dass
er „avide du gain le plus honteux" geworden sei, ja sogar das
Haus seines ihm enge befreundeten Nachbars Dorimon während
seiner Abwesenheit dem Sohne abgekauft habe. Geronte giebt
dies zu und will eben weiter erzählen, da wird er durch (3.)
Pas quin, den Diener Leandres, unterbrochen. Dieser sucht
seinen Herrn, den er einige Tage nicht mehr gesehen hat, und
der nun zufällig des Weges kömmt. (4.) Leandre umarmt
seinen Diener zur Begrüssung. Geronte hält ihm sein herab-
gekommenes Auftreten vor. Er habe fünfzigtausend Livres
für das Haus bekommen und besitze nun nichts mehr davon.
,.Nous l'avons place ä fonds perdu," meint Pasqxxin. Trotz-
alledem ist aber Leandre der Liebhaber Julies, der Tochter
Gehontes, und sagt ihm kühn, er werde sie heiraten, und der-
jenige, welcher sie vor ihm heiraten würde, was ..avant qu'il soit
vingt-quatre heures" geschehen soll, wird nicht lange sein
Schwieg er&ohn sein.
(5.) Lucidor hat mit Entsetzen der Szene beigewohnt; aber
nicht bloss darum, weil er Leandres Leichtsinn sehen müsste,
sondern auch, weil Geronte ganz offen von dem Hausverkaufe
sprach. .. Vous osez dire cela devant moi. Je ne VOUS recon-
nois plus." Dies zwingt endlich Geronte, sein Geheimnis zu
') Auf S. 135— 2öo des neuuteu Bandes der „Oeuvres dramatiques
de Nericault Destouches, de l'academie francöise. Nouvelle rdition
revue, corrigee ei augmentee de quatre piöces et toui semblable ä l'edition
de l'Imprimerie Koyale, in 4°. 4voll. Paris (Lambert 1758)".
758 XIX. Trinummus.
brechen. Dorimon hatte in seinem Garten bei dem Hanse
einen Schatz vergraben, ..deux cent cinquante livi'es en beaux
lonis d'or bien trebuchans. •' Doch sollte der Sohn nichts hier-
von erfahren. Kanin war der Vater abgereist, so schrieb der
Sohn das Haus zum Verkaufe aus. „Devois-je souffrir que
le tresor du pere de cet etourdi passät dans les mains de l'ac-
quereur?" So sah sich G fronte gezwungen, das Haus zu kaufen,
und rettete hierdurch alles, da Le andre volljährig und berech-
tigt war, nach Willkür mit seinem Muttergute zu schalten.
„Suis-je le cruel vautour qui devore amis et ennemis sans di-
stinetion?" kann Geronte nun fragen, oder, wie Callicles: „En
mea [tibi] malefacta, en meam avaritiam tibi!" (V. 185). (6.)
Voll Bewunderung über diese That flucht Lucidor auf die
Schwätzer und Ehrabschneider. „Fiez-vous maintenant ä ces
discoureurs, ä ces indignes oisifs qui negligent leurs affaires pour
se meler de celles d'autrui, " im ganzen der Gedanke des Originals.
II. Akt. (1.) Julie, die Tochter Gerontes, und H or-
ten se, die Tochter Dorimons und Schwester Leandres, sind
im Gespräche; man erfährt, dass Hortense den Sohn Lucidors,
Clitandre, nicht un gerne sieht. (2.) Clit andre kömmt des
Wegs. Nach einem längeren Gespräche mit den beiden Mädchen
(3.) werden diese von einem laquais zu Tische gerufen. (4.)
Clitandre ist entzückt über Hortense. „Oui, divine Hortense,
vous etes nee pour moi comme je me flatte d'etre ne pour vous, "
ruft er. Er nimmt herzlichen Anteil an ihrem Unglück. Vor
allem gilt es, den Vater für sich zu gewinnen. (5.) Es folgt
nun eine Szene aus Plautus. Lucidor (hier an Stelle Phil-
tos) giebt seinem Sohne gute Lehren. Die Zeit sei schlecht.
Clitandre versichert seinen Vater seiner standhaften Haltung,
Avorüber sich der Alte freut. „Heureux celui qui s'est acquis
l'empire de son coeur." (V. 310: „Tu si animum uicisti potius
quam animus te, 'st quod gaudeas. ") Ein hübscher Zug bei
Destouches ist jener, wo Clitandre das Haus seines Freundes,
vor dem sein Vater ihn warnt, als ein solches bezeichnet, das
einen Schatz in sich birgt:
Clit. Cette maison que vous croyez si dangereuse . . . cette maison
cache im tresor.
Luc. Un tresor? Commeut a-t-il penetre uotre secret?
Sehr hübsch führt er den Vater zu der Bemerkung: „Je ne
croyois pas que les richesses eussent pour vous un si vif attrait, "
was den Sohn sehr passend zu seiner Bitte um die Hand des
vermögenslosen Mädchens hinüberleitet. Von selbst, nicht wie
bei Plautus gebeten, bietet sich der Vater an, um Hortense
zu werben. (6.) Die gelungene Figur des Crispin de la Cris-
Destouches' Tresor cache. 759
piniere, dem alten Lucidor von einem Freunde als Diener
empfohlen und als solcher aufgenommen, sehliesst den Akt.
III. Akt. (1.) Pasquin berichtet Leandre, dass Luci-
dor ihn überall suche. Das plautinische Ergebnis des durchge-
putzten Geldes ( V. 406) wird hier zu einer langen Szene. (2.)
Lucidor naht, um für seinen Sohn zu freien. Ganz, wie bei
Plaut us, will Leandre anfangs nichts davon wissen, dann aber
erklärt er zum Entsetzen Pasquins: „Le seul debris qui nie
reste de ma fortune est une terre que je possede en Norinandie;
je donne cette terre a ma sceur, voilä sa dot. " Pasquin sucht
dies zu hintertreiben, und, wie im Original, schildert er das Gut,
„si dur et si plein de roches qu'il faut six boeuf's pour une seule
charrue" (V. 523) u. s. w. , sodass Lucidor auf das Gut ver-
zichtet. Leandre besteht auf seiner Schenkung. „Si vous
nacceptez pas ma terre, je vous refuse ma sceur. " (3.) Lucidor
staunt über diesen seltsamen Charakter. „Quel melange de
bonnes et de mauvaises qualites!" (4.) Geronte kömmt dazu.
Wie soll man es nun machen, um dem Mädchen von dem Sehatze
eine Aussteuer zu verschaffen, ohne dass Leandre der Sache
auf den Grund kömmt? An Stelle des Auswegs, den (F. 771)
Megaronides ersinnt, setzt Geronte einen andern, in einigen
Punkten verschiedenen. Cr ispin, sein neuerworbener Diener,
soll, als „officier marin" verkleidet, namens des Vaters von
Pondieheri fünfzigtausend Thaler als Aussteuer für die Tochter
überbringen. So soll sie die ihr gebührende Mitgift erhalten,
ohne dass Leandre von dem Schatze erfährt. Lucidor geht,
um Crispin „preparer adroitement ä l'apparition de notre capi-
taine". (5.) Pasquin berichtet Geronte von seinem Herrn. Er
wolle das Gut um jeden Preis abtreten, während er es zu retten
bedacht sei. Er ahnt (6.), dass hinter dem Kapitäne etwas
steckt, „une fable imaginee pour nos vieillards, pour nous tenir
en echec, mon mattre et moi."
IV. Akt. (1.) Leandre und Clitandre im Gespräch treten
auf. Leandre will nichts hören. Vergebens versichert ihm Cli-
tandre: „Je veux ce qui peut vous etre utile et avantageux."
Leand. Et savez-vous mieux que moi ce qui me convient?
Glitand. Est-ce etre sage, mou eher Leandre, que de refuser im bieufait?
Leand. Sache/, qu'un bierifait cesse de l'etre quand il deplait ä celui
que l'on veut obliger.
(V. <j37): Lu. An id est sapere, ut qui beneficium a beneuolente re-
pudies?
Le. Nullum beneficium esse dueo id, quom quoi facias
non placet.
Clitandre fahrt fort, so ziemlich mit den Worten des
Plautus, seinen Gegner zu bestimmen zu suchen. »Vos an-
760 XTX. Tiiuuninius.
erlies ne vous ont-ils acquis taut de g'loire & ne vous l'ont-ils
transmise qu'afin qu'elle perlt en vous" (F. 642).
Itan t andern haue maiores famam tradiderunt tibi tui,
Vt uirtute eorum anteperta per flagitium perderes?
Alle seine weiteren Vorstellungen schliessen sich ziemlich
enge an Plantns an; ihr Endziel ist: „Que vous aecordiez votre
soeur ä que vous gardiez votre terre" (F. 713). Alles ist ver-
geblich, und trefflich charakterisiert (2.) Pasquin den Vorgang:
„Que le Ciel benisse les glorieux; je les aimerai tonte ma vie.
La gloire nous enlevo.it notre terre, & la gloire nous la rend. "
(3.) Leandre folgt Julie, der Tochter Gerontes, die mit
Hortense des Weges kömmt. Gerne würde sie bei ihm stehen
bleiben, aber ihr Vater hat es ihr strenge untersagt. Leandre
verteidigt sich in feuriger Sprache und versickert Julie seiner
Liebe und Treue. Dazu kömmt (4.) Clit andre, und die alte
Geschichte kömmt wieder zur Besprechung, wobei, wie schon
früher, Pasquin seine lateinischen Zitate zum besten giebt. (5.)
Clit andre lädt Leandre zu Tische; auch Pasquin soll folgen
(6.), Avas diesem sehr erwünscht kömmt. Da erblickt er (7.)
Scapin, den Diener Dorimons. Er kömmt, ,.tout droit des In-
des," mit der Post von Pondicheri. Sein Herr hat ihn vorausge-
schickt, ,.pour savoir oü vous etes, ce que vous faites, & en
quelle Situation sont vos affaires & pour lui en rendre compte
dans le moment." Das genügt!
(8). Dorimon erscheint; in wenige Worte fasst er die
lange Rede des plautinischen Charmides (F. 820) zusammen.
(9.) Zu ihm gesellt sich Crispin, „en habit de marinier." Wie
der „sueophanta" bei Plautus, spricht er von dem jungen
Leandre, was Dorimons Aufmerksamkeit erregt. Crispin
giebt sieb als den Kapitän Crac de Rhinoceros aus, wobei
Dorimon zu demselben Schlüsse, wie Charmides, gelangt
(V. 892): „Cet homme est un insigne fripon." Alsbald erfährt er
von ihm: „Dorimon m'a remis cinquante mille eciis que japporte
ä son fils pour marier sa soeur." Bei Plautxis sind es nur
Briefe {V. 885). Von Crispin erhält Dorimon Kunde über
das Treiben seines Sohnes, dass Geronte sein Haus gekauft
habe u. s. w., sodass er, vom Zorne übermannt, sich schliesslich
zu erkennen giebt. Er ist (10.) trostlos über die Treulosigkeit
Gerontes. Dieser (11.) kömint ihm entgegen und begrüsst ihn;
allein Dorimon ist so tief gebeugt, dass er in Obnmacbt sinkt.
— Die Szene mit dem neu Angekommenen hat bei Plau-
1 us Stasimus.
V. Akt. (1.) Geronte und Dorimon haben sich gegen-
seitig ausgesprochen. Dorimon verehrt nun seinen Freund,
Destouches' Tre*sor cache. 761
doch ist er gereizt gegen seinen Sohn. Geronte sucht ihn zu
trösten. Seine Trostgründe sind bezeichnend für das Zeitalter.
„Les jeunes gens aujourdliui sont si depraves qu'ä vingt-cinq
ans la plüpart d'entre eux n'ont plus ni bien ni sante. On
diroit aujourdliui que les honnnes se depeehent de vivre. " Allein
Dorimon will erst den Edelmut seines Sohnes auf eine ernste
Probe stellen. (2.) Pasquin tritt auf. Dorimon ist heftig er-
bittert gegen ihn, da er in ihm den Verführer seines Sohnes er-
blickt. Pasquin aber erwidert ihm kalt: ,.CVst vous qui l'avez
forme; je n'ai contribue tont au plus qu'ä le perfectionner. "
Doch bittet er zuletzt auf den Knien, der Vater möge ihm ver-
zeihen. Geronte aber versetzt: „Dis-lui, que je ne le veux plus
voir er que je ne lui pardonnerai jamais." Pasquin holt Le-
andre. (3.) Geronte staunt über Dorimons Härte: da bringt
(4.) Pasquin seinen jungen Herrn. Vergeblich fleht Le andre
lange um Gnade; langsam nur lässt sich der Vater erbitten: doch
eines verlangt er. Im Garten des verkauften Hauses lag ein
Schatz. Auf diesen soll er zu gunsten seiner Schwester ver-
zichten; gerne willigt Le andre in diese Forderung. (5.) Luci-
dor wird Zeuge der Szene; ebenso (6.) Hortense. Dorimon
giebt ihre Hand Clitandre, doch dieser nimmt sie nicht an, da
seinethalben Leandre enterbt werden soll. Auch Hortense will
dies nicht. ,.Voulez-vous que votre fils s'aille cacher dans im
desert?" fragt Lucidor. Wo soll er sein Heim gründen? „Qui
seroit la personne assez temeraire pour oser s'unir ä lui?" fragt
Dorimon. (7.) Da meldet sich die bisher lauschende Julie
mit einer glühenden Verteidigungsrede für Leandre, und so löst
sich das Stück, da endlich sich Dorimon, der sich lange Zwang
anthal , versöhnen lässt. Leandre kann nicht ohne Moral
schliessen. Seine Überzeugung ist jetzt, ,.que le plus funeste
parti qu'on puisse prendre est de se laisser ä ses passions &
qu'il n'est point de vrai bonheur sans la sagesse et la vertu" —
so ganz im Geschmacke des Destouches.
Trotz Fuhrmanns Urteil,1) der meint, „Destouches hat
den Stoff zu fünf Aufzügen zu langweilig in dem ,Trcsor
cache' ausgedehnt," ist dies Lustspiel ein ganz hübsches Büh-
nenstück. Völlig auf Plautus, ja sogar meist aufs Wort
auf ihm beruhend, nur etwas modernisiert und lokali-
siert, ist es durch Destouches' Zusätze und Beifügungen
an Umfang und Inhalt gewachsen: doch inuss man den
vom Dichter neu erfundenen Szenen alle Anerkennung
zollen.
1) Handb. III. (jO, wo Cecchi auch zu Crocohi geworden ist.
762 XIX. Trinuinmus.
Lessing1) urteilt (über Cecchis und) Destouches' Bear-
beitung": „Sie baben beide grosse Stücke von fünf Aufzügen
daraus gemacht und sind daher genötigt gewesen, den Plan des
Römers mit eigenen Erfindungen zu erweitern .... Das vom
Destouelies führt den Titel: ,Der verborgene Schatz' und ward
ein einzigesmal, im Jahre 1745, auf der italienischen Bühne zu
Paris aufgeführt. Es fand keinen Beifall und ist erst nach dem
Tode des Verfassers, und also verschiedene Jahre später, als der
deutsche , Schatz', im Druck erschienen."
Wie jemand, der Destouches' „Tresor cache" gelesen
hat, oder, vielleicht richtiger gesprochen, die Mostellaria und
den Trinummus des Plautus, das Stück des Destoiiches
eine Nachahmung der Mostellaria nennen kann, ist unbegreif-
lich. Dies thut der Herausgeber der Werke Regnards,2) wenn
er sagt: „Enfin Destouches a eherche aussi a mettre sur notre
scene \e Mostellaria. Sa comedie du ,Tresor cache', hnpri-
mee dans ses oeuvres posthumes est une imitation de la comedie
de Piaute; mais on n'y reconnait point l'auteur du Glorieux
ou du Philosophe marie. Ce sujet si plaisant, et qui four-
nissait taut de situations comiques, est rendue d'uue maniere
froide et languissante: cette piece est l'une des plus mauvaises
de ce poete qui, d'ailleurs, tient un rang distingue sur la scene
francaise. "
Unbegreiflich! Freilich, der sprudelnde Scherz der Mostel-
laria und das Ernste, Moralische des Trinummus sind himmel-
weit auseinander, und wer die „situations comiques" der Geister-
komödie in dem Familienstücke des Trinummus sucht, kann zu
keinem andern Urteil gelangen, ganz besonders, wenn er den
Nachweis liefern will, dass Regnard als Nachahmer der Mo-
st eil aria über seinem Rivalen Destouches steht, und schliesst:
„Teiles sont les principales pieces imitees du Mostellaria; et ce
que nous avons dit suffit pour faire juger de la superiorite de
celle de Regnard. "
Dass Destouches nochmal zum Trinummus in seinem
Lustspiel „Le Dissipateur" (S. 486 ff.) gegriffen habe,3) ist
schwerlich aus diesem Stücke nachzuweisen.
Das fünfaktige Lustspiel in Versen, „Le Tresor" von An-
drieux4) (zum erstenmale am 28. Januar 1804 am Theätre
Louvois gespielt), hat mit dem Trinummus nichts gemeinsam.
Hier handelt es sich um ein Mädchen, Cecile de Mery, dem sein
') Hamb. Drain. Neuntes Stück (a. E.).
- Oeuvres completes de Regnard. Paris (Delahays 1854), S. 594.
3) Sommer (Les comedies de Piaute etc.), 11,408. On rapprochera
avec interet des Trois Deniers le Dissipateur de Destouches.
J) Paris (chez Madame Masson) An XII. (1804.)
Lessmgs Schatz. 763
Vater ein grosses Vermögen hinterliess mit der Bestimmung, dass
das Kind arm erzogen werde:
que vous elevant avec sfmplicite
On eloignät de vous la folle vanite.
Über Ant. le Brets „Epreuve indiscrette", Comedie
en vers (1764), bemerkt Fuhrmann,1) dass dort „einige Szenen
aus Plautus' , Dreier' nachgeahmt" seien.
Aus dem Jahre 17502) stammt G. E. Lessings Komödie
„Der Schatz",3) „in welcher der Verfasser alle die komischen
Szenen seines Originals in einen Aufzug zu konzentrieren gesucht
hat."4) Lessing hat aus diesem Stücke, wie Plautus, die
weiblichen Rollen ferne gehalten. „Es sind keine Frauenzimmer
in diesem Stücke; das einzige, welches noch anzubringen ge-
wesen wäre, würde eine frostige Liebhaberin sein; und freilich
lieber keines, als so eines. Sonst möchte ich es niemanden
raten, sich dieser Besonderheit zu befleissigen. Wir sind zu schl-
au die Untermengung beider Geschlechter gewöhnt, als dass wir
bei gänzlicher Vermissung des reizendem nicht etwas Leeres em-
pfinden sollten. " 5)
(1.) Leander (= Lusiteles) gesteht seinem Vormund Sta-
leno (= Megaronides), dass er verliebt sei. Von der Schil-
derung der Reize seiner Braut will der Vormund nicht viel hören.
Seine stehende Frage: „Was bringt sie mit?" muss endlich nach
langem Ausweichen Leander dahin beantworten: „Wenig — ■ — ■
Sie wissen ja selbst, was man wenig nennt . . . Das Wenige,
Herr Staleno, ist — ist gar nichts." Die Geliebte ist Kamilla,
deren Vater, Anseimus, neun Jahre bereits abwesend ist. „Schon
seit vier Jahren hat man nicht die geringste Nachricht von ihm.
Wer weiss, wo er modert, der gute Anseimus! Es ist für ihn
') A. a. 0. in, 60.
2) Doch wurde er erst 1755 im 5. Teile der Lessiugschen Schrif-
ten gedruckt.
3) Auf S. 130 — 207 der „Lustspiele von G. E. Lessing. Zweyter
Theil. Reuttlingen (bey Joh. Geo. Fleischhauer), 1775."
4) Hamburg. Dramat. Neuutes Stück.
5) Ebenda. — Vgl. E. Sierke, Lessing als angehender Dramatiker.
1869, S. 10 — 55. Ferner findet sich „Der Schatz" Lessings mit dem
Triuummus verglichen in den Scnulprogrammen dea Gymnasiums zu
Hohenstein in Preussen von Gervais 1S51, 1858, 1864: in zwei Pro-
grammen der Realschule Siegen von Hölscher 1842, 1843; flüchtig
auch in A. Wolfroms Programmen des Domgymnasiums zu Magde-
burg 1860, 1866.
764 XIX. Triuummus.
auch eben so gut. Denn wenn er wieder kommen sollte, und
sollte seilen, wie es mit seiner Familie stünde, so müsste er sich
(Imli zu Tode grämen." Er war Stalenos Herzensfreud. Allein
sein Sohn Lelio (Lesbonicus) hat alles vergeudet, und Philto
(Callicles), dem Anseimus die Aufsieht über seine Kinder anver-
traute, ist »in alter Betrüger. „Ich wollte," sagt Staleno, „eben
zum alten Philto gehen, der sonst mein guter Freund ist, und
ihm den Text wegen seines Betragens gegen den Lelio lesen.
Nun hat er dem lüderliehen Burschen auch sogar das Haus ab-
gekauft, das Letzte, was die Leutchen noch hatten. Das ist zu
toll! das ist unverantwortlich." Leander geht. Staleno (2.)
schickt sieh an, zu Philto zu gehen, auf den er Schlösser ge-
baut hätte (3.): da kömmt Philto selbst. Er erhält schwere
Vorwürfe wegen des Hauskaufes, und erzählt dann das Geheim-
nis des Schatzes, und weshalb er das Haus kaufte. Staleno
flucht den Verleumdern. „Dass die Leute, die allen Plunder
wissen wollen, und sich mit Nachrichten schleppen, wovon doch
weder Kopf noch Schwanz wahr ist, bey dem Henker wären!" Auf
sechstausend Thaler belauft sich Kamillas Aussteuer. Staleno
wirbt nun für seinen Mündel um ihre Hand, Avas Philto freudig
annimmt. Aber ein anderes Bedenken ist die Geldfrage. Philto
rechnet so: „Das Geld ist verborgen; wenn ich es hervorbringe,'
wo soll ich sagen, dass ich es her bekommen habe? Soll ich die
Wahrheit sagen: so wird Lelio Lunte riechen, und sich nicht aus-
reden lassen, dass da, wo sechstausend Thaler gelegen, nicht
noch mehr liegen könnten. Soll ich sagen, dass ich das Geld
von dem Meinigen gebe? Das will ich auch nicht gern. Die
Leute würden doch nur neuen Anlass, mich zu verleumden, daraus
nehmen. Philto, sprächen sie vielleicht, würde so freygebig
nicht seyn, wenn ihm nicht sein Gewissen sagte, dass er die
armen Kinder um gar zu vieles betrogen habe." Da gerät nach
längerem Besinnen Staleno auf den Gedanken: ..Wie wenn wir,
für ein gutes Trinkgeld, einen Kerl auf die Seite kriegten, der
frech genug wäre, und Mundwerk genug hätte, zehn Lügen in
Einem Athem zu sagen. Der müsste verkleidet mit zwei Briefen
von An sehn us kommen, und der Kerl müsste thun, als ob er
das Geld zur Ausstattung mitbrächte. " Philto ärgert sich, dass
er in seinen ,. alten Tagen noch solche Kniffe brauchen muss, und
zwar des lüderliehen Lelios wegen-: aber es geht nicht anders.
!.) Lelio mit seinem Diener Maskarill (Stasimus) tritt
auf, der ihn um zehn Thaler betrügen will und dabei aufkömmt.
Wir erfahren von Lelios iingeordnetem Leben, da teilt ihm
Philto mit, dass Staleno um seine Schwester Kamilla ange-
halten habe; da er aber erfuhr, dass Lelio alles verthan habe,
„nahm er seine Anwerbung wieder zurück." Das veranlasst
Lessmgs Schatz. 765
Lelio zu ernstem Nachdenken. Sobald Philto weg ist (5.), be-
rät er mit Maskarill, wie die Sache sich regeln liesse. Mas-
karill hat aber nur Witzworte zur Erwiderung. (6.) Eben recht
kömmt Staleno. Lelio begrüsst ihn und macht ihm ein Aner-
bieten. ., Vielleicht ist es Ihnen nicht unbekannt, dass mir eine
alte Pathe ein so ziemlich beträchtliches Vorwerk in ihrem
Testamente hinterliess. " Dies soll die Schwester als Aussteuer
erhalten. Vergeblich sucht Maskarill, seinen Herrn von dieser
Idee abzubringen, und macht sich, da Lelio fort ist, um „ein
aufrichtiges Verzeichnis von allen Schulden", die er darauf hat,
für Staleno zu holen, an diesen, um ihn (7.) zu warnen. Alles
ist verschuldet. „Der Boden, worauf das Vorwerk liegt, muss
gleich die Gegend seyn, in welcher aller Fluch, der jemals über
die Erde ausgesprochen worden, zusammengeflossen ist . . . Wenn
rund herum die Nachbarn die reichste Erndte haben, so bringen
die Äcker, die zu dem Vorwerke gehören, doch kaum die Aus-
saat wieder. Alle Jahre macht das Viehsterben die Ställe leer
... Es hat kein Knecht ein halb Jahr da ausgehalten, und
wenn er auch eine eiserne Gesundheit gehabt hätte . . . ." Ja
sogar nicht ganz geheuer ist es dort. (8.) Da Maskarill allein
ist, bedauert er zwar seinen Herrn. „Er ist immer eine gute
Haut gewesen." Allein ihm kann es nicht fehlen. „Meine Schäf-
chen sind im Treugen."
(9.) Anselmo ist angekommen. Maskarill erblickt ihn
mit Staunen. Anselmo will zu seinen Kindern; da hört er, dass
sie im väterlichen Hause nicht mehr wohnen. „Sein väterliches
Haus war ihm zu gross — — zu klein; zu leer — zu enge."
Leander ist ein grosser Handelsmann geworden. „Er lebt, schon
seit mehr als einem Jahre, von nichts, als vom Verkaufen." Noch
immer will Maskarill nicht glauben, dass er Anselmo vor
sich habe. „Ja! so zweifle, du verzweifelter Zweifler!" ruft ihm
Anselmo zu. Während (10.) Anselmo seinen Erwerb über-
zählt (11.), tritt der Trommelschläger Raps „in einer fremden
und seltsamen Kleidung" auf. „Diese Figur," meint Anselmo,
„muss in das Geschlecht der Pütze gehören. Der Hut reicht
auf allen Seiten eine halbe Elle über den Körper." Raps fragt
Anselmo um einen gewissen Lelio und erzählt im Weiteren, '
wie er Briefe von Lelios Vater, seinem guten Freunde, habe.
Er berichtet von seinen Reisen, wie der Pax des Plautus;
endlich wird es Anselmo zu viel; er wird ungeduldig und er-
klärt sieh als Anselmo. „So geschwind Sie sich anselmisirt ha-
ben, so geschwind werden Sie sich auch wieder entamselmisiren
müssen,"1) meint Raps, der sich bald grob entfernt. Anselmo
■) Siehe dies Wortspiel, S. 228.
766 XIX. Trinummus.
ruft einen Träger (12), um seinen Koffer zu Kaufmann Lelio
zu bringen. Einen solchen kennt der Träger nicht: endlich aber
besinnt er sich. „Sie meynen den lüderlichen Lelio . . . Sein
Vater war der alte Anselmo. Das war ein garstiger, geiziger
Mann, der nie genug kriegen konnte ..." u. s. w. Auf diese
Weise erfährt Anselmo alles Nötige, besonders von Phil tos
Vormundschaft. Da kömmt (13.) Philto. „Ich muss doch sehen,
wer hier das Herze hat, sich für den Anselmo auszugeben?"
Da erkennt er seinen alten Freund; dieser aber lässt ihn sofort
hart an. Rasch beschwichtigt ihn Philto und führt ihn ins Haus.
(14.) Maskarill und Lelio, der seine bisherige Nieht>-
würdigkeit lebhaft empfindet, treten auf. Wer soll, wer kann
Vorsprecher für ihn sein? Nach langem peinlichem Bedenken
sagt Maskarill: „Kurz, Ihr Vater soll Ihr Vorsprecher bei dem
Herrn Anselmo seyn." „„Was heisst das?"" „Das heisst, dass
ich einen Einfall habe, den ich Ihnen hier nicht sagen kann. "
(15.) Philto und Anselmo haben sich geeinigt; zu ihnen
tritt (16.) Staleno. Anselmo bedauert, seine Tochter Leander
nicht geben zu können, da er sie dem Sohne eines guten Freun-
des, „der vor kurzem in Engeland verstorben ist," noch auf dem
Todbette versprochen habe. Glücklicherweise stellt sich heraus,
dass Leander eben dieser Sohn Pandolfos ist, dem das Ver-
sprechen galt. (17.) Maskarill übernimmt nun die Versöhnung
zwischen Vater und Sohn. Jammernd stürzt er herein. Ach!
welch tragische Begebenheit! Lelio nahm den Degen und —
„Und?" „„Und steckte ihn an. Komm, rief er, Maskarill! mein
Vater wird auf mich zürnen, und sein Zorn ist mir unerträglich.
Ich will nicht länger leben, ohne ihn zu versöhnen. Er stürzte
die Treppe herab, lief sporrenstreichs zum Hause hinaus, und
warf sich nicht weit von hier — (indem Maskarill dieses sagt,
und Anselmo gegen ihn gekehrt ist, fällt ihm Lelio auf der
andern Seite zu Füssen) — — zu den Füssen seines Vaters — " "
Anselmo verzeiht seinem Sohne, droht aber Maskarill, ihn
zum Henker zu jagen. „Das ist unbillig! — — " schliesst Mas-
karill. „Doch jagen Sie mich oder behalten Sie mich; es soll
mir gleichviel seyn. Nur zahlen Sie mir vorher die Summe aus,
die ich Ihnen schon sieben Jahr geliehen habe, und aus Grossmuth
noch zehn Jahre leihen wollte."
In dieser Weise hat Lessing, allerdings unter dem Ein-
flüsse Molieres,1) den plautinischen Trinummus verarbeitet.
E. Sierke (S. 55) gelangt zu dem Schlüsse: „Auch wir
schliessen uns dem oft verlautbarten Urteile über den „Schatz"
■) Vgl. Danzel I, 150 ff'.; Archiv von Schnorr C. X, 1. —Vgl.
ferner S. 99.
XX. Truculentus. 767
an, welches denselben als eine von den besten Jugendarbeiten
Lessings bezeichnet, und sind der Überzeugung, dass die Wirk-
samkeit dieses Lustspiels in eiuer zeitgemässen und würdigen Um-
gestaltung, bei der namentlich die Einwebung weihlicher Charaktere
von ganz besonderer "Wichtigkeit sein würde, auch auf unserer heu-
tigen Bühne ausser Frage stehen dürfte."
Nichts mit dem Trinummus gemeinsam hat C. W. Con-
tessas Lustspiel „Der Schatz".1)
Deutsche Übertragungen des Trinummus finden sich im
zweiten Teile von Job. Eust. Goldhagens gr. u. röm. An-
thologie, Brandenb. 1767;-) von Leo Lipsius, Schmalkalden
1768;3) von Frd. Reinh. Ricklefs als drittes Stück („Der
Dreyer") des dritten Bandes von Fried. Aug. Wiedeburgs
humanistischem Magazin, Heimst. 1789: von Sigmund Adam
Gock, Tübingen 1801; dann auch von neueren, wie Geppert,
1844: F. Osthelder, Speier 1852: W. Wagner, Frkf. 1861:
Emil Koch, ..Der Dreigroschentag", in der Universalbibliothek
von Reclam, No. 1307.
XX. Truculentus.4)
Den Truculentus des Plautus, so genannt nach V. '25.")
ff., wo der derbe Bauer Stratullax auftritt, bezeichnet Teuf fei5)
als ein Stück „voll guter, aber wilder Laune, zum Teil etwas
redselig11. Es hat verschiedene Beurteilungen erfahren. Rapp°)
sagt: „Mein französischer Übersetzer hielt es für der plautinischen
Sammlung so ganz unwürdig, dass er auf die merkwürdige Kon-
jektur gerät, Plautus, nachdem er an zwanzig griechische Stücke
nachgeahmt, habe doch auch einmal seine eigene Erfindungskraft
auf die Probe stellen wollen; selbiges sei ihm denn so übel geraten,
wie figura zeige." Wir wissen aber aus Ciceros Worten (S. 690),
dass der Dichter selbst sich dieses Stückes freute, es also nicht zu
den misslungenen zählte.
Richtig ist, dass Mir es hier mit keinem durchgefeilten Lust-
spiele zu thun haben. Die Hauptrolle hat die Buhlorin, sie tritt
') Enthalten auf S. 55—145 des Almanach für Privatbühnen. II.
Bändchen. (1818. Lpz.)
2) Gödeke Grd., II, 1049.
3) Gödeke a. a. 0. — Sulzer. III, 705v\
4) Ausgaben von Göller (Köln 1824); F. H. Bot he (Lpz. 1840);
Geppert (Berl. 18G3); A. Spengel und W. Studemund (Gott, 1868).
Hier ist zitiert nach Geppert. — A. Spengel, Lectiones Plautinae
(München 186G).
») G. d. r. L., S. 152.
6) Die Pl. L.. S. 1019.
768 XX. Truoulentus.
allzu scharf und abgesondert hervor; sie „erscheint hier in ihrer
Vollendung- gleichsam als erschöpfendes Paradigma",1) oder wie
Lessing2) sagt: ..Den Inhalt machen die verschiedenen Kunstgriffe
aus, die eine Buhlerin anwendet, drei unterschiedene Liehhaher auf
ihrer Seite zu gleicher Zeit zu behalten."
Ein kurzer Prolog3) leitet das Stück ein.
Diniarchus, der treue Liebhaber Phronesiums, setzt ge-
wissermassen den Prolog fort. Phronesiums Magd, Astaphium,
tritt aus dem Hause und bespricht sich mit Diniarchus. Nach
Art der Kupplerinnen vergleicht sie den Unbemittelten mit einem
Toten (7. 166):
Dum uiuit, hominem noueris: ubi mortuost, quiescas.
Te, dum uiuebas, uoueram.
Bei Dirnen ist anders nichts zu haben. Dennoch macht sie
Diniarchus glauben, ihn liebe Phronesium am meisten (V.
188: „Te unum ex omnibus amat"). Indessen sei Phronesium
eben entbunden worden. Der Vater des Kindes sei ein baby-
lonischer Soldat, der jeden Augenblick erwartet wird. Dini-
archus geht ins Haus ab.
Astaphium erzählt mm, wie Diniarchus Geld und Gut bei
Phronesium verloren habe (V. 215):
Huic homini amanti mea era naeniam apud nos dixit de bonis,
Nam fundum et aedes obligatae sunt ob amoris prandium.
Bei Buhlerinnen ist es eben nicht anders; sie gleichen Dorn-
büschen (V. 228):
meretricem sentis similem esse addecet,
Quemquem hominem attigerit, profecto ei aut malum aut damnum dari.
Im zweiten Akte — einige rechnen zu demselben bereits
Astaphiums Selbstgespräch — treten Astaphium und Stra-
tullax zusammen, der Trucvtlentus, der dem Stücke den Na-
men gegeben hat. Stratullax tritt der Dirne in derbster
Weise entgegen. Sie und ihre Herrin führen seinen jungen
Herrn Strabax auf Irrwege; er wolle solches nicht länger mehr
dulden. Diniarchus kehrt zurück; das Warten auf Phrone-
sium wird ihm zu lange. Bald kömmt indes Phronesium und
») Kapp, A. a. 0., S. 1015.
2) Beiträge, S. 51.
3) Teuf fei, Studien S. 279. „So kurz der Prolog zum Truoulen-
tus ist, so reich ist er an faden Witzen; dass er von Plautus selbst
nicht herrührt, scheint hervorzugehen, nicht nur aus der 'Art, wie V. 1
Plautus' Name genannt ist, sondern auch aus V. 13, vgl. mit 20, dem
Gegensatze, in welchen der Redende seine Zeit stellt zu der im Stücke
selbst geschilderten, welche Plautus stillschweigend und durch
mancherlei Anspielungen mit seiner eigenen zu identifizieren pflegt."
Charakteristik desselben. 769
erzählt ihm, sie sei nie schwanger gewesen und habe nie ge-
boren (7. 388):
Equidem neque peperi puerum neque praegnans fui.
Sie habe nur im vorigen Jahre mit einem babylonischen
Soldaten gelebt, und dieser müsse nun für Alimentation eines
vorgeblich von ihm stammenden Kindes aufkommen. Dieses
Kind habe ihr die Badersfrau Sura vermittelt. Diniarchus, der
sie schon mit den Worten begrüsste, :
Ver uide!
Vt tota floret! ut ölet! nt nitide nitet!1)
(F 352), ist nun ganz begeistert. Das ist keine Dirne, sondern
eine gleichgesinnte Seele (F 433):
Pro di inmortales! non amantis mulieris
Sed unanimantis sociae, fidentis fuit
Officium facere, quod modo haec fecit mihi.
Er geht, um Geschenke für sie zu kaufen.
Phronesium wird im Hause sichtbar; sie legt sich als
Wöchnerin mit dem Kinde zu Bette. Der babylonische Soldat,
Stratophanes, tritt auf; er lässt sich von der Geburt berichten
und bringt Phronesium seine Geschenke, zwei Sklavinnen, Pur-
purkleider u. a. Phronesium ist damit durchaus nicht zufrieden.
Stratophanes verlässt sie; da sieht er Geta, den Sklaven des
Diniarchus, „qui ducit pompam tantam" (F. 545), der eben mit
Geschenken beladen heranzieht. Er beobachtet, wie Phronesium
alle Gaben freudig aufnimmt; endlich wird es ihm doch zu bunt;
er eilt hinein. Geta ergreift den Rückzug, Phronesium geht
ab, und Stratophanes bleibt unentschlossen stehen.
Im dritten Akte tritt Phronesiums dritter Liebhaber,
Strabax, auf. Er hat an Stelle seines Vaters zwanzig Minen
für Tarentiner Schafe eingenommen (F. 636):
Postquam illuc ueni, eccum aduenit (sie dis placet)
Ad uillam argentum meo qui debebat patri,
Qui ouis Tarentinas erat mercatus de patre,
und hofft nun, bei seiner Geliebten alle andern städtischen Be-
Averber auszustechen (F 647):
Nunc ego istos mundos urbanos amasios
Hoc ictu exponam atque omnes eiciam foras.
') Sainte-Beuve (Causeries du lundi, IV, 30) erinnert sich dieser
Stelle, wenn Figaro (la l'olle journee, ou le mariage de Figaro, Comedie
en cinq actes, en prose par M. de Beaumarchais, Paris [Ruault] 1785)
von seiner Susanne sagt (I, 2, S. 8): „La charmante fille! toujours riante,
verdissante, pleine de gaiete, d'esprit, d'amouf et de delices!" Doch
ist die Ähnlichkeit beider Stelleu gewiss nur eine zufällige.
49
770 xx- Truculentus.
(irlir ihm ja doch P hro ncsixun über Vater und Mutter (F. 651):
quam mage amo quam matrem meam.
Stratullax vermutet, dass sein junger Herr in dieses Haus
des Verderbens gegangen sei. „Coulapsus est hie in eorruptelam
suam" ( F. 659). Er thut Astaphium schön und wird von ihr
gleichfalls eingelassen (F 685):
in tabernam dueor deuorsoriam.
Vlti melle aeeipiar mea mihi peeunia.
Im vierten Akte tritt Diniarchus auf, freudig, dass seine
Geschenke gut aufgenommen wurden. Astaphium berichtet ihm,
dass eben Strabax drinnen sei; „nunc is nobis fundus est" (F. 716);
deshalb darf Diniarchus jetzt nicht eintreten. Heftig erzürnt
ruft Diniarchus alles Unheil über Phronesium, da sieht er
Callicles nahen, mit dessen Tochter er verlobt ist. Callicles
führt zwei Mägde herbei, die nun unter Schlägen gestehen, dass
sie das Kind seiner Tochter nahmen und es Phronesium aus-
händigten. Im Hintergründe belauscht Diniarchus den Vorgang,
und da Callicles zornig weiter forscht, wer seine Tochter um
ihre Ehre gebracht habe, tritt Diniarchus vor und gesteht seine
Schuld (F. 814):
Assum. Callicles. Per tua opsecro
Genua, ut tu istuc insipienter factum sapienter feras
Mihique ignoscas, quod auimi inpos uini uitio fecerim.
Erbost über diesen Streich, entzieht der Alte seiner Tochter
sechs schwere Talente (F. 832):
Nunc habeas, ut nactu's, uerum hoc ego te multabo bolo:
Sex talenta magna dotis demam pro ista inscitia,
von der versprochenen Mitgift.
Phronesium tritt auf. Sie weiss, dass das Kind von Di-
niarchus ist, und erbittet es sich nur auf drei Tage, was dieser
zugesteht, da es ja gilt, den Soldaten zu prellen (F. 874):
Propter hunc spes etiam est, hoclie detonsum iri militem,
Quem ego ecastor mage amo quam me, dum id, quod cupio, inde aufero.
Quia cum multum apstulimus, haud apparet multum, quod datum est.
Ita sunt gloriac meretricum.
Im fünften Akte erscheint der Soldat Stratophanes; ihn
ruft die Liebe ( F. 881). ,,Hocine amare est!" Phronesium nimmt
ihm möglichst viel ab und lässt es in ihr Haus tragen, aus wel-
chem eben Strabax betrunken tritt. Da Phronesium ihn um-
armt, fahrt Stratophanes auf und gerät mit Strabax in Streit.
Stultus atque insanus damnis certant: nos saluae sumus!
ruft Phronesium (F. 937). Jeder bezahlt Phronesium; sie
Charakteristik desselben. 771
nimmt es von beiden an, lädt beide ein und verstellt sieb darauf,
beiden zu willfahren (F 948):
Tu dedisti: hie iam daturust: istuc habeo, hoc expeto.
Verum utrique mos geratur amborum ex seutentia.
Damit endet das Stück, das, wie der Dichter sagt, unter
dem Schutze der Venus steht (F 955 „Veneris caussa adplau-
dite: eius haec in tutela est fabula,") und von Dirnen handelt,
deren es heutzutage mehr als Fliegen an einem heissen Sommer-
tag giebt (F. 66):
Nam nunc lenonum et scortorum plus est fere.
Quam olim muscarum est, cum caletur maxume.
Einzig um diese Dirne dreht sich das Stück; „die
schlaue Buhlerin macht den Mittelpunkt. '; *) Schon der Prolog
schildert sie (V. 13):
Haec huius seeli mores in se possidet;
Numquam ab amatore postulauit, quod datum est,
Sed relicuom dat operam ne sit relicuom
Poscendo atque auferendo, ut mos est mulierum.
Nam orunis id faciunt, cum se amari intellegunt.
Sie ist eine Kupplerin, wie Astaphium sie zeichnet (V. 226):
Bonis esse oportet dentibus lenam probam: adridere.
Quisquis ueniat, blande alloqui, male corde consultare,
Bene lingua loqui
u. s. w. Ihrer Geldgier ist nichts genug. „Nilne huic sat est?"
klagt Stratophanes (F. 538). ,,Ne unum uerbum mihi quidem
nunc dixit." Aus allem zieht sie geschickt Vorteil, und trefflich
weiss sie ihre Schönheit (,,Ver uide! ut tota floret! ut ölet! ut
uitide nitet" F. 353) auszunützen.
Ihre Anschauungen teilt Astaphium, ja sie trägt dieselben
in viel derberer Form vor. Des Dinia rebus Versprechen lockt
sie sofort: wer ohne Geld ist, ist tot. Sie trägt falsche Zöpfe.
Iam hercle ego stos fictos, conpositos, crispos ciueinnos tuos
Unguentatos usque ex cerebro euellam
droht ihr (F. 286) Stratullax. Sie ist rot und weiss geschmückt:
Buccas rubrica, creta omne corpus intinxti tibi (V. 293).
— bueculas tarn belle purpurissatas habes ( V. 289).
Mit dem Gelde gehen beide schlecht um. Leicht, wie sie
-es verdienen, werfen sie es weg.
») Kapp a. a. 0., S. 1017.
49'
772 xx- Truculentus.
Meretricem ego item esse reor, niare ut est: quod des deuorat nee abundat
urteilt (7. 564) Geta, der bei dieser Wirtschaft selbst zum
Diebe wird:
Cum haec uideo fieri, sufiüror: de praeda praedam capio
(7.563). „Stabulum ilag-iti" nennt Greta (7.581) Phronesium.
Dinia rebus bat die Liebe zum Verschwender gemacht. Er
schätzt sieh glücklich, wenn die Buhlerin überhaupt von ihm
Gaben annimmt (7 425):
Lucrum hercle uideor facere mi, uoluptas mea,
Vbi quippiam me poscis.
Stratullax, von dem das Stück den Namen hat, ist ein
vollendeter Grobian („violentust" 7 316). Er sieht aus, als ob er
mit Senf genährt worden wäre (7. 314):
Si ecastor bic bomo sinapi uictitet, non censeam
Tarn esse tristem posse.
Er ist ein derber Bauer. („Nimis quidem hie truculentust,"
7 264; ,,Rus merum hoc quidem est," 7 268.)
Der übliche Miles ist hier der geprellte Stratophanes,
der babylonische Soldat (7. 86, 204, 391), in herkömmlicher
Weise „gloriosus". Astaphium berichtet ihm von dem neu-
gebornen Knäblein, dass es nach der Geburt Schwert und Schild
verlangte. „Mens est, scio iam de argumentis" (F. 503), erwidert
Stratophanes. ,,Iam magnust? iam leto dat legionein, quam
spoliare uolt?" (7 504) u. s. w.
Zwar verspricht er, nicht zu bramarbasieren (7. 478):
Ne expectetis, speetatores, meas pugnas dum praedicem:
Manibus duella praedicare soleo, baut in sermonibus.
Scio ego multos memoravisse milites mendacium,
u. s. w. Doch aber nennt er sich Mars (F. 511):
Mars peregre adueniens salutat Nerienem uxorem suam,
und bringt als Sklavinnen einstige Königinnen, die er sich er-
kämpfte (7. 527):
Ecce hae reginae domi
Suae fuerunt ambae, uerum patriam ego excidi manu.
In Deutschland hat B. Lenz den Truculentus des Plau-
tus erst übersetzt, dann modernisiert und in sein Lustspiel „Die
Buhlschwester" umgewandelt. Hierüber berichtet Weinhold:1)
'j Dramat. Xachlass, S. 29.
R. Lenz, Die Buklsckwester.
773
„Die . . . Lenzische Übersetzung- des Truculentus war die
Grundlage für die Nachbildung: „Die Buhl Schwester." Dabei
verlegte Lenz die Komödie von Athen nach Königsberg. Die
verschlagene Hetäre Phronesium ward in ein gewisses Julchen
verkleidet, ihr Mädchen Astaphium heisst nun Rahel. Die drei
im Netze zappelnden Buhler sind der Kaufmann Fischer-Diniarchus,
der prahlerische und am meisten betrogene Stratophanes ist zum
Hauptmann von Schlachtwitz gemacht und der tölpische Strabax
zum Landjunker von Bauchendorf. Stratullax heisst nun Adam,
Callicles Bürger Reibenstein, Geta Hausknecht Hans. Den Schluss
hat Lenz mit wenig Strichen in der Buhlschwester wirksamer
gemacht, indem das saubere Julchen, nachdem sie die beiden
Junker peinlich ausgebeutelt hat, eilig Königsberg verlässt. Der
Verdeutschung des Truculentus hat Lenz ein Nachwort, dem gross-
prahlerischen Offizier ein Vorwort vorangestellt, um den Zuhörern
in der Salzmannsehen Gesellschaft den alten Plautus im neuen
Kleide zu empfehlen.1'
Ein Vergleich der ersten Szene des Lenzschen Truculentus mit
seiner Buhlschwester zeigt, wie er bei seiner Umarbeitung verführ.
Der Trukulentus, *)
ein Lustspiel d. Plautus verdeutscht.
Die Buhlschwester.2)
(S. 77.) Erster Akt.
Erste Scene.
Dinarchus.
Eine ganze Lebenszeit reicht nicht
zu, einen Liebhaber zu lehren, auf
wie viele und manniekfaltige Weise
man ihn zu Grunde richtet. Wie
viel Schmeicheleyen werden ange-
wandt — wie viel Gezanke ! gütige
Götter! Ein Wink mit den Äugen
— Das ist die Lockspeise am Angel.
Man trägt sich einige drey Nächte,
unterdessen erkundigt sie sich heim-
lich nach unsern Umständen u. nach
unserer Gemüthsart, ob wir haus-
hälterisch oder grossthuerisch seyD,
das heisst denn den Angel auswer-
fen, denn in der That ist die Liebe
der Frauenzimmer heut zu Tage die-
selbe, die ein hungriger Fischer zu
den allerliebsten Forellen und Kar-
pen im Wasser fühlt.
Unterdessen beisst der Liebhaber
an . und wenn er sich den Stachel
recht gierig in Brust und Herz ge-
(S. 125.) Erster Akt.
Erste Scene.
Fischer.
Methusalems Alter reichte nicht
zu, einen Liebhaber klug zumachen.
Mag er noch so oft anlaufen, noch
so oft sich vornehmen, jetzt ver-
nünftiger zu handeln — es ist alles
umsonst, ein Blick, ein Athem sei-
ner Schönen wirft den ganzen ba-
bylonischen Thurm seiner guten
Vorsätze über'n Haufen. Julchen
hat mich um mein ganzes Vermö-
gen gebracht, ich reise nach Dan-
zig, ich gewinne im Spiel, ich stecke
das (xeld in meinen Handel, ich
komme mit dem Vorsatz zurück, sie
jetzt nicht eher wieder zu sehen, als
bis ich wieder mich zu meinem vo-
rigen Wohlstand emporgeschwun-
gen habe ja, und was kann
ich dafür, dass mich jetzt eine un-
bekannte Macht bis unter ihr Fen-
ster hinzieht, was kann ich dafür,
dass ich jetzt die Hand ausstrecken
>) Bei Weinhold a. a. 0., S. 77— Km;.
2) Ausg. von Tieck (1828), S. 123—165.
774 -££« Truculentus.
drückt hat, so muss er, sein Beutel l muss, ich mag wollen oder nicht,
und sein guter Name eines elendig- > um an ihrer Schelle zu ziehn (klin-
lichen Todes sterben. So ist die
Hausshaltung in unsern artigen
Häusern.
U. s. w.
gelt), niemand kommt; sie wird
doch noch hier wohnen — oder
ist's wahr, was mir mein Barbier
erzählte, dass sie in Wochen liegt
— es kann nicht möglich sein, es
sind ja noch nicht zwei Monat, dass
ich von Königsberg reiste, und ich
habe doch nichts gemerkt — o
Julchen! Wer könnt' auch eine
solche Nachricht von dir glauben,
ohne drüber den Verstand zu ver-
lieren — es kommt niemand — als
ob die Pest im Hause wäre — (klin-
gelt abermals).
U. s. w.
Die Neubearbeitung' ist eine ziemlich starke Zu-
sammenziehung des plautinisehen Textes. Die Handlung-
der Buhlschwester ist wie folgt:
I. Akt. (1.) Fischer, ein junger Kaufmann, ist in Julchen
verliebt. Er hatte ihr bereits sein ganzes Vermögen geopfert, als
er das Verlorene im Spiele wieder gewann und sofort seiner Ge-
liebten nachreiste. Er klingelt an Julchens Hause, (2.) ihr
Mädchen Rahel öffnet ihm. Man hat Fischer längst tot ge-
glaubt, jetzt will man wenig mehr von ihm wissen, weil man ihn
für arm hält. Sobald jedoch Rahel gehört hat, dass er noch
ein Schiff erwarte, wird sie teilnehmender und lässt ihn ein.
(3.) Von Rahel hören wir einiges über Fischers früheres Leben.
„Es ging ihm und uns, wie mit einem Rade, sowie er hinunter
kam, so kamen wir empor." Rahel hat es auf den Landjunker
von Bauchendorf abgesehen, nur sein Bedienter Adam ist ihr
hinderlich. Dieser erweist sich in der nächsten (4.) Szene als
einen bärbeissigen Diener, der wohl ahnt, dass man es auf
seinen Herrn abgesehen habe, um ihm sein Geld abzulisten.
(5.) Fischer hat Julchen noch nicht treffen können, alsbald
aber (6.) eilt sie ihm mit offenen Armen entgegen. Er findet sie
hübscher, als vor zwei Monaten — bis auf die Taille, und Julchen
erzählt ihm dann, sie habe „einen jungen Sohn bekommen".
Rittmeister Schlachtwitz habe ihr einst oft versprochen, er
werde sie zu seiner Erbin machen. Eines Abends zechten sie ihn
an. „Ich blieb bei ihm sitzen, meine Mutter machte gegen den
Morgen einen erschrecklichen Lärm, sie hätte uns beide in
einer Stellung betroffen, die sich nur für Eheleute schickte."
Schlachtwitz nahm Reissaus und schrieb vor einigen Tagen von
Marienburg, er wolle, da er gehört habe, sie sei schwanger, jähr-
lich tausend Thaler zahlen. Das Gerücht sprengte Julchen aus;
flenn ..meinen Sie, dass ich mich was darum bekümmere, ob mich
die Leute für dies oder das halten." (!) Von einer Jungfer
E. Lenz, Die Buhlschwester. 775
Reib en st ein erhielt sie dann ein Kind, und sowie Schlacht-
witz kömmt, legt sie sich mit dem Kinde zu Bette. Sie beredet
nun Fischer, für eine Kollation zu sorgen. Dieser sieht ihr
(wie Diniarch) nach mit den Worten: „Welche Naivität! Welche
Aufrichtigkeit! Reizendes Mädchen!" Er ist in sie verliebter, als
je. „0 Julchen, wenn du meinen letzten Blutstropfen von mir
fordertest, du verdientest ihn."
II. Akt. (1.) Julchen, nachlässig, wie eine Wöchnerin,
gekleidet, erwartet den Rittmeister, der nun (2.), wie Strato-
p han es, von seinen Tliaten und zwar, wie dieser, in der Figur
der ,,praeteritio" spricht. ..Wenn ich geneigt zum Prahlen wäre,
so könnte ich euch drei Tage lang erzählen — aber ich lasse
lieber meine Hände triumphieren, als meine Zunge. Mögen andre
sich zu Helden lügen, denk' ich, oder solch einen Bänkelsänger
von Homer1) mieten, der ihnen Siege an den Hals wirft, die sie
nicht erfahren haben, ich verlasse mich auf die Augenzeugen
meiner Thaten."2) Er erfährt von dem Jungen, der ihm aus dem
Gesichte geschnitten sei. ..Kaum war er zur Welt geboren, so griff
er dem Accoucheur nach dem Degen." Alles Übrige hält sich
genau an Plautus. An Stelle der zwei Sklavinnen, die Strato-
phan es überbringt, hat Schlachtwitz ..einen echtenBologneser" als
Schosshündchen, den Julchen mit Phronesiums Worten begrüsst:
Paenitetne te, quot mi ancillae sient,
Quin etiam hisuper tu adducas, quae nii comedint eibum?
(F. 529): „0 weil, noch mehr Brotfresser ins Haus!"
(3.) Hans, Fischers Hausknecht, und ein kleiner Junge
bringen die bestellte Kollation. Julchen bedankt sich für die
Sendung, wobei Herr von Sehla cht witz, unbemerkt an einem
ihrer Fenster stehend, von der Strasse her alles unten sieht
und in argen Zorn gerät.
III. Akt. Der dritte Akt umfasst nur drei und eine halbe
Seite. (1.) Von Bauchendorf hat für Mastochsen — die Ta-
rentiner Schafe des Plautus — fünfzig Dukaten eingenommen, die
er nun Julchen opfern will. Hocherfreut führt ihn Rahel ins
Haus. (2.) Adam erwartet seinen jungen Herrn und erklärt
Rahel, er sei nimmer der alte C4robian; er bittet eintreten zu
dürfen und drängt sich, wie Stratullax (F. 662), ein.
IV. Akt. (1.) Fischers Wunsch ist erreicht, da der Offi-
zier im Zorne schied. (2.) Rahel berichtet Fischer, dass drinnen
Bauchendorf zeche, was diesen arg aufregt. Während er sein
') Nach V. 480, den Lenz las:
Scio ego multos memoranisse milites mendacium
Et homeronidam et /ms! illam Uli memorari potest.
Geppert jedoch liest:
Et homieidarum post illa cumulus memorari potest.
2) V. 485. Pluris est oculatus testis imus, quam auriti deceni.
776 XX. Truculentus.
Los beklagt, führt Reibenstein zwei Mädchen gebunden ein,
Lene und Anne. (3.) Unter Prügeln entwindet er ihnen das
Geständnis, dass Julchen das Kind seiner Tochter habe. Ei-
se hiekt Lene um dasselbe, „wenn sie einen Sohn haben wollte,
so könnte sie sieh schon einen machen lassen." Reibens t ein
dringt in Anne, wer der Vater von Lieschens Kind sei, da tritt
Fischer, Lieschens Verlobter, vor und gesteht, dass er es sei.
Reibenstein will ihm dafür als Strafe von der Mitgift fünfhundert
Thaler, die sechs Talente des Callicles, abziehen. In Fischers
Brust regt sich wahre Liebe für Lieschen, obwohl er einen „elek-
trischen Schlag" ins Herz bekam, als er Julchen wieder sah.
(4.) Fischer verlangt von Julchen das Kind. Sie bittet um
dasselbe nur auf einige Monate; er will es ihr aber nur auf zwei
Stunden überlassen. Noch immer hofft Julchen, ihn zu überlisten.
V. Akt. Diesen Akt hat zum grössten Teil Lenz er-
funden. Julchen bangt um ihrer Streiche halber. Sie will das
Kind zurückgeben. „Die Historie von dem untergeschobenen
Kinde könnte über kurz oder lang dem Rittmeister zu Ohren
kommen und sie gezwungen werden, alles wieder herauszugeben."
Auch Bauchendorf soll „mit guter Manier" aus dem Hause
transportiert werden, „damit es nicht heisst, er habe sein Geld
bei uns verloren." Sie will darum nach Döbschütz zu dem Ritt-
meister schicken, und dieser und Bauchendorf sollen an einander
geraten. Adam soll dann zu Hilfe gerufen werden. Nun ist
aber nach Raheis Bericht Adam betrunken eingeschlafen. Von
hier geht es wieder auf Plautus zurück. (2.) Herr von
Schlachtwitz, mit einem grossen Geldbeutel, tritt auf; „er hat
das Jahresgehalt verdoppelt." Julchen nimmt kalt alle Gelder
in Empfang. (3.) Da kömmt taumelnd Bauchendorf und sucht
sein „herzallerliebstes Julchen... es ist Zeit zu Bette zu gehen".
Darüber entbrennt Schlachtwitzens Zorn. Die beiden Neben-
buhler wollen erst fechten, dann Julchens Gunst sich um Geld
erkaufen. Hierbei vermag der Junker nicht nachzukommen.
Julchen thut darum, als schlüge sie sich auf die Seite des Ritt-
meisters. Ehe dies geschieht, will ihr Bauchendorf den ganzen
Gürtel mit Geld geben; allein er ist ihm bereits abgeschnallt worden.
Julchen sagt nun Bauchendorf, der Rittmeister habe ihm den-
selben entwendet, und giebt ihm den Schlüssel zu Schlacht-
witzens Zimmer. Dort liege ein Beutel mit dreihundert Dukaten,
den er als Entschädigung nehmen solle. Kaum aber hat sich
Bauchendorf entfernt, um sich das Geld anzueignen, als ihm
Julchen den Rittmeister nachschickt, Unterdessen macht sich
Julchen mit Rahel mittelst der Post nach Tilsit fort, „Wie
werden die gerupften Gänse hinter uns her gacksen!" ■ — Das
Motiv des Truculentus mit dem untergeschobenen Kinde des Capi-
tano findet sich auch in Cecchis „Incantesimi" (S. 396) und öfter.
Register
zum ersten Bande (Plautus).
(Die Zahlen bedeuten die Seite.)
Abel, Eugen, 83. 85.
Abril, S. P., übers. Terenz 60.
Accolti. B. V., Virginia 107.
Acquettino 132.
Adam. J. A.. 106.
Addisson 80. The drummer 483
—487.
Adelphi des Terenz 24. 28. 66. 58.
62. 66. 67. 68. 69. 668. 677; von
Chompre 72; von Laya benützt
73; englisch 75. 80; von Eomanus
42.44; aufgeführt in Ferrara 52;
in Löwen 36; in München 44; in
Nürnberg 40.
Adolf Friedrich von Mecklen-
burg 213.
Adolphis Winkelschreiber 101.
Aelius Stilo 14. 18.
Agricola. X, 89. 91. 95.
Aischylos 9.
Albert, P., 4. 10.
Alfonso I. von Ferrara 51. 162.
607.
Allacci, Dranrmaturgia 109. 162.
164. 173. 240. 274. 444. 515. 527.
540. 541. 631. 718.
Alt, H., 52. 103. 375.
Altertum, seine Bedeutung und
sein Einfluss 3 ff. 454. 455.
Alticozzi 409. 756.
Amboisc Frang. d', 103.
Ambra, Franc, il furto 517.
Amenta, N., 544.
Amis et Am i 1 es 191.
Ampere 265.
Amphitruo 16. 18. 19. 20. 50. 51.
5(5. 57. 59. 60. 62. 63. 67. 68. 72.
73. 75. 78. 79. 80. 82. 83. 101. 132.
191. 193. 332. 494. 496. 508. 564.
572. 574. 575. 594. 613. 700; Cha-
rakteristik und Nachahmungen
115 — 129; ob im 4. und 5. Jahr-
hundert gespielt 19. 20.
Andreini 544. 656 — 661.
Andria des Terenz 24. 28. 41. 43.
51. 58. 61. 65. 66. 69. 72. 74. 75.
76. 83. 84. 85. 89. 94. 97. 108. 109.
111. 146. 491. 517. 534. 538. 574.
668. 698.
Andrieux, le tresor 762.
Andronikus 18.
Anfossi 324.
Angellieri Alticozzi 409. 756.
Angely 323.
Antigone 8: in Kassel gespielt 40.
Antimaco, Giul., 531.
Anzeiger für deutsches Altertum
208.
Apollinaris, Sidonius. 15.
Apostolo, Zeno, 51. 161. 162. 163.
240. 510.
A puleius 8. 92.
Arber, Edw., 670.
Archippos 116.
Aretino, Pietro, 56; la Corti-
giana 282; 1" EQpocrito 539. 5h):
il Marescalco 3'.»». 639; la Talanta
632. 656.
778
Register.
Are\ alua 124.
Argelati, Bibl. 51. 57. 131. 162.
163. 174. 240. 362. 384. 409. 441.
444. 451. 509. 510. 608. 613. 685.
689. 718. 733. 745.
Argelio, Eug., 59.
Anosto, Lodov., 23. 51. 56.252;
la Cassaria 56. 332. 482. 483. 718;
il Necromante 165; I Suppositi
332—337.
Aristophanes 8. 9. 16. 23. 60. 61.
66. 79. 325. 527 u 5. ; Acharuenses
106. 258 ; Flatus von Hans Sachs
92; in Zürich aufgeführt 36; in
Cambridge 77; in Mailand 59;
Wolken 73. 82. 427.
Aristoteles 5. 54. 327.
Arlecchino 101. 102. 103. 389.
Arlia 132.
Armado, Don, 107. 646. 674.
Arne, Michel, 204.
Arnobius 19.
Arntzen 124.
Arteaga 653.
Aschbach 46. 85.
Asinaria 19. 46. 57. 58. 67. 68.
100. 108. 115. 280. 426. 450. 680;
Charakteristik u. Nachahmungen
229—255.
Ast 115.
Atalanta 102.
Athenaeum 307.
Attilius 13.
Aubignac, d\ 73.
Aubigne, d'. 108.
Auger 19. 181. 185.
Augustinus, hl., 19. 20.
Aulularia 16. 19. 24. 34. 56. 59.
67. 71. 72. 79. 81. 82. 84. 89. 91.
95. 97. 100. 101. 115. 125. 132.
176. 243. 346. 348. 349. 350. 385.
427. 499; Charakteristik u. Nach-
ahmungen 255 — 324; gespielt in
Basel 39; in Königsberg 36; in
Nürnberg 40; in Olmütz 35; in
Wien 35; in Greenwich 76.
Avellino 324.
Avost, de la Val d', 441.
Axius, Paulus, 265.
Ayrer, Jakob, 94; Menächmi 584
592.
Azzi, B. d', 544.
Bacchides 16. 58. 69. 81. 87. 88.
102. 240. 407. 408. 499. 595; Cha-
rakteristik und Nachahmungen
426—444.
Baco von Veriilam 33.
Baerensprung 37.
Bagnato 17.
Baif 65. 66. 387; le Brave 617—619.
Bakhuizen, van den Brink, 304.
Bälde, Jac, 48. 111.
Bandello 517. 524.
Bapst von Rochlitz 94.
Barack 85.
Barbaras Hermolaus 116.
Barbier 736.
Barbieri, Niccolö, 69. 435. 437.
Barlaeus, Kaspar [1584 — 1648L
15.
Barlando, Adriane-, 36.
Barnes, Bob., 76.
Baron (Boyron) 69. 109. 667.
Barrera y Leirado, Catäl. bibl.
60. 61. 138. 139. 141. 145. 146. 156.
296. 321. 323. 324. 503. 504. 523.
606.
Barretto. Feio. 147.
Barthius'265.
Barthold 96.
Bartoli, Adolfo. 48.
Bas che t 64.
Batrachomyomachie 83.
Battishill 204.
Baudissin 407.
Baudry, Rene, 177.
Baumeister 116.
Bayer, J. Gr., 35. 46.
Bayle 185.
Bazo, Don A., 324.
Beauchamps, Becherches 65. 66.
174. 178. 292. 336. 337. 346. 390.
441. 517. 541. 543. 544. 554. 557.
559. 622. 623. 658. 665. 666. 667.
668. 736.
Beaumarchais 406: le Barbier
364. 365; Figaro 406. 769.
Beaumont und Fletcher 80. 107.
678. 679.
Beaumont und Nuitter 186.
Bebel, H, 46. 640.
Beccadelli, Ant., 427.
Becker, AV. A., 17. 596.
Becq de Foucquieres 65.
Belleforest 517.
Bellemore 623.
Bellereau, Bemy, 65.
Bellermann, J. J., 717.
Belmonte, El diablo predicador
117.
Bembo 718.
Ben Jonson 79. 81. 107. 193; The
Alchemist 488. 489: The Case is
altered 346—351; The Devil is an
ass 307. 348; Epicoene 390; Every
Register.
779
man in his humour 347. 675 —
677; Every man out of his hu-
mour 677 ; The Poetaster 677.
Bendixen 85.
Benfey 3.
Benndorf 715.
Benoist 120. 255. 390. 722.
Benserade 177.
Bentivoglio, Erc, 57; I fantasmi
57. 454—461.
Beolco, Angelo, 56. 110. 406;
Werke 246; la Anconitana 543;
Vaccaria 57. 108. 246—253.
Beöwulflied 7.
Bernard, Richard, 75.
Bernhardt, Sarah, 184.
Bernhardy, Grdrss. d. röm. Litt.
12. 18. 19. 22. 115. 116. 124. 128.
266.
Berrardo 50. 56; Cassina 369 —
375; Mustellaria 451—454.
Berriat, Saint Prix, 62.
Bethune, Everard de, 129.
Bianchi (Komponist) 324.
Bianchi, Gius., 652.
Bianchi, Orazio, 613. 685.
Biancolelli 559.
Bibbiena s. Divizio.
Biblische Komödie 38.
Bidermann 632.
Binder, Hans, 37.
Binder, Wilh., 23. 101. 116. 258.
262. 266. 401. 426. 501. 596. 600.
690. 719. 721. 737.
Biographie universelle 124.
Bishop 576.
Bitner, Jonas, 93. 584.
Blass, Leo, 36.
Blount 675.
Boccaccio 15. 131. 132.
Bode 354.
Bodenstedt 569. 575.
Boetie, la, 8.
Boettiger 214.
Boieldieu 483.
Boileau 6. 185.
Boisrobert, la belle Plaideuse
292; les trois Orontes 541.
Boi ssier 17.
Boivarius 35. 46.
B o ] a r d o 50.
Bo'ltz von Ruffach 32. 93. 94.
Bonducci, Andr., 285.
Boner 92.
Bonin 548.
Bonnet 484.
Borshini, Raff., 103.
Bor heck 229. 255. 355.
Bornemisza 92.
Bornmüller 208.
Bosscha .'!•_' 1.
Bothe, F. H., 722. 767.
Bottrigaro, Erc, 689.
Bougerel, P., 174.
Bourgeois, Jacques, 336.
Bourle 65.
Bourlier, J., 65.
Boursault, E., 69; Les Nicandres
554-557.
Bouterwek 63. 106. 154. 653.
Boxb erger 99. 351. 704. 705. 707.
742. 743.
Boyron s. Baron.
Boy ss e, E., 48. 71. 72. 297.
Brachvogel 40.
Braga, Theophilo, 61. 62. 146.
147. 154.
Brant hörne 174.
Brassicanus (Kohlberger) 26. 34.
Braune. Wilh., 638.
Brederoo 81. 109. 540. 638.
Breslau 95.
Bret, le, l'epreuve indiscrette
763.
Brighella 101.
Brix 18. 258. 324. 490. 493. 495.
498. 500. 501. 532. 595. 746.
Broekhousius, Jan [1649—1707],
299.
Broemel, W. H., 674.
Bromig 294.
Brosin, Oskar, 10.
Brueys 109.
Brun, le, 17. 19. 25.
Brunamonti, Frc, 240. 385.
Brunamotti, Stichus 745.
Brunet, Manuel 74. 132. 240.
Brunfels, Otto, 24. 30.
Brunelleschi, G., 132. 137.
Buch an an 62.
Buchaw, Steph., 94.
Budai, Esaias, 83.
Buecheler 125.
Buonarroti, Michelagnolo,
173.
Buonfanti, P. da, Bibbiena, Er-
rori incogniti 515—517.
Burckhardt, C. Aug., 36.
Burckhardt, Jac. (De linguae
lat, fatis) 29. 31. 34.
Bur ckh a r d t, Ja c. (Kultur d. Ren.)
22. 52. 53. 162. 165.
Burmeister, Joh., 46. 208-214;
253.
Burs'ian, K, 240.
Busch, Herrn., 31.
780
Register.
Caballero, Fernan, 606.
Cacciadiavolo, Laniranco. 252.
654.
Caecilius Statius, 12. 17. 21.
46. 275.
Cailhava 72; le mariage inter-
rompu 407. 408. 440. 441; les
Menechmes grecs 566; le tuteur
dupe 629-632.
Calaminus, Georg 45.
Calderon 326; La Espaüola en
Florencia 523; Hombre pobre to-
do es trazas 509; El Principe
constante 326.
Calnio, Andr. II Travaglia 103.
522; la Spagnolas 653.
Cammerarius 722. 737.
Camöes 62. 124. 141; Os Empha-
triöes 62. 146 — 154; Os Lusiadas
41. 155. 178.
C anizares 61. 146.
C annegieter 266.
Cantü 510.
Capitano 103. 104. 105. 106. 389.
521. 522. 527. 605. u. ö.; seine
Namen 103. 104.
Captivi 16. 19. 23. 24. 43. 45. 59.
67. 72. 79. 94. 98. 99. 100. 115.
722. 746; Charakteristik u. Nach-
ahmungen 324 — 355 ; veranlassen
die comedie larmoyante 98.
Carmeli, A., 613.
Cartwright, W., 77.
Casina 19. 56. 57. 79. 115. 240. 241.
393. 680; Charakteristik u. Nach-
ahmungen 365 — 390.
Castner, Gabriel, 37.
Cecchi 57. 761. 762; II Corredo 630.
631; IDissimili 58. 534; La Dote
58. 753—757 ; Gl' Incantesimi 58.
395-400. 776; la Majana 58; II
Martello 58. 104. 252. 654; LaMo-
glie 58. 400. 533—539; I Rivali
57. 110. 482. 654; Gli Sciamiti 57.
165. 483; la Stiava 58. 685—689.
Cefalo 51.
Celio Calcagno(ini) 51. 608.
Cellarius, Christ., 124.
Cellarius, Joh., 32.
Celtis, Konrad, 46. 85.
Cenci, Giac, Gli Errori 103. 544.
Ceresara, Paride, 285.
Chapman 81. 677. 678.
Chappuzeau, S., 41. 67. 622; la
dame d'intrigue 290.
Chasles, Em.. 63. 65. 66. 103. 336.
617. 664.
Chassanj? 124. 126. 138.
Chateauvieux 665.
Chorea, Franc, 53.
Chiari, Pietro, 110.
Chiesa 544.
Child, F. J., 77. 186. 190.203.668.
669.
Choerilus 14.
Cholevius 579. 638.
Chompre 72.
Christian II., Kurfürst von Sach-
sen, 39.
C h r i s t o p h v o nW ü r 1 1 e m b e r g 37.
Chrysostomus, hl., 23.
Cibber 440. 509. 576.
Cicensis, Elias Herlicius, 643.
Cicero, M. T., 13. 14. 23. 31. 57.
92. 595. 690. 767.
Cistellaria 19. 58. 68. 115. 132.
723; Charakteristik und Nach-
ahmungen 390—400.
Claus 88. 274. 323. 324. 407. 568.
574. 575.
Clemens XIX 59.
Clement und Larousse, Dict.
lvr. 147. 186. 199. 324. 469. 487.
548. 549. 576. 700. 736.
Clerici 59. 338. 339.
Clown 101. 474.
Cocodrillo 656.
Codrus Urceus, A.. 89. 256. 262.
291.
Cohn, A., 197. 638.
Collalto 548.
Collenuccio 22. 50. 51. 56. 124.
162. 163.
Collier 74. 75. 76. 77. 186. 190.
191. 193. 194. 346. 568. 569. 669.
Co Im an, G., 78. 80. 605. 685.
Colombina 102. 698.
Comedie larmoyante 98.
Cornelia, D. Luciano, 296.
Commedia dell' arte 53.
Commedia erudita 58.
Commelin (Amsterd.) 109.
Commelinus, H. (Heidelb.), 266.
270. 271.
Cominus, J., 266.
Congreve, W., 80. 81. 107. 307;
Love for love 296; The old bat-
chelor 677. 679. 680.
Contessa 767.
Coocke, Th., 204. 605.
Cooper, de W., 670.
Cordella 324.
Cornacchini, D., 526.
Corneille, Pierre, 68. 69. 184;
L'Illusion comique 69. 105. 619
—622. 646.
Register.
781
Corneille, Thomas, 184.
Correa, Garcjäo, 63.
Correggio. Niccolö da, 51.
Cor vi na (Bibl.) 83.
Cossa, Pietro, 110.
Coste, de, 316.
Coster, Samuel Dr. [um 1580 —
um 1650], 81.
Courbe 69.
Courbeville, P., 17.
Cram'er, D.. Prinzenraub 45.
Crapelet 129.
Crescimbeni 56. 57. 58. 132. 173.
Crowne, John, 193.
Crozet, F., 186.
Curculio 19. 82. 100. 115. 700. 712;
Charakteristik u. Nachahmungen
355—365; bei Massinger SO. 361.
362.
Cybile, Gilles, 63.
Cyrano, Bergerac, 67. 102. 666.
Dacier, Mad., 73. 97. 185. 409. 736.
Dalberg, J. von, 36.
Dancourt 17.
Daniel, Pierre, 266.
Dante 21. 443.
Danz, J. T. L., 101. 256. 595.
Danzel-Guhrauer 98. 708. 745.
766.
Darb es 544.
Davies 107. 677.
Deenik 255.
Degen 91.
Dekker 677.
Delius 523.
Demanville 69.
Demophilos 250.
Denina, C, 6. 12. 57. 59.
Derenbourg 717.
Desauguers 548.
Deschamps, Eustache, 129. 130.
131.
Desnoireterres 337. 541.
Desperiers, B., 05.
Despois 68. 177. 179. 181. 183. 184.
ls;,. 208.
Destouches 71. 484; Le dissipa-
teur 486. 487. 762; le glorieux
668. 762; le Philosophe marie
762; le tambour nocturne 486;
le tresor cache 757 — 762.
Detharcling 632.
Devrient 216.
Dezeimeris 265.
Diderot 295.
Dido, engl. Trag., 76.
Dilke 675.
Diodorus 92.
Diphilos 365. 369. 596. 723.
Ditters 487.
Dittersdorf 218.
Divizio (Dovizio), Bernardo,
56. 515; la Calandria 510 — 514.
520. 527.
Dobel, Dr., 87.
Dodsley 469.
Döbrentey 297.
Dolce, Catarino, la Mora 109.
Dolce, Lodovico, 57. 441. 444;
il Capitano 57. 164. 608—613;
la Fabritia 57. 483; il Marito 57.
163—173; il Ragazzo 57. 168. 385.
387. 388; il Euffiano 57. 729—
735.
Doletus, St., 29.
Dombart 355.
Domenichi 58; le due cortigiane
58. 441—444.
Dominique 389.
Dotteville 469.
Dottore in der ital. Komödie 102.
441.
Dousa, Joh., 325.
Dow den 568.
Dryden, John, 79. 80. 124. 173.
193. 204. 205. 206. 207. 208. 217.
228. 488; Amphitryon 80. 197—
204; Sir Martin Mar-all 80. 81.
435. 439. 440.
Dumas, Alex., 181.
Dunlop, Hist. of R. 1. 346. 435.
469. 566. 609. 708.
Duruyer 346.
Dumeril s. Meril.
Dyce, Alex., 79. 408. 678.
Dziatzko 67. 407. 495. 496. 681.
723.
Echard, L., 75. 204. 409. 735.
Eckhof 353.
Edward VI. 186.
Einsiedel 42. 43. 44.
Elektra 92. 140.
Elisabeth von England 76.
Elvert, d'. .').■>.
Elze, Karl, 107.
Eniilia Galotti, lateinisch, 314.
Endlicher, St., 125. 616.
Enger 18.
Ennius 13. 18.
Epicharmos 13. 116. 455. 495. 577.
Epidikus 19. 58. 72. 80. 101. 115.
389. 395. 400. 440. 698. 712; Cha-
rakteristik und Nachahmungen
401—426.
782
Kegister.
Episcopius, M., 95.
KiMsmus von Rotterdam 25. 33.
Ercole I. von Ferrara 50. 5G.
L61. 509— 607.
Ersch u. Grubers Enzyklopädie
148.
Eschenburg, J. J., 14. 100.
Estienne, Charles, 65; les Abu-
sez 517-520.
Eunuehus des Terenz 24. 51. 53.
65. 66. 69. 75. 84. 86. 92. 103 332.
333. 616. 630. 636. 668; Ände-
rungen desselben 43. 108. 109;
gespielt in Hannover 41 ; in Wien
35; in Zwickau 35; in Ferrara
718; Thraso in demselben 605.
606.
Euripides 9. 12. 19. 24. 75. 92. 140.
Eusebius 15.
Euklio 7. 95. u. ö.
Ewald 717.
Evbe, Alb., 87. 88; Bacchides 435.
436; Menächmi 577—579.
Fabie, Franc, 181.
Fabricius, Bibl. lat., 124. 147.
Fabula palliata 18.
Faeneste 107.
Fair holt 675.
Falk, J. D., 42. 101. 124; Die Uhu
217—219; Amphitryon 219—226.
652.
Falstaff 7. 81. 106. 107. 222. 223.
236. 488. 614. 671—674. 741.
Falugi, Gior., 509.
Farmer 568.
Farquhar 307. 576. 577.
Feau, Charles, 174.
Feje'r, Georg, 84.
Ferreira, Dr. Ant., 62; Bristo
661—663.
Fichard 40.
Fiel ding, H., 79. 264. 306; The
intriguing chambermaid 475 —
477; the Miser 308—314.
Figaro 102.
Finauer 240.
Fioravanti 324.
Fioretti, Bened., 14.
Firenzuola, A., 56; I Lucidi 531
— 533; La Trinuzia 515.
Fleay 524. 569.
Fleckeisen, A., 115. 229. 324. 355.
42«. 494. 495. 500. 595. 596. 605.
613. 616. 690. 722. 737. 746.
Fletcher und Beaumont 80. 81.
107. 678. 679.
Flögel 57. 76. 110. 488.
Florian, lea jumeaux de Bergame
548. 549.
Flos, Attrebates J. du, 33.
Folz, Hans. 92.
Fontaine, la, 68. 69. 109. 729;
l'Eunuque 69.
Fontanini 162. 163.
Fonteny, Jean de 658.
Fornaris, de' Fabrizio, 1' Ange-
lica 656. 657.
Fortiguerra, Niccolö, 21. 174.
Fournel 69. 101. 104. 177. 178. 290.
544. 623. 627. 665. 666.
Fournier 69.
Fracassa 416. 417. 421. 654.
Franc Archier de Baignollet
663. 664.
Franca-Trippa 101.
Franceschi Goff'redo 59.
Francke, Otto, 23. 28. 29.30.31.
34. 44. 50. 52. 108. 240.
Francken 255. 308. 718.
Frankfurter, Barthol., 83. 84.
Franz I. 48.
Fraporta 544.
Freeman 746.
Freyesleben 25. 97. 215.
Freytag 85.
Friedrich II. von Dänemark 81.
82., der V. 700.
Friedrich III. der AVeise von
Sachsen 29.
Friedrich HJ., deutscher Kai-
ser 256.
Friedrich der Grosse 218.
Frischlin 33. 46. 94.
Fritz 568.
Fritzsche 427.
Fruchtbare Gesellschaft 30.96.
Fürstenau 214.
Fuhrmann, W. D., 14. 101. 253.
295. 307. 488. 544. 668. 761. 76:;.
Fulvio Peregrinato Morato 52.
Furnivall 568.
Fuster 504.
Gabbrielli, A., 718.
Gadensted, Barthol., 47.
Gagliardi 549.
Gail 700.
Gaizet & Burtal 179.
Galiot.du Pre 663.
Gambe, de la, 665.
G a m b i n o d' Arezzo 129.
Gascoigne 76. 77. 333. 337.
Gasparini, Franc, 174.
G aveaux 469.
Gay, Sophie, 700.
Register.
783
Gebwiler. J., 29.
Geel, Jacobus, 125.
Geiger 46.
Gelli, Giarab.. 56; lo Errore 56.
383. 384; la Sporta 56. 274—280.
383.
Gellius. A., 14. 18. 66.
Genee 40. 85. 86. 638.
Genovefa 46.
Geppert 44. 205. 324. 355. 365.
401.490.501. 714. 722. 746. 767. 775.
Germania 35. 128.
Gerusez 181.
Gervais 763.
Gervinus 29. 30. 33. 42. 46. 85.
86. 89. 91. 92. 93. 94. 100. 229.
266. 574. 592. 638.
Geta und Byrrhia 124. 125. 126.
127. 128; französisch 129 — 131;
italienisch 131 — 138.
Geta 156.
Gherardi 102. 557.
Gbistele, Com., 81.
Giesebreckt, Wilh. von, 85.
Gifford- 337. 346. 347. 348. 349.
350. 361. 390. 488. 675. 677.
Gigas, Emil, 124. 503.
Gilbert 101. 544: John 575.
Gildas 265.
Ginguene 59. 168. 170. 173. 333.
375. 395. 454. 510. 527. 685. 753.
Giraldi 51; G. Cinthio 524. 526.
Giraud, Gior., 441.
Girauld 174. 298.
Giuuti s. Larivey.
Glaser 85. 524.
Gnatbo 103.
Gock, A., 651. 767.
Godard 336. 337.
Goedeke 36. 38. 47. 84. 85. 86.
91. 94. 95. 100. 101. 108. 208.
229. 240. 255 321. 469. 565. 570.
i\:\s. 639. 651. 708. 767.
Goeller 255. 746. 767.
Goethe 42. 100. 106. 646. 647;
Faust 356 ; Iphigenie 6 ; Wilhelm
Mi 'ister 445.
Goerges 208.
Goetz 71S.
Cnldhagens Anthologie 736.
767.
Goldoni, C, 23. 59. 323. 324;
V amante militare 6">7; 1' avaro
324; 1' avaro fastoso 324; il geloso
avaro 324; i due gemelli Vene-
ziani 544 — 548. 561. 577; il geloso
avaro 324; la guerra 657; Me-
morie 544. 546.
Gonzaga, Curzio, 526.
Gonzaga, Isabella, 22.
Gonzalez de Mendoza 59.
Gorboduc 76.
Gotter 351. 352. 353. 354.
Gottsched, J. C, 25. 26. 35. 41.
46. 47. 82. 84. 85. 86. 87. 88. 89.
91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 214.
215. 469. 486. 548. 565. 632. 633.
Gottsched, L. A. V., 486.
Gouvea, Andr., 62.
Grado, Temistocle, 59.
Graesse (Allg. Litt.) 81. 214. 386.
638.
Graetz 487.
Grand le, 17.
Grazzini, Gegner der Alten 54;
la Gelosia 54; la Spiritata 55.
110; la Strega 54. 107.
Greff, Joach., 89. 90 91. 92.314.
Gregorovius 49. 50. 51. 52.
Gretry 185. 186.
Greviu, Jacques, 66.
Griechische Sprache 7.
Griffo da Valcapraja 510.
Grimarest 183.
Grimm, H., 639.
i Grimm 85.
Groon 295.
Grootius. Hugo [1583 — 1645],
15. 298.
Grossmann, G. F. W., 570.
Groto Cieco d' Hadria 58; Ca-
listo 58. 172. 173; Emilia 58.
407. 410-421. 654; Tesoro 756.
Grüner 42.
Grüninger 24.
Grüpeck 35.
Gruter 98. 266.
Gryllus, Komödie 83. 84.
Gryphius 106. 632. 638. 643—646.
Guagliardi 97.
Guarino 22. 50. 51.
Guazzesi, L.. 285.
Guerente 62.
Gueudeville 74.
Guglielmi 549. 736.
Guizot 49. 177. IS.!. .V27.
Guldberg 83.
Gulielmus Bleseusis 613.
Gutzkow 229.
Guyot. Thom., 346.
Gyrowetz 4S7.
Hagen. E. A., 33. 314. 674.
II agen, lt.. 61."».
Hallbauer 577.
784
Register.
Halliwcll 74. 77. 197. 198. 306.
407. 409. 568. 569. 735.
Harn 30. 89. 91. 95.
Hamburg, A. W., 469.
Hamerling, Rob., 8.
Hancarville, d', 116.
Harpagon 7; sein Name 291.
Hase 39. 84.
Haslewood 186. 190. 668.
Hasper 718.
Haupt, Moritz, 84. 265. 266.
Hautz 41.
Havot 265. 266. 267. 268.
Hawkesworth 79. 201. 204—208.
Hayneccius, Marl, 94. 351.
Heauton timorumenos des Te-
renz 34. 36. 58. 66. 72. 75; ge-
spielt in München 40.
Hecuba des Euripides 24. 140.
Hecyra des Terenz 34. 47. 58. 61.
75. 91. 108. 614.
Hedio, Casp., 32.
Heel, Beat., 39.
Hegendorf 46. 47. 108.
Heble 240.
Heinemann, 0. v., 639.
Heinrieb H. von England 74;
Heinrieb VIH. 76.
Heinrieb IV. von Frankreich 652.
Heinrich Julius von Braun-
schweig 638 — 643.
Heinsius, Daniel [1580— 16551,13.
Hell, Theod., 441.
Heminges, William, 75.
Hennen 717.
Henry, Benediktiner, 74.
Hense, K. K, 574. 673.
Hercules des Seneka in Wien
gespielt 35.
Herder 17. 29.
Hermann, G., 426. 746.
Herodian 92.
Herodot 92.
Herold 92.
Herrigs Archiv 179. 291. 306.
568. 617. 672.
Hertz, M., 12.
Hertzberg 502. 596.
Herwegh, G., 569.
Herzog, E., 326.
Hettner. Herrn., 203. 307. 351.
Heubein 548.
Heu singe r 101.
Heydemann 116.
Heywood, Tbom., 74. 78; Am-
phitrvoii 78. 193—197; The Eng-
lish Traveller 78. 79. 469—475.
Hezekiel, engl. Trag., 76.
Hieronymus, hl., 14.
High life below stairs 722.
Hildebrand 19.
Hildyard 255. 490.
Hillebrand 100. 218.
Hirzel, Lud., 10
Histoire litter aire delaFrance
124. 126. 132. 265. 271. 616.
Histriomastix 77.
Hitzig 717.
Hölscber 763.
Höscbel, Dav., 30. 96.
Hoffmann, Em., 116.
Hoffmann, F., 155.
Hoffmann, J. L., 92.
Hoffmeister 736.
Hofman, Konr., 191.
Holberg, L., 16. 42. 82. 107. 297.
646; Di derieb Menschen- Skr äk
632. 700—704; Ellefte Junii 637.
638 ; Huus - Spögelse 477 — 482 ;
Maskerade 700; Tyboe 632-636.
645. 670 ; Ulysses von Ithacia 636.
637; Glücklicher Schiffbruch 736.
Holinshed 76.
Holland, W. L., 639. 640. 642. 643.
663.
Holtei 323.
Holtze 115.
Homer 7. 10. 92.
Hooft, Pieter Corneliszoon, 81.
263; Warenar 298 — 306; den
Schyn-Heiligh 540.
Hoole, Charles, 75.
Horaz 8. 13. 14. 54. 57. 80. 495.
Horribilicribrifax 7. 106. 632.
638. 642—646.
Hrotswitha 84. 85.
Hoz y Mota 321-323.
Hugo, Victor, 722.
Humbert 67. 179. 291. 407.
Hummel im Bach 31.
Hunfalvy 83. 85.
Hurd, Rieh., 14. 263. 295.
Iber, H, 13.
Iffland 98.
Intronati in Siena 517.
Iparraguirre, D. Man., 296.
Iphigenie 6. 8. 94.
Isaac, Herrn., 568. 569.
Jack Juggler, Interlude 75. 186
—191.
Jacob, F., 401.
Jacob, le Bibliophile 64. 68.
James von England, 76. 191.
Jeremias von Padua 124.
Register.
785
Jodelet 67.
Johann von Sachsen .'!.").
Jokasta 92.
Jonckere de la Venard 17s.
Jonckbloet 81. 109. 303.305.306.
540. 541. 638.
Jones, Stephen, 346.
Jovius, P., 53. 460.
Juan I. 60.
Jubinal 265.
Jundt 24. 31. 39. 45. 47.
Juromenha, Visconde de, 62. 146.
Justin 92.
.luven alis 80. 290.
Kämmel 29.
Kärcher 18.
Karl EL von England 203.
Karl IX. von Frankreich 66
Karl V. 60. 138.
Katull 57. 69. 77.
Kauffmann. Rieh., 184.
Kayser 314. 317.
Kazinczky 297.
Kehrein 85. 86. 106. 218. 585.
Keller, Ad. v., 579. 584.
Kernen}', Käroly, 184.
Kerpen 736.
Kinwelniarsh 76.
Kirchhof 640.
Kirchmayer, Thom., 93.
Kis 84.
Kisfaludy 84.
Klapp 274.
Klein (Gesch. d. Dramas) 18. 50.
53. 54. 55. 56. 60. 61. 76. 85. 107.
124. 186. 252. 333. 375. 386. 395.
454. 482. 510. 517. 523. 524. 525.
^ 631. 669. 675. 685. 718. 729.
Kleinstaeuber 38.
Kleist, H. v., 101. 124; Amphi-
fcryon 226—229.
Klerus gegen den Humanismus 31.
Klinckhamer 265. 266. 267.
Klingelhöffer 295.
Klinger, Max v., 592.
Klytämnestra 92.
Kneller 308.
Kneschke 91.
Koberstein (G. d. d. L.) 85. 86.
92. 98. 99. 101. 208. 229. 638.
Koch, Emil, 7(17.
Koch. Ludw., 23. 32. 38. 44. 52.
Koch, Max, 6. 78. 569. 575. 592.
670. 675.
Koehler, Reinhold. 128.
Koenig 295.
Köpke, G. G. S., 258. 321. 355.
390. 444. 490.
Köpke, Rudolf, 84.
Körting, Gustav, 132.
Köstlin 117.
Kordes 91.
Koreff, J. F., 652.
Kotzebue 98. 637.
Kovasznai, AI., 84.
Kreyssig 295.
Kriegk 40.
Kromayer 30. 34. 96. 97.
Kuettner 592.
Kuffner 101.
Kuh lau 592.
Kupplerwesen 232. 359. 695. u. ö.
Kurz 84. 92. 100. 106. 208. 217. 229.
Kyffin, Maur., 75.
Laberius 14.
Lachmann 98.
Lacome 186.
Lad ewig 13. 116. 368. 394. 427.
495. 738.
Lalaune 185.
Landau 174.
Langbaine 469.
Largen 495.
Langendijk, P., 638.
Larivey 66. 67. 61. 103. 280; les
Esprits 66. 67. 286—289. 462; le
Laquais 385—387; les Trompe-
ries 526.
Lasca s. Grazzini.
Lascaris 427.
Lassen 717.
Laurent, Michel, 177.
Laya, Leon, 73.
Lazarillo de Tormes 61.
Lecky, Hartpole, 53. 84.
Lecocq 103.
Leigh, Hunt, 307.
Lejay, P., 71. 72; l'Avare 297. 298.
Lelio 736.
Lemaire 267.
Lemcke 98. 106.
Lemercier, Nepom.. 72. 110.
Piaute 421-426.
Lennep, J. van, 14.
Lenz, Reinh., 100. 296; Algierer
351 — 355; Aussteuer 317 — 321;
Buhlschwester 772—776; Entfüh-
rungen, Grosspralerisdie Offi-
zier (546 — 651 ; Türkonsklavin
362—365; Väterchen 253—255.
Leo X. 50. 53. 280.
Leonel da Costa 25. 29. 33. 36.
61. 63.
50
786
Reerieter.
Leasing, <;. E.. 16. 19. 22. 42. 98.
99. loo. 115. 116. L85. 256. 263.
265. 314. 324. 325. 327. 351. 365.
110. 426. 465. 484. 486. 501. 595.
596. 680. 697. 698. 719. 722. 72:;.
736. 746. 762; junge Gelehrte 99;
Minna v. Barnlielm 99.; Justin
99. 704—708: Philotaa 351; der
Schatz 76."» — 7(17: tVeiber sind
Weiber 99. 742-71."..
Lessing, Karl, G., 704. 742.
Leu, St. Comte, 296.
Levee 74.
Liciuius 13.
Liebenberg 477. 592.
Lilly, John, SO; Endimion 81.
107. G74. 675.
Limiers. H.. 14. 74. 743.
Lindau, R, 180.
Lindemann, E., 717. '
Linde mann, F., 115. 324. 595. 746.
Linge 13.
Lipsius, L., 13. 351. 592. 736. 767.
Lisimbo, Oristoniano. 28.").
Li vi us, T., 9. 92. 94.
Lob stein 48. 93.
Locher, Jac. (Philoniusus), 31.
46; ludicruin drama 240—246.
Lodovico il Moro 50. 51.
Longueville 577.
Lope de Rueda 61; Enganos 522.
523; Medora 523. 661.
Lope de Vega 1 15.
Loredano 102; la Turca 102. 522.
Lorentz, K. W., 355.
Lorenz 78. 106. 444. 454. 595. 605.
606. 633. 690.
Lotheissen 10. 50. 64. 66. 67. 68.
102. 104. 105. 108. 177. 181. 183.
289. 292. 295. 406. 622. 629. 666.
Lucas, Hipp., 184. 185. 286. 346.
421. 440. 541. 566. 619. 665. 674;
die Wolken des Aristophanes 73.
Lucchetti, E., da Civitä nuova
540.
Lucian 92.
Ludwig XIV. 73. 178. 180. 184.
203. 229.
Lugans de S. Geal, Guillaume 13.
Lupi, Fr. Pisano, 541.
Luscius 13.
Luther 32. 33. 95. 96. 732.
Lutheraner in der ital. Komödie
732. 733.
Lycos thenes Psellionorus
Andropediacus s. Spangen-
berg.
Lymb erger 30. 92.
Lymberger, W'i Ib.. '.)7.
Lynker los. 10!).
Macedo, Joaquim Manuel de,
6(53.
Machiavelli 56. 274. 385. 387;
Clizia 56. 375- 383. 793; Mandra-
gola 168.
M ad al win us 265.
Maffei, Gius., 173.
Maggi. ('. 31.. 2S5.
Magnin, Gh., 19. 20. 21. 84. 124.266.
Mahelot, Laurent, 177.
Mahrenholtz 26. 67. 68. 179. 181.
183. 290. 291. 296. 306. 406. 407.
438. 466.
Mai, An gel o, 125. 126. 394.
Mailhol 296.
Mally, F. K, 651.
Malmström 717.
Manningham ."»2.'!.
Marcoureau de Brecourt 68.
Mareschal 67: Capitan Matamore
622—628; le Kailleur 628—62!).
Mariana 60.
Maria i er 82.
Marolles, Mich.. 7:;.
Marston 80.
Martial 77. 111. 208.
Martinus, Balticus, 30. "><.
Marti us 115.
Mascarille 102. 406.
Massinger 80: a new way to pay
old debts 337: a verv woman
361. 362.
Matthias Corvinus 83.
Matthieu de Vendome 124. 125.
129. 613. 616.
Maximilian L, Kurfürst von
Baiern, 31.
Medici, Lorenzino de', 56. 66.
67. 27!). 286: l'Aridosia 280—285.
483.
Meissner, J., 642.
Meister, Mich., 30. 96.
Melanthon 14. 23. 26. 33. 46.
Menaechmi 53. 56. 60. 61. 67. (ID.
70. 71. 72. 78. 82. 86. 88. 92. 93.
94. 100. 117. 181. 332. 389. 608.
611. 709. 714; Charakteristik und
Nachahmungen 490 — 595; viel ge-
spielt 108; in Ferrara 50. 51; in
München 37: in Nürnberg' 40: in
Rom 52.
Menander 14.17.55. 66. 275. 45."».
462. 574. 596. 737.
Menekiu, Mailänderfigur, 503. 509.
Mentzel, Elisabeth, 34.
Kegister.
787
Mercator 16. 58. 81. 389. 426. 710;
Charakteristik und Nachahmun-
gen 680- OHO.
Mercier. 4.
Meril, Ed. du, 21. 84. 124. 265. CK'..
Merimee, Prosper, 108. 174.
Merula, A., 19.
Meschinot, Jean. 174.
Mesmes, de, 336. 337.
Metastasio 161.
Metel, le, s. Boisrobert.
M eurer 286.
Meurice, P., 674.
Meyer, Maurice, 265.
Michaelis, Ad.. 265.
Middleton 80; No wit like a wo-
man's 408. 409.
Milari, Graf v., 324.
Miles gloriosus 7. 16. 51. 57. 60.
61. 62. 65. 67. 69. 72. 78. 79. 81.
82. 100. 101. 103. 104. 106. 107.
120. 252. 389. 416. 417. 421. 503.
515. 697. 702; Charakteristik
und Nachahmungen 595 — 680;
Name und Entwickelung 104 ff.;
in Prag gespielt 36; von Melan-
thon 14. 24. 34.
Mirabeau 23.
Mitternachts, S., Unglückliche
Soldat 17.
Mmlry 36.
Moland 116. 124. 174. 177. 179.
181. 183. 185. 2C2. 663.
Moliere 19. 23. 26 64. 67. 68. 71.
72. 78. 80. 101. 102. 104. 116. 124.
128. 154. 161. 173. 177. 193. 198.
201. 202. 203. 205. 206. 207. 208.
217. 225. 226. 228. 229. 263. 266.
274. 276. 277. 279. 286. 289. 290.
305. 306. 307. 308. 309. 310. 311.
314. 317. 321. 322. 323. 324. 469.
484. 493. 554. 560. 566. 685. 766;
l'amour medicin 666; Amphi-
tryon 64. 67. 179 — 185; l'Avare
64. 67. 78. 290. 291—297; le Bour-
geois gentilhomme 68; le Depii
iinioureux 80; l'Ecole des femmes
OS; l'Ecole des maris 67. 68. 80;
l'Etourdi .".65. 406. 435. 140. 708;
les femmes savantes 68; les four-
Imimcs de Scapin 67. 400. 107. 000:
leMisanthrope 307; Pmircciuiynitc
67; Sganarelle 672.
Molieriste, le, 181. 184. 185. L98.
208. 297. 306.
M onchesnay 185.
Mondore 652.
Monnicr, lc, 74.
Montaiglon, Anatole de, 125.
Montaigne 8. 15. 28. 48. 02.
Monteiro 147.
Montemayor 61; la Diana ena-
morada 522.
Montfleury 07. ('.!». 71: Comedien
poete 462-465.
Montmaur 103.
Monval, G, 41. 290. 622.
Moratin 146. 296. 503. 504.
Morgann, M., 672.
Moritz von Hessen 95. 108.
Most eil aria 44. 56. 57. 58. 66. 69.
70. 71. 72. 78. 79. 80. 82. 84. 101.
102. 120. 191. 192. 280. 286. 287.
499. 718; Charakteristik u. Nach-
ahmungen 444—490. 753. 755. 762.
Movers, F. C, 717.
Müling. J. A., 28.
Müller 4P; Ad. (ed. Aristoph.) 100:
Adam. H., 226; C. F. W. 18; C. O.
116; C. W. 125; Joh. Aug. 39;
Lucian 613. 614.
Münchhausen 640.
Munday, A., 80. 190. 346.
Muralt 306.
Muratori 50. 51. 162. 509.
Muret 62.
Mur melius 34.
Murphy 81; The Citizen 085.
Musaeus 92.
Muschler 91.
Mussa, .Toh.. 126.
Mylius, C. H. S., 317. 407.
Naevius 13. 18. 690.
Nagel, H., 617. 619.
Nardi, Jac, 56.
Nash 347.
Naudet 17. 74. 117. 185.
Ne ander, Mich., 31.
Nekrornant 165. u. <">.
Neuber 100. 296.
Nevyle, Alex., 74.
Newman, Andr.. 75.
Nibelungen 7.
Niccolini 549.
Nichols, .1., 569.
Niemeyer 43.
Nikolaus von Trier 1'.'.
Nineusis 60.
Noble Le, Eustache 557—559.
Kodier, Ch.. 9.
Nokea 440.
Norrmann 321.
.North (Pkctarch) 8.
Notker, Cabeo, 85.
Nuce, Tli.. 74.
50*
7ss
Register.
Nuittor 186.
Nydhart, Hans, 35. 85.
Odet de Turnebe (Tournebu)
10.'! : Lt>s Oontens 664.
Oehlenschläger 592-594.
Oliva, Fernan Perez de, 60. 1'24.
140—145. 508.
Opitz 98.
Orbarius 20.
Orelli 265.
Orlando 324.
Orlando di Lasso 652.
Osann, F., 117. 124. 125. 128. 271.
Osius, Hieronymus, 24. 38.
Ost beider 767.
Otto der Grosse 85.
Otto, Pfalzgraf, 94.
Otway, Thomas, 407.
Ovid 57. 60. 64. 77. 81. 92. 172. 614.
Oxenford, John, 208.
Ozell 207.
Pädagog in der Komödie 102. 427.
434. 441. 511. 655. u. ö.
Paisiello 487.
Palaprat 109. 668.
Palissot 566. 567.
Palm 38. 40. 46. 94. 98. 102.
Panzers Annalen 86. 88.
Paolo Cortese 240.
Parabase im Curculio 357.
Parasit 69. 103.606. 655. 714. u. ö.
Pareus 88. 98. 256. 266.
Parfaict 67. 69. 109. 337. 462.
Pariati 59. 173. 174.
Paris, Paiilin, 129.
Parmindo 409.
Parnell, Thom., 76.
Par olles 107. 673. 674. 676.
Passano 132.
Passerota 444.
Patrick 75.
Patzke 97.
Paul IL 21; Paul III. 51.
Pedant in der Komödie 102;
seine Sprache 103.
Pedro der Grausame 59.
Peiper 21. 267.
Pelisson 73.
Pellegrini 179.
Pellicer 61.
Pentio da Lecco 509.
Perez Antonio u. Gonzalo 503.
Perluigi, Donini, 59.
Persa 72. 710; Charakteristik und
Nachahmungen 719 — 722.
Perticari, G., 51.
Pertz, G. H., 126.
Peter der Grosse v. Russland 184.
Peterborou<>h, Abt v., 74.
Petrarca 427.
Peys, Abr., 184.
Pf äff 27. 30.
Pfeifer 128.
Philomon 17. 462. 681.
Philipp IL v. Spanien 138. 503.
Philippo Publio Mantovanos
Komödie Formicone 8.
Philomusus s. Locher.
Piareta, P., 174.
Phoenissen, engl., 75.
Phormio des Terenz 24. 28. 34.
51. 67. 72. 75. 407; gespielt in Fer-
rara 52; Hannover 41 ; Lütt ich 38.
Pianelli 544.
Picard 567.
Pickelhäring 102.
Pinheiro, .1. C, 661.
Pistol 107. 673.
Plaut us, T. M., sein Leben und
Name 12; im Urteile der Alten
13. 14; der Späteren 15; seine
Stoffe 16. 17; sein Einfluss auf
die Bühne 18. 19; im Mittelalter
21; seine Technik 22; weniger
gelesen als Terenz 23 — 30; seine
Komödien nachgeahmt 115 — 777;
dramatisch bearbeitet 110. 111.
421-426; aufgeführt in Basel 39;
Bunzlau 40; Coburg 39; Ingolstadt
39; Königsberg 38; München 37;
01mütz35; Prag 36; Regensburg
38; Strassburg 39; Wien 35; in
Italien 50. 59; in Rom 240; Green-
wich 76; St. Louis 44; Cambridge
76. 307.
Plinius 92.
Plümicke 85.
Pluismer 297.
Plutarch 23. 92.
Poenulus 16. 57. 71. 101. 409.
482. 483. 595; Charakteristik und
Nachahmungen 714 — 719; veran-
lasst Dialektdichtungen 109. 409.
718; Prolog hierzu 115. 715; auf-
geführt auf dem Kapitol 53; in
Ferrara 718.
Pogianus, Julius, 52.
Po ins 672. 673.
Pol, Nik., 38.
Poliziano, Angelo, 52. 116.
Pombal 63.
Pomponius, Laelus, 22. 50. 52.
240.
Poner, Jos., 95.
Register.
789
Pope 6. 216. 307.
Porta della (dalla) 80. 191. 654,
la Carbonaria 713. 714; fantescä
388. 389. 522. 654. 708; I fratelli
simili 544; I duoi fratelli rivali
540; Olimpia 168. 521. 522. 655
708 — 713; la Trappolaria 654
708—713.
Poseid ippos 495.
Pozzi 52.
Prantl, Karl von, 26.
Prato da Domenico 132. 137.
Preller 148.
Prestes, Ant., 146. 147.
Prevost, Abbe, 73.
Price 74.
Prölss, Rob., 22. 30. 31. 48. 51.
52. 53. 54. 55. 56. 57. 102. 103.
108. 110. 173. 280. 323. 333. 483.
514. 517. 544. 638. 639. 656.
Propertius 77.
Prospero 51.
Proverbes, la comedie des, 667.
Prudentius, Clemens, 19. 20.
Priiss 24.
Prutz, Rob., 16. 44. 82. 83. 297.
477. 482. 632. 633. 636. 637. 646.
700.
Prynne 77.
Pseu dolus 34. 56. 70. 71. 72. 82
99. 340. 389. 722; Charakteristik
und Nachahmungen 690—714.
Pulcinella 101.
Purcell, Hein., 198.
Pyrgopoliuices 81. 105. 417. 421.
645. 646. u. ö. (s. Miles).
(Juadrio 53. 132. 274. 510. 526.
Querolus 56. 125. 255. 265—270.
280. 322. 614.
Queux de St. Hilaire 129. 130.
131.
Quicherat 265.
Quijote, Don, 104.
Quinault, Phil., 69. 435; l'amant
indiscret 437 — 440.
Quintilian 14.
Quinziano Stoa. 48.
Rabelais 7. 8. 62. 259.
Racine 407. 462.
Raguenet 179.
Rahbek 482. 700.
Ramon de la Cruz Cano y 01-
medilla 489.
Ramsay 444.
Ranke 51. 52. 53.
Rapp, M., 16. 61. 68. 79. 80. 81.
101. 117. 176. 179. 181. 190. 191.
230. 256. 258. 262. 307. 325. 329.
331. 355. 356. 360. 361. 365. 390.
392. 395. 401. 405. 408. 409. 426
441. 445. 469. 475. 488. 490. 502.
509. 547. 565. 574. 575. 576. 600.
604. 670. 674. 677. 682. 683. 684.
690. 715. 716. 719. 720. 722. 721
726. 736. 737. 745. 746. 750. 753.
767. 768. 771.
Raspe, R. E., 640.
Rastoul, Ant., 296.
Raum er 29. 30. 31. 46. 49. 733.
Razzi, G., la Balia 168.
Rebhun, P.. 47.
Redi 735.
Regnard 67. 69. 70. 71. 79. 289.
475. 482. 567. 575. 577. 762; les
folies amoureuses 389; les Me-
nechmes 70. 547. 559-566; le
Retour imprevu 70. 465—469; la
Serenade 70. 698—700.
Reichard 37.
Reinhardstoettner 141. 146.
Reinhardt 681.
Reitlinger 38.
Reiz 722.
Renaissance in Deutschland und
Italien 48. 49.
Reuchlin 33. 36. 46.
Rezabal y Ugarte 140.
Rhenius, Job., 30. 97.
Rhinton 116.
Rhodigino, Giancarli, 544.
Riccius, St., 91. 95.
Riccoboni 55. 57. 58. 102. 106
108. 110. 164. 173. 239. 240. 252
375. 407. 410. 441. 526. 538. 540.
541. 544. 617. 658. 753.
Riccoboni, Hei. Balletti, 72.
736; le naufrage heureux 736.
Riche, Barnab., 523. 524.
Richter, E. J., 229. 255.
Ricklefs 767.
Riedel, E., 45.
Riese. A., 596.
Rigault 10. 11. 64. 292. 307.
Rigutini 59.
Ristgräff 87.
Ritschi 12. 17. 19. 98. 99. 116
239. 256. 391. 426. 427. 434. 444
462. 495. 502. 5! Mi. 690. Tis. 71!»
738. 746.
Rittershuis 266. 270.
Rockinger 94.
Rüderer 181.
Roger de Ra luit in 185.
790
Register.
Roi 698.
Roister Doister TT. 81. 103. 10T.
669 671.
Rojas y Zörrilla 323.
Rollenhagen, G.. 33.
1! Ö nianus, Frz.. 12.
Romberg 136.
Romeijo 690.
Ronsn rd 387.
Röscher, \V. H., 116.
Roscoe 50. 308.
Rosenblüt 92.
Rost 229. 355. 401. 444. 680. TOS.
719.
Roth, Frd., 9.
Rotrou G7. 124. 502. 527; Am-
phitryon 174— 177. 179. 182. 183.
Ciarice 527; Captifs 339-346;
Menechmes 549 — 554. 575.
Roy. le, 70. 71. 346.
Rudens 22. ."»7. 72. 389. 744; Cha-
rakteristik und Nachahmungen
722 — -737; Prolog 115; gespielt in
St. Louis 44. 45. 735. 736.
Rudolf v. Ems (Barlaam) 128.
Rümelin, G. 575.
Ruth 51. 53. 56. 59. 103. 162. 163.
168. 169. 173. 333. 375. 383. 395.
406. 454. 483. 503. 510. 527. 531.
653. 656. 685. 753.
Rutini 324.
Ruzzante s. Beolco.
Sä de .AI iranda 62.
Sabinus, Franc. Flor., 14.
Sachs, Hans, 46. 92. 93. 592;
Menächmi 5T9 — 584.
Saci le Maitre 27. 28.
Saegelken 294.
Saint-Gelais 65.
Sainte-Beuve 15. 23. 28. 67. 7.°».
346. 7fi9.
Salas Gonzales, de, 61.
Salvador, D. Constanzo 146.
Salvini, A. M., 131.
Salzmann 101. 649. 773.
Sambucus 83.
Samosch 793.
Sanchez 60.
Sand 56. 101. 103. 104. 105. 246.
247. 250. 406. 652. 658. 66:».
Sansovino 53.
Santilla, Marquis v.. 59.
Santos, Diez Gonzales, 61. 146.
Sapidus, .loh. (Anabion), 4f).
Saraceni .")•_'.
S;i rdeoni, Bern., 56.
Bardi, Gr., 608.
Sardi 324.
Sauppe 204.
Savi 324.
Scala, Flaminio, 400. 541. 542.
543. 652. 6T1.
Scaliger, Jos., 14.
Scapi'n 101. 102. 406. 698. 699.
700; les fourberies de Sc 58 67,
4oi;. 407.
Scararnouche 102. 406.
Scarron 67. 322. 665.
Schack, Fdr. Graf. Cd. 61. 138.
140. 145. 321. n04. 523.
Schack (Komponist) 487.
Schaeferlein 92.
Schartenmeyer 220.
Scheffler 672.
Scheltz 295.
Schenk, Mart.. 30, 96.
Scherer, Wilhelm, 89. 91.
Schiller, Fdr., Don Carlos 483;
Neffe als Onkel 567; Räuber
.">77; Spätere Dramen 6. Teil. W.,
10.
Schirach 100. 314.
Schlager 35.
Schlegel, A. W. v., 16. 42. 49.
256. 291. 295. 502. 575. 677.
Schleich, Martin, 483.
Schmidt, Ch. (Hist. Als.), 24. 28.
31. 47. 85.
Schmidt, Erich, 99.
Soli uii dt, K.. 39. ."»2.
Schmidt. Mor., 22.
Schmidt, Biogr. 708.
Schneeb erger, Hier., 10.
Schneider, C. E., 722.
Schneider, J., 22.
Schnorrs Archiv 10. 37. 40. 46.
47. 85. 99. 208. 214. 351. 766. u. ö.
Schoch, Georg, 214.
Scholl, G. u. F., 87.
Schonaeus 26. 34. 46. 72; sein
Tobäus 34. 46.
Schreiber, H, 31.
Schröder 17: .T. F. 31. 47. 240;
(Schauspieler) 354. 633.
Schücking. Levin. 110.
Schütze. J. F., 296.
Schultz. Frd.. 17. 116.
Schulz 101.
Schwab, G., 329.
Schwabe 494. 500.
Schwarz 33.
Schweiger 19. 74. 83. 96. 298.
299. 346. 651. 743.
Schweitzer 184. 185. 296. 297.
Scott. Walter. 197.203.204.440.
Register.
791
Scribe, Eug., 483.
Sc uil ery 541.
Secchi (Secco), gl'inganni 524—
•>-'"'-. •)}•'!: l'interesse 525
Sedaine 72. 184.
Sedulius 124.
Seidner 98. !•!». 351.
Sellori, Mauro, 174.
Seneka 9. 24. 32. 34. 38. 41. 49
•><• 60. 61. 74. 77. 92. 99. 138
146. 214.
Seuffert 46.
Seydelniann 746.
Seyffert, 0., 690.
Seyler 351. 352. 353.
Sforza d(egli) Oddi 527. 559
Shadwell 7!». 80. 264. 380; the
Miser 306.
Shakespeare 76. 88. 502. 717.
722; Verhältnis zu den Alten 23!
78; All 's well that ends well
673; Comedy of Errors 6. 78
181. 334. 500. 523. 547. 568. 569
570-576. 5(7. 591; Hamlet 77-
King Henry IV (Falstaff) 81. lOö!
107. 223. 671-674; King Lear
(45; Love's Labour's Lost 646
[l\V Merrywives 78. 673; Othello
203. (4.»; Pericles 232. 736; Ta-
mmg of a shrew 78. 333- Tem-
pesi 736; Twelfth night 523
?24; aWinter's Tale 524; Shylock
im Merchant of Venice 450
Shaw 76.
Sibour, E.. 65.
Sierke 99. 763.
Sigismund 256.
Signorelli 51. 541.
Silva da, Jos,-, 63. 124. 155— 161
197.
Simai, Chr., 297.
Sinies, James. 98.
Simonde de Sismondi 63. 155
321. 510.
•si im pson, R . 568.
S inirock 522. 524. 574 576
Sixtus IV, 52.
Ske 1 1 o ii 7 7.
Sklavenrolle, ihre Ehiwickelunff
7. L01. 102. 106. 698. u. ö
Sloman 746.
Soldatenrolle 360. 361. 433. u.ö.-
s. auch Miles.
Sommer, E., 71. 171. 346. 365
389. 440. 487. 557. 565. 667 719
729. 762.
Sommerbrodt 715.
Sonnenburg 490.
Sonnenschein 324.
Sophokles 9. 12. 40. 80. 140.
Sophron 737.
Sorrentino, Cesare, 4M.
Soubrette (Philcmatium) 102
Sousa, Mejia. 323.
Spangenberg, Cyriacusu.Wol-
fahrt 208.
Spanische Sprache in portuff
Lustspielen 150.
Spavento 104. 652. 657—661.
Spezzafer 104. 652. 653
Spengel, And.. 490.493 500 501
746. 767.
Stahr. Adolf. 98. 99.
Stampa 285.
Stapfer, P., 7s. 549. 566. 569.576.
b<2.
Steele, Eich., 307; The tender
husband 484.
Steffens 314-317.
Steinhoff, R., 18. 20. 117. 120
174. 229. 482. 577.
Stellato, L., 729.
Stichus 99; Charakteristik und
Nachahmungen 737 - 746
Stiefel, Dr., 18. 490. 496. 502.
503. 509. 514. 520. 514 547
*Stöber 100. 351.
Storck, Wilh.. 146. 117. 1 ls i;,.-;
Strassburger Studien 208.
Straumer 29.
Strnadt, Jac, 36.
Strobilus der Aulularia 258
Strodtmann 98. 99.
Strozza, Tito, 162.
Strozzi 174.
Stubenvoll, Dr., 40.
St u dem und 18. 681. 7b7
Studlev, J., 74.
Sturm 24. 31. 38
Sturz, P. Helf., 592.
Sulzer 11. 54. 122. 133. 174. 253
285. 295. 314. 346. 441. 449 708
714. 736. 738. 767.
Tacitus 9.
Taille, Jean de la, 165
Taine, H., 74. 202. 307. 675.
Tarbe, P., 129.
Tarentino Secondo 653.
Taschereau 295.
Tellez 323.
Teive, Diogo, de 62.
Terentius, P., sein Leben 12: be-
kämpft 20. 630; mehr gelesen als
Plautus 2&-28; seine Vorzüge
Plautus gegenüber 28—30; .
792
Register.
geführt in Basel 39; Breslau 38;
Bunzlau 40; Hannover 41 ; Kassel
39. 40; Königsberg 38; Löwen 36;
Lüttich 38; München 40; Nörd-
lingen .'57; Nürnberg 40; Regens-
burg 38; Weimar 42; Wien 35;
Zwickau 35. 36; Italien 50; Ox-
I nid 76; Salamanca 61.
Terentius Christianus, 25.
Teuffei, S. W. S., 12. 14. -17. 18.
l'.i. 115. 116. 124. 229. 255. 256.
265. 266. 325. 355. 357. 360. 365.
369. 374. 391. 392. 394. 401. 426.
127. 444. 462. 495. 500. 502. 588.
595. 596. 605. 690. 697. 714. 716.
719. 722. 723. 724. 738. 746. 767.
768.
Theokritos 737.
Theophrast 98.
Thersytes, interlude 668. 669.
Thornton, Bonnel, 81. 198. 203.
216. 263.
Thraso 16. 81. 82. 92. 107. 219.
421. 605. 606. 632. 668. 670; lat.
Gedicht 613—616.
Thümmel 107. 673.
Thura, Alb., 81. 83.
Thyestes des Seneka 24. 74; in
Wien gespielt 35.
Tibullus 77.
Ticknor 60. 61. 141. 146. 321. 323.
504. 523. 661.
Tieck 100. 253. 317. 351. 362. 390.
568. 648. 722. 773.
Timon, a play 79.
Timoneda, Juan de, 61. 502; los
Menecmos 504 — 509.
Tiraboschi 50. 51. 59. 162. 164.
240. 285. 369. 441. 451. 608.
Tittmann 106. 108. 638. 639. 640.
646.
Toldi 84. 92.
Tomek Wladiwoj 31.
Tomki(n)s 80. 191—193. 263. 264.
488.
Torelli 177. 714.
Toretti 544.
Torres Naharro 61.
Tortoli 252. 510. 534.
Toulmin-Smith 76.
Trabea 13.
Tracy. de, 9.
Tralage 64. 68.
Trambusti 59.
Trautmann, Dr. Karl, 37. 40.
214. 642.
Trinummus 24. 34. 58. 71. 72.
78. 99. 100. 120. 191. 193. 228.
256. 484.708; Charakteristik und
Nachahmungen 746 — 768. 532.
538; gespielt in München 37; in
Ferrara 718.
T r i 8 s i n o 56 ; I Simillimi 527 - 531.
Tristan l'Hermite 69. 103. 104
Tritte- 549.
Trojano Massimo 652
Trotzendorf 30.
Truculentus 16. 100. 595. 690.
722; Charakteristik und Nach-
ahmungen 767 — 777; im Timon 79.
Tugend und Liebesstreit, Freu-
denspiel 524.
Turpilius 13.
Tweelingen, de gelyke 541.
Tyrell, R. J., 595.
Tysdale, J., 668.
Tzschimmer, Gabr., 215.
Udall 76. 77. 81. 669—671.
Ulrici 568. 575.
Upton 390.
Ussing 12. 14. 17. 81. 98. 174. 240.
252. 274. 291. 295. 324. 346. 406.
410. 435. 454. 461. 469. 475. 482.
484. 503. 566. 605. 609. 632. 665.
704. 798.
Vacquerie, Parolles 674.
Vahlen 116. 490.
Valencia, Juan de. 60.
Valerius, Maximus, 92.
Valet 7.
Vallauri 255. 595. 746.
Valville 469.
Vanbrugh 307.
Vapereau 173. 186.
Varchi, Bened., 58; la Suocera
108.
Varnhagen 155.
Varro, M. T., 14. 21. 24.
Vecchi, Orazio, 653.
Verard, Ant. de, 63.
Vergil 8. 10. 32. 57. 92.
Verucci,Vergilio; il servo astuto
656. 698.
"V ei waijen 115.
Vice 668. 670.
Vicente, Gil, 61. 146. 152. 151.
Vidularia 18. 723. V.
Vilaragut, M. A., 60. '
Villa, Teod. Aug., 362.
Villalobos 15. 60. 124. 138. 139.
140. 145.
Vi Hon, F., 663.
Vincioli, Giacinto. 510.
Vinet, A., 184.
Register.
793
\
Vise, de, 184.
Vissering 490.
Vitalis Blesensis 124. 125. 126.
129. 013. 616: Aulularia 270—274.
614.
Voigt 19.
Voiseuou 75. 172. 337. 73G; l'keu-
reuse resseniblance 337. 338.
Volkert 736.
Voltaire 28. 116. 184. 218. 219.
577.
Von de 1 [1587—1679] 299.
Voss' Horaer 6.
Vossius 28.
Vries, M. de, 298. 303. 304. 305.
Vulcatius Sedigitus 12. 13. 116.
495.
Wachler 646.
Wachsmuth 31. 53.
Wagner, Wilh., 255. 258. 263.
26&. 293. 490. 746. 767.
Walt her. Rud., 45.
Ward 74. 77. 84. 85. 103. 107. 266.
333. 337. 517. 569.
Warner, William, 568.569.570.
War ton 48. 53. 74. 76. 77. 84.
124. 569.
Webbe, Dr., 75.
Weber, E. W. Dr., 42. 296.
Weinhold 100. 320. 321. 351. 646.
647. 648. 773.
Weise, Christian, 98. 102.
Weise, C. H., 255. 365. 390. 401.
414, 502. 680.
Welcher 117.
Well er, Annalen 93. 94. 215.
Wendeil, Hening, 83.
Wernsdorf 266.
Westerb aen 81.
Westermayer 48. 111.
Wex 717.
Wh all ey 349. 350. 675.
White, Thom., 670.
Wiedeburg 767.
Wieland 100.
Wieseler 116.
W7ilhelm V. von Baiern 652.
Will 40.
Wille 401.
Wimpheling 31. 47.
Winckelmann 116.
Windischmann 390. 490.
Winter, Dr., 124.
Wirsung, Chr., 89.
Wiskowatoff 47.
Wislicenus 575.
Witz 35.
WTolf, Adolf, 61. 523.
Wolf, Ferd , 63. 155. 160. 161. 663.
Wolff, 0. L. B., 674.
Wolff, P. A., 107.
Wolfrom, A., 763.
Woodward 207.
Wortley, Montague, 216.
Wright, Thom., 125. 128.
Würthmann 652.
Wycherley 306. 307.
Xenophon 92.
Ximeno 504.
Yelverton 76.
Zanni 101. 102.
Zapf 46. 88. 241.
Zayas, Maria de, 322.
Zell 46.
Zenckfrey (Zenckert) 95. 314.
Zschocke 296.
Zwingli 36.
Zzämboki 83.
Corrigenda.
Unbedeutende Druckfehler, wie fehlende Kommata (z. B. S. 62, Z. 25 v. u. ; S. 185,
Z. 5 v. o.), unrichtige Accente u. dgl. möge der Leser gefälligst verbessern; desgleichen einige
ein paarmal falsch geschriebene Namen, wie Ballett! (S. 72), Lecocq (S. 103), Boieldieu
(S. 483), Chasles (S. 336), Desnoireterres (S. 337), Fuhrmann (S. 544), Halliwell (S. 80), Kurz
(S. 84. 92), Menechuies (S. 544), deren richtige Orthographie das Register bietet. Ausser-
dem ist zu korrigieren S. 22, Z. 20 v. o. Colenuccio in Collenuecio ; S. 30, Z. 15 v. o. Im selben
Jahre in In denselben Jahren (1623); S. 37, Z. 19 v. u. zahlt in zalt; Z. 16 v. u. Sme in Jme;
Z. 15 u. 11 v. u. gabriele in gabrieln; Z. 13 v. u. Err in Er, V und in Vnnd; S. 48, Z. 15 v. o.
exercice in exercise; S. 174, Z. 12 v. o. Busquet II in Brusquet II; S. 191, Z. 18 v. o. wigard
in wizard; S. 203, Z. 13 v. u. Thorton's in Thornton's ; S. 204, Z. 19 v. u. fort in for; S. 240,
Z. 19 v. o. rugosoqne in rugoseque; S. 285, Z. 12 v. o. machten in macheu; S. 523, Z. 9 v. u.
Bernabe in Barnabe; Z. 11 v. u. Gcntlewoman in Gentlewomen. — Zu S. 381 ist zu verglei-
chen: S. Samosch, Machiavclli als Komüdiendichter. Minden 1885. S. 12 ff.
Druck von C. G. Köder in Leipzig,
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