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POMPEJI
ĂśSI LEBEN UND KUNST
i
POMPEJI
IN LEBEN UND KUNST
VON
AUGUST MAU
ZWEITE VERBESSERTE UND VERMEHRTE AUFLAGE
MIT EINEM KAPITEL ĂśBER HERCULANEUM
MIT 304 ABBILDUNGEN IM TEXT, 14 TAFELN UND 6 PLĂ„NEN
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
Alle Rechte vorbehalten.
ilBRAHV
VORWORT ZUR ERSTEN AUFLAGE.
Dies Buch ist schon vor einem Jahre in englischer Sprache
erschienen (Pompeji, its life and art. New York, The Macmillan Co.
1899). I-^äS der englischen Übersetzung zugrunde liegende Manu-
skript ist fĂĽr die deutsche Ausgabe ĂĽberarbeitet, hie und da ver-
bessert und durch HinzufĂĽgung des Kapitels ĂĽber den seitdem
ausgegrabenen Tempel der Venus Pompejana auf das Laufende
gebracht worden. Die Illustration ist um 12 Figuren (39, 46,
57, 102, 144, 155, 165, 166, 186, 243, 244, 272) bereichert
worden.
Was wir am SchlĂĽsse des Jahrhunderts ĂĽber Pompeji wissen,
soll hier weiteren Kreisen gebildeter Leser kurz und faĂźlich vor-
gelegt werden: in den sechzehn Jahren seit dem Erscheinen der
von mir bearbeiteten vierten Auflage des Overbeckschen Buches
ist das Bild der alten Stadt in vielen Punkten beträchtlich klarer
und vollständiger geworden. Von begründenden und biblio-
graphischen Anmerkungen konnte abgesehen werden; fĂĽr alles
von dem genannten Buche Abweichende genĂĽgt es auf die in
den Römischen Mitteilungen des Deutschen Archäologischen
Instituts erschienenen Originalaufsätze und Literaturberichte über
Pompeji zu verweisen. FĂĽr einige Punkte (Macellum, Privat-
häuser) steht die ausführlichere Begründung noch aus. Übrigens
ist die BegrĂĽndung der vorgetragenen Resultate im Text selbst
gegeben oder doch angedeutet, soweit es tunlich war ohne
schwerfällig nnd allzu technisch zu werden.
Ein Fortschritt gegen frĂĽhere Darstellungen ist gesucht in
den zahlreichen Rekonstruktionen der Bauwerke, namentlich auch
der Wohnhäuser. Dieselben sind gegeben nach Zeichnungen
von C. Bazzani, R. Koldewcy, G. Randanini, G. Tognetti. immer
VI Pompeji. *
aber auf Grand von Skizzen des Verfassers, der also durchaus
die Verantwortung- ĂĽbernimmt. Die Anfertigung- der Zeichnungen
wurde ermög-licht durch die Liberalität der amerikanischen Ver-
lagshandlung. Nur zwei Rekonstruktionen (Fig. iii und 138)
sind einem älteren Werke (Mazois) entnommen; die schöne
Wiederherstellung der Südecke des Forum trianguläre (Taf. III)
wird der GĂĽte Herrn C. Weichardts verdankt (Weichardt, Pompeji
vor der Zerstörung, Taf. II). Phantasiegebilde sind durchaus ver-
mieden; rekonstruiert wurde nur, wo es mit Sicherheit oder doch
mit groĂźer Wahrscheinlichkeit geschehen konnte.
In betreff der benutzten Photographien gebĂĽhrt besonderer
Dank Herrn Giacomo Brogi in Florenz. Da mir seine Samm-
lung pompejanischer Photographien als die weitaus vorzĂĽglichste
erschien, namentlich für die Gemälde, so wandte ich mich an
ihn schon fĂĽr die englische Ausgabe dieses Buches und erhielt
von ihm die unentgeltliche Erlaubnis zur Reproduktion einer
groĂźen Anzahl seiner Aufnahmen, sowie auch eigens fĂĽr diesen
Zweck gemachte AbzĂĽge derselben. Unter den nicht zahlreichen
Photographien anderer Herkunft sind einige Aufnahmen des
Verfassers (Fig. 3, 14, 15, 25, 54, 238), einige von dem Bearbeiter
der englischen Ausgabe, Professor Kelsey (Fig. g, 11, 12, 51, 95,
104, 106, 108, 127, 256, 257), vier von Herrn Hauptmann
P. Lindner in Rom (Fig. 10, 75, iio, 183).
FĂĽr die Ăśberlassung einer Anzahl Zeichnungen (Fig. 28, 42,
43, 46, 48, 56, 59, 126, 158 — 162, 180, 181, 189, 249, 275, 276)
bin ich dem Kaiserlich deutschen Archäologischen Institut in Rom
zu Dank verpflichtet. FĂĽr Taf. XII und Fig. 268 gestattete die
Direktion des Nationalmuseums in Neapel gĂĽtigst die Benutzung
zweier dem Museum gehörigen Zeichnungen. Hierfür, sowie für
die mir bei meinen Arbeiten in liberalster Weise gewährten Er-
leichterungen und UnterstĂĽtzungen spreche ich ihr auch hier
meinen wärmsten Dank aus.
Rom, 18. Oktober 1900.
A. Mau.
VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE.
1 ompeji in Leben und Kunst erscheint in dieser zweiten
Auflage wesentlich erweitert und verbessert. Ăśber die Bau-
geschichte der Stadt in ältester Zeit (Kap. VI) mußte auf Grund
neuerer Forschungen ausfĂĽhrlicher gehandelt werden. Der Tempel
der Venus Pompejana (Kap. XVIII) konnte frĂĽher, weil eben erst
ausgegraben, nur kurz behandelt werden; jetzt ist ihm und seiner
interessanten und sehr klaren Baugeschichte ein ausfĂĽhrliches
Kapitel gewidmet worden. Die hochwichtigen Ausgrabungen zur
Erforschung der älteren Formen des großen Theaters (Kap. XXP,
frĂĽher kaum angedeutet, konnten jetzt eingehend besprochen
werden, so eingehend wie es der Charakter dieses Buches ge-
stattet. In Kap. XXXI ist das neu ausgegrabene Kastell der
Wasserleitung beschrieben und abgebildet. Auch fĂĽr die Wand-
dekorationen ist in Kap. LIV wichtiges neues Material beigebracht.
Aber auch abgesehen von diesen größeren Zusätzen ist der ganze
Text aufs neue durchgearbeitet und vielfach verbessert und er-
weitert worden.
Anhangsweise das Wenige, was wir ĂĽber Herculaneum wissen,
zusammenzufassen, schien wĂĽn.schcnswert bei dem durch die be-
kannten Ausgrabungspläne angeregten Interesse und angesichts
der von der italienischen Regierung versprochenen Ausgrabungen,
zumal eine gemeinverständliche, leicht zugängliche und zugleich
zuverlässige Darstellung bis jetzt nicht vorhanden war.
Anmerkungen mit Literaturnachweis beizugeben schien auch
diesmal nicht zweckmäßig, da sie für die große Mehrzahl der
Leser nicht in Betracht kommen, auch schneller veralten als das
Buch selbst. FĂĽr Erleichterung der wissenschaftlichen Benutzung
des Buches soll durch ein demnächst erscheinendes besonderes
Vm Pompeji.
Heft gesorgt werden, mit Literaturnachweis, kurzen BegrĂĽndungen
und Ergänzungen des im Text gesagten.
Die Verlagshandlung hat Kosten und MĂĽhe nicht gespart,
um die Illustration zu verbessern, zu bereichern und ganz auf der
Höhe der heutigen Technik zu halten. Einige Textbilder wurden,
des bessern Druckes halber, auf Tafeln (VIII. IX) gebracht.
In groĂźer Ausdehnung wurden nicht ganz genĂĽgende Klischees
durch neue ersetzt, endlich die Textbilder um 31 Nummern (10,
12, 27, 52, 53, 61, 69, 73—75, 116, 117, 135, 139, 142, 144,
146, 160, 166, 169, 294 — 304) vermehrt. Die Tafeln sind dies-
mal, bis auf die TitelgravĂĽre zum groĂźen Teil in Duplex-
autotypie gegeben; der Augenschein zeigt, daĂź sie dadurch nicht
verloren haben. Ich denke, das Buch kann sich jetzt den best-
illustrierten seiner Art ruhig an die Seite stellen.
Rom, Oktober 1908.
A. Mau.
INHALT.
EINLEITUNG.
Kapite Seite
I. Die Lage von Pompeji l
II. Pompeji vor der VerschĂĽttung 7
III. Die VerschĂĽttung 18
IV. Die Ausgrabung 23
V. Ăśbersicht 28
VI. Baumaterial, Bauart, Bauperioden 31
ERSTER TEIL.
Öffentliche Plätze und Gebäude.
VII. Das Forum 43
Vm. Übersicht der Gebäude um das Forum. Der Jupitertempel ... 57
IX. Die Basilika 67
X. Der Tempel des Apollo 76
XI. Nordwestecke des Forums. Eichtisch 87
XII. Das Macellum 90
XIII. Der Tempel der städtischen Laren 98
XIV. Der Tempel des Vespasian 102
XV. Das Gebäude der Eumachia 106
XVI. Das Comitium 115
XVn. Munizipalgebäude 117
XVIII. Der Tempel der Venus Pompejana 120
XIX. Der Tempel der Fortuna Augusta 129
XX. Übersicht der Bauten beim Stabianer Tor. Das Forum trianguläre
und der dorische Tempel 133
XXI. Das groĂźe Theater 141
XXII. Das kleine Theater 160
XXin. Der Theaterportikus, später Gladiatorenkaseme 164
XXIV. Die Palästra 171
XXV. Der Tempel der Isis 174
XXVI. Der Tempel des Zeus Meilichios iSS
XXVII. Die Bäder in Pompeji. Die Stabianer Thermen 191
XXVIII. Die Thermen beim Forum 206
XXIX. Die Centralthermen 212
XXX. Das Amphitheater 216
XXXI. Straßen, Wasserleitung, Straßenaltäre 230
XXXIl. Die Befestigungswerke 242
X Pompeji.
ZWEITER TEIL.
W^ohnhäuser.
Kapitel Seite
XXXIII. Das pompejanische Haus 250
I. Vestibulum, Fauces, HaustĂĽr 253
II. Das Atrium 255
III. Das Tablinum 261
IV. Die Alae 264
V. Räume um das Atrium. Der Andron 266
VI. Garten, Peristyl, Räume um das Peristyl 267
VII. Schlafzimmer 269
VIII. Speisezimmer 269
IX. Küche, Bad, Vorratsräume 273
X. Kapellen der Hausgötter 275
XI. Obere Räume 280
XII. Läden 285
XIII. Wände, Fußböden, Fenster 287
XXXIV. Das Plaus des Chirurgen 290
XXXV. Das Haus des Sallust 294
XXXVI. Das Haus des Faun 300
XXXVII. Ein Haus bei Porta Marina 312
XXXVIII. Das Haus der silbernen Hochzeit 315
XXXIX. Das Haus des Epidius Rufus 325
XL. Das Haus des tragischen Dichters 3^9
XLL Das Haus der Vettier 338
XLII. Drei Häuser ungewöhnlicher Form 360
I. Das Haus des Acceptus und der Euhodia 360
II. Haus ohne Compluvium 362
III. Das Haus Kaiser Josephs II 363
XLIII. Sonstige Häuser 367
XLIV. Die Villa des Diomcdes 376
XLV. Die Villa rustica bei Boscoreale 382
XLVI. Geräte 389
DRITTER TEIL.
Handel und Gewerbe.
XLVII. Allgemeines. Die Bäcker 403
XLVIII. Tuchwalker und Gerber 412
XLIX. Schenken und Wirtshäuser 419
Inhalt. XI
VIERTER TEIL.
Die Gräber.
Kapitel Seite
L. Die Gräberstraße vor dem Herculaner Tor 425
LI. Gräber vor dem Nolaner, Stabianer und Nuceriner Tor 448
FĂśNFTER TEIL.
Pompejanische Kunst.
LH. Die Architektur 455
Lin. Die Skulptur 463
LIV. Malerei. Wanddekorationen 472
LV. Die Bilder 490
SECHSTER TEIL.
Die Inschriften.
I^VI. Steininschriften. Gemalte Inschriften 503
LVII. Graffiti 509
LVni. Geschäftsurkunden 516
SCHLUSS.
LIX. Pompeji als Quelle fĂĽr die Kenntnis des Altertums 525
ANHANG.
LX. Herculaneum 538
Register 555
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.
Tafeln.
Tafel bei Seite
I. Das Forum von SĂĽden gesehen. Nach Photographie. Titelbild.
II. Hof des Apollotempels. Nach Photographie 78
in. Südecke des Forum trianguläre mit dem dorischen Tempel, wieder-
hergestellt. Weichardt, Pompeji vor der Zerstörung, Taf. II . . 136
IV. Die Gladiatorenkaseme. Nach Photographie 165
V. Apodyterium des Männerbades der Stabianer Theraien. Nach Photo-
graphie 195
VI. Das Amphitheater von SĂĽden gesehen. Nach Photographie .... 217
VII. Atrium des Hauses IX, 5, 11, mit Blick durch das Tablinum in das
Peristyl. Nach Photographie 260
VIII. Schlacht zwischen Alexander und Darius. Mosaik aus dem Hause
des Faun. Nach Photographie 306
IX. Wandgemälde im Hause der Vettier. Nach Photographien .... 351
X. Speisezimmer im Hause der Vettier. Nach Photographie 359
XI. Die Gräberstraße von unten gesehen. Nach Photographie 428
XII. Artemis, Kopie einer archaischen Statue. Nach Photographie . . . 468
XIII. Wanddekoration zweiten Stils. Mau, Geschichte der dekorativen
Wandmalerei in Pompeji, Taf. V 483
XIV. Wanddekoration vierten Stils im Hofe der Stabianer Thermen. Nach
einer Zeichnung des Museums in Neapel 488
Pläne.
Plan
I. Ăśbersichtsplan von Pompeji vor Kapitel V
IL Das Forum und die anliegenden Gebäude » » VII
III. Die Theater und ihre Umgebung » » XX
IV. Die Villa rustica bei Boscoreale » » XLV
V. Die Gräberstraße » • I>
VI. Der ausgegrabene Teil von Pompeji am SchluĂź
Textillustrationen.
Figur Seite
1. Karte des alten Campanien 2
2. Der Vesuv von Neapel aus gesehen. Photographie 3
3. Blick von Pompeji nach SĂĽden. Photographie 5
Verzeichnis der Abbildungen. XIII
Figur Seite
4. Venus Pompejana, Wandgemälde. Nach Mon. d. Inst. III, 6 b 11
5. Amphoren. Photographie 13
6. Das Urteil Salomons. Wandgemälde. Overbeck-Mau, Pompeji, Fig. 306 16
7. GipsabguĂź eines Mannes. Photographie 21
8. Eine Ausgrabung. Atrium des Hauses der silbernen Hochzeit. Photo-
graphie 26
9. Mauer mit Kalksteinfachwerk. Photographie 32
10. Alte Säule. Photographie .... 35
11. Fassade aus Sarnokalkstein. Haus des Chirurgen. Photographie ... 36
12. Etruskisches Pilasterkapitell. Photographie 37
13. Quasireticulat mit Ziegelecken, am Eingang zum kleinen Theater. Photo-
graphie 40
14. Netzwerk mit Ecken aus ziegeiförmigen Steinen. Photographie .... 41
15. Nordseite des Forums mit dem Jupitertempel, wiederhergestellt. Zeich-
nung nach Skizzen des Verfassers 46
16. Überrest der Säulenhalle des Popidius, an der Südseite des Forums.
Photographie 4^
17. Teil der neuen Säulenhalle, nahe der südwestlichen Ecke des Forums.
Photographie 49
18. Szene auf dem Forum, Wandgemälde. Zeichnung nach Pitture d'Erco-
lano III 42 52
19. Szene auf dem Forum, Wandgemälde. Zeichnung nach Pitture d'Erco-
lano III 43 53
20. Plan des Jupitertempels 59
21. Ruinen des Jupitertempels. Photographie 60
22. Teil der Wanddekoration in der Cella des Jupitertempcls. Mazois III 36 61
23. Reliefdarstellung des Jupitertempels im Hause des L. Caecilius Jucundus.
Overbeck-Mau, Pompeji, Fig. 31 6^
24. Büste des Zeus von Otricoli im Vatikan. Brunn-Bruckmann, Denkmäler,
Taf. 120 64
25. BĂĽste des Jupiter aus Pompeji. Photographie 65
26. GrundriĂź der Basilika 68
27. Kapitell aus der Basilika. Photographie 68
28. Innenansicht der Basilika; Blick auf das Tribunal. Photographie ... 70
29. AuĂźenseite der Basilika, wiederhergestellt. Zeichnung nach Skizzen des
Verfassers 71
30. Inneres der Basilika, Blick auf das Tribunal, wiederhergestellt. Zeich-
nung nach Skizzen des Verfassers 72
31. Fassade des Tribunals der Basilika, (InmdriĂź und AufriĂź. Zeichnung
nach Skizze des Verfassers 73
32. Ecke des MosaikfuĂźbodens in der Cella des Apollotempels. Mazois IV 23 76
33. GrundriĂź des Apollotempels 77
34. Ansicht des Apollotempels, gegen den \'esuv gesehen. Photographie . 78
35. Ein Stück vom Gebälk des Portikus des Apollotempels; ursprüngliche
Form und Erneuerung nach dem Erdbeben. Mazois IV 2 1 ... . 79
XrV Pompeji.
Figur Seite
36. Tempel des Apollo, wiederhergestellt. Zeichnung nach Skizzen des Ver-
fassers 81
37. Grundriß der Gebäude an der Nordwestecke des Forums 87
38. Eichtisch. Mazois III 40 88
39. GrundriĂź des Macellums 90
40. Ansicht des Macellums. Photographie 91
41. Das Macellum, wiederhergestellt. Zeichnung nach Skizzen des Verfassers 92
42. Statue des Marcellus, Sohnes der Octavia, gefunden in der Kapelle des
Macellums. Photographie 94
43. Statue der Octavia, Schwester des Augustus, gefunden in der Kapelle
des Macellums. Photographie 95
44. Grundriß des Tempels der städtischen Laren 98
45. Tempel der städtischen Laren, Ansicht der Rückseite, wiederhergestellt.
Zeichnung nach Skizze des Verfassers. Rom. Mitt. 1896, S. 288 . . 99
46. Nordseite des Tempels der städtischen Laren, wiederhergestellt. Zeich-
nung nach Skizze des Verfassers. Rom. Mitt. 1896, S. 289 .... loo
47. GrundriĂź des Tempels des Vespasian 102
48. Ansicht des Vespasiantempels. Photographie 103
49. Der Tempel des Vespasian, wiederhergestellt. Zeichnung nach Skizze
des Verfassers. Rom. Mitt. 1900, S. 133 104
50. Altarrelief des Vespasiantempels. Photographie 105
51. Grundriß des Gebäudes der Eumachia 106
52. Innenansicht des Gebäudes der Eumachia: Rückseite des Hofes. Photo-
graphie 107
53. Gebäude der Eumachia : Türeinfassung. Overbeck-Mau, Pompeji, Fig. 275 iio
54. Gebäude der Eumachia: Vorderseite des Hofes, wiederhergestellt.
Zeichnung nach Skizze des Verfassers 112
55. Gebäude der Eumachia: Rückseite des Hofes, wiederhergestellt. Zeich-
nung nach Skizze des Verfassers I13
56. Brunnen der Concordia Augusta, vor dem Seiteneingang des Gebäudes
der Eumachia. Photographie 113
57. GrundriĂź des Comitium 115
58. GrundriĂź der sogen, drei Kurien 117
59. Ansicht der SĂĽdseite des Forums, Photographie 118
60. GrundriĂź der Ruinen des Tempels der Venus Pompejana 122
61. GrundriĂź des im Jahre 63 eingestĂĽrzten Tempels der Venus Pompejana 123
62. GrundriĂź des Tempels der Fortuna Augusta 129
63. Ruine des Tempels der Fortuna Augusta. Photographie 130
64. Tempel der Fortuna Augusta, wiederhergestellt. Zeichnung nach Skizzen
des Verfassers 131
65. Querschnitt des Tempels der Fortuna Augusta, wiederhergestellt. Zeich-
nung nach Skizze des Verfassers. Rom. Mitt. 1896, S. 280 .... 132
66. Vorhalle des Forum trianguläre. Photographie 135
67. Ansicht des Forum trianguläre, gegen den Vesuv. Photographic ... 136
68. GrundriĂź des dorischen Tempels 137
Verzeichnis der Abbildungen. XV
Figur Seite
69. Säulenreste vom dorischen Tempel. Photographie 137
70. Der dorische Tempel, wiederhergestellt. Zeichnung nach Skizze tlcs
Verfassers 138
71. (GrundriĂź des groĂźen Theaters 143
72. Innenansicht des groĂźen Theaters. Photographic 145
73. Plan des Bühnengebäudes in seiner ersten Form. Rom. Mitt. 1906, S. 7 153
74. Plan des Biihnengebäudes in seiner zweiten Form. Rom. Mitt. 1906.
S. 10 157
75. Bassins in der Orchestra. Rom. Mitt. 1906, Taf. I 158
76. GrundriĂź des kleinen Theaters 160
77. Innenansicht des kleinen Theaters. Photographie . â– . 161
78. Durchschnitt einer Sitzstufe im kleinen Theater. Mazois IV 29 . . . 162
79. Ein Atlant im kleinen Theater. Mazois IV 29 163
80. EndstĂĽck der BrĂĽstung im kleinen Theater. Mazois IV 29 163
81. GrundriĂź der Gladiatorenkaserne 164
82 a. Eine Gladiatorenbeinschiene. Photographie 168
82 b. Gladiatorenhelm. Photographie 169
83. P'ußeisen aus dem Gefängnis der (iladiatorcnkaserne. Photographie . 170
84. Grundriß der Palästra 171
85. Ansicht der Palästra, mit Basis, Tisch und Treppe. Photographie . . 171
86. Doryphoros, Statue aus der Palästra. Photographie 172
87. GrundriĂź des Isistempels 176
88. Ansicht des Isistempels. Photographie 178
89. Der Isistenipel, wiederhergestellt. Zeichnung nach Skizze des \'er-
fassers 179
90. Szene aus dem Isiskult: Anbetung des heiligen Wassers. Wandgemälde
aus Herculaneum. Zeichnung nach Photographie 183
91. P'assade der Jünfriedigung des Wasserbehälters beim Isistempel. Zeich-
nung nach Mazois IV 11 und Piranesi 1S4
92. Stuckreliefs auf der Ostseite der Einfriedigung des Wasserbehälters.
Perseus und Andromeda, schwebende Amorcn. Mazois l\ 10 . . 185
93. (jrundriĂź des Tempels des Zeus Meilichios 188
94. TĂĽrpfostenkapitell mit dem Kopf des Zeus Meilichios. Mazois IV 6. 189
95. GrundriĂź der Stabianer Thermen 195
96. Frigidarium der Stabianer Thermen. Zeichnung mit Benutzung von
Niccolini, Gase e Monumenti dl Pompei 196
97. Badewanne im Frauencaldarium der Stabianer Thermen mit \'orrich-
tung zum Warmhalten des Wassers. Zeichnung mit Benutzung von
V. Duhn und Jacobi, Der griech. Tempel in Pompeji, Taf. IX. . . 199
98. Säulenhalle der Stabianer Thermen ; Kapitell und tJebälk. Zeichnung 203
99. Südwestecke der Palästra der Stabianer Thermen. Photographie . . 204
100. GrundriĂź'' der Thermen beim Forum 206
lOi. Männertepidarium der Thermen beim Forum. Photographie .... 20S
102. I.ängenschnitt des Männercaldariums der Thermen beim Fonim. Zeich-
nung mit Benutzung von (lell (1832J II 32 209
XVI Pompeji.
Figur Seite
103. Apodyterium und Frigidarium des Frauenbades der Thermen beim
Forum. Gell (1832) I 33 210
104. GrundriĂź der Centralthermen 212
105. Centralthermen: Blick von der Palästra auf das Tepidarium. Photo-
graphie 214
106. Das Amphitheater von Westen gesehen. Photographie 217
107. Vorbereitungen zum Kampfe. Wandgemälde aus dem Amphitheater.
Mazois IV 48 218
108. Grundriß des Amphitheaters in verschiedener Höhe. Overbeck-Mau
Fig. 103 219
109. Querschnitt des Amphitheaters. Mazois IV 46 221
110. GnmdriĂź der Galerie des Amphitheaters 222
111. Schlägerei zwischen Pompejanern und Nucerinern. Wandgemälde.
Overbeck-Mau, Pompeji, Fig. 3 224
112. Ende eines Gladiatorenkampfes. Wandgemälde. Mazois IV 48 (vgl.
Heibig 1516) 228
113. Ansicht der AbbondanzastraĂźe, nach Osten blickend. Photographie . 231
114. Brunnen, Wasserleitungspfeiler und StraĂźenaltar an der Ecke der
Stabianer und Nolaner StraĂźe. Photographie 234
115. Grundriß des Wasserbehälters westlich der Thermen beim Forum . . 235
116. GrundriĂź des Kastells der Wasserleitung 236
117. SĂĽdfassade des Kastells der Wasserleitung. Photographie 238
118. Alter Altar in einer JĂĽngern Mauer, SĂĽdostecke der Centralthermen.
Photographie 239
119. GrundriĂź einer Kapelle der Lares Compitales 240
120. Größerer Straßenaltar. Photographie 241
121. GrundriĂź eines Teiles der Stadtmauer. Mazois I 12 243
122. Innenansicht der Stadtmauer nach Entfernung der Erdböschung. Photo-
graphie 244
123. Turm der Stadtmauer, wiederhergestellt. Mazois I 13 246
124. GrundriĂź des Stabianer Tores ... 247
125. GrundriĂź des Herculaner Tores 248
126. Das Herculaner Tor mit dem Blick die Gräberstraße hinab. Photogr. 249
127. Altpompejanisches Haus, wiederhergestellt. Zeichnung nach Skizze
des Verfassers 251
128. GrundriĂź eines pompejanischen Hauses 252
129. GrundriĂź und Durchschnitt des Vestibulum, der Schwelle und der
Fauces im Hause des Pansa. Overbeck-Mau Fig. 136 nach Ivanoff,
Mon. d. Inst. VI 28, 3 254
130. Tuscanisches Atrium: Oberansicht des Daches. Mazois II 3 .... 256
131. Tuscanisches Atrium: Durchschnitt. Mazois II 3 257
132. Ecke eines Compluviums mit Wasserspeiern und Stirnziegchi. Overbeck-
Mau Fig. 120 258
133. Eine Geldkistc, arca. Photographie 260
134. Atrium im Hause des Cornelius Kufus. Photographie 261
Verzeichnis der Abbildungen. X\ II
Figur Seile
135. Bronzene Halter fĂĽr den Vorhang des Tablinum 262
136. Durchschnitt eines Schlafzimmers im Hause des C"entauren. Zeichnung
nach Skizze des Verfassers 269
137. (IrundrifV eines Speisezimmers mit den drei Betten 270
138. Clrundril'N eines Speisezimmers mit Vorzimmer, in dem ein Altar steht 271
139. (irundriĂź eines Speisezimmers im Hause der silbernen Hochzeit , . . 272
140. Herd in der KĂĽche des Hauses der Vettier. Zeichnung 274
141. Nische für die Hausgötter in der Küche der Casa di Apollo. Photo-
graphie 276
142. Larentempel im Hause des Kpidius Sabinus, III IX), i, 22. Overbeck-
Mau, Pompeji, Fig. 146 277
143. Larenheiligtum im Hause der Vettier. Photographie 279
144. Haus mit Erker. Overbeck-Mau, Pompeji, Fig. 145 281
145. Das Innere eines Hauses mit oberem, auf das Atrium geofTneten Speise-
raum. Zeichnung nach Skizzen des Verfassers 2S2
146. Längenschnitt des Hauses mit oberem Speiseraum. Zeichnung nach
Skizze des Verfassers 283
147. GmndriĂź eines I>adens. Mazois II 8 285
148. Ein El>warenladen, wiederhergestellt. Mazois II 8 286
149. {lrundril> des Hauses des Chirurgen 290
150. Malerin. Wandgemälde aus dem Hause des Chirurgen. Pitt, di
Frcol. Vi 292
151. Crundril> des Hauses des Sallust. Mazois 11 35 295
152. Atrium im Hause des Sallust, wiederhergestellt. Zeichnung nach Skizzen
des Verfassers 297
153- Längenschnitt des Hauses des Sallust, wiederhergestellt. Zeichnung
nach Skizze des Verfassers 297
154. (larten mit Triclinium im Hause des Sallust, wiederhergestellt.
Mazois II 38 298
155. CirundriĂź des Hauses des Faun 300
156. Cesims ĂĽber der HaupttĂĽr des Hauses des l-'aun. Zeichnung nach
Skizze des Verfassers 301
157. Fassade des Hauses des Faun, wiederhergestellt. Zeichnung nach
Skizze des Verfassers 302
158. Mosaikschwelle mit tragischen Masken, FrĂĽchten und Blumen am inneren
Ende der Fauces im Hause des Faun. Overbeck-Mau Fig. 315 . . 303
159. Längenschnitt des Hauses des Faun, wiederhergestellt. Zeichnung
nach Skizze des \'erfassers 304
160. Detail aus dem Alexandermosaik (Taf. \'IU . Photographie 307
161. Querschnitt des Hauses des Faun durch die beiden .\trien. Zeichnung
nach Skizze des Verfassers 30S
162. (Irundrih des Hauses bei der Porta Marina 312
163. Längenschnitt des Hauses bei der Porta Marina. Zeichnung nacli
Skizze des Verfassers 3 L5
164. (irundrib des Hauses der .silbernen Hochzeit 316
XVin Pompeji.
Figur Seite
165. Längenschnitt des Hauses der silbernen Hochzeit. Zeichnung nach
Skizze des Verfassers 318
166. Querschnitt des Hauses der silbernen Hochzeit. Zeichnung nach Skizze
des Verfassers 321
167. GrundriĂź des Hauses des Epidius Rufus 327
168. Fassade des Hauses des Epidius Rufus, wiederhergestellt. Zeichnung
nach Skizze des Verfassers 327
169. Querschnitt des Hauses des Epidius Rufus. Zeichnung nach Skizze
des Verfassers 327
170. GrundriĂź des Hauses des tragischen Dichters 329
171. Haus des tragischen Dichters: Blick aus dem Atrium durch das Tabli-
num. Photographie 330
172. Längenschnitt des Hauses des tragischen Dichters, wiederhergestellt.
Zeichnung nach Skizze des Verfassers 331
173. Zeus und Plera auf dem Ida. Wandgemälde aus dem Hause des tra-
gischen Dichters. Photographie 332
174. Fortführung der Briseis. Wandgemälde aus dem Hause des tragischen
Dichters. Photographie 333
175. Opfer der Iphigenie. Wandgemälde. Photographie 336
176. AuĂźenansicht des Hauses der Vettier, wiederhergestellt. Zeichnung
nach Skizze des Verfassers. Rom. Mitt. 1896, S. 4 338
177. GrundriĂź des Hauses der Vettier 339
178. 179. Längenschnitt und Querschnitt des Hauses der Vettier, wieder-
hergestellt. Zeichnungen nach Skizzen des Verfassers. Rom. Mitt.
1896, Taf. L II 340
180. Basis, Kapitell und Gebälk des Portikus am Peristyl des Hauses der
Vettier. Zeichnung. Rom. Mitt. 1896, S. 31 343
181. Garten im Hause der Vettier. Photographic 344
182. Schema der Wandteilung in dem grollen Saal am Peristyl des Hauses
der Vettier 346
183. Agamemnon im Heiligtum der Artemis. Wandgemälde im Hause der
Vettier. Photographie 348
184. Apollo nach Tütung des Drachen Python. Wandgemälde im Hause
der Vettier. Photographie 349
185. Ölpresse. Aus einem Wandgemälde aus Herculaneum, Zeichnung nach
Pitt. d'Ercol. I 35 352
186. Amoren die Vestalia feiernd. Wandgemälde im Hause der \'ettier.
Zeichnung. Rum. Mitt. 1896, S. 80 354
187. Amoren bei der Weinlese. Wandgemälde im Hause der X'ettier. Zeich-
nung. Rom. Mitt. 1896, S. 81 355
188. P>lumenpflückende Psychen. Wandgemälde im Hause der Vettier. Photogr. 356
189. Bestrafung Ixions. Wandgemälde im Hause der Vettier. Photographie 358
190. GrundriĂź des Hauses des Acceptus und der l-Aihodia 360
191. Längenschnitt des Hauses des Acceptus und der luihodia, wieder-
hergestellt. Zeichnung nach Skizze des \ crfassers 361
Verzeichnis der Abbildungen. XIX
Figur Seite
192. GrandriĂź eines Hauses ohne Compluvium 362
193. Querschnitt des Hauses ohne Compluvium. Zeichnung nach Skizze des
Verfassers. Rom. Mitt. 1895, S. 148 , 363
194. (IrandriĂź des Hauses Kaiser Josephs II 364
195. Bäckerei im Hause Kaiser Josephs IL Mazois II 34 366
196. Durchschnitt eines Teiles des Peristyls im Hause des Ankers, wieder-
hergestellt. Zeichnung nach Skizze des \'erfassers 368
197. (irundril> des Hauses des I'ansa 369
198. l'ilasterkapitell am Eingange der C'asa dei capitelli figurati. I'hotographie 370
199. CrandriĂź der Casa del C'itarista 373
200. Orestes und Pylades vor König Thoas. Wandgemälde aus der Casa
del Citarista. Photographie 374
201. Schreibgerät und Brief. Wandgemälde aus dem Hause des Lucretius.
Mus. Horb. XIV, AB 375
202. CnindriĂź der Villa des Uiomedes 377
203. Längenschnitt der Villa des Diomedes, wiederhergestellt. Zeichnung
nach Skizze des Verfassers, mit Benutzung von Ivanoff, .\rchitekton.
Studien II, Taf. 5, 6 378
204. Wasserkessel und Rohrenleitung des Bades in der \'illa rustica bei
Boscoreale. Zeichnung. Rom. Mitt. 1894, S. 353 383
205. Ăślivenquetschmaschine. Photographie 386
206. Speisebettt mit Bronzebeschlag. Overbeck-Mau Fig. 228 390
207. Runder Marmortisch. Mus. Borb. IV 56 390
208. TischfuĂź aus dem Hause des Faun. Mus. Borb. l.X 43 390
209. Bronzener Dreiful\ Photographie 391
210. Einfache einflammige Lampen. Overbeck-Mau Fig. 231 392
211. Zweiflammige Lampen. Llbenda 392
212. Mehrllammige Lampen. Ebenda 392
213. Bronzelampen. L^benda 392
214. Bronzelampen mit Figuren. Ebenda 392
215. Drei Hängelampen. Ebenda 393
216. Biberon. Ebenda 393
217. P)ronzekandelaber. Mus. Borb. I\' 57 394
218. Lampenträger für eine Handlampe 396
219. I.ampenträger für Hängelampen. Mus. Borb. II 13 . . 396
220. Lampenträger in Form eines Baumes 396
221. Kleiner Lampenträger mit Lampe. Photographie 396
222. Bronzenes Küchengerät. Overbeck-Mau Fig. 241, nach Mus. Borb. . 397
223. Cefäi^ zum Mischen des Weines Krater. Mus. Borb. II 32 39S
224. (Jefäß um Wasser zu wärmen, .\uthcpsa. Mus. Borb. III 63 .... 39S
225. Wasserwärmer und Kohlenbecken. Mus. Borb. II 46 399
226. Wasserwärmer und Kohlenbecken in Form einer Festung. Mus.
Borb II 46 399
227. Kämme. Mus. Borb. IX 15 399
228. Badegerät. Mus. Borb. VII 16 399
XX Pompeji.
Figur Seite
229. Elfenbeinerne Haarnadeln. Zwei kleine Elfenbeingefäße. Overbeck-
Mau Fig. 252 nach Mus. Borb. IX 14, 15 400
230. Gläserne Schminkbiichse. Mus. Borb. IX 15 400
231. Handspiegel. Overbeck-Mau Fig. 252 nach Mus. Borb. IX 14 ... 400
232. Toilettengerät. Overbeck-Mau Fig. 252 nach Mus. Borb. IX 15 . . . 400
233. Goldenes Armband. Mus. Borb. VII 46 401
234. Silberne Becher. Mus. Borb. X 14. XIII 49 402
235. Bäckerei mit Mühlen. Photographie 406
236. Grundriß einer Bäckerei 407
237. MĂĽhle, ohne das Holzwerk. Zeichnung 408
238. Durchschnitt einer MĂĽhle, wiederhergestellt. Zeichnung nach Skizze
des Verfassers 408
239. Eine Mühle in Tätigkeit. Relief des vatikanischen Museums. Jahn,
Sachs. Ber. 186 1, Taf. XII 2 409
240. Durchschnitt eines Backofens. Mazois II 18 409
241. Knetmaschine, GrundriĂź und Durchschnitt. Zeichnung nach Skizze
des Verfassers 410
242. Szene aus der Fullonica : das Waschen der Stoffe. Wandgemälde.
Mus. Borb. IV 49 413
243. Szene aus der Fullonica: Ablieferung; das Rauhen des Stoffes; GerĂĽst
zum Schwefeln, Wandgemälde. Mus. Borb. IV 49 413
244. Presse der Fullonica. Wandgemälde. Mus. Borb. IV 50 414
245. GrundriĂź einer Fullonica 415
246. GrundriĂź der Gerberei 416
247. Mosaik auf dem Tische im Garten der Gerberei. Photographie. . . 417
248. GrundriĂź des Wirtshauses VII, 12, 35 420
249. GrundriĂź der Herberge des Hermes 420
250. GrundriĂź einer Schenke 421
251. Szene in einer Schenke. Wandgemälde. Mus. Borb. IV, A . . . . 422
252. Umfüllung des Weines. Wandgemälde. Mus. Borb. IV, A 422
253. Gräber des Veius, des Porcius, der Mamia, der Istacidier. Photogr. . 429
254. CJrab der Istacidier, wiederhergestellt. Zeichnung nach Skizze des
Verfassers 43 1
255. Ansicht der Gräberstraße. Photographie 433
256. (jlasgefäß mit Darstellung der Weinlese. Photographie 435
257. BĂĽstenstein der Tyche, Sklavin der Livia. Mazois I S. 31 437
258. Grab des Umbricius Scaurus. Mazois I 30 438
259. Rundes Grab, Durchschnitt. Mazois I 28 439
260. Grab des Calventius Quietus mit Darstellung des Biselliums. Photogr. 440
261. Grab der Naevoleja Tyche mit dem in den Hafen einlaufenden Schiff.
l'hotographie 44I
262. Gläserne Aschenurnc in IHcikapsel. Mazois 1 22 442
263. Stuckrelief am runden (Irab. Mazois I 29 442
264. Triclinium funebre. Mazois I 20 443
265. (mmdriß der Gräber an der Stral^e nach Nuceria . 450
Verzeichnis der Abbildungen. XXI
Kiyur Seite
266. Ansicht zweier Gräber an der Strar''e nach Nuccria, 3 und 4 auf dem
Plan Fig. 265. Photographie 452
267. Ansicht zweier Gräber an der Stral^e nach Nuceria, 5 und 6 auf dem
Plan Fig. 265. Photographie 453
268. \'ierseitiges ionisches Kapitell an der Vorhalle des Forum trianguläre.
Overbecl<-Mau Fig. 272 457
269. TĂĽrkapitell an der Merkurstral^e 457
270. Altar vor dem Tempel des Zeus Meilichios. Mazois IV 6 458
271. Phantasiekapitelle aus farbigem Stuck 460
272. Modifiziertes korinthisches Kapitell 461
273. Phantasiekapitelle von Pilastern 461
274. Statue der Priesterin Eumachia. Photographie 464
275. Porträtherme des Caecilius Jucundus. Photographie 465
276. Bacchus und Ariadne. DoppelbĂĽste aus dem Hause der \'ettier. Photo-
graphie 466
277. Tanzender Satyr. ]5ronzestatuette aus dem Mause des Faun. Photo-
graphie 468
278. Bacchus, sogen. Narcissus. Bronzestatuette. Photographie 469
279. Wanddekoration ersten Stiles im Atrium des Hauses des Sallust. Mau,
Geschichte der dekorativen Wandmalerei in Pompeji, Taf. II . . . 476
280. Verteilung der Farben auf der Wand Fig. 279 477
281. Wanddekoration dritten Stiles im Hause des Spurius Mesor. Mau, Wand-
malerei, Taf. XII 484
282. Detail einer Wandmalerei vierten Stiles. Pitt, d' Frcol. IV 58 . . . 486
283. Wanddekoration vierten Stiles. Nach einer Zeichnung des Museums
in Neapel 487
284. Stilleben, Xenion. Wandgemälde. Pitt, d' Ercol. II 58 492
285. Landschaft. Wandgemälde. Pitt, d' Ercol. V S. 149 493
286. Hekuba bei der Heimbringung der Leiche Ilektors. Aus einem Wand-
gemälde. Ann. d. Inst. 1877, Taf. P 495
287. Entführung der Europa. Wandgemälde. Photographie 496
288. Frauen, deren eine zwei Instrumente stimmt. Wandgemälde. Photo-
graphie 497
289. Porträt des Pacjuius Proculus und seiner Gattin. Wandgemälde. Photo-
graphie 498
290. Athene und Marsyas. Wandgemälde. Zeichnung. Rom. Mitt. 1890,
S. 267 500
291. Daedalus und Ikarus. Wandgemälde. Zeichnung. Riim. Mitt. 1890,
S. 264 501
292. 293. Triptychon des Caecilius Jucundus, geöffnet und versiegelt.
Overbeck->Lau, Tafel bei S. 489 516. 517
294. Karte von Herculaneum und Umgegend. Nach La \'ega bei J\osini ,
Dissert. isagogica ad Herculanensium voluminum explanationem . . 533
295. Grundril> des Forums (sogen. Basilika) von Herculaneum. Cochin u.
Bellicard, Observation sur les antiquites dllerculaneuni, Taf. 5 . . 535
XXII Pompeji.
Figur Seite
296. Herakles und Telephos. Wandgemälde der sogen. Basilika in Hercu-
laneum. Photographie 537
297. Gnmdriß des Theaters von Herculaneum in verschiedener Höhe. Nach
Mazois, Ruines de Pompei IV, Taf. 35 und Ruggiero, Storia degli
scavi di Ercolano, Taf. V, VI 540
298. Längenschnitt des Theaters von Herculaneum. Ruggiero. Storia degli
scavi di Ercolano, Taf. VI 541
299. Grundrif^ des Tempels der Göttermutter in Herculaneum. Zeichnung
des Verfassers nach der Skizze Webers bei Ruggiero, Storia degli
scavi di Ercolano, S. 252 544
300. GrundriĂź der Villa bei Herculaneum. Ruggiero, Storia degli scavi di
Ercolano, Taf. IX 546 — 547
301. Kämpfende Athene. Marmorstatue aus der Villa bei Herculaneum.
Photographie 550
302. Tänzerin. Bronzestatue aus der Villa bei Herculaneum. Photographie. 551
303. König Pyrrhus. Marmorbüste aus der Villa bei Herculaneum. Photo-
graphie 552
304. GrundriĂź eines Grabes bei Herculaneum. Cochin u. Bellicard, Obser-
vations sur les antiquites d'Herculanum, Taf. 6 553
EINLEITUNG.
Kapitel I.
Die Lrage von Pompeji.
Von Gaeta, wo die Volskerberge steil ins Meer abfallen, bis
zur Halbinsel von Sorrent öffnete sich in unvordenklicher Zeit
ein weiter, tief in das Land einschneidender Meerbusen. Seine
Wellen bespĂĽlten den FuĂź der Berge, die jetzt, steil ansteigend,
die campanische Ebene östlich begrenzen: der Tifata bei Capua,
der Taburnus bei Nola, der mächtige Querriegel des Monte
Santangelo und der sich ihm anschlieĂźenden Sorrentiner Berge.
Vulkanische Kräfte verwandelten die Meeresbucht in eine frucht-
bare Ebene. Zwei Spalten der Erdrinde kreuzen sich hier, beide
bezeichnet durch eine Reihe teils noch tätiger, teils erloschener
Vulkane. Die eine läuft in der Längenrichtung der Halbinsel :
Monti Berici bei Vicenza, Monte Amiata bei Chiusi, Kraterseen
von Bolsena und Bracciano, Albanergebirge, Stromboli, Ă„tna, die
andere von Ost nach West: Vultur bei Vcnosa, Ischia, Ponza-
inseln. Den Kreuzpunkt bezeichnet der Vesuv, der einzige noch
tätige Vulkan des europäischen Festlandes.
An drei Stellen der alten Meeresbucht kam das unterirdische
Feuer zum Durchbruch. Nahe dem Nordufer erhob sich der
mächtige Vulkan von Rocca Monfina; sich den Volskerbergen
anschlieĂźend bildet er mit dem von seinen Auswurfsmassen
ĂĽberschĂĽtteten Mons Massicus, einst einer Meeresinsel, die Nord-
grenze der Ebene. In der Mitte entstanden aus den zahlreichen
kleinen Feuerschlünden der phlegräischen Felder die niedrigen
Höhen, denen jetzt das Nordufer ■des Golfs von Neapel — Posi-
lipo, Bajae, Misenum — seinen unvergleichlichen landschaftlichen
Reiz verdankt. Endlich der mächtige Kegel des Vesuv, nahe
dem Südrande, aber völlig isoliert; sein Südostfuß wird vom
M.1U. Pompeji. 2. Aufl. I
2 Pompeji.
Meere bespĂĽlt, sonst trennt ihn ringsum fruchtbare Ebene von
den die alte Meeresbucht einrahmenden Bergen. Doch tritt er
diesen im Nordosten, bei Ottajano und Palma, so nahe, daĂź wir
wohl sagen dĂĽrfen, er teilt die campanische Ebene in zwei Teile,
den größeren, nordwestlichen, vom Volturnus durchflossenen, und
den kleineren SĂĽdostwinkel, das Tal des Sarno.
CAPREAE ^ , , . ..
''^T^l^
Fig. I. Karte des alten Campanien.
Der Sarno hat, hierin dem umbrischen Clitumnus ver-
gleichbar, keinen Oberlauf; er entsteht aus fĂĽnf am FuĂźe des
Taburnus aufsprudelnden Quellen, die sich nach kurzem Laufe
zu dem wasserreichen Flusse vereinigen, der jetzt, seit 1843,
trefflich kanalisiert, durch wohlgeordnete Bewässerung diese
Ebene zu einem der fruchtbarsten Teile Italiens macht. Im
Altertum floĂź er in einem einzigen Bett: wir schlieĂźen dies
daraus, daĂź er, wie Strabo bezeugt, schiATaar war.
Drei Städte teilten sich in römischer Zeit in den Besitz der
I. Die Lage von Pompeji. -i
Sarnoebene. Im innersten Winkel, wo sich der an den Golf von
Salerno hinüberführende Gebirgspaß öffnet, lag Nuceria, jetzt
Nocera; am Meeresufer, wo sich sĂĽdlich die KĂĽstenstraĂźe nach
Sorrent abzweigt, Stabiae, jetzt Castellammare ; nördlich am Ab-
hänge des Vesuv Pompeji, auf einer den Sarno überragenden
Höhe, dem Ende eines in unvordenklicher Zeit meerwärts ge-
flossenen Lavastromes. Es vereinigte so die Vorteile des leicht
zu befestigenden Hügels mit denen der Hafenstadt. > Pompeji«,
sagt Strabo, »liegt am Sarnus, auf dem Waren ein- und aus-
gefĂĽhrt werden; es ist der Hafenplatz fĂĽr Nola, Nuceria und
Fig. 2. Vesuv von Neapel aus gesehen.
Acerrae«. Ein Blick auf die Karte zeigt, wie sehr Pompeji ge-
eignet war, den Seeverkehr Nolas und Nucerias zu vermitteln.
Rätselhaft und unglaublich scheint es, daß Acerrae, dem Neapel
viel näher lag, seine Waren rings um den Vesuv herum an den
Sarno gefĂĽhrt und von dort aus bezogen haben soll. Wie dem
auch sei, sicher war Pompeji die wichtigste Stadt des Sarnotales.
Pompeji lag sowohl dem Meere als dem Flusse näher als jetzt.
Das Meeresufer ist durch die Anschwemmungen des Flusses im
Laufe der Jahrhunderte immer weiter vorgeschoben worden.
Jetzt ist es etwa 2000 m von dem nächsten Punkte der Stadt
entfernt, im Altertum trat es bis auf 500 m an sie heran. —
Noch jetzt ist an einer starken Terrainsenkung die alte KĂĽstcnlinie
kenntlich, und nur bis hierher liegen, wie durch Nachgrabungen
festgestellt ist, in regelmäßiger Schichtung die im Jahre 79 vom
A Pompeji.
Vesuv ausgeworfenen Verschüttungsmassen. — Der Sarno fließt
jetzt etwa looo m von Pompeji. Man ist aber bei Ausgrabungen
im Jahre 1880 auf einen 5 — 600 m von der Stadt entfernten
Gebäudekomplex gestoßen, in dem nicht ohne Wahrscheinlichkeit
die Hafen Vorstadt vermutet wird. Ist dies richtig, so floĂź hier
damals der FluĂź.
Klimatisch und landschaftlich konnte der Punkt nicht besser
gewählt werden. Aus reiner, heller Luft sah der Pompejaner
hinab auf die Nebel, die in der feuchten Jahreszeit häufig, aus
dem Flusse aufsteigend, die Ebene verhüllen. Und während das
gegenĂĽberliegende Stabiae, am Nordwestabhange hoher Berge,
im Winter nur während kurzer Tagesstunden das Sonnenlicht
genoĂź, liegt der StadthĂĽgel von Pompeji, nach Osten und SĂĽden
sanft abgedacht, nach Westen steil abfallend, den ganzen Tag
im vollen Himmelslicht. Milde und kurz ist der Winter, lang
F"rĂĽhling und Herbst, milde auch der Sommer. DrĂĽckend ist
wohl manchmal in den ersten Morgenstunden die Hitze. Kein
LĂĽftchen rĂĽhrt sich; sehnsĂĽchtig blicken wir hinaus auf die
spiegelnde Meeresfläche, wo fern am Horizont, bei Capri, ein
dunkler Streifen bewegter Wellen sichtbar wird. Näher kommt
er und näher. Etwa um 10 Uhr erreicht er das Ufer; die Blätter
beginnen zu rauschen, und bald bläst kräftig, erfrischend und
kĂĽhlend der Meerwind ĂĽber die Stadt hin. Erst kurz vor Sonnen-
untergang legt er sich: windstill sind die ersten Abendstunden:
das Pflaster der Straßen, die Mauern der Häuser verbreiten aus-
giebig die im Laufe des Tages eingesogene Sonnenglut. Aber
nicht lange. Wieder rauscht es in den Wipfeln — es mag neun
Uhr sein — und von den Bergen des Binnenlandes herab zieht
die Nacht hindurch ein leiser, kühler Luftstrom durch die Gärten,
die luftigen Atrien und Portiken der Häuser, die stillen Straßen
und die Hallen des Forums. Unvergleichlich ist der Zauber
einer solchen Sommernacht.
Wie soll ich es versuchen, dem Leser einen Begriff zu geben
von dem landschaftlichen Reiz der Lage Pompejis? Zu schwach
sind Worte gegenüber der überwältigenden Wirklichkeit. Meer,
Gebirge und Ebene, ernste und freundliche Motive, groĂźe
Formen und glĂĽhende, aber doch harmonisch gestimmte Farben,
mächtige Nahwirkungen und duftige Fernen, unberührte Natur
I. Die I^age von Pompeji. e
und blĂĽhende menschliche Ansiedelung: alles dies vereinigt sich
zu einem Landschaftsbilde groĂźen Stils, dem sich nicht leicht
ein anderes an die Seite stellen kann. Blicken wir nach SĂĽden,
so haben wir zu unseren Füßen die völlig horizontale Sarno-
ebene, belebt wie jetzt so vermutlich schon im Altertum durch
zahlreiche, von Bäumen umgebene Gehöfte. Jenseits der Ebene
die hohe Bergwand des Monte Santangelo, fast ganz bewaldet,
mit schönem, langgeschwungenem Profil, nur an einer Stelle,
P'ig. 3. Blick V(.ii Fomiieji nach SĂĽden.
mehr nach rechts, in kahlen, schroffen Zacken aufragend. Unten
reiche Gliederung: in tief einschneidenden Tälern, auf vorspringen-
den HĂĽgeln und stufenartig ansteigenden Terrassen winken hier
zwischen Wein- und Ülpflanzungen freundliche Ortschaften —
Gragnano, Lettere — so nahe, daß wir die einzelnen Häuser
deutlich unterscheiden. Weiter rechts, westlich, öffnet sich die
Sarnoebene auf das Meer; die flache KĂĽste ist wirkungsvoll
belebt durch die zackige kleine Felseninsel Revigliano; die die
Ebene begrenzenden Berge setzen sich fort in der steilen KĂĽste
6 Pompeji,
der Sorrentiner Halbinsel. Auch hier reiche Gliederung. Eine
Bergmasse schiebt sich hinter die andere, dazwischen Ortschaften
inmitten ihrer Ă–lpflanzungen: bald sind die stufenweise zum Meer
absteigenden HĂĽgel bis unten hin bewachsen, bald ist von
den schroffen Abhängen das Erdreich abgestürzt und tritt der
nackte Fels zutage, rötlich schimmernd im Glanz der Abend-
sonne, wunderbar gestimmt zu dem dunklen Laub und der tief-
blau leuchtenden Meerflut. Matter, duftiger werden weiterhin die
Farben; es bedarf schon schärferen Hinblickens, um oberhalb
der steil abfallenden FelskĂĽste Sorrent zu erkennen. Und wo
die Halbinsel endet, da kommt, teilweise von ihr verdeckt, Capri
zum Vorschein, die phantastisch geformte, hochaufragende Felsen-
insel, hell beglänzt von der scheidenden Sonne. Und wenden
wir uns nun noch weiter rechts, nach Norden, da schwindet all
die bunte Herrlichkeit; nichts weiter sehen wir als den mächtig
die Ebene und die Stadt ĂĽberragenden Kegel des groĂźen Zer-
störers, des Vesuv. In tiefes Violett hüllt die scheidende Sonne
den kahlen Aschenkegel, goldig glänzend hebt sich die Rauch-
wolke von seinem Gipfel. Weiter unten Rebengelände und weiße
Häuser zwischen dem grünen Laub. In großartig einfacher Linie
senkt sich das Profil des Berges zum Meere; kurz ehe es die
blaue Flut erreicht, kommen hinter ihm ferne, in Duft gehĂĽllte
Berge zum Vorschein, erst niedrig, dann weiter ins Meer hinein
höher aufragend: es sind die die Nordküste des Golfes begleiten-
den Höhen: der Gaurus, jetzt bekrönt von dem wegen seiner
herrlichen Aussicht berühmten Kloster Camaldoli, die Höhen
um Bajae, das steil abstĂĽrzende Cap Misenum und endlich, den
AbschluĂź bildend, der gewaltige Kegel des Epomeo auf Ischia.
So umfaĂźt das Auge die ganze Ă–ffnung des weiten Golfes.
Zwischen diesen fernen Höhen und dem Abhänge des Vesuv
verbirgt sich Neapel.
Aber unterdes ist die Sonne hinter Misenum versunken: ihre
letzten Strahlen treffen die Rauchwolke des Vesuv und die Zacken
des Monte Santangelo. Verschwunden ist die leuchtende Farben-
pracht, das ermĂĽdete Auge ruht in der sanften Abendstimmung.
Auch wir nehmen Abschied von der Naturschönheit des Vesuv-
abhanges und wenden uns zur Betrachtung der Anfänge der hier
gegrĂĽndeten Stadt.
Kapitel 11.
Pompeji vor der VerschĂĽttung.
Wir wissen nicht, wann Pompeji entstanden ist. DaĂź ein zur
StadtgrĂĽndung so vorzĂĽglich geeigneter Platz frĂĽhzeitig besetzt
wurde, ist mehr als wahrscheinlich. Das älteste Gebäude, der
dorische Tempel auf dem Forum trianguläre, zeigt den Stil des
6. Jahrh. v. Chr.: wir werden annehmen dĂĽrfen, daĂź damals die
Stadt schon bestand. Die GrĂĽnder waren Osker, ein weitverbrei-
teter Zweig des italischen Volksstammes, dessen der lateinischen
verwandte Sprache aus einer beträchtlichen Anzahl von Inschriften
mangelhaft bekannt ist, so mangelhaft, daß in jeder größeren
Inschrift Worte vorkommen, deren Bedeutung dunkel oder doch
zweifelhaft bleibt. Aus dieser Sprache stammt auch der Name
der Stadt: ponipe heiĂźt im Oskischen fĂĽnf. Wenn wir annehmen
dĂĽrften, was freilich ungewiĂź ist, daĂź, wie der lateinische, so auch
der einheimische Name — überliefert ist nur das von ihm ab-
geleitete Adjektiv po7Hpaiians^ pompejanisch — pluralische Form
hatte, so wäre wohl von dem Zahlwort zunächst der Geschlechts-
name Pompeius (lateinisch wĂĽrde er Quinctius heiĂźen) und erst
von diesem der Stadtname abgeleitet, Pompeji, die Stadt des
Geschlechts der Pompejer, wie Tarquinii die Stadt der Tarquinier,
Veji die Stadt der Vejer. Und noch bis in die letzte Zeit war
der Name Pompeius in Pompeji, sowie auch sonst in Campanien.
namentlich in Puteoli, ein sehr häufiger.
Vergegenwärtigen wir uns kurz die Hauptpunkte der Geschichte
Campaniens. Von dem ältesten, oskischen Pompeji wissen wir
sehr wenig. Der älteste Tempel der Stadt (s. unten Kap. XX)
ist erbaut in dem dorischen Stil der unteritalisch -griechischen
Tempel des 6. Jahrh. v. Chr. Es scheint also, daĂź damals, w ie
an sich wahrscheinlich, Pompeji unter dem EinfluĂź der frĂĽhzeitig
in Cumae, Dicaearchia (Puteoli), Parthenope Neapel) ansässigen
8 Pompeji.
Griechen stand. Dann ist — wir wissen nicht recht wann —
Campanien von den Etruskern unterworfen worden. DaĂź ihre
Herrschaft sich auch ĂĽber Pompeji erstreckte, bezeugt Strabo,
und es wird bestätigt durch Gebäudereste — zwar nur sehr ge-
ringe — etruskischen Charakters, von denen weiterhin die Rede
sein soll. Die etruskische Herrschaft in Campanien — es wird
mehr eine Herrschaft kriegerischer Geschlechter als eine eigent-
liche Besiedelung gewesen sein — erlag gegen das Ende des
5. Jahrh. den aus dem Gebirge in die KĂĽstenebene vordringenden
Samniten, Stammverwandten der Osker. Im J. 424 fiel Capua;
420 erstĂĽrmten sie das griechische Cumae. Auch Pompeji wird
damals in ihre Hand gefallen sein. Aber auch sie entzogen sich
nicht dem EinfluĂź der griechischen Kultur. Griechische Gott-
heiten — Apollo, Zeus Meilichios — wurden in Pompeji verehrt,
mit griechischen Namen sind auf dem Eichtisch die NormalmaĂźe
bezeichnet. Schon nach weniger als hundert Jahren fĂĽhrte der
Gegensatz zwischen den gebildeten, ĂĽppigem Wohlleben ergebenen
Campanern und den rauheren und streitbareren, im Gebirge zu-
rückgebliebenen Stammesgenossen zu neuen Kämpfen und damit
zur Einmischung Roms, welches in den samnitischen Kriegen
(342 — 290) beide Teile seiner Herrschaft unterwarf. Herrschaft in
Form eines ewigen Bündnisses, mit Selbstverwaltung der Städte.
Erst der »Bundesgenossenkrieg« (go — 88) und das Unterliegen
der Samniten in ihrem im Bunde mit der römischen Volkspartei
unternommenen Verzweiflungskampf fĂĽhrte mit dem Siege Sullas
zur vollständigen Unterwerfung und Romanisierung Campaniens.
Pompeji wird bei allen diesen Vorgängen nicht eben häufig
genannt. Wir hören aus dem zweiten Samniterkriege, im J. 310,
von der Landung einer römischen Flotte unter P. Cornelius in
der Sarnomündung und einem Plünderungszug stromaufwärts bis
Nuceria, der aber unrĂĽhmlich verlief, da das Landvolk die PlĂĽn-
derer ĂĽberfiel und ihnen die Beute wieder abnahm. Es fehlt an
einer ausdrĂĽcklichen Nachricht ĂĽber das Verhalten Pompejis nach
der Schlacht von Cannae (216); wahrscheinlich schloĂź es sich
Hannibal an, der aber schon im folgenden Jahre, bei Nola von
M. Marcellus besiegt, Campanien den Römern überlassen mußte.
Bestimmter wissen wir, daĂź im Bundesgenossenkriege, als im
Sommer 90 das samnitische Heer in Campanien einrĂĽckte, auch
II. Pompeji vor der Verschattung. q
Pompeji sich den Aufständischen anschloß und im Jahre 89 von
Sulla vergeblich belagert wurde. Sulla zog dann im Jahre 87
nach Asien gegen Mithradates. Im FrĂĽhjahr 83 siegreich zurĂĽck-
gekehrt, rückte er zunächst nach Campanien und verbrachte hier
mit seinem Heere den Winter 83 — 82 ; auch für Pompeji mögen
seine durch den asiatischen Krieg verwilderten Truppen schlimme
Gäste gewesen sein. Den Abschluß dieser Kämpfe bildete eine
im Jahre 80 v. Chr. nach Pompeji gesandte Veteranenkolonie.
P. Sulla, ein Neffe des Diktators, war mit ihrer Ansiedelung und
der Neuordnung des Gemeinwesens beauftragt; er erledigte sich
seiner Aufgabe in billiger und verständiger Weise, so daß auch
die Altbürger dankbar seiner Tätigkeit gedachten. Wir erfahren
alles dies aus einer Rede Ciceros, in der er den P. Sulla gegen
die Beschuldigung verteidigt, als sei er an der Verschwörung
Catilinas beteiligt gewesen und habe auch die AltbĂĽrger von Pom-
peji zum AnschluĂź an dieselbe verleiten wollen. Wir erfahren
aus eben dieser Rede, daĂź in der ersten Zeit nach GrĂĽndung der
Kolonie Streitigkeiten stattfanden zwischen den AltbĂĽrgern und
Kolonisten über die öffentlichen Spaziergänge (ambiilationes) und
ĂĽber die Abstimmungen, Letztere werden wohl so geordnet ge-
wesen sein, daĂź die Entscheidung immer bei den Kolonisten lag.
Der Streit wurde den Patronen der Kolonie vorgelegt und von
ihnen geschlichtet. Damit war die Geschichte Pompejis zum Ab-
schluĂź gekommen; sein Leben ist von nun an nicht verschieden
von dem anderer italischer Kleinstädte.
Da der Sarno, der Pompeji als Hafen diente, nicht unmittel-
bar bei der Stadt, sondern in einiger Entfernung floĂź, so muĂźte
notwendig am Landungsplatz eine kleine Ansiedelung, eine Hafen-
vorstadt entstehen. Wahrscheinlich ist diese in einem Gebäude-
komplex zu erkennen, der in den Jahren 1880 und 1881 etwa
5 — 600 m von dem Stabianer Tor, eben jenseits des Sarnokanals
(Canale del Bottaro) teilweise ausgegraben wurde. Man fand hier
eine groĂźe Anzahl von Skeletten und bei ihnen eine Menge von
Goldschmuck, der später in das Neapeler Museum gelangt ist.
Die Vermutung liegt nahe, daĂź hier der Hafen war, zu dem alle
diese Personen, mit ihren Kostbarkeiten beladen, aus Pompeji
geflĂĽchtet waren, um sich entweder einzuschiffen oder weiter sĂĽd-
wärts zu fliehen. Keines von beiden eelane ihnen. W^enn Schiffe
lO Pompeji.
dort waren, so waren auch sie von den Auswurfsmassen ĂĽber-
schĂĽttet. Und die BrĂĽcke, die doch vermutlich eben dort ĂĽber
den FluĂź fĂĽhrte, mochte durch das Erdbeben eingestĂĽrzt sein.
Eine zweite Vorstadt war am Meeresstrande entstanden, im
Anschluß an die dort befindlichen städtischen Salinen. Ihre Be-
wohner, die Salinenses, lernen wir kennen aus einigen gemalten
Wandinschriften, in denen sie Kandidaten für die städtischen
Ämter empfehlen, und aus einer in den Stuck einer Säule in
einem Privathause eingekratzten Inschrift, in der ein Tuchwalker,
fullo^ namens Crescens ihnen einen GruĂź zuruft: Cresce[n)s fullo
Salme[n)sibus salute[m). Einer anderen Wandinschrift entnehmen
wir, daĂź dort eine Versammlung, conventus, stattfand, vielleicht
ein Gerichtstag; denn eben jene Inschrift spricht auch von einer
Geldstrafe (multa) von 20 Sesterzen (3^/2 Mark): VII k.-dec. sa-
linis in conventu^ multa IIS XX. Dies war am 25. November.
Von dem Besuch einer solchen Versammlung am 21. November
berichtet eine andere Inschrift: XIII k. dec. in conventu veni.
Vielleicht sind Reste dieser Vorstadt zu erkennen in Gebäuden,
die in den Jahren 1901 und 1902 in der Ausdehnung von mehr
als 50 m am alten Meeresstrande entlang (oben S. 3), etwa i km
von Pompeji entfernt, ausgegraben wurden: eine Reihe von Ta-
bernen mit dahinter liegenden Räumen und ein großes, offenbar
zu einer Villa gehöriges Peristyl. In dieser Gegend dürfen wir
die Salinen vermuten.
Eine dritte Vorstadt, die bekannteste von allen, ist der Pagus
Felix Suburbanus, später, seit der Zeit des Augustus, Pagus
Augustus Felix Suburbanus genannt. Seine Lage ist unbekannt.
Da er seinen Namen Felix wahrscheinlich von Sulla, der ihn ja
auch fĂĽhrte, erhalten hat, so darf vermutet werden, daĂź seine
Gründung im Zusammenhang steht mit der der römischen Kolonie
und er entstanden ist durch die Ansiedelung der zu Gunsten der
Kolonisten aus der Stadt vertriebenen BĂĽrger.
Eine vierte Vorstadt ist zu erschlieĂźen aus zwei gemalten
Inschriften, in denen Kandidaten für die städtischen Wahlen em-
pfohlen werden von den Campanienses: ein Name unter dem
nicht gut etwas anderes verstanden werden kann, als die vermut-
lich aus Capua stammenden Bewohner eines Pagus Campanus.
Von der städtischen Verfassung Pompejis wissen wir aus der
II. Pompeji vor der Verschattung.
ältesten Zeit, vor der Eroberung durch die Samniten, gar nichts.
Aus der samnitischen Zeit und namentlich wohl aus der Zeit der
Bundesgenossenschaft mit Rom, seit 290, nennen die Inschriften
verschiedene Behörden: einen Stadtrat {kombennioni^ conventus):
ein Stadtoberhaupt (viediss^ vtediss tovtiks]\ Quästoren, die wohl,
wie die römischen, das Finanzwesen unter sich hatten, aber auch
Bauten ausfĂĽhren lieĂźen; Ă„dilen, denen die Sorge fĂĽr Wege und
Bauten, auch wohl die Marktpolizei oblag. Die Namen dieser
letzteren Behörden sind den römischen nachgebildet und stammen
wohl sicher aus der Zeit der Abhängigkeit.
Als römische Kolonie hieß Pompeji
Colonia Cornelia Veneria Pompcianornm^
so genannt nach dem Geschlechtsnamen
des Diktators Sulla (Lucius Cornelius
Sulla Felix) und der von ihm als Venus
Felix verehrten Göttin, die nun als
Venus Pompeiana Schutzgöttin der Stadt
wurde. Das Aussehen ihres Kultbildes
kennen wir aus ziemlich zahlreichen
Wandgemälden. Sie ist weniger eine
Liebesgöttin, als eine Göttin des Glückes
und Gedeihens; als solche bezeichnen
sie das Steuerruder — sonst Attribut
der Fortuna — und der Ölzweig in
ihrer rechten Hand. Als Stadtgöttin
trägt sie die Mauerkrone, in anderen
Gemälden deutlicher als in unserer Ab-
bildung. Neben ihr steht Amor mit dem
Spiegel; dieser und das Zepter sind bekannte Attribute der Venus.
Die oberste Behörde waren in römischer Zeit, wie in allen
römischen Kolonien, die Dekurionen, der Stadtrat. Die Verwaltung
fĂĽhrten zwei Beamtenpaare: die rechtsprechenden Duumvirn {duo-
viri iuri dicundo) und die Adilcn, denen Marktpolizei und Sorge
für Straßen und öffentliche Gebäude oblag. Wo beide Behörden
gemeinsam auftreten, werden sie auch zusammenfassend Ouattuor-
virn, Viermänner genannt. Es scheint, daß bis in die Kaiserzeit
hinein die Adilen offiziell nicht diesen, sondern einen anderen.
uns nur in AbkĂĽrzunsf ĂĽberlieferten Titel fĂĽhrten: Duoviri :â– . a.
Venus Pompejana. Nach
einem Wandgemälde.
1 2 Pompeji.
sacr. p. proc.^ d. h. wahrscheinlich: viis acdibiis sacris publicis
procurandis^ Duumvirn zur Besorgung der StraĂźen, der Tempel,
der öffentlichen religiösen Feiern. Man wollte wohl den schon
zur Zeit der Autonomie übHchen Titel »Ädilen« vermeiden, um
jede Erinnerung an diese Zeit zu unterdrĂĽcken. Doch blieb er
im nicht offiziellen Gebrauch, z. B. in den auf die Wände ge-
malten Wahlempfehlungen, und drang schlieĂźlich auch wieder in
den offiziellen Sprachgebrauch ein. Die Duumvirn jedes fĂĽnften
Jahres hießen Duoviri quinquennales^ fünfjährige Duumvirn. Ihre
Kompetenz entsprach der des römischen Zensors: Finanzgeschäfte,
Revision der Rats- und BĂĽrgerliste.
Alle diese Beamten wurden jährlich vom Volke gewählt. Von
den Wahlbezirken (Kurien), in die Pompeji zu diesem Zweck ge-
teilt sein muĂźte, ist nichts ĂĽberliefert. Die Kandidaten meldeten
sich vorher. Meldeten sich keine, oder zu wenige — die Ämter
waren nicht nur unbesoldet, sondern auch mit der Verpflichtung
zu kostspieligen Leistungen (Schauspielen und Bauten) verbunden
— so präsentierte der Vorsitzende Beamte die fehlenden; der so
präsentierte durfte einen Gegenkandidaten, dieser einen dritten
Kandidaten ernennen. Der Wahlmodus war schriftlich, indem
jeder Wähler sein Stimmtäfelchen in die Urne seiner Kurie warf;
zu einer gĂĽltigen Wahl war die absolute Mehrheit der Kurien
erforderlich. Kam nun eine gĂĽltige Wahl nicht, oder nicht fĂĽr
alle Stellen zustande, so ernannte der Dekurionenrat einen auĂźer-
ordentlichen Beamten, der den Titel Präfekt führte: Praefectus
iuri dicundo. Ein solcher wurde auch ernannt, wenn einmal
besondere Verhältnisse eine außerordentliche Behörde, eine Art
Diktatur, nötig machten, endlich auch wenn der Kaiser die Wahl
angenommen hatte: doch stand wohl sicher in diesen beiden
Fällen die Ernennung dem Kaiser zu. So war in den Jahren 34
und 40 n. Chr. Caligula Duumvir von Pompeji; die Geschäfte
aber wurden durch einen Präfekten besorgt. Ein in der letzten
Zeit der Republik auf Vorschlag eines Petronius angenommenes
Gesetz enthielt Bestimmungen über die Ernennung des Präfekten;
der auf Grund desselben ernannte Präfekt hieß Praefectus ex lege
Petronia.
Natürlich gab es in Pompeji auch städtische Priester; aber
nur von wenigen derselben melden die Inschriften. Wir erfahren
II. Pompeji vor der Verschattung. I -i
von Augurn und Pontifices, von einem Priester des Mars, von
Priestern {fla7nen^ sacerdos) des Augustus schon bei seinen Leb-
zeiten. In späterer Zeit hatte Nero schon als Kronprinz einen
Priester. Auch von städtischen Priesterinnen erfahren wir: Prie-
sterinnen der Ceres, eine der Ceres und Venus, wieder andere,
deren Gottheiten nicht genannt werden. Sie wurden vom Deku-
rionenrat aus den ersten Familien der Stadt gewählt.
Die Vorstädte hatten schwerlich getrennte Verwaltung, sondern
standen unter den städtischen Behörden. Der Pagus Augustus
Felix hatte Magistri, Ministri und Pagani. Aber wahrscheinlich
hatten alle diese nur gottesdienstliche Funktionen und pflegten
namentlich den Kaiserkultus. Die Magistri und Pagani sind, wenig-
stens zum Teil, Freigelassene, die Ministri (gestiftet 7 v. Chr.) sind
vier Sklaven.
AuĂźer dem Seehandel waren fĂĽr Pompeji eine wichtige Nah-
rungsquelle die Produkte seines fruchtbaren Bodens. Auf der
gegen den Vesuv zu sich fortsetzenden Höhe wurde, wie noch
heute, reichlicher Weinbau betrieben; zahlreiche Weinamphoren
geben Zeugnis davon, neuerdings auch zwei in Villen oberhalb
Pompejis, bei Boscoreale und eine in Pompeji selbst gefundene
Kelter. Plinius erwähnt öfter den pompejanischen Wein, sagt
ihm aber nach, daĂź sein GenuĂź Kopfschmerz bis zum Mittag
des folgenden Tages bewirke. Auch Ol wurde gebaut, freilich
wohl in geringerem Umfange: wir schlieĂźen dies aus den kleinen
Verhältnissen der Ölpresse und sonstigen Vorrichtungen zur Öl-
bereitung in der größeren Villa von Boscoreale. Jetzt wird Öl
bei Pompeji kaum noch gebaut. Unten in der Ebene aber wurde
GemĂĽsebau betrieben; mehrfach rĂĽhmen alte Schriftsteller Kohl
und Zwiebeln von Pompeji.
Eine blĂĽhende Industrie knĂĽpfte sich an die Verwertung der
Produkte des Fischfanges: die in der antiken Gastronomie eine
so bedeutende Rolle spielenden Fischsaucen, ganmi und liquaincn,
wurden hier in vorzüglicher Qualität fabriziert. Und zwar scheint
es, daĂź diese Industrie fast ganz in der Hand eines gewissen
Umbricius Scaurus konzentriert war: zahlreiche TonkrĂĽge sind
erhalten, die nach den Aufschriften seine Fabrikate enthielten.
Endlich wurden auch die vulkanischen Produkte des Vesuvs
verwertet. Pompejanischer Bimstein bildete einen Ausfuhrartikel.
u
Pompeji.
Aus der Lava wurden Ă–l- und KornmĂĽhlen verfertigt, die zur
Zeit des älteren Cato, der es in seiner Schrift über den Acker-
bau bezeugt, exportiert wurden. Auch in Pompeji selbst sind
Fig. 5. Amphoren.
die Mühlsteine älterer Zeit aus Vesuvlava; später fand man die
Lava des Vulkans von Roccamonfina fĂĽr diesen Zweck geeig-
neter und bezog von dort die MĂĽhlsteine auch fĂĽr den eigenen
Gebrauch. Jene älteren, einheimischen Mühlen zeichnen sich aus
II. Pompeji vor der VerschĂĽttung. I e
durch sorgfältigere Arbeit und schöne Form gegenüber den grob
gearbeiteten und häßlichen Produkten von Roccamonfina. Die
VorzĂĽglichkeit dieser letzteren beruht auf den vielen in der Lava
enthaltenen Leucitkrystallen, die, bei der Abnutzung ausbrechend,
dem Steine lange die nötige Rauheit erhielten. Mühlsteine aus
Roccamonfina sieht man mehrfach auch in Rom, z. B. im Museum
der Diocletiansthermen.
Zu den Nahrungsquellen Pompejis dĂĽrfen wir endlich rechnen,
daß reiche Römer, angezogen durch das herrliche Klima, hier
ihre Villen anlegten. So Cicero, der sein Pompeianum öfter er-
wähnt. Daß auch die kaiserliche Familie hier eine Villa besaß,
erfahren wir durch das seltsame Ende eines Sohnes des Claudius,
namens Drusus, der in Pompeji an einer Birne erstickte, die er
in die Höhe warf und mit dem Munde auffing. Diese Villen
lagen wohl z. T. am Meeresstrande — wir wissen nicht, wie weit
sich hier, gegen Neapel zu, das Gebiet Pompejis erstreckte —
z. T. auf dem Höhenrücken gegen den Vesuv, und vorzugs-
weise auf der dem Meere zugewandten Seite desselben. Ganz
willkĂĽrlich aber ist es, wenn man einer im vorigen Jahrhundert
ausgegrabenen und wieder verschütteten Villa den Namen »Villa
des Cicero« gegeben hat.
Salve hierum^ Willkommen Gewinn! lautet die Inschrift, die
ein Pompejaner in dem FuĂźboden seines Hausflurs anbringen
lieĂź, und: Lucrum gaudiiwi ^ der Gewinn ist eine Freude, lesen
wir an derselben Stelle in einem anderen Hause, Wir sehen,
daĂź es in der Tat an Gelegenheit zu Gewinn nicht fehlte.
Die Einwohnerzahl Pompejis zur Zeit der Verschüttung läßt
sich nicht mit einiger Sicherheit bestimmen. Sorgfaltige Schätzung
aller Häuser und Räume würde vielleicht zu einem annähernd
sicheren Resultate fuhren; bis jetzt ist ein solches nicht erreicht.
Fiorelli schätzte die Stadt auf 12000, Nissen auf 20000 Ein-
wohner; letztere Zahl mag der Wahrheit näher kommen, sie
vielleicht noch nicht ganz erreichen.
Diese Bevölkerung , war eine stark gemischte. Daß das
oskische Element weder ausgestorben noch ganz assimiliert war,
beweisen oskische Wandinschriften auf Wänden letzten Stiles.
Seit der Zeit der römischen Kolonie fand ohne Zweifel Zufluß
aus verschiedenen Teilen Italiens statt. Die Stärke des wriechi-
i6
Pompeji.
sehen Elements erhellt aus den vielen griechischen Namen z. B.
in den Quittungstafeln des Caecilius Jucundus und aus zahlreichen
griechischen Inschriften auf
Wänden und Amphoren. Die
Griechen mochten zum Teil
aus den benachbarten Städten
stammen; die meisten aber
waren wohl Freigelassene. DaĂź
wir auf den Tafeln des Jucun-
dus auch einen Alexandriner
finden, kann in einer Seestadt
nicht wunder nehmen. An
Orientalen fehlte es nicht, und
auch ein keltischer Name (Cis-
sonius) begegnet in den Wand-
inschriften.
Von Christen in Pompeji
hat sich bis jetzt keine sichere
Spur gefunden, wohl aber von
Juden. Sodoma ^ Gomora war
eingekratzt in eine Wand in
einem bescheidenen Hause
(IX, I, 26); nur ein Jude oder
ein Christ konnte dies schreiben ;
es klingt wie eine Prophezeihung
des Endes der Stadt.
Ein merkwĂĽrdiges Wand-
gemälde (Fig. 6) stellt das »Ur-
teil Salomons« dar. Rechts
auf einem Tribunal der recht-
sprechende König mit zwei
Beisitzern; hinter ihm und ne-
ben dem Tribunal einige Sol-
daten. Einer derselben ist im
Begriffe, ein Kind mit einem
groĂźen Hackmesser zu zerteilen. Von den zwei Frauen steht
eine neben dem Hackblock, bereit ihre Hälfte zu nehmen, die
andere kniet bittend vor dem Tribunal. Die Beziehung auf
mm
II. Pompeji vor der VerschĂĽttung. j n
Salomon ist nicht ganz sicher. Derartige Geschichten wandern
im Orient von einem Volke zum andern; so erzählte man ähn-
liche weise Urteile von dem ägyptischen Könige Bocchoris. Indes
die nächstliegende und wahrscheinlichste Annahme ist doch wohl
die, daĂź hier Salomon gemeint ist, zumal es an Spuren des
Judentums auch sonst nicht fehlt.
Zu diesen rechnen wir die in Wandinschriften vorkommenden
Namen Maria und Martha. Es ist ein Irrtum, wenn man gemeint
hat, Maria sei ein römischer Name, die weibliche Form des auch
in Pompeji vorkommenden Namens Marius. Maria erscheint hier
in einer Liste von Sklavinnen, die in einer Weberei arbeiten:
Vitalis, Florentina, Amaryllis, Januaria, Heracia, Maria, Lalage,
Damalis, Doris. Den römischen Namen Maria konnte aber eine
Sklavin nicht fĂĽhren. DaĂź es ein jĂĽdischer Name ist, wird um
so glaublicher, seit auch der Name Martha in einer Inschrift zum
Vorschein gekommen ist. So finden wir auch auf Weinamphoren
den Namen eines Weinhändlers oder Weingutbesitzers M. Valerius
Abinnerichus; der auch bei Josephus vorkommende Name be-
zeugt seine jüdische oder doch syrische Nationalität.
Erwähnung verdienen auch die auf Tongefäßen vorkommenden
Inschriften viu}\ia] cast[d) und gar[iivi] cast'jnn)^ oder cast[h)ioniale].
Diese Gefäße enthielten besondere, als Fastenspeisen zubereitete
Fischsaucen, deren sich, wie Plinius bezeugt (XXXI, 95) die
Juden bedienten.
In einer mit Kohle geschriebenen Wandinschrift hat man
christianos zu lesen geglaubt und gemeint, die Inschrift enthalte
eine Anspielung auf die Christenverfolgung Neros. Kohlen-
inschriften erhalten sich zwar unter der Erde jahrhundertelang,
vergehen aber schnell an der Luft; es ist undenkbar, daĂź eine
solche Inschrift, unter Nero geschrieben, zur Zeit der Ver-
schüttung noch hätte lesbar sein sollen. Diese war zur Zeit der
Ausgrabung schon undeutlich und ist jetzt verschwunden; die
Lesung ist ganz unsicher. Wenn das Wort »Christen« wirklich
in ihr vorkam, so wäre damit nur bewiesen, daß man in Pompeji
von den Christen wuĂźte, nicht daĂź solche dort lebten. Nach
Tertullian (Apol. 40) gab es in Campanien vor 79 keine Christen.
Mau, Pompeji. 2. Aufl.
f
Kapitel III.
Die VerschĂĽttung.
Der Vesuv galt vor dem verhängriisvollen Ausbruche für
einen längst erloschenen Vulkan. »Oberhalb dieser Orte«, sagt
Strabo, »liegt der V^esuv. ringsum herrlich bebaut, bis auf den
Gipfel. Dieser ist zwar eben, aber ganz unfruchtbar, von aschigem
Aussehen, mit durchlöchertem rußfarbigen Gestein, als hätte diese
Stelle einmal gebrannt und FeuerschlĂĽnde gehabt, sei aber er-
loschen, da das Brennmaterial erschöpft war.« Erdbeben zwar
waren immer häufig in Campanien. Ein besonders heftiges, dessen
Zentrum bei Pompeji war, das aber einerseits bis Nuceria, ander-
seits bis Neapel Schaden anrichtete, kĂĽndigte am 5. Februar 63
n. Chr. die wiedererwachende Tätigkeit des Vesuv an; Pompeji
stürzte zum größten Teile zusammen. Der Wiederaufbau wurde
von der wohlhabenden BĂĽrgerschaft sofort energisch in Angrift"
genommen. Die meisten Privathäuser waren wieder in mehr
oder weniger wohnlichem Zustande , wenigstens zwei Tempel,
der des Apollo und der der Isis, waren vollständig erneuert, als
am 24. August 79 n. Chr. die SchluĂźkatastrophe eintrat. Wir
dĂĽrfen auch das Erdbeben des Jahres 63 und die dadurch be-
wirkte Erneuerung der Stadt als eine fĂĽr unsere Studien gĂĽnstige
FĂĽgung betrachten.
Unsere Hauptquelle für die Vorgänge vom 24. — 26. August 79
sind zwei Briefe des jĂĽngeren Plinius an Tacitus, der sie fĂĽr sein
Geschichtswerk benutzen wollte. Plinius weilte damals in Misenum
mit seinem Oheim, dem älteren Plinius, Kommandanten der
Flotte. Am Nachmittage des 24. brach dieser mit Schiffen auf,
um die bedrängten Anwohner des Vesuv, namentlich bei Hercu-
laneum, der drohenden Gefahr zu entreißen. Er kam zu spät:
Landung war hier nicht mehr möglich. So fuhr er nach Stabiac,
ĂĽbernachtete dort und starb am folgenden Morgen, ehe er sich
III. Die VerschĂĽttunt
19
wieder einschiffen konnte, an giftigen AusdĂĽnstungen des Bodens.
So berichtet der Neffe in dem ersten der beiden Briefe; der
zweite schildert .seine eigenen Erlebnisse in Misenum. Kaum
etwas neues bietet der nur im Auszuge erhaltene, 150 Jahre
später geschriebene Bericht des Dio Cassius: er gibt mehr nur
den erschĂĽtternden Eindruck wieder, den das furchtbare Natur-
ereignis auf die Zeitgenossen machte. Aus den Briefen des Plinius
aber im Verein mit den noch jetzt zu beobachtenden Tatsachen
ergibt sich ein ziemlich deutliches Bild des Vorganges.
Das unterirdische Feuer kam wieder zum Durchbruch. Die
durch viel frühere Ausbrüche aufgehäuften Massen, Asche und
Bimstein, stĂĽrzten in den Krater, wurden wieder ausgeworfen und
verschütteten die Umgegend. Nach Westen strömten sie, mit reich-
lichem Regengusse schlammartig gemischt, ĂĽber Herculancum.
Ăśber Pompeji und die Sarnoebene fĂĽhrte sie der Nordwestwind
als mächtige Wolke, aus der zuerst Bimsteine, bis zur Höhe von
2 — 3 m, dann erst Asche fiel, und mit dieser zugleich Regen-
güsse, I Va — 2 m hoch. Gleichzeitig mit dem Beginn des Aschen-
regens erfolgten heftige Erdstöße, die weiterhin fortdauerten.
Dies ist, kurz gefaĂźt, der Hergang. Schon frĂĽh am Morgen
des 24. muß der Ausbruch begonnen und sich zunächst der
Schlammstrom über Herculaneum und Umgegend herabgewälzt
haben. Denn schon bald nach i Uhr erhielt Plinius in Misenum
Briefe von dort, daĂź die Gefahr dringend und nur zur See noch
Rettung möglich sei. Die Massen, unter denen Pompeji ver-
schwinden sollte, sah Plinius damals noch als pinienförmige Wolke
ĂĽber dem Vesuv schweben. Gegen Abend begegneten bei Her-
culaneum die Schiffe dem Bimsteinregen, der dann während der
Nacht auch Stabiae erreichte und so zunahm, daĂź Plinius sein
Schlafzimmer verlassen mußte, weil die sich häufenden Massen
die TĂĽr zu sperren drohten. Gegen Morgen starkes Erdbeben.
bis nach Misenum hin. Zugleich begann die Asche zu fallen;
als furchtbare schwarze Wolke, von Blitzen durchbrochen, breitete
sie sich aus und senkte sich herab ĂĽber Land und Meer, so
dicht selbst in Misenum, daß es finster wurde, »nicht* (sagt
Plinius\ »wie in mondloser und bewölkter Nacht, sondern wie in
einem vollständig geschlossenen Räume«. Über die Dauer des
Aschenregens erfahren wir nur. daß, als er aufhörte, die Sonne
20 Pompeji.
noch am Himmel stand. In Misenum, das der Bimsteinregen
nicht erreicht hatte, war alles hoch mit Asche bedeckt; doch
kehrten die Bewohner, obgleich die Erdstöße fortdauerten, in
ihre Wohnungen zurĂĽck. Pompeji aber und Stabiae waren von
den Auswurfsmassen derart bedeckt, daß nur noch die Dächer
der Häuser, soweit sie nicht eingestürzt waren, hervorragten.
Herculaneum war spurlos verschwunden.
VerschĂĽttet wurde auch die ganze Sarnoebene und die Ab-
hänge der sie südlich begrenzenden Berge. Hier, hinunter bis
an den Strand bei Castellammare , lag Stabiae. Die Stadt war
im Bundesgenossenkriege von Sulla zerstört und die Einwohner
gezwungen worden, sich zerstreut in der Umgegend anzusiedeln.
Zahlreiche Gebäude, teils reiche Villen, teils einfache Wirtschafts-
höfe sind hier in den Jahren 1749 — 82 ausgegraben und wieder
zugeschĂĽttet worden. Die Art der VerschĂĽttung ist dieselbe wie
in Pompeji, nur weniger hoch. Anders in Herculaneum, das
von den gleichen Massen, aber nicht regelmäßig geschichtet,
sondern durcheinander gemischt und unter Zutritt von Wasser
zu einer Art Tuff erhärtet, bis zur Höhe von 20 m bedeckt ist.
Und da noch dazu über dem größten Teil von Herculaneum
eine moderne Stadt, Resina, gebaut ist, so stoĂźen die Aus-
grabungen hier auf die größten Schwierigkeiten und haben zum
weitaus größten Teile nur durch unterirdische Gänge bewerk-
stelligt werden können. Daß über Herculaneum Lava geflossen
sei, ist ein oft wiederholter Irrtum.
Vielfach ist in Pompeji das Holzwerk erhalten, stets aber
verkohlt. Ferner ist manchmal, wo die Wände mit gelbem Ocker
gemalt sind, dieser rot geworden, namentlich da, wo er mit der
Aschenschicht in Kontakt war: eine Veränderung, die diese Farbe
erleidet, wenn sie erhitzt wird. Doch hat man mit Unrecht
hieraus geschlossen, daĂź die VerschĂĽttungsmassen glĂĽhend ge-
wesen wären und einen allgemeinen Brand verursacht hätten.
Die Bimsteine konnten unmöglich heiß sein, nachdem sie sich
so lange durch die Luft bewegt hatten, und daĂź sie es nicht
waren, geht auch aus Plinius' Schilderung hervor. Die Asche
aber fiel zugleich mit reichlichem Regen. Das beweisen die
gefundenen Hohlformen der in ihr umgekommenen Menschen,
deren nun schon ziemlich zahlreiche GipsausgĂĽsse einen Haupt-
III. Die VerschĂĽttunw.
21
anziehungspunkt des kleinen Museums in Pompeji bilden: die
auĂźerordentliche Frische derselben, ohne jede Spur der Ver-
wesung, des Todes, ist nur erklärlich, wenn die Asche feucht
war und sofort zu fester Form erhärtete. Wäre sie trocken ge-
wesen und erst später erhärtet, so müßte die beginnende Ver-
wesung in der Form kenntlich sein. Also auch die Asche konnte
keinen Brand veranlassen. Das Holzwerk ist auf feuchtem Wege
verkohlt, wie die Steinkohle, und auch das Rotwerden des Ockers
muĂź einen anderen Grund haben, den nachzuweisen freilich der
Wissenschaft noch nicht gelungen ist. Dies ist um so evidenter,
als lokale Brände geringer Ausdehnung mehrfach kenntlich sind ;
Fig. 7. GipsabguĂź eines Mannes.
sie mochten veranlaĂźt sein teils durch die glĂĽhenden Schlacken,
die mit dem Bimstein zugleich ausgeworfen wurden, teils durch
in den Häusern vorhandenes Feuer.
Die Zahl der in Pompeji selbst umgekommenen Menschen
kann auf Grund der Skelettfunde in den letzten Jahrzehnten, fĂĽr
die genaue Aufzeichnungen vorliegen, auf etwa 2000 geschätzt
werden. Die meisten waren also geflĂĽchtet. Und in der Tat.
wenn der Ausbruch schon am Morgen, der Bimsteinregen aber
erst am Nachmittag begann, so hatte, wer rechtzeitig den Ernst
der Gefahr begriff, Zeit sich zu retten. Wie viele nun freilich,
zu spät geflohen, außerhalb der Stadt umgekommen sein mögen,
das entzieht sich jeder Schätzung. Von den zum Hafen Ge-
flohenen und dort VerschĂĽtteten war schon oben (S. 9^ die Rede.
22 Pompeji.
Andere, früher Gekommene, mögen ebendort sich gerettet haben.
Die in der Stadt Gebliebenen wurden zum Teil in den Häusern
verschĂĽttet, so die 20 Personen, deren Reste man in dem Keller
der sogen. Villa des Diomedes fand. Andere hatten, als der
Bimsteinregen aufhörte, sich auf die Straße gewagt und erlagen
hier dem gleich darauf eintretenden Aschenregen. Sie sind es,
von deren verwesten Körpern in dem erhärtenden Aschenschlamm
die Hohlformen geblieben sind, die man seit dem Jahre 1863
mit Gips ausgießt um so das in einigen Fällen recht gute und
scharfe Bild dieser UnglĂĽcklichen zu gewinnen.
Kaiser Titus schickte eine aus Senatoren bestehende Kom-
mission nach Campanien, um zu sehen, wie in dem schrecklichen
Unheil zu helfen sei. Es bestand auch der Plan einer Wieder-
herstellung der zerstörten Städte ; das Vermögen der ohne Erben
Umgekommenen wurde zu diesem Zwecke bestimmt. Daraus ist
aber allem Anschein nach nichts geworden. Und wenn auf der
Peutingerschen Tafel, einer im 3. Jahrh. n. Chr. verfaĂźten Reise-
karte, Pompeji angegeben ist, so kann damit wohl nur eine nach
der einst hier bestandenen Stadt genannte Poststation gemeint
sein; gegen ein wiederhergestelltes Pompeji zeugt zu deutlich
das gänzliche Fehlen irgend welcher auf dasselbe bezüglichen
Inschriften.
Kapitel IV.
Die Ausgrabung.
Die ersten Ausgrabungen wurden gleich nach der VerschĂĽt-
tung von den Überlebenden unternommen. Die höheren Teile
der Häuser ragten , soweit sie nicht eingestürzt waren , aus der
Asche hervor und erleichterten das Auffinden der Punkte, an
denen Wertgegenstände vermutet werden konnten. Man stieg
an irgend einem von oben kenntlichen Punkte hinab und ge-
langte dann , die Wände durchbrechend , aus einem Räume in
den anderen, unterstĂĽtzt hierbei durch die Beschaffenheit der
VerschĂĽttungsmasscn, indem unten die locker liegenden Bim-
steine leicht entfernt werden konnten, ĂĽber ihnen aber die Asche
ein ziemlich haltbares Dach bildete. Nur selten findet man ein
unberührtes Haus. So erklärt sich die verhältnismäßig geringe
Menge des in den Wohnungen gefundenen Hausgerätes. Aber
nicht nur nach diesem grub man. Auch irgend wertvolle Bau-
materialien wurden so vollständig fortgeholt, daß von großen
Marmorbauten, deren es am Forum mehrere gab, nur geringe
Reste ĂĽbrig blieben.
Im Mittelalter blieb Pompeji verschollen. Wohl waren die
TrĂĽmmer zum Teil noch sichtbar: man wuĂźte, daĂź hier eine
Stadt verschĂĽttet war, und nannte deshalb die Ă–rtlichkeit La
Civita; aber an Pompeji dachte niemand. Auch als Domenico
Fontana in den Jahren 1594 — 1600 das Wasser einer der Ouellen
des Sarno nach Torre Annunziata leitete und zu diesem Zwecke
einen Kanal durch Pompeji hindurchfĂĽhrte, wurden zwar zwei
Inschriften gefunden, aber keine weiteren Nachforschungen an-
gestellt. Es wird dies begreiflicher durch die Beobachtung, diili
der Kanal nicht von oben herab gegraben, sondern als Stollen
durch den StadthĂĽgel getrieben wurde und nur an sehr wenijj^en
Punkten — in den bis jetzt ausgegrabenen Teilen nur beim
2A. Pompeji.
Tempel des Zeus Meilichios, woher auch wohl die Inschriften
stammen — die antike Oberfläche berührte.
Die Ausgrabung der verschütteten Städte begann in Hercu-
laneum. Nicht freilich >trinkbare Quellen« suchte der öster-
reichische General FĂĽrst Elbeuf, als im Jahre 1 709 seine Arbeiter
durch einen Schacht hinter die BĂĽhne des Theaters gelangten^
sondern AltertĂĽmer. Man wuĂźte, daĂź hier Herculaneum lag.
Der durch Schillers Gedicht verewigte Irrtum beruht auf dem
Doppelsinn des italienischen Wortes pozzo: Schacht oder Brunnen.
Planmäßige Ausgrabungen ließ erst seit 1738 König Karl III.
betreiben. Der Direktor dieser Ausgrabungen, Roque Joaquin de
Alcubierre, erfuhr im März 1 748 bei Gelegenheit einer Inspektion
des eben erwähnten Kanals, daß an dem La Civita genannten
Orte — er meinte es sei Stabiae — man mehrfach auf Alter-
tĂĽmer gestoĂźen sei, und kam zu der Ansicht, daĂź hier mehr
Aussicht auf Erfolg sei als in Herculaneum, wo eben damals die
Ausgrabungen wenig ausgiebig waren. Infolge seines Berichtes
wurden am 30. März 1748 mit zwölf Arbeitern die Ausgrabungen
begonnen, nördlich der Nolaner Straße, etwa bei der Casa del
Torello. Dann grub man an der Gräberstraße vor dem Hercu-
laner Tor; auch ein Teil des Amphitheaters wurde aufgedeckt.
Doch schon 1750 wurde die Arbeit eingestellt, weil die Resultate
zu gering schienen.
Von neuem wurde die Aufmerksamkeit auf Pompeji gelenkt,
als im Jahre 1754, bei den Arbeiten fĂĽr die sĂĽdlich am Stadt-
hügel vorbeiführende Landstraße, eine Anzahl Gräber gefunden
wurden. Gleichzeitig grub man westlich vom Amphitheater das
große villenartige Besitztum der Julia Felix und weiter nördlich
anliegende Gebäude aus. Alles dies aber wurde sofort wieder
verschĂĽttet, ebenso die 1763 ausgegrabene sogen. Villa des Cicero.
Erst seit T763, und nachdem man durch die an der Gräberstraße
gefundene Inschrift des Suedius Clemens erfahren hatte, daĂź es
sich um Pompeji handelte, begann man das Ausgegrabene offen
zu lassen. Nun folgten wichtige Entdeckungen. Seit 1764 die
Theater und die sich ihnen anschließenden Gebäude, dann die
Gräberstraße mit der sogen. Villa des Diomedes. Man grub lang-
sam und planlos, aber doch mit wissenschaftlichem Interesse, welches
durch die 1755 gestiftete Accademia r>colanesc gepflegt wurde.
IV. Die Ausgrabung. 2 5
Mit größerem Eifer und größeren Mitteln arbeitete man
1806 — 181 5, unter Joseph Bonaparte und Murat, in der Gegend
zwischen Herculaner Tor und Forum. Dieses letztere erreichte
man gleichzeitig auch von SĂĽden. Im Jahre 1799, zur Zeit der
parthenopäischen Republik, hatte der französische General Cham-
pionnet die beiden nach ihm benannten Häuser südlich der Ba-
silika ausgraben lassen. Von hier aus drang man 1813 in die
Basilika ein, aus der man dann noch im November desselben
Jahres auf das Forum gelangte. Das Forum selbst aber und
die es umgebenden Gebäude waren der mit viel geringerem Eifer
und geringeren Mitteln arbeitenden Restaurationszeit vorbehalten:
erst 1825 waren sie, einschlieĂźlich des Fortunatempels und der
kleineren Thermen, aufgedeckt. Die folgenden Jahre, bis 1832,
brachten die schönen Häuser nördlich der Nolaner Straße —
das Haus des Pansa, des tragischen Dichters, des Faun — und
an der MerkurstraĂźe. Weiter folgten Grabungen sĂĽdlich der
Nolaner StraĂźe und an verschiedenen Punkten der Stadt. Die
unruhigen Zeiten brachten eine zweijährige Pause, vom 3. Juli
1848 bis 27. September 1850. Hauptresultat der Jahre 1850 bis
1859 ist die Stabianer StraĂźe und namentlich die Stabianer Thermen.
Der Sturz der bourbonischen Monarchie, der Ăśbergang Neapels
an das Königreich Italien führten zu einer einjährigen Unterbre-
chung, 5. Dezember 185g bis 20. Dezember 1860. An letzterem
Tage wurden die Ausgrabungen wieder begonnen unter Leitung
Giuseppe Fiorellis, des Mannes, der dieser letzten Periode den
Stempel seines Geistes aufgedrĂĽckt hat. Sein Werk ist die noch
jetzt bestehende treffliche technische und administrative Organi-
sation der Ausgrabungen. Ihm ist es zu danken, daĂź von nun
an mehr als frĂĽher fĂĽr die Erhaltung und Sicherung des Aus-
gegrabenen gesorgt wurde : ein Bestreben, welches freilich immer
noch weiterer Steigerung fähig war und von der jetzigen Ver-
waltung ganz besonders gepflegt wird. Vor allem aber wurden
nun nicht mehr einzelne, besonders vielversprechende Punkte
in Angriff genommen, sondern es wurden zunächst die zwischen
den ausgegrabenen Teilen noch unberĂĽhrt gebliebenen Strecken
aufgedeckt, und dann planmäßig von dem nun vollständig vor-
liegenden westlichen Teil aus nach Osten vorgegangenen. An
öffentlichen Gebäuden .stammt aus dieser Zeit nur die am Kreuz-
26
Pompeji.
punkt der Nolaner und Stabianer StraĂźe liegende Badeanstalt
(Kap. XXIX); im übrigen fand man Privathäuser. Fiorelli leitete
die Ausgrabungen, bis er im Jahre 1875 als Generaldirektor der
Museen und Ausgrabungen nach Rom berufen wurde; i8q6 ist
er, 7 2 jährig, gestorben. Aber seine Organisation ist geblieben
und seine Nachfolger, Michele Ruggiero, dann Giulio de Petra
und Antonio Sogliano haben nach seinem Plane und in seinem
Geiste weiter gearbeitet.
Fig. 8. Eine Aus^'rabung. Atrium des Hauses der »Silbernen Hochzeit«. Herbst 1892.
Gegenwärtig sind etwa drei Fünftel der Stadt ausgegraben.
Wenn Fiorelli 1872 die Ausgrabung auf weitere 74 Jahre schätzte,
so hat er wohl den immer wachsenden Erhaltungskostcn nicht
genĂĽgend Rechnung getragen. Geht es in dem jetzigen Schritt
weiter, so wird auch das 20. Jahrhundert schwerlich das Ende
der Ausgrabung sehen.
Hausgerät und sonstige bewegliche Dinge, wie die häufig in
den Gärten aufgestellten kleinen Statuen, werden im aligemeinen
in das Museum in Neapel gebracht; weniges der Art ist in einem
IV. Die Ausgrabung. 27
kleinen Museum in Pompeji selbst aufgestellt. Nur ganz aus-
nahmsweise hat man solche kleine Skulpturen an Ort und Stelle
gelassen: die Notwendigkeit, solche Häuser besonders zu ver-
schlieĂźen und zu bewachen, verbietet die Verallgemeinerung
dieses Verfahrens. In betreff der Wandgemälde ist das Verfahren
zu verschiedenen Zeiten verschieden gewesen. Durchweg aber
hat man die größeren figürlichen Darstellungen von den Wänden
abgelöst und in das Museum gebracht, die ornamentale Malerei
aber an Ort und Stelle gelassen. Es kann nicht genug beklagt
werden, daĂź auf diese Weise die ganze Wanddekoration und das
ihren Mittelpunkt bildende Gemälde, die doch ein einheitlich
komponiertes kĂĽnstlerisches Ganzes bilden, auseinander gerissen
werden, noch dazu natürlich unter Zerstörung der das Bild zu-
nächst umgebenden Teile. Dringend wäre zu wünschen, daß
wenigstens die besseren, auch in ihrem ornamentalen Teile kĂĽnst-
lerisch wertvollen Wände durchaus unberührt gelassen und an
Ort und Stelle gegen die zerstörenden Einflüsse der Witterung
geschĂĽtzt wĂĽrden. Einen lobenswerten Anfang in dieser Rich-
tung hat die gegenwärtige Verwaltung in dem 1894 ausgegrabenen
Hause der Vettier gemacht, dessen schöne und gut erhaltene
Malereien vollständig an ihrem Platze belassen und auf das sorg-
fältigste geschützt worden sind.
Anders liegt die Sache in betreff der Mosaikfußböden. Daß
man hier die ganzen Fußböden mit ihren ornamentalen Motiven
am Orte läßt, dagegen die feineren und leichter zerstörbaren
figĂĽrlichen Darstellungen in das Museum bringt, ist aus nahe-
liegenden praktischen GrĂĽnden nur zu billigen.
Kapitel V.
Ăśbersicht.
Form und StraĂźennetz der Stadt zeigt der beistehende Ăśber-
sichtsplan.
Auf dem äußersten Ende eines nach SO. verlaufenden vor-
historischen Lavastromes gelegen, bildet sie ungefähr ein Oval
von etwa 1200 und 720 m Durchmesser. Die Stadtmauer läuft
auf drei Seiten, W., S. und O., am Abhang des HĂĽgels, im Norden,
vom Herculaner bis zum Capuaner Tor, quer ĂĽber seinen RĂĽcken.
Den acht Toren hat man die auf unserem Plan ersichtlichen
Namen beigelegt. Zwei derselben, das Herculaner und Capuaner
Tor, liegen da, wo die den HĂĽgel ĂĽberquerende Mauer den Ab-
hang erreicht; aus ihnen gelangte man, nach Norden absteigend,
in die Ebene. Und zwar mĂĽndet in das Herculaner Tor die von
Neapel ĂĽber Herculaneum herkommende vielbefahrene LandstraĂźe
ein; dem Capuaner Tor scheint keine größere Verkehrsstraße
entsprochen zu haben. Zwischen ihnen gelangte man aus dem
Vesuvtor auf die Höhe des gegen den Vesuv aufsteigenden
HĂĽgelrĂĽckens und zu den dort gelegenen Villen. Vom Hercu-
laner Tor bis in die Nähe des Stabianer Tores ist der Abhang
sehr steil. Da man aber doch ein dem Meere zugewandtes Tor
brauchte, so wurde hier das Seetor, Porta Marina, angelegt und
durch dasselbe ein steil ansteigender Weg auf das Forum ge-
fĂĽhrt, so steil, daĂź Fuhrwerke ihn wohl nur selten benutzt haben
mögen. Hier mochten wohl die Fischer ihre Ware auf den
Markt bringen. Aus dem einer Einsenkung des StadthĂĽgels ent-
sprechenden und bequem zugänglichen Stabianer Tor führte die
StraĂźe zum Landungsplatze am Sarno und weiter nach Stabiae.
Von ihr zweigte sich wahrscheinlich links eine nach Nuceria
fĂĽhrende StraĂźe ab, auf die man auch aus der ebenfalls am sĂĽd-
lichen Stadtrande liegenden Porta die Nocera gelangte. Auf den
etwas steileren Ost- und Nordostabhang öffnen sich die Porta di
Ăśbersicht.
29
Sarno — benannt nicht nach dem Flusse, sondern nach der
modernen Stadt Sarno — und die Porta di Nola; es ist sehr glaub-
lich, daĂź aus letzterer in der Tat die StraĂźe nach Nola fĂĽhrte.
Das Straßennetz ist augenscheinlich das Resultat planmäßiger
Anlage, nicht allmählicher und zufälliger Ansiedelung. Zwei
breite, die Stadt in gerader Linie ganz durchschneidende StraĂźen
geben die Richtung fĂĽr die NordsĂĽd- und die OstweststraĂźen:
die MerkurstraĂźe mit ihren Fortsetzungen und die Nolaner StraĂźe.
Erstere ist als Grundlinie für die Stadtanlage auch dadurch be-»
zeichnet, daĂź sie bei ihrer groĂźen Breite doch keine bedeutende
Verkehrsader ist; keinem ihren Enden entspricht ein Tor. An
ihr liegt das Forum. Die Nolaner StraĂźe hat ein Tor nur an
ihrem Ostende. Das Westende ist durch die am Rande des
Stadthügels entlang führende »Strada consolare« mit dem in der
Nordwestecke liegenden Herculaner Tor in Verbindung gesetzt.
DaĂź nach diesen beiden Grundlinien das ganze StraĂźennetz
orientiert ist, zeigt besonders deutlich der nordwestliche Stadtteil ;
es ist aber ganz klar, daĂź diese beiden Richtungen auch den
östlichen Teil beherrschen; wäre er ausgegraben, so würden sie
noch viel deutlicher hervortreten.
Dies regelmäßige Netz wird nun aber in zweifacher Weise
durchbrochen. Einmal in der Gegend um das Forum. Aus
GrĂĽnden, die sich unserer Kenntnis entziehen, hat man die Porta
Marina nicht in die Verlängerung der von der Porta di Sarno
herkommenden Hauptstraße, sondern etwas weiter nördlich gelegt.
Um das Tor zu erreichen, macht die StraĂźe, wie der Plan zeigt,
eine Wendung nach Norden, der sich auch die ParallelstraĂźen
bis zur Nolaner StraĂźe anschlieĂźen. Westlich vom Forum aber
hat man die StraĂźen auf das Tor zu konvergieren lassen. Die
zweite Durchbrechung ist die vom Stabianer Tor bis zum Vesuv-
tor die Stadt durchschneidende Stabianer StraĂźe. Abweichend
von der Richtung der anderen NordsĂĽdstraĂźen ist sie angelegt
aus praktischen GrĂĽnden, um, einer natĂĽrlichen Bodensenkung
folgend, möglichst allmählich die Höhe des Stadthügels zu ge-
winnen. Und um nicht an dieser Hauptstraße Häuserviertel allzu
unregelmäßiger Form zu haben, hat man auch den nächsten
östlichen Parallelstraßen dieselbe Richtung gegeben. ICrst mit
der vom Capuaner Tor südwärts führenden Straße tritt, mit
30 Pompeji.
geringer Abweichung, wieder die durch die MerkurstraĂźe be-
stimmte NordsĂĽdrichtung ein.
Die öffentlichen Gebäude sind in zwei großen Gruppen ver-
einigt. Eine um das Forum (Plan II), zu der wir auch die
kleineren Thermen und den Tempel der Fortuna rechnen. Den
Kern der anderen, beim Stabianer Tor, bilden die beiden Theater
mit der großen vierseitigen Säulenhalle, die, ursprünglich bestimmt,
den Zuschauern bei Regenwetter Schutz zu bieten, später zur
Gladiatorenkaserne eingerichtet wurde (Plan III). Dazu kommen,
vereinzelt Hegend, zwei Badeanstalten — die Stabianer Thermen
und die groĂźe Anstalt am Kreuzpunkt der Stabianer und Nolaner
Straße — und ein kleines Gebäude in der Nähe des Herculaner
Tors, ein auf die Straße geöffneter Saal mit einer Statuenbasis
an der RĂĽckwand, in dem man ohne genĂĽgenden Grund ein
Zollamt hat erkennen wollen. Endlich das Amphitheater in der
Südostecke der Stadt. Bei der Art, wie die öffentlichen Gebäude
in Gruppen vereinigt sind, ist es nicht wahrscheinlich, daĂź die
nicht ausgegrabenen Stadtteile ihrer noch viele ergeben werden.
Nur Badeanstalten dĂĽrfen wir sicher erwarten, und vielleicht noch
einen oder mehrere Tempel.
Wir mĂĽssen noch ein Wort sagen ĂĽber die moderne Ein-
teilung Pompejis in Regionen und Insulae. Unter Insula versteht
man, antikem Sprachgebrauche entsprechend, einen von StraĂźen
umgebenen Häuserkomplex. Die Einteilung in Regionen rührt
von Fiorelli her und beruhte auf der Voraussetzung, daĂź das
Capuaner Tor mit dem Nuceriner Tor durch eine StraĂźe ver-
bunden sei, und daĂź also vier StraĂźen die Stadt durchschnitten
und in neun Regionen geteilt hätten. Nachdem nun durch das
Fortschreiten der Ausgrabungen klar geworden ist, daĂź jene StraĂźe
nicht existiert, hat man die Einteilung geändert. Drei Straßen,
Strada Stabiana, Strada Nolana und Strada dell' Abondanza (mit
ihrer Fortsetzung nach O.) teilen die Stadt in sechs Regionen;
auf unserem Plan sind die Nummern der alten Einteilung in
Klammern beigefĂĽgt. Die Einteilung beansprucht keine wissen-
schaftliche sondern nur praktische Bedeutung. Innerhalb der
Regionen hat jedes Häuserviertel, Insula, und innerhalb der Insula
jede StraĂźentĂĽr ihre Nummer; ganz praktisch, da man nun jedes
Haus kurz mit drei Zahlen bezeichnen kann.
Kapitel VI.
Baumaterial. Bauart. Bauperioden.
Etwa 600 Jahre trennen die ältesten und die jüngsten Bauten
Pompejis und für das richtige Verständnis jedes einzelnen Ge-
bäudes ist es notwendig, vor allen Dingen festzustellen, welclier
Zeit es angehört. Nun ist zwar eine genaue Zeitbestimmung
namentlich für die ältere Zeit selten möglich. Wohl aber heben
sich einige groĂźe Perioden so deutlich voneinander ab. daĂź es
nicht leicht zweifelhaft bleibt, welcher derselben ein Gebäude
zuzuweisen ir.t. Ehe wir aber diese Perioden zu charakterisieren
unternehmen, mĂĽssen wir einige Worte vorausschicken ĂĽber die
Baumaterialien. Es sind dies, abgesehen von dem weit mehr
als jetzt in Campanien verwendeten Holz, Sarnokalkstein, grauer
Tuff, gelber Tuff. Lava, ein Ăźilschlich Travertin genannter Kalk-
stein, Marmor und Ziegel.
Der Sarnokalkstein [pietra di Sarno] ist ein Kalksinter mit
vielen Pflanzenabdrücken, der Niederschlag des Sarno, ganz ähn-
lich dem römischen Travertin, nur von gelblicherer Farbe.
Der graue Tuff ist vulkanische Asche, unter Zutritt von
Wasser zu einem weichen und leicht zu bearbeitenden Stein er-
härtet; man bricht ihn bei Nocera und bei Gragnano.
Der gelbe Tuff ist vulkanische Asche, in einer älteren Periode,
als die Ebene noch ein Meerbusen war, in das Meerwasser ge-
fallen und dort erhärtet. Er ist weniger widerstandsfähig als der
graue Tuff.
Die Lava stammt vom Vesuv; wir unterscheiden, je nachdem
der Stein in tieferen oder oberflächlicheren Schichten gebrochen
ist: feste Lava. Lavaschlacke. Lavaschaum (Cruma; letzterer ein
sehr leichtes und poröses, aber doch wegen seiner Härte wider-
standsfähiges Material.
32
Pompeji.
Der sogenannte Travertin ist ein feinerer Kalksinter, weiĂź-
licher Farbe und kompakt, ohne PflanzenabdrĂĽcke, gewissermaĂźen
ein Surrogat des Marmors. Er wird nicht bei Pompeji gebrochen,
ist daher auch weniger verwendet worden; das ausgedehnteste
Beispiel sind die jĂĽngeren Forumsportiken.
WeiĂźen carrarischen Marmor verwendete man in der Kaiserzeit
zu Säulen, Pilastern und Gebälken, buntfarbigen verschiedenster
Art in Platten für Wandbekleidung und Fußböden.
Ziegel sind nur fĂĽr Ecken, TĂĽrpfosten und vereinzelt fĂĽr
Säulen verwendet worden. Ziegelmauern gibt es nicht, und auch
Fig. 9. Mauer mit Kalksteinfachwerk
an Ecken und Pfosten verkleiden die Ziegel nur das Bruchstein-
werk. Doch sind die in späterer Kaiserzeit üblichen, eigens für
diesen Zweck gebrannten dreieckigen Ziegel in Pompeji nicht zu
finden. Die pompejanischen Verkleidungsziegel gewann man
durch Zerschlagen von Dachziegeln und legte sie mit der ur-
sprünglichen Seitenfläche nach außen, den Bruchflächen nach
innen. Nur ganz vereinzelt wurden für Säulen und simsartige
Glieder Ziegel besonderer Form eigens geformt und gebrannt.
Das bemerkenswerteste Beispiel sind die Säulen der Basilica. —
Die älteren Ziegel, namentlich aus republikanischer Zeit, erhalten
durch einen Zusatz von Meersand ein rauhes und körniges Aus-
sehen, die der letzten Zeit sehen weich und glatt aus. Die
VI. Baumaterial. Bauart. Bauperiodcn. 2 -3
Dachziegel [tcgulae]^ etwa 65 X 49 cm groĂź, haben an jeder
Seite eine Erhöhung; über ihre Fugen wurden, wie noch jetzt,
halbzylinderförmige Deckziegel [tmbriccs] gelegt.
Wir schlieĂźen hieran eine kurze Ăśbersicht ĂĽber die in Pompeji
vorkommenden Arten von Mauerwerk.
Kalksteinfachwerk nennen wir ein nur der älteren Zeit eigenes
Mauerwerk, in dem als Bindemittel nicht Kalkmörtel, sondern
Lehm benutzt ist. Da Lehm wohl die Zwischenräume verstopfen,
nicht aber die Steine fest zusammenhalten konnte, so muĂźte
man diese so schichten, daĂź die Mauer allenfalls auch ohne
Bindemittel stehen konnte. Dies wurde erreicht, indem man
Ecken und TĂĽrpfosten aus Quadern bildete, in den Mauern
selbst aber eigentĂĽmliche, aus abwechselnd vertikal und horizontal
gestellten Quadern bestehende Pfeiler anbrachte, die nun fach-
werkartig die kleineren, möglichst horizontal geschichteten Steine
zusammenhalten. Das Material ist durchweg der Sarnokalkstein,
dazwischen vereinzelt Lavaschaum und Schlacke.
Bruchsteinwerk, Opus incertum: unregelmäßige, faustgroße
und größere Steinbrocken in Mörtel gelegt. Das vorwiegende
Material ist in älterer Zeit Lava, später Sarnokalkstein. Dies
Mauerwerk ist in Pompeji so sehr das vorherrschende, daĂź alles
andere daneben als Ausnahme erscheint. Ecken und TĂĽrpfosten
sind in älterer Zeit aus Quadern, später aus Ziegeln oder ziegei-
förmig behauenen Steinen gebildet, oft auch, namentlich in der
spätesten Zeit, so, daß je zwei Ziegel mit einem ziegeiförmigen
Stein abwechseln.
Auch beim Netzwerk, Opus reticuLatuvi, besteht das Innere
der Mauer aus unregelmäßigen Brocken, die Oberfläche aber
aus Steinchen mit glatt behauener, quadratischer, auf die Ecke
gestellter AuĂźenseite, so daĂź hier ein netzartiges Muster entsteht.
Das Material ist grauer, seltener gelber Tuff. Diese Bauart wurde
in Rom und wie es scheint auch in Pompeji ĂĽblich zur Zeit des
Augustus. Ecken und TĂĽrpfosten machte man anfangs aus
ziegeiförmigen Stücken desselben Steines, später aus Ziegeln.
Das Quasireticulat ist ein der ersten Zeit der römischen
Kolonie eigenes Mauerwerk, in der Mitte stehend zwischen In-
certum und Reticulat, von letzterem dadurch verschieden, dal.^
die quadratische Form der Steinchen nicht regelmäßig durch-
Mau, Pompeji. 2. Aufl. •?
^A Pompeji.
geführt, auch die Außenfläche nur unvollkommen geglättet ist.
Das Material ist vorwiegend Lava, aber auch Tuff und Kalkstein.
Ecken und Türpfosten sind aus Ziegeln oder ziegeiförmigen Tuff-
oder Kalksteinen.
Quaderbau zeigen die älteren Teile der Stadtmauer und die
Wände des griechischen Tempels auf dem Forum trianguläre.
Im ĂĽbrigen ist er nur ĂĽblich fĂĽr Fassaden. Das Material ist fĂĽr
diese in ältester Zeit Sarnokalkstein, später grauer Tuff. Seit der
Zeit der römischen Kolonie kommt Quaderbau überhaupt nicht
mehr vor, auch nicht fĂĽr Ecken und TĂĽrpfosten.
Für Säulen und Gebälke aus großen Blöcken ist das Material
bis in die ersten Zeiten der Kolonie grauer Tuff, selten Kalkstein,
mit weiĂźem StuckĂĽberzug, dann, bis in die frĂĽhere Kaiserzeit,
sog. Travertin, endlich, seit Anfang der Kaiserzeit, carrarischer
Marmor.
Kehren wir nun zur Baugeschichte Pompejis zurück, so können
wir folgende Perioden deutlich unterscheiden.
I. Älteste Zeit. Nur zwei Baureste können ihr zugeschrieben
werden. Erstens der dorische Tempel auf dem sogen. Forum
trianguläre (Kap. XX). Seinem Stile nach datiert man ihn in das
6. Jahrh. v. Chr. Da er ganz isoliert steht, so ist nicht direkt
festzustellen, ob er älter ist als die in der folgenden Periode vor-
genommene NeugrĂĽndung der Stadt und Anlage des jetzigen
StraĂźennetzes. Indes da er im Stil der unteritalischen Tempel
erbaut war, die NeugrĂĽndung aber mit einiger Wahrscheinlichkeit
den Etruskern zugeschrieben wird, so ist es glaublicher, daĂź der
Tempel älter war.
Zweitens eine alte Säule, die in einem Hause der Insula VI, 5
eingemauert war, seit einigen Jahren aber freigelegt ist (Fig. 10).
Sie ist der einzige Rest eines Gebäudes, vermutlich eines Tempels,
das zerstört sein muß bis auf diesen Rest vor dem Bau des jetzt
dort stehenden Häuserviertels und vor Anlage des jetzigen Straßen-
netzes. Ăśber den stilistischen Charakter und damit ĂĽber die
Entstehungszeit der Säule steht das Urteil noch nicht fest. Eine
Besonderheit, die Hohlkehle am unteren Rande des Abakus, fand
sich nur noch an einem einst auf dem Albanerberg stehenden
Tempel etruskischen Charakters; man hat daraus geschlossen,
daĂź auch hier in Pompeji ein etruskisches Bauwerk stand. Aber
VI. Baumaterial. Bauart. Bauperioden.
35
zwingend ist dieser SchluĂź wohl nicht: wenn sich diese Form an
den Bauten der unteritalischen Griechen bis jetzt nicht gefunden
hat, so ist damit noch nicht erwiesen, daĂź sie ihnen fremd war.
Andere Besonderheiten: der tiefe Einschnitt zwischen Abakus und
Echinus, die sehr starke VerjĂĽngung, wie an der sogen. Basilika
in Paestum, die Schwellung (Entasis)
im oberen Teil und das aus ihr sich
ergebende schön geschwungene
Profil, die Neigung der Säule gegen
das Innere des Gebäudes wie am
großen Tempel in Paestum — ; alles
dies sind altgriechische Formen.
Die Säule hat auch keine Basis, die
sie doch nach etruskischer Regel
haben mĂĽĂźte. Und dann ist noch
eins zu bedenken: Wenn dies Ge-
bäude — doch wohl ein Tempel
— etruskischen Ursprungs war, und
wenn die NeugrĂĽndung der Stadt
in der folgenden Periode, nach Zer-
störung alles Früheren, mit Recht
den Etruskern zugeschrieben wird,
so hätten ja diese ihre eigenen Monu-
mentalbauten zerstört. Unmöglich
ist dies freilich nicht; und die Neu-
anlage könnte ja auch veranlaßt
worden sein durch ein Erdbeben,
das die alte Stadt und die vielleicht
noch jungen ersten Etruskerbauten
zerstört hätte. Aber wahrscheinlicher ''«■'°- ^'''^Saule. Photographie Lindner.
und einfacher erscheint der ganze Vorgang doch, wenn die Er-
oberer die Bauten ihrer Vorgänger zerstörten und nun alles in
ihrer Weise neugrĂĽndeten. Aber hierĂĽber muĂź sich das Urteil
noch klären. Sicher handelt es sich hier um ein vor der etrus-
kischen Neugründung zerstörtes, vielleicht von den unter griechi-
schem Einfluß stehenden Oskern errichtetes Gebäude. Ist letzteres
der Fall, so dĂĽrfen wir diese erste Periode als die voretruskische
bezeichnen. Ihr Material ist Sarnokalkstein und grauer Tufif
3.6
Pompeji.
2. Die Zeit der Kalksteinatrien. Wir bezeichnen mit diesem
Namen eine Anzahl in der ganzen Stadt zerstreut liegender alter
Häuser, die sich durch ihre Bauart von allen späteren bestimmt
unterscheiden: Quaderfassaden aus Sarnokalkstein, im Innern
Kalksteinfachwerk. Kunstformen fehlen im Innern dieser Häuser
gänzlich. In einem der sehr wenigen vollständig erhaltenen ist
zwar vor dem Garten ein Portikus, doch wurde dessen Dach von
viereckigen Pfeilern , deren
Kapitell nicht erhalten ist,
nicht von Säulen getragen.
Nur ein kleiner Vorbau eines
Hauses in der Nähe des Sta-
bianer Tores (I 5, i ; s. Fig. 12)
hat zwei groĂźe und schwere
Pilasterkapitelle aus Tuff, mit
Resten alter Stuckverkleidung;
sie liegen auf Mauern aus
Tuffquadern und Kalkstein-
fachwerk, gehören also dieser
Periode an; ihre Formen sind
zweifellos etruskischen Stiles:
namentlich das unterste Glied
— Wulst und Hohlkehle —
ist charakteristisch. Von Ma-
lerei haben wir aus dieser Zeit
keine Spur, kaum einige Reste
weiĂźen Bewurfs.
Nur sehr wenige dieser
Häuser sind soweit erhalten,
daß wir ihren Grundriß einigermaßen feststellen können. Von
ziemlich vielen sind die massiven Quaderfassaden erhalten und
für jüngere Bauten benutzt worden: im übrigen sind diese Häuser
eben diesen jĂĽngeren Bauten und namentlich der intensiven Bau-
tätigkeit der folgenden Periode zum Opfer gefallen. Die Gesamt-
zahl der ganz oder teilweise oder nur in Spuren erhaltenen
Häuser mag sich kaum auf hundert belaufen.
Es ist nun wichtig fĂĽr die Baugeschichte Pompejis, daĂź sich
diese ältesten Häuser überall und bis in alle Einzelheiten dem
Fig. II. Fassade aus Sarnokalkstein,
Haus des Chirurgen. Photographie Lindner.
VI. 15aumaterial. Hauart. Bauperioden.
37
jetzigen StraĂźennetz anschlieĂźen, das wie oben (S. 29) bemerkt,
einmal planmäßig angelegt worden ist. Und auch das ist wichtig,
daĂź in der mit diesem StraĂźennetz erbauten Stadt sich keine
Reste noch älterer Häuser finden: es ist klar, daß auf die Tra-
cierung des StraĂźennetzes gleich der Bau der Kalksteinatrien
gefolgt ist. Wir wĂĽrden also wohl, wenn sonst nichts in Betracht
käme, schließen, daß die Zeit der Kalksteinatrien mit der Gründung
Pompejis begann. Dem
steht aber die oben
besprochene alte Säule
entgegen: sie bezeugt
uns ein monumentales
Gebäude , vermutlich
einen Tempel, das älter
als das jetzige StraĂźen-
netz und ihm zuliebe
zerstört worden war.
Es war also die Anlage
dieses StraĂźennetzes
und seine Bebauung mit
Kalksteinatrien nicht
die erste GrĂĽndung,
sondern eine Erneue-
rung der Stadt, und wir
mĂĽssen jetzt fragen:
wann fand diese Er-
neuerung statt und ist
sie nicht in Verbin-
dung zu bringen mit
einem wichtigen Ereignis, einem Abschnitt in der Geschichte der
Stadt? Und wenn wir nun bedenken, daĂź die einzige Kunstform
dieser Periode etruskisch ist, so drängt sich kaum abweisbar die
Folgerung auf, daĂź die Zeit der Kalksteinatrien die Zeit der
etruskischen Herrschaft war, die Neuanlage der Stadt mit dem
jetzigen StraĂźennetz das Werk der Etrusker, eine Folge der
etruskischen Eroberung. Ob nun die Neuanlage bald nach der
Eroberung stattfand, ob erst nach längerer Zwischenzeit, das hängt
ab von dem Urteil über jene alte Säule: stammt sie von einem
Fig. 12. Etruskisches Pilasterkapitell. Photographie Esposito.
38 Pompeji.
etruskischen Bau. so ist letztere Annahme unvermeidlich. Als
sicher aber dĂĽrfen wir annehmen, daĂź man auch nach dem Sturz
der etruskischen Herrschaft noch eine Zeitlang fortfuhr, in der-
selben Weise zu bauen, bis allmählich in der Samnitenzeit die
hellenistischen Bauformen der folgenden Periode und gleichzeitig
eine andere Technik Eingang fanden.
Wenn nun die Neuanlage der Stadt mit dem uns vorliegenden
StraĂźennetz ein Werk der Etrusker ist, so liegt die Vermutung
nahe, daĂź auch die Stadtmauer, die sich der in dieser Form neu-
gegrĂĽndeten Stadt genau anschlieĂźt, mit ihren diesem StraĂźennetz
entsprechenden Toren, daĂź auch diese in eben dieser Zeit ent-
standen ist. Aber freilich, mit Sicherheit kann dies nicht be-
hauptet werden.
3. Die Tufifperiode. So nennen wir die BlĂĽtezeit der vor-
römischen Architektur nach der von ihr mit Vorliebe verwen-
deten Steinart, dem grauen Tuff. Es zeigen nämlich, abgesehen
von dem oben erwähnten griechischen Tempel, sämtliche öffent-
lichen Gebäude Pompejis, soweit sie nicht der Zeit der römischen
Kolonie angehören, einen durchaus gleichartigen Charakter: die
Portiken des Forums, die Basilika, der Tempel des Apollo, das
größere Theater nebst den Säulenhallen des Forum trianguläre
und der Gladiatorenkaserne, die Stabianer Thermen, die Palästra,
der äußere Teil der Porta marina und die inneren Teile der
anderen Tore. Ihnen schlieĂźen sich eine groĂźe Anzahl Privat-
häuser an; wir nennen als besonders charakteristisches Beispiel
di Casa del Fauno. Alles dies gehört nach Stil und Bauart
zweifellos zusammen und bezeugt eine Zeit lebhafter Bautätigkeit,
also der Ruhe und des Wohlstandes, in der die ganze Stadt in
monumentalem, kĂĽnstlerischem Sinne umgestaltet wurde. Oskische
Inschriften, auch eine hoch altertĂĽmliche lateinische Bauinschrift,
eine Wandkritzelei aus dem Jahre 78 v. Chr. in der Stuckwand
der Basilika, alles dies fĂĽhrt mit Sicherheit in die Zeit vor der
römi.schen Kolonie. Aber doch nicht in viel ältere Zeit: denn
die nächst jüngere Gruppe von Gebäuden ist eben die der ersten
Zeit der Kolonie. So kann also die Friedenszeit der Tuffperiode
nicht wohl eine andere gewesen sein als die dem Bundesgenossen-
kriege unmittelbar vorhergehende, zwischen diesem und dem
hannibalischen Kriege, 200 bis go, rund das 2. Jahrhundert v. Chr.
VI. Haumatcrial. Hauart. IJauperiodcn. -in
Und wenn damals Stil und Bauweise dieser Periode in Pompeji
allgemein ĂĽblich waren, so werden sie wohl schon etwas frĂĽher,
mit der allmählichen Zivilisierung und Hellenisierung der Sam-
niten, im 3. Jahrh., Eingang gefunden haben. Höher hinauf zu
gehen verbietet der stilistische Charakter dieser Bauten. Ihr
Stil ist ein ganz besonderer, in Italien — und nur in Italien —
auch sonst nachweisbarer, aber er gehört seiner Entwicklungs-
stufe nach entschieden dem Hellenismus, der Zeit nach Alexander
d. Gr. an. Die Tuffperiode ist kunstgeschichtlich der Hellenismus
in Pompeji, politisch die Zeit der Samniten seit ihrer Helleni-
sierung; sie endet mit der Gründung der römischen Kolonie.
Im Gegensatz zu der vorigen zeigt diese Periode einen aus-
gesprochenen kĂĽnstlerischen Charakter. Es ist die BlĂĽtezeit des
Monumentalbaues. Gebäude und Plätze werden belebt durch
Säulenhallen dorischer, ionischer und korinthischer Ordnung, in
den reinen, einfach schönen Formen der griechischen Architektur
in sparsamer Verwendung, ohne kleinliches Detail, mit offenbarer
Scheu vor Überladung. Säulen und Gebälke sind weiß, mit nur
ganz geringen Erinnerungen an die Vielfarbigkeit frĂĽherer Zeiten.
Buntfarbig hingegen ist der Schmuck der Wände. Denn eben
mit dieser Periode beginnt die Geschichte der pompejanischen
Wanddekorationen.
Die Tuffperiode ist die Zeit des ersten Dekorationsstiles; wir
nennen ihn den Inkrustationsstil; denn sein Hauptmotiv ist die
Nachahmung einer buntfarbigen marmornen Wandbekleidung.
Eigentliche Wandmalerei fehlt ganz; bildliche Darstellungen, zum
Teil von großer Schönheit, zeigen nur die Mosaiken der Fuß-
böden Ohne Zweifel ist diese Zeit der Höhepunkt der pom-
pejanischen Architektur; mit ihr erlischt die direkte griechische
Tradition, alle späteren Bauten zeigen römischen Charakter und
auch ihre Kunstformen griechischen Ursprungs sind auf dem
Wege ĂĽber Rom nach Pompeji gelangt.
Leicht kenntlich sind die Bauten dieser Periode an ihrem
bescheidenen Material. Das Mauerwerk ist Bruchsteinbau. meist
aus Lava, mit Kalkmörtel. F"ür Quaderfassaden aber, und so auch
für Säulen und Gebälke ist ausnahmslos der graue Tuff verwandt,
dem durch einen feinen weiĂźen StuckĂĽberzug das Aussehen des
Marmors gegeben wurde. Marmorbau kennt diese Zeit nicht.
40
Pompeji.
und es spricht fĂĽr die Bildung der oskischen Pompejaner, daĂź
sie imstande waren sich mehr an schönen Formen als an glän-
zendem Material zu freuen.
4. Die erste Zeit der römischen Kolonie von 80 v. Chr. an.
Laut erhaltener Inschriften baute bald nach dem Jahre 80 ein
schwer reicher Kolonist, C. Quinctius Valgus, als Duumvir mit
seinem Kollegen M, Porcius das kleine Theater, und später als
Quinquennal mit demselben Kollegen das Amphitheater. Einige
andere Bauten erweisen sich durch ihre ganz gleiche Bauart —
Quasireticulat (Fig. 13) — als derselben Periode angehörig: die
Badeanstalt beim Forum, der
Tempel des Zeus Meilichios, ein
Bau innerhalb der Porta marina,
und wahrscheinlich auch das
Gebäude an der Südostecke des
Forums, in dem wir das Comi-
tium erkennen werden. Auch
der ältere, im Jahre 63 zerstörte
Isistempel gehörte dieser Zeit an.
Keine Wohnhäuser: in dieser
Beziehung hatte die vorher-
gehende Periode so reichlich
vorgesorgt, daĂź kein BedĂĽrfnis
vorhanden war.
KĂĽnstlerisch betrachtet steht
diese Periode tief unter der
vorigen; unverkennbar ist der durch den langen und schweren
Krieg bewirkte Verfall. Theater, Amphitheater und Thermen
sind Nutzbauten mit wenigen, dĂĽrftig ausgefĂĽhrten Kunstformen.
Und wo diese reichlicher auftreten muĂźten, wie am Isistempel,
da können sie mit der Schönheit und feinen Arbeit gleichartiger
Leistungen der vorigen Periode nicht entfernt verglichen werden:
es sind teils verkĂĽmmerte Formen des Tuffstils, dĂĽrftig ausgefĂĽhrt
und nicht mehr recht empfunden, teils — namentlich in einigen
Privathäusern — gröbere und künstlerisch minderwertige Formen
anderer Herkunft, wohl von den Kolonisten importiert.
Die Wandmalereien dieser Periode zeigen den zweiten pom-
pejanischen Stil, dessen Zeit mit der GrĂĽndung der Kolonie
Fig. 13. Quasireticulat mit Ziegelecken, am
Eingatig zum kleinen Theater.
VI. IJaumatcrial. Hauart. Baupcrioden.
41
beginnt. Wir nennen ihn den Architekturstil; er ahmt teils, wie
der erste Stil, eine marmorne Wandbekleidung nach, aber nicht
durch plastische Stuckarbeit, sondern nur durch Malerei auf der
glatten Wand, teils fĂĽllt er die Wand mit Architekturmalerei,
in richtigen oder doch einigermaĂźen der Wirklichkeit entspre-
chenden Verhältnissen.
5. Es folgt eine lange Zeit, von den späteren Zeiten dei
römischen Republik bis zum Erdbeben des Jahres 63 n. Chr.,
Fig. 14. Netzwerk mit Ecken aus ziegeiförmigen Steinen und Entlastungsbogen über
einem .\bzugskanale.
innerhalb der wir keine zeidich zusammengehörigen Gruppen
von Gebäuden unterscheiden können. Wohl mögen wir hie
und da ein Mauerwerk, welches mit dem der ersten Zeit der
Kolonie Ă„hnlichkeit zeigt, der republikanischen Zeit zuweisen;
wir mögen an einer gewissen Bauweise — Netzwerk aus Tuff,
mit Ecken aus ziegeiförmig gehauenen Stücken desselben Steines
(Fig. 14) — die Zeit des Augu.stus erkennen, in einer anderen
— Netzwerk mit Ziegelecken — eine .spätere Zeit; aber es handelt
sich hier nie um Kennzeichen, die allen Bauten einer gewissen
Periode eigen wären, wir sind stets darauf angewiesen, für jedes
42 Pompeji.
einzelne Gebäude, mit Berücksichtigung aller Umstände, uns ein
Urteil zu bilden.
In der Wandmalerei folgen innerhalb dieser Zeit drei ver-
schiedene Stile aufeinander. Bis in die Zeit des Augustus bleibt
der zweite oder Architekturstil in Ăśbung. Dann wird er durch
den dritten, einen vermutlich in Ă„gypten entstandenen, mehrfach
ägyptische Motive verwendenden ornamentalen Stil verdrängt, der
etwa um das Jahr 50 n. Chr. dem vierten, dem Stil der letzten
Zeit Pompejis Platz macht, dem Stil, den man gewöhnlich im
Auge hat, wenn man von pompejanischer Malerei spricht. Inner-
halb dieser Periode begann man auch mit Marmor zu bauen : das
erste datierbare Beispiel ist der um das Jahr 3 v. Chr. erbaute
Tempel der Fortuna Augusta.
6. Die Zeit nach dem Erdbeben des Jahres 63 n. Chr. Nicht
sowohl durch einen gemeinsamen Charakter in Bauart und Kunst-
formen, als durch mancherlei äußere Umstände — neues Aus-
sehen, offenbare Unfertigkeit, AnschluĂź an eingestĂĽrzte Mauern
— sind die Bauten dieser letzten Zeit meist mit Sicherheit .zu
erkennen. Der einzige bedeutende Neubau ist die groĂźe Bade-
anstalt (Centralthermen) an der Kreuzung der Stabianer und
Nolaner StraĂźe. Im ĂĽbrigen scheint es, daĂź man die einge-
stürzten Gebäude möglichst in ihrer früheren Gestalt herzustellen
bestrebt war. Die Wandmalereien sind durchaus im letzten Stil
gehalten.
Die Bauten der römischen Zeit sind durchaus nach dem
römischen Fuße von 0,296 m ausgeführt: in den vorrömischen
zeigt sich vielfach der oskische oder altitalische FuĂź von 0,275.
Da aber der römische Fuß griechischen Ursprungs ist, so ist
die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß schon in vorrömischer
Zeit griechische Architekten ihn auch in Pompeji ihren Bauten
zugrunde legten.
Mau, Pompeji. 2. Aufl. Tlan Tl.
5 m '20 :i(> 'lO .w
Plan des Forum
zu S. 43.
A. Korum.
1. Basis der Statue des Augiistus.
2. » » » des Claudius.
3. » » • der Agrippina.
4. » ... des Nero.
5. » » » des ("alii^ula?
6. liaseu fĂĽr Kciterstatuen.
7. » » Standbilder.
8. Basis fĂĽr drei Reiterstatuen.
9. RednerbĂĽhnc.
lo. Eichtisch.
I>. Basilica.
1. Vorhalle (Chalcidicum).
2. Hauptraum.
3. Tribunal.
C. Tempel des Apollo.
D. Markthallen.
E. BedĂĽrfnisanstalt.
F. Schatzkammer?
G. Bogen.
H. Tempe-I des Jupiter (Capitolium).
J. Triumphbogen des Tiberius.
K. Maccllum (Viktualienmarkthalle).
1. Vorhalle.
2. l'ortikus.
3. Läden.
4. Fleisch- und Fischhallc.
5. Kapelle d. Kaiserfamilie (Claudius?).
6. Festsaal fĂĽr den Kaiserkultus.
7. Kuppelbau mit Wasserbassin.
L. Heiliijtiim der stadtischen Laren.
M. Tempel des Vcspasian.
X. Oebiiude der Eumachia (Markthalle fĂĽr
Wollstoffe I.
1. \'orhalle iCludi.idicum).
2. l'ortikus.
3. Apsis der Concordia.
4. Bedeckter C.an.; (Krypta).
5. Statue der Eumachia.
(>. Cumitiuni.
1'. .Vmtsraum ilor l'uuunirn.
ij. Sitzungssaal >\i-^ Stadtrates.
K. . Vmtsraum der .\edilen.
roo.U.
t den anstoßenden Gebäuden.
ERSTER TEIL.
Ă–FFENTLICHE PLĂ„TZE UND GEBĂ„UDE.
Kapitel VII.
Das Forum.
Uurch den gewöhnlichen Eingang, die Porta marina, Pompeji
betretend, gelangen wir auf kurzem, steil ansteigendem Wege
auf das Forum (Plan II). Wir stehen auf einem langgestreckten
Platze von mächtiger Ausdehnung, beherrscht von dem an seiner
Nordseite auf hohem Unterbau aufragenden Tempel des Jupiter,
auf den anderen drei Seiten von Säulenhallen umgeben; mit
diesen miĂźt er 151,60X47,66, ohne sie 142,50X38,50 m.
Den AbschluĂź auf der Nordseite, neben dem Tempel, bildet
links eine einfache Mauer mit zwei Durchgängen, einem aus der
Säulenhalle, einem aus dem offenen Räume; rechts, dem offenen
Räume entsprechend, ein stattlicher Triumphbogen, daneben als
Abschluß der Säulenhalle eine Mauer mit Durchgang. Endlich
links vom Tempel, in gleicher Flucht mit seiner Fassade, ein
viel einfacherer Bogen, der die schmale Fläche neben dem
Tempel von dem groĂźen freien Platze trennt. Rechts vom Tempel
ist ein ebensolcher Bogen später abgetragen worden, vermutlich
als man den oben erwähnten Triumphbogen baute, und um den
Blick auf denselben frei zu machen.
Kein Fahrweg durchschneidet die Säulenhallen. Auch die
Eingänge der Nordseitc sind nicht fahrbar: links steigt man über
mehrere Stufen auf das Forum herab, rechts nur ĂĽber eine: doch
ist hier das Fahren noch besonders durch drei mitten im Durch-
gange aufgerichtete Steine unmöglich gemacht. Nur l^"u(.\gängcr
betraten den Platz. Und auch diesen konnte der Eintritt ver-
wehrt werden: alle Zugänge waren durch Türen verschlicI.Uxir,
44 Pompeji.
deren Spuren deutlich im Boden zu erkennen sind. Kein Privat-
haus stößt an das Forum; es gehörte ganz dem öffentlichen
Leben: Tempel, Kaufhallen und städtische Verwaltungsräume
umsfeben es auf allen Seiten.
Die Portiken erstrecken sich nicht gleichmäßig um die drei
Seiten des Platzes. Unser Plan zeigt, daĂź auf der SĂĽdseite und
dem anstoĂźenden StĂĽck der Ostseite, bis zur Strada dell'Abbon-
danza, die Säulen in doppelter Reihe stehen, die Halle also
doppelte Tiefe hat. Und auf der Ostseite, nördlich der ge-
nannten StraĂźe, finden wir statt eines einheitlich fortlaufenden
Portikus die Vorhallen der vier hier anliegenden Gebäude. Die
Portiken waren zweistöckig, unten dorischer, oben ionischer Ord-
nung: der obere Umgang war zugänglich durch drei Treppen
in der SĂĽdost- und in der SĂĽdwestecke und in der Mitte der
Westseite. Doch mĂĽssen wir gleich hinzufĂĽgen, daĂź der obere
Umgang sich nicht auf den nördlich der Strada dell'Abbondanza
liegenden Teil der Ostseite erstreckte. Vor dem ersten der
vier Gebäude, deren Vorhallen hier die Stelle der Forums-
portiken vertreten, standen zwar die zwei Säulenordnungen über-
einander, in gleicher Höhe wie sonst am Forum, doch ent-
sprach dem Zwischengebälk kein Zwischenboden. Und auch
vor dem letzten Gebäude, dem Macellum, finden wir Spuren
der oberen Säulenordnung, aber wieder ohne Zwischenboden.
Vermutlich also war es ebenso vor den beiden dazwischen liegen-
den Gebäuden, wo nichts erhalten ist. Das Pflaster bestand aus
rechteckigen Travertinplatten : eine Stufe aus demselben Stein
vor den um etwa 45 cm über den unbedeckten Raum erhöhten
Portiken bedeckte den Abzugskanal fĂĽr das Regenwasser, welches
ihm durch kleine halbrunde Ă–ffnungen am FuĂź der Stufe zufloĂź.
Von den zahlreichen Statuen, die einst das Forum schmĂĽck-
ten, ist keine auf uns gekommen. Sie waren von dreierlei ver-
schiedener Art und Größe.
Auf der eben erwähnten Stufe, am P'uße der Säulen, standen
Statuen verdienter BĂĽrger. Nur auf der Westseite sind vier ihrer
Basen erhalten. Vor dieser Stufe standen Reiterstatuen in Lebens-
größe, dem offenen Platze zugewandt, auch sie Municipalgrößen
darstellend (Fig. 19). An einer ist die bunte Marmorbekleidung mit
der Inschrift erhalten ; Q. Sallustius, Duumvir, Quinquennal, Patron
VII. Das Forum.
45
der Kolonie. Auf der SĂĽdseite sind diese ursprĂĽnglich auch hier
gleichmäßig gereihten Reiterstatuen zum größten Teil beseitigt
worden, um vier weit größeren Basen Platz zu machen, die auf
unserer Ansicht der SĂĽdseite des Forums (Kap. XVII) sichtbar sind.
Sicher standen hier Kaiser und Mitglieder der kaiserlichen Familie.
Die mittlere Basis, in Bogenform, annähernd quadratischen Grund-
risses, ist weitaus die älteste : sie trug ohne Zweifel ein kolossales
Standbild des Augustus: es wäre unglaublich, daß dem ersten
Kaiser während seiner langen und glücklichen Regierung hier
kein Denkmal gesetzt sein sollte. Die drei ĂĽbrigen sind unter
sich gleichartig und offenbar zusammengehörig. Sie trugen rechts
eine kolossale Reiterstatue, links ein kolossales Standbild, weiter
vorwärts eine kleinere Reiterstatue. Also Kaiser, Kaiserin und
Kronprinz: Claudius, Agrippina, Nero.
Eine fünfte Basis, für eine Reiterstatue von gleicher Größe
wie die des Nero, steht weiter nördlich vor dem Jupitertempel.
Zweifellos jĂĽnger als die Bogenbasis des Augustus muĂź sie
andererseits älter sein als die drei Basen der Familie des Claudius.
Denn aus der Zeit Neros kommt auĂźer ihm selbst niemand in
Betracht, und nach seinem Tode lag das Forum infolge des Erd-
bebens des Jahres 63 in TrĂĽmmern. Wer aber hier stand, da-
rĂĽber sind nur unsichere Vermutungen gestattet. Es brauchte
ja nicht gerade ein Kaiser zu sein; auch z. B. an den jĂĽngeren
Drusus (Sohn des Tiberius) oder Germanicus kann gedacht werden,
wenn diese etwa irgend welche Beziehungen zu Pompeji hatten.
War es aber ein Kaiser, so muĂźte es wohl Caligula sein. Denn
fĂĽr Tiberius ergiebt sich ein anderer Platz.
Es ist wahrscheinlich, daĂź in den beiden dem F'orum zu-
gewandten Nischen des nordöstlichen Eingangsbogens (rechts vom
Jupitertempel: s. F'ig. 15 und 21) die beiden ältesten Söhne des
Germanicus standen, Nero und Drusus; ein auf ersteren bezĂĽg-
liches Inschriftfragment wurde in nächster Nähe gefunden. Sie
waren, nachdem Tiberius 23 n. Chr. seinen Sohn Drusus verloren,
die präsumtiven Thronerben, fielen aber dann (29 und 23 n. Chr.
dem argwöhnischen Sinne des Kaisers und den Umtrieben Sejans
zum Opfer. Dann aber dĂĽrfen wir oben auf dem Bogen die
Reiterstatue des Tiberius vermuten.
Daß nämlich hier eine Reiterstatue stand, ergiebt sich wohl
46
Pompeji.
mit Sicherheit aus der Analogie des Bogens, der die AusmĂĽn-
dung der MerkurstraĂźe auf die Nolaner StraĂźe ĂĽberspannt. Hier
wurde das bronzene Reiterbild gefunden; in TrĂĽmmern, doch ist
es wieder zusammengesetzt worden und steht jetzt im Museum
zu Neapel. Man hat gestritten, ob es Nero oder Caligula dar-
stellt. In Wahrheit gleicht es keinem von beiden; es wird besser
sein, auf Namengebung zu verzichten, zumal es noch nicht ge-
lungen ist, die Erbauungszeit des Bogens zu bestimmen.
Fig. 15. Nordseite des Forums mit dem Jupitertempel, wiederhergestellt.
In betreff des Forums mĂĽssen wir noch fragen, ob denn hier
keine RednerbĂĽhne war. Ein eigener Bau, wie die Rostra des
römischen Forums, war nicht vorhanden; seine Spuren müßten
kenntlich sein. Wer aber zum Volke sprach, betrat ohne Zweifel
die breite, einst einen Altar tragende Plattform vor dem Jupiter-
tempel: hier, an der nicht von Portiken eingefaĂźten Seite des
Platzes war der einzige dafĂĽr geeignete Ort.
Nur geringer Aufmerksamkeit bedarf es, um zu bemerken,
daĂź das Forum keineswegs einen einheitlichen Charakter zeigte,
vielmehr seine letzte Gestalt das Resultat einer langen Entwick-
lung war. Und es ist eine anziehende und lohnende Aufgabe,
der Geschichte des Platzes nachzugehen, seine Veränderungen
die Jahrhunderte hindurch zu verfolgen.
VII. Das Forum.
47
Vermutlich war das Forum in ältester Zeit nichts anderes
als ein offener Platz zwischen vier StraĂźen, ohne Portiken. Und
es ist nicht unwahrscheinlich, daĂź damals die Strada dell' Abbon-
danza mit ihrer P^ortsetzung, der Strada della Marina, die SĂĽd-
grenze desselben bildete. Aus dieser ältesten Zeit des Forums
stammt der westlich anliegende Apollotempel: seine Längenachse
folgt der Richtung der einst hier am P'orum entlang fĂĽhrenden
Straße, in Übereinstimmung mit der Straßenrichtung im nörd-
lichen Teil der Stadt. Er ist also älter als die Säulenhallen des
Forums, bei deren Erbauung etwas von dieser Richtung abge-
wichen wurde; die Divergenz ist, wie auf dem Plane ersichtlich,
durch Pfeiler verschiedener Dicke ausgeglichen.
V. Popidius Ep. f. q. porticus faciendas coeravit^ so lautet
eine in der Nähe der Südwestecke gefundene Inschrift. Wann
aber ließ der Quästor Vibius Popidius, Sohn des Epidius, die
Portiken des Forums bauen? Sicher vor der Zeit der römischen
Kolonie; denn in dieser gab es keinen Quästor. Auch vor der
Zeit des Bundesgenossenkrieges; denn während desselben wird
man nicht gerade Säulenhallen gebaut haben; auch hätte man
sicher in dieser Zeit nationaler Bestrebungen die Inschrift in
oskischer Sprache gesetzt. Anderseits deutet doch eben die
lateinische Sprache auf die späteren Zeiten der Bundesgenossen-
schaft mit Rom. Also nicht lange vor dem Jahre loo, jedenfalls
in der 2. Hälfte des 2. Jahrh. v. Chr.
Reste der Säulenhallen des Popidius sind erhalten auf der
SĂĽdseite und dem anstoĂźenden Teil der Ostseite bis ĂĽber die
Strada dell' Abbondanza. Deutliche Spuren auch auf der ganzen
Westseite, wo sie später umgebaut worden sind, nicht aber auf
dem durch spätere Bauten gänzlich umgestalteten nördlichen Teil
der Ostseite. DaĂź sie sich aber auch ĂĽber diesen erstreckten
oder doch erstrecken sollten, ist zweifellos anzunehmen.
Unsere Figur 16 zeigt die untere, dorische Säulenstellung
der Portiken des Popidius;. von der oberen, ionischen, sind nur
ganz geringe Reste erhalten. Wie das ganze aussehen mochte,
zeigt Figur 29. Bauart und Stil sind die der Tuffperiode (S. 38^,
die Formen nicht die der klassischen Zeit, aber doch von feinem
griechischen Formgefühl beherrscht. Die niedrigen Verhältnisse
— Säulenhöhe 5 Durchmesser — während sonst im vorrömischen
48 Pompeji.
Pompeji auch der dorische Stil viel schlankere Formen liebt,
sind dem Unterstock eines Doppelportikus durchaus angemessen.
Die Säulen sind gut geformt, mit sehr geringer Schwellung
(Entasis), im unteren Drittel, um Beschädigungen vorzubeugen,
nur gekantet, oben kanneliert, das Kapitell schwach entwickelt.
In betreff des auffallend niedrigen Epistyls ist eine Besonder-
heit der Konstruktion zu beachten. Da die geringe Festigkeit
Fig. 16. Überrest der Säulenhalle des Popidius, an der Südseite des Forums.
des Tuffsteines nicht gestattete, die Intercolumnien durch Stein-
balken zu überspannen, hat man nach altitalischer Art von Säule
zu Säule Holzbohlen gelegt, auf denen dann die viel kürzeren
Gebälkstücke ruhen. In unserer Figur 16 ist also von den zwei
Gurten des Epistyls der untere die modern ergänzte Holzbohle.
Daß sie in der Tat nicht höher war als bei der Ergänzung an-
genommen worden, beweist unwiderleglich die jĂĽngere, ganz aus
Stein gebildete Säulenhalle der Westseite, die sich in ihren
Höhenverhältnissen genau der älteren anschließt und dasselbe
niedrige zweigeteilte Epistyl zeigt.
VII. Das Forum.
49
Eine weitere Belehrung ĂĽber diese Bauart entnehmen wir der
Stuckdekoration auf den Gartenwänden eines eben dieser Periode
angehörigen Hauses (Casa del Fauno). Hier sind Pilastcr und
Gebälk in Stuckrelief dargestellt; im übrigen weiß, nur der untere
Gurt des zweigeteilten Epistyls ist gelb, d. h. als Holzbohle ge-
dacht. Nichts war leichter, als das ja nur aus Stuck gebildete
Epistyl als aus einem StĂĽcke bestehend erscheinen zu lassen;
man hat aber doch vorgezogen, es als auf einer Holzbohle
ruhend zu bezeichnen. Wir dĂĽrfen hieraus schlieĂźen, daĂź auch
Fig. 17. Teil der neuen Kolonnade, nahe der sĂĽdwestlichen Ecke des Forums.
an wirklichen Bauten man nicht etwa die unvollkommene Kon-
struktion durch eine Stein und Holz gleichmäßig und gleich-
farbig bedeckende StuckhĂĽlle verbarg, sondern den nun einmal
vorhandenen Materialunterschied auch dekorativ verwertete, indem
das Holz, sei es in seiner natĂĽrlichen Farbe, sei es mit einer
angemessenen Bemalung, sich von dem weiĂźen Stuck des Stein-
gebälkes abhob. Man machte eben »aus der Nat eine Tugend«.
Denn da diese Periode die Polychromie der klassischen Zeit auf-
gegeben hatte — nur die Metopen waren, nach einigen W'and-
Mau, Pompeji. 2. Aull. a
CQ Pompeji.
dekorationen zu schließen, rot gemalt, und in ionischen Gebälken
der Fries gefärbt — so kam in der Tat durch dieses Verfahren
eine nicht unerwünschte Abwechslung in das einförmige Weiß.
Der gleichen von dem alten StraĂźenzuge abweichenden Rich-
tung wie die Portiken des Popidius folgt auch der das Forum
ĂĽberragende Jupitertempel und die seiner SĂĽdwestecke anliegende
Basilika. Sie gehören also derselben Neugestaltung des Forums
an. Vielleicht gab die Beschränkung der Forumsfläche durch
den Bau des Tempels den AnlaĂź , sie sĂĽdlich ĂĽber die sie hier
einst begrenzende StraĂźe (Strada dell' Abbondanza und della
Marina) auszudehnen.
Der Jupitertempel stand anfangs isoliert, so daĂź neben ihm
das Forum von Norden frei zugänglich blieb. Erst später, aber
noch in Republikanischer Zeit, wurde es hier durch eine Mauer
mit Durchgängen gesperrt. Wieder später wurden die beiden
Bögen neben der Fassade des Tempels gebaut, noch später,
unter Tiberius, rechts weiter rückwärts der größere Triumph-
bogen an der Stelle der frĂĽher hier das Forum sperrenden
Mauer. Gleichzeitig, und um den Blick auf diesen neuen Bogen
frei zu machen, wurde der rechts neben der Fassade des Tempels
stehende demoliert.
Die Portiken des Popidius mögen über ein Jahrhundert ge-
standen haben. Als sie dann schadhaft wurden, auch wohl nicht
mehr dem Zeitgeschmack entsprachen, begann man sie durch
neue Portiken zu ersetzen, deren Form unsere Fig. 17 zeigt, aus
besserem Material — dem sogen. Travertin — und mit soliderer
Konstruktion, indenl die Gebälkstücke in horizontaler Wölbung
aneinander gefĂĽgt wurden. In den MaĂźen und der Gliederung
im groĂźen schloĂź man sich an die alten Portiken an, aber einzelne
Details, die Kannelüren der Säulen, die Triglyphen und die
Tropfenleisten unter denselben, wurden weggelassen, die dorischen
Kapitelle und der Ăśbergang von ihnen zum Schaft anders ge-
staltet. Es sind eben nicht mehr die Formen der TufTperioden.
Verschwunden ist der feine Formensinn der frĂĽheren Zeit, alles
grob und unschön; so die Säulen mit der zu weit nach oben
verlegten Schwellung.
Auch diese neuen Portiken hatten ein ionisches Obergeschoss,
von de.ssen Säulen (nicht vom Gebälk, das wohl von Holz war)
VII. Das Foram.
51
beträchtliche Fragmente erhalten sind. Auch die Stufe, auf der
die Säulen stehen, und die niedrige ihr vorliegende Stufe wurden
in Kalkstein erneuert und mit Platten desselben Steines die offene
Fläche des Forums gepfla.stert.
Diese zweite vollständige Umgestaltung des Forums begann
in frĂĽher Kaiserzeit, vielleicht noch frĂĽher; das Travertinpflaster
lag schon vor dem Bau des Augustusdcnkmals. Zum AbschluĂź
gekommen ist sie nie. Nur auf der Westseite waren die neuen
Portiken ihrer Vollendung nahe, als das Erdbeben des Jahres 63
sie umwarf. Zur Zeit der VerschĂĽttung war das F'orum ein
TrĂĽmmerfeld; auf dem offenen Platze arbeiteten die Steinmetzen
an den WerkstĂĽcken fĂĽr den Wiederaufbau. Von den neuen
Portiken standen nur am sĂĽdlichsten Ende der Westseite die, auf
unserer Abbildung P'ig. 17 sichtbaren, im Jahre 63 stehen ge-
bliebenen Säulen mit ihrem Gebälke.
Das Forum diente vor allen Dingen dem Marktverkehr. Hier
boten morgens die Landleute ihre Produkte, den ganzen Tag
über mancherlei Händler ihre Waren aus. Von diesem Verkehr
wurde es freilich mehr und mehr entlastet durch die ringsum fĂĽr
einzelne Handelszweige gebauten Hallen. Im Macellum verkaufte
man Viktualien aller Art, im Gebäude der Eumachia Kleider,
andere Waren in der Basilika und in der Halle westlich vom
Jupitertempel, Doch blieb wohl fĂĽr das Forum immer noch
genug ĂĽbrig.
Tagtäglich diente ferner das Forum als Spaziergang und
Zusammenkunftsort der Bürger: hier flanierten die Müßiggänger
und besprachen ernste Männer die Angelegenheiten des Gemein-
wesens, gingen junge Leute ihren Liebesabenteuern nach und
trafen sich Händler und Gewerbetreibende um Geschäfte zu be-
reden und abzuschlieĂźen. Wer weiĂź, was im heutigen italieni-
schen Leben die Piazza bedeutet — in Rom Piazza Colonna —
und dann noch bedenkt, wieviel jetzt dem Leben derselben durch
Cafes und ähnliche Räume entzogen wird, während anderseits die
geräumigen, gegen jedes Wetter Schutz bietenden Säulenhallen
den modernen Plätzen meist fehlen, der kann sich eine Vor-
.stellung machen von dem lebhaften Treiben.
Das Treiben auf dem Forum schien einem BĂĽrger Pompeji
4*
52
Pompeji.
SO interessant, daß er es auf den Wänden eines Zimmers in einer
Reihe von Bildern darstellen lieĂź. Von sehr geringem Kunst-
wert und mit wenig Sorgfalt hergestellt, geben dieselben doch
ein lebendiges Bild antiken Kleinstadtlebens (Fig. i8, ig). Auf
dem offenen Platz, nahe den Portiken, vor den Reiterstatuen
sehen wir Händler der verschiedensten Art. Da sitzt ein Ver-
käufer kupferner Gefäße und eiserner Geräte, in Gedanken ver-
sunken; ein Freund muĂź ihn auf einen eben herantretenden
Käufer aufmerksam machen; ein anderer Händler mit ebensolchen
Gefäßen ist in eifrigem Handeln begriffen, während sein Knabe,
am Boden kauernd, ein Gefäß ausbessert. Zwei Schuster, einer
Fig. i8. Szene auf dem J'oruni. Im Vordergrunde links: ein Händler mit Geräten; rechts: ein
Schuhmacher bedient vier Frauen. Wandgemälde.
mit Männern, einer mit Frauen verhandelnd; zwei Tuchhändler.
Weiter einer, der aus einem Kessel eine warme Speise verkauft,
eine Obst- und Gemüsehändlerin und ein Brotverkäufer. Daneben
Szenen anderer Art. Ein sitzender Mann mit Schreibtafel und
Griffel, den Worten eines neben ihm Stehenden lauschend, er-
innert lebhaft an die öffentlichen Schreiber, die z. B. in Neapel
unter dem Portikus des Theaters San Carlo den des Schreibens
Unkundigen ihre Briefe verfassen. Männer in der Tunika ver-
handeln, wie es scheint, Geschäfte, indem sie zugleich den Maschen,
die sie in der Hand halten, zusprechen — handelt es sich etwa
um Weinproben? Spaziergänger; eine Frau beschenkt einen
Bettler; zwei Kinder spielen an einer Säule Versteck. 1^'erner
eine nicht recht verständliche, vermutlich eine Rechtshandlung
VII. Das l'orum.
53
darstellende Szene : eine Frau fĂĽhrt zwei sitzenden, mit der Toga
bekleideten Männern ein kleines Mädchen vor, das ein Täfelchen
vor der Brust trägt. Vier Männer lesen eine Bekanntmachung,
die auf einer langen Tafel an dreien der mehrfach erwähnten
Reiterbasen befestigt ist. Eine Schulszene: ein Zögling wird
gezüchtigt, einer seiner Mitschüler trägt ihn auf den Schultern,
ein anderer hält ihn
an den Beinen, ein
Diener vollzieht das
ZĂĽchtigungswerk,
während der Lehrer
ruhig dabei steht.
Auch dies auf dem
Forum ? Doch wohl
nicht; auch sind die
Säulen hier von
denen der anderen
Bilder verschieden
und weitläufiger ge-
stellt: vielleicht war
die kleine, später in
geschlossene Räume
verwandelte Säulen-
halle nördlich vom
Tempelhofc des
Apollo (S. 58) ganz
oder teilweise an
einen Schulmeister
vermietet.
Aber das Forum war nicht nur das wichtigste Verkehrszentrum,
es war auch der große Festsaal und die Dingstätte der Bürger-
schaft. Festsaal schon als Tempelhof des höchsten Gottes. Aber
auch die Feste des Apollo, dessen Tempel neben dem h'oruni
lag und mit ihm, wie wir weiterhin sehen werden, frĂĽher noch
enger verbunden war als in der letzten Zeit, w urden hier gefeiert.
wie eine gleich zu erwähnende hischrift bezeugt.
Vitruv leitet die Verschiedenheit der griechischen Agora und
des italischen 1^'orum daraus ab. tlaĂź auf let/tereni auch Ciladia-
Fig. 19. Szene auf dem Forum. BĂĽrger lesen eine l'ekannt-
machung. Wandgemälde.
c^ Pompeji.
torenspiele gegeben wurden. Und es unterliegt ja keinem Zweifel,
daĂź dies auch in Pompeji oft genug der Fall war, bevor in den
ersten Zeiten der römischen Kolonie das Amphitheater gebaut
wurde. Deshalb, sagt er, seien die Säulen weitläufiger zu stellen
(damit sie den Zuschauern nicht im Wege seien) und soll auch
der Oberstock der Portiken so eingerichtet werden, wie es zur
Benutzung und zur Erhebung des Eintrittsgeldes bequem ist.
Letztere Bemerkung ist von besonderem hiteresse. Es steht
durch anderweitige Nachrichten fest, daß bei öffentlichen Spielen
gewisse Plätze für die Behörden und für die Freunde des Spiel-
gebers reserviert, andere dem Volke unentgeltlich, wieder andere
gegen Bezahlung zugänglich waren. Fand nun das Schauspiel
auf dem Markte mit unteren und oberen Portiken statt^ so waren
jene dem Volke ohne weiteres zugänglich, diese aber teils reser-
viert, teils zu vermieten: dies liegt in der Natur der Sache und
wird durch obige Worte Vitruvs bestätigt.
Ob bei solchen Gelegenheiten die VerschlieĂźbarkeit der Zu-
gänge zum Forum in Anwendung kam? Vielleicht in älterer
Zeit, wenn nämlich damals auch in Pompeji, wie in Rom, den
Sklaven das Zuschauen verboten war. Freilich spricht von dieser
alten Sitte schon Cicero als von etwas Vergangenem, und so
dürften wohl im römischen Pompeji auch an Spieltagen die Türen
zum Forum offen geblieben sein.
Weiter belehrt uns Vitruv, daß die Griechen ihre Marktplätze
quadratisch anlegten (was freilich neuere Ausgrabungen nicht
bestätigen); dagegen in italischen Städten sei, mit Rücksicht
wieder auf die Gladiatorenkämpfe, dem P^orum eine längliche
P^orm — 2:3 — zu geben. Vermutlich liegt hier, wie auch bei
der länglichen Form des Amphitheaters, die Absicht zugrunde,
in der Mitte der Langfseiten bevorzuo"te Plätze, zum Zuschauen
aus größerer Nähe , zu schaffen. Wie dem auch sei , auch das
I'orum von Pompeji ist länglich, noch viel mehr als Vitruv vor-
schreibt.
Auch noch nach ICrbauung des Amphitheaters wurde das
P'orum zu Spielen und Kämpfen, freilich harmloserer Art, be-
nutzt: die jetzt verlorene, aber von einem Gelehrten des 17. Jahr-
hunderts abgeschriebene Grabschrift eines A. Clodius Placcus
berichtet ausführlich, wie er während seines ersten und wieder
\'II. Das Forum.
55
während seines zweiten Duumvirats (er bekleidete das Amt zum
drittenmal im Jahre 3 v. Chr.) am Apollofeste außer den Kämpfen
im Amphitheater, auf dem Forum Stierkämpfe und sonstige Spiele,
auch Musikvorträge und Pantomimen veranstaltete.
Aber auch bei Festen, die nicht auf dem Forum gefeiert
wurden, spielte es doch eine Rolle. Es ist nicht zu bezweifeln,
daß, wenn im Amphitheater Gladiatorenkämpfe oder im Theater
Schauspiele gegeben wurden, die städtischen Behörden und
namentlich der das Spiel veranstaltende Beamte mit seinem Ge-
folge sich in festlichem Zuge dahin begaben: wir werden bei
Besprechung der Theater den Weg eines solchen Zuges verfolgen
können. Dieser Zug aber konnte doch wohl nur auf dem Forum
sich ordnen und von dort ausgehen. Und wenn wir nun sehen,
daß das F^orum für Wagen unzugänglich war, so führt uns dies
auf einen bemerkenswerten Unterschied zwischen den Festen der
Hauptstadt und denen der Munizipien und Kolonien. Bei den
Festen der Hauptstadt spielt der Wagen eine wichtige Rolle : zu
Wagen geschah der Einzug der spielgebenden Beamten in den
Zirkus, die berühmte Pompa circensis, und ähnlich bei anderen
Festen. Auch Priester und Priesterinnen erschienen bei manchen
Gelegenheiten zu Wagen. Daher verbietet das Munizipalgesetz
Caesars zwar das F^ahren auf den StraĂźen Roms von Sonnen-
aufgang bis zur zehnten Stunde, gestattet es aber fĂĽr die bei
religiösen und bürgerlichen Festen benutzten Fuhrwerke. Dagegen
in Pompeji, wo das Forum, der Mittelpunkt des städtischen
Lebens, für Wagen unzugänglich war, und so ohne Zweifel auch
in anderen Städten, konnten solche Festzüge nur zu Fuß statt-
finden. \n der Tat erfahren wir nirgends, daĂź fĂĽr die Munizipien
und Kolonien ähnliche Ausnahmen von dem Verbot des I-'ahrens
statuiert worden wären. Ohne Zweifel haben wir hier eine der
MaĂźregeln zu erkennen, durch die Rom den Munizipien gegen-
über seine größere Würde behauptete. So wenig die Vorstände
der Munizipien Konsuln, ihre Ratsversammlungen Senat heiĂźen
durften, so wenig durften auch ihre Beamten und Priester gleich
den römischen zu Wagen erscheinen, üb dies V^erbot auch
schon vor der Gründung der römischen Kolonie bestand? Oh
Rom .schon seinen sogen. Bundesgenossen, in Wahrheit Unter-
tanen, diese erniedrigende Beschränkung ihrer l"\^stfeicrn auf-
56 Pompeji,
erlegte? Es scheint so; wenigstens ist es sicher, daĂź schon in
dieser frĂĽheren Zeit das Forum durch die Erbauung der es ein-
schlieĂźenden Portiken, ohne Durchfahrt fĂĽr Wagen, in einen nur
für Fußgänger zugänglichen Festsaal unter freiem Himmel ver-
wandelt wurde.
Keine Chronik kommt uns zu Hilfe, wenn wir versuchen, uns
das Forum als den Schauplatz des politischen Lebens, als die
Dingstätte der Bürgerschaft zu vergegenwärtigen. Und doch,
welche Bilder steigen vor unserer Phantasie auf! Hier traten um
das Jahr 400 v. Chr., nach ErstĂĽrmung der Stadt, die streitbaren
Männer des Gebirges zusammen, ihr Gemeinwesen zu gründen;
hier haben sie es dann ohne Zweifel unter ähnlichen Kämpfen
wie in Rom, weiter aus- und umgestaltet. Und heiĂź genug mag
es oft hergegangen sein, wenn die zu Rom haltenden Aristokraten
und die nationale Volkspartei um die Herrschaft rangen, während
der Samnitenkriege und wieder zur Zeit Hannibals, nach der
Schlacht von Cannae.
Hier, auf der Plattform vor dem Jupitertempel, standen im
Jahre 90 v, Chr. die FĂĽhrer der Nationalpartei und rissen mit
flammenden Worten die BĂĽrgerschaft hin zur Erhebung gegen
Rom, zum AnschluĂź an den in Asculum ausgebrochenen und
mit Blitzesschnelle durch ganz SĂĽditalien verbreiteten Aufstand.
Zehn Jahre blutigen Kampfes; Belagerung, KriegszĂĽge. Dann,
welch anderes Bild! Dicht gereiht stehen auf der offenen Fläche
römische Krieger, die Veteranen Sullas. Vor dem Tempel des
Jupiter steht der Zivilkommissar, der Neffe des Diktators und
verkündet die Ordnungen der Kolonie. Scheu drängen sich in
den Portiken die BĂĽrger. Viele der besten sind im Kampfe ge-
fallen, die Ăśberlebenden, zum Teil von Haus und Hof vertrieben,
werden in Zukunft mit den übermächtigen Eindringlingen sich
vertragen mĂĽssen.
Dies war der letzte ernste, tragische Akt, der sich auf dem
Forum Pompejis abspielte. Wenn man nun noch manchmal stritt
ĂĽber die Rechte der AltbĂĽrger und der Kolonisten, wenn dann
über mancherlei Gemeindesachen verhandelt und alljährlich Beamte
gewählt wurden, so mochte wohl bisweilen die südliche Lebhaftig-
keit zu heftigen Auftritten fĂĽhren, doch war das nur ein Wcllen-
kräuseln an der Überfläche, kein die Tiefen aufregender Sturm.
Kapitel VIII.
Übersicht der Gebäude um das Forum.
Der Jupitertempel.
Das Forum ist fĂĽr die Stadt, was das Atrium fĂĽr das alt-
italische Haus. WofĂĽr es sonst keinen besonderen Ort gab, das
geschah im Atrium und auf dem Forum. Und wie um das
Atrium, und von ihm aus zugänglich, die Schlaf-, Speise-, Vor-
rats- und sonstigen Räume, so lagen um das Forum die den
verschiedenen Bedürfnissen des öffentlichen Lebens dienenden
Gebäude: die wichtigsten Tempel, die Räume der städtischen
Verwaltung, Kaufhallen fĂĽr verschiedene Zweige des Handels.
Drei Tempel und ein kleines Heiligtum liegen am Forum:
zwei weitere Tempel in geringer Entfernung. Sie verkörpern
uns die verschiedenen Perioden der Stadtgeschichte.
Schon frĂĽhzeitig nahmen die Osker Pompejis von den an der
Küste ansässigen Griechen den Kult des Apollo an. Dem helle-
nischen Gotte wurde ein groĂźer und reicher Tempel westlich
(links) vom Forum erbaut (C in Plan II).
Nördlich, das Forum überragend, thronten erst seit späterer
Zeit die Gottheiten des Kapitols: Jupiter, Juno, Minerva; ihr
Tempel (H) ist das Symbol der Herrschaft Roms.
Und als nun Pompeji römische Kolonie geworden war, da
wurde der neuen Schutzgöttin, Venus Pompejana, ihr Tempel
errichtet, wenige Schritte vom Forum entfernt, auf der sĂĽdwest-
lichen PLcke des StadthĂĽgels.
Weiter folgen östlich (rechts) am Forum die Tempelbauten
zu Ehren der Kaiser. Zuerst das weit offene Heiligtum der
städtischen Laren und des mit ihnen verehrten Genius des
Augustus (L). Nördlich, in geringer Entfernung, stand seit 3
V. Chr. der Tempel der Fortuna Augusta, der den iVugustus
schützenden Glücksgöttin. Claudius und die Seinen erhielten
eine Kapelle in der Viktualienmarkthalle, dem Macellum (s. unten :
eg Pompeji.
auch fĂĽr den Kult des Nero scheint diese genĂĽgt zu haben.
Nach seinem Sturze aber und nach Beendigung des kurzen
BĂĽrgerkrieges erhob sich neben dem augusteischen Larenheiligtum
der Tempel Vespasians, des Herstellers des Friedens, des neuen
Augustus (M). Dies war der letzte Tempelbau Pompejis, zur
Zeit der VerschĂĽttung noch nicht ganz beendigt.
Der städtischen Verwaltung dienten drei untereinander sehr
ähnliche, je nur einen großen Saal enthaltende Gebäude auf der
südlichen Schmalseite (P — R), erbaut vermutlich in der ersten
Kaiserzeit, erneuert nach dem Erdbeben des Jahres 63. Ferner
ein Raum in der SĂĽdostecke, an der Ecke des Forums und der
Strada dell' Abbondanza (O), in dem wir den Wahlraum , das
Comitium erkennen werden. Endlich an der Ecke links neben
dem Jupitertempel vielleicht die städtische Schatzkammer, erbaut
in der letzten Zeit Pompejis, aber doch wohl an der Stelle eines
älteren gleichartigen Baues (F).
FĂĽr den Handelsverkehr hat das Forum schon frĂĽh nicht
genügt; auch mußte sich das Verlangen nach bedeckten Räumen
geltend machen. Schon in vorrömischer Zeit, im 2. Jahrh. v. Chr.,
errichtete man an der SĂĽdwestecke den Prachtbau der Basilika (B) :
eine groĂźe, zugleich einen Raum fĂĽr Gerichtsverhandlungen ent-
haltende Kaufhalle; welcher Art Waren hier feilgeboten wurden,
entzieht sich unserer Kenntnis.
Auch schon frĂĽhzeitig entstand an der entgegengesetzten
Ecke, rechts vom Jupitertempel, das Macellum, die Markthalle
fĂĽr Viktualien (K) ; sie wurde in der Kaiserzeit , vielleicht unter
Claudius, von Grund auf erneuert. Schon vor diesem Wieder-
aufbau hatte auf derselben Seite weiter sĂĽdlich, an der Ecke der
Strada dell' Abbondanza, die Priesterin Eumachia eine Verkaufs-
halle fĂĽr die Waren der Tuchwalker, FuUonen, erbaut (N).
Auf der gegenüberliegenden Seite lag schon seit vorrömischer
Zeit, Rücken an Rücken mit der nördlichen Halle des Tempel-
hofes des Apollo, nach Norden geöffnet, eine kleine zweistöckige
Säulenhalle; nur das Erdgeschoß, dorischer Ordnung, ist erhalten.
Vermutlich diente auch sie und der kleine ihr vorliegende Platz (D)
dem Handelsverkehr. Sicher ist, daß auf dem Platze später, in der
Kaiserzeit, Kaufhallen erbaut, die Halle selbst aber in geschlossene
Räume unbekannter Bestimmung verwandelt wurde 6, 7, 7): einer
VIII. Der Jupitertempel.
59
dieser Räume wurde mit dem Tempelhofe in Verbindung gesetzt
und diente wohl als Wohnung des KĂĽsters (aedituus).
Endlich zwischen diesem kleinen Platze und dem Forum
erhob sich in der letzten Zeit Pompejis eine geräumige Kauf-
halle (D), in einem Gebäudekörper mit der Stadtkasse und mit
einem öffentlichen Abtritt verbunden.
Fig. 20.
Plan des Jupitertempels.
I. RednerbĂĽhne. 2. Vor-
halle. 3. Cella.
Den groĂźen Tempel, der an der Nordseite das Forum ĂĽber-
ragt und mehr als alles andere ihm seinen Charakter gibt, zeigt
in seinem jetzigen Zustande unsere Abbildung (Fig. 21). Er war
im Jahre 63 eingestĂĽrzt und zur Zeit der
VerschĂĽttung war mit dem Wiederaufbau noch
kein Anfang gemacht. Einstweilen diente er
als Steinmetzwerkstätte: die Au.sgrabungs-
berichte melden von dem Funde eines
Kolossaltorso, aus dem man begonnen hatte,
eine kleinere Statue zu machen. Der hier
gepflegte Kult muĂź also provisorisch anders-
wo untergebracht gewesen sein.
Der Tempel erhebt sich auf einem 3 m
hohen und (einschlieĂźlich der Treppe) 37 m
langen, 17 m breiten Unterbau. Von der
Gesamtlänge entfällt wenig mehr als die Hälfte auf die Cella,
von der anderen Hälfte reichlich zwei Drittel auf die Vorhalle,
ein Drittel auf die Treppen. Sechs gegen 8'/^ "^ hohe korin-
thische Säulen trugen das Giebelfeld s. Fig. 15).
Diese Disposition mit der weiten, säulenumgebcncn Vorhalle
ist etruskisch, wenn auch Vitruvs Vorschrift, daĂź die Vorhalle
eben so tief sein soll wie die Cella, nicht eingehalten ist. Etrus-
kischcr oder doch italischer Sitte entspricht auch der hohe Unter-
bau mit dem Treppenaufgang auf der Vorderseite. Dagegen sind
die Architckturformen des Aufbaues griechisch, korinthischer Ord-
nung. Und diese Formen haben nun auch wieder den GrundriĂź
beeinfluĂźt: die Intercolumnien sind nicht die weiten, auf Holz-
architrave berechneten der etruskischen, sondern die engeren der
griechischen Architektur. Von solchen aus etruskischen und grie-
chischen Motiven gemischten Tempelbauten spricht auch Vitruv am
Schlüsse .seiner Anweisungen: wir pflegen sie >römischec zu nennen.
6o
Pompeji.
EigentĂĽmlich ist die Treppenanlage: zu unterst zwei schmale
Treppen, getrennt durch die schon S. 46 erwähnte Plattform, die
den Altar trug und zugleich als RednerbĂĽhne diente. DaĂź
nämlich hier der Altar stand, erfahren wir durch ein am Unter-
bau der Larenkapelle eines Privathauses angebrachtes Relief
(Fig. 23). Sicher ist hier die Front unseres Tempels gemeint.
Der links anstoĂźende Bogen, das ihn mit dem Tempel ver-
bindende Mauerstück, die seitwärts vorspringenden Treppen-
wangen, auf denen, wie wir hier erfahren, Reiterstatuen standen.
Ruinen des Jupitertempels. Photographie Brogi.
endlich eben die Plattform in der Mitte der Treppe, alles dies
stimmt genau. Die abweichende Zahl und Form der Front-
säulen darf uns nicht irre machen; solche Ungenauigkeiten sind
auf antiken Darstellungen von Bauwerken gewöhnlich. Wir haben
diesem Relief fĂĽr unsere Restauration (Fig. 15) die eigentĂĽmliche
Form des Bogens links entnommen.
Der Dachstuhl war wohl durch eine Kassettendecke verhĂĽllt,
sowohl in der Vorhalle wie in der Cclla. Vor der 4,46 m
breiten Tür erkennen wir die großen Steine mit den Löchern,
in denen die Zapfen der mächtigen Türflügel sich drehten.
VIII. Der Jupitertcmpel.
6i
Eigentümlicherweise lagen diese vor, nicht in der Türöffnung und
waren nicht unbeträchtlich größer als diese: es sollte dadurch
ein groĂźartigerer Anblick bei geschlossener TĂĽr erzielt werden.
Besonders reich war die Architektur der Cella. An den
Langwänden entlang je eine Reihe von ionischen Säulen, etwa
4,50 m hoch: auf ihrem Gebälk muß eine obere, vermutlich
korinthische Säulenreihe gestanden und mit ihrem Gebälk die
Decke gestĂĽtzt haben. Auf dem
Zwischengebälk, zwischen den oberen
Säulen, mochten Statuen und Weih-
geschenke aufgestellt sein. Der FuĂź-
boden bestand in der Mitte, innerhalb
der in unserem GrundriĂź gezogenen
Linie, aus Marmorplatten, von denen
nichts, im ĂĽbrigen aus weiĂźem Mosaik,
von dem nur wenig erhalten ist.
Von der Bemalung der Wände
im zweiten pompejanischen Stil gibt
Fig. 22 eine Probe : es sind die gewöhn-
lichen Motive: Marmorbekleidung mit
roten Hauptfeldern : darĂĽber ein Ge-
sims. Der Sockel mit seiner einfachen
Linienteilung auf schwarzem Grunde
ist später einmal im dritten Stile
restauriert worden : ursprĂĽnglich hatte
er ohne Zweifel eine mehr architek-
tonische Gestalt und war oben durch
ein gemaltes Gesims abgeschlossen.
An die RĂĽckwand angebaut er-
hebt sich eine groĂźe 3,45 m hohe
Basis, fast dreimal so lang als breit, ursprĂĽnglich durch vier Pilastcr
in drei Teile geteilt. Später sind dann die Pilastcr und ihr Gebälk
entfernt und ist das Ganze mit Marmorplattcn verkleidet worden.
Drei enge, aus der Cella zugängliche Kammern waren im hincrn
der Basis enthalten. Kein Zweifel, da(.^ auf dieser einst drei Kult-
bilder dreier Götter standen. In den Kammern mochte der ihnen
bei festlichen Gelegenheiten angelegte Schmuck bewahrt werden.
Sehr alt ist der Tempel nicht. Die Richtung seiner Achse
Fig. 22. Teil der Wanddekoration in
der Cella des Jupitertempels.
62 Pompeji.
setzt die durch den Portikenbau des Popidius oben (S. 47) be-
zeichnete Neugestaltung des Forums voraus. Und er ist jĂĽnger
als die Portiken, die wir in vorrömische Zeit datieren mußten.
Die mit Stuck überzogenen Säulen der Vorhalle würden wir jetzt,
wo von den korinthischen Kapitellen nur eins, und dieses ganz
verstümmelt, erhalten ist, unbedenklich der vorrömischen Zeit,
der Tufifperiode, zuschreiben. Aber zur Zeit der Ausgrabung
war von den Kapitellen mehr vorhanden ; sie wurden damals von
Mazois gezeichnet und in seinem groĂźen Werk ĂĽber Pompeji
veröffentlicht. Und hier zeigt sich, daß die Akanthusblätter der
Kapitelle nicht die ganz eigentĂĽmliche Form der Tuffperiode
haben, mit weich ĂĽberfallendem oberen Rande, sondern die ge-
wöhnliche griechisch-römische mit aufwärts gerichteten spitzen
Zacken. Besser erhalten sind die ionischen Säulen in der Cella,
groĂźenteils mit ihren Kapitellen; es fehlt nur der StuckĂĽberzug.
Und auch hier könnten wir zwar die Schäfte mit ihren tiefen,
halbkreisförmigen Kanneluren der Tuffperiode zuschreiben; aber
die Kapitelle zeigen ganz abweichende Formen. Nicht mehr die
in der Tuffperiode fast ausschlieĂźlich herrschenden Diagonal-
voluten, mit denen alle vier Seiten den gleichen Anblick bieten
(s. Kap. LH), sondern die gewöhnliche klassische Form des zwei-
seitigen Kapitells. Und unter den Voluten der Eierstab nicht
mehr in der charakteristischen Form der Tuffperiode, mit den
ganz kleinen Kügelchen, sondern auch hier die gewöhnliche
griechische und griechisch-römische Form mit dem länglichen,
den Rahmen ganz füllenden »Ei«. Dagegen haben die trotz der
späteren Umgestaltung zum Teil erhaltenen korinthischen Kapitelle
der Pilaster an der groĂźen Basis die Formen der Tuffperiode,
mit dem ĂĽberfallenden Akanthus: ob auch die Feinheit der Arbeit
dieser Periode entspricht, das ist bei der dĂĽrftigen Erhaltung
nicht kenntlich. Dazu kommt nun, daĂź fĂĽr die Pilaster, sowohl
fĂĽr die der groĂźen Basis als fĂĽr die an den Enden der inneren
Säulenreihen, ziegeiförmig behauene Steine verwendet sind: ein
in der vorrömischen Zeit nicht übliches Material.
Nach alledem sind wir hier nicht mehr in der Tuffperiode,
aber auch noch nicht weit von ihr entfernt: in der ersten Zeit
der römischen Kolonie muß der Tempel erbaut sein. Und so
ist denn auch die Wandmalerei im zweiten Stil gehalten, dem
VIII. Der Jupitertcmpel.
Stil der eben seit dieser Zeit ĂĽblich war,
ohne den geringsten Rest älterer Dekoration,
Und eine Bestätigung dieser Zeitbestimmung
dĂĽrfen wir nun wohl auch darin finden, daĂź
der ganze Bau 125, die Treppe 20 römische
FuĂź lang ist, wenn gleich an sich, nach
dem oben S. 42 ĂĽber den Gebrauch des
römischen Fußes gesagten, dies keine Ent-
scheidung geben wĂĽrde.
Ein Jupiterkopf, auf den wir noch zu-
rĂĽckkommen, wurde in der Cella gefunden:
auĂźerdem eine Inschrift, enthaltend eine
Widmung an Jupiter Optimus Maximus,
den Gott des Kapitols, zu Ehren Caligulas,
aus dem Jahre 37 n. Chr. Welches waren
aber die beiden neben Jupiter verehrten
Gottheiten ?
Wie die römischen Kolonien überhaupt
ein verkleinertes Bild der Hauptstadt zu sein
strebten, so pflegten sie auch als Haupt-
tempel ein Capitolium, einen Tempel der
kapitolinischen Gottheiten, Jupiter, Juno, Mi-
nerva, zu haben. Der Kult dieser drei Gott-
heiten ist uns fĂĽr Pompeji noch besonders
bezeugt: ihre Kultbilder standen in einem
kleinen Tempel, den wir vermutungsweise
fĂĽr den des Zeus Meilichios halten. Aber es
waren dĂĽrftige Tonbilder und das Tempel-
chen selbst ist zu dürftig für die Kultstätte
der herrschenden Götter Roms: oflcnbar war
ihr Kult dort nur einstweilen untergebracht,
weil das Capitolium mit seinen Statuen
durch das Erdbeben des Jahres 63 zerstört
war. Nun finden wir hier als Haupttempel
der Stadt einen Tempel dreier Götter, von
denen einer Jupiter war, einen Tempel, der,
im Jahre 63 eingestĂĽrzt, zur Zeit der Ver-
schüttung nicht als Kultstätte diente. Da
63
fHMB
64
Pompeji.
bleibt wohl kein Zweifel : dies ist das von den römischen Kolonisten
gleich nach der Besitzergreifung erbaute Capitolium; Juno und
Minerva standen auf der großen Basis neben dem König der Götter.
Damit fällt nun vielleicht auch ein neues Licht auf die eigen-
tümliche Lage des Altars auf einer erhöhten Plattform in der
Mitte der Treppe. Denn man hätte ihn ja auch vor die Treppe,
auf die Fläche des
Forums stellen kön-
nen. Aber wie in Rom
der kapitolinische
Tempel mit seiner
ganzenUmgebung auf
hohem Berge lag, so
wollte man vielleicht
auch hier nicht nur
den Tempel, sondern
auch den Altar er-
höhen, so daß nun
auch hier wie dort zum
Opfer der Priester
hinaufsteigen muĂźte.
Der Unterbau ent-
hält gewölbte Räume,
zugänglich durch eine
TĂĽr von der Ostseite.
Ihre Bestimmung ist
unbekannt. Wir kön-
nen an die Schatz-
kammer unter dem
römischen Saturn-
tempel denken: es konnten aber auch Magazinräume, favissae^
sein, fĂĽr beiseite gelegte alte Weihgeschenke und sonstige Dinge.
Es ist nun bemerkenswert, daß die Anordnung dieser Räume,
gewisse jetzt geschlcssene obere Lichtöfifnungen, eine große ver-
mauerte Öffnung gegen die Frontseite, — wir können auf einzelnes
nicht weiter eingehen — daß alles dies gar nicht recht zu dem
jetzt auf diesem Unterbau stehenden Tempel paĂźt, ja zum Teil
mit ihm unverträoflich ist. Vielleicht läßt sich hierfür eine Er-
Fig. 24. BĂĽste des Zeus von Otricoli, im Vatik.in. Nach
Brunn-Bruckmann, Denkmäler, Tafel 120.
\'III. Der Jupitcrtenipel.
65
klärung finden. Die Neugestaltung des Forums mit den Portiken
des Popidius fällt in das 2. Jahrh. v. Chr. Zwischen ihr und dem
Tempelbau liegt die Zeit des Bundesgenossenkrieges. Es ist aber
kaum denkbar, daĂź bei der Neugestaltung nicht auch schon der
das Forum ĂĽberragende Tempel geplant gewesen sein sollte,
sehr denkbar dagegen, daĂź sein Bau schon damals begonnen,
aber durch die Kriegs-
zeiten unterbrochen
wurde, und daĂź dann
die römischen Kolo-
nisten ihn vollendeten,
aber nicht nach dem
ursprĂĽnglichen Plan,
sondern mit den Ver-
änderungen, die seine
nunmehrige Bestim-
mung als Capitolium
erforderte. So wĂĽrde
die mangelnde Ăśber-
einstimmung zwi-
schen Unter- und
Oberbau sich gut er-
klären. Indes ist über
diesen Punkt die
Untersuchung noch
nicht abgeschlossen.
Ehe wir den Tem-
pel verlassen, werfen
wir noch einen Blick
auf den schönen hier gefundenen Jupiterkopf (Fig. 25). Wir
werden uns seine Eigenart am besten klar machen, wenn wir ihn
zusammenstellen mit dem berĂĽhmten Zeus von Otricoli, dem er
nahe verwandt ist.
Fern sind wir hier von der groĂźartigen Einfachheit und Ruhe
des Phidias: in viel höherem Grade hat hier der Mensch den
Gott nach seinem eigenen Bilde geformt, ihm menschliche Indi-
vidualität, menschliche Leidenschaft \erliehen. Wir können liier
nicht auf die Frage eingehen, ob der Kopf von Otricoli aus der
Mau, Pompeji, i. Aull. e
Fig. 25. BĂĽste des Jupiter aus Pompeji.
Museum zu Neapel.
66 Pompeji.
Schule des Praxiteles stammt, oder schon mehr den EinfluĂź des
Lysippos zeigt; sicher ist der Typus in der zweiten Hälfte des
vierten Jahrhunderts, des Jahrhunderts nach Phidias, entstanden.
Die Ähnlichkeit der beiden Köpfe ist augenfällig. Wesentlich
gleich ist die Gesamtform; in beiden das gleiche, kraftvoll sich
aufbäumende und in reicher Fülle auf Nacken und Schultern
herabfließende Haar, derselbe mächtig wallende Bart. Und doch,
bei näherer Betrachtung, welcher Unterschied! — Betrachten
wir zuerst den Zeus von Otricoli. Die eigentĂĽmliche Form der
Stirn — vorspringend in der Mitte bis hinauf zu den Haarwurzeln,
an den Seiten zurückweichend — deutet weniger auf klare, all-
umfassende Intelligenz, als auf tiefe wunderbare Gedanken. Un-
bezwingliche Willenskraft prägt sich aus in den massigen Zügen,
die Fähigkeit gewaltiger Leidenschaft in den Augenbrauen, über
denen der untere Teil der Stirn vorspringt, drohend wie eine
Gewitterwolke. Aber fĂĽr jetzt ist alles tiefe Ruhe; schwer lasten
die Lider über den ohne bestimmtes Ziel abwärts gerichteten
Augen. Der Gott ist hier gefaĂźt als die geheimnisvolle, un-
bewuĂźte Naturkraft, Urquell und Gesetz aller Dinge. Oder auch
als der mit schweren Wetterwolken bedeckte Himmel.
Dagegen zeigt uns der pompejanische Kopf eine zwar mäch-
tige und ungewöhnliche, aber durchaus klare und verständliche
Persönlichkeit. Gewaltige Kraft auch hier, aber beherrscht von
einem lebhaften, klaren und umfassenden Geiste. In wunderbarer
Weise sind hier starker Wille und hohe Intelligenz vereinigt.
Breiter und freier wölbt sich die Stirn; hell und weit offen
blicken die Augen unter den scharf geschnittenen Brauen. Kein
in sich versunkenes BrĂĽten; mit gespannter Aufmerksamkeit, die
sich auch in der gehobenen Oberlippe malt, verfolgt der Gott
irgend einen fernen Vorgang, der vielleicht im nächsten Augen-
blick sein Eingreifen erfordern wird. Es ist der weise und
mächtige König, dessen schützendes Auge weit reicht bis an die
Grenzen seiner Herrschaft. Wir irren wohl nicht, wenn wir an-
nehmen, daĂź diese Umwandlung des Otricolitypus stattfand in
einer monarchischen Zeit, in der Zeit, als die griechische Welt
von den Nachfolgern Alexanders beherrscht wurde.
Kapitel IX.
Die Basilika.
Die Basilika, an der SĂĽdvvestecke des Forums, war zweifellos
das groĂźartigste und architektonisch interessanteste Bauwerk
Pompejis. Bauart und Dekoration ersten Stils weisen auf vor-
römische Zeit. Dazu kommt eine in den Stuck der Wand ein-
gekratzte Inschrift: C. Pumidms Dipiliis heic fuit a. d. V nonas
Octobreis M. Lepid. Q. Catul. cos] das Datum ist der 3. Oktober
78 V. Chr.
Bassilica: dies Wort kratzte ein alter Pompejaner mehrmals
in den Stuck der Außenseite des Gebäudes, rechts vom Süd-
eingang. Und in der Tat, der GrundriĂź und alle erhaltenen Teile
stimmen zu dem, was wir von den Basiliken der Alten wissen.
Damit aber gewinnt unser Gebäude ein hohes Interesse: wir
haben hier das ohne Zweifel älteste erhaltene Beispiel einer
hochwichtigen Gebäudeform, deren Anfänge sich im Dunkel der
Vorzeit verlieren, deren weitere, reiche Entwicklung aber noch
heute nicht abgeschlossen ist. Was die von den Griechen ge-
schaffene Form des Tempels fĂĽr das Altertum gewesen war, das
wurde die Basilika als Vorbild der christlichen Kirche fĂĽr Mittel-
alter und Neuzeit.
Unsere Kenntnis der Geschichte der Basiliken beginnt mit
dem Baue der Basilica Porcia in Rom durch den älteren Cato,
184 V. Chr. Andere folgten und schon zur Zeit Caesars lagen
ihrer am römischen Forum eine ganze Anzahl. Weiter rückwärts
haben wir nur Vermutungen. Den griechischen Ursprung be-
zeugt der griechische Name: basilike stoa. die königliche Halle;
die Vorbilder des römischen wie des pompejanischen Baues haben
wir in den Hauptstädten der alexandrinischen Zeit und in den
griechischen Kolonien Italiens zu suchen. Aber keine Ruine,
keine Erwähnung in der Literatur gibt Kunde von ihnen. Daß
68
Pompeji.
1^^=-== ^0===== ==50=S====^P
MSH^
Fig. 26. GrundriĂź der Basilika, a Vorhalle.
I. Umgang. 2. Hauptraum. 3. Tribunal. 4. Räume
neben dem Tribunal.
die Königshalle, basileios stoa, in Athen, das Amtslokal des
Archon Basileus, Urbild aller Basiliken gewesen sei, ist eine un-
sichere Vermutung: weder ist uns die Form dieses berĂĽhmten
Gebäudes hinlänglich bekannt, noch gestattet der Name einen
sicheren Schluß. Wahrscheinlich hat die Basilika »Königshalle«,
ihren Namen von einem der
Nachfolger Alexanders erhalten.
Basiliken sind geräumige
Hallen , Erweiterungen des
Marktes und selbst gewisser-
maßen bedeckte Märkte, ohne
bestimmten, begrenzten Zweck :
was sonst auf dem Markte vor-
ging, konnte auch in die bei
jedem Wetter Schutz bietenden Basiliken verlegt werden. Haupt-
sächlich aber dienten sie dem Handelsverkehr und der Rechts-
pflege. Ihre Form kennen wir teils aus den freilich nicht zahl-
reichen Resten nament-
lich in Rom — Basilica
Julia, Ulpia^ des Kon-
stantin — und in Afrika,
mehr noch aber aus den
Vorschriften Vitruvs so-
wie aus seiner Beschrei-
bung der von ihm selbst
gebauten Basilika in
Fano.
Danach ist der nor-
male GrundriĂź wesent-
lich der unseres Ge-
bäudes: ein längliches
Viereck, durch Säulen
in einen Mittelraum und einen Umgang geteilt, nicht zu breit,
um den Mittelraum mit einem Dache zu überspannen. Die Säulen
sind in der Normalbasilika so hoch, wie der Umgang breit, dieser
mit einer auf ihrem Gebälk ruhenden Terrasse gedeckt. Der Mittel-
raum aber ist höher: das Gebälk der Säulen trägt eine mäßig
hohe Mauer und weiter eine zweite Säulenreihe, die das Dach des
Fig. 27. Kapitell aus der Basilika. Photographie Lindner.
IX. Die Basilika.
69
Mittelraumes trägt und durch ihre Intercolumnicn Licht einläßt.
Diese Räume dienten vorwiegend dem Handelsverkehr: im Mittel-
raume mochten die Händler ihren Stand haben, im Umgang das
kaufende Publikum zirkulieren. Der fĂĽr die Rechtsprechung be-
stimmte Raum, das Tribunal, war am häufigsten eine auf den Um-
gang geöffnete Apsis; doch kommt auch — und nicht nur in
unserem Gebäude — die Form eines in ganzer Breite auf den
Umgang geöffneten erhöhten Zimmers vor.
Im wesentlichen ist dies auch die Form der altchristlichen
Basiliken, nur daĂź hier statt des ringsum laufenden Umganges
zwei Seitenschiffe sind, wie ĂĽbrigens auch schon in einigen
Marktbasiliken. Sie wĂĽrden uns von Raum und Lichtwirkung
ihrer Vorbilder eine noch treuere Vorstellung geben, wenn nicht
meistens die ursprĂĽnglich reichlicheren Fenster zum Teil ver-
mauert und so das stimmungsvolle Dämmerlicht des Mittelalters
hervorgebracht worden wäre.
Diese Normalform ist nun aber keineswegs immer ängstlich
festgehalten worden. Vitruv selbst, in Fano, und auch die Er-
bauer anderer, in TrĂĽmmern erhaltener Basiliken sind stark davon
abgewichen. So liegt auch der pompejanischen Basilika das
ĂĽberlieferte Schema zwar zugrunde, ist aber in einem wesent-
lichen Punkte modifiziert und zwar mit viel höherem künstlerischen
Sinn als ihn Vitruv in seinem Bau bekundete.
Wahrscheinlich ist unser Gebäude jünger als die Basilica
Porcia. Aber die Pompejaner, kĂĽnstlerisch von den Griechen,
nicht von Rom abhängig, haben ihr Vorbild schwerlich dort, eher
in Neapel oder sonst einer Griechenstadt gesucht.
Fünf Eingänge zwischen sechs Tuffpfeilern führen vom P^orum
aus zunächst in eine unbedeckte Vorhalle (Chalcidicum, a). An
den Wänden, hier wie auf der Außenseite des Gebäudes, Reste
einer sehr einfachen Stuckdekoration: gelber Sockel, ein roter
vorspringender Gurt, darüber weiße Fläche, eine auch sonst vor-
kommende einfache Form des ersten Stiles. Links neben der
Vorhalle ein Brunnen zur Aufnahme des auf das Dach gefallenen
Wassers; die neben demselben angegebene Treppe hat mit der
Basilika nichts zu tun, sondern fĂĽhrte auf den oberen Umgang
des Forumsportikus.
Weiter über vier Lavastufen in das Innere des Gcl^äudcs.
70
Pompeji.
Vier Säulen teilen den Eingang; die drei mittleren Intercolumnien
sind ganz offen, die beiden rechts und links geschlossen durch
eine Mauer, in der aber je eine breite TĂĽr angebracht ist. Ein
weiter Innenraum, 55 m (200 oskische FuĂź) lang und 24 m breit,
nimmt uns auf: 28 mächtige Ziegelsäulen von 1,10 m (4 oskische
Fuß) Durchmesser, nur in geringer Höhe erhalten, teilen ihn in
Mittelraum und Umgang. Halbsäulen von geringerem Durch-
messer (84 cm) treten vor aus den Wänden, deren Stuckdekoration
in Reliefarbeit eine buntfarbige Marmorbekleidung nachahmt: das
bekannte Motiv des ersten Dekorationsstils. Den gleichen Durch-
messer wie die Halbsäulen haben die schon erwähnten Säulen
Fig. 28. Innenansicht der Basilika; Blick auf das Tribunal.
des Eingangs und ähnliche Säulen an der Rückseite, an den
Ecken des Tribunals (sichtbar Fig. 28); die ionischen Tufifkapitelle
sind zum Teil erhalten (Fig. 27), spurlos verschwunden die der
28 großen Säulen. Auf die Rückseite öffnet sich mit einer
Säulenstellung das von einem 1,65 m (6 oskische Fuß) hohen
Unterbau getragene Tribunal.
Ein nur in geringen Resten erhaltener FuĂźboden aus zer-
stampften Ziegeln und Tonscherben (Opus Signinum) erstreckte
sich in gleicher Höhe durch Umgang und Mittelraum; er ist im
folgenden bei Höhenangaben als Nullpunkt genommen. Eine
Wasserrinne von quadratischem Durchschnitt (15 cm, auf unserm
Plane angedeutet) lief auf drei Seiten des Mittclraumes unter dem
IX. Die Basilika.
71
Fußboden am Fuße der Säulen entlang, unterbrochen durch acht
viereckige, ohne Zweifel offene Bassins. Und zwar senkt sich die
Rinne von einem Bassin zum andern, so daĂź das Wasser immer
nahe dem oberen Rande ausfloß, in das nächste Bassin aber an
einer niedrigeren Stelle einfloĂź und so, je weiter es kam, desto
mehr abgeklärt wurde. Es ist begreiflich, daß man zu mancherlei
Gebrauch Wasser in der Basilika zu haben wĂĽnschte. Man
möchte annehmen, daß es aus dem oben (S. 70) erwähnten
Brunnen links der Vorhalle kam ; doch ist sonderbarer Weise der
Ausgangspunkt dieses Abklärungssystems das Bassin an der Ecke
rechts vom Eingang.
Fig. 29. AuĂźenseite der Basilika, wiederhergestellt.
Soweit die erhaltenen Reste. Versuchen wir nun, aus ihnen
den Aufbau des Ganzen wiederherzustellen.
Die den Umgang vom Mittelraum trennenden Säulen konnten,
bei ĂĽber i m Durchmesser, kaum unter 10 m hoch sein. Da-
gegen waren die Halbsäulen und die mit ihnen zusammengehenden
Säulen des Einganges und der Rückseite bei 84 cm Durchmesser
mit ihrem ionischen Kapitell nicht höher als 5,90 m (20 röm. Fuß).
Da nun aber die Wände doch nicht niedriger sein konnten als
die Säulen mit ihrem Gebälk, so mußte über dem Gebälk der
Halbsäulen noch ein oberer W'andteil folgen, von dem in der Tat
beträchtliche Reste erhalten sind.
72
Pompeji.
An den Wänden entlang stehen zahlreiche bei der Ausgrabung
gefundene Kapitelle, SchaftstĂĽcke und auch einige Basen einer
kleineren Säulenstellung (Durchmesser 53 cm) aus Tuff mit weißer
Stuckbekleidung, die nur hier ihren Platz finden kann, und aus
deren Formen — Säulen, Halbsäulen, eigentümlich geformte
Dreiviertelsäulen — sich dieser obere Wandteil ziemlich sicher
herstellen läßt (Fig. 2g und 30). Auf den Langseiten stand hier
eine Säulenreihe, doppelt so eng gestellt wie die unteren Halb-
säulen, stellenweise, größerer Festigkeit halber, unterbrochen durch
Fig. 30. Inneres der Basilika, Blick auf das 'J'ribunal, wiederhergestellt.
kurze WandstĂĽcke mit je einem Fenster. Dagegen auf der Ein-
gangsseite geschlossene Wand, gegliedert durch Halbsäulen, deren
zu groĂźe Distanzen durch Fenster maskiert waren. Ahnlich war
es auf der RĂĽckseite (Fig. 31).
Mit diesem Aufbau der Wände ist die Rekonstruktion des
Innenraumes im wesentlichen gegeben. Zweifelhaft bleibt, ob
der Dachstuhl sichtbar oder, wie in Fig. 30 angenommen, durch
eine Feldcrdecke verhüllt war. Im übrigen können wir uns die
schöne und großartige Raumwirkung des Innern vollständig ver-
gegenwärtigen. Umgang und Mittelraum sind fast so hoch wie
der Mittelraum breit, zwischen 11 und 12 m; das Licht in breiten
IX. Die Basilika.
73
Strömen zwischen den Säulen des oberen Teils der Langwände
eindringend, verbreitet sich gleichmäßig durch den ganzen weiten
Raum. Wir dĂĽrfen vermuten, daĂź man auf der SĂĽdseite die
Sonne, wenn sie zu lästig wurde, durch Vorhänge ausschließen
konnte.
Das Normalschema der Basilika war also hier stark modifiziert:
statt der Überhöhung des Mittelraumes eine größere Höhe des
ganzen Baues. Und die Gliederung der Wände in einen unteren
und oberen Teil wird uns besser verständlich, wenn wir sie fassen
als eine Erinnerung an die Normalbasilika: der untere Teil, die
Halbsäulen mit ihrem Gebälk, entspricht der gewöhnlichen Höhe
des Umganges; er trägt die Fensterwand, die nur von ihrem
gewöhnlichen Platz
über den Säulen des
Umganges auf die
Außenwände über-
tragen ist.
Das Tribunal (3)
ist der vornehmste
und am meisten her-
vorgehobene Teil des
ganzen Baues. Auf
schön und kräftig
profiliertem Unterbau
öffnet es sich mit einer Säulenstellung auf den Hauptraum; die
Säulen zeigen Spuren eines sie verbindenden Gitters; die Wände,
durch Halbsäulen gegliedert, ahmen, ähnlich denen des Haupt-
raumes, eine buntfarbige Marmorbekleidung nach. Es ist ein
Tribunal im eigentlichsten Sinne: der erhöhte Platz für den Richter
und seine Beisitzer, während das apsisförmige Tribunal anderer
Basiliken eigentlich nur der Ort ist, wo das Tribunal aufgeschlagen
wird. Die Parteien standen zu ebener Erde, in dem hinteren Arm
des Umganges, und dieser muĂźte, so lange hier Recht gesprochen
wurde, fĂĽr die Zirkulation des Publikums gesperrt werden. Be-
quem war das nicht, die praktische Zweckmäßigkeit hat künstle-
rischen RĂĽcksichten weichen mĂĽssen. Denn sicher war die vor-
springende Säulenfassade des Tribunals eine Hauptzierde des
Gebäudes.
>W I I I I I I I I I
Fig. 31. Fassade des Tribunals, GrundriĂź und AufriĂź.
74 Pompeji.
Der Unterbau birgt einen halb unterirdischen gewölbten Raum,
der durch zwei runde Öffnungen in der Wölbung (im Plan an-
gedeutet) mit dem Tribunal selbst in Verbindung steht.
Schwerlich ein Gefängnis; durch zwei Fenster in der Rück-
seite, die augenscheinlich nie vergittert waren, wäre es leicht ge-
wesen zu entweichen, zumal wenn von auĂźen jemand half. Viel-
leicht hielten sich hier die Gerichtsdiener (Lictoren, Apparitoren)
auf; auch konnten hier irgend welche fĂĽr die Gerichtsverhandlung
dienende Gegenstände, z. B. Schreibmaterialien, aufbewahrt und
auf Verlangen durch die beiden Ă–ffnungen hinaufgereicht werden.
Der Oberstock des Tribunals war nicht so frei wie dieses
selbst auf den Hauptraum geöffnet; seine Front, zum großen
Teil erhalten, war gegliedert durch Halbsäulen, die von schmalen
Pilastern flankiert und durch eine BrĂĽstung verbunden waren.
Vielleicht war dieser Oberstock mehr aus kĂĽnstlerischen RĂĽck-
sichten, zur Zierde des Raumes, als zu praktischen Zwecken ge-
baut worden (Fig. 31).
Rechts und links vom Tribunal sind Treppenräume. Die
oberen, mit dem Innenraum des Tribunals durch TĂĽren ver-
bundenen Treppenabsätze erreichte man über hölzerne (natürlich
nicht erhaltene) Treppen. In denselben Räumen führen nun aber
steinerne Treppen hinab in den untersten Raum, so daĂź dieser
nicht zugänglich war, wenn die beiden Holztreppen an ihrem
Platze standen. Zur Lösung dieser Schwierigkeit hilft uns die
Beobachtung, daß von den abwärts führenden Treppen nur die
zur Linken stark abgetreten ist, die zur Rechten aber merkwĂĽrdig
neu aussieht. Offenbar lag nur rechts die hinauf in das Tribunal
fĂĽhrende Treppe. Links stieg man hinab in den Kellerraum;
der Treppenabsatz trug hier das untere Ende einer hinauf in den
Oberstock führenden Holztreppe. Später einmal ist dann auf
dieser linken Seite die TĂĽr zwischen Tribunal und Treppenabsatz
vermauert worden, vielleicht weil der Oberstock nicht mehr be-
nutzt und, wenn es doch einmal nötig war, auf einer Leiter er-
stiegen wurde.
Die beiden nicht verschließbaren Räume neben dem Tribunal
stimmen in ihrer Wanddekoration mit der Vorhalle (S. 69) ĂĽber-
ein, nur sind Sockel und Gurt höher und ist auf der weißen
Fläche in Stuckrelief eine Bekleidung mit weißen Marmorplatten
IX. Die Basilika.
75
nachgeahmt. Sie waren nicht höher als der untere Teil der
Wände des Hauptraumes, so daß das Fenster über ihrem Ein-
gang ins Freie ging. Vielleicht warteten hier die Parteien, bis
sie an die Reihe kamen.
Dem Nordeingange gegenüber stand zwischen zwei Säulen
eine marmorne BrunnenmĂĽndung; erhalten ist nur die quadratische
Unterlage mit kreisförmiger Öffnung. Sie stand aber nicht über
einem Brunnen; dagegen ist der Rest eines Bleirohres erhalten,
welches Wasser hinein leitete. Es war also ein Leitungsbrunnen,
dem man die Form einer ZisternenmĂĽndung gegeben hatte.
Am hinteren Ende des Mittelraumes steht die Basis einer Reiter-
statue. Von dieser selbst ist keine Spur gefunden worden.
Schwierig ist die Frage nach der Bedachung des Gebäudes.
Ohne den Leser durch Erwägung der verschiedenen Möglichkeiten
zu ermüden, mag hier nur kurz die wahrscheinlichste Lösung
angedeutet werden, wie sie in unseren Restaurationszeichnungen
angenommen ist. Danach hatte der Mittelraum sein besonderes,
von den 28 Säulen getragenes Dach. Eine flache Terrasse be-
deckte den Umgang und das Tribunal , von dessen Oberstock
aus sie bestiegen werden konnte. .So war auch in der Bedachung,
wie in der Anordnung des Innenraumes eine Erinnerung an das
normale Schema festgehalten, nur daĂź das Mitteldach sich nicht,
wie dort, durch Vermittelung einer Säulenstellung hoch über die
Terrasse des Umganges erhob. Auf dieser letzteren, c^er doch
auf dem sĂĽdlichen Teil derselben, floĂź das Wasser nach der SĂĽd-
ostecke zusammen und ergoĂź sich hier in den Brunnen neben
der Vorhalle.
Die fünf Eingänge der Vorhalle waren verschließbar durch
GittertĂĽren, wie sie auch an den holzverkleideten Pfosten der
Seiteneingänge des Hauptraumes hingen. Auf festen Verschluß
legte man keinen Wert, überließ es vielmehr den Händlern, ent-
weder ihre Waren nach SchluĂź der Marktzeit mitzunehmen oder
sie in den Verkaufsständen sicher zu verwahren. Daß übrigens
nachts ein Wächter dort blieb, ist kaum zu bezweifeln.
Kapitel X.
Der Tempel des Apollo.
Die Betrachtung des groĂźen Tempels an der Westseite des
Forums ist eine besonders dankbare Aufgabe. Er war nach dem
Erdbeben des Jahres 63 vollständig hergestellt worden. Antike
Ausgrabungen haben zwar manches, darunter das Kultbild des
Tempels, entfernt, aber doch vieles, und so namentlich die im
Hofe aufgestellten Bildwerke, am Ort gelassen. Dazu kommen
reichliche inschriftliche Zeug-
nisse. Alles in allem sind wir
ĂĽber kein Heiligtum Pompejis
mit seinen Kulten so voll-
ständig unterrichtet, wie über
dieses.
Unsere Abbildung Fig. 32
gibt eine Probe von dem
FuĂźboden des Tempels: eine
Ecke des auf dem Plane mit
3 bezeichneten Rechteckes.
Die rautenförmigen Platten
sind aus weiĂźem und grĂĽnem
Marmor und aus Schiefer, die schmalen Streifen zwischen ihnen
und dem bunten Mosaikmäander aus rotem Marmor und Schiefer.
In dem Schieferstreifen war eine Inschrift angebracht; kleine,
gebohrte und mit Metall ausgefüllte Löcher bildeten je sieben eine
senkrechte, je vier eine wagrechte Linie. Sie besagt in oskischer
Sprache, daß der Quästor O(ppius) Camp[anius] auf Beschluß des
Rates, mit dem Gelde des Apollo etwas (das betreffende Wort
fehlt, vermutlich den FuĂźboden) hat machen lassen. Ferner liegt
im Tempel ein Tuffstein in Form eines halben Eies (hoch 0,50 m,
Durchmesser 0,73 m): es ist der Omphalos, das bekannte Symbol
mm
Fig. 32. Ecke des MosaikfuĂźbodens in der Cella
des Apollotempels.
X. Der Tempel des Apollo.
77
des Apollo. Auf dem ersten Pilaster rechts am Hofe ist ein
DreifuĂź gemalt, zu groĂź fĂĽr ein bloĂźes Ornament und nur ver-
ständlich als Symbol des Gottes. Und endlich in den Stuck-
ornamenten, mit denen man nach dem Erdbeben des Jahres 63
das Gebälk des Portikus verziert hatte, waren das Hauptmotiv
Greife. Der Greif ist dem Apollo heilig, und wenngleich er sonst
häufig bloß ornamental verwendet wird, so werden wir doch in
diesem Falle eine Beziehung auf die Gottheit des Tempels nicht
verkennen dĂĽrfen.
Die Abweichung der Achse des Tempels von der des Forums
beruht, wie schon oben (S. 47) bemerkt, darauf, daĂź er der
Richtung einer vor dem Bau der Forums-
portiken hier vorbeifĂĽhrenden StraĂźe folgt;
sie beweist also das hohe Alter des Tempels.
Seine Bauart freilich ist von der der Forums-
portiken und anderer Bauten der Tuffperiode
nicht wesentlich verschieden und deutet
keineswegs auf höheres Alter: vermutlich ist
er in der genannten Periode an Stelle eines
älteren Tempels und mit Beibehaltung der
Orientierung desselben erbaut worden. Die
Richtungsverschiedenheit wird ausgeglichen
durch eine Reihe von Pfeilern zwischen
Tempelhof und Forum, deren Dicke nach
Norden zunimmt. Die, Zwischenräume zwi-
schen den Pfeilern waren ursprĂĽnglich offen.
Erst später — der Zeitpunkt kann nicht be-
stimmt werden — vermauerte man sie bis auf die drei dem
Tempel selbst gegenĂĽber liegenden; diese sind erst nach der
Ausgrabung vermauert worden. Neben diesen ursprĂĽnglich zehn
Ă–ffnungen erschien der Zugang von SĂĽden, von der Strada della
Marina, weniger wichtig; sonst wĂĽrde man es wohl vermieden
haben, dieser Seite des Portikus eine ungerade Zahl von Säulen
zu geben, so daĂź nun der TĂĽr des Tempels kein Intercolumniuni
entspricht und auch der Zugang zum Hofe, um einem Intercolum-
nium zu entsprechen, seitwärts gerückt werden mußte. Inmitten
des 54, 50 x3100 m groĂźen, von 4,50 m breiteif, ursprĂĽnglich
zweistöckigen Säulengängen umgebenen Hofes liegt der Tempel
Fig. 33. GrundriĂź des
Apollotempels. i. Porti-
kus, a. Unterbau. 3. Cella.
4. Altar, 5. Sonnenuhr.
6. Zimmer des KĂĽsters.
78
Pompeji.
auf einem 2,50 m hohen, durch eine Freitreppe zugänglichen
Unterbau. Um die kleine, nur fĂĽr eine Statue bestimmte Cella
erweitert sich die ohnehin nach etruskischer Sitte sehr groĂźe Vor-
halle zu einem sie rings einschlieĂźenden Umgange.
Von dem Rücken an Rücken mit der nördlichen Säulenhalle
liegenden kleinen Portikus war schon S. 58 die Rede. Ein in
ihn später hineingebautes Zimmer (6 im Grundriß) wurde mit
Fig. 34. Ansicht des Apollotempels. — Links die Säule mit der Sonnenuhr, vorne der Altar.
Photographie Brogi.
dem Tempelhofe in Verbindung gesetzt und diente als Zimmer
des KĂĽsters [aedituiis).
Wir geben Taf. II und Fig. 34 Ansichten des Tempels und
des Portikus in ihrem jetzigen Zustande. Eine Rekonstruktion
des Zustandes vor dem Erdbeben des Jahres 63 zeigt Fig. 36.
In letzterer hat die Höhe aus dem Durchmesser der korinthischen
Säulen ungefähr berechnet werden können; von Gebälk und
oberen Teilen* ist nichts erhalten als ein großer thönerner Wasser-
speier in Form eines Löwenkopfes. Die Portiken sind aus Tuff
X. Der Tempel des Apollo.
79
gebaut und waren mit weiĂźem Stuck ĂĽberzogen. Nach einer
auch sonst in Pompeji vorkommenden Stilvermischung trugen
die ionischen Säulen (das Kapitell ist das vierseitige, sogenannte
römisch-ionische) ein dorisches Gebälk mit Triglyphen. Auch
hier wie am Forum (S. 48) ruhen die Gebälkstücke auf Holzbohlen.
Daß die Portiken zweistöckig waren, erhellt aus den in den Ge-
bälkstücken sichtbaren Balkenlöchern des Zwischenbodens und
aus Spuren der oberen Säulen auf den Gesimsblöcken. Auch sind
die kurzen, gedrungenen Verhältnisse der ionischen Säulen nur
verständlich unter der Voraussetzung, daß diese noch ein Ober-
f'.?' 3S- Ein Stück vom Gebälk des Portikus des Apollotempels; ursprüngliche Form und
Erneuerung nach dem Erdbeben.
geschoĂź, wahrscheinlich korinthischer Ordnung, trugen. Da aber
von diesem nichts erhalten ist, dĂĽrfen wir vermuten, daĂź es nach
dem Erdbeben von 63 n. Chr. nicht erneuert wurde. Zugänglich
war der obere Portikus aus dem Oberstock der kleinen, nördlich
an den Tempelhof anstoßenden Säulenhalle, in den vom Forum
eine Treppe fĂĽhrte.
Als man nach den Zerstörungen des Jahres 63 daran ging
den Tempel und seine Portiken herzustellen, war fĂĽr die reinen
und einfachen Formen der griechischen Architektur kein Ver-
ständnis mehr vorhanden. Man verlangte buntere, phantastischere
Motive. Und zugleich machte sich energisch das Verlangen gel-
tend nach der in der altgriechischen Architektur ĂĽblichen, nachher
8o Pompeji.
aber verloren gegangenen Vielfarbigkeit. So nahm man die
Gelegenheit wahr, den Tempel und seine Portiken im Geschmack
der Zeit umzugestalten. Von den ionischen und korinthischen
Kapitellen der Portiken und des Tempels wurden die vorspringen-
den Teile abgeschlagen, dann die Säulen, Schaft und Kapitell,
mit dickem Stuck umhĂĽllt, in diesem Phantasiekapitelle, der
korinthischen Form sich anschlieĂźend, modelliert und in rot, blau
und gelb bemalt; gelb malte man auch den unteren, nicht kan-
nellierten Teil des Schaftes. Auch das Gebälk wurde wenigstens
in den Portiken mit einer dicken Stuckschicht ĂĽberzogen und
ganz mit bunten Reliefornamenten in denselben Farben bedeckt.
Jetzt ist all der bunte Stuck wieder abgefallen: wir geben F'ig. 35
Säulen und Gebälk der Portiken nach der Publikation Mazois',
der sie bald nach der Ausgrabung zeichnete. Von den jĂĽngeren
Kapitellen und sonstigen Verzierungen des Tempels selbst war
schon bei der Ausgrabung nichts mehr erhalten.
Die Wände sowohl des Tempels als der Portiken, waren ur-
sprĂĽnglich in dem ersten, bunte Marmorbekleidung nachahmen-
den Stil dekoriert; in der Cella ist ein Rest erhalten. Aber auch
sie wurden nach 63 modernisiert: die Wände des Tempels, innen
und auĂźen, wurden durch weiĂźe Stuckarbeit in quaderartige
Felder geteilt, die der Portiken im letzten pompejanischen Stil
auf vorwiegend weiĂźem Grunde bunt bemalt. Die ornamentalen
Motive dieser Malereien waren, nach den Resten und den Ab-
bildungen zu urteilen, ohne besonderes Interesse. Eine Reihe
von Bildern — Szenen aus dem trojanischen Kriege: der Streit
des Achilleus und Agamemnon, die Gesandtschaft der Griechen
an Achilleus, dessen Kampf mit Hektor(?), die Schleifung Rektors,
Priamos um Rektors Leiche bittend, der Raub des Palladiums
— sind längst zugrunde gegangen und nur durch unzulängliche
Zeichnungen bekannt.
Schon lange vor dieser letzten Modernisierung erfuhr die West-
seite des Tempelhofes eine durchgreifende Umgestaltung. Der
seltsame Straßenzug an der Nordwesteckc (s. Plan II), die schräge
Linie, mit der hier die kleine Säulenhalle abschließt, der ganz
schmale, unzugängliche Raum zwischen dem Tcmpelhof und den
westlich anliegenden Räusern: alles dies kann nicht auf ursprüng-
liche Anlage, sondern nur auf nachträgliche Veränderungen zurück-
X. Der Tempel des Apollo. g j
gehen und wird erst verständlich durch die Beobachtung, daß
ii^ einer frĂĽheren Zeit die von Norden kommende StraĂźe fort-
gesetzt wurde durch die westliche Säulenhalle des Tempelhofes,
welche damals an beiden Enden offen und ein öffentlicher Durch-
gang war, auf den die anliegenden Häuser Fenster, vielleicht auch
TĂĽren hatten. Erst um lo v. Chr. erkaufte die Stadt von den
Anwohnern um 3000 Sesterzen (652 ''^ Markj das Recht, vor ihren
Häusern und Fenstern eine Mauer zu erbauen [ins himinimi op-
struendorimi); so entstand jener unzugängliche Zwischenraum.
Hiervon berichtet eine im Tempelhofe gefundene Inschrift: M. Hol-
conius Rufus il[nuvi] v[ir] i[w-i] d\icinido) tert[ium), C. Egnatius
Fig. 36. Tempel des Apollo, wiederhergestellt.
Postumus d. V. i. d. iter[Mn) ex d[cairionuni) d[ecreto) ius lnuiinum
opstmendoniDi HS 00 00 00 rcdemcritnt^ parictemqtie privattwi Co-
l[oniae) Ven[eriae) Cor[neliae] usquc ad tegulas faciiindtim coerariint,
— »Marcus Holconius Rufus, rechtsprechender Duumvir zum
dritten Mal, (und) Gaius Egnatius Postumus, rechtsprechender
Duumvir zum zweiten Mal, haben nach RatsbeschluĂź das Recht
zur Verbauung des Lichtes um 3000 Sesterzen erkauft und eine
der Kolonie Pompeji ausschließlich gehörende Mauer bis zur
Höhe der Dachziegel der anliegenden Häuser] bauen lassen.«
Ohne Zweifel wurde damals auch der Säulengang an beiden
Enden geschlossen und hörte auf ein öffentlicher Durchgang zu
sein. Da M. Holconius Rufus im Jahre 3 — :: v. Chr. zum vierten
Mal Duumvir war und zwischen zwei Duum.viraten mindestens
Mau. Pompeji. 2. Autl. 6
82 Pompeji.
fĂĽnf Jahre verstreichen muĂźten, so wird sein drittes Duumvirat,
und damit der Mauerbau, um das Jahr lo v. Chr. fallen. ^
Im Tempel steht noch die Basis der Statue des Apollo ; diese
selbst wurde nicht gefunden. Im Hofe, vor der Treppe des
Tempels, steht ein groĂźer Altar aus Travertin, mit gleichlautender
Inschrift auf beiden Seiten: M. Porcius M.f., L. Sexiilius L. f.^
Cn. Cornelius Cn.f.^ A. Cornelius A.f. IUI v[iri) d[e) d[ecurionum)
s[ententid) /[aciundwn] locar[unf]^ — »Marcus Porcius Sohn des
Marcus, Lucius Sextilius Sohn des Lucius, Gnaeus Cornelius
Sohn des Gnaeus, Aulus Cornelius Sohn des Aulus, Viermänner,
haben nach RatsbeschluĂź die Anfertigung (des Altars) in Kon-
trakt gegeben.« Das von den Quattuorvirn (Duumv'irn und
Ă„dilen: s. S. ii) keiner den dritten Namen [cognomen] fĂĽhrt,
deutet auf relativ alte, spätestens augusteische Zeit.
Links neben der Treppe steht eine ionische Säule mit der
Inschrift: L. Sepunius L. f. Sandilianus, M. Herennius A.f. Epi-
dianus diiovir[i) i[uri) d[icundo) d[e] s[ua) p[ecunia) f[aciimdmn)
c{iirarunt) ., — »Lucius Sepunius Sandilianus, Sohn des Lucius
(und) Marcus Herennius Epidianus, Sohn des Aulus, lieĂźen (dies)
auf eigene Kosten machen.« Ältere Abbildungen, aus der Zeit
bald nach der Ausgrabung, zeigen auf dieser Säule eine Sonnen-
uhr. DaĂź in der Tat eine Sonnenuhr hier gestanden hat, ist
auch deshalb wahrscheinlich, weil dieselben Männer noch an einer
anderen Stelle, auf der halbrunden Bank des Forum trianguläre,
eine Sonnenuhr gestiftet haben. Sie war hier vor dem Tempel
des Sonnengottes ganz an ihrem Platze. — Rechts von der
Treppe liegen auf dem Boden einige Lavaplatten mit Löchern,
in denen sicher einst ein hier aufgestelltes Weihgeschenk befestigt
war; doch ist es nicht gelungen aus den Löchern zu erraten,
welcher Art dieses war.
Außer Apollo wurden in diesem Heiligtum — offenbar in
älterer Zeit dem bedeutendsten der Stadt — auch andere Gott-
heiten verehrt, deren Statuen und Altäre im Hofe standen. Die
Statuen — auf der den Portiken vorgelegten Stufe — sind durch
Nachbildungen ersetzt, die Originale nach Neapel gebracht worden.
Es waren drei Paare.
An der Vorderseite standen links fĂĽr den Eintretenden Venus,
rechts ein Hermaphrodit, beides Marmorfiguren in etwa halber
X. Der Tempel des Apollo. gi
Lebensgröße, von i^f sprünglich guter Arbeit, sicher aus vor-
römischcr Zeit, aber schon im Altertum mehrfach ergänzt und
ĂĽberarbeitet.
Vor der Venusstatue steht ein Altar; vielleicht war dies in
vorrömischer Zeit die einzige Kultstätte der Herentas (Göttin des
Verlangens); denn so hieĂź sie in der einheimischen Mundart.
Den Tempel der Venus als Schutzgöttin der römischen Kolonie
werden wir weiterhin kennen lernen.
Obgleich Venus und Hermaphrodit hier durch Aufstellung und
Kunstcharakter ein Paar bilden, gehört doch der Hermaphrodit
nicht zum Kreise der Venus, sondern zu dem des Bacchus; und
um dies noch deutlicher zu machen, hat man dem unsrigen
Satyrohren gegeben. Hatte also etwa auch* Bacchus seinen Kult
bei diesem Tempel? Ein Wandgemälde in dem Zimmer des
KĂĽsters (6 im GrundriĂź) stellt ihn dar, gestĂĽtzt auf den leier-
spielenden Silen und aus seinem Kelche den Panther tränkend:
auffallend genug in einem Apollotempel, aber doch kein ge-
nĂĽgender Beweis fĂĽr einen Kultus. Kein Zweifel, daĂź in dem
weinreichen Pompeji Bacchus verehrt wurde; unzählige Male er-
scheint er auf den Wandgemälden. Aber der Tempel des Wein-
gottes harrt noch seiner Entdeckung.
An der dritten Säule der Seitenhalle rechts stand Apollo,
links Artemis, lebensgroĂźe Bronzestatuen; vor Artemis ein Altar;
Apollo hatte den seinigen vor dem Tempel. Beide bogenschieĂźend;
ursprĂĽnglich offenbar bestimmt, nicht wie hier, sich gegenĂĽber,
sondern neben- oder hintereinander zu stehen; vermutlich wurden
sie fĂĽr eine Niobidengruppe erfunden. Der Kunstwert ist nicht
eben bedeutend. Eine gewisse Eleganz und Zierlichkeit kann
nicht entschädigen für die Oberflächlichkeit in der Darstellung
der Körperformen, den Mangel an Ausdruck in den Gesichtern,
an Energie in der Bewegung. — - Vom Kultus der Artemis in
Pompeji ist uns sonst nichts ĂĽberliefert.
Weiter an der fünften Säule rechts eine Marmorherme oder
genauer, eine statt der Beine in einen viereckigen Pfeiler aus-
laufende Statue : ein JĂĽngling mit ĂĽber den Hinterkopf gezogenem
Gewände: das Gesicht, mit ruhigen, ernsten und milden Zügen,
neigt sich etwas vorwärts. Vj» ist Hermes. Wir wissen. da(.^ er
in dieser Gestalt als Gott der Pahistra. des Turnplatzes, verehrt
6*
84 Pompeji.
wurde, und werden ihm genau so in der galästra der Stabianer
Thermen begegnen. Wie gerade dieser Typus zu solcher Ver-
wendung kam, entzieht sich unserer Kenntnis; erfunden wurde
er wohl sicher fĂĽr den ernsten Todesgott, den Seelengeleiter
(Psychopompos). Und wenn wir ihn hier finden neben dem
bogenschieĂźenden, also auch als Todesgott erscheinenden Apollo,
verehrt zusammen mit der Erdgöttin Maja, so möchten wir wohl
vermuten, daĂź hier die Pompejaner ernstere Vorstellungen mit
seinem Bilde verbanden.
Sein GegenĂĽber links ist nicht gefunden worden; nur der ihm
einst als Unterlage dienende Stein liegt noch am Platze. Zwar
steht im Museum zu Neapel eine ganz ähnliche weibliche Herme,
doch ist neuerdings 'zweifellos erwiesen worden, daĂź diese aus
Rom stammt, wo sie schon vor Aufdeckung unseres Tempels
vorhanden war. Dennoch aber ist es sehr wahrscheinlich, daĂź
hier eine weibliche Herme stand. Maia, Tochter des Atlas, ist
bei den Griechen Mutter des Hermes. Diese Verwandtschaft wurde
von den Römern übertragen auf die altitalische Erd- und Früh-
lingsgöttin Maja, nach der der Monat Mai benannt ist. Auch sie
gilt als Mutter des Merkur und wurde mit ihm zusammen ver-
ehrt; auch fĂĽr Pompeji ist dies durch eine Reihe Inschriften be-
zeugt. So liegt die Vermutung nahe genug, daĂź eben Maja
hier dem Merkur gegenĂĽber stand. Aus denselben Inschriften
lernen wir auch, daĂź mit dem Kultus dieser beiden Gottheiten
der des Augustus eng verbunden war; sie sind eine der wert-
vollsten Quellen fĂĽr die Entwicklung des Kaiserkultus.
Diese Inschriften, zerstreut gefunden, keine am Aufstellungs-
ort, sind Widmungen von Weihgeschenken, die ein aus Sklaven
und Freigelassenen bestehendes Kollegium alljährlich unter Auf-
sicht der städtischen Behörden stiftete. Dieses Kollegium nennt
sich anfangs, mindestens bis 1 4 v. Chr. : Ministri Mercurii Maiae^
Diener des Merkur und der Maja. Minister ist Bezeichnung
eines niederen Priestertumes. Dann aber wurde ihrem Kult der
des Kaisers hinzugefĂĽgt; sie nannten sich nun ministri Angusti
Mercurii Maiac^ Diener des Augustus, des Merkur und der
Maja, und noch später, mindestens seit dem Jahre 2 v. Chr., ein-
fach ministri Augiisti. Die erhaltenen Inschriften reichen bis zum
Jahre 40 n. Chr. Wir geben als Beispiel die des Jahres 2 v. Chr.,
X. Der Tempel des Apollo. ge
in der zuerst die viinistri Augusti vorkommen : A''. Vcius PJiylax.,
N. Popidws MoscJms^ T. Mesciinns Ampliio^ Prwms Arriinti M.
s. mm. Aug. ex d. d. iiissu M. Holconi Rufi IV., A. Clodi Flacci III
d. V. i. d.., P. Caeseti Postiimi N. Tintiri Rufi d. v. a. s. p. p. Inip.
Caesare XIII., M. Plautio Silvmw cos. — »Numerius Veius Phylax,
Numerius Popidius Moschus, Titus Mescinius Amphio (Frei-
gelassene, wie die griechischen Beinamen und das Fehlen der
Vaternamen beweisen) und Primus, Sklave des Marcus Arruntius,
Diener des Augustus (stellten dies auf) nach RatsbeschluĂź, auf
Befehl des M, Holconius Rufus, der zum vierten, und des Aulus
Clodius Flaccus, der zum drittenmal rechtsprechender Duumvir
war, und des Publius Caesetius Postumus und Numerius Tintirius
Rufus, Duumvirn fĂĽr Wege, Bauten und Festfeiern (d. h. Ă„dilen:
s. S. ii) unter dem dreizehnten Konsulat des Augustus zusammen
mit Marcus Plautius Silvanus«.
Es ist sehr verständlich, daß gerade bei diesem Tempel der
Kult des Augustus eine Stätte fand. Die hier verehrten Gott-
heiten standen ihm ja besonders nahe: Apollo, sein Schutzgott,
dem er den Sieg von Actium zu verdanken meinte, dem er auf
dem Palatin einen prachtvollen Tempel erbaute, Venus, die
Stammutter des Geschlechts der Julier. Und endlich, Merkur
ist ja Augustus selbst. Als solcher feiert ihn Horaz in einer
berühmten, im Jahre 28 v. Chr. verfaßten Ode (I, 2). »Schlimme
Vorzeichen,« sagt er, > drohen Unheil; ein Blitz hat den Tempel
des Jupiter auf dem Kapitol getroffen. Welchen Gott sollen wir
zu Hilfe rufen? Apollo oder Venus oder Mars? oder endlich
dich, geflĂĽgelter Gott, Sohn der Maja, der du auf Erden wandelst
in Jünglingsgestalt als Rächer des Cäsar« :
Sive mutata iuvenem figura
Ales in terris imitaris, almae
Filius Maiae, patiens vocari
Caesaris ultor.
Ein anderes Zeugnis fĂĽr die Verehrung des Augustus als
Merkur bietet eine i. J. i8go in Rom gefundene Weihinschrift
eines Augustusaltares. Er wird geweiht Mercurio aeterno deo.
jfovi^ Junoni reginae., Minervae., Soli., Lunae und noch anderen
Gottheiten. Wenn hier auf einer Ă„ra Augusta (so in der Inschrift
bezeichnet) an erster Stelle, vor den drei Gottheiten des Kapitols,
86 Pompeji.
Merkur »der ewige Gott« genannt wird, so kann, nach der Denk-
weise der Zeit, kein Zweifel sein, daĂź sich unter dieser Bezeich-
nung der Kaiser verbirgt, der nicht offen als Gott gefeiert sein
w'ollte.
Nicht so sicher ist die Deutung einer Hieroglypheninschrift
aus Denderah, in der es heißt: -»Helmis Kaisar ^ Liebling des
Ptah und der Isis.« Letzteres ist ein auch sonst vorkommender
Titel des Augustus, und wenn Helmh fĂĽr Hermes steht, wie ver-
mutet worden ist, so ist auch hier Augustus als Hermes-Merkur
bezeichnet. Und nach ägyptischer Vorstellung ist der weise König
eine Verkörperung des Toth, den die Griechen Hermes nennen.
Aber freilich ist diese Erklärung unter den Ägyptologen nicht
unbestritten: Helniis oder Harmais wird auch aus dem Ă„gyp-
tischen erklärt.
Kapitel XI.
Nordwestecke des Forums. Eichtisch.
Das große Gebäude an der Nordwestecke des Forums (Fig. 37,
I, 2, 3) war nach dem Erdbeben des Jahres 63 erbaut worden.
Wir wissen nicht, ob es zur Zeit der VerschĂĽttung schon unter
Dach war; sicher war es im Innern noch ganz unfertig, die
Wände unverputzt.
Es zerfällt in drei Teile, von denen einer, der nördlichste (1,1),
obere und untere Räume enthält. Unten, im Niveau des Forums,
hintereinander zwei dunkle Räume; der
vordere, durch einen Schlitz in der
Deckenwölbung dürftig erhellt, ist vom
Forum aus zugänglich durch eine enge
TĂĽr mit Spuren starkerEisenvergitterung.
Nicht ohne Wahrscheinlichkeit hat man
hier die städtische Schatzkammer, das
Ararium, erkennen wollen. Denn wenn
es etwa ein Gefängnis wäre, so hätte
man doch wohl jeder der' zwei Zellen
einen besonderen Eingang gegeben.
Ăśber diesen beiden Kammern liegen
zwei Räume, die nicht auf das Forum,
sondern auf die nördlich vorbeiführende
Straße weit geöffnet sind. Ganz wie
Läden; und wir würden sie ohne weiteres für solche halten, wenn
sie nicht um etwa 1,50 m ĂĽber dem Niveau des Gangsteiges
lägen, so daß sie von diesem aus nur durch Treppen oder Leitern
zugänglich sein konnten. Ist jenes untere Lokal in der Tat die
Schatzkammer, so könnte man vielleicht hier die Amtsräumc
städtischer Kassenbeamten erkennen, die hier mit dem Publikum
verkehrten, ohne daĂź doch dieses den Raum betreten konnte.
Fig. 37. Grundriß der Gebäude an
der Nordwestecke des Forums. —
1. Schatzkammer. 2. Abtritt.
^farkthallen.
3. 4
Pompeji.
Der mittlere Raum (2) ist ein öffentlicher Abtritt mit einem
kleinen Vorraum. Da der Eingang zu diesem dem des Haupt-
raumes nicht gegenĂĽber liegt, konnte man auch bei offenen TĂĽren
nicht hineinsehen. Die Einrichtung war noch ganz unfertig; doch
erkennt man den an drei Seiten herumfĂĽhrenden Kanal und
ĂĽber ihm die Steine, auf denen das Holzwerk ruhen sollte, ferner
die Zuleitung fĂĽr die WasserspĂĽlung und die Ableitung in eine
Kloake.
Endlich der dritte, bei weitem größte Teil dieses Gebäudes
ist eine hohe und
geräumige Halle,
durch sechs Ein-
gänge vom Fo-
rumsportikus aus
zugänglich , durch
zwei kurze Mauer-
stĂĽcke in zwei Teile
geteilt; jedenfalls
eine Verkaufshalle,
vielleicht fĂĽr Ge-
mĂĽse und sonstige
ländliche Produkte.
— Von der kleinen
Säulenhalle hinter
dem Apollotempel
Fig. 38. KichĂĽsch, mt-nsa /'onderaria. War SChon S. 58
die Rede. Neben
der in den Oberstock derselben fĂĽhrenden Treppe Hegt ein
kleiner, in ganzer Breite auf das Forum geöffneter Raum.
Und in geringer Entfernung von demselben enthält der erste der
den Tempelhof des Apollo vom Forum trennenden Pfeiler eine
ebenfalls auf das Forum geöffnete Nische.
In dieser Nische steht der Eichtisch, die lucnsa ponderaj'ia
(Fig- 38, Plan II, lo), leider nicht vollständig, da Teile davon, man
weiĂź nicht wie, abhanden gekommen sind. Vorhanden ist jetzt
nur eine 2,55 m lange, 0,55 m (zwei oskische FuĂź) breite Kalk-
steinplatte, mit neun größeren und kleineren, die verschiedenen
Maßeinheiten darstellenden Aushöhlungen, die unten durchbohrt
XI. Nordwestecke des P'orums. Der Eichtisch. 8q
sind, um das zur PrĂĽfung des MaĂźes hineingeschĂĽttete wieder
auslaufen zu lassen. Diese Platte stand auf zwei steinernen
P'ĂĽĂźen, und zwei andere steinerne FĂĽĂźe trugen, auf ihren Enden
stehend, eine zweite ähnliche Platte, mit drei ebensolchen Aus-
höhlungen.
Dieser Maßtisch stammt aus vorrömischer Zeit; die den fünf
größeren Höhlungen in oskischer Schrift und Sprache beige-
schriebenen Namen der einzelnen Maße sind zwar später getilgt
worden, aber doch noch zum Teil lesbar; verständlich ist nur
einer: kuiniks stand neben dem nächstkleinsten Maße, offenbar
das griechische Choinix. Die Pompejaner bedienten sich also in
vorrömischer Zeit griechischen Maßes.
Zur Zeit des Augustus, gegen 20 v, Chr., wurden dann die
Höhlungen erweitert, so daß sie nun römischen Maßen ent-
sprachen, deren Namen aber nicht beigeschrieben wurden. Auf
diese Veränderungen bezieht sich die in die Vorderseite der Platte
eingehauene Inschrift: »Aulus Clodius P'laccus, Sohn des Aulus,
und Numerius Arcaeus Arellianus Caledus, Sohn des Numerius,
rechtsprechende Duumvirn, lieĂźen auf RatsbeschluĂź die MaĂźe
gleich machen [mensuras exaeqiiandas ex dec. decr.)<^ nämlich den
römischen Maßen. Auf einem in Minturnae gefundenen Eichtisch
wird die Anpassung an das römische Maß mit metra exaeguarunt
bezeichnet. Die Durchführung des gleichen Maßes gehörte zu
den MaĂźregeln, durch die Augustus die Reichseinheit zu be-
festigen suchte. Ă„hnliche Eichtische sind auch sonst in ver-
schiedenen Teilen des römischen Reiches gefunden worden, z. B.
in Selinunt, auf den griechischen Inseln, in Bregenz (Brigantio)
am Bodensee.
Wir können vermuten, daß in dem kleinen Raum neben der
Treppe ein mit der Kontrolle der MaĂźe beauftragter Beamter
seinen Platz hatte.
Kapitel XII.
Das Macellum.
Daß das große Gebäude an der Nordostecke des Forums
eine Markthalle, und zwar eine Markthalle fĂĽr Viktualien, ein
Macellum, war, ergiebt sich mit voller Sicherheit aus der ganzen
Anlage, aus den dort gemachten Funden und aus den Malereien
der Wände.
Solche Markthallen, in denen man Lebensmittel jeder Art,
besonders aber feinere und teurere, kaufen, auch wohl einen
Koch mieten konnte, gab es
ohne Zweifel in den griechi-
schen Städten der Zeit nach
Alexander. Von den Grie-
chen haben dann die Römer,
wie die Basilika, so auch das
Macellum ĂĽbernommen: denn
mit diesem griechischen Lehn-
wort benennen sie ein solches
Fig. 39. Grundriß des Macellums. i. Vorhalle. Gcbäude. In Rom entstand
f • f "':"if '". '■/^"''l "" "fu '■TT' das erste Macellum 1 79 v. Chr.
halle fĂĽr Fleisch und Fische. 5. Kapelle. 6. Kan- ' ^
kettraum. 7. Thoius. 8. Schafstall. durch Erweiterung cincsFisch-
marktes. Später folgten an-
dere in Rom und in den Munizipien, wie die Inschriften lehren.
Auf einer MĂĽnze Neros ist ein von ihm erbautes Macellum dar-
gestellt, es stimmt wesentlich mit unserem Gebäude überein:
mehrstöckige Läden und in der Mitte ein Kuppelbau, Dieser
letztere [thoLus] wird auch in einem Verse Varros als Bestandteil
des Macellums erwähnt; seine Bedeutung aber lernen wir nur in
Pompeji kennen.
Eine vierseitige Säulenhalle umgab einen länglichen terras-
sierten Hof In der Mitte, unter einem Kuppelbau, dessen Dach
XII. Das Macellum.
91
zwölf auf Basen gestellte Säulen trugen, eine Grube, wir dürfen
sagen ein Brunnen, von dem aus ein bedeckter Wasserlauf nach
SĂĽdost fĂĽhrte. Hier wurden den gekauften Fischen die Schuppen
abgestrichen und in die Grube geworfen, wo sie in groĂźer Menge
gefunden worden sind. Nur auf die Südseite der Säulenhalle
öffnet sich eine Reihe von Kaufläden. Zu jedem derselben ge-
hört ein oberer Raum. Vor diesen Oberräumen lief eine Holz-
galerie entlang, auf die aber keine Treppe fĂĽhrte; der Laden-
inhaber muĂźte sie, um in sein Oberzimmer zu kommen, auf einer
Leiter ersteigren.
Fig. 40. Ansicht des Maccllums. — Im Vordergrunde: Teil des Stylobats. In der Mitte:
Lberreste des Tholus. Im Hintergrunde: In der Mitte Kaiserkapelle mit Basis; rechts Markt-
halle, links Bankettraum.
Aul der Nordseite sind zwar auch Läden, aber sie öffnen sich
nicht auf die Säulenhalle, sondern auf die Straße, nach Norden:
man wollte keine nach Süden geöffneten Läden, weil in ihnen
die Eßwaren durch zu große Wärme leiden konnten. In den auf
die Straßen geöffneten Läden — ob in denen unseres Gebäudes
oder in den gegenüberliegenden wird nicht gesagt — fand man
Feigen, Kastanien, Pflaumen, Trauben, Früchte in Glasgefäl.^eii,
Linsen, Korn, Brot und Kuchen. Auch an der Vorhalle, auf
die wir noch zurückkommen, liegen einige Läden.
92
Pompeji.
Ein größeres Verkaufslokal (4) öffnet sich auf die Südostecke
der Säulenhalle; zwei Säulen teilten den Eingang. Unverkennbar
ist hier die hufeisenförmige Fleischbank, deren Oberfläche gegen
die Mitte des Raumes geneigt ist. Fleisch- und Fischbank: zwi-
schen dem fĂĽr den Eintretenden linken Arm und der Wand ist
der Fußboden erhöht und stark geneigt gegen das hintere (östliche)
Ende, wo eine Rinne unter der Bank durch südwärts auf die
Straße führt. Diese besondere Vorsorge für Wasserabfluß erklärt
sich wohl nur durch die Annahme, daĂź hier, links, Fische ver-
kauft wurden.
Fig. 41. Das Macellum, wiederhergestellt.
In dem kleinen bedeckten Räume an der Nordostecke der
Säulenhalle (8] sollen Knochen von kleinen Tieren, wie Schafen
(wohl eher Lämmern) gefunden worden sein. Es wurden also
solche Tiere hier lebendig verkauft; denn mancher kaufte statt des
Fleisches geschlachteter Tiere lieber ein Opfertier, um es seinen
Hausgöttern darzubringen.
Die Bestimmung des Gebäudes wird noch besonders bestätigt
durch die auf den Wänden der Säulenhalle erhaltene Malerei,
eines der besten Bei.spiele des letzten pompejanischen Stils. Ober-
halb des Sockels groĂźe schwarze F'elder mit breitem, rotem Rande
und zwischen ihnen Durchblicke auf phantastisch leichte Archi-
XII. Das Macellum.
93
tekturen — gelb, die scheinbar entfernteren Teile auch grün und
rot, auf weißem Grunde — die sich auch in den roten Rand der
Felder erstrecken; so war es möglich, eine reichere Entwicklung
der Architekturprospekte mit großen zusammenhängenden Flächen
zu vereinigen. Die großen schwarzen Felder, umsäumt mit
stilisierten Pflanzenmotiven, enthalten in der Mitte abwechselnd
je eine Gruppe von zwei schwebenden Figuren oder ein einfach
eingerahmtes Bild mythologischen Inhalts: Odysseus vor der ihn
noch nicht kennenden Penelope, lo von Argos bewacht, Medea
ĂĽber dem Morde ihrer Kinder brĂĽtend u. a. Die ganze Anord-
nung ist fein und geschmackvoll, die Ausführung sehr sorgfältig
und zierlich. Besonders charakteristisch aber ist der obere Wand-
teil. Ihn füllen sonst auf Wänden dieses Stils meistens leichte
Architekturen, nach Art der Durchblicke zwischen den Haupt-
feldern, oder ähnliche leichte Motive auf hellem Grunde. Ganz
anders hier. Zwar ĂĽber den Durchblicken erscheint zwischen
leichten, bis an die Decke aufsteigenden Architekturmotiven, auf
blauem Grunde je eine stehende Figur: ein Mädchen mit Opfer-
gerät, ein flötenblasender Satyr. Über den großen schwarzen
Feldern aber ist die ganze Fläche ausgefüllt mit Darstellungen
der einst hier käuflichen Dinge. Leider sind nur wenige dieser
Felder erhalten. Eines enthält Geflügel, teils lebendes, teils totes
und gerupftes, das folgende Fische verschiedenster Art, ein anderes
mancherlei Gefäße, in denen Wein und andere flüssige Waren
enthalten sein mochten. FĂĽr eine solche Abweichung von der
gewöhnlichen Dekorationsart — eine Abweichung, die doch keine
Verschönerung ist — gibt es wohl keine andere Erklärung als
eben die, daß man damit die Bestimmung des Gebäudes zum
Ausdruck bringen wollte.
Zwei Bildchen in den großen schwarzen Feldern des nördlichen
Einganges zeigen uns die Schar der Liebesgötter in verschiedenen
Beschäftigungen. Wie so oft, hat man hier den Vorgängen des
Lebens eine poetische Weihe gegeben, indem man sie gewisser-
maßen in ein Märchenland entrückte. Auf dem einen Bilde feiern
sie das Fest der Vesta, der Schutzgöttin der Müller und Bäcker,
die an diesem Tage ihre MĂĽhlen und die vielgeplagten, an diesem
Tage auch feiernden Esel bekränzten, wie eben auf diesem Bilde
zu sehen ist. Die Beziehung auf den Brot- und Mehlhandcl ist
94
Pompeji.
deutlich genug. Auf dem anderen Bilde flechten und verkaufen
sie Kränze; wie reichlich diese bei den Gastmählern der Alten
verwendet wurden, ist ja bekannt; ohne Zweifel waren auch sie
hier verkäuflich. Und wenn wir weiter in dem Räume mit der
Fleischbank eine Darstellung pompejanischer Lokalgottheiten
finden; Personifikationen des Sarnus, der KĂĽste, der Landschaft,
so wird auch damit nichts anderes gesagt, als daĂź hier die Pro-
dukte des Meeres, des Flusses
und des Landes käuflich waren.
AuĂźer den bisher betrach-
teten, dem praktischen Zweck
dienenden Räumen finden wir
nun aber in unserem Gebäude
noch andere, durch die dem-
selben eine religiöse Weihe
gegeben und es zugleich unter
den besonderen Schutz des
kaiserlichen Hauses gestellt
wird.
Sehr klar ist der Charakter
des mittleren, erhöhten und
über fünf Stufen zugänglichen
Raumes (5) auf der Ostseite
der Säulenhalle: es ist eine
dem Kaiserkult geweihte Ka-
pelle. Auf einer Basis an der
RĂĽckwand und in vier Nischen
in den Seitenwänden standen
fĂĽnf Statuen, von denen frei-
lich nur zwei, in den beiden Nischen rechts, gefunden wurden:
Octavia, die Schwester des Augustus und ihr Sohn Marcellus, einst
die Hoffnung des Augustus und der Römer, nach seinem frühen
Tode von Virgil in unsterblichen Versen beklagt. AuĂźerdem fand
man nur noch einen die Weltkugel haltenden Arm, ohne Zweifel
von einer an der RĂĽckwand stehenden Kaiserstatue. Ein Altar
ist nicht vorhanden, man wird auf einem tragbaren bronzenen
dreifußförmigcn Kohlenbecken geopfert haben, wie deren manche
erhalten und auch aus bildlichen Darstellungen bekannt sind.
Fig. 42. Statue des Marcellus, Sohnes der Octavia,
gefunden in der Kapelle des Macellums.
XII. Das Macellum.
95
Das Macellum in seiner jetzigen Gestalt war kein altes Ge-
bäude; es war nicht allzu lange vor der Verschüttung, aber doch
vor dem Erdbeben des Jahres 63, also unter Nero oder Claudius.
an der Stelle eines älteren, vielleicht in vorrömische Zeit zurück-
reichenden Baues von Grund auf neu gebaut worden. Von dem
älteren Bau sind nur geringe aber sichere Reste geblieben. Daß
schon dieser eine Kaiserkapelle gehabt haben sollte, ist nicht wahr-
scheinlich ; vielmehr möchte
man glauben, daĂź eben die
GrĂĽndung derselben den An-
laĂź zum Neubau gab. Die
glaublichste Annahme ist wohl,
daĂź sie zu Ehren des Claudius
erbaut wurde und dieser selbst
mit der Weltkugel in der Hand
auf der Basis der RĂĽckwand
stand.
Zweifellos wurde Claudius
schon bei Lebzeiten in Pom-
peji göttlich verehrt; sogar
sein Adoptivsohn Nero hatte,
wie die Inschriften lehren,
schon als Kronprinz einen
Priester [flamcn]. In den Ni-
schen links standen dann seine
Gemahlin und ihr von ihm
adoptierter Sohn: Agrippina
und Nero. Ihnen gegenĂĽber
eine andere Mutter mit ihrem
Sohne, Octavia und Marcellus.
Claudius, durch seine Mutter Antonia Octavias Enkel, legte groĂźen
Wert auf diese Abstammung, durch die allein er der Familie des
Augustus angehörte. Von Octavia stammten auch Agrippina und
Nero: sie als Tochter des Germanicus, des Bruders des Claudius,
er auch von väterlicher Seite; denn sein Vater Cn. Domitius war
ein Sohn der älteren, auch Antonia genannten Tochter der Octavia.
Wenn man nun ihnen Octavia und ihren Sohn gegenĂĽberstellte,
so lag darin eine gewiĂź gut aufgenommene Huldigung. Nun
Fig. 43. Statue der Octavia, Schwester des Augu-
stus, gefunden in der Kapelle des Macellums.
Sie ist opfernd dargestellt, in der rechten Hand
die Opferschale, in der Linken die Weihrauch-
schachtel.
gö Pompeji.
hat doch — dies war der Gedanke — , wie einst Augustus ge-
wollt, Octavias Nachkommenschaft den Thron bestiegen; wie
einst MarcelluSj so ist jetzt Nero die Hoffnung des römischen
Volkes.
Dem Kaiserkultus diente auch der links anliegende Raum (6),
mit weitem, durch zwei Säulen geteiltem Eingange. Er enthält
einen eigentĂĽmlich geformten niedrigen Altar; auf zwei Marmor-
stufen liegt eine schwarze Steinplatte mit erhöhtem, an einer
Ecke durchbohrtem Rande : offenbar eine Vorrichtung fĂĽr Trank-
opfer. Es wurden also in diesem Räume Opfermahle gehalten,
bei denen die marmorbekleidete, 82 cm hohe Estrade gleich
rechts am Eingange vielleicht als Anrichtetisch gedient haben
könnte, wenngleich sie für diesen Zweck reichlich groß ist.
Welche Rolle diese Opferschmäuse in den römischen Priester-
kollegien spielten, ist ja bekannt genug. Ein solches wird also
hier seinen Sitz gehabt haben: ob nun das aus Freigelassenen
bestehende Kollegium der Seviri Augustales, ob ein vornehmeres,
den Sodales Augustales der Hauptstadt nachgebildetes Kollegium,
das mĂĽssen wir dahingestellt sein lassen. Dunkel bleibt der Zweck
der überwölbten Nische an der Rückwand und der über fünf
Stufen zugänglichen Estrade vor derselben.
Auch hier (vgl. oben S. 93) ist durch zwei Bilder mit Amo-
rettenszenen die Bedeutung des Raumes angedeutet: auf einem
derselben ergötzen sie sich mit Weintrinken und Leierspiel, auf
dem andern sind sie mit Kultushandlungen beschäftigt. Ein
Raum für Opferschmäuse könnte nicht deutlicher charakterisiert
sein.
Von drei Seiten ist das Macellum zugänglich. Auf das Forum
öffnet sich eine Vorhalle; ihr Dach trugen zwei Säulenordnungen
ĂĽbereinander aus weiĂźem Marmor; erhalten sind Teile der unteren,
ionischen oder korinthischen Säulen und des reich profilierten
Zwischengebälks. Statuen standen am Fuße der Säulen, andere
diesen gegenĂĽber auf der RĂĽckseite der Vorhalle, zwischen den
Läden und an den beiden Säulen des kleinen Vestibulums, an
dessen RĂĽckwand zwischen den zwei in das Innere fĂĽhrenden
Türen ein zweisäuliges Tempelchen steht; sicher enthielt auch
dieses eine Statue. Vergeblich wäre das Bemühen, zu erraten,
wen alle diese Statuen darstellten.
XII. Das Macellum.
97
Durch die nach rechts abnehmende Tiefe der Läden ist die
Schiefwinkeligkeit zwischen Forum und Macellum ausgeglichen.
Dabei wurde der letzte Raum rechts so klein, daĂź er als Laden
nicht brauchbar war; seine Wände waren mit Marmor bekleidet,
an seine RĂĽckwand war auf hohem Unterbau ein Tempelchen
angebaut, so klein, daĂź auch die in demselben aufgestellten Kult-
bilder nur ganz kleine FigĂĽrchen sein konnten. Welche Gottheit
oder Gottheiten hier verehrt wurden, ob etwa die StraĂźenlaren
[Lares coinpitales), das entzieht sich unserer Kenntnis.
Am SĂĽdende der Vorhalle ist eine kleine, ĂĽber eine Treppe
zugängliche Tribüne (im Grundriß angedeutet; auch 4 in Fig. 44)
man kann vermuten, daĂź sie zu Auktionen diente.
Ein anderer Eingang fĂĽhrt von Norden, ein dritter in der
Südostecke über einige Stufen in den Säulenhof. In der für den
Eintretenden linken Wand dieses letzteren Einganges ist eine
kleine Nische angebracht und unter ihr zwei Schlangen gemalt.
Wir werden wohl nicht irren, wenn wir annehmen, daĂź dieses
bescheidene Heiligtum dem Schutzgeist des Gebäudes, Genius
niacclli^ gewidmet war.
Das Macellum war, wie schon bemerkt, wahrscheinlich zur
Zeit des Claudius, an der Stelle eines gleichartigen älteren Ge-
bäudes neu erbaut und ausgemalt worden. Es ist wahrscheinlich,
daß im Jahre 63 die Säulenhallen einstürzten. Da aber Säulen
und Gebälk durch antike Ausgrabungen spurlos verschwunden
sind, ja zum großen Teil auch die Stufe, auf der die Säulen
standen und die Regenrinne, so können wir hierüber, sowie über
etwa begonnenen Wiederaufbau nichts bestimmtes wissen.
Mau, Pompeji. 2. A\ifl.
Kapitel XIII.
Der Tempel der städtischen Laren.
Südlich vom Macellum öffnet sich auf das Forum, die in
früherer Zeit hier ausmündende Straße sperrend, ein länglich
viereckiger Raum (i8 X ao'/z m). Reiche architektonische Gliede-
rung und kostbares Material — Marmorbekleidung an Wänden
und Fußboden — machten ihn zu einem der prachtvollsten
Räume Pompejis. Von alledem liegt freilich jetzt nur der nackte
Mauerkern vor uns, doch mit hinlänglichen Spuren, um mit
Sicherheit das ganze zu rekonstruieren, wie es Fig. 45 und 46
im Quer- und Längsschnitt zeigen.
Auf der Rückseite öffnet sich, das
Ganze beherrschend, eine mächtige Apsis
(Fig. 44, 2); in ihr steht auf 1,70 m hohem
Unterbau eine Kapelle [aediculd]^ deren
ganze RĂĽckseite von einer Basis fĂĽr
etwa drei nicht ĂĽberlebensgroĂźe Statuen
eingenommen wird. In gleicher Höhe
mit dem Unterbau läuft an den Wänden
der Apsis ein Sockel, auf dem jederseits
zwei Säulen und zwei Halbsäulen standen,
wie aus den Fundamentsteinen ersichtlich. Rechts und links (3) je
ein breiter Nebenraum, ala^ mit einer Basis an der RĂĽckwand,
sei es, wie in unserer Wiederherstellung angenommen, fĂĽr eine
ĂĽberlebensgroĂźe Statue, sei es fĂĽr eine kleinere Ă„dicula; je zwei
Säulen und zwei etwa 60 cm starke Eckpilaster trugen das Ein-
gangsgebälk dieser Räume (Fig. 46). Endlich in jeder Seitenwand
drei, in der RĂĽckwand zwei Nischen fĂĽr Statuen, 1,70 m ĂĽber dem
Boden; es ist deutlich kenntlich, daĂź sie eingefaĂźt waren von je
zwei schmalen, auf einem vorspringenden Sockel stehenden Pilastern.
In der Mitte des Hauptraumes stehen die Reste eines Altars.
Fig. 44. GrundriĂź des Tempels
der städtischen Laren, i. Haupt-
raum, unbedeckt, mit Altar in der
Mitte. 2. Apsis mit Kapelle.
3. Alae. 4. TribĂĽne am Forum.
XIII. Der Tempel der städtischen Laren.
99
Sowohl für die Rückseite als für die Seitenwände läßt sich
die Höhe annähernd berechnen. Die Rückwand mit ihrer Halb-
kreiswölbung von 5,50 m Halbmesser, die auf 0,80 m starken, bis
6,15m erhaltenen Pilastern ansetzt, muĂźte bis zu ihrem horizon-
talen Abschluß über 14 m hoch sein. Die Höhe der Seitenwände
erschlieĂźen wir aus dem etwa 95 cm starken Eingangspilaster:
er konnte unmöglich mit seinem Gebälk die gleiche Höhe von
14 m erreichen, muĂźte aber doch, der einzige Pilaster der ganzen
Wand, das sie zu oberst abschließende Gebälk tragen. Da mit-
Fig. 45. Tempel der städtischen Laren, Ansicht der Rückseite wiederhergestellt.
hin die Seitenwände niedriger waren als die Rückwand, so konnten
sie auch nicht mit ihr zusammen eine Decke oder ein Dach tragen:
der Hauptraum war ein unbedeckter Hof, bedeckt nur die Apsis
und die Seitenräume.
Zweifellos haben wir hier eine Kultstätte vor uns, aber doch
keinen eigentlichen vollgĂĽltigen Tempel, Die Aedicula in der
Apsis, mit der breiten Basis für mehrere, verhältnismäßig kleine
Kultbilder, erinnert lebhaft an die LarcnkapcUen so mancher
Privathäuscr. Auch die Stadt hatte ihre Schutzgeister, ihre Laren.
Ihren Kult reorganisierte Augustus und ordnete an, daĂź, wie mit
den Hauslaren der Genius des Hausvaters, so mit den städtischen
7*
lOO
Pompeji.
sein Genius verehrt werden sollte; der Hausvater der Stadt ist
der Kaiser. Und wie das Haus, so hatte auch die Stadt ihr
Larentempelchen; in Rom lag es unweit der Stelle, wo sich
später der Titusbogen erhob. Und so dürfen wir wohl hier den
städtischen Larentempel [sacelluni Lariim publicoruni) erkennen.
Auf der Basis in der Aedicula stand dann der Genius des Augustus,
d. h. sein eigenes Bild mit ĂĽber den Hinterkopf gezogener Toga,
zwischen den beiden Laren, wie sie so oft in den Malereien der
Hauskapellen erscheinen.
Fig. 46. Nordseite des Tempels der städtischen Laren, wiederhergestellt.
Mit den Laren zusammen verehrten die Hausgenossen noch
andere Götter, deren besonderem Schutz der Hausherr vertraute.
Mehrfach sind ihre Bronzefigürchen — Herkules, Merkur, For-
tuna u. a. — mit denen der Laren zusammen in den Hauskapellen
gefunden worden. Hier mochte es ähnlich sein: wir können ver-
muten, daĂź in den beiden Seitenkapellen [alae] etwa Ceres und
Bacchus standen oder je ein Tcmpelchen mit Statuetten dieser
und vielleicht noch mehrerer Gottheiten. Ăśber die in den acht
Nischen stehenden Statuen wird es besser sein, uns jeder Ver-
mutung zu enthalten. — Über die kleine Tribüne 4 s. S. 97.
XIII. Der Tempel der städtischen I.aren. I O I
Acht Lavaquadern, mit Spuren von Eisenklammern zur Be-
festigung einer Marmorbekleidung, bezeichnen die Plätze der
Säulen einer auf das Forum geöffneten Vorhalle, die mit den
Vorhallen der anstoßenden Gebäude zusammen hier den Forums-
portikus vertrat, aber offenbar kein Dach haben konnte. Denn
mochte der Hauptraum unseres Gebäudes unbedeckt sein, wie wir
angenommen haben, oder bedeckt, in beiden Fällen hätte der
obere Dachrand des Portikus auf einem die 1 8 m weite Eingangs-
öffnung überspannenden Balken ruhen müssen, was technisch
unglaublich ist. Um den Portikus zu bedecken, hätte man in der
Eingangsöffnung eine zweite Säulenreihe stellen müssen, die, den
Forumsäulen parallel, den oberen Dachrand getragen hätte. Aber
es ist nur zu klar, daß eine solche Säulenreihe nicht vorhanden
war: da ist keine Spur eines Fundaments, und so spurlos hätte
dies nicht verschwinden können. Es war also nur die Säulen-
reihe — doch wohl zweistöckig — als Dekoration am Forum
entlanggeführt: höchstens durch ein Segel konnte Schutz gegen
Sonne und Regen bewirkt werden.
Kapitel XIV.
Der Tempel des Vespasian.
Südlich vom Larenheiligtum treten wir durch eine mäßig
breite TĂĽr in einen rings von hohen Mauern umschlossenen,
viereckigen, etwas schiefwinkligen Hof (Fig. 47). An der Vorder-
seite eine Säulenhalle, an die Rückmauer angebaut, dem Eingang
gegenĂĽber, ein kleiner Tempel (3) auf hohem Unterbau; zwei
Treppen fĂĽhren von hinten auf die kleine Plattform vor der Cella ;
an der RĂĽckwand der Cella die Basis fĂĽr das Tempelbild. In
der Mitte des Hofes ein marmorbekleideter
Altar, auf allen vier Seiten mit Reliefs ge-
I ^ , I, I. ziert, von mäßiger Arbeit. Auf der Vorder-
, I ll -umal — I Seite (Fig. 50) eine Opferszene: der Priester
— er hat nach Opferbrauch die Toga über
den Kopf gezogen — libiert aus einer Patera
auf einen DreifuĂź, der als Altar dient; um
ihn zwei Liktoren mit den RutenbĂĽndeln,
der Flötenbläser, zwei das Opfergerät
tragende Knaben [camilli]^ ein Diener;
rechts wird der Opferstier von dem Victimarius mit seinem Ge-
hülfen herbeigeführt. Im Hintergrunde ein viersäuliger Tempel:
zweifellos eben dieser Tempel; die ganze Szene stellt das Ein-
weihungsopfer dar. Und es ist ganz in der Ordnung, daĂź das
Opfer auf einem DreifuĂź, nicht auf dem Altar dargebracht wird;
denn dieser Altar, dessen Relief das Einweihungsopfer darstellt,
konnte natĂĽrlich, als eben dies Opfer gebracht wurde, noch nicht
vorhanden sein. Wir lernen hier also, daĂź der Tempel eine vier-
säulige Vorhalle mit weiterem mittleren Intercolumnium hatte.
Wem war der Tempel geweiht? Die Reliefs des Altars zeigen
auf der Seitenfläche Opfergerät: rechts Handtuch [mantele]^ Weih-
rauchkästchen [accrra) und Augurstab [lituus)^ links Opferschale
Fi?- 47- GrundriĂź des Tempels
des Vespasian. i. Säulenhalle.
2. Altar. 3. Tempel. 4. Forums-
portikus.
XIV. Der Tempel des Vespasian. lOi
(patera), Schöpflöffel [simptiliim] und Kanne {urceus). Auf der
Rückseite ein Eichenkranz zwischen zwei Lorbeerbäumen. Am
13. Jan. 27 V. Chr. beschloĂź der Senat, ĂĽber der HaustĂĽr des
Augustus die Bürgerkrone, d. h. den Eichenkranz, aufzuhängen
und die Pfosten mit Lorbeer zu bekränzen. Seit dieser Zeit sind
Eichenkranz und Lorbeer die Insignien des kaiserlichen Hauses:
einem Kaiser also war der Altar, war der Tempel gewidmet.
Fig. 48. Ansicht des Vespasiantempels.
Einem lebenden Kaiser, nicht einem Divus. Dem Divus gebĂĽhrt
als Opfer ein Ochse, dem Genius des lebenden Kaisers ein Stier :
darĂĽber belehren uns die Akten der ArvalbrĂĽder. Und hier ist
das Opfertier zweifellos ein Stier. Wer war dieser Kaiser?
Der Tempel ist zweifellos erst nach dem Erdbeben des Jahres 63
erbaut worden und war zur Zeit der VerschĂĽttung noch nicht
vollendet. Zwar am Tempel selbst und in der Eingangshalle
waren die Wände mit Marmor bekleidet: hier war wohl alles
fertig. Aber die Wände des Hofes, eingeteilt in Felder mit ab-
wechselnd gewölbtem und spitzem Giebelfeld (Fig. 49), hatten nur
rohen Stuckbewurf und warteten noch ihrer X'ollendungr. Dem-
I04
Pompeji.
nach wird der Tempel wohl zu Ehren Vespasians (68 — 7g n. Chr.)
erbaut worden sein. Und da der einfach denkende Kaiser schwer-
lich geduldet hat, daĂź man ihn als Gott verehrte, so war er wohl
seinem Genius gewidmet.
Fig. 49. Der Tempel des Vespasian, wiederhergestellt.
BĂĽrgerkrone und Lorbeern zeigen die MĂĽnzen des Augustus ;
die seiner nächsten Nachfolger nur erstere. Die Lorbeern er-
scheinen wieder im Jahre 74 auf den MĂĽnzen des Vespasian und
Titus: man möchte vermuten, daß eben damals ihm die einst
fĂĽr Augustus beschlossenen Ehren erneuert wurden. Nahe genug
lag es, Vespasian mit Augustus zu vergleichen. Beide [hatten
nach furchtbarem BĂĽrgerkrieg Frieden und Ordnung hergestellt;
beide bekämpften Luxus und Sittenlosigkeit; beide verschönerten
XIV. Der Tempel des Vespasian.
105
Rom durch Bauten: der kapitolinische Jupitertempcl, von Augustus
ausgebessert und verschönert, wurde von Vespasian, nach dem
Brande des Jahres 6g, neu aufgebaut. Und besonders der von
Nero arg miĂźhandelte Senat hatte wohl Grund dem Kaiser dank-
bar zu sein, der ihn — auch hierin dem Beispiel des Augustus
folgend — mit ausgesuchter Achtung behandelte. Und wenn
unsere Nachrichten über die Zeit derFlavier weniger dürftig wären,
so wĂĽrden wir vielleicht von einem Akte des Senats wissen,
durch den Vespasian als neuer Augustus gefeiert, die Ehre der
Fig. 50. Altarrelief des Vespasiantempcls.
Lorbeern und des Eichenkranzes ihm aufs neue zuerkannt wurde.
Und ein solcher Akt könnte auch die Anregung gegeben haben,
wenn nicht zur GrĂĽndung unseres Tempels, so doch zur An-
bringung jener Insignien auf dem Altar.
Zum Tempel gehören noch drei Kammern, zugänglich durch
eine Tür rechts vom Tempel und durch eine andere aus Räumen
unbekannter Bestimmung, die mit dem Larenheiligtum in Ver-
bindung stehen. Sie mochten als Aufenthalt des Tempelhiiters,
auch wohl zur Aufbewahrung von Opfergerät benutzt werden.
Kapitel XV.
Das Gebäude der Eumachia.
Der Grundriß des großen Gebäudes an der nördlichen Ecke
der AbbondanzastraĂźe und des Forums ist klar und ĂĽbersichtlich.
Am Forum eine säulengetragene Vorhalle i. Dann als Hauptraum
eine große, vierseitige, einen offenen Hof einschließende Säulen-
iO
10
20M
Fig. 51. Grundriß des Gebäudes der Eumachia. — i. Vorhalle. 2. 3. Nischen für Statuen.
4. Apsisförmige Nischen. 5. Große Nischen, über Treppen zugänglich. 6. Eingang. 7. Durch-
gang 2ur Treppe. 8. Bedürfnisanstalt. 9. Säulenhallen. 10. Basis der Statue der Concordia
Augusta. II. Lichthöfe. 12. Bedeckter Gang (Krypta). 13. Statue der Eumachia. 14. Eingang
von der Abbondanzastraße. 15. Stein mit Ring. 17. Terrassierte Flächen. 18. Aufmauerungen.
halle 9, mit drei Apsiden auf der RĂĽckseite. Endlich ein bedeckter
Gang 12, auf drei Seiten der Säulenhalle und mit Fenstern auf
diese, zugänglich durch zwei Türen vorn aus der Säulenhalle
und eine dritte hinten rechts, zu der von der niedriger liegenden
AbbondanzastraĂźe eine Rampe herauffĂĽhrt.
Eine Inschrift steht in großen Buchstaben auf dem Gebälk
XV. Das Gebäude der Eumachia.
107
der Vorhalle und noch einmal gleichlautend auf einer Marmor-
tafel ĂĽber dem Seiteneingange von der AbbondanzastraĂźe : Euma-
chia L. f. sacerd[os) publ[icd) nomine suo et M. Numistri Fron-
tonis fili chalcidicum cryptam porticiis Concordiae Augustae Pietati
sua pequnia fecit eademque dedicavit^ — > Eumachia, Tochter des
Lucius Eumachius, städtische Priesterin, hat in ihrem und im
Namen ihres Sohnes M. Numistrius Fronto das Chalcidicum, die
Krypta und die Portiken auf eigene Kosten gebaut und sie der
Concordia Augusta und der Pietas geweiht.« Das Chalcidicum
ist die Vorhalle, die Portiken der innere Säulenhof, die Krypta
der bedeckte Gang (12). Mutter und Sohn widmen das Gebäude
Hmmpi^^^^^^T^^^^^^^^^^^^^^^^^^H
Fig. 52. Innenansicht des Gebäudes der Eumachia: Rückseite des Hofes.
der im Kaiserhause herrschenden Eintracht und Sohnesliebe, das
heiĂźt dem Kaiser und seiner Mutter, Tiberius und Livia. Denn
an Nero und Agrippina zu denken verbietet die im dritten, zu
Neros Zeit nicht mehr ĂĽblichen Stil gehaltene Bemalung der
Wände. Als im Jahre 22 n. Chr. Livia schwer erkrankte, be-
schloĂź der Senat, der Pietas Augusta einen Altar zu weihen. Im
folgenden Jahre gab Drusus, der Sohn des Tiberius, seiner Pietät
Ausdruck, indem er das Bild der Livia mit der Beischrift Pietas
auf seine MĂĽnzen setzte. Auch auf MĂĽnzen von Kolonien Sara-
gossa und noch einer unbekannten) erscheint, vermutlicli um
dieselbe Zeit, die Pietas Augusta. Bald nachher war es mit der
I08 Pompeji.
Eintracht zwischen Tiberius und Livia aus. Also etwa in dieser
Zeit, vielleicht auch frĂĽher, jedenfalls in der frĂĽheren Zeit des
Tiberius, ist dieses Gebäude entstanden. Die Statue der Concordia
Augusta, eine weibliche Figur mit vergoldetem FĂĽllhorn, wurde
in dem Gebäude gefunden: der nicht erhaltene Kopf trug wahr-
scheinlich die ZĂĽge der Livia. Vermutlich stand sie auf der Basis
in der groĂźen Apsis (lo). Durch diese Widmung hatte man auch
dieses Gebäude, wie das Macellum, unter den besonderen Schutz
der Kaiserfamilie gestellt.
Die Bauinschrift nennt wohl die Teile, aber weder Gesamt-
namen noch Zweck des Gebäudes. Eine Andeutung über letz-
teren gibt eine andere Inschrift.
Hinter der großen Apsis öffnet sich auf die Krypta eine
breite Nische (13); hier stand die Marmorstatue einer schönen
Frau (jetzt durch einen GipsabguĂź ersetzt); auf der Basis die
Inschrift: Eiimachiae L, f. sacerd[oti) publiicae) fullones, — »der
städtischen Priesterin Eumachia die Tuchwalker.« Ein Gebäude,
in dem die Tuchwalker die Statue der Stifterin aufstellen, muĂź
irgendwie ihrem Geschäftsbetrieb gedient haben. Eine Tuch-
walkerei nun freilich ist es offenbar nicht; dagegen könnte es
wohl eine Verkaufshalle fĂĽr Tuchwaren, vielleicht ĂĽberhaupt fĂĽr
KleidungsstĂĽcke gewesen sein. Tische und sonstige Vorrichtungen
für die Verkäufer konnten in den Portiken und der Krypta auf-
gestellt werden; in der Krypta so, daĂź sie sowohl aus der Krypta
selbst, als auch, durch die Fenster, aus den Portiken zugänglich
waren. Ein bloßer Spaziergang ist das Gebäude gewiß nicht.
Was sollte in diesem die Krypta? Und namentlich, wie erklärt
sich die geringe Zugänglichkeit derselben? Denn die beiden
schmalen TĂĽren aus den Portiken waren doch sicher verschlieĂź-
bar. Und auch aus dem Eingange von der AbbondanzastraĂźe
fĂĽhrte nur eine enge, verschlieĂźbare TĂĽr in die Krypta, und
neben der StraĂźentĂĽr der Rampe liegt eine sowohl auf diese
als auf die Straße geöffnete Zelle für einen Türhüter. Ist
unsere Vermutung über die Bestimmung des Gebäudes richtig,
so waren wohl die Portiken immer und allgemein zugänglich, die
Krypta aber nur während der Marktstunden geöffnet, sonst aber
von den Fullonen^ die ihre Waren dort lieĂźen, unter VerschluĂź
gehalten.
XV. Das Gebäude der Eumachia.
109
Wir mĂĽssen dahingestellt sein lassen, was gewisse niedrige
Aufmauerungen (18) an der rechten Seite des von den Portiken
umgebenen Hofes bedeuteten. Sie waren so schwach fundamen-
tiert, daĂź sie jetzt spurlos verschwunden sind. Auch fĂĽr die
terrassierten rechteckigen Flächen an der Rückseite (17) findet sich
keine Erklärung, und ebensowenig für den großen Stein in der
Mitte (15), an dem ein beweglicher eiserner Ring befestigt ist.
Es ist eben schwer, uns vorzustellen, fĂĽr was alles in einer solchen
Markthalle gesorgt sein muĂźte.
Zur Zeit der VerschĂĽttung war man mit dem Wiederaufbau
nach den Zerstörungen des Erdbebens vom Jahre 63 beschäftigt.
Die RĂĽckwand der Vorhalle war fertig und mit Marmor bekleidet;
sie war, wie einige Reste des älteren Baues beweisen, ganz in
der früheren Form wieder aufgebaut worden. Säulen und Ge-
bälk der Vorhalle waren noch in Vorbereitung; beträchtliche
Teile wurden auf dem offenen Platze des Forums gefunden. Im
Innern war die RĂĽckwand mit den drei Apsiden neu aufgebaut
und die Marmorbekleidung derselben begonnen; die ĂĽbrigen
Wände waren im Jahre 63 stehen geblieben. Die Säulenhallen
waren wohl auch hier in Vorbereitung; mit ihnen haben zwar
antike Ausgrabungen gründlich aufgeräumt, doch ist es möglich
gewesen, aus den geringen, teils dem alten Baue angehörigen,
teils fĂĽr den Neubau vorbereiteten Resten ihre Gestalt mit Sicher-
heit zu ermitteln.
Sowohl die Vorhalle wie die inneren Portiken erhalten ihren
architektonischen Charakter durch das eigentĂĽmliche Motiv zweier
übereinander stehender Säulenordnungen, ohne daß doch dem
Zwischengebälk auch ein Zwischenboden entsprochen hätte.
Zunächst die Vorhalle. Daß sie kein Obergeschoß hatte,
beweisen die hohen Motive ihrer RĂĽckwand. Dem Forum aber
zeigte sie eine doppelte Säulenstellung, eine untere dorische und
eine obere ionische. Es wäre ja an sich einfacher und schöner
gewesen, die ganze Höhe durch eine Reihe großer Säulen zu
erreichen; aber hier war das Bestreben maĂźgebend, sich den
Portiken des Forums anzuschlie(.kn, in denen ja die doppelte
Säulenstellung auch dem praktischen Zwecke eines oberen Um-
ganges diente. In der Tat sind Säulen und Gebälk aus dem
gleichen Material — sogen. Travertin — gearbeitet wie die Forums-
HO
Pompeji.
gJ^VÂŁjgMAVj^^^^
portiken, unkannelliert wie diese; auch die
Höhe ist die gleiche. Aber durch etwas
abweichende Formen, etwas schlankere
Verhältnisse und dichtere Stellung hat man
doch dieser Säulenfront ihren besonderen
Charakter gegeben, so daĂź sie die Ein-
förmigkeit unterbrach und das hinter ihr
liegende Gebäude markierte: ein Verfahren,
für welches die städtische Bauleitung Pom-
pejis das größte Lob verdient. Am Fuße
einer jeden Säule stand auf der Innenseite
eine Statue; die Postamente sind erhalten
und nur sie ermöglichen es, die Plätze
der Säulen, von denen an Ort und Stelle
nichts mehr vorhanden ist, zu erkennen.
Die Intercolumnien waren durch Gitter-
tĂĽren geschlossen, deren Spuren an der
sĂĽdlichen Schmalseite in dem nur dort
erhaltenen MarmorfuĂźboden kenntlich sind.
Die RĂĽckwand der Vorhalle ist einfach
und ĂĽbersichtlich gegliedert. In der Mitte
der nicht gewölbte, sondern gradlinig
abgeschlossene Eingang in den Portikus (6)
mit schöner Marmoreinfassung (jetzt in
Neapel), von der unsere Abbildung (Fig. 53)
eine Probe gibt. An beiden Enden zwei
Fig. 53. Türeinfassung. ^j^ 1,36 m übcr den Fußbodcn erhöhte,
geräumige, durch kleine Treppen zugäng-
liche Nischen (5), eine Art Tribunalien, ähnlich dem in der
Vorhalle des Macellums (S. 97). Wir können auch hier vermuten,
XV. Das Gebäude der Eumachla. j I I
daĂź sie fĂĽr Auktionen dienten. Zwischen ihnen und dem Eingange
jederseits eine apsisartige, bis auf den Boden herabreichende
Nische, Endlich vier kleinere Nischen fĂĽr Statuen. Alles dies
war reich mit buntem Marmor bekleidet.
Von den Statuen ist keine erhalten, wohl aber die Inschriften
der beiden links vom Eingange: sie enthalten die Namen der
dargestellten Personen — Aeneas und Romulus — nebst kurzer
Aufzählung ihrer Taten. Diese mit Inschrift versehenen Statuen
sind das Abbild eines berĂĽhmten Schmuckes der Stadt Rom,
Augustus hatte auf dem von ihm gebauten Forum die Statuen
berühmter römischer Feldherrn aufgestellt, mit Unterschriften, die
ihre Taten berichteten, damit, so sagte er, im Vergleich mit
ihnen man ihn selbst und seine Nachfolger beurteilen möge. Die
Reihe begann mit Aeneas, den Königen von Alba Longa, Romulus.
Auch dort sind keine Statuen gefunden worden, wohl aber einige
der Inschriften, teils in Rom selbst, teils Kopien derselben, die,
natürlich mit den zugehörigen Statuen, in Arezzo aufgestellt waren:
die Kolonien und Munizipien wollten .auch hierin ein Rom im
Kleinen sein. Es scheint, daĂź Aeneas und Romulus nur zwei
Statuen, wohl sicher Cäsar und Augustus zum Gegenstück hatten.
Denn daß sie den Anfang einer größeren Reihe gebildet haben
sollten, die sich etwa auf den Postamenten an den Säulen der
Vorhalle oder in den Nischen der Vorderwand des inneren Portikus
fortgesetzt hätte, ist wenig glaublich, weil hier überall wesentlich
größere Statuen gestanden haben müssen.
Das gleiche Motiv der doppelten Säulenstellung ohne Zwischen-
boden wiederholt sich in den marmornen Portiken des inneren
Hofes, mit der Besonderheit, daß die vordere Halle, zunächst am
Chalcidicum, höher war als die drei übrigen (Fig. 54), Sie war
der bevorzugte, prachtvollste Teil des ganzen Gebäudes, Über
9 m hoch öffnete sie sich mit ihren beiden korinthischen Säulen-
ordnungen auf den Hof Ihre Wände waren vollständig mit
Marmor bekleidet und durch Nischen, wie unser Plan zeigt, ge-
gliedert. Aus ihr gelangte man an beiden Enden seitwärts durch
je eine schmale Tür in die Krypta, vorwärts in die viel niedrigeren
Seitenportiken. Auch diese hatten doppelte Säulenstellung, waren
aber wohl nur etwa 6,20 m hoch. Die beiden Ecken, wo der
hohe Portikus mit den niedrigeren zusammentraf, waren so
112
Pompeji.
gebildet, daĂź hier je ein viereckiger Marmorpfeiler stand, an den
einerseits eine Dreiviertelsäule des höheren, anderseits eine des
niedrigen Portikus angelehnt war, Ihre von den Fenstern der
Krypta durchbroche-
nen Wände waren nur
am Sockel mit buntem
Marmor bekleidet,ober-
halb desselben einfach
im dritten Stil bemalt.
Von den drei Apsiden
der RĂĽckseite blieben
die beiden kleineren
unter dem Dache des
Portikus. Die größere
in der Mitte ragte ĂĽber
dasselbe empor und
Giebelfelde bekrönt (Fig. 55),
dem Gebäude liegen. Man
Fig. 54-
Gebäude der Eumachia: Vorderseite des Hofes,
wiederhergestellt.
war hier mit einem marmornen
dessen Fragmente noch jetzt in
betrat sie durch drei gewölbte Eingänge, über denen sich ver-
mutlich noch Fenster öffneten. Auf der Basis in der Mitte mag
die Concordia mit den ZĂĽgen der Livia gestanden haben, in den
beiden kleineren Nischen etwa Tiberius und sein Sohn Drusus.
Weshalb nun diese unverhältnismäßige Höhe der Portiken,
die doch bei geringerer Höhe ihrem nächsten Zweck, gegen
Sonne und Regen zu schĂĽtzen, besser genĂĽgt haben wĂĽrden?
Ohne Zweifel weil bei gewöhnlicher Höhe die Krypta nur un-
genügendes Licht erhalten hätte. Und wenn man statt einer Reihe
großer Säulen das ungewöhnliche Motiv der doppelten Säulen-
stellung ohne Zwischenboden vorgezogen hat, so wollte man da-
durch wohl teils die Beengung der Portiken durch groĂźe und
starke Säulen vermeiden, teils die inneren Portiken mit der Vor-
halle in Einklang bringen, fĂĽr die ja der AnschluĂź an die Forums-
portiken maĂźgebend gewesen war.
Die unregelmäßigen Räume (11, 11) neben der großen Apsis
waren kleine Lichthöfe zur Erhellung des hinteren, nicht an die
Portiken stoĂźenden Teils der Krypta.
Diese letztere war, wie deutlich zu erkennen, reichlich 4 m
hoch. Auch an ihren Wänden sind Reste der Malerei dritten
XV. Das Gebäude der Eumachia.
113
Stils erhalten. Rechts von der breiten Nische mit der Statue
der Eumachia fĂĽhrte eine schmale TĂĽr zu der von der Abbon-
danzastraĂźe aufsteigenden Rampe ; links hat man, der Symmetrie
halber, eine gleiche
TĂĽr auf die Wand ge-
malt. Sie ist von der
in Pompeji sehr ĂĽb-
lichen dreiflĂĽgeligen
Art, der mittlere FlĂĽ-
gel mit horizontalen
Angeln, wie die unserer
TĂĽren, an einem der
SeitenflĂĽgel befestigt;
diese drehten sich mit
vertikalen Zapfen in
den in Schwelle und
Sturz angebrachten Pfannen.
Über der eben erwähnten Rampe führte eine Treppe aus der
Nordostecke der Krypta in einen ĂĽber dieser gelegenen oberen
Raum. Eben dahin fĂĽhrte eine zweite Treppe in dem letzten
Fig. 55-
Gebäude der Eumachia: Rückseite des Hofes,
wiederhergestellt.
Fig. 56. Brunnen der Concordia Augusta, vor dem Seiteneingang des Gebäudes der Kumachia.
der zwischen Vorhalle und Portiken eingeschobenen Räume links
vom Eingang. Dem allgemeinen Verkehr konnte ein so wenig
zugänglicher Raum nicht dienen. Er war auch wohl nicht hoher
Mau, Pompeji. 2. Autl. S
114 Pompeji.
als nötig" war, um die Höhendifferenz zwischen Portikus und Krypta
auszugleichen, und diente vielleicht als zeitweiliger Lagerraum.
In der AbbondanzastraĂźe steht vor dem Nebeneingang unseres
Gebäudes einer der gewöhnlichen Brunnen, aus Travertin und
schon deshalb vermutlich jĂĽngeren Ursprungs als die sonst ĂĽb-
lichen Lavabrunnen (Fig. 56). Der Pfeiler, von dem der Wasser-
strahl in das Becken fiel, trägt in Relief eine weibliche Büste mit
einem FĂĽllhorn, wohl sicher die Concordia Augusta. Gleich
nach der Ausgrabung hat man sie Abundantia und nach ihr die
StraĂźe benannt, die man mit mehr Recht Strada della Concordia
nennen könnte.
Kapitel XVI.
Das Comitium.
Das an der sĂĽdlichen Ecke des Forums und der Abbondanza-
straße liegende Gebäude war in früherer Zeit sowohl vom Forum
als von der StraĂźe nur durch eine Reihe von Pfeilern getrennt-
erst kurz vor der VerschĂĽttung waren die Ă–ffnungen zwischen
diesen Pfeilern bis auf drei zugemauert worden. Den Pfeilern ent-
sprechend finden wir im Rande des Gangsteiges der StraĂźe sechs
viereckige Löcher (im Plan angedeutet), offenbar bestimmt, Pfähle
hineinzustellen zum Zweck einer zeitweiligen
Vergitterung. Die AusmĂĽndung der StraĂźe
auf das Forum konnte durch drei Gitter-
tĂĽren gesperrt werden , entsprechend dem
Fahrweg und den beiden Trottoirs. Stellte
man nun die Vergitterung am Trottoir
auf und lieĂź seine AusmĂĽndung auf das
Forum offen, während die beiden anderen
GittertĂĽren geschlossen waren, so war mit
dem I'orum auch unser Gebäude gegen die
StraĂźe gesperrt, vom Forum aber durch
zehn weite Öffnungen zugänglich. Man rechnete offenbar auf
starken Verkehr. Augenfällig ist die enge Verbindung mit dem
Forum.
Es ist kaum wahrscheinlich, daĂź ein so groĂźer, an zwei Seiten
nur von Pfeilern umschlossener, auch nicht einmal rechtwinkliger
Raum bedeckt gewesen sein sollte. Es war wohl mehr ein Platz
als ein Gebäude, eine Erweiterung, gewissermaßen ein Teil des
F"orums. Und zwar ein bevorzugter Teil. Die Wände waren
mit Marmor bekleidet, belebt durch Nischen, in denen ohne
Zweifel Statuen standen. Auf die Südseite öffnet sich in einer
groĂźen Nische (i) eine Art Plattform oder TribĂĽne, 1,25 ni ĂĽber
s*
Fig. 57. GrundriĂź des Comi-
tium. I. TribĂĽne. 2. TribĂĽne
nach auHen, später vermauert.
1 1 6 Pompeji.
dem Boden des Hauptraumes, zugänglich durch eine Treppe. Und
von eben dieser Treppe gelangt man rechts in einen Raum (2),
der sich mit einer ähnlichen erhöhten Tribüne auf die Säulen-
halle des Forums öffnete und, wie es scheint, ursprünglich von
dieser aus durch eine Treppe zugänglich war; später sind Treppe
und TribĂĽne zugemauert worden.
Wozu diese TribĂĽnen, wozu der ganze Bau gedient hat, wird
wohl mit Sicherheit nie gesagt werden können. Eine Analogie
aber drängt sich auf. Auch in Rom schloß sich an das Ende
der einen Langseite des Forums ein kleinerer viereckiger Platz
an: das Comitium, der älteste, in späterer Zeit nicht mehr be-
nutzte Abstimmungsraum. Zwischen Comitium und Forum lag
die RednerbĂĽhne, Rostra, so daĂź man von ihr sowohl nach
jenem als nach diesem hin sprechen konnte. Wenn wir nun
hier, wie es scheint — denn der Sachverhalt ist durch spätere
Veränderungen verdunkelt — eine doppelte Tribüne finden, die
eine auf das Forum, die andere auf den kleineren Platz geöffnet,
so dĂĽrfen wir wenigstens fragen: sollten etwa hier die suUani-
schen Kolonisten, um ihr Forum dem der Hauptstadt möglichst
ähnlich zu machen, ein Comitium angelegt haben? Zwar für
Abstimmungen nach römischer Sitte war dieser Raum zu klein.
Aber auch auf dem römischen Comitium wurde längst nicht
mehr abgestimmt: nur noch die bedeutungslosen Curiatcomitien,
bei denen jede Kurie durch einen Liktor vertreten war, fanden
hier statt; auĂźerdem wurde der Platz zu Gerichtsverhandlungen
benutzt. Zu solchen, und etwa zu irgend welchen den Wahlakt
einleitenden Förmlichkeiten könnte auch unser Raum gedient
haben.
Kapitel XVII.
Munizipalgebäude.
Die SĂĽdseite des Forums wird von drei offenbar zusammen-
gehörigen, einander sehr ähnlichen Gebäuden eingenommen.
Eine gemeinsame Fassade verbindet sie: die Zwischenräume sind
nur durch niedrige Türen zugänglich. Der Saal rechts (Fig. 58, 3)
liegt an der Ecke, die beiden anderen so, daĂź die Axe des
Forums in ihren Zwischenraum fällt. Alle drei waren nach dem
Erdbeben des Jahres 63 an der Stelle älterer gleichartiger Gebäude
aufgebaut worden: die Mauern des Saales
links (i) enthalten beträchtliche Reste
des alten Baues, in dem zur rechten (3)
liegt noch der alte FuĂźboden, Reste des-
selben auch in dem mittleren (2). Die
zweite Säulenreihe des Forumsportikus
war schon vor dem Neubau zum Teil
beseitigt und an ihrer Stelle waren "V^or-
richtungen zur Absperrung des Raumes
vor dem linken und mittleren Saal an-
gebracht worden, wie auf dem GrundriĂź angedeutet ist. Zur
Zeit der VerschĂĽttung war nur der Saal links ganz fertig, ein-
schließlich der Marmorbekleidung seiner Wände. Die beiden
anderen standen nur im Rohbau und harrten ihrer AusschmĂĽckung
innen und auĂźen.
Ohne Zweifel dienten diese Räume der städtischen Verwal-
tung. Und da die beiden Säle rechts und links insofern gleich-
artig sind, als in beiden die Apsis den Platz fĂĽr eine aus einer
oder wenigen Personen bestehenden Behörde bietet, so vermuten
wir in ihnen die Amtsräume der Duumvirn und Adilcn, in dem
mittleren den Sitzungssaal des Stadtrats, die Kurie.
Der mittlere Raum war bei weitem der vornehmste und
i. — -
-j • •
Fig. 58. GrundriĂź der sogen,
drei Kurien, i. Amtsraum der
Duumvirn. 2. Sitzungssaal des
Stadtrates. 3. Amtsraum der
Ă„dilen.
ii8
Pompeji.
prachtvollste, schon dadurch ausgezeichnet, daĂź sein FuĂźboden
um 0,70 m über den des Portikus erhöht ist. Charakteristisch
ist auch der Eingang : auf eine kleine Plattform vor der TĂĽr fĂĽhrt
von jeder Seite eine kaum fĂĽr zwei Personen Platz bietende Rampe;
also ein vornehmer, aber nicht auf starken Verkehr berechneter
Eingang. Im Innern war eine 1,60 m hohe Aufmauerung an
den Seitenwänden offenbar bestimmt, eine untere und weiter eine
obere Säulenstellung zu tragen, als erweiterte Wanddekoration
und Stütze einer flachen Decke, ähnlich wie im Jupitertempel.
Denken wir uns dazu die Wände mit Marmor bekleidet, so
ergibt sich ein Prachtbau, der uns von der Leistungsfähigkeit
Fig. 59. Ansicht der Südseite des Forums. — Im Hintcrgruiuic die Munizipalgcbäude; vor ihnen
die Reste des Forumsportikus ; vor diesen die Basen der Statuen der Kaiserfamilie.
der Stadt, auch nach dem schweren UnglĂĽck des Jahres 63, eine
hohe Vorstellung giebt. Auf der RĂĽckseite des Raumes in einer
nischenartigen Erweiterung, das Ganze beherrschend, ein tempel-
artiger Einbau, nur im Rohbau fertig; das Fehlende ergänzen
wir uns leicht nach dem Vorbilde der Laren- und Penatenkapelle
mancher Privathäuser. Die Hausgötter aber, die Penaten der
Stadt, sind vor allem der Kaiser und seine Familie; ohne Zweifel
sollten hier, den kapitolinischen Göttern gegenüber, Vespasian,
Titus und Domitian thronen und unter ihrem Schutze der Stadt-
rat tagen.
In dem Saale rechts vermuten wir den Amtsraum der Adilen.
An der Ecke der Portiken, nahe der Basilika gelegen, ohne
XVII. Munizipalgcbäude. I i g
Vorrichtungen zur Absperrung vor dem Eingänge, war er besonders
geeignet für eine Behörde, der unter anderem die Marktpolizei
oblag. Wir mögen uns vorstellen, daß in der reichlich 4'''^ m
breiten Apsis ein Adil saĂź, oder auch beide, daĂź der (wie unser
Plan andeutet) um zwei Stufen niedrigere vordere Teil des Saales
als Warteraum diente, während in dem mittleren Teil die mit
der Behörde Verhandelnden Platz fanden. In den Wänden und
im Hintergrunde der Apsis waren Nischen fĂĽr Statuen von Mit-
gliedern der kaiserlichen Familie und sonstiger um die Stadt
verdienter Personen.
So bliebe denn der Saal zur Linken als Amtsraum der Duum-
virn. Da diese nicht nur Recht sprachen, sondern auch die Finanz-
verwaltung in Händen hatten, so begreifen wir, daß man nach
dem Erdbeben diesen Raum schneller als die anderen herstellte.
Den Platz der Behörde erkennen wir auch hier in der geräumigen
Apsis; die Aufmauerung an ihrer RĂĽckwand wird Statuen ge-
tragen haben. Der besonders starke Türverschluß — vor den
TĂĽrflĂĽgeln noch ein mit starken Eisenriegeln versehener Ver-
schluĂź und, wie es scheint, eine GittertĂĽr auf der Stufe vor der
Schwelle — läßt vermuten, daß sich hier auch das Archiv der
Duumvirn befand. Die Seitentür ermöglichte nötigenfalls auch
auĂźer den Amtsstunden einzutreten, ohne alle diese VerschlĂĽsse
zu öffnen.
Kapitel XVIII.
Der Tempel der Venus Pompejana.
Der Tempel der Schutzgöttin der römischen Kolonie war bis
vor kurzem unbekannt. Erst im Jahre 1898 begann man den
groĂźen Platz hinter dem Tribunal der Basilika auszugraben, und
jetzt, da die Ausgrabung beendigt ist, liegen dort die Reste
eines großen Tempels und der ihn umgebenden Säulenhallen zu
Tage. Säulen, Gebälk und Wände des Tempels sind vollständig
verschwunden, erhalten nur der nackte Unterbau, mit Resten des
Fußbodens und der Schwelle. Von den Säulenhallen des Tempel-
hofes nur die Fundamente, und diese nur auf drei Seiten: im
Süden, gegen die Sarnoebene, sind sie durch die Erdstöße der
SchluĂźkatastrophe abgestĂĽrzt. Dazu, im Hofe zerstreut, einige
wenige Marmorkapitelle, Säulen und Gebälkstücke.
So dĂĽrftig diese Reste sind, sie setzen uns doch in den Stand,
die Geschichte der ganzen Anlage — Tempel und Säulenhof —
durch anderthalb Jahrhunderte zu verfolgen und uns von dem
Tempel, namentlich wie er vor dem Erdbeben des Jahres 63
war, eine Vorstellung zu machen.
In samnitischer Zeit fiel hier der StadthĂĽgel ziemlich steil ab,
und es waren am Abhänge hinab mehrstöckige Häuser gebaut,
wie ihrer am West- und SĂĽdrande der Stadt nicht wenige erhalten
sind (s. Kap. XXXIII, 1 1 : XLII, 3). Reste dieser Häuser sind
noch jetzt kenntlich, ja es sind unter der Nordostecke des Tempel-
hofes große gewölbte Räume derselben erhalten. Als dann die
römischen Kolonisten ihr Gemeinwesen gegründet hatten, war es
ohne Zweifel eine ihrer ersten Unternehmungen, der Schutzgöttin
der Kolonie, der neuen Stadtgöttin, einen ihrer würdigen Tempel
zu grĂĽnden. Und sie gingen ans Werk mit groĂźen Mitteln, ohne
Sparsamkeit.
XVIII. Der Tempel der Venus Pompejana. I 2 i
Man baute die Tempel der schaumgeborenen Göttin mit Vor-
liebe am Meeresstrande, auf Höhen, die auf das Meer hinaus-
blickten und vom Meere aus weit sichtbar waren: so der Venus-
tempel von Ancona auf der Höhe von San Ciriaco, der Tempel
der Aphrodite Euploia, der BeschĂĽtzerin der Seefahrer, auf der
Höhe von Pizzofalcone in Neapel. So wählte man auch in
Pompeji fĂĽr den Venustempel die dem Meere zugewandte, den
schmalen KĂĽstenstrich hoch ĂĽberragende SĂĽdwestecke des Stadt-
hĂĽgels. Und da hier kein geeigneter Bauplatz war, so schuf man
ihn künstlich: zwischen Stützmauern — z. T. mochte man die
Mauern der hier stehenden Häuser benutzen — füllte man Schutt
und Erde auf bis zur Höhe des Forums und der Basilika. Die
Geschichte der auf der so geschaffenen Fläche errichteten Tempel-
anlage erstreckt sich durch anderthalb Jahrhunderte.
In der Mitte des Platzes liegt der Tempel, orientiert nach
SĂĽd -SĂĽdost. Nur der Unterbau. Aber auch an diesem unter-
scheiden wir deutlich die Reste eines im Jahre 63 eingestĂĽrzten
Tempels und die Anfänge des Wiederaufbaues. Er sollte ver-
größert werden, und man war zur Zeit der Verschüttung eben
beschäftigt, den Unterbau zu erweitern, indem man rings um den
alten Kern mächtige Lavaquadern legte. Und zwar verfuhr man
hierbei so, daĂź man die alte Fronttreppe beseitigte, von dem
alten Unterbau rechts und links je etwa 1,50 m, hinten nur wenig,
etwa 0,10 m, abhackte, dann die Lavaquadern in einiger Ent-
fernung legte und endlich den Zwischenraum mit Mauerwerk
ausfĂĽllte. Diese Arbeit war noch lange nicht beendigt; groĂźe,
noch unbearbeitete Lavablöcke liegen in der Nähe. Der ver-
größerte Unterbau ist 27X 15 m groß, ohne die Treppe, deren
Bau noch nicht begonnen war ; es wäre also dies nächst dem
31 m langen Jupitertempel der größte Tempel Pompejis geworden.
Die erwähnten Lavaquadern liegen nicht nur rings um den alten
Unterbau, sondern es ist auch quer durch denselben eine Art
Graben gezogen und auch dieser mit den gleichen Quadern aus-
gefĂĽllt. In unserm Plan (Fig. 60) sind die Quadern schwarz,
die alten Teile schraffiert. Offenbar bezeichnet das so gebildete
doppelte Rechteck den GrundriĂź des beabsichtigten Tempels : er
sollte, wie auch der alte Tempel gewesen war, ein Prostylos
werden, mit tiefer Vorhalle, vielleicht so, daĂź, wie am Jupiter-
122
Pompeji.
tempel, Vorhalle und Treppe zusammen die Länge der Cella
gehabt, also die Schwelle den ganzen Bau, einschlieĂźlich der
Treppe, halbiert hätte. Zur Zeit der Verschüttung stand auf
dem Unterbau eine Holzhütte, deren Wände auf drei Seiten (mit
Ausnahme der Eingangsseite) durch eine von auĂźen an sie an-
gemauerte, nur 60 cm hohe Mauer gestĂĽtzt wurden: vermutlich
ein provisorischer Kultraum, um den Kult der Stadtgöttin nicht
zu unterbrechen. Man fand hier einen Teil einer marmornen
r
I-! II 1 I I I I ij-
ifo ~m.
Fig. 60. GrundriĂź der Ruinen des Tempels der Venus Pompejana.
Venusstatuette — es ist der Typus der in das Bad steigenden,
ihr Gewand auf ein Gefäß ablegenden Göttin — und dabei eine
kleine Marmorbasis mit einer Vertiefung in der Oberfläche, in
der die Statuette gestanden haben kann. Es war wohl ein Weih-
geschenk, dargebracht nach dem Jahre 63, nicht etwa ein pro-
visorisches Kultbild. Als solches wird wohl auf dem stehen ge-
bliebenen Postament des alten Tempels eine Nachbildung des
uns aus den Malereien gut bekannten alten Kultbildes (S. 11, Fig. 4)
gestanden haben.
XVIII. Der Tempel der Venus Pompejana.
123
Es fehlt nicht ganz an Resten des im Jahre 63 eingestĂĽrzten
Tempels. Vollkommen kenntlich ist die Anordnung des FuĂź-
bodens: in der Mitte ein von weiĂźen Marmorstreifen eingefaĂźtes
Rechteck, dessen FĂĽllung uns unbekannt ist: rings um dieses ein
breiter Streif aus kleinen quadratischen Platten verschiedenfarbigen
Marmors; endlich an den drei Innenwänden entlang weißes Mosaik.
Auch von dem aus weiĂźen Kalksteinplatten bestehenden FuĂź-
boden der Vorhalle ist gleich vor der Cella ein Teil erhalten.
Und in der LĂĽcke zwischen beiden sehen
wir genau die Stelle und die Form der
vorderen Cellawand mit der TĂĽr. Auch
die RĂĽckwand ist kenntlich; an ihr steht
noch das Postament des Kultbildes, freilich
verstĂĽmmelt und seiner Marmorbekleidung
beraubt. Die Seitenwände sind durch
das oben erwähnte Abhacken vom Unter-
bau verschwunden, doch kann die Breite
der Cella aus den gut kenntlichen IVIotiven
der Vorderwand berechnet werden: sie
war quadratisch , und quadratisch war
auch die ihr an Größe gleiche Vorhalle.
So ergibt sich mit ziemlicher Sicherheit
der beistehende GrundriĂź (Fig. 61).
Es war ein Marmortempel. Zwar von
Säulen und Gebälk ist am Orte selbst
nichts erhalten. Aber es existieren, jetzt
in der als Magazin benutzten groĂźen
Markthalle am Forum (oben S. 88), Reste
von Marmorsäulen, deren unterer Durchmesser etwa 80 cm be-
tragen mußte und von einem schrägen Giebelgesims entspre-
chender Größe. Und da nun in Pompeji kein anderer Tempel
so große Marmorsäulen gehabt haben kann, ihre Größe aber zu
diesem Tempel trefflich paĂźt, so mĂĽssen sie schon von ihm
herrĂĽhren. Auch wird es sich uns weiterhin zeigen, daĂź man
um diesen Tempel marmorne Säulenhallen baute; es ist undenkbar,
daß diese etwa einen Tufftempel einschlössen.
Die einst den Tempelhof umgebenden Säulenhallen — sie sind,
wie schon gesagt, auf drei Seiten kenntlich, am SĂĽdabhange aber
Fig. 61. GnindriĂź des im
I.ihre 63 eingestĂĽrzten Tempels
der Venus Pompejana.
124 Pompeji.
abgestürzt — lassen deutlich eine ältere und eine jüngere Anlage
unterscheiden. Auf unserem Plan sind die Mauern des älteren
Tempelhofes schraffiert, Stylobat und Regenrinne mit punktierten
Linien angedeutet. Er war, wie der Plan zeigt, schiefwinklig,
indem seine östliche und mit ihr die westliche Umfassungsmauer
sich der Richtung der Westmauer der Basilika anschlössen: zwi-
schen dieser und dem Tempelhof ging damals eine StraĂźe, deren
Pflaster noch z. T. erhalten ist. Der Eingang war an der Nordost-
ecke. Auf der Ostseite zeigt unser Plan noch andere Mauerreste
zwischen Umfassungsmauer und Säulenhalle; hier öffnete sich auf
diese letztere eine Reihe von Räumen, zwei in fast ganzer Breite,
vier mit je einer schmalen Tür; die Schwellen der drei nördlichsten
TĂĽren, aus weiĂźem Kalkstein, liegen noch am Platz. Wozu
diese Räume dienten, wissen wir nicht. Im Norden und Westen
war nichts ähnliches; die im Westen sichtbaren Quermauern
rühren von früher hier stehenden Häusern her und haben mit
dem Tempelhofe nichts zu tun.
Von dem Stylobat dieses ältesten Tempelhofes ist nur das
Fundament aus unregelmäßigen Steinbrocken [opus incertum) er-
halten. Doch liegt auf diesem stellenweise eine Mörtelschicht,
in der zur Zeit der Ausgrabung die EindrĂĽcke der Platten
kenntlich waren, die einst hier lagen und die Säulen trugen.
Sie mĂĽssen nicht allzu lange vor der VerschĂĽttung entfernt
worden sein, sonst wären diese Spuren verschwunden, wie sie
jetzt nach der Ausgrabung verschwunden sind. Dagegen liegt
die Regenrinne noch an ihrem Platze ; sie ist aus Tuff und sehr
abgenĂĽtzt, z. T. so sehr, daĂź man sie hatte vertiefen mĂĽssen. In
der Mitte der Nordseite fehlen Stylobat und Rinne; sie haben
hier der Vergrößerung des Tempels Platz machen müssen. Und
in der Südhälfte der Westseite mußten sie beseitigt werden, als
man die Fundamente des jüngeren Säulenhofes legte.
Der von diesen ältesten Säulenhallen eingeschlossene Hof
hatte einen terrassierten FuĂźboden; ein in Pompeji einziger Fall.
Auf diesem stand sĂĽdlich vor dem Tempel ein groĂźer Altar aus
weißem Kalkstein; beträchtliche Reste liegen noch jetzt am Platze.
Auf der Ostseite steht, dicht an der Regenrinne, das Postament
einer Reiterstatue aus demselben Material: aber man hat später
ringsum abgehackt, um es mit Marmor zu bekleiden. Gleich
XVin. Der Tempel der Venus Pompejana. I 2 <
nördlich von diesem das Postament eines Standbildes aus Mauer-
werk und mit Stuck bekleidet; zwischen diesem und der Regen-
rinne eine ganz kleine Marmorbasis. Die Regenrinne ist, wie
gewöhnlich, durch kleine viereckige Abklärungsbassins aus dem-
selben Material unterbrochen. AuĂźerdem aber sind hier, in dem
unbedeckten Raum, unmittelbar an der Rinne, größere und tiefere
Bassins aus Mauerwerk und mit Stuck ausgekleidet: sie sollten
wohl Wasser enthalten zur Reinigung des FuĂźbodens. Endlich
nahe der Südostecke eine länglich viereckige ausgemauerte Grube:
in ihr eine nach Norden hinabfĂĽhrende Treppe, der sich, nach
SĂĽden umbiegend, ein absteigender, in seinem weiteren Verlauf
zerstörter Gang anschließt. Dieser führte zu tiefer liegenden
Räumen : vermutlich waren dies Teile der früher hier am Abhänge
hinab gebauten Häuser, die man bei der Herrichtung des Tempel-
plateaus bestehen lieĂź und benutzte, namentlich wohl als Wohnung
fĂĽr den KĂĽster [aedituus] und sonstige Tempelbedienstete. Hier,
in dem Gange, fand man ein kleines bronzenes Steuerruder:
sicher ein Weihgeschenk an die Venus Pompejana, zu deren
Attributen das Steuerruder gehört, ihr dargebracht von einem,
der ihr seine Rettung aus Mecresnot zu verdanken glaubte.
Aus den anspruchslosen Materialien des Altars, der Posta-
mente und Wasserbassins dĂĽrfen wir schlieĂźen, daĂź auch der
Tempel und sein Säulenhof nicht aus Marmor waren. Denn bei
einem so großen Marmorbau wären so viele Abfälle vorhanden
gewesen, daß man alles dies und noch vielmehr daraus hätte
machen können: und sicher hätte man es getan. Also nicht der
im Jahre 63 eingestürzte Marmorbau stand in diesem ältesten
Tempelhof, sondern ein älterer Tempel aus geringerem Material,
d. h. aus Tuff, umgeben von Säulenhallen desselben Materials.
Und in der Tat, wenn dieses der Tempel der Venus Pompejana
ist, so muĂźte er in der ersten Zeit der Kolonie gegrĂĽndet sein:
und damals dachte niemand an Marmorbauten.
Neben dieser älteren Hofanlage erkennen wir aber noch
deutlicher eine jĂĽngere. Auf unserem Plan sind ihre ]\Iauern
schwarz, die Säulenfundamente durch volle Linien angedeutet.
Wie der Plan zeigt, wurde der Hof durch diese zweite Anlage
nach allen drei uns kenntlichen Seiten beträchtlich v^crgröl.<crt.
Nach Norden wurde der Gangsteig der Strada della Marina zum
120 Pompeji.
Tempelhofe gezogen; die neue Ostmauer rĂĽckte so nahe an die
Basilika, daĂź hier nur ein schmaler, nicht mehr passierbarer
Zwischenraum blieb. Im Westen, wo die bisherige kĂĽnstliche
Fläche keinen Raum zur Vergrößerung bot, wurden die neue
Umfassungsmauer und das nächste ihr parallele Säulenfundament
auf zwei in viel tieferem Niveau gegrĂĽndete Mauern gestellt; der
Zwischenraum dieser beiden Mauern enthält in eben diesem
tieferen Niveau einen langen gewölbten Raum, der, im Altertum
vielleicht als Magazin benutzt, jetzt das kleine Museum von Pom-
peji enthält.
Der Grundriß des neuen Säulenhofes ist klar und einfach.
Er war rechtwinklig. Der Haupteingang war auch jetzt an der
Nordostecke, ein schmaler Nebeneingang weiter sĂĽdlich bei der
Südwestecke der Basilika. Räume wie auf der Ostseite des alten
Hofes waren nicht vorhanden; dafĂĽr aber hatten die Hallen hier
und ebenso auf der Westseite doppelte Breite und zwei Reihen
Säulen hintereinander: im Norden und vermutlich auch im Süden
war nur eine einfache Säulenhalle.
Dieser jüngere Säulenhof war zur Zeit der Verschüttung noch
nicht fertig: die Regenrinne war noch nicht gelegt, auch hatte
man die. Reste der frĂĽheren Anlage noch nicht beseitigt. Doch
war der Bau schon weit fortgeschritten. Im Hofe zerstreut Hegen
Reste eines Portikus aus w^eißem Marmor: Säulen, Architrave,
Gesimsblöcke; ihre Arbeit erscheint so frisch, als kämen sie eben
aus der Werkstatt des Steinmetzen. Sie waren schon aufgestellt
gewesen: auf den Kapitellen sieht man die Spuren des Archi-
travs, in den Gebälkstücken die bleivergossenen Eisenklammern,
durch die sie miteinander verbunden waren. Aber zur Zeit der
Verschüttung standen sie nicht mehr; denn dann hätte man viel
mehr finden müssen ; auch lagen die im Verhältnis zur Größe
der Anlage geringfügigen Reste nicht bei ihren Plätzen, sondern
gruppenweise beisammen, wie man sie hingelegt hatte. Und
ferner: auch auf diesem Stylobat war vielfach die Mörtelschicht
mit den Eindrücken der die Säulen tragenden Platten erhalten;
doch waren diese, und mit ihnen selbstverständlich das auf ihnen
stehende, vor der VerschĂĽttung wieder entfernt worden: statt
ihrer lag auf dem Mörtel eine Schicht von Lavasplittern, Abfälle
von der Bearbeitung der Lavaquadern, durch die der Unterbau
XVIII. Der Tempel der \'enus I'ompejana. 12 7
des Tempels vergrößert wurde. Also während dieser Vergrüßc-
rungsarbeit — nach 63 — waren Platten und Portiken nicht
mehr am Platze.
Damit ist wohl die Geschichte dieses zweiten Tempelhofes
klar. Die Zerstörung und Beseitigung des schon weit vor-
geschrittenen Baues kann nur durch das Erdbeben des Jahres 63
veranlaĂźt worden sein. Also vor 63 n. Chr. begann man die
alten TufTportiken durch Marmorportiken zu ersetzen; diese waren
noch unvollendet, als sie im Jahre 63 zugleich mit dem oben
besprochenen Marmortempel einstĂĽrzten. Marmortempel und
Marmorportiken gehören zusammen; nach dem Bau des Tempels
hatte man begonnen, ihn mit entsprechenden Säulenhallen zu
umgeben; jener war vermutlich fertig geworden, diese erlagen
unvollendet dem Erdbeben.
So ergeben sich uns also fĂĽr die Geschichte dieses Baues
drei Perioden:
1. Die republikanische Zeit, seit bald nach 80 v. Chr. Tufif-
tempel und schiefwinklige Tuffportiken. Von Säulen und Gebälk
dieser letzteren ist nichts erhalten: inbetreff des Tempels ist es
wahrscheinlich, daß der ältere Teil des Unterbaues ( s. oben S. 121)
aus dieser Zeit stammt.
2. Kaiserzeit bis 63 n. Chr. Marmortempel und unvollendete
]\Iarmorportiken in dem vergrößerten, jetzt rechtwinkligen Tempcl-
hof. Ăśber diese Periode sind wir am besten unterrichtet. Vom
Tempel kennen wir den GrundriĂź (S. 123) und haben den FuĂź-
boden der Cella, auch einige, wenngleich geringe Reste von
Säulen und Gebälk; von den Säulenhallen ist genug geblieben,
um sie in unserer Vorstellung wieder aufzubauen. Im Norden
und SĂĽden (vor und hinter dem Tempel einfache, im Osten und
Westen (neben ihm) doppelte Portiken, mit zwei Reihen Säulen
hintereinander. Alle diese aber zweistöckig: eine untere und
eine kleinere obere Säulenstellung, beide korinthischer Ordnung,
aber ohne Zwischenboden, ganz wie im Gebäude der Eumachia
und in der Vorhalle des MaccUum (S. log). Die Gesamtzahl der
Säulen kann auf 296 berechnet werden; dazu an den Umfassungs-
wänden, den Säulen entsprechend, zu ebener Erde Pilaster, im
Oberstock Halbsäulen. Von allen diesen Gliedern sind Reste
erhalten: und vermutlich sollten zwischen den Pilastern und Halb-
128 Pompeji.
Säulen die Wände mit Marmor bekleidet werden. Das Ganze
wäre ein Prachtbau geworden, dem sich in Pompeji nichts auch
nur annähernd an die Seite stellen kann.
3. Die Zeit nach dem Erdbeben des Jahres 63. Der ganze
Prachtbau ist zusammengestĂĽrzt. Man beseitigte die TrĂĽmmer,
nur einige besser erhaltene StĂĽcke der Portiken blieben am Platz.
Der Wiederaufbau des Tempels in größerem Maßstabe wurde
begonnen, doch war im Jahre 79 noch nicht einmal der Unter-
bau fertig; die Portiken wĂĽrde man wohl erst nach Vollendung
des Tempels in Angriff genommen haben.
DaĂź dies der Tempel der Venus Pompejana war, ist ganz
sicher. Es ist ja selbstverständlich, daß die Stadtgöttin einen
hervorragenden Tempel in der Nähe des Forums hatte; schon
deshalb mĂĽĂźten wir ihn hier vermuten; denn alle anderen Tempel
sind sicher benannt. Dazu der Fund der Venusstatuette (S. 122)
und des Steuerruders, endlich die dem Meere zugewandte Lage:
es bleibt wohl kein Zweifel. Und es mag zum SchluĂź noch be-
merkt werden, daß die den Tempel umgebenden hohen Säulen-
hallen doch den Blick auf das Meer nicht sperrten: die diesem
zugewandte Westmauer war von Fenstern durchbrochen, deren
eines in dem kleinen erhaltenen StĂĽck an der Nordwestecke
kenntlich ist.
Kapitel XIX.
Der Tempel der Fortuna Augusta.
Vom Forum gelangen wir durch den Bogen an der Nordost-
ecke in die breiteste StraĂźe Pompejis; man nennt sie Strada del
Foro. Wo sie in die Nolaner StraĂźe einmĂĽndet, liegt an der
Ecke, mit der Front nach West, der Tempel der Fortuna Augusta.
Bis zu ihm ist der Gangsteig rechts mit einer Säulenhalle be-
deckt. Vermutlich sollte hierdurch die StraĂźe als eine Fort-
setzung des Forums bezeichnet werden, und legte man Wert
darauf, daĂź der Tempel nun doch gewissermaĂźen am Forum lag.
l t S 456789 10
Fig. 62. Grundriß des Tempels der Fortuna Augusta. — A Altar. B Vorhalle. C Cella.
D Aedicula für das Kultbild, i — 4 Nischen für Statuen.
AL Tidliiis M. f. d. v. i. d. tcr[tiuni) quinq[ucnnalis)^ aiigitr^
tr[ibumis) mil[itum) a pop{ulo), aedem Fortjmae August[ae) solo et
pcq[iinia) sua^ — > Marcus TuUius, Sohn des Marcus, zum dritten
Mal Duumvir, Quinquennal, Augur, vom Volke gewählter Kriegs-
tribun, (baute) den Tempel der Fortuna Augusta auf seinem
Grunde und auf seine Kosten.« So steht auf dem Architrav der
Kapelle an der RĂĽckseite der Cella. Der ĂĽbliche (^rt fĂĽr eine
solche Inschrift wäre das Gebälk der Vorhalle. Vermutlich aber
war diese nach dem Erdbeben des Jahres 63 noch nicht wieder
Mau, Pompeji. 2. Autl. n
I30
Pompeji.
aufgebaut worden. Man hatte zunächst, um den Kult nicht zu
unterbrechen, die Cella mit der Kapelle hergestellt und auf dieser
einstweilen auch die Inschrift angebracht.
Wir geben eine Abbildung des Tempels in seinem jetzigen
Zustande und eine Restauration, die nach den vorhandenen
Resten der Säulen und des Gebälkes mit fast vollständiger Sicher-
heit gemacht werden konnte. FĂĽr die kleine Plattform mit dem
Altar in der Mitte des unteren Teils der Treppe hat der Jupiter-
Fig. 63. Ruine des Tempels der Fortuna Augusta. Photographie Brogi.
tempel als Vorbild gedient. Die Wände der Cella waren mit
Marmor verkleidet. In der Aedicula stand ohne Zweifel die Statue
der hier als Schutzgöttin des Kaiserhauses verehrten Fortuna.
Andere Statuen standen in den vier Nischen der Seitenwände:
man fand ihrer zwei: eine weibliche Statue, der man das Gesicht
abgesägt hatte, um es durch ein anderes zu ersetzen, und eine
männliche; nach den Ausgrabungsberichten hatte diese letztere
Ă„hnlichkeit mit Cicero; doch war dies Urteil wohl nur durch den
XIX. Der Tempel der Fortuna Augusta.
131
Namen des TempelgrĂĽnders eingegeben. Also Privatleute, nicht,
wie man erwarten möchte, die Kaiserfamilie; vermutlich wurden
deren Statuen eben damals an einer anderen Stelle aufgestellt und
hielt man es deshalb fĂĽr ĂĽberflĂĽssig, sie auch hier anzubringen.
Die Apsis mit der Aedicula an der RĂĽckseite war nicht von
Anfang an vorhanden, sondern ist ein nachträglicher Zusatz. Sie
steht auch nicht auf dem Erdboden, sondern in eigentĂĽmlicher
Weise auf zwei zwischen den Unterbau des Tempels und das
Nachbarhaus eingespannten und durch Holzbalken verbundenen
Bögen. Keinenfalls ist hier an den Wiederaufbau nach dem
Fig. 64. Tempel der Fortuna Augusta, «iederhergestellt.
Erdbeben des Jahres 63 zu denken. Die Zutat ist älter und
beruht vermutlich auf einer Änderung des Planes während des
ursprĂĽnglichen Baues.
Der Erbauer reservierte sein Eigentumsrecht auf den schmalen
unbebauten Streifen rechts vom Tempel durch einen Lavastein
mit der Inschrift: I\f. Tullii M. f. area frivata, Privatbesitz des
M. Tullius.»
Den Kult der Fortuna Augusta, der Glücksgöttin als Be-
schĂĽtzerin des Kaisers, besorgte ein aus vier Sklaven und I^Vei-
gelassenen bestehendes Kollegium, die iniuistri lortunac Augustac.
132
Pompeji.
FĂĽnf Inschriften geben von demselben Kunde: zwei wurden im
Tempel, die anderen zerstreut, nicht an ihrem Platz, gefunden.
Sie beziehen sich auf die alljährliche Aufstellung einer kleinen
Fig. 65. Querschnitt des Tempels der Fortuna Augusta, wiederhergestellt.
Statue [sigjium]. Eine aus dem Jahre 3 n. Chr. nennt die inmistri
primi Fortimae Aiigiistae : damals also ist das Kollegium gestiftet,
vermutlich kurz vorher der Tempel erbaut worden.
Mau, Pompeji. 2. Aufl. Plan UI.
zu S. 133.
S 10 20 30 ^0 so
A. Vorhalle des Forum trianguläre.
B. Forum trianguläre.
1. Portiken.
2. Unbedeckte Wandelbahn.
3. Dorischer Tempel.
4. Halbrunde Bank (schola) mit Sonnen-
uhr.
5. Grab?
6. Altlire.
7. l'runnenhaus.
8. Basis der Statue des Marcellus.
t". Halaestra (Turnplatz).
D. Wasserbehälter.
K. ('â– rolies Theater.
1. Anklciderauni.
2. BĂĽhne.
3. Ăśrchestra.
4. Ima Cavea (Plätze des Stadtrates).
5. Media Cavea.
6. Summa Cavea und Krvpta (bedeckter
Ganj;).
7. Tribunalien.
F. Kleineres (bedecktes) Theater.
(â– . Gladiatorenkaserne.
H. Tempel des Zeus MeiĂĽchios.
I. . der Isis.
K. Stadtmauer.
Die Theater und ihre Umeebuno-.
Kapitel XX.
Ăśbersicht ĂĽber die Bauten beim Stabianer Tor.
Das Forum trianguläre und der dorische Tempel.
Der uralte Lavastrom, auf dem Pompeji Hegt, läuft in zwei
Spitzen aus; der Einsenkung zwischen denselben entspricht das
Stabianer Tor. Auf der Höhe westlich dieser Einsenkung, am
SĂĽdrande der Stadt, lag seit alter Zeit ein Tempel dorischen
Stils. So steil und hoch war hier der SĂĽdabhang des Stadt-
hügels, daß es nicht nötig war, ihn noch durch eine Mauer zu
überhöhen. Auf hohem Unterbau, nahe dem befestigten Abhang
und ihm seine Seitenfront zuwendend, ĂĽberragte der Tempel
weithin sichtbar die Stadtflur, und auch der Schiffer konnte von
weitem schon die hier thronenden Götter begrüßen.
Schon vor dem zweiten Jahrhundert v. Chr. wählte man als
Bauplatz fĂĽr das Theater (E auf Plan III) die Nordwestecke der
Einsenkung am Stabianer Tor: hier konnte der größte Teil des
halbtrichterförmigen Zuschauerraumes in den natürlichen Abhang
eingeschnitten werden; nur fĂĽr die obersten Sitzreihen war Hoch-
bau nötig. Solche Wahl des Platzes entsprach griechischer Sitte;
aus griechischer Schule waren, wenn sie nicht selbst Griechen
waren, die Architekten des Theaters hervorgegangen.
Diesem schloß sich zwischen dem Bühnengebäude und der
Stadtmauer eine große vierseitige Säulenhalle (G) an, später zur
Gladiatorenkaserne eingerichtet, ursprĂĽnglich aber bestimmt, den
Theaterbesuchern bei plötzlich eintretendem Regen Schutz zu
bieten.
Zu demselben Zwecke ward auch die Oberfläche der Tempel-
höhe (P^orum trianguläre, B) eingefaßt durch zwei nach Norden
konvergierende dorische Säulenhallen; am Nordende, wo sie zu-
sammentreffen, öffnete sich auf die Straße eine hohe ionische
Vorhalle (A), zugleich der monumentale Eingang zum Theater.
134 Pompeji.
Die dem Abhang- zugewandte SĂĽdseite blieb frei. So erhielt der
Platz die annähernd dreieckige Gestalt, wegen der man ihn »Forum
trianguläre« zu nennen pflegt.
Für den Bau des Theaters hatte man bis an die nördlich
vorbeifĂĽhrende StraĂźe expropriiert und demoliert, so daĂź hier
noch Platz verfĂĽgbar blieb. Eine Summe, die ein BĂĽrger zu
gemeinnĂĽtzigen Zwecken hinterlassen hatte, wurde benutzt, um
hier neben dem Eingange des Forum trianguläre eine Palästra,
einen Platz für gymnastische Übungen zu erbauen (C). Später,
vielleicht erst in römischer Zeit, entstand weiter östlich der Tempel
der Isis (I).
Gleichfalls in römischer Zeit, bald nach 80 v. Chr., baute
man östlich von dem Bühnengebäude des großen Theaters und
dem Platze hinter demselben das kleine bedeckte Theater (F),
Nördlich und südlich von diesem standen bis zuletzt Privathäuser.
An der Nordostecke des ganzen Gebäudeviertels lag vielleicht
schon seit frĂĽher Zeit der kleine Tempel des Zeus Meilichios (H),
doch wurde er ziemlich gleichzeitig mit dem Baue des kleinen
Theaters ganz neu aufgebaut.
Die schöne hohe ionische Eingangshalle des Forum triangu-
läre, seit kurzem zum Teil wieder aufgebaut, zeigt unsere Ab-
bildung (Fig. 66). Die Konsolen in der RĂĽckwand mochten etwa
Statuetten oder Gefäße oder Ahnliches tragen. Die Rückwand
ist nach dem Erdbeben des Jahres 63 neu aufgebaut worden, nicht
ganz in ihrer frĂĽheren Gestalt. Der kleinere Eingang in der
Mitte, jetzt rechtwinklig, ging früher schräg durch die Mauer
und fĂĽhrte gerade auf den schmalen Streifen zu, der an der linken
Säulenhalle entlang durch eine niedrige Mauer von dem Platze
abgetrennt ist: offenbar eine Wandelbahn fĂĽr sonnige Wintertage.
Dieser Eingang war nur durch eine leichte, an den holzverkleideten
Pfosten hängende Gitterpforte geschlossen. Dagegen hatte der
größere, der linken Säulenhalle entsprechende eine schwere Flügel-
tĂĽr mit starken Riegeln, der innen noch eine zweite TĂĽr vorgelegt
war: scheinbar sinnlos, bei so geringer Festigkeit des anderen
Einganges. Ohne Zweifel blieb aber diese Tür gewöhnlich ge-
schlossen; man öffnete sie nur, wenn im Theater gespielt wurde,
wenn der spielgebende Beamte mit seinem Gefolge in festlichem
XX. Das Forum trianguläre und der dorische Tempel.
135
Zuge vom Forum aus durch diesen Eingang ins Theater zog.
Welchen Weg er dann weiter einschlug, werden wir weiterhin
sehen.
Die Säulenhallen mit ihren 95 Säulen dorischer Ordnung,
waren einstöckig und deshalb schlanker geformt als am Forum.
Ihr Gebälk weicht von der dorischen Regel nur durch das in zwei
Streifen geteilte Epistyl ab. Sie auch an der dritten Seite ent-
lang zu führen war nicht möglich: hier stand der Tempel zu
nahe am Abhang. So blieb die herrliche Aussicht auf die Ebene,
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Fig. 66. Vorhalle des Forum trianguläre.
die gegenĂĽberliegenden Berge, das Meer und die KĂĽste von Sorrent
frei; zum GenuĂź derselben erbauten an der Westeckc des Tempels
in früherer Kaiserzeit zwei Duumvirn — dieselben, welche die
Sonnenuhr beim Apollotempel stifteten — eine halbrunde Bank,
scJiola (4 auf Plan III] von derselben Form wie wir sie später
als Grabmonument kennen lernen werden. Auf der Lehne stellten
sie auch hier eine Sonnenuhr auf mit der Inschrift; L. Sepun'uis
L. f. Saiidilianiis , M. Hcrcnnius A. f. lipidiainis dito vir i i. d.
scol[ain) et Jiorol[oghiin) d. s. p. f. c. [de sua picmiia faciioiduiii
ciiraruiit), — ;> Lucius Scpunius Sandilianus, Solin des Lucius,
136
Pompeji.
und Marcus Herennius Epidianus, Sohn des Aulus, lieĂźen Sitz
und Sonnenuhr auf ihre Kosten machen.«
Am Fuß der mittleren Säule der kurzen Nordhalle stand ein
Marmorbecken, das erst jetzt (1900) wieder auf den schön und
kräftig geformten kannellierten Fuß gesetzt worden ist; ein die
Säule durchbohrendes Leitungsrohr ließ einen Wasserstrahl hinein-
fallen. Etwas weiter vorwärts, bei 8, eine marmorbekleidete
Statuenbasis mit der Inschrift: M. Claudio C. f. Marcello patrono.
Fig. 67. Ansicht des Forum trianguläre, gegen den Vesuv. — Links die Reste des dorischen
Tempels, der Altäre und des Brunnenhauses vor demselben; rechts die Außenseite des großen
Theaters.
Eine Statue des frĂĽh verstorbenen Neffen des Augustus fanden
wir schon in der Kaiserkapelle des Macellums: daĂź ihm die
Pompejaner deren mehrere errichteten, erklärt sich eben da-
raus, daĂź er, wie wir aus dieser Inschrift lernen, Patron der
Kolonie war.
Die Fläche des Forum trianguläre liegt beträchtlich höher als
die Oberfläche der Stadtmauer (K) südlich der Gladiatorenkaserne.
Es ist wahrscheinlich, daß eine Treppe aus der östlichen Säulen-
halle auf die schmale Terrasse zwischen dieser und der Kaserne
und von der Terrasse auf die Stadtmauer hinabfĂĽhrte, wie die
Restauration von C. Weichardt fTaf IIP zei?t.
Mau^ Pompeji. 2. Aufl. Taf. III.
zu S. 136.
Siidccke des I-\irum trian<jularc.
wiederhergfstellt von C. Weich ardt.
XX. Das Forum trianguläre und der dorische Tempel.
13:
i
a
©
Von dem dorischen Tempel sind nur dĂĽrftige Reste erhalten:
der stufenförmige Unterbau mit der Treppe auf der Vorderseite,
zwei Säulenstümpfe und Spuren eines dritten, vier Kapitelle,
Teile der rechten Mauer der Cella. Doch sind die Fundamente
der Cella, wie sie unser Plan angibt,
durch Nachgrabungen erforscht worden.
Die Säulenzahl, elf an den Seiten,
sieben, wie am Zeustempel von Agri-
gent, in der Front, ergibt sich aus
der Distanz der erhaltenen StĂĽmpfe;
in der Front entsprachen ihrer zwei
den Ecken der Cella und den Rändern
der Treppe. Man brauchte nur einen
kleinen Innenraum, legte aber Wert auf
stattlichen Anblick von auĂźen; daher
die weite Entfernung der Säulen von der Cella. Der Umgang
ist so breit, daß noch eine zweite, innere Säulenstellung Platz
J
cST-
Flg. 68. GrundriĂź des dorischen
Tempels. — i. Säulenhalle. 2. Vor-
raum der Cella. 3. Innenraum.
4. Halbkreisförmige Bank mit
Sonnenuhr. 5. Grab? 6. Altare.
7. Brunnenhaus.
Fiij. 69. Säulenreste vom dorischen Tempel. Photographie Lindner.
hätte. Pseudodipteros nennt Vitruv dies Schema. So war auch
die ungerade Zahl der Frontsäulcn, deren eine vor der Tür stand,
erträglicher.
Die Bauart war eine gemischte, teils Stein, teils Holz. Da.s
Gebälk war sicher aus Stein-, nur so erklärt sich das aul.kr-
ordentlich enee Intercolumnium. Dagcoen konnte das Gebälk
138 Pompeji.
mit der Cella nur durch Holzbalken verbunden sein. Das Bau-
material ist grauer Tuff; nur die Kapitelle waren aus dem dauer-
hafteren Sarnokalkstein. Eine StuckhĂĽlle, wohl sicher zum Teil
bunt bemalt, verdeckte den geringen Stein. Mit Stuck verkleidet
und rot, gelb und schwarz bemalt war auch der aufragende Trauf-
rand des Daches, an dem Wasserspeier in Form altertĂĽmlicher
Löwenköpfe mit Rosetten wechselten.
Der Tempel wird, wie die ältesten Tempel von Selinunt, in das
6. Jahrh. v. Chr. gesetzt. Von hohem Alter zeugen die massigen
Verhältnisse der dicht stehenden Säulen (Durchmesser unten
1,85 m, oben 0,95 m) und die weitausladende geschweifte Form
des Kapitells; lehrreich ist der Vergleich mit den steil profilierten
Kapitellen der Säulenhallen.
}^<m^
Fig. 70. Der dorische Tempel, wiederhergestellt.
Die Teilung in Vor- und Innenraum zeigt der Plan. In
letzterem liegt im Boden eine mächtige quadratische Tuffplatte,
neben der Axe des Tempels, so daĂź also neben ihr eine zweite
(im Plan punktiert) gelegen haben muĂź. Vielleicht war dies das
Fundament eines vor dem Kultbilde stehenden steinernen Tisches;
vielleicht, wenn rückwärts noch zwei solche Platten lagen, also
im Ganzen vier, ein Quadrat bildend, stand auf diesem ein groĂźes
Sitzbild der hier verehrten Gottheit, vielleicht auch die Statuen
mehrerer Gottheiten. Auf der länglichen Basis rechts neben
der Cella (s. den Plan) stand wahrscheinlich ein ĂĽberlebens-
großer tönerner Hirsch, von dem geringe F'ragmente gefunden
wurden.
Ein eigentĂĽmliches Monument liegt gerade vor dem Tempel,
am FuĂźe der Treppe '^5); welch hohe Bedeutung man ihm bei-
maĂź, zeigt schon die Lage an der Stelle, wo wir den Hauptaltar
' XX. Das Forum trianguläre und der dorische Tempel. j^q
ZU finden erwarten. Es ist eine, wie unser Plan zeigt, durch eine
äußere i,8o m und eine innere nur 0,35 m hohe Mauer ge-
bildete Einfriedigung, ihrer Form nach kaum etwas anderes als
ein Grab: ein ganz ähnlich angelegtes werden wir weiterhin ken-
nen lernen (Plan V rechts 2). Auch wird berichtet, daĂź dort
menschliche Gebeine gefunden wurden. Sicher sind nun zwar
diese Mauern ihrer Bauart nach nicht älter als die Kaiserzeit;
ebenso sicher aber sind sie nur eine Erneuerung eines älteren
Baues. Denn die zweifellos viel älteren Altäre (6) sind doch nur
deshalb seitwärts gelegt worden, weil der ihnen eigentlich ge-
bĂĽhrende Platz schon besetzt war. Also ein Grab an heiligster
Stelle vor dem Tempel, der gewiĂź seiner Zeit der Haupttempel
der Stadt war. Barg es etwa den oder die als Heroen verehrten
GrĂĽnder der Stadt?
Der erwähnten Altäre sind drei, alle aus Tufifquadern , zwei
auf einer gemeinsamen Unterlage, auch aus Tuffquadern, der
dritte auf der bloßen Erde; dieser also wohl späteren Ursprunges.
Die Oberfläche des einen jener ersteren ist in drei Teile geteilt.
Nicht weit entfernt, bei 7, liegen die Reste eines kleinen
Rundbaues (Durchmesser 3,70 m): ein von acht dorischen Säulen
getragenes rundes Dach bedeckte die MĂĽndung eines Brunnens;
man hatte den Lavafels durchbohrt und Quellwasser gefunden:
die heilige Quelle, aus der das Wasser zum Reinigen des Tempels
und zu Kultbräuchen geschöpft wurde. Nach einer oskischen In-
schrift am Architrav war dieser Bau von dem Stadtoberhaupt,
Mcddix tiiticus^ N. Trebius errichtet worden.
Eine gemalte oskische Inschrift auf der SĂĽdseite der Abbon-
danzastraße — erst 1897 entdeckt, bis dahin unter einer Stuck-
schicht verborgen — ist zwar im einzelnen nicht zweifellos
erklärt, sagt aber doch ziemlich deutlich: »auf diesem Wege
kommt man zu dem städtischen Hause und zur Minerva.« Wo
das städtische Haus zu suchen ist, wissen wir nicht; sicher aber
weist die Inschrift den Weg zu einem Tempel der Minerva. Sic
steht gleich östlich der Sackgasse, die jetzt in die Insula VII, 5
hineinfĂĽhrt, vermutlich aber frĂĽher durch sie hindurchfĂĽhrte, und
bezieht sich ohne Zweifel auf diese Gasse. Und da man auf diesem
Wege zu keinem anderen Tempel als eben zu dem dorischen
gelangt, so mĂĽssen wir in ihm den Tempel der Minerva erkennen.
140 Pompeji.
Aber freilich beweisen die Altäre — drei, darunter ein drei-
teiliger — daß hier mehrere Gottheiten ihren Sitz hatten, darunter
drei zusammengehörige. In Betracht kommt ferner der tönerne
Hirsch. Der Hirsch war mehreren Göttern heilig, besonders aber
Apollo und Artemis. Und für den Rest einer Apollostatue hält
man, wohl mit Recht, einen am Abhänge des Hügels gefundenen
halblebensgroĂźen Marmortorso. Vielleicht also wurden auĂźer
Minerva hier Apollo, Artemis und Leto verehrt.
Zur Zeit der VerschĂĽttung lag der Tempel in TrĂĽmmern;
vielleicht seit dem Erdbeben des Jahres 63, vielleicht schon länger.
Sicher ist, daĂź in den TrĂĽmmern, um den Kultus nicht zu unter-
brechen, ein dĂĽrftiges Heiligtum errichtet war, kleiner als die
alte Cella, nicht ganz in der Mitte des Unterbaues, sondern
mehr rechts. Als Basis des Götterbildes diente eine auf die
schon erwähnte quadratische Steinplatte gestellte Säulentrommel
des alten Baues.
Kapitel XXI.
Das groĂźe Theater.
Im Jahre 364 v. Chr. sah Rom zum ersten Male BĂĽhnenspiele;
es galt bei einer schweren Pest die Götter durch eine Feier neuer
Art zu versöhnen. Die Schauspieler verschrieb man aus Etrurien;
doch beschränkte sich die Darstellung auf Tanz mit Flöten-
begleitung. Denn ein lateinisches Drama gab es nicht. Ein
wirkliches Drama brachte zum ersten Male im Jahre 240 v. Chr.
ein gefangener Tarentiner, Livius Andronicus zur AuffĂĽhrung;
ein Campanier, Naevius, folgte seit 235 seinen Spuren. Aber
von da zum Baue eines Theaters war es noch weit. Auf einem
zeitweilig errichteten HolzgerĂĽste agierten die Schauspieler; auf
dem grĂĽnen Rasen eines HĂĽgelabhanges lagerten oder standen,
wo jeder Platz fand, die Zuschauer.
Als im Jahre 154 der Censor Cassius Longinus auf dem
Palatin, bei dem Tempel der phrygischen Göttermutter, an deren
Festen Schauspiele gegeben wurden, ein Theater zu bauen be-
gann, erhob sich im Senat der gewesene Konsul Scipio Nasica
und warnte in eindringlicher Rede, der fremdländischen Lust-
barkeit keinen Vorschub zu leisten, da sie die männlichen Sitten
der Heimat verderbe. Und so groĂź war die Wirkung seiner
Worte, daĂź der Senat nicht nur beschloĂź den Bau des Longinus
niederzureiĂźen und fĂĽr die Zukunft nichts der Art zu gestatten,
sondern auch die mittlerweile aufgekommene Industrie des Sessel-
vermietens untersagte. Diese strenge Denkungsart hielt nun
freilich nicht lange an. Als 145 v. Chr. der Zerstörer Korinths,
Mummius, seinen Triumph auch durch BĂĽhnenspiele feierte, lieĂź
er hölzerne Sitzstufen für die Zuschauer errichten. Dabei aber
blieb es fĂĽr lange Zeit: erst Pompejus erbaute ein steinernes
Theater und eröffnete es 55 v. Chr.
142 Pompeji.
Bei dem gänzlichen Untergange der oskischen Kultur ist
keine Kunde von der Geschichte des einheimischen Dramas ĂĽbrig
geblieben. Wohl wissen wir von einer gewiĂź sehr alten Volks-
komödie, in der, ähnlich wie in der italienischen Commedia
deir arte, stehende Masken auftraten: Maccus der SpaĂźmacher,
Bucco der Tölpel, Pappus der geprellte Alte, Dossennus der
Charlatan. Atellana nannte man sie; denn ihr fingierter Schau-
platz war Atella, das campanische Schildburg. Aber fĂĽr diese
improvisierte Volksposse ist das groĂźe Theater Pompejis gewiĂź
nicht gebaut worden. Es beweist uns, daĂź schon vor dem
zweiten Jahrh. v. Chr. — denn so alt sind seine ältesten Teile —
wirkliche dramatische Kunst in Pompeji gepflegt wurde. Ver-
mutlich, wie in Athen, im AnschluĂź an den Kult des Dionysos:
denn der Kopf eines Satyrn, eines Begleiters des Gottes, aus
Tuff gehauen und einst mit Stuck bekleidet, bildet noch heute
den Schlußstein des westlichen gewölbten Zuganges zur Orchestra.
Wenn also Pompeji vielleicht hundert Jahre frĂĽher als Rom ein
groĂźes Theater erbaute, so muĂź wohl, wie griechische Kunst,
so auch griechische und der griechischen nachgeahmte Poesie
frĂĽher und in breiterem Strome als in Rom hier Eingang ge-
funden, müssen die Werke oskischer Dichter — keine Zeile der-
selben ist auf uns gekommen — hier die Herzen der Pompejaner
bewegt haben, bevor in Rom Livius Andronicus und Naevius —
der wohl sicher aus seiner campanischen Heimat Anregungen
mitbrachte — ihre Dramen aufführten.
Wir betrachten nun nacheinander die drei Hauptteile des
Theaters: den halbtrichterförmigen Zuschauerraum, cavca ^ mit
den Sitzstufen, die Orchestra, den von der Cavea eingeschlosse-
nen Halbkreis mit jederseits einem Zugang, parodos^ und die
scena, das ihnen quer vorliegende Bühnengebäude. Wir geben
in Fig. 71 den GrundriĂź, in Fig. 72 die Innenansicht; die AuĂźen-
ansicht zeigt Fig. 67.
Die Cavea faĂźte etwa 5000 Personen. Ihr unterer Teil bis
an den bedeckten Korridor [crypta., 4) lehnt sich an den Abhang;
der Korridor selbst liegt im Niveau des Forum trianguläre. Die
Sitzstufen zerfallen in drei Ränge.
Der unterste Rang, iina cavea (4), enthält vier breite und
niedrige Stufen, auf denen, sowie auch in der Orchestra, die
XXI. Das groĂźe Theater.
143
Mitglieder des Stadtrates, Dekurionen, ihre Sessel [biselliuvi^
Sessel doppelter Breite) aufstellten.
Der mittlere Rang, media cavea^ bis an die Krypta, hatte
zwanzig Marmorstufen einfach rechtwinkligen Profils, von denen
nur ein kleiner Teil erhalten ist. Nur auf einer dieser Stufen,
und wohl nur auf einem Teile derselben, waren die einzelnen
Plätze, 0,39 cm breit, durch in die Vorderfläche eingehauene
Linien abgeteilt und numeriert; vermutlich war dieser Platz irgend
einer Korporation zugewiesen, die
es nötig gefunden hatte, die Be-
nutzung desselben durch die ein-
zelnen Mitglieder auf diese Weise
zu regeln. Ebenso ist es im Amphi-
theater, nur ohne Numerierung.
Auffallend ist die geringe Breite,
hier wie dort ; sie erklärt sich wohl
nur, wenn es Knaben waren, die
hier ihre Plätze hatten. In Rom
waren die 14 untersten Stufen den
Rittern vorbehalten. Ob auch fĂĽr
die Munizipien und Kolonien ähn-
liche Bestimmungen galten, ist un-
bekannt, jedenfalls aber muĂźte die
Zahl der reservierten Stufen hier eine geringere sein. Der oberste
Rang, siininia cavea^ getragen von dem Gewölbe des Korridors (6),
hatte höchstens vier Stufen.
Zugänglich war der unterste Rang von der Orchestra aus, der
mittlere unten von dem Umgange [diazoma^ praecinctio) zwischen
den beiden untersten Rängen, auf den man jederseits aus der
Parodos ĂĽber eine kleine Treppe gelangte, oben aus der Krypta
durch sechs TĂĽren, denen entsprechend sechs Treppen diesen
Rang durchschneiden und in fĂĽnf Keile, cunei^ teilen, neben denen
jederseits noch ein schmales rechtwinkliges StĂĽck ĂĽbrig bleibt.
Die Krypta selbst ist zugänglich durch vier Türen, eine vom
Forum trianguläre, die zweite in dem Winkel zwischen diesem
und der Theaterrundung, die dritte am Ende einer Sackgasse
östlich vom Isistempel, die vierte, am Ostflügel, durch einen
schmalen von der Stabianer StraĂźe aufsteigenden Gang.
Fig. 71. GrundriĂź des groĂźen Theaters.
I. Ankleideraum. 2. BĂĽhne. 3. Orchestra.
4. Ima cavea. 5. Media cavea. 6. Summa
cavea. 7. Tribunalia. 8. Wasserbehälter.
1 44 Pompeji.
Der oberste Rang endlich hatte seine Zugänge von einem
ihn auf der AuĂźenseite umkreisenden , von Bogen getragenen
Gange, der aber nicht den ganzen Halbkreis umfaĂźte: er endete
da wo die Rundung an das Forum trianguläre stößt. Hier, im
Winkel, fĂĽhrte eine Treppe auf ihn; eine zweite an der RĂĽck-
seite der Palästra (beide auf dem Grundriß Fig. 71), eine dritte an
der Sackgasse östlich vom Isistempel. Vom Forum trianguläre,
wo der Umgang fehlt, fĂĽhrte in der dicken Umfassungsmauer
eine schmale Treppe direkt auf den obersten Rang.
Die Umfassungsmauer des Zuschauerraumes erhob sich noch
beträchtlich über die obersten Sitzreihen. An ihrer Innenseite
standen, von Steinringen (s. Fig. 72) gehalten, starke Holzpfähle;
an ihnen und am Dache der BĂĽhne war das Segel, veliim^ be-
festigt, welches die Zuschauer gegen den Sonnenbrand schĂĽtzte,
eine campanische Erfindung und in diesem Falle, wo sich das
Halbrund gegen Süden öffnete, besonders notwendig. Das Colos-
seum und das gut erhaltene Theater von Orange haben diese
Vorrichtungen an der AuĂźenseite der Mauer. An unserem
Theater ist der ganze obere Teil modern aufgebaut, und man
könnte zweifeln, ob die Steinringe und das oberste Tuffgesims
der Mauer mit ihnen entsprechenden Einschnitten antik sind.
Die Gesimsblöcke sind aber sicher antik, und ihre etwas keil-
förmige Gestalt bestätigt auch die Lage an der Innenseite.
Neben der Orchestra ist rechts und links ĂĽber dem Seiten-
eingange je eine kleine viereckige Plattform angebracht, zugäng-
lich durch eine Treppe, die sich von der Parodos an der der
BĂĽhne zugewandten Seite abzweigt. Von diesen Plattformen,
Tribunalien genannt, war die eine der Platz des spielgebenden
Beamten. Die andere wies in Rom Augustus den Vestalinnen
an; die Vermutung liegt nahe, daĂź in Pompeji hier die Stadt-
priesterinnen ihren Sitz hatten.
Die Orchestra hat die Form eines Halbkreises, dessen Peri-
pherie in der Richtung der Tangente so weit verlängert ist, daß
in den so entstehenden Raum der volle Kreis eingeschrieben
werden könnte. Schwerlich sind jemals, wie im griechischen
Theater, Chöre in ihr aufgetreten; sie wurde benutzt um die
Sessel der vornehmsten Zuschauer, also namentlich der Rats-
herren aufzustellen. Zugänglich ist sie auf jeder Seite durch
XXI. Das groĂźe Theater.
145
gewölbte Gänge unter den Tribunalien. Die beiden kleinen
Treppen, die aus der Orchestra auf die nur etwa i m hohe
Bühne führen, lassen kaum eine andere Erklärung zu, als daß
noch in römischer Zeit (denn aus dieser stammen die Treppen)
Schauspieler, welche aus größerer Ferne kommende Personen
darstellten, durch die Orchestra auf die BĂĽhne gelangten. Vor
der BĂĽhne, den Zuschauern zugewandt, saĂźen die mit der
Theaterpolizei betrauten Beamten, wie sie uns ein pompejanisches
Fig. 72. Innenansicht des groĂźen Theaters. Photographie Brogi.
Bild zeigt: entweder zwei in den beiden rechteckigen Nischen
oder einer in der halbrunden Nische in der Mitte.
Die BĂĽhne (2), lang und schmal (33X6,60 m, 120X24
osk. FuĂź), erhebt sich nur um etwa i m ĂĽber die Orchestra.
Die Rückwand stellte, wie gewöhnlich, eine Palastfassade dar,
reich gegliedert durch vortretende Säulen und Nischen für Sta-
tuen, mit den üblichen drei Türen. Die schmalen Seitenwände
sind je von einer groLkn, fast ihre ganze Breite einnehmenden
TĂĽr durchbrochen. Der fĂĽr die Toilette der Schauspieler be-
stimmte Raum hinter der BĂĽhne, postscaeninni (i), hatte in
Mau, Pompeji. 2. Aufl. lO
1 46 Pompeji.
seiner Rückwand eine über eine Rampe zugängliche Tür. Von
dem Dach der BĂĽhne fehlt jede Spur; besser erhaltene Theater,
in Orange, in Aspendos in Kleinasien, lehren uns, daĂź es gegen
die RĂĽckwand geneigt war. Der FuĂźboden war von Holz. Der
Hohlraum unter demselben zerfällt in mehrere Abteilungen.
Von diesen war die vorderste, zwischen der Vordermauer und
der ihr parallelen niedrigen Mauer (sichtbar Fig. 72), zur Aufnahme
des Vorhanges bestimmt, der im römischen Theater (von dem
des griechischen wissen wir nichts) bei Beginn der Vorstellung
niedergelassen, am SchluĂź aufgezogen wurde. Es ist klar, daĂź
während des Spieles dieser Raum bedeckt sein mußte, sonst
hätte man nicht über die beiden kleinen Treppen aus der Or-
chestra auf die Bühne steigen können.
Unter dem Raum für den Vorhang läuft ein Gang-, zueängr-
lieh durch eine Treppe am Westende, dessen Wölbung durch-
brochen wird von zwei Reihen quadratischer (36 — 37 cm), mit
Lavasteinen eingefaßter Löcher, in denen offenbar Balken standen.
Erst vor wenigen Jahren ist dieser Gang ganz ausgeräumt worden.
In seinem Fußboden, unter den Löchern in der Wölbung, sind
viereckige, ausgemauerte Vertiefungen; die der Orchestra zu-
nächstliegende Reihe enthält Reste von Holzbalken und von dem
viereckigen Eisenbeschlag derselben, jedesmal ein größeres und
ein kleineres Eisenquadrat. Mazois vermutete, daĂź hier hohle
Balken standen, in denen sich je ein kleinerer Hohlbalken, und
in diesem ein noch dĂĽnnerer oder etwa eine Eisenstange bewegte,
und daĂź durch das Auseinanderschieben und Zusammenziehen
dieser Balken die Hebung und Senkung des Vorhanges bewirkt
wurde. Offenbar ist obiger Tatbestand dieser Vermutung gĂĽnstig.
Freilich für die zweite Reihe von Löchern in Wölbung und Boden
ergibt sich auch so keine befriedigende Erklärung.
Weiter rückwärts ist der Raum unter der Bühne in der
rechten Hälfte so niedrig (0,95 m), daß er schwerlich irgendwie
benutzt werden konnte. Der linke Teil ist beträchtlich tiefer
(1,80) und scheint eine Art Maschinenraum gewesen zu sein.
Freilich, was hier von Maschinen ĂĽbrig geblieben ist, reizt mehr
die Neugier als es sie befriedigt. Wir finden da im Boden
zwei länglich viereckige Travertinblöcke, die in ihrer Oberfläche
(1,20 x0,50 m) je ein mindestens 7 cm tiefes, rundes, eisen-
XXI. Das groĂźe Theater. I^^
gefĂĽttertes Loch haben, in dem auch noch der Eisenbeschlag
des einst in ihm sich drehenden Holzzapfens erhalten ist. Es
ist klar, daĂź dieser Zapfen das EndstĂĽck einer Welle war, deren
anderes Ende in eine ähnliche Pfanne eingreifen mußte. Ein
dritter solcher Stein ist nahe dem Ostende des Raumes in seine
SĂĽdwand eingelassen, und ihm gegenĂĽber in der Nordwand sieht
man die Spur eines vierten. Endlich standen zwei solche Steine
sich gegenüber in den Wänden des Vorhangraumes, nahe seinem
Ostende; auch hier ist nur der in der Nordwand erhalten. Wahr-
scheinlich sind die in den Südwänden fehlenden eben die beiden
im Boden liegenden. Hier also drehten sich zwei wagerechte
Wellen. Der Zweck dieser Windevorrichtungen bleibt dunkel.
Die des Vorhangraumes hatte vielleicht mit dem Vorhang zu tun ;
für die andere könnte man an die krahnartige Maschine denken,
durch die schwebende Gestalten auf die BĂĽhne gebracht wurden,
wie die Medea des Euripides in ihrem Drachenwagen oder der
Deus ex machina; nach Pollux befand sich diese Maschine an
der linken Seite der BĂĽhne.
Die Palastfassade der RĂĽckwand war bei AuffĂĽhrungen durch
eine gemalte Dekoration verdeckt. Szenenwechsel war immer
nötig, da ja mehrere Stücke hinter einander gegeben wurden.
An der RĂĽckwand wurde er so bewirkt, daĂź durch seitliches
Fortziehen (daher scacna ductilis der ersten Dekoration die fol-
gende zum Vorschein kam, an den Schmalseiten durch Drehung
der Periakten, dreiseitiger Holzprismen, auf deren Seiten drei
verschiedene Dekorationen angebracht waren [scaena versiUs).
Die einzige Erinnerung an Theaterspiele in Pompeji bieten
einige Inschriften. Im Isistempel werden wir die BĂĽste des Schau-
spielers C. Norbanus Sorex finden. Sehr beliebt war der uns aus
einer Anzahl Wandinschriften bekannte Actius Anicetus, Panto-
mimenspieler und Haupt einer Truppe. Seinen vollen Namen,
C. Ummidius Actius Anicetus, gibt eine Inschrift von Puteoli.
Acti^ a[inor populi^ cito rcdi ^ — »Actius, Liebling des Volks,
komm bald wieder*, so lautet eine der Wandinschriften.
Das Theater diente im Altertum keineswegs nur fĂĽr Schau-
spiele, sondern auch für öffentliche Akte der verschiedensten Art.
Im Theater von Tarent fand die denkwĂĽrdige Volksversammlung
statt, in der die Gesandten der Römer empfangen und der Krieg
1 48 Pompeji.
mit Rom entschieden wurde. Im Theater von Pergamon sollte
König Mithradates durch eine von oben herabgelassene Sieges-
göttin ein Kranz aufgesetzt werden, was freilich mißlang, so daß
der Kranz mit ĂĽbler Vorbedeutung auf den Boden fiel. Im Theater
versammelten sich auch die gegen Paulus aufgehetzten Epheser.
Bei solchen Gelegenheiten blieb die BĂĽhne ohne Dekoration:
Grund genug, auch die bei dramatischen Vorstellungen nicht
sichtbaren Teile kĂĽnstlerisch auszubilden.
Von dem ursprĂĽnglichen Bau des Theaters haben wir keine
Kunde; daĂź es schon im 2. Jahrh, v. Chr. bestand und damals
vergrößert wurde, wird sich uns weiterhin ergeben. Wohl aber
berichtet eine Inschrift von einer Erneuerung des Baues:
M. M. Holconii Rufus et Celer cryptmn^ tribiinalia, theatrum^ —
»M. Holconius Rufus und M. Holconius Celer (bauten) die Krypta
(den bedeckten Gang), die Tribunalien (über den Eingängen der
Orchestra) und den Zuschauerraum.«
Die beiden Holconier lebten zur Zeit des Augustus; der
ältere, Rufus, war 3 — 2 v. Chr. zum vierten Mal Duumvir; viel-
leicht fand eben damals der Bau statt; denn bald nachher, noch
vor seiner fĂĽnften AmtsfĂĽhrung, wurde ihm, wie eine andere In-
schrift lehrt, im Theater selbst eine Statue gesetzt; dem jĂĽngeren,
Celer, erst später, 13 — 14 n. Chr., als er eben zum Duumvir
quinquennalis gewählt war. Zu der Zeit des Augustus paßt auch
die Bauart der Krypta und namentlich der an sie angelehnten
Bögen, sowie der Tribunalien : ziegeiförmige Tuffsteine und Netz-
werk. Ebenso auch die Marmorstufen des Sitzraumes: in dem
ursprĂĽnglichen Bau waren sie sicher aus Tuff. Sicher ist ferner,
daß ungefähr um dieselbe Zeit auch die Rückwand der Bühne
an Stelle einer älteren, viel einfacheren gebaut ist; freilich nicht
von den Holconiern, da sie in der Inschrift nicht erwähnt
wird.
Es ist möglich, daß die Tribunalien erst den Holconiern ihr
Dasein verdanken. In betreff der Krypta aber war ihre Tätig-
keit nur eine Erneuerung des schon frĂĽher vorhandenen; denn
die an ihre AuĂźenseite angesetzten Pfeiler stehen auf Funda-
menten, die den älteren Teilen des Gebäudes gleichartig sind.
Und da diese Pfeiler keinen anderen Zweck haben als den Um-
gang zu tragen, der den Zutritt zu den auf der Wölbung der
XXI. Das groĂźe Theater. I^g
Krypta ruhenden Sitzen vermittelte, so muĂź auch die Krypta
schon frĂĽher vorhanden gewesen sein.
Die Statuen der beiden Holconier, deren Inschriften erhalten
sind, standen vermutlich in Nischen der BĂĽhnenrĂĽckwand. Dem
älteren derselben, Rufus, war aber noch ein anderes Monument
gesetzt worden. Die unterste Stufe des mittleren Ranges hat in
der Mitte, der BĂĽhne gegenĂĽber, auf einer Strecke von 1,50 m
doppelte Breite, indem hier die folgende Stufe unterbrochen ist.
Und hier stand in Erzbuchstaben die Inschrift: M. Holconio M.
f. Rufo IL V. i. d. gtänquies, iter[uni) quinq[uennali) ^ trib[uno)
7nil{itutn) a p{opulo), flamini Aug[usti)^ patr{onö) colo[niae) d[ecu-
rionum) d[ecreto)^ »dem M. Holconius Rufus, Sohn des Marcus,
fĂĽnfmal Duumvirn, zum zweiten Mal Quinquennal, vom Volk ge-
wähltem Kriegstribun, Priester des Augustus, Patron der Kolonie,
auf Ratsbeschluß.« Dabei war ein Gegenstand aus Bronze auf-
gestellt und in zwölf Löchern befestigt. Bekannt ist die Sitte,
verdienten Männern zum Andenken nach ihrem Tode einen Sessel
im Theater aufzustellen; hier wĂĽrden wir gern an das Bisellium,
den breiten Sitz der Ratsherren denken; freilich aber will die An-
ordnung der zwölf Löcher dazu nicht recht passen.
Dem Architekten der Holconier, einem Freigelassenen, wurde
zwar keine Statue errichtet, doch gestattete man ihm, seinen
Namen auf die Nachwelt zu bringen durch eine in die AuĂźen-
wand des Zuschauerraumes, in der Nähe der östlichen Parodos
eingelassene Inschrift: M. Artoriiis M{arci) l[ibertiis) P7'hnus
architectus.
Der Grundriß unseres Theaters ist griechisch, nicht römisch.
Im römischen Theater ist die Orchestra halbkreisförmig, so daß
die Front der BĂĽhne auf dem Kreisdurchmesser liegt. Im griechi-
schen soll sie nach Vitruv auf der Seite eines eingeschriebenen
Quadrates liegen; die Ruinen zeigen, daĂź sie meistens entweder
einen vollen Kreis bildet, oder durch Tangenten so weit verlängert
ist, daĂź ein Kreis in sie eingeschrieben werden kann. Letzteres
ist nun auch hier der Fall; die Orchestra gleicht wesentlich der
des Dionysostheaters in Athen.
Dagegen bleibt die Höhe der Bühne noch unter den für das
römische Theater vorgeschriebenen fünf Fuß, während für das
griechische gar zwölf verlangt werden. Nach Vitruv soll die
150 Pompeji.
römische Bühne so niedrig sein, weil sonst die in der Orchestra
sitzenden Zuschauer — hier war der Platz der Senatoren — ■nicht
sehen könnten. Offenbar war also auch hier die Orchestra für
Zuschauer, nicht fĂĽr den Chor bestimmt.
Wir haben bis jetzt das Theater beschrieben und besprochen
in seiner letzten Gestalt. Auf ältere Formen des Baues, auf seine
Geschichte weiter einzugehen, schien bis vor kurzem nicht tun-
lich; allzuwenig war darĂĽber zu ermitteln. Seit einigen Jahren
aber ist dies anders geworden.
Bekanntlich wird ĂĽber das antike Theater und ĂĽber die Art,
wie in ihm gespielt wurde, seit etwa zwanzig Jahren ein lebhafter
Streit geführt, angeregt durch die genialen Forschungen W. Dörp-
felds. Um aber die Kontroverse verständlich zu machen, wird
es nötig sein, in der Kürze zu sagen, wie sich uns die griechischen
Theater in ihren Ruinen darstellen.
Mittelpunkt ist die Orchestra, entweder kreisrund oder ein
Halbkreis (auch wohl ein noch größeres Kreissegment) der durch
Tangenten so weit verlängert wird , daß man den vollen Kreis
in die Fläche einschreiben kann. An der von den Sitzstufen
freigelassenen Seite die Skene, das Schauspielhaus, zum Ankleiden
der Schauspieler und sonstigen Vorbereitungen, zugleich archi-
tektonischer AbschluĂź des Raumes. Es hat an seiner Vorder-
seite, gegen die Orchestra, einen Vorbau, das Proskenion: eine
Reihe von Säulen oder säulenartigen Gliedern, deren Zwischen-
räume durch Tafeln geschlossen waren, aber auch alle oder teil-
weise geöffnet werden konnten, und deren Gebälk mit dem Haupt-
gebäude durch einen horizontalen Boden verbunden war. Nach
der herkömmlichen Auffassung nun müßte dies der Spielboden,
das Proskenion die BĂĽhne sein.
Aber war es hierzu geeignet? Bot seine geringe Breite —
bis zu 3 m — genügenden Raum für die Bewegungen der Schau-
spieler? Und gestattete es bei seiner großen Höhe — 12 Fuß
nach Vitruv, und so z. B. in Epidaurus — den lebhaften V^erkehr
zwischen den Schauspielern und dem in der Orchestra befindlichen
Chor, wie er sich aus den erhaltenen Dramen ergiebt? Dazu
kommt, daĂź auf einer so hohen BĂĽhne die Schauspieler gerade
für die Zuschauer der untersten, d. h. der bevorzugten Plätze
nur sehr unvollkommen sichtbar waren. So hat man denn ge-
XXI. Das groĂźe Theater, I c j
schlössen (Dörpfeld), daß in der Blütezeit des griechischen Dramas
Spielplatz fĂĽr Schauspieler und Chor die Orchestra war, das
Proskenion nicht BĂĽhne, sondern Hintergrund des Spielplatzes
und zugleich »Theologeion«, der Ort für das Auftreten der Götter
und anderer Personen, die in größerer Höhe erschienen. Erst
später, in Italien, und namentlich in römischer Zeit, als keine
Chöre mehr auftraten, wäre die eigentliche Bühne entstanden,
indem man vor dem Proskenion ein 5 FuĂź hohes GerĂĽst fĂĽr die
Schauspieler errichtete, welches bis in die Mitte der Orchestra
reichte, so daĂź von dieser nur ein Halbkreis ĂĽbrig blieb, der nun
als Zuschauerraum benutzt wurde. Es war wichtig fĂĽr diese Auf-
fassung, daĂź nach dem bisherigen Stande unserer Kenntnis be-
hauptet werden konnte, bei Umgestaltung älterer Theater sei die
Bühne der römischen Zeit stets in der Orchestra, vor dem Pro-
skenion errichtet worden, nie sei sie aus dem ĂĽber und hinter
dem Proskenion liegenden »Theologeion -^^ entstanden. Wir werden
weiterhin sehen, daĂź nun dieses in dem pompejanischen Theater
doch der Fall war.
Diese Auffassung hat Beifall und Widerspruch gefunden. Es
fehlt nicht an Gelehrten — hier ist namentlich O. Puchstein zu
nennen — die an der alten, schon von Vitruv vertretenen An-
schauung festhalten, in der Höhe und Schmalheit der Bühne kein
Hindernis sehen und auch daran keinen AnstoĂź nehmen, daĂź der
Verkehr zwischen Schauspielern und Chor auf Umwegen, ĂĽber
seitliche oder rückwärtige Rampen oder Treppen stattfinden
muĂźte. Man hat auch Mittelwege gesucht und unterschieden
zwischen der klassischen und der hellenistischen Zeit; es wĂĽrde
zu weit fĂĽhren, hier die ganze Diskussion zu rekapitulieren.
Adhuc sub iiidice lis est. Es wäre verwegen, ein so weit greifen-
des Problem von Pompeji aus lösen zu wollen; aber fragen müssen
wir doch: wie stellt sich unser Theater zu dieser Kontroverse?
Gibt es irgendwelche Aufklärung? Wie würden wir uns ent-
scheiden, wenn es sich nur um Pompeji handelte?
Es war Dörpfeld selbst, der Anlaß gab, dieser Frage näher
zu treten. Auf seine Veranlassung und unter seiner Mitwirkung
wurde die Erforschung des Theaters auf seine älteren F"ormen
im Sommer 1902 begonnen und dann, mit Unterbrechungen,
in den folgenden Jahren bis 1905 fortgesetzt: Ausgrabungen
152 Pompeji.
unterhalb der Oberfläche der letzten Zeit Pompejis, Freilegung
älterer, in dem späteren Mauerwerk verborgener Reste, endlich
ein sorgfältiges Studium des ganzen Baues führten zu überraschen-
den und wichtigen Resultaten. Eine sich durch mindestens zwei
Jahrhunderte erstreckende Geschichte des Baues, mit mehreren
durchgreifenden Umgestaltungen, liegt jetzt in fast vollständiger
Klarheit vor uns. Nur in aller Kürze können wir hier das wich-
tigste zusammenfassen.
Die GrĂĽndungszeit des Theaters haben unsere Untersuchungen
uns nicht enthĂĽllt; wir wissen nur, daĂź seine erste uns kenntliche
Umgestaltung in die Tuffperiode, das 2. Jahrh. v. Chr. fällt. Da-
mals wurde der Zuschauerraum vergrößert. Dieser war früher
— in der ersten uns kenntlichen Periode des Theaters — ein nur
wenig verlängerter Halbkreis; er umfaßte die auf unserem Plan
(Fig. 71) sichtbaren fünf keilförmigen Abteilungen [ciinei]\ die
Tribunalien {7) und die oberhalb ihrer aufsteigenden rechtwink-
ligen Abschnitte waren noch nicht vorhanden : hier waren damals,
wie in den griechischen Theatern, unbedeckte Seiteneingänge
(Parodoi) zur Orchestra, zwischen dem Zuschauerbau und der
Skene, die ziemlich an der Stelle des jetzigen BĂĽhnenhauses
liegen mußte. Die Vergrößerung des Zuschauerraumes bestand
darin, daß man die Parodoi überwölbte und über ihnen Sitzstufen
anlegte. Nur Sitzstufen: die Tribunalien sind späteren Ursprunges.
Von dem Skenenbau dieser ältesten Zeit ist nichts erhalten; wir
kennen aus ihr nur die AbschluĂźmauern, mit denen jederseits
das Halbrund des Zuschauerraumes endete und dessen sich hieraus
ergebende Ausdehnung. Der den Zuschauerraum umkreisende
bedeckte Umgang [crypta^ 6) und die von ihm getragenen obersten
Sitzreihen waren damals noch nicht vorhanden.
Auch aus der zweiten Periode des Theaters, der Zeit des
vergrößerten Zuschauerbaues, haben wir nichts weiter als eben
diesen vergrößerten Zuschauerbau mit den überwölbten Seiten-
eingängen zur Orchestra. Und eben diese letzteren beweisen, daß
unbedeckte Parodoi, nach griechischer Art, zwischen Zuschauer-
bau und Skene, schon damals nicht mehr vorhanden waren,
sondern daĂź die Skene da lag, wo sie vermutlich schon frĂĽher
gelegen hatte, jetzt aber in unmittelbarer I^erĂĽhrung mit dem
Zuschauerbau, wie das BĂĽhnenhaus der letzten Zeit. Doch ist
XXI. Das groĂźe Theater.
153
von dem Skenenbau auch dieser zweiten Periode nichts erhalten.
— Gleichzeitig mit der Überbauung der Orchestraeingänge wurden
die den Zuschauerraum umkreisende Krypta und die von ihr ge-
tragenen obersten Sitzreihen angelegt. Die Tribunalien (7) waren,
wie schon gesagt, damals noch nicht vorhanden.
Die Zeit dieser zweiten Form des Theaters kann annähernd
bestimmt werden: der ihr zweifellos angehörige Parodoseingang
mit dem Satyrkopf als Schlußstein der Wölbung (S. 142) stammt
ebenso zweifellos aus der Tufifperiode, der BlĂĽtezeit des Hellenis-
mus in Pompeji, dem 2. Jahrh. v. Chr.
Die dritte Periode des Theaters ist bezeichnet durch den Bau
des noch jetzt erhaltenen Bühnengebäudes in seiner ältesten Form:
Fig. 73. Plan des Bühnengebäudes in seiner ersten Form.
ob noch in der Tufifperiode, ob in der ersten Zeit der römischen
Kolonie, das hat sich nicht mit Sicherheit ermitteln lassen. Und
hier beginnt der interessanteste, auf der Untersuchung und voll-
ständigeren Ausgrabung eben dieses Baues beruhende Teil der
Geschichte des Theaters. Es hat sich nämlich herausgestellt, da(.^
dieser Bau, bevor er seine letzte, oben (S. 145) beschriebene Gestalt
erhielt, eine lange Geschichte gehabt und mehrfache Veränderungen
erfahren hat.
Obiger Grundriß zeigt die älteste Form des Gebäudes nebst
den anstoĂźenden Teilen des Zuschauerbaues. Alle hier sicht-
baren Teilungen und TĂĽren liegen zu ebener Erde, im Niveau
der Orchestra der letzten Zeit: und es folsft eben hieraus, daĂź
154 Pompeji.
dies Niveau damals das gleiche war. Wir erkennen den groĂźen
Ankleideraum, von hinten durch fünf Türen zugänglich. Der
Raum vor der den Zuschauern zugewandten Front wird eingeengt
durch zwei kleine schiefwinklige Vorbauten (Paraskenien) ; daĂź
diese mit dem Raum zwischen ihnen und mit dem Ankleidesaal
durch TĂĽren verbunden waren, ist vermutungsweise angenommen
worden; sichtbar dagegen sind die fĂĽnf TĂĽren der RĂĽckwand und
die drei mittleren der Vorderwand des Hauptraumes. Um das
Bild des Theaters dieser Periode zu vervollständigen, müssen wir
noch hinzufĂĽgen, daĂź damals der innerste, von der Skene ent-
fernteste Teil der Orchestra von einem kreisrunden Wasserbassin
eingenommen war (Durchm, 7,10, Tiefe 0,75 m), das von der Linie
der Paraskenienfronten etwa 6 m entfernt blieb.
Es gibt kein zweites Skenengebäude ganz der gleichen Form,
wohl aber mehrere ähnliche; es schließt sich einem Typus an,
den man als den altattisch-westlichen bezeichnet hat. Am ähn-
lichsten ist wohl das Theater von Segesta in Sizilien, aber auch
die älteste Form des Dionysostheaters in Athen kann verglichen
werden. Wie ist es nun zu ergänzen und wie ist es benutzt
worden? Es ist unmöglich hier alles Für und Wider zu erwägen,
und eine zweifellose Entscheidung ist wohl kaum möglich. So
mögen einige Worte genügen.
Keine der beiden in betreff des griechischen Theaters sich
gegenĂĽber stehenden Auffassungen fĂĽhrt hier zu einer recht be-
friedigenden Lösung. Auf Grund der einen wie der anderen
mĂĽĂźten wir zwischen den Fronten der Paraskenien, da wo der
Raum vor der Skenenfront am breitesten ist, eine Reihe von
Säulen oder ähnlichen Gliedern (Proskenion) annehmen, auf deren
Gebälk eine den großen schiefwinkligen Raum überspannende,
oberhalb der drei TĂĽren in die Frontwand eingelassene Decke
geruht hätte. Und der Streit ist nur, ob diese Decke als Bühne,
als Spielboden gedient, oder ob man vielmehr vor dem Pro-
skenion, in der Orchestra gespielt habe. Aber jede dieser An-
nahmen stößt auf große Schwierigkeiten, keine ist recht an-
nehmbar.
Spiel in der Orchestra (Dörpfeld)? Wozu dann der große,
5 m breite Raum zwischen den Paraskenien? Nur um hinter dem
Proskenion zu verschwinden? Und scheint nicht auch die eigen-
XXI. Das grof-e Theater. I c c
tümliche Form dieses Raumes — gegen die Zuschauer sich er-
weiternd, so daß man von allen Seiten gut hineinsehen konnte —
darauf zu deuten, daĂź eben hier der Spielplatz war? Und dies
wird doch auch dadurch bestätigt, daß eben hier in der folgenden
Periode und bis auf die letzte Zeit die BĂĽhne war. Die Ver-
treter des Spiels in der Orchestra finden eine besondere StĂĽtze
darin, daß bei allen Umgestaltungen in römischer Zeit eben hier,
in der Orchestra, nicht in dem Raum hinter dem Proskenion, die
BĂĽhne errichtet worden sei. Und wenn sie nun hier zweifellos in
dem Raum zwischen den Paraskenien entstand, dĂĽrfen wir nicht
darin mit demselben Recht eine StĂĽtze finden fĂĽr die Vermutung,
daĂź eben hier von Anfang an gespielt wurde? Endlich das groĂźe
runde Bassin in der Orchestra. Es blieb ja zwischen ihm und
dem Proskenion — wenn ein solches da war — ein etwa 6 m
breiter Bodenstreif, der fiir die Bewegung der Schauspieler allen-
falls ausreichen konnte, vorausgesetzt — was wir nicht wissen —
daß keine Chöre auftraten. Aber natürlich wäre es doch ge-
wesen, die Orchestra, wenn sie einmal Spielplatz war, grund-
sätzlich freizulassen, statt sie durch dies in keinem anderen Theater
vorkommende Bassin einzuengen und die Schauspieler in die Ge-
fahr zu bringen, bei etwas lebhafterer Bewegung ins Wasser zu
fallen.
Sollen wir nun also annehmen, daĂź in dem Raum zwischen
den Paraskenien auf einer von dem Proskenion getragenen Decke
gespielt wurde? Die 1,75 m breiten TĂĽren der Frontmauer
können wir uns nicht gut niedriger als 3 m denken, und da sie
unter dem Spielboden bleiben muĂźten, so konnte dieser nicht
viel niedriger sein als 4 m. Aber in solcher Höhe eine so breite
BĂĽhne? Das ganze Altertum hindurch galten die untersten Sitze
als die besten; sie waren den Behörden, Priestern, im römischen
Pompeji den Decurionen vorbehalten. FĂĽr diese also lag eine
solche Bühne — um die Sache geläufigen Vorstellungen nahe
zu bringen — in der Höhe der Decke eines ziemlich hohen
Zimmers unserer Zeit (gewöhnliche Zimmerhöhe ist 3,50 m). So
mußten also diese bevorzugten Zuschauer stets den Kopf aufwärts
richten; und es gab keine LehnstĂĽhle. Und wenn der Schau-
spieler sich auch nur um 2 m vom Rande der BĂĽhne entfernte,
so sahen die in der Axe des Theaters, also am weitesten entfernt
156 Pompeji.
sitzenden Inhaber der untersten Stufen vielleicht noch die obere
Hälfte seines Körpers, die übrigen, und sie waren die Mehrzahl,
sahen gar nichts. Wenn aber die Schauspieler sich immer vorn
am Rande halten sollten, wozu dann eine 5 m tiefe BĂĽhne?
Was ist nun das Resultat dieser Betrachtungen? Unwahr-
scheinlich das Spiel in der Orchestra, wahrscheinlich das Spiel
in dem schiefwinkligen Raum zwischen den Paraskenien, unwahr-
scheinlich das Spiel ebenda auf einer von einem Proskenion ge-
tragenen BĂĽhne: was bleibt da anderes ĂĽbrig als das Spiel in eben
diesem schiefwinkligen Raum, aber zu ebener Erde? Ein Pro-
skenion war dann nicht vorhanden, sondern dieser Raum öffnete
sich frei gegen die Zuschauer.
Zu diesem Resultat gelangen wir, wenn wir das pompejanische
Theater isoliert betrachten, ohne RĂĽcksicht auf andere Theater:
vielleicht werden ja Erwägungen auf breiterer Grundlage zu anderen
Ergebnissen führen. Es kann auch die hier vorgeschlagene Lö-
sung nicht beanspruchen, eine allgemeine Lösung der »Theater-
frage« zu sein; sie ist ausgeschlossen für alle diejenigen Theater,
an denen das Proskenion erhalten ist, und auch noch fĂĽr einige
andere. Aber es ist doch auch keineswegs sicher, daĂź die vor-
römischen Theater zu allen Zeiten und an allen Orten in gleicher
Weise benutzt wurden. Wie dem auch sei, hier sollte nur das
pompejanische Theater in seiner älteren Form möglichst genau
geprĂĽft und festgestellt werden, was sich aus ihm, fĂĽr sich be-
trachtet, als das wahrscheinlichste ergiebt: nicht eine Lösung,
sondern nur ein Beitrag zur Lösung der Theaterfrage.
Wir haben uns lange bei dieser ersten Form des BĂĽhnenhauses
aufgehalten, weil sie weitaus die wichtigste ist und weil durch sie
unser Theater in Beziehung tritt zu einer wichtigen und viel dis-
kutierten Kontroverse. In betreff der folgenden können wir uns
kĂĽrzer fassen.
Die nächste Umgestaltung des Skenenbaues, mit der die
vierte Periode des ganzen Theaters beginnt, fällt zwischen die
erste Zeit der römischen Kolonie und den Beginn unserer Zeit-
rechnung; nähere Bestimmung ist nicht möglich. Beistehend der
Grundriß. Zu seinem Verständnis muß hinzugefügt werden —
was in der Zeichnung nicht ausgedrückt werden konnte — daß
der Raum vor der Front jetzt eine wirkliche erhöhte Bühne ist;
XXI. Das groĂźe Theater.
157
das Spiel zu ebener Erde, wenn es frĂĽher stattfand, ist jetzt vorbei.
Die BĂĽhne erhob sich vermudich um nur etwa 0,75 m ĂĽber die
Orchestra: genau können wir es nicht sagen; denn auch die
Orchestra war in dieser Periode etwas — wieviel, wissen wir nicht
— über ihr früheres Niveau erhöht. Verschwunden sind die
Paraskenien; die Bühne erstreckt sich über die ganze Länge des
Baues, hat in ihrem Hintergrund eine Fassade mit mindestens
drei, vielleicht fünf von Säulen eingefaßten Türen und ist außer-
dem an ihren Schmalseiten durch zwei große Türen — die noch
jetzt erhaltenen — zugänglich; um von außen an diese Türen zu
gelangen, war hier der Boden aufgehöht. In dem großen Hinter-
0 ) ! 3 a S
Fig. 74. Bühnengebäude in seiner zweiten Form.
räume lag, etwas höher als die Bühne selbst, ein Bretterboden,
den man auf einer inneren Treppe, von der allein noch offen
gebliebenen MitteltĂĽr der RĂĽckseite aus, erstieg.
Eine fĂĽnfte Periode des Theaters beginnt mit dem durch-
greifenden, auch durch Inschriften bezeugten Umbau um den
Beginn unserer Zeitrechnung. Die beiden Holconier, Rufus und
Celcr, ersetzten die alten Sitzstufen aus Tuff durch Marmorstufen,
bauten die Tribunalien über den Seiteneingängen der Orchestra
und erneuerten die den Zuschauerraum umkreisende Krypta, die
entweder baufällig geworden war oder irgendwie verändert werden
sollte. Gleichzeitig wurde die RĂĽckwand der BĂĽhne eingerissen
und ganz neu aufgebaut als reich entwickelte Palastfassade, mit
vor- und zurĂĽcktretenden Teilen, deren stattliche Reste wir noch
158
Pompeji.
jetzt vor uns sehen. In dem Hinterraum wurde der Bretterboden
beseitigt und dafür der Raum bis etwas über die Höhe der Bühne
mit allerlei Schutt aufgehöht. Dadurch wurde auch die innere
Treppe unmöglich; man öffnete eine Tür in der Höhe des nun-
mehrigen Hinterraumes und machte sie durch eine Rampe von
außen zugänglich. Die Orchestra wurde wieder auf ihr ur-
sprĂĽngliches Niveau vertieft. Das ganze Theater erhielt damals
im wesentlichen die F"orm, in der es auf uns gekommen und oben
beschrieben worden ist; einige kleine Veränderungen späterer Zeit
können wir übergehen.
Aber eins müssen wir doch noch erwähnen. Daß in älterer
Zeit der innerste Teil der
Orchestra von einem groĂźen,
kreisrunden Wasserbassin ein-
genommen war, wurde schon
oben (S. 154) gesagt. Aber
auch später, und noch nach
dem Umbau der Holconier
waren Wasserbassins in der
Orchestra: wir fanden im ganzen
die Reste von sechs Bassins,
die hier nacheinander, nur zu
sehr geringem Teil vielleicht
gleichzeitig bestanden. In bei-
stehender Zeichnung sind die
erhaltenen Umrisse mit vollen,
die beim Bau der späteren
Bassins verschwundenen Teile derselben mit punktierten Linien
angegeben. Auf das schon erwähnte große runde (i; unsere
Figur deutet auch zwei Rinnen an, durch die das Wasser aus
ihm abfloĂź) folgte (2) ein ihm konzentrisches, etwas kleineres,
dessen Boden, wie auch der der folgenden, höher liegt als der
des ersten und ein höheres Niveau auch der Orchestra voraus-
setzt. Sodann (3) ein langes und schmales ungefähr in der Linie,
mit der die untersten Sitzstufen gegen den Seiteneingang der
Orchestra abschneiden; dies konnte vielleicht dem zweiten gleich-
zeitig sein. Das folgende (4), kürzer und breiter, und näher der
BĂĽhne, setzt die Beseitigung des dritten, und wieder das folgende
Fig. 75. Bassins in der Orchestra.
XXI. Das grof^e Theater. j eg
(5), beträchtlich größer, unmittelbar an der Bühne, die des vierten
voraus. Dagegen konnte auch neben diesen beiden das kleinere
runde (2) fortbestehen. Da alle diese Bassins (2 — 5) ein höheres
Niveau der Orchestra voraussetzen, so können sie weder der
ersten Form des Skenenhauses (Fig. 73, 3. Periode des Theaters)
noch dem Umbau der Holconier gleichzeitig sein, sondern mĂĽssen
alle in die Zeit der zweiten Form des Skenenhauses (Fig. 74,
4. Periode des Theaters) fallen. MerkwĂĽrdig genug ist die drei-
malige Veränderung in dieser nicht sehr langen Zeit.
Aber mit dem Umbau der Holconier ist die Geschichte dieser
Bassins noch nicht zu Ende. Auch damals wurde wieder, in der
Mitte der Orchestra, ein groĂźes und tiefes Bassin (6) angelegt,
dessen Umriß die aller früheren durchschneidet. Erst noch später,
wohl nicht lange vor dem Untergang Pompejis, wurde auch
dieses zugeschĂĽttet; ein ganz kleines Bassin (7) nahm jetzt das
in den Zuschauerraum und die Orchestra fallende Regenwasser
auf; durch eine Rinne floĂź es in einen unter der BĂĽhne hindurch-
fĂĽhrenden Abzugskanal. Ohne Zweifel wollte man nun einen
neuen FuĂźboden legen, aber dazu kam es nicht; entweder das
Erdbeben des Jahres 63 oder die SchluĂźkatastrophe hat es ver-
hindert: man behalf sich mit einem Sandboden. Also erst in der
allerletzten Zeit konnte die Orchestra fĂĽr die Sitze bevorzugter
Zuschauer (in Rom saĂźen hier die Senatoren) benutzt werden.
Wir fĂĽgen noch hinzu, daĂź Wasserbassins in der Orchestra
in keinem anderen Theater gefunden worden sind. Und wohl
in keinem anderen antiken Theater können die im Lauf der Zeit
erfolgten Umgestaltungen so deutlich verfolgt werden wie hier.
Zweifellos wird unser Theater in der weiteren Erörterung des
vielumstrittenen Theaterproblems eine wichtige Rolle spielen.
Wir erwähnen noch kurz das große, au/.kn viereckige, innen
runde Wasserreserv^oir [D] in dem Winkel zwischen Theater,
Forum trianguläre und Palästra. Es diente wohl für die Spren-
gungen [spaj-siones] mit safrangefärbtem Wasser, die im Theater
und Amphitheater zur Milderung der Hitze vorgenommen wurden
und auch für Pompeji bezeugt sind durch mehrere an die Wände
gemalte AnkĂĽndigungen von Gladiatorenspielen, in denen es heiĂźt;
sparsiones^ vcla eriint.
Kapitel XXII.
Das kleine Theater.
C. Quinctius C.f. Valgus^ M.PorciusM.f. duovir{i) dec[urionuni)
decr[eto) theatrum tectum fac[iundum) loc[arunt) eidemq[ue] pro-
b[arunt)^ — >Gaius Quinctius Valgus, Sohn des Gaius, Marcus
Porcius, Sohn des Marcus, Duumvirn, haben nach RatsbeschluĂź
den Bau des bedeckten Theaters verdungen und approbiert«.
So die in zwei Exemplaren angebrachte Inschrift. Dieselben
Männer haben später, als Quinquennalen, das Amphitheater ge-
baut, auf eigene Kosten, de sua pequnia^
wie dort die Inschrift meldet.
Wenn zwei Beamte eine Inschrift in
mehreren Exemplaren setzen, so ist Regel,
daĂź einmal der eine, einmal der andere
Name voransteht. Hier aber hat beide
Male Valgus den ersten Platz. Und ebenso
ist es im Amphitheater, wo der Grund
leicht zu erraten ist : Valgus war der reiche
Mann, der das Geld hergab, seinen Kol-
legen und Freund aber an der Ehre teil-
wir dĂĽrfen vermuten, daĂź auch bei dem
aussfefĂĽhrten Theaterbau er der Stadtkasse
Fig. 76. GrundriĂź des kleinen
Theaters, i. Ankleideraura.
2. BĂĽhne. 3. Tribunalia.
nehmen lieĂź. Und
»nach Ratsbeschluß«
aus eigenen Mitteln zu Hilfe kam und deshalb auch hier seinen
Namen voranstellen durfte.
Der Schwiegersohn des Quinctius Valgus, P. Servilius Rullus,
ist unverdienter Weise unsterblich geworden durch Ciceros Reden
gegen das von ihm vorgeschlagene Landverteilungsgesetz. Und
aus diesen Reden erfahren wir auch, daĂź Valgus, skrupelfrei wie
er war, die suUanische Schreckenszeit benutzt hatte, um ein
großes Vermögen, namentlich in Grundbesitz, zu erwerben, unter
anderem im Hirpinerlande, um die Stadt Aeclanum (sĂĽdlich von
XXII. Das kleine Theater.
l6l
Benevent), die ihn zu ihrem Patron machte, und der er, wie eine
Inschrift bezeugt, die im Bundesgenossenkriege zerstörten Stadt-
mauern herstellte. Ohne Zweifel war er eines der Häupter der
suUanischen Kolonie in Pompeji und suchte durch groĂźe Lei-
stungen fĂĽr das Gemeinwesen sein Vorleben in Vergessenheit zu
bringen. Der Bau des Theaters wird demnach in die erste Zeit
der Kolonie, bald nach 80 v. Chr. fallen.
^ r'nitmwur-rr"'^
r^
Fig. 77. Innenansicht des kleinen Theaters.
Ein bedecktes Theater neben einem offenen war nichts unge-
wöhnliches. Etwa um die Zeit der Verschüttung Pompejis rühmte
der Dichter Statius unter den Herrlichkeiten seiner Vaterstadt
Neapel den >Doppelbau des offenen und des bedeckten Theaters <
gemitiatn violem midi tectique tJicatri (Silv. III, 5). Wozu letzteres
diente, dafĂĽr gibt den einzigen Anhaltspunkt der Name des von
Herodes Atticus unter Hadrian in seiner Vaterstadt Athen er-
bauten bedeckten Theaters: es hieß Odeum, »Singhalle*; es
scheint also, daĂź man hier musikalische AuffĂĽhrungen veranstaltete,
Mau, Pompeji. 2. Aufl. IÂŁ
102
Pompeji.
namentlich musikalische Wettkämpfe, die ja bei den Festen der
Alten eine groĂźe Rolle spielten. Der Zweck des Daches war
zweifellos ein akustischer.
Um die Bedachung zu ermöglichen, ist unter Verkürzung der
oberen Sitzreihen — nur die unteren bilden einen vollen Halb-
kreis — der ganze Bau — Zuschauerraum, Bühne und Ankleide-
raum — in ein längliches Viereck zusammengefaßt. Ohne Zweifel
überspannte das Ganze ein pyramidenförmiges Dach, getragen von
den noch beträchtlich über die oberen Sitzreihen aufsteisrenden
und hier vielleicht von Fenstern durchbrochenen Umfassungs-
mauern.
Der Zuschauerraum mochte etwa 1500 Personen fassen.
Zu Unterst vier breite und niedrige Stufen fĂĽr die Sessel der
Ratsherren; ĂĽber diesen eine BrĂĽstung;
hinter dieser der an jedem Ende durch
eine halbrunde Treppe zugängliche Um-
gang und weiter die ĂĽbrigen Sitzstufen.
Diese bestehen aus etwa 18 cm dicken,
auf dem Mauerwerk liegenden Tufifplatten
und haben beistehendes Profil; durch die
Erhöhung und das Vorspringen der eigent-
lichen Sitzfläche wurde nicht nur ein etwas bequemerer Sitz
erzielt, und geringere Belästigung durch die Füße des Hinter-
mannes, sondern auch eine bei der Kleinheit des Theaters be-
sonders erwĂĽnschte Raumersparnis. Von den sechs die Stufen
durchschneidenden Treppen sind nur die beiden mittleren auch
aus dem oberen Umgange zugänglich, in den man aus dem hinter
dem Theater vorbeifĂĽhrenden Gange ĂĽber zwei Treppen gelangte.
Die Tribunalien (3) sind, abweichend vom groĂźen Theater,
durch eine schräg absteigende Mauer von dem übrigen Zuschauer-
räume getrennt und nur von der Bühne aus über eine kleine
Treppe zugänglich: der bevorzugte Charakter dieser Plätze tritt
dadurch noch deutlicher hervor. Ihren Inhabern waren, auĂźer
der Plattform (3,25 X 2,50 m), noch drei ĂĽber derselben liegende
Sitzstufen für Gefolge und Freunde eingeräumt.
Die zwischen den Tribunalien und den übrigen Sitzen schräg
absteigende Mauer endet unten mit der knienden Figur eines
sogenannten Atlanten iFig. 79); auf der von seinen erhobenen
Fig. 78. Durchschnitt einer
Sitzstufe im kleinen Theater.
XXII. Das kleine Theater.
163
Armen getragenen Platte mochte ein schön geformtes Gefäß
stehen. Gerade vor dieser Figur wird auf jeder Seite die ober-
halb der Dekurionenplätze umlaufende Brüstung durch einen ge-
flügelten Löwenfuß (Fig. 80) abgeschlossen : ein beliebtes Motiv,
dem wir noch an den halbrunden Bänken der Gräberstraße
begegnen werden. Der etwas derbe Charakter dieser Skulpturen
gehört wohl der mit der römischen Kolonie in Pompeji einge-
zogenen Kunstrichtung an. Die Arbeit ist nicht eben fein, bringt
aber die Kraft der schwellenden Muskeln in wirkungsvoller Weise
zum Ausdruck.
Der FuĂźboden der Orchestra (Fig. 77) besteht aus bunt-
farbigen Marmorplatten. Eine mit Bronzebuchstaben eingelegte
Inschrift besagt, daĂź ihn der Duumvir
M. Oculatius Verus machen lieĂź, pro
ludis, d. h. statt, wie ihm sonst ob-
gelegen hätte, Spiele zu geben. Die
BĂĽhne hat, wie im groĂźen Theater,
zwei große Seiteneingänge. In der
ursprĂĽnglich im zweiten Stil (S. 40]
bemalten , später marmorbekleideten
RĂĽckwand die ĂĽblichen drei TĂĽren
und noch zwei kleinere nahe den
Ecken ; doch waren diese letzteren später zugemauert. Auch der
Raum hinter der Bühne hat ähnliche große Seiteneingänge,
auĂźerdem vier TĂĽren in der RĂĽckwand. Vermutlich waren die
kleinen TĂĽren in der RĂĽckwand der BĂĽhne fĂĽr die Inhaber der
Tribunalien bestimmt. Hier konnten sie auf ihre Plätze und
wieder ins Freie gelangen, auch wenn die Seiteneingänge der
BĂĽhne geschlossen waren, was ohne Zweifel der Fall war, sobald
der Festzug (S. 134, 165) ĂĽber die BĂĽhne gezogen war.
Obgleich jĂĽnger als das groĂźe macht doch dies Theater mit
seinen Tufifsitzen, mit seiner einfach geradlinigen BĂĽhnenfront
einen altertĂĽmlicheren Eindruck. NatĂĽrlich: es ist nicht wie jenes
in augusteischer Zeit modernisiert worden, sondern hat — abgesehen
von dem Marmorbelag der BĂĽhnenfront und des FuĂźbodens der
Orchestra — den einfachen Charakter der sullanischen Zeit bis
zuletzt bewahrt.
Kapitel XXIII.
Der Theaterportikus, später Gladiatorenkaseme.
»Hinter der Bühne sind Säulenhallen anzulegen, um bei Regen-
wetter den Zuschauern Schutz zu bieten, und auch um Platz zu
haben für die Vorbereitung des Bühnenapparates.« Dieser Vor-
schrift Vitruvs war auch hier in ausgiebiger Weise genĂĽgt; ein
Fig. 8i. Grundriß des Theaterportikus, später Gladiatorenkaseme. i. Zugang von der Stabianer
StraĂźe. 2. Eingangshalle. 3. Kammer des TĂĽrhĂĽters. 4. Vermauerter Durchgang zum groĂźen
Theater. 5. Treppe vom Forum trianguläre. 6. Exedra. 7. Raum, in dem Kostümreste gefunden
wurden. 8. Gefängnis. 9. Treppe zur Wohnung des Vorstehers, 10. Küche. 11. Speisezimmer.
ganzes System von Portiken umgab die Theater. Freilich mĂĽssen
wir, um dies ganz zu übersehen, auf eine ältere Zeit zurück-
greifen und einige spätere Zusätze fortdenken.
Wenn ein RegenguĂź die Vorstellung unterbrach, so fanden
die Inhaber der oberen Plätze des Gfroßen Theaters Schutz unter
ts
XXIII. Der Theaterportikus, später (iladiatorenkaserne. 165
den Hallen des Forum trianguläre, die der unteren unter einem
großen vierseitigen, von 74 dorischen Säulen getragenen Portikus
(Fig. 81). Auf ihn öffnete sich, als Eingangsraum, eine kleine
Halle (2), mit drei ionischen Säulen, in die von Norden der Säulen-
gang an der Ostseite des Hofes hinter der BĂĽhne frei einmĂĽndete;
erst später wurde diese Verbindung durch eine Mauer (4) gesperrt.
So fĂĽhrte also hier ein bedeckter Weg aus der Parodos in den
groĂźen Portikus. NatĂĽrlich diente dieser nicht bloĂź an Theater-
tagen, sondern auch sonst als Spaziergang. Ein zweiter Zugang (i)
fĂĽhrte von der Stabianer StraĂźe in dieselbe Eingangshalle.
FĂĽr die Vorbereitung des BĂĽhnenapparates war nun freilich
der groĂźe Portikus etwas weit entfernt. Aber auch hierfĂĽr war
gesorgt. Vom Forum trianguläre führt eine breite Treppe herab
(5; sichtbar Fig. 72); sie war, wenigstens in älterer Zeit, bedeckt;
ihr Dach wurde auf der Nordseite (gegen das Theater) getragen
von einer aufsteigenden Reihe von Pfeilern und Bogen, von denen
zu Unterst einige Reste, in eine spätere Mauer eingeschlossen,
erhalten sind; ob ebenso auch auf der SĂĽdseite, oder ob hier
eine geschlossene Mauer war, das können wir nicht wissen. Von
ihrem unteren Ende gelangt man jetzt ĂĽber einige schmale und
unbequeme Stufen in den Hof hinter der BĂĽhne; in ihrer Fort-
setzung liegt eine Reihe kleiner, auf die Nordhalle des Portikus
geöffneter Zimmer. Diese Zimmer aber sind ein späterer Zusatz;
an ihrer Stelle stand einst ein die Treppe fortsetzender Portikus,
der in Verbindung mit dem Portikus auf der Ostseite des Hofes
hinter der BĂĽhne, wie unser GrundriĂź zeigt, einen zweimal recht-
winklig umbiegenden Weg vom FuĂź der Treppe bis an die
Parodos und die SeitentĂĽr der BĂĽhne des groĂźen Theaters bildete.
Es ist klar, daß diese Hallen, der Vitruvschen Vorschrift gemäß,
zur Vorbereitung des BĂĽhnenapparates dienen konnten. Sie hatten
aber noch eine andere Bedeutung.
Wir bemerkten schon oben (S. 133), daĂź die Vorhaflc des
Forum trianguläre zugleich der einzige monumentale und daher
gewiĂź der offizielle und festliche Zugang zum Theater war, daĂź
besonders die linke Tür sich nur öffnete für die vom Forum zur
Eröffnung der Spiele ins Theater ziehenden Behörden. Der weitere
Weg dieses Festzuges — vergleichbar der Ponipa circciisis^ mit
der in Rom die Liidi roniani eröffnet wurden — ist jetzt voll-
1 66 Pompeji.
kommen klar. Man zog durch die Säulenhalle vorbei an den
Eingängen der Krypta und des obersten Ranges, dann links
hinab ĂĽber die groĂźe bedeckte Treppe und weiter durch die sie
fortsetzenden Portiken an der SĂĽd- und Ostseite des Hofes hinter
der Bühne. Aus dem Ostportikus ging es dann in älterer Zeit,
als es noch keine BĂĽhne mit SeitentĂĽren gab (S. 153, Fig. 73),
gradeaus in die östliche Parodos und weiter durch die Orchestra
und die westliche Parodos in den Hof hinter dem Theater; hier
löste sich der Zug auf und jeder ging an seinen Platz. Einer
späteren Zeit aber schien es wirkungsvoller, den Zug über die
BĂĽhne zu fĂĽhren, und wohl nur deshalb gab man um das Jahr
80 V. Chr. (S. 157, Fig. 74) der BĂĽhne zwei groĂźe Seitentore.
Gleichzeitig erhielt der Hof hinter dem Theater den kleinen Säulen-
gang am Ostende seiner Nordseite, parallel der östlichen Parodos,
der grade auf das groĂźe BĂĽhnentor zufĂĽhrt. So schwenkte denn
jetzt der Zug aus dem Ostportikus, statt in die Parodos einzutreten,
vorher links ab , zog durch den neuen kleinen Portikus und das
neue BĂĽhnentor auf und ĂĽber die BĂĽhne, verlieĂź sie durch die
entgegengesetzte Tür und löste sich wie früher in dem Hofe auf.
Freilich muĂźten dann die Seitenkulissen, die Periakten, erst nach
Beendigung dieses Eröfifnungsaktes aufgestellt werden; wir haben
aber auch keinen Grund, dies für unmöglich zu halten.
Durch die Erbauung der Gladiatorenkammern in der Fort-
setzung der groĂźen Treppe wurde dem Festzug sein Weg ge-
sperrt. Zwar konnte er noch am Isistempel vorbei und durch
die Stabianer Straße den östlichen Eingang, hinter dem kleinen
Theater, erreichen. Doch ist dies schon deshalb wenig wahr-
scheinlich, weil vor diesem Eingange drei der bekannten, von
einem Gangsteig zum anderen fĂĽhrenden Trittsteine das Ein-
schwenken behindern muĂźten: diese wĂĽrde man doch wohl ent-
fernt haben. Und es ist ja eigentlich selbstverständlich; bevor
man dem Zuge seinen Weg, seine Via sacra, verbauen konnte,
muĂźte er auĂźer Ăśbung gekommen sein.
Sicher war der Festzug noch ĂĽblich, als bald nach 80 v. Chr.
das kleine Theater gebaut wurde. Die groĂźen SeitentĂĽren nicht
nur der BĂĽhne, sondern auch des Raumes hinter derselben, ferner
der eigentĂĽmlich verbreiterte, vielleicht mit einem Portikus be-
deckte Gangsteig an der Stabianer StraĂźe vor diesen TĂĽren, alles
XXIII. Der Theaterportikus, später Gladiatorenkaserne. 167
dies läßt kaum eine andere Erklärung zu, als daß der Festzug
von den Portiken aus ĂĽber die BĂĽhne zog, dann, da er sich auf
der Straße nicht wohl auflösen konnte, auf dem verbreiterten
Gangsteig umwendete, durch den Hinterraum in die Portiken
zurückging und hier sich auflöste. Ist dies richtig, so fällt das
Aufhören der Pompa zwischen die Erbauung des kleinen Theaters
und die Einrichtung der Gladiatorenkaserne, welch letztere wir,
nach dem Charakter des Mauerwerkes und den Resten der
Malerei, keinen Grund haben für älter als die Zeit Neros zu halten.
Es scheint also, daĂź die alte Sitte entweder in den schlimmen
Zeiten der BĂĽrgerkriege in Vergessenheit geriet, oder bei der
Neuordnung des Reiches durch Augustus sei es geradezu unter-
sagt, sei es durch andere Festlichkeiten verdunkelt und schlieĂźlich
verdrängt wurde.
Die große Säulenhalle ist, wohl nicht vor der Zeit Neros, wie
man jetzt ziemlich allgemein annimmt, in eine Gladiatorenkaseme
verwandelt worden. Strenge erwiesen ist dies nicht, doch er-
klären sich durch diese Annahme am besten sowohl die ganze
Anlage in ihrer letzten Gestalt als auch die bezeichnendsten der
dort gemachten Funde.
Charakteristisch für diese letzte Form des Gebäudes sind die
es ringsum — auf der Nordseite an der Stelle des einst die
große Treppe fortsetzenden Säulenganges ■— ■umgebenden Kam-
mern, zwei Reihen übereinander. Nicht etwa Läden: mit ihren
schmalen Türen und kleinen Dimensionen — etwa 4 m im Qua-
drat — können sie kaum etwas anderes als Schlafzimmer sein.
Keine TĂĽren von einer Kammer zur anderen; zu den oberen
gelangte man durch eine vor ihnen hinlaufende, ĂĽber drei Treppen
zugängliche Holzgalerie.
In der Mitte der SĂĽdseite ein weit ofienes Zimmer, Exedra (6);
in der Mitte der Ostseite ein noch größerer Raum(ii), dessen
Eingang durch vier Pfeiler geteilt ist; seitwärts und rückwärts
schließen sich ihm andere Räume an, darunter eine durch mehrere
Herde kenntliche KĂĽche (10). Die breite Treppe bezeugt obere
Räume über diesem Komplex.
Die frĂĽher freie Verbindung der Eingangshalle (2) mit der
Halle des Hofes hinter der BĂĽhne wurde jetzt durch eine Mauer
(4) gesperrt; statt dessen lieĂź man gleich daneben in der Ecke
i68
Pompeji.
eine enge verschlieĂźbare TĂĽr. Auch der Zugang von der Sta-
bianer StraĂźe (i) war verschlieĂźbar und durch einen in der
Zelle 3 postierten Wächter kontrolliert. Ein dritter enger und
jedenfalls verschlieĂźbarer Eingang fĂĽhrte von der groĂźen Treppe
(5) ĂĽber den Absatz der auf die Holzgalerie fĂĽhrenden Treppe in
den nördlichen Arm der Säulenhalle.
Also eine durchaus kasernenartige Anlage. Freilich nicht fĂĽr
Soldaten; denn die Städte Italiens hatten keine Garnison. Daß
aber die Stadt zur zeitweiligen Aufnahme
von Gladiatorenbanden ein eigenes Gebäude
eingerichtet hatte und den Spielgebern zur
VerfĂĽgung stellte, ist bei der steigenden
Häufigkeit und Großartigkeit dieser Spiele
wohl denkbar. Schon zur Zeit des Augustus
ließ, nach der S. 54 erwähnten Inschrift,
A. Clodius Flaccus 40 Paare Gladiatoren
auftreten; je 30 Paare werden in Inschriften
aus verschiedenen Zeiten angekĂĽndigt. Der
freie Platz konnte zu Ăśbungen, der groĂźe
Raum bei der KĂĽche (11) als Speisezimmer,
die Exedra als Sitz eines oder mehrerer
Aufseher, auch als Aufenthalt von Amateurs
dienen; die breite Treppe (9) mochte zur
Wohnung des Vorstehers der Truppe
[lanistä) und seiner Gehilfen führen.
Die Wände der Zellen waren sehr dürf-
tig im letzten Stil angestrichen. Bessere
Malereien fanden sich nur in der Exedra:
auf der RĂĽckwand die oft wiederholte Gruppe von Mars und
Venus, auf den Seitenwänden Gladiatorenwaffen, trophäenartig
etwa 2 "2 m hoch aufgetürmt: ein durchaus ungewöhnliches
Motiv; der SchluĂź auf die Bedeutung des Baues ist hier ebenso
berechtigt wie bei den Malereien im Macellum (S. 93). An den
ursprünglich ganz weißen Säulen wurde nach dem Umbau der
untere, glatte Teil rot, der obere, kanneliierte, gelb, nur an vier
Säulen, den beiden mittelsten der Ost- und der Westseite, blau
angestrichen. Durch diese sonst schwer erklärbare Verschiedenheit
konnte bei den Ăśbungen eine Teilung des Platzes markiert werden.
Fig. 82 a.
Eine Gladiatorenbeinschienc
XXIII. Der Theaterportikus, später (iladiatorenkaserne.
169
Über die Funde in dem Gebäude sind wir durch die Aus-
grabungsberichte ziemlich gut unterrichtet. Sie beweisen zunächst
daĂź zur Zeit der VerschĂĽttung die Kammern bewohnt waren.
Zwar auf der Nordseite waren sie schon durch die Nachgrabungen
der Ăśberlebenden ausgeleert worden. Dagegen wurden in denen
der Südhälfte mancherlei Gegenstände gefunden; darunter in zehn
Kammern eine groĂźe Zahl von Waffen und zwar zweifellos Gladia-
torenwaffen: fĂĽnfzehn Helme, vierzehn Beinschienen (Fig. 82 a u. b),
vier oder fĂĽnf breite, mit Metall beschlagene GĂĽrtel [haltet]^ zwei
Armringe, sechs Exemplare eines eigentĂĽmlichen RĂĽstungsstĂĽckes
[galcnis], welches die linke Schulter des mit Netz und Dreizack,
ohne Schild, kämpfenden Retiarius deckte, ein kleiner runder
Schild , hundertundzwölf hörnerne
Panzerschuppen. Wenig Angriffs-
waffen : in einer Kammer eine Lanzen-
spitze, in einer anderen (vielleicht 7)
ein Schwert und zwei Dolche. Ebenda
in zwei Holzkisten Stoffe mit Gold-
fäden; auch diese konnten im Gladia-
torenkostĂĽm Verwendung finden. Als
Gladiatorenwaffen geben sich, auĂźer
dem Galerus, besonders deutlich die
mit Visier, zum Teil auch mit breitem
Rande und reichem Reliefschmuck
versehenen Helme (Fig. 82 b) zu er-
kennen; ihre Form stimmt mit Abbildungen von Gladiatoren voll-
kommen ĂĽberein. Auch der kleine runde Schild von nur etwa
40 cm Durchmesser war für militärische Zwecke unbrauchbar.
In einem Raum unter der Treppe (5) fand man das Gerippe eines
Pferdes, dessen Geschirr reich mit Bronze beschlagen war; daĂź
Gladiatoren auch zu Pferde kämpften [equitcs]^ ist bekannt genug.
Eine Kammer der Westseite (8) war ein Gefängnis: man fand
hier, auf einer Holztafel befestigt, das umstehend (Fig. 83) ab-
gebildete FuĂźeisen An dem einen Ende des unteren Eisens wurde
durch ein SchloĂź die durch die Ringe geschobene Stange befestigt;
so gefesselte Personen konnten nur liegen oder sehr unbequem
sitzen. Doch waren die vier Gefangenen, deren Gebeine man
hier fand, nicht in dies Eisen gelegt. DaĂź derartige disziplinarische
Fig. 82 b. Gladiatorenhelm.
IJO
Pompeji.
Mittel in einer Gladiatorentruppe Verwendung fanden, ist sehr
glaublich.
Wir dĂĽrfen nicht verschweigen, daĂź fĂĽr einige andere Funde
sich keine genügende Erklärung bietet. In derselben Kammer
mit den Angriffs wafFen und den Goldstoffen fanden sich achtzehn
Skelette, darunter das einer Frau mit reichem Goldschmuck:
einem Halsbande mit Smaragden, Ohrgehängen, zwei Armbändern
und Ringen; auĂźerdem noch weiterer Goldschmuck und ein in
Fig. 83. Fußeisen aus dem Gefängnis der Gladiatorenkaserne.
einem Kasten aufbewahrter Cammeo mit den Resten reicher
Fassung. In einer Kammer nahe der SĂĽdwestecke fand man gar
in einem Tongefäß die Gebeine eines neugeborenen Kindes.
Auch von mancherlei anderen Gegenständen, z, B. Gewichten,
Gefäßen aus Ton und Glas (in einer Kammer zweiundzwanzig,
in zwei anderen zweiundfĂĽnfzig kleine Tonschalen) ist schwer zu
sagen, wie sie hierherkamen. Ob ausschlieĂźlich Gladiatoren, ob
ĂĽberhaupt zur Zeit des Unterganges solche hier wohnten? Waren
vielleicht noch infolge des Erdbebens des Jahres 63 Obdachlose
hier untersrebracht?
Kapitel XXIV.
Die Palästra.
Die kleine dorische Säulenhalle neben der Vorhalle des Forum
trianguläre umgab ursprünglich alle vier Seiten
des unbedeckten Mittelraumes, mit zehn Säulen
auf den Langseiten, fĂĽnf auf den Schmalseiten;
später, wohl nach dem Jahre 63, ist die Osthalle
beseitigt und der so gewonnene Raum zum ' '"" *
T . . , , T-\- C-- 1 • J ^'S- ^<- Grundriß der
Isistempel gezogen worden. Die Säulen sind Paiästra. i. säuienhaiien
von außerordentlich schlanken Verhältnissen : ^- statuenbasis. 3- An-
kleideräume.
Fi^. 85. Ansicht der Paliistra, mit Hasis, Tisch und Treppe
172
Pompeji.
wohl selten hat sich der dorische Stil so weit von seinem
ursprünglichen Charakter entfernt: Durchmesser 0,3g m, Höhe
3,15 m, Distanz 2,70 m. Von ihrem Gebälk haben wir nur die
Spur an der Stelle, wo es am Ostende der SĂĽdseite in die Ost-
wand eingelassen war; man erkennt dort, daĂź es auf einem Holz-
architrav aufgemauert und bis zum Dachrande etwa 1,20 m hoch
war. Die Erbauung in vorrömischer Zeit ist zweifellos : die Arbeit
der einst mit weiĂźem Stuck bekleideten
Tuffsäulen, die Maße der Säulenreihen
(90 und 36 oskische FuĂź), dazu eine
hier gefundene oskische Inschrift, sind
vollgĂĽltige Beweise. Diese Inschrift be-
sagt, daĂź aus dem Gelde, welches
Vibius Adiranus der pompejanischen
Jugend testamentarisch hinterlassen hat,
der Quästor Vibius Vinicius dies Ge-
bäude hat errichten lassen. Die an sich
nicht ganz zweifellose Ăśbersetzung des
Wortes vereiiai^ »der Jugend«, wird
bestätigt durch andere Umstände, welche
darauf hindeuten, daß das Gebäude
eine kleine Palästra, ein Turnplatz für
Knaben war.
Der Eingang lag, als das Gebäude
noch vollständig war, in der Mitte der
Langseite. Ihm gegenĂĽber steht (Fig. 85)
eine Basis, vor ihr etwas wie ein Tisch,
hinter ihr eine sie ĂĽberragende Treppe ;
alles dies aus Tuff. Die einst auf der
Basis stehende Statue ist nicht gefunden
worden. Sie stellte ohne Zweifel den Gott dar, unter dessen
Schutz die Palästra stand, vermutlich Hermes. Wir mögen uns
vorstellen, daß, wenn hier gymnastische Wettkämpfe stattfanden,
der dem Sieger bestimmte Kranz auf dem Steintische zu den
FĂĽĂźen des Gottes lag, daĂź dann der Sieger den gewonnenen
Kranz dem Gotte weihte, indem er, auf die Treppe steigend, ihm
denselben auf das Haupt setzte.
Eine andere Statue stand ohne Basis am FuĂźe einer der
Fig. it. Doryphoros, Statue aus der
Palästra.
^
XXIV. Die Palästra.
173
Säulen der Südseite. Es ist eine gute Kopie einer berühmten
Statue des Polyklet, die einen JĂĽngling mit einem Speer ĂĽber
der Schulter, Doryphoros (Fig. 86), darstellte. Plinius berichtet
uns (34, 18), daĂź grade in Gymnasien Statuen speertragender
JĂĽnglinge zu stehen pflegten.
In den Räumen an der Westseite mochten sich die Knaben
aus- und ankleiden, sich salben und nach den Ăśbungen Ol und
Staub mit dem Schabeisen abstreichen [destringere)\ wir werden
weiterhin fĂĽr einen solchen Raum den Namen Destrictarium
kennen lernen. Wundern mĂĽssen wir uns, daĂź kein Schwimm-
bassin vorhanden ist, sondern nur eine Gelegenheit zum Ab-
waschen: durch eine der Säulen, gleich rechts vom Eingang",
ging ein Bleirohr der Wasserleitung und lieĂź einen Strahl viel-
leicht in ein Becken, vielleicht auch einfach in die an den Säulen
entlang laufende Rinne fallen.
Kapitel XXV.
Der Tempel der Isis.
Isis, die Himmelsgöttin, Osiris, der Sonnengott, ihr Gatte
und Bruder, der am Abend von seinem Bruder Set (bei den
Griechen Typhon), dem Herrscher der Finsternis, getötet wird,
Horus (oder Harpokrates) , die junge Sonne des neuen Tages,
der nach dem Tode des Vaters geborene Sohn der beiden, des
Vaters Rächer und Nachfolger, Besieger des Set, ein neuer Osiris,
während dieser selbst im Totenreich, im Reiche des Westens,
selig herrscht : an diesen Mythus schlössen sich schon im dritten
Jahrtausend v. Chr. die höchsten und reinsten Religionsbegrifife
des alten Ägypten: die dem Monotheismus sich nähernde Vor-
stellung der alles umfassenden Gottheit, eine hochstehende Moral,
Hoffnung auf ein seliges Leben nach dem Tode. Der Mensch,
so wurde gelehrt, ist eine Verkörperung der Gottheit, deren
Schicksal auch das seine ist; er ist selbst ein Osiris; auch seiner
wartet im Jenseits ein besseres Dasein, wenn er im Totengericht
besteht.
Der erste Ptolemäer ließ durch den ägyptischen Priester
Manetho und den eleusinischen Mysterienpriester Timotheus
diesen, schon längst mit Mysterien verbundenen Kultus neu
ordnen, um in ihm seine ägyptischen und griechischen Unter-
tanen zu vereinigen Mit bestem Erfolge: in seiner neuen,
alexandrinischen Gestalt verbreitete sich der Kult der Isis und
des Osiris (oder, wie man jetzt sagte, Serapis) nicht nur ĂĽber
ganz Ägypten, sondern auch über die Länder griechischer Kultur
und bald nach Italien und nach dem Westen. Verschiedenes
wirkte hier zusammen: der Reiz des Fremdartigen und Geheim-
nisvollen, die Sicherheit, mit der diese Lehre, auf ihr un-
vordenkliches Alter gestĂĽtzt, den sich widerstreitenden Meinungen
der Philosophen gegenüber stand, der geläuterte, mit philo-
XX\'. Der Tempel der Isis, jyc
sophischen Anschauungen nicht unverträgliche Gottesbegrifif, vor
allem aber die dem Eingeweihten eröffnete Aussicht auf ein
seliges Dasein nach dem Tode, der ja auch die hochgefeierten
eleusinischen Mysterien den größten Teil ihrer Anziehungskraft
verdankten. Der ascetischen Seite des Kultes, der durch Fasten
und Enthaltung von sinnlichen GenĂĽssen unterstĂĽtzten mystischen
Versenkung in die Betrachtung der Gottheit kamen empfängliche
Gemüter in großer Zahl entgegen. Mächtig wirkte auf die Phan-
tasie die Mysterienfeier, die pantomimische, von Musik begleitete
Darstellung des Mythos. Auch der Aberglaube des groĂźen
Haufens fand ausgiebige Nahrung. Denn die Macht der Gott-
heiten beschränkte sich nicht auf das Jenseits; auch in den Nöten
dieses Lebens suchte man Hilfe bei ihnen wie bei anderen
Göttern. Selbst einem hochgebildeten Manne wie Apuleius konnte
der Oberpriester sagen, Isis berufe ihre Auserwählten erst dann
zu den Weihen, wenn die ihnen zugemessene Lebensfrist eigent-
lich abgelaufen sei, und wisse ihnen diese dann zu verlängern,
so daĂź das ganze weitere Leben ein Geschenk der Gottheit sei.
Aber auch Astrologie, Traumdeutung, Geisterbeschwörung wurden
von den Isispriestern mit vielem Erfolg betrieben.
In Rom war das Kollegium der Isisdiener, Pastophoren, in
welches zur Zeit der Antonine Apuleius aufgenommen wurde,
um die Zeit Sullas, etwa 80 v. Chr., gestiftet worden. Umsonst
wurden die fremden Götter von den Behörden bekämpft : drei-
mal, in den Jahren 58, 50 und 48, wurden ihre Tempel im Innern
der Stadt auf Anordnung der Konsuln zerstört; aber nach Caesars
Tode, 43 V. Chr., erbauten ihnen die Triumvirn einen Tempel,
und vielleicht schon unter Caligula wurden ihre Feste als Staats-
feste anerkannt.
Auch in Campanien war der alexandrinische Kult schon frĂĽh
eingedrungen. Eine Inschrift von Puteoli bezeugt, daĂź in dieser,
mit dem Orient und Ă„gypten lebhaft verkehrenden Handelsstadt
schon 105 V. Chr. ein Tempel des Serapis bestand. Der pom-
pejanische Tempel mag etwa dreißig Jahre später entstanden sein.
Die Inschrift einer Marmortafel auĂźen ĂĽber dem Eingange
des Tempelhofes belehrt uns, daĂź Numerius Popidius Cclsinus
den durch das Erdbeben eingestĂĽrzten Tempel der Isis auf seine
Kosten von den Fundamenten auf herstellen lieĂź, und daĂź fĂĽr
176
Pompeji.
diese Liberalität die Stadträte ihn, obgleich er erst sechs Jahre
alt war, kostenfrei in ihren Stand aufnahmen : A'". Popidiiis N. f.
Celsinus aedem Isidis terrae motu conlapsam a fundamento p[ecii-
nid) s{tm) restituit; hunc decurioties ob liberalitatem ^ cum esset
annormn sexs^ ordini suo gratis adlegerunt. Der Tempel war
also ein städtischer; und dies geht auch daraus hervor, daß im
Hofe die Plätze für Statuen, laut den Inschriften, vom Stadtrat
bewilligt wurden.
Durch einige andere Inschriften lernen wir die Familie des
Knaben Celsinus kennen. Seine Eltern waren N. Popidius Am-
pliatus und Corelia Celsa; ein
Bruder hieĂź wie der Vater.
Die wahren Wiedererbauer
waren natĂĽrlich die Eltern;
indem sie diese Munifizenz
im Namen des Sohnes ĂĽbten,
öffneten sie ihm den Weg
zu den städtischen Würden,
die dem Vater, einem Frei-
gelassenen, unzugänglich blie-
ben. Dieser selbst verewigte
seinen Namen, indem er in
einer Nische auf der RĂĽck-
seite des Tempels [c] eine
Bacchusstatuette aufstellte, mit
der Inschrift : N. Popidius Am-
pliatus pater piecunia) s{ua),
— »N. Popidius Ampliatus
der Vater auf eigene Kosten«. Im Namen der Mutter und der
beiden Söhne wurde der Fußboden eines zum Tempel gehörigen
Zimmers (6) gemacht und in ihm ihre Namen angebracht:
A''. Popidi Ampliati^ N. Popidi Celsitti, Corelia Celsa.
Der Neubau des Celsinus geschah »von den Fundamenten
auf«; doch wurden Reste des alten Tempels — Säulen und ko-
rinthische Kapitelle aus Tuff mit weißem Stucküberzug — benutzt;
offenbar hatte dieser die gleiche oder doch eine ähnliche Form.
Auch der Stylobat des Portikus ist der alte; die Säulen standen
damals etwas enger als jetzt, acht auf den kĂĽrzeren, zehn auf den
Fig. 87. Grundriß des Isistempels. — i. Vorhalle.
2. Cella. 3. Nische des Harpokrates. 4. Ein-
friedigung des Wasserbehälters. 5. Einweihungs-
raum. 6. Mysteriensaal. 7, 8, 9. Priesterwohnung.
a Säulenhalle, i Grube für Opferreste, c Nische
der Bacchusstatuette. ti, d Nischen neben der
Cella. e Hauptaltar.
XXV. Der Tempel der sis. I y y
längeren Seiten. Arbeit und Formen dieser Reste deuten auf
die Zeit kurz nach der GrĂĽndung der sullanischen Kolonie.
Zwar die korinthischen Säulen- und Pilasterkapitelle zeigen die
Formen der Tuffperiode, mit der ihr eigentĂĽmlichen Bildung des
Akanthusblattes ; ob auch die sorgfältige Arbeit dieser Zeit, das
kann bei der schlechten Erhaltung nicht festgestellt werden.
Die Basen aber der Säulen gehören sicher der ersten Zeit der
Kolonie an, nicht nur wegen der groben und nachlässigen
Arbeit, sondern auch weil sie zu unterst den der Tufifperiode
fremden viereckigen Plinthus haben. DemgegenĂĽber kann nicht
in Betracht kommen, daß die Länge der Säulenreihen des Portikus
die runden MaĂźe von 50 und 60 FuĂź oskisch nur um weniges
ĂĽberschreitet, wir mĂĽssen vielmehr daraus schlieĂźen, daĂź man auch
in öffentlichen Bauten der ersten römischen Zeit nicht ängstlich
auf Anwendung des römischen Fußes hielt. Umgekehrt fanden
wir den römischen Fuß in der zweifellos vorrömischen Basilika.
Später führte die zunehmende Zahl der Isisverehrer zu einer
Erweiterung des Heiligtums auf Kosten der Palästra (S. 171),
vermutlich gleichzeitig mit dem Neubau des Celsinus. Ihr ver-
danken die Räume im Westen (5, 6) ihre Entstehung.
In der Mitte des von Säulenhallen umgebenen Hofes steht
der Tempel: eine mehr breite als tiefe Cella (2) mit sechssäuliger
Vorhalle (i). In der Ecke gleich beim Eingang eine ummauerte
Grube fĂĽr Opferreste {d); in der Ecke gegenĂĽber ein kleiner
tempeiförmiger Bau (4). Dicht bei diesem zwei Altäre; ein dritter
stand einst rechts vor dem Tempel bei d, fünf kleinere Altäre
stehen zwischen den Säulen. Zwischen Tempelhof und Theater
ein kleiner Hof unregelmäßiger Form und östlich von diesem
eine kleine Wohnung von fünf Räumen (7, 8, 9].
Den Tempel selbst zeigen Fig. 88 und 89 in seinem jetzigen
Zustande und restauriert. Er hat nichts Ă„gyptisches; doch scheint
es, daß man bei diesem, ausländischen Göttern geweihten Bau
mit einer gewissen Absichtlichkeit von dem Herkömmlichen ab-
wich und ein fremdartiges, barockes Aussehen eher suchte als
vermied. Dasselbe beruht auf den beiden seitwärts an die Front
der Cella angefĂĽgten Nischen und auf der unorganischen Art,
wie sie durch Vermittlung eines Pilasters, in dessen Schaft ihr
Kapitell und Giebelfeld eingreifen, mit dem Hauptkörper des
Mau, Pompeji. 2. Aufl. 12
178 Pompeji.
Gebäudes in Verbindung gesetzt sind. Die Ersetzung der ehr-
wĂĽrdigen Formen des griechischen Tempelbaues durch eine
phantastische Stuckdekoration lag im Geschmack der Zeit; wir
begegneten ihr schon am Apollotempel.
AuĂźer der Treppe in der Front fĂĽhrt noch eine kleine Treppe
links von hinten zu einer NebentĂĽr der Cella. Die ganze RĂĽck-
seite dieser letzteren nimmt eine 1,75 m hohe gemauerte Basis
ein, auf der zwei kleine Tufifbasen, 0,40 im Geviert, kleine Bilder
Fig. 88. Ansicht des Isistempels. Photographie l'rogi.
der Isis und des Osiris trugen. Der Hohlraum unter der groĂźen
Basis, durch zwei Öffnungen zugänglich, mochte zur Aufbewahrung
von Tempelgerät dienen. Andere Götterbilder — etwa Harpo-
krates und Anubis — standen in den beiden schon erwähnten
Nischen. Harpokrates verehrte man, wie es scheint, auĂźerdem
noch in der tempeiförmigen Nische in der Wand des Portikus
dem Eingange des Tempels gegenĂĽber (3): die Malerei derselben
(jetzt in Neapel) zeigt eine Statue des Harpokrates — einen
Knaben mit dem Fineer im Munde, dem FĂĽllhorn im Arm und
XXV. Der Tempel der Isis.
179
dem Lotos über der Stirn — und vor ihr einen Priester in
langem weißen Gewände mit zwei Kandelabern in den Händen;
im Hintergrunde ein Tempel zwischen Säulenhallen, wohl eine
freie Wiedergabe eben dieses Tempels. Unter der Nische stand
am Bogen eine Holzbank.
Weder in der Cella noch in den Nischen neben ihr fand man
Götterbilder; sie waren wohl nur klein und wurden von den
Priestern auf ihrer Flucht mitgenommen. Dagegen fand man in
F'ig. 89. Der Isistempel, wiederhergestellt. Im Hintergrunde das groĂźe Theater.
der Cella zwei menschliche Schädel — sie mochten bei den Cere-
monien der Einweihung in die Mysterien Verwendung finden —
und eine 1 1 cm lange Marmorhand. Die Berichte sagen nicht, ob
eine rechte oder linke Hand: in der von Apuleius beschriebenen
Isisprozession wurde auch eine linke Hand getragen; als die
schwächere, zum Unrecht tun weniger geeignete, symbolisierte
sie die Gerechtigkeit [aeqtiitas , mit der die Gottheit die Welt
regiert. Ferner fand man zwei hölzerne Kasten: der eine ent-
hielt eine ganz kleine goldene Schale von 2 cm Durchmesser,
ein 2 cm hohes Götterbild mit Basis, ein 4 cm hohes Glasgefäß;
1 8o Pompeji.
der andere eine Bronzelampe fĂĽr zwei Flammen und zwei Bronze-
kandelaber, etwa 26 cm hoch: ihre Verwendung- beim Kultus
zeigt die Malerei der Harpokratesnische.
Die Wände der Säulenhallen waren in lebhaften Farben, auf
vorwiegend rotem Grunde bemalt, die Säulen in ihrem untersten
Drittel rot, im ĂĽbrigen weiĂź, der Tempel ganz weiĂź: hier sollte
wenigstens die Fiktion festgehalten werden, als sei es ein Mar-
morbau. Doch erscheinen dieselben Motive in der weiĂźen Stuck-
dekoration des Tempels und der farbigen des Portikus: Teilung
in Felder, über denen sich mäanderartig ein stilisiertes Pflanzen-
gewinde hinzieht. Im Portikus zu unterst ein gelber, als vor-
springendes Architekturglied gestalteter Sockel; dann groĂźe rote
Felder, wechselnd mit leichten, phantastischen Architekturpro-
spekten, gelb auf rotem Grunde; ĂĽber ihnen der schwarze Fries
mit dem in GrĂĽn, Blau und Gelb schimmernden, durch allerlei
Tiergestalten belebten Pflanzengewinde. In der Mitte der groĂźen
Felder je ein Isispriester, in jedem der Architekturprospekte zu
unterst ein Marinebild: Kriegsschiffe manövrierend und zum Teil
zusammenstoĂźend. Zwar finden sich ebensolche Darstellungen
auch z. B. im Macellum und im Hause der Vettier; doch dĂĽrfen
wir immerhin daran erinnern, daß Isis auch die Schutzgöttin der
Seefahrer war. Apuleius schildert lebendig das Fest, durch das
im FrĂĽhjahr die wieder beginnende Schiffahrt unter ihren Schutz
gestellt wurde.
Dem Eingange des Tempels gegenüber ist die regelmäßige
Säulenstellung des Portikus unterbrochen: statt der drei mittleren
Säulen zwei beträchtlich höhere Pfeiler, an die je eine Halbsäule
angelehnt ist: ein in der letzten Zeit Pompejis beliebtes Motiv,
dem wir auch z. B. in den Stabianer Thermen begegnen werden.
So standen der Tempel und die Harpokratesnische freier einander
gegenĂĽber.
Der Hauptaltar [e) steht links vor dem Tempel, den der
Opfernde zur Rechten hatte. Auf dem Altar wurden Knochen-
reste und Asche gefunden. Auf den beiden kleineren Altären
opferte man den in den Nischen stehenden Gottheiten. Zur Auf-
nahme der Reste des Opfers dienten zwei viereckige Gruben. Eine
kleinere, jetzt nicht mehr sichtbare, war neben dem Hauptaltar;
man fand hier Reste von verbrannten Feigen, Pinienkernen und
XXV. Der Tempel der Isis. l3i
Pinienzapfen, Nüssen und Datteln, auch zwei zerbrochene Götter-
bildchen. Die größere [b) ist noch sichtbar. Ihre Ummauerung war
zur Zeit der Ausgrabung auf den Schmalseiten giebelförmig und
es war kenntlich, daß ein dachförmiger Holzdeckel darauf lag.
Auch hier fand man Reste verbrannter FrĂĽchte. FĂĽnf kleinere
Altäre stehen zwischen den Säulen des Portikus. Das an die
Ecksäule beim Eingang angemauerte (Fig. 88, 89) ist wohl eher
die Basis einer Statue.
Zwischen dem Hauptaltar und dem Tempel, links von der
Treppe, steht ein gemauerter Pfeiler, nur 0,38 m im Geviert und
0,73 m hoch. Ein gleicher Pfeiler rechts von der Treppe — jetzt
verschwunden — war auf drei Seiten mit Steinplatten bekleidet,
von denen die vordere (jetzt in Neapel) mit Hieroglyphen be-
deckt war. Es ist ein Grabdenkmal, welches der »Schreiber des
göttlichen Wortes« (Hierogrammateus) Hat seinen Eltern und
GroĂźeltern gesetzt hat: bildliche Darstellungen mit Beischriften,
in drei Abteilungen ĂĽbereinander. In der obersten Hat, sein
Bruder und Kollege Meran, ihr Vater und GroĂźvater anbetend
vor >Osiris dem Herren des Totenreiches« ; in der zweiten bringt
Hat seinen Eltern und GroĂźeltern Totenopfer: in der dritten
beten Hat, Meran und noch zwei Schwestern Osiris an. Sicher
ist dieser Stein nicht flir einen Tempel gearbeitet, aber doch
vielleicht mit RĂĽcksicht auf seinen Inhalt zur Aufstellung an
diesem Orte gewählt worden. Ohne Zweifel sollte auch der Pfeiler
links in gleicher Weise verkleidet werden, aber es war wohl
keine geeignete Hieroglyphentafel zur Hand. Vermutlich standen
auf diesen Pfeilern kleine Götterbilder.
Die Bacchusstatuette in einer Nische der RĂĽckwand des Tem-
pels wurde schon erwähnt (S. 156); es ist ja bekannt, daß Bacchus
mit Osiris identifiziert wurde. Neben der Nische sind zwei mensch-
liche Ohren in Stuck gebildet: eine Andeutung des Hörens des
Gottes auf die Bitten seiner Verehrer.
Eine größere, 2,96 m breite, 2,55 hohe Nische ist in der Süd-
wand des Hofes. Ihrer Form nach war sie sicher zur Aufstellung
von Statuen — mindestens vier — bestimmt.
An der Westwand der Säulenhalle standen, nahe den Ecken,
auf Basen, zwei halblebensgroĂźe Statuen weiblicher Gottheiten.
Rechts Isis, in griechisch -archaistischem Stil, mit der Inschrift:
l82 Pompeji.
L. Caecilius Phoebus posiiit\ l[oco) d\atd) d[ecurionum) d[ecreto)^ —
»Aufgestellt von L. Caecilius Phoebus; der Platz durch Rats-
beschluß bewilligt«. Der Stifter war, nach seinem Namen, ein
Freigelassener. Links Venus, ohne Inschrift, in der bekannten
Stellung des Haartrocknens nach dem Bade, von geringem Kunst-
wert, aber bemerkenswert durch die wohlerhaltene Bemalung und
Vergoldung. Wie so viele andere Gottheiten wurde auch Venus
mit Isis identifiziert.
Dicht bei der Venus stand an der SĂĽdwand die Herme — â–
Marmorpfeiler mit Bronzekopf — des C. Norbanus Sorex : er war
Schauspieler, und zwar Darsteller der zweiten Rollen [secundarum]^
und Magister der Vorstadt. Auch hier bewilligte der Stadtrat
den Platz. Die Inschrift lautet: C. Norbani Soricis ^ secundarum
[sc. partium actoris)^ mag[istri) pagi Aug[usti) Felicis suburbani.,
ex d[ecurionum) d[ecret6) l[oco) d[atd). Ohne Zweifel war er ein
Wohltäter des Tempels. Seine Herme stand auch, mit gleicher
Inschrift, im Gebäude der Eumachia ; auch um dieses hat er sich
also Verdienste erworben. Charakteristisch ist diese ganze Reihe
von Wohltätern geringen Standes; sie zeigt, in welchen Kreisen
die ägyptischen Götter ihre Verehrer fanden. Ein vornehmer Kult,
wie namentlich seit Hadrian, war es damals noch nicht.
Während die griechischen und römischen Götter wesentlich
nur an ihren Festen gefeiert wurden, beanspruchten die ägyp-
tischen Gottheiten einen täglichen, ja täglich einen mehrmaligen
Dienst. Die erste Feier, die »Öffnung des Tempels«, beschreibt
uns Apuleius (um i6o n. Chr.). Vor Tagesanbruch betrat der
Priester den Tempel durch den Nebeneingang und öffnete die
von innen verschlossene HaupttĂĽr; ein weiĂźer, leinener Vorhang
wehrte noch den Blick in das Innere des Tempels. Nun wurde
das Tor des Hofes geöffnet; die harrende Menge der Gläubigen
strömte herein und nahm vor dem Tempel Aufstellung ; der Vor-
hang wurde auseinander gezogen, das Bild der Göttin erschien
den Blicken ihrer Verehrer und wurde von ihnen mit Gebeten
und SchĂĽtteln des Sistrum begrĂĽĂźt. Dann blieb man in Gebet
und Betrachtung der Gottheit beisammen, sitzend; eine Stunde
nach Tagesanbruch endete die Feier mit einer Anrufung der
mittlerweile aufgestiegenen Sonne.
Ăśber den zweiten, zwei Stunden nach Mittag stattfindenden
XXV. Der Tempel der Isis.
183
Tagesdienst haben wir keine so genaue Nachricht. Vielleicht
kommt uns hier ein Freskobild aus Herculaneum zu Hilfe (Fig. 90),
das einen wichtigen Akt des Isiskultus darstellt: die Anbetung
des heiligen Wassers. In der Vorhalle des Tempels, ĂĽber der
Treppe, stehen zwei Priester und eine Priesterin. Der Priester in
Fig. go. Szene aus dem Isiskult: Anbetung des heiligen Wassers
Wandgemälde aus Herculaneum.
der Mitte hält vor seiner Brust, in den Falten seines Gewandes,
das Gefäß mit dem heiligen Wasser; seine beiden Gefährten
schĂĽtteln das Sistrum. Am FuĂź der Treppe der Altar, dessen
Feuer ein Priester anfacht, rechts und links die Gläubigen, auch
einige Priester, zum Teil das Sistrum schĂĽttelnd; rechts vorne ein
Flötenbläser.
i84
Pompeji.
Ein anderes Bild, das GegenstĂĽck zu dem eben beschriebenen,
zeigt ebenfalls eine Festfeier. Die Szenerie entspricht auch hier
so ziemlich unserem Tempel. Ein brauner, bekränzter Mann tanzt
unter dem Tor des Tempels; hinter ihm die Musik: man unter-
scheidet eine Beckenschlägerin und eine Frau, die das Tamburin
rührt. Um die Freitreppe Priester und Gläubige, das Sistrum
schĂĽttelnd und betend; auch hier vor der Treppe der brennende
Altar. Ein Hauptfest des Isis-
kult fand im November statt:
man feierte mit leidenschaft-
lichen Klagen den Tod des Osiris
und das Suchen nach seiner
Leiche, dann, am dritten Tage,
dem 1 2. November, mit lebhaften
Freudenbezeugungen die Auf-
findung derselben durch Isis:
vielleicht ist der Tanz des
braunen Mannes ein Ausdruck
dieser Freude, das Ganze eine
Darstellung des ägyptischen
Osterfestes.
Bei solchen Feiern mochte
auch, zur Darbringung von
Rauchopfern, das kleine bron-
zene Kohlenbecken zur Ver-
wendung kommen, das im Hofe,
vor dem Tempel gefunden
wurde. FĂĽr die Waschungen,
die im ägyptischen Gottesdienst
eine so groĂźe Rolle spielten,
stand an der rechten hinteren Ecksäule ein zylinderförmiges, mit
ägyptischen Relieffiguren verziertes Bleigefäß, in das aus einer
Bleiröhre der städtischen Leitung ein Wasserstrahl fiel.
Der kleine Bau in der SĂĽdostecke des Hofes (4) war un-
bedeckt, eine Einfriedigung, der man durch Giebelfelder vorn
und hinten den Anschein eines bedeckten Baues gegeben hatte.
Drinnen, an der Rückseite, führt eine Treppe rechts abwärts in
eine 2,0 x1,50 m große unterirdische gewölbte Kammer, deren
Fig. 91. Fassade der Einfriedigung des Wasser-
behälters.
XXV. Der Tempel der Isis. 185
innerster Teil, durch eine niedrige Mauer abgetrennt^ oftenbar ein
Wasserbehälter ist. Eine niedrige Aufmauerung in der rechten
Ecke des vorderen Teiles mochte zum Aufstellen eines Gefäßes
dienen, in welches das dort geschöpfte Wasser gefüllt wurde.
Wir dĂĽrfen wohl nicht zweifeln, daĂź hier das zum Kultus ge-
brauchte heilige Wasser aufbewahrt wurde.
Diese Bestimmung des Gebäudes wird auch durch einen Teil
der Stuckreliefs seiner AuĂźenseite (Fig. 91) angedeutet. Im Giebel-
feld steht über dem Eingang auf blauem Grunde ein Gefäß; zu
jeder Seite desselben eine knieende, anbetende Gestalt. Ă„gyptische
Fig. 92. Stuckreliefs auf der Ostseite der Einfriedigung des Wasserbehälters — Perseus und
Andromeda. Rechts und links schwebende Amoren, links mit Weihrauchkästchen.
Priester und Priesterinnen, alle der Mitte und dem Gefäß zu-
gewandt, enthält auch auf blauem Grunde der nach ägyptischer
Art als Hohlkehle gebildete Fries. Offenbar beten alle diese
Figuren das in dem Gefäß enthaltene heilige Wasser an. Auf den
anderen drei Seiten enthält der Fries in weißem Stuckrelief Delphine
und — so scheint es — schwimmende und auf Seetieren reitende
Amoren. Also auch hier Andeutung des Wassers.
Von dem ĂĽbrigen Reliefschmuck haben noch die beiden weib-
lichen Gestalten in den F'eldern neben dem Eingange ägyptischen
Charakter: die eine, links, ist deutlich Isis. Unter jeder derselben
stand, an die VV^and gelehnt, ein kleiner Tuffaltar. Auch das
Stuckrelief an der Vorderseite des Eckpilasters enthält in einem
l86 Pompeji.
Laubgewinde ägyptische Symbole: Uräusschlange , Nilpferd,
Sistrum, Situla (Eimer) u. A. Die Reliefs der Seitenwände sind
griechisch-römischen Stils: im Mittelfeld links (Fig. 92) Perseus
und Andromeda, rechts Mars und Venus.
Die kleine Wohnung auf der SĂĽdseite des Hofes besteht aus
einem Schlafzimmer (9), einem Speisezimmer (7), einer KĂĽche (8)
und zwei kleinen Räumen unter der auf den obersten Rang des
Theaters führenden Treppe. Bei der beständigen Fürsorge und
den zahlreichen Kulthandlungen, welche die ägyptischen Götter
verlangten, war es nötig, daß ein oder mehrere Priester im Tempel
wohnten. Sicher dürfen wir in diesen Räumen eine Priester-
wohnung erkennen; auch das Speizezimmer wird nachts zum
Schlafen benutzt worden sein.
Von den beiden auf Kosten der Palästra gewonnenen Räumen
der Westseite ist der eine (6) regelmäßig geformt, mit fünf über-
wölbten Zugängen. Die Wände waren reich im letzten pompeja-
nischen Stil bemalt, mit sieben groĂźen Bildern ; fĂĽnf groĂźe Land-
schaften mit Heiligtümern zum Teil ägyptischen Charakters, ferner
lo von Argos bewacht und der zu ihrer Befreiung gekommene
Hermes, endlich lo, wie sie, vom Nil getragen, in Ă„gypten an-
kommt und von Isis empfangen wird. An der RĂĽckwand eine
Basis; vermutlich stand hier die ĂĽberlebensgroĂźe weibliche Statue,
deren Reste in einem der Eingänge gefunden wurden; nur Kopf,
Hände und die vorderen Teile der Füße waren aus Marmor, das
ĂĽbrige aus Holz und ohne Zweifel bekleidet; die Priester hatten
sie mitnehmen wollen, aber schon im Ausgange des Zimmers den
Versuch aufgegeben. Man fand in diesem Zimmer einen Marmor-
tisch, ein Sistrum, zwei tönerne Töpfe, drei Glasflaschen und
einen Glasbecher; es liegt nahe, an die gemeinsamen Mahlzeiten
der Kultgenossen zu denken, von denen wir aus Apuleius wissen.
Und auch fĂĽr die Mysterienfeiern, die pantomimische Darstellung
des Mythos von Isis und Osiris, bot dieser geräumige Saal den
geeignetsten Raum.
Der links anliegende unregelmäßige Raum (5) war, wie es
scheint, von größerer Heiligkeit, der Schauplatz geheimnisvollerer
Zeremonien; hierauf deutet der engere, verschlieĂźbare Eingang.
Die Wände waren auf einfach weißem Grunde bedeckt mit grob
gemalten großen Gestalten von Göttern — Isis, Osiris, Typhon
XXV. Der Tempel der Isis. 187
— heiligen Tieren und anderen uns unverständlichen, auf den
Mythos bezĂĽglichen Darstellungen. Man fand hier die Reste von
vier Statuen — drei weiblichen und einer männlichen — aus
Holz mit marmornen Köpfen und Extremitäten; außerdem ein
kleines ägyptisches Götterbild aus grünem Stein mit einer Hiero-
glypheninschrift, ein anderes aus weiĂźer, grĂĽnglasierter Tonmasse,
eine tönerne Sphinx und Fragmente kleiner Tonfiguren ägyp-
tischen Charakters, allerlei Gefäße aus Ton, Glas und Blei, und
ein bronzenes, also zu sakralen Zwecken bestimmtes Messer. In
der Nordwand eine kapellenartige Nische. Der kleine Raum an
der SĂĽdwestseite (s. Plan, Taf. IV) konnte leicht durch einen
Vorhang von dem Hauptraume getrennt werden. Von hier aus
wieder gelangte man ĂĽber vier Stufen und durch eine TĂĽr in
einen Vorratsraum, in dem 35 TongefaĂźe verschiedener Form,
ein eiserner DreifuĂź und 58 Tonlampen gefunden wurden. Und
zwar waren diese letzteren zum Teil mit eisernen Ringen zum
Aufhängen versehen; es fanden sich auch eiserne Stangen, die
den Entdeckern den Eindruck machten, als hätten sie eben
diesem Zweck gedient. Eine HintertĂĽr fĂĽhrte von hier in den
unregelmäßigen Raum zwischen dem Theater und der Palästra.
Alles dies deutet auf geheimnisvolle Nachtfeiern. Hier mochten
die geheimnisvollen Bräuche der Aufnahme unter die Isisdiener
geĂĽbt werden, von denen Apuleius nur kurze, dunkle Andeu-
tungen gibt. »Die Einweihung wird gefeiert«, so sagt ihm der
Priester, > unter dem Bilde freiwilligen Todes und eines von der
Gottheit leihweise wiedergegebenen Lebens.« Und von seiner
eigenen Einweihung sagt Apuleius: »Ich kam an die Grenze des
Todes, ich betrat die Schwelle der Proserpina, und kehrte dann
durch alle Elemente hindurch zum Leben zurĂĽck; ich sah mitten
in der Nacht die Sonne hell glänzen; ich trat vor das Angesicht
der oberen und unteren Götter und betete sie an aus nächster
Nähe.« Verzicht auf das bisher geführte Leben, Wiedergeburt
zu einem neuen geläuterten Leben durch die Gnade der Gott-
heit : dies sind die Grundgedanken der Zeremonien, die in diesem
engen, winkeligen Räume wohl etwas weniger großartig als in
Rom gefeiert werden mochten.
r\
Kapitel XXVI.
Der Tempel des Zeus Meilichios.
Ein kleiner Tempel liegt an der Nordostecke des Theater-
komplexes, mit Eingang von der Stabianer StraĂźe. Der Hof
hatte, wie der des Vespasianstempels, nur an der Vorderseite eine
Säulenhalle (i); erhalten sind die Fundamente und ein dorisches
Lavakapitell; rechts an derselben die Kammer des KĂĽsters (4).
Im Hofe (2) der große Altar aus Tuff; seine Motive — Quadern
mit Saumschlag und Triglyphenfries
— sind die des ersten Dekorations-
^— p^1"W|w^^"^ ■■Stiles. Weiter die zum Tempel
b| 3 ' • ra *i hinaufführende Treppe ; seine soviel
^^il • • • I höhere Lage ist durch die natür-
liche Terrainbildung bedingt. Von
den sechs Säulen der Vorhalle ist
nichts erhalten; wohl aber zwei
Pilasterkapitelle aus Tuff, einst mit
weißem Stuck überzogen, ein größeres, von einem Eckpilaster
der Cella, und ein kleineres von einem TĂĽrpfosten (Fig. 94). Die
fein empfundenen Formen und die gute Arbeit deuten auf die
Zeit des ersten Dekorationsstils; und ein Rest einer Dekoration
dieses Stils wurde vor 1837 von Gau (bei Mazois IV, 4) auf der
rechten Wand der Cella gezeichnet. Dagegen gehört das dem
Netzwerk ähnliche Lavamauerwerk zweifellos der ersten Zeit der
Kolonie an. In dieser Zeit also wurde der Tempel erbaut, viel-
leicht unter Mitwirkung alteinheimischer Bauhandwerker.
Auf einer Basis an der RĂĽckwand der Cella standen zwei
Tonstatuen, Jupiter und Juno, und eine TonbĂĽste der Minerva;
es ist zunächst schwer, sich des Gedankens zu erwehren, daß
wir hier das von den Kolonisten gleich nach ihrer Ankunft
erbaute Kapitol von Pompeji vor uns haben. Dennoch aber ist
Fig. 93. GrundriĂź des Tempels des Zeus
Meilichios. i. Säulenhalle. 2. Hof mit
Altar. 3. Cella. 4. Kammer des KĂĽsters.
XXVI. Der Tempel des Zeus Meilichios.
189
dies schwerlich richtig. Selbstverständlich sind diese dürftigen
Tonfiguren nur ein zeitweiliger Ersatz der durch das Erdbeben
des Jahres 63 zerstörten Kultbilder. Nun war aber die Basis
unseres Tempels so unsolid gebaut — aus kleinen Steinen ge-
wölbt, jetzt spurlos verschwunden — auch so klein, daß auf
ihr drei einigermaĂźen groĂźe Marmorstatuen nie gestanden haben
können. Und es ist doch auch nicht recht glaublich, daß die
Kolonisten, denen es an Mitteln nicht fehlte, den Reichsgöttern
ein so bescheidenes Heiligtum und an so wenig hervorragender
Stelle erbaut haben sollten. Allem Anschein nach haben die
kapitolinischen Gottheiten hier nur ein zeitweiliges Unterkommen
gefunden, weil das eigentliche
Kapitol, der Jupitertempel auf
dem Forum, im Jahre 63 einge-
stĂĽrzt war.
Bei welcher Gottheit waren
aber hier die kapitolinischen Götter
zu Gaste? Im Stabianer Tor steht
eine oskische Inschrift, bezĂĽglich
auf Wegearbeiten zweier Adilen,
M. Sittius und N. Pontius. Und
zwar handelt es sich um die aus
dem Tor fĂĽhrende StraĂźe bis zur
Stabianer BrĂĽcke (ĂĽber den Sarno)
und die Via Pompeiana bis zum Tempel des Zeus Meilichios ; diese
Straßen, sowie auch die Via Jovia und noch eine (unverständlichen
Namens) haben sie von Grund auf ausgebessert. Es liegt sehr nahe,
zu vermuten, daĂź die mit der aus dem Tor fĂĽhrenden zusammen
genannte Via Pompeiana keine andere ist, als die vom Tor in
die Stadt fĂĽhrende , die jetzt sogenannte Stabianer StraĂźe : vom
Tor bis zum Tempel des Zeus Meilichios. Und da an der StraĂźe
kein anderer Tempel liegt als eben dieser, so wäre dies der
Tempel des Zeus Meilichios.
Freilich aber kann der uns vorliegende Tempel nicht alt ge-
nug sein, um in der oskischen Inschrift erwähnt zu werden. Aber
vielleicht stand an seiner Stelle schon früher ein älterer Tempel.
Zwar die Bauart des Tempels selbst ist deutlich die der ersten
Zeit der Kolonie; aber die linke Mauer des Tempelhofes sieht
Fig. 94-
TĂĽrpfostenkapitell mit dem Kopf
des Zeus Meilichios.
igo Pompeji.
ganz anders und älter aus und muß, da sie keinerlei Ansätze
von Quermauern zeigt, auch frĂĽher schon an einem Platze wie
dieser Tempelhof gelegen haben. Und sollten nicht auch jene
durchaus vorrömisch aussehenden Kapitelle — sie gehören zu den
allerbesten Beispielen des Stiles der Tufifperiode — ein Rest
des älteren Baues sein?
Ist diese Vermutung richtig, so wird wohl der in dem Kapitell
angebrachte Kopf ein Bild jenes an vielen Orten Griechenlands
namentlich als Schutzgott des Ackerbaues verehrten »gnädigen
Zeus« sein. Bärtig, mit langen Locken, ernsten Ausdrucks, ist
er gewiĂź kein bloĂź ornamentaler Schmuck, wahrscheinlich viel-
mehr eben der hier verehrte Gott, und es ist durchaus glaublich,
daĂź er einen altertĂĽmlichen Zeustypus wiedergibt.
Kapitel XXVII.
Die Bäder in Pompeji. Die Stabianer Thermen.
Eine wie groĂźe Rolle im Leben der Alten, und namentlich
der Römer der Kaiserzeit, das Baden spielte, wie die großen
Badeanstalten auch alles das boten, was man heutzutage im Klub,
im Cafe, auf der Promenade findet, das ist bekannt genug und
braucht hier nicht wiederholt zu werden.
Pompejis Badeanstalten sind von mäßiger Größe; ihr Inter-
esse beruht auf der guten Erhaltung, der vollkommenen Klarheit
der Bestimmung aller einzelnen Räume und auch darauf, daß
wir an ihnen eine fast zvveihundertjährige Entwicklung verfolgen
können. Wesentlich aus ihnen stammt unsere Kenntnis dieser
Seite des antiken Lebens und unser Verständnis der großen
römischen Anlagen.
Die Räume eines römischen Bades sind, nur mehr oder weniger
\ ollständig, stets dieselben. Zunächst die Palästra, der von Säulen-
hallen umgebene Platz fĂĽr gymnastische Ăśbungen, und an ihm
das Schwimmbad. Sodann die eigentlichen Baderäume. Mit dem
ungeheizten Auskleideraum, Apodyterium, ist verbunden das kalte
Bad, entweder in einem anstoßenden Räume, Frigidarium, oder
als gemauerte Wanne im Apodyterium selbst. Weiter gelangt
man durch ein zur Vermeidung schroffen Temperaturwechsels
mäßig erwärmtes Durchgangszimmer, Tepidarium, in den Raum
des warmen Bades, das Caldarium. Dies hat an einem Ende die
gemauerte Wanne, Alveus, am anderen, meistens in einer halb-
runden Nische, Schola, das Labrum, ein groĂźes Waschbecken auf
gemauertem Untersatz, in dem lauwarmes Wasser aufsprudelte.
Dazu kommt in größeren Anstalten — so auch in einer der
pompejanischen — ein runder Raum zum Schwitzen in trockener
Luft, Laconicum, assa sudatio. In kleineren Anstalten muĂźte
das Caldarium auch hierfĂĽr ausreichen.
ig2 Pompeji.
Man heizte in älterer Zeit durch Kohlenbecken; so im Tepi-
darium einer der pompejanischen Anstalten bis zuletzt. Eine voll-
kommenere Methode erfand zu Anfang des letzten Jahrh. v. Chr.
Sergius Orata, ein bekannter Lebemann jener Zeit; seinen Bei-
namen erhielt er wegen seiner Vorliebe fĂĽr die Goldforelle, mirata.
Er verdiente viel Geld mit Austerbänken im Lucrinersee; wir
dürfen ihm zutrauen, daß er auch seine Erfindung der »schweben-
den Bäder <, balneae pensiles^ industriell verwertet haben wird.
Diese bestand darin, daĂź er den FuĂźboden des Baderaumes mittels
Ziegelplatten von 2 FuĂź im Quadrat auf kleine Pfeiler legte, so
daĂź unter ihm ein Hohlraum entstand; indem dieser von einer
Feuerstelle aus mit heiĂźer Luft gefĂĽllt wurde, diente der erhitzte
FuĂźboden als Ofen. Doch war dies nur der erste Schritt. Noch
in republikanischer Zeit dehnte man den Hohlraum auch auf die
Wände aus, entweder mittels viereckiger Tonröhren oder durch
sogenannte Warzenziegel, tegulae mammatae^ viereckige Ton-
platten, die, nur mit einem kegelförmigen Vorsprung an jeder
Ecke die Wand berĂĽhrend, zwischen sich und ihr einen Zwischen-
raum lieĂźen.
In Doppelanstalten, für Männer und Frauen, legte man die
beiden Caldarien dicht aneinander. Von der gemeinsamen Feuer-
stelle [hypocausis)y wo auch das Badewasser gewärmt wurde, ge-
langte die heiße Luft jederseits durch einen mäßig breiten Heiz-
kanal unter den Fußboden und von hier aus in die Hohlwände
der Caldarien, und weiter, durch ähnliche Öffnungen, schon be-
trächtlich abgekühlt, in die gleichen Hohlräume der Tepidarien.
Um den nötigen Zug herzustellen und die heiße Luft von der
Feuerstelle aus horizontal unter die Fußböden zu leiten, mußten
die Hohlräume der Wände zu oberst Luftlöcher haben, die in der
Tat meistens noch deutlich kennbar sind. Und dies mochte ge-
nügen, wenn einmal der Raum erwärmt war. Zum Anheizen aber
bedurfte man eines Lockfeuers : ein , mäßiges Feuer unter dem
Fußboden, von dem Hauptfeuer möglichst entfernt, den Zuglöchern
möglichst nahe, bewirkte zunächst hier das Entweichen der er-
wärmten Luft und weiter das Nachströmen vom Hauptfeuer aus.
Wir werden zweimal in Pompeji die Stelle des Lockfeuers finden ;
mehrfach ist sie auch in den in Deutschland gefundenen Bädern
konstatiert worden.
XXVII. Die Bäder in Pompeji. Die Stabiauer Tliermen. ig?
Nach persönlicher Neigung und ärztlicher Vorschrift badete
man in vielfach verschiedener Weise. Doch sind es wesentlich
drei Methoden.
Die gewöhnlichste und vollständigste war die, daß man nach
Übungen in der Palästra — das Ballspiel war sehr beliebt —
sich im Apodyterium, auch wohl im Tepidarium — wo man ge-
salbt wurde — entkleidete und im Caldarium erst schwitzte,
dann warm badete. ZurĂĽckgekehrt in das Apodyterium nahm
man ein kaltes Bad, ging dann in das Laconicum oder, wo dieses
fehlte, wieder in das Caldarium, schwitzte nochmals und lieĂź sich
endlich abreiben und wiederum salben, wodurch man sich gegen
Erkältung zu schützen glaubte.
Andere enthielten sich des warmen Bades ; sie gingen gleich
durch das Tepidarium in das Laconicum oder Caldarium, schwitzten
dort und nahmen dann im Apodyterium oder Frigidarium ein
kaltes Bad oder lieĂźen sich kalt ĂĽbergieĂźen. Abreibung und
Salbung werden auch hier nicht gefehlt haben.
Die dritte und einfachste Art war die, daĂź man sich durch
Übungen in der Palästra erwärmte, dann Staub und Ol mit dem
Schabeisen [strigilis] abstrich und im Schwimmbassin badete.
Bis jetzt sind in Pompeji drei städtische Badeanstalten aus-
gegraben, zwei Doppelanstalten, für Männer und Frauen, eine nur
für Männer. Außerdem (VIII 2, 17 und 23) zwei Privatanstalten,
vielleicht zusammengehörig, die eine für Männer, die andere für
Frauen. Eine weitere, einem groĂźen villenartigen Privathause
(»Villa der Julia Felix«) angehörige Anstalt, wie es scheint nur
für Männer, wurde 1755 — 1757 in der Nähe des Amphitheaters
ausgegraben und wieder verschüttet. Mindestens zwei mögen
noch unter der Vesuvasche liegen. Eine mit einer warmen Quelle
verbundene, nur durch eine Inschrift bekannte Anstalt werden
wir bei Gelegenheit der Gräberstraße zu erwähnen haben. End-
lich enthalten zwölf Privathäuser kleine, für nur eine Person be-
rechnete Bäder.
»Stabianer Thermen« nennt man die größte und älteste Bade-
anstalt Pompejis wegen ihrer Lage an der Ecke der Stabianer
und der AbbondanzastraĂźe. Etwa im 2. Jahrh. v. Chr. erbaut,
erfuhr sie einen Umbau in der ersten Zeit der römischen Kolonie,
Mau, Pompeji. 2. Aufl. I •;
1 94 Pompeji.
bald nach 80 v. Chr. Auf diesen bezieht sich eine nicht an ihrem
Platze, sondern beiseite gestellt, in einem Nebenraume gefundene
Inschrift: C. Uulius C. f. P. Aninius C. f. II v. i. d. Laconicum
et destrictarium faciund. et porticus et palaestr. reficiunda locarunt
ex d. d. ex ea pequnia quod eos e lege in ludos aut in monumento
consumere oportuit faciun. coerarunt eidemque probaru.
Schriftcharakter und Orthographie fĂĽhren auf sullanische Zeit;
die Syntax ist mangelhaft, der Sinn aber klar: >Die Duumvirn
Ulius und Aninius haben den Bau des Laconicum und des De-
strictarium (eines Raumes zum Abstreichen, destringere, des Staubes
und Öles) und die Ausbesserung der Portiken und der Palästra
auf RatsbeschluĂź verdungen und approbiert, in ErfĂĽllung der
mit ihrem Amte verknĂĽpften Pflicht, eine gewisse Summe ent-
weder für Spiele oder für ein Bauwerk aufzuwenden«. Portiken
und Palästra sind sofort kenntlich; auf das Destrictarium und
Laconicum kommen wir weiterhin zurĂĽck.
Das Gebäude liegt frei nach drei Seiten; im Norden stößt es
an ein Privathaus. Auf die Straßen öffnen sich Läden, die mit
dem Bade nichts zu tun haben. Von SĂĽden fĂĽhrt der Haupt-
eingang A in die Palästra C. Sie hat Säulenhallen (B) auf drei
Seiten; links statt derselben eine 2,48 m breite Bahn aus Tuff-
steinen, auf der zwei schwere Steinkugeln gefunden wurden, be-
stimmt von K aus auf der Bahn entlang gerollt zu werden: eine
unserem Kegelspiel ähnliche Übung. An dieser Bahn liegt das
Schwimmbad F, mit zugehörigen Räumen DKG. Nördlich von
diesen ein Seiteneingang L. In J, mit einem Fenster auf die
Palästra und einem auf den Stand der Kugelspieler, vermuten
wir den Platz eines oder mehrerer Aufseher der Palästra. Rechts
von der Palästra, und auf die Rückseite übergreifend, die doppelte
Badeanstalt für Männer {IV — VIII) und Frauen (2 — 4). Dazwischen
der Heizraum IX.
Links hinten, an dem auch von der Straße zugänglichen Korri-
dor a, liegen vier Kammern für Einzelbäder, jede mit einer ge-
mauerten Wanne, in ganz vernachlässigtem Zustande. An den
Wänden roher Stuck, von den Wannen ist auch dieser fast ganz
verschwunden. Offenbar waren sie schon lange vor der Ver-
schĂĽttung nicht mehr in Gebrauch. Kein Heizapparat. In Einzel-
zellen zu baden, galt frĂĽher fĂĽr vornehm. Es kam ab, seitdem die
1^:
^
XXVII. Die Stabianer Thermen.
195
gemeinsamen, heizbaren Räume ganz anderen Komfort boten als
er hier möglich war.
Der größere Raum k, mit vollständig erhaltener Wölbung,
ist der Abtritt. An den Wänden entlang der Kanal für Wasser-
spĂĽlung, ĂĽber diesem die einst das Holzwerk tragenden Steine.
Im Männerbad ist IV, mit reich und buntfarbig ornamentiertem
Tonnengewölbe, ein Durchgangsraum aus der Säulenhalle zum
Apodyterium (VI) und zum Frigidarium (V). Er hat noch einen
zweiten Eingang aus
dem in älterer Zeit auch
von der Straße zugäng-
lichen Vorraum I, mit
einer gemauerten Bank
fĂĽr die auf ihre baden-
den Herren wartenden
Sklaven.
Mit eben solchen
Bänken ist auch , wie
der Plan andeutet, das
Apodyterium selbst ver-
sehen. An den Wänden
ĂĽber denselben, unter
dem Ansatz des Tonnen-
gewölbes , eine Reihe
kleiner Nischen zur Auf-
nahme der Kleider (Taf. ^ Einzelbäder. k Abtritt.
V). Diese Nischen sind
hier 1,75 m, in dem Apodyterium der anderen Abteilung (2) nur
1,50 m vom Boden entfernt: man hat hieraus mit Recht ge-
schlossen, daĂź jene kleinere und einfachere Abteilung das Frauen-
bad ist. Der Fußboden ist mit grauem Marmor, an den Wänden
entlang mit Lava gepflastert, die Wände einfach weiß mit rotem
Sockel. Der einzige reichere Schmuck sind die weiĂźen Stuck-
reliefs der Wölbung, aus der Zeit des letzten Stils, wie auch die
ähnlichen Reste im Tepidarium. In vier-, sechs- und achteckigen
Feldern sehen wir hier Rosetten, Amoren, Waffentrophäen,
Figuren des bacchischen Kreises; an den Seitenflächen der beiden
Gurtbögen 'Taf. V) weibliche Figuren auf in Arabesken aus-
13*
Fig. 95. GrundriĂź der Stabianer Thermen. A Haupt-
eingang. B Säulenhallen.
I— VIII. Männerbad (IV.
rium. VI. Apodyterium.
darium). IX. Heizraum,
gange. 2. Apodyterium.
C Palästra. F Schwimmbad.
Durchgangsraum. V. Frigida-
VII. Tepidarium. VIII. Cal-
I — 6. Frauenbad (i, 5. Ein-
3. Tepidarium. 4. Caldarium).
igö
Pompeji.
laufenden Delphinen; in den LĂĽnetten leichte phantastische
Architekturen, belebt durch bacchische Figuren und von Del-
phinen getragene Amoren : ĂĽberall Hindeutungen auf das Wasser,
auf die Bestimmung des Raumes.
In reizvoller Weise hat man dem kleinen runden Frigidarium
einen seiner Bestimmung angemessenen Charakter gegeben. Wie
im Pantheon läßt eine runde Öffnung in der Spitze der kegel-
förmigen Kuppel das Tageslicht ein. Rings um das runde, mar-
morbekleidete Bassin ein schmaler Rundgang, auch dieser mit
weiĂźem MarmorfuĂźboden, erweitert durch vier halbrunde Nischen.
Bunt bemalt sind
diese wie die Wände:
Bäume und Sträucher,
Statuen und in kelch-
förmigen Becken auf-
sprudelndes Wasser;
darĂĽber blauer Him-
mel : es sollte die
Vorstellung erweckt
werden, als sei man
im Freien, in einem
reich geschmĂĽckten
Garten, durch dichtes
GebĂĽsch neugierigen
Blicken entzogen.
Auch die Kuppel zeigt blauen Grund mit Sternen. Aus einer
kleinen Nische dem Eingang gegenĂĽber sprang der Strahl des
Wassers; auch die Stelle, wo es oben am Rande in dem MaĂźe
des Zuflusses abfloĂź, ist kenntlich.
Tepidarium (VII) und Caldarium (VIII) wurden von der
Feuerstelle (IX) aus durch hohle Fußböden und hohle Wände
geheizt. Das Tepidarium (12,52X6,86 m inkl. Hohlwände) ist,
wie in der Regel, der kleinste Raum: es war eben ein Durch-
gangsraum, in dem man sich nicht lange aufhielt. Ausnahms-
weise hat es hier eine Badewanne; sie ist nachträgliche Zutat
und mochte benutzt werden von solchen, die in der kälteren
Jahreszeit das Frigidarium scheuten und doch ein mäßig kaltes
Bad nehmen wollten. Unter ihr ist die Wand gegen X durch-
Fig. 96. Frigidarium der Stabianer Thermen, Durchschnitt.
XX VII. Die Stabiancr Thermen.
197
brochen, so daĂź man hier ein Feuer anzĂĽnden konnte, nicht
zur Erwärmung der Wanne, der man warmes Wasser nach Bedarf
zuleiten konnte, sondern als Lockfeuer, zur Herstellung des Zuges
beim Beginn der Heizung. Oben in derselben Wand entwich die
heiße Luft durch zwei Zuglöcher aus dem Hohlraum. Die gleiche
Vorrichtung war auch unter dem Frauencaldarium. An Wölbung
und Lünetten weißes Stuckrelief: im Fries am Ansatz der Wöl-
bung Schiffe, also auch hier ein Wassermotiv; in den LĂĽnetten
leichte Architekturen, belebt durch Figuren: ein Mann,' der in
einer Schriftrolle liest, erinnert an die Klagen der Alten ĂĽber die
Plage der Poeten, die in den Bädern, wo man nicht fliehen konnte,
ihr Neuestes vortrugen.
Das Caldarium VIII hat an dem einen Ende die Badewanne,
Alveus, am anderen, in einer halbrunden Nische, den gemauerten
Untersatz des Labrums; dieses selbst fehlt. Wand- und Decken-
schmuck sind verloren. In der Nische des Labrums zwei Zug-
löcher.
Tafel V zeigt das kleine runde Fenster des Vorraumes IV.
Zwei eben solche waren in der sich ĂĽber IV erhebenden LĂĽnette
des Apodyteriums VI, vermutlich auch im Tepidarium ĂĽber der
Kuppel des Frigidariums, ein etwas größeres im Caldarium über
dem Labrum. Und wenn auch, wie im Frauenapodyterium, kleine
runde Öffnungen im Scheitel der Wölbung zu Hilfe kamen, so
konnte doch nur ein mattes Dämmerlicht in diesen Räumen
herrschen.
Durch einen bedeckten Vorraum (6) betreten wir das Frauen-
bad. Die TĂĽr, durch die wir eintreten, ist antik, aber erst
nachträglich durchgebrochen ; ursprünglich hatte das Frauenbad
keine Verbindung mit der Palästra und war nur durch zwei
Korridore (1, 5} von zwei Straßen aus zugänglich.
Wir .stehen im Apodyterium (2). Fast spurlos ist die Kata-
strophe vorüber gegangen an diesem Räume, dem best erhal-
tenen und auch dem altertĂĽmlichsten der ganzen Anlage. Un-
versehrt ist das Tonnengewölbe. Sein glatter weißer Stuck,
das einfache Randgesims der LĂĽnetten stammen aus der Zeit
der ersten Erbauer. Wie damals lassen noch heute nur zwei
kleine runde Öffnungen im Scheitel der Wölbung und ein mäßig
großes Fenster in der westlichen Lünette in schwachen Strömen
igS Pompeji.
das Tageslicht eindringen. Aus derselben alten Zeit stammt der
Fußboden, rautenförmige rötlich glasierte Ziegel. Eine schmale
Bahn aus Lavasteinen verbindet die TĂĽr des einen Korridors (i)
mit der des Tepidariums (3); sie beweist, daĂź dies ein viel be-
gangener Weg war, daĂź also manche Frauen, namentlich wohl
im Winter, ohne sich im kalten Apodyterium aufzuhalten, gleich
in das mäßig gewärmte Tepidarium gingen. An den Wänden
entlang gemauerte Bänke; über diesen Nischen für die Kleider,
hier, wie schon bemerkt, niedriger als im Männerbad.
Ein Frigidarium hatten die Frauen nicht; ihnen muĂźte eine
in der Ecke des Apodyteriums aufgemauerte Wanne genĂĽgen.
Und auch diese ist nachträgliche Zutat; in älterer Zeit müssen
sich die Frauen tragbarer Wannen bedient haben.
Tepidarium (3) und Caldarium (4), durch kleine Fenster in
den westlichen Lünetten spärlich erleuchtet, ergänzen sich glück-
lich mit denen des Männerbades. Dort gestattet weitgehende
Zerstörung einen Einblick in die Heizvorrichtungen; hier ist die
Erhaltung besser, und leichter vergegenwärtigen wir uns den
Eindruck dieser Räume. So altertümlich freilich wie das Apo-
dyterium sind sie nicht; ihre ziemlich einfache Dekoration
stammt aus der Kaiserzeit. Das Labrum — hier nicht in einer
Apsis — ist völlig intakt: ein rundes, flaches Marmorbecken auf
gemauertem Untersatz; in der Mitte die Ă–ffnung, aus der das
Wasser aufsprudelte.
Ebenso intakt ist der mit weiĂźem Marmor bekleidete Alveus.
Rechts vorne oben die bronzene Ă–ffnung des AbfluĂźrohres, links
unten eine Ă–ffnung zum Ausleeren; das Wasser floĂź dann auf
den FuĂźboden und diente zur Reinigung. Das ZufluĂźrohr ist
nicht erhalten. Der Alveus ist nur 0,62 m tief; man badete
sitzend, gelehnt an die schräge Rückwand, die Vitruv deshalb
das Polster, pulvinus^ nennt. Es war Platz für höchstens acht
Personen, im Männerbade etwa für zehn. Vermutlich wurden
Nummern ausgegeben und man wartete , bis man an die Reihe
kam. FĂĽr solche, die nicht warten wollten oder es vorzogen,
allein zu baden, gab es bronzene Wannen; Reste einer solchen,
sowie auch von bronzenen Bänken, wurden in diesem Caldarium
gefunden.
Die erste Kaiserzeit liebte eine hohe Temperatur des Bade-
XXVII. Die Stabiancr Thi-rmen.
199
Wassers; man wollte, wie Seneca sagt, abgebrĂĽht werden [deco-
qui\ während doch die Marmorwanne zur Konservierung der
Hitze wenig geeignet war. Unsere Fig. 97 zeigt die sinnreiche
Vorrichtung, durch die hier dieser Schwierigkeit begegnet ist.
Ăśber dem Heizkanal D, durch den die heiĂźe Luft in den Hohl-
raum (C) unter dem Fußboden einströmt, liegt ein halbzylinder-
förmiger Bronzekessel B, dessen eines Ende sich in den Alveus
A öfifnet. Indem nun das Wasser zugleich mit der Wanne auch
den Kessel fĂĽllte, wurde es hier, in direkter BerĂĽhrung mit dem
Feuer, stets von neuem erwärmt. Und da der Boden des Kessels
etwa 15 cm tiefer liegt als der der Wanne, so war durch be-
ständige Zirkulation für gleichmäßig hohe Temperatur gesorgt.
Fig. 97. Badewanne im Frauencaldarium mit Vorrichtung zum Warmhalten des Wassers, Längen-
und Querschnitt. A Wanne. B Heizkessel. C Hohlraum unter dem FuĂźboden. D Heizkanal.
Dieselbe Vorrichtung [testiido alvei nennt sie Vitruv) war auch
am Alveus des Männerbades vorhanden, wo der Kessel fehlt,
aber die gewölbte Öffnung kenntlich ist. Sie war sehr verbreitet.
Erhalten ist der Kessel nur noch in der Villa bei Boscoreale
(Kap. XLV). Aber die für ihn gelassene halbkreisförmige Öffnung
ĂĽber dem Heizkanal finden wir noch in den Centralthermen, ferner
in einer Privatbadeanstalt in Pompeji, und wo immer in einst
römischem Gebiet Badeanlagen gefunden werden. Nicht in den
Thermen beim Forum, weil hier alles geblieben ist, wie es in
republikanischer Zeit war. Auch in den Stabianer Thermen ist die
Testudo sicher eine spätere, aus der Kaiserzeit stammende Zutat.
Zwischen den beiden Caldarien liegt der Heizraum , praefnr-
niuDi (IX). Hier standen, Vitruvs Vorschrift entsprechend, drei
mächtige zylindrische Wasserkessel; sie sind nicht erhalten, doch
2 00 Pompeji.
ist ihre Form kenntlich in dem sie einst einschlieĂźenden Mauer-
werk. Der östlichste enthielt das heiße Wasser; unter ihm war
die Feuerstelle, hypocausis. Der nächste, für lauwarmes Wasser,
stand ĂĽber einem mit der Feuerstelle in Verbindung stehenden
Hohlraum, der dritte, fĂĽr kaltes, auf massivem Mauerwerk. Er-
halten ist die Bleiröhre, welche aus dem mittleren, lauwarmen
Kessel zum Labrum des Frauenbades fĂĽhrte.
Wo ist denn nun aber das von Ulius und Aninius gebaute
Laconicum, der trockene Schwitzraum?
Wir haben bei Besprechung dieser Räume einen Punkt bei-
seite gelassen: die allmähliche Vervollkommnung des Heiz-
apparats. Es ist ja klar, daĂź die im 2. Jahrh. v. Chr. erbaute
Anstalt nicht von Anfang an die von Sergius Orata erfundenen,
noch weniger die späteren vollkommeneren Einrichtungen haben
konnte. Ich darf dem Leser nicht zumuten, mir zu folgen in
der minutiösen Untersuchung der Geschichte dieses Apparats.
Die Resultate aber sind in der Kürze, zunächst für das Männer-
bad, folgende:
Anfangs gab es weder Hohlwände, noch hohle Fußböden.
Rings an den Wänden die in den Apodyterien noch jetzt erhal-
tenen Nischen, in zwei Reihen, oben größer, unten kleiner. Man
heizte durch Kohlenbecken.
Später erhielt zuerst das Caldarium den hohlen Fußboden,
noch später die Hohlwände, auch an Wölbung und Lünetten,
während das Tepidarium nach wie vor durch Kohlenbecken ge-
heizt wurde: ein Zustand, der in den Thermen beim Forum bis
zuletzt geblieben ist.
Endlich wurde auch das Tepidarium mit den Hohlräumen ver-
sehen, und zwar gleichzeitig in Fußboden und Wänden, jedoch
mit Ausschluß der Wölbung und der Lünetten.
Im Frauenbade wird der Verlauf wesentlich derselbe gewesen
sein. Nur kam hier noch hinzu die nachträgliche Ausdehnung
der Hohlwände auf Wölbung und Lünetten auch im Tepidarium.
Die Frauen beanspruchten — so scheint es — größere Wärme
als die Männer; auch in den Thermen am Forum, wo bis zuletzt
das Männertepidarium nur durch ein Kohlenbecken geheizt wurde,
finden wir in dem der Frauen die Hohlräume in Fußboden und
Wänden, freilich nicht am Gewölbe.
XXVII. Die Stabianer Thermen. 201
Sind nun um loo v. Chr. die hohlen Fußböden erfunden
worden, und fällt die Tätigkeit des Ulius und Aninius bald nach
80, so werden wohl sie in den Caldarien die neue Erfindung zur
Anwendung gebracht haben. Dann aber muĂź eben dies in der
Inschrift ausgedrĂĽckt sein. Und daĂź sie in der Tat so verstanden
werden kann, dafĂĽr bietet eine Stelle des Dio Cassius (LIII, 27, i)
wenigstens einen Anhalt. Dort heißt es von Agrippa: »er baute
das lakonische Schwitzbad« (xo Trupiatripiov t6 Aaxtovixdv). Nun
aber baute Agrippa nicht ein Laconicum im gewöhnlichen Sinne,
sondern eine ganze groĂźe Badeanlage. Ist darnach hier das
Wort gebraucht in dem weiteren Sinne einer durch Hohlböden
und Hohlwände geheizten Badeanstalt, und stammt, wie wir
vermuten dĂĽrfen, dieser Ausdruck nicht vom Dio, sondern aus
seiner Quelle, so können auch wohl obige Worte der Inschrift
— Laconicum facimid. — besagen, daß jene beiden das alte Bad
in ein nach neuer Methode geheiztes verwandelten. Eine bessere
Erklärung ist wenigstens bisher nicht gefunden worden.
Es wird sich uns weiterhin (S. 203) ergeben, daĂź wahrscheinlich
das Tepidarium nicht frĂĽher als etwa 20 n. Chr. heizbar gemacht
wurde. Seine letzte Gestalt und Dekoration erhielt das Gebäude,
nach dem Stil zu urteilen, wenige Jahrzehnte vor der VerschĂĽttung.
Wir wenden uns jetzt aus den geschlossenen Räumen in die
weite Palästra.
Das unbedeckte Schwimmbassin F (12,7 x8 m, tief 1,50 m)
ist von der Palästra getrennt durch eine 0,67 m hohe Brüstungs-
mauer; vor dieser eine, wie der Plan zeigt, sich auch vor die
anstoßenden Räume EG erstreckende Stufe. Auch die inneren
Stufen, zum Hineinsteigen, sind im Plan angedeutet: alles dies
war, wie das Bassin selbst, mit weiĂźen Marmorplatten bekleidet.
Ein starkes Bleirohr fĂĽhrte von Nordost das Wasser zu; das
AbfluĂźrohr in der SĂĽdostecke ist im Plan angedeutet.
Die beiden anliegenden Räume E G (5,03 X 7,85 m), mit hohen
gewölbten Durchgängen auf das Bassin und auf die Palästra ge-
öffnet, waren bedeckte, flache Bassins, Vorräume des Schwimm-
bassins zum Zweck einer vorläufigen Reinigung; hohe Schwellen
(0,65 m) sperrten die Eingänge. Die Wände waren 2 m hoch
mit Marmor bekleidet, weiter oben bemalt: Pflanzen und Vögel,
Statuen von Nymphen, eine Muschel haltend, in der Wasser
202 Pompeji.
aufsprudelt, und andere Statuen; darĂĽber blauer Himmel. Es
sollte auch hier (vgl. S. 196) die Vorstellung erweckt werden, als
sei man im Freien, in einem statuengeschmĂĽckten Garten. Das
Wasser fiel von der RĂĽckwand, gleich oberhalb des Marmor-
sockels, in einem Strahl herab. Eben dort, etwas höher, eine
Nische fĂĽr eine Statue.
In G ist dann später das Bassin ausgefüllt worden, indem
man den Fußboden bis zur Höhe der erwähnten hohen Schwellen
erhöhte ; mehr als ein Vorbassin schien überflüssig, und man kon-
servierte das aus dem Auskleideraum zugängliche. Auskleide-
raum war D ; an den weißen Wänden erkennt man die Spuren
hölzerner, 1,60 m hoher Schränke, zum Aufbewahren der Kleider.
Hier entkleidete und salbte man sich vor den gymnastischen
Ăśbungen, hierher kehrte man nach denselben zurĂĽck, strich mit
dem Schabeisen [strigilis] Staub und Ol ab [destringere se) und
ging dann durch das Vorbassin E in das Schwimmbad. Sicher
ist dieser Auskleideraum das in der Inschrift (S. 194) erwähnte
Destrictarium , der »Abstreicheraum«, zwar nicht das von Ulius
und Aninius erbaute — denn alle diese Räume sind, ihrer Bau-
art nach, jüngeren Datums — aber ein an die Stelle desselben
getretenes.
Von den in der Palästra betriebenen Übungen ist nur eine
einzige Spur geblieben: die schon oben (S. 194) besprochene
Bahn aus Tuffsteinen mit den Steinkugeln.
In dem kleinen Zimmer J, mit Fenstern auf die Palästra und
auf den Platz der Kugelspieler, hatte vielleicht ein Aufseher der
Palästra (oder ihrer mehrere) seinen Platz. Man fand hier ein
groĂźes bronzenes Kohlenbecken, gestiftet, nach der darauf an-
gebrachten Inschrift, von M. Nigidius Vaccula, dessen Name auch
noch durch eine Kuh [vaccd] in Relief angedeutet ist. Da Vaccula
ein ebensolches Kohlenbecken nebst Bänken in das sonst nicht
heizbare Tepidarium der Badeanstalt beim Forum stiftete, so
liegt die Vermutung nahe, daĂź die Schenkung auch hier dem
Tepidarium galt und stattfand, bevor dieses seinen Heizapparat
erhielt. Wir wissen aus den Quittungstafeln des Caecilius Jucundus
von einem kurz vor 54 n. Chr. gestorbenen Nasennius Nigidius
Vaccula. Vielleicht ist dies der Schenker. Freilich konnte er
die Schenkung lange vor seinem Tode gemacht haben, aber
XXVII. Die Stabianer Thermen.
203
doch kaum vor 20 n. Chr. Erst nach dieser Zeit wäre also das
Tepidarium heizbar gemacht worden.
Die Portiken umgaben ursprünglich gleichmäßig drei Seiten
der Palästra: dorische Säulen, aus Tuff, mit feinem weißen Stuck
überzogen, nicht hoch, aber von schlanken Verhältnissen (Höhe
2,78 m, Durchmesser 0,40 m. Abstand 1,50 m), gekantet, nicht
kannelliert, ohne Zweifel mit Triglyphengebälk, von dem freilich
nichts erhalten ist. Einige Trommeln gröberer Arbeit gehören
wohl der Ausbesserung des Ulius und Aninius an. In der Kaiser-
zeit, wahrscheinlich schon
vor dem Erdbeben des
Jahres 63 , fand eine
grĂĽndlicheUmgestaltung
im Sinne des mittler-
weile ganz veränderten
Geschmackes statt. Die
Säulen, Schaft und Ka-
pitell, erhielten eine
dicke StuckhĂĽlle; das
unterste Drittel wurde
rot angestrichen ; im
ĂĽbrigen blieb der Schaft,
an dem eingedrĂĽckte
Linien die KannelĂĽren
andeuten, weiĂź; ebenso das in Stuck modellierte Rankenkapitell.
Das auf einer Holzbohle aufgemauerte Gebälk wurde mit buntem
Stuckrelief verziert (Fig. 98). Gleichzeitig wurde die gleichmäßige
Säulenstellung unterbrochen durch ein besonderes Eingangsmotiv,
dem ein gleiches Motiv auf der RĂĽckseite entspricht : an der Stelle
von je vier Säulen zwei längliche, jederseits in eine Halbsäule
auslaufende Pfeiler.
Von der namentlich auf der AuĂźenwand von D und E er-
haltenen phantastisch -anmutigen Dekoration der Palästra geben
Fig. 99 und Taf. XIII eine Vorstellung. Es sind Motive des letzten
Dekorationsstils: leichte, laubenartig in zwei Stockwerken sich
aufbauende Architekturen in weiĂźem Stuckrelief. Die zwischen
ihnen von reich und kraus verzierten Säulchen und ihren Ge-
bälken eingfeschlossenen Flächen sind g-roßenteils ausgefüllt mit
Fig. 98.
Säulenhalle der Stabianer Thermen: Kapitell
und Gebälk.
204 Pompeji.
lebhaft rotem oder blauem Grunde, vou dem sich allerlei figĂĽr-
liche Darstellungen teils in Stuckrelief, teils gemalt abheben.
Über dem gewölbten Durchgange zu E sitzt Jupiter, auf das
Szepter gestĂĽtzt; neben ihm auf einem Pfeiler der Adler. Weiter
links Herakles, dem ein kleiner Satyr ein Trinkhorn reicht. Deut-
liche Beziehung auf die Bestimmung dieser Räume zeigt ein jetzt
kaum kenntliches Stuckrelief: Hylas, bei der Quelle von den
Fig. 99. Sildwestecke der Palästra der Stabianer Thermen. Siiulenhalle und Wand mit
Stuckreliet.
Nymphen geraubt (Taf XIII). Anderes deutet auf die Ăśbungen
der Palästra; so im Eingange von E links ein Faustkämpfer,
rechts ein Mann, der sich mit dem Schabeisen die linke Seite
abstreicht. An der Außenwand von G Daedalus, beschäftigt die
FlĂĽgel fĂĽr sich und Icarus anzufertigen.
An der Wand der hinteren (nördlichen) Säulenhalle steht noch
jetzt eine Herme, darstellend einen jungen Mann mit ĂĽber den
Kopf gezogenem und den Oberkörper einhüllendem Gewände.
»Im Gymnasium zu Phigalia«, sagt Pausanias, »steht das Bild
XXVII. Die Stabianer Thermen.
205
des Hermes; es gleicht einem, der in ein Gewand gehĂĽllt ist,
und läuft statt der Füße in einen viereckigen Pfeiler aus.« Es
ist Hermes, der Gott der Palästra, merkwürdigerweise freilich, hier
und in Phigalia, in einer Gestalt, die fĂĽr ihn als Psychopompos^
als Todesgott, erfunden sein muĂź (vgl. S. 83).
Auf dem Dachrande des Frigidariums der Männer (V) stand
eine Sonnenuhr, deren oskische Inschrift besagt, daß der Quästor
Maras Atinius sie machen lieĂź, auf RatsbeschluĂź, aus Strafgeldern.
Wir mögen denken, daß diese erhoben wurden durch den in J
sitzenden Aufsichtsbeamten. Sonnenuhren hatten auch die anderen
Badeanstalten Pompejis und muĂźten sie haben, da sicher ihre
Tätigkeit an bestimmte Stunden gebunden war. Für Rom ver-
ordnete Hadrian, daß die öffentlichen Bäder von der achten
Stunde, 2 Uhr Nachmittags an geöffnet sein sollten; wahrschein-
lich galt diese oder eine ähnliche Stunde auch in Pompeji.
Laut genug mochte es einst in diesem Hofe hergehen. »Die
Ruhe«, sagt Seneca, »ist zum Studium nicht so notwendig, wie
man wohl denkt. Ich wohne an einem Bade. Denke dir jede
Art von Geräusch, die das Ohr verletzen kann. Stärkere Leute
machen Übungen und schwenken die bleibeschwerten Hände;
ich höre ihr Stöhnen, wenn sie sich anstrengen oder doch so
tun, ihren pfeifenden und schweren Atem, wenn sie die ange-
haltene Luft loslassen. Ist aber einer plebejisch träge und läßt
sich blos salben, so höre ich den Ton der seine Schultern tref-
fenden Hand, verschieden, je nachdem sie flach oder hohl auf-
schlägt. Kommt nun gar ein Ballspieler und beginnt die Würfe
zu zählen, dann ist alles aus. Dazwischen wird gezankt, oder
ein Dieb ertappt, oder einer freut sich im Bade seiner Stimme.
Andere springen mit groĂźem Geplatsch in das Schwimmbad.
Und auĂźer denen, die doch wenigstens eine richtige Stimme
haben, läßt von Zeit zu Zeit der Haarrupfer, um sich bemerk-
lich zu machen, seine dünnen und schrillen Töne hören; er
schweigt nur, wenn er einem anderen, den er unter den Achseln
rupft, Schmerzensschreie entlockt. Dazu die Rufe der Verkäufer
von Kuchen, Würsten und Süßigkeiten. « So buntes und tobendes
Leben erfüllte einst die jetzt so stillen Räume.
Kapitel XXVIII.
Die Thermen beim Forum.
Kleiner und einfacher als die eben besprochene ist die Bade-
anstalt nördlich vom Forum; doch sind die Räume der Anlage
wesentlich dieselben: der Hof (C) mit den Portiken (B), Apody-
terium, Frigidarium,
Tepidarium, Caldarium
der Männer (I — IV),
dieselben Räume des
Frauenbades ( i — 4),
zwischen beiden, zu-
nächst den Caldarien,
die Feuerstelle (V). Da-
zu ringsum auf die
Straßen geöffnete Lä-
den mit Nebenräumen.
Die Anstalt ist er-
baut worden um die-
selbe Zeit, wo Ulius
und Aninius die Sta-
bianer Thermen er-
neuerten; ihr Mauer-
werk ist das fĂĽr die
erste Zeit der Kolonie
charakteristische Qua-
sireticulat, gleichartig
dem des kleinen Theaters und des Amphitheaters. Eine in zwei
Exemplaren gefundene Inschrift nennt die Erbauer: L. Caesius
C. F. d{tium)v[ir] i[iiri) d{icnndo\ C. OccĂĽis M. F.^ L. Niracmiiis
A. F. II v[iri) d[e) d[eciirioniim] s[entcntid) ex pequnia publ[icä)
fac[mndum] airar[unt) prob[ariiiit] (/[uc].
Fig. 100. GrundriĂź der Thermen beim Forum. A, A' Ein-
gänge von der Straße zum Hofe. B Säulenhalle. C Garten.
D Hof beim Frauenbad. I— IV. Männerbad. (I. Apodyterium.
II. Frigidarium. III. Tepidarium. IV. Caldarium). V. Heiz-
raum. I — 4. Frauenbad (i. Apodyterium. 2. Bassin für kalte
Bäder. 3. Tepidarium. 4. Caldarium). c Abtritt, ti Sonnen-
uhr. _^' Brunnen.
XXVIII. Die Thermen beim Forum.
207
Also ein Rechtsduumvir L. Caesius und zwei »Duumvirn< —
es sind zweifellos die Adilen: s. S. 11 — C. Occius und L. Nirae-
mius, haben auf Stadtkosten den Bau errichten lassen und ap-
probiert. Der Kollege des Caesius war wohl während des Amtes
gestorben.
C ist ein Garten, keine Palästra; er ist dafür zu klein, auch
fehlen Auskleideräume und Schwimmbad; die Portiken (B) waren
mit Absicht, zu Gunsten malerischer Wirkung, unsymmetrisch
angelegt: im Westen und Norden weitläufig stehende schlanke
Säulen mit vermutlich sehr einfachem und niedrigem Gebälk;
im Osten breite Pfeiler, verbunden durch niedrige Bögen. Über
diesen ein oberer, auch auf den Garten geöffneter Gang, zugäng-
lich aus den Oberzimmern einiger auf die östlich vorbeiführende
Straße geöffneten Schankwirtschaften, deren Gäste also den Vor-
zug genossen, das Treiben im Garten beobachten zu können.
Die städtische Verwaltung wird nicht versäumt haben, mit Rück-
sicht hierauf die Miete zu steigern. Auf die Nordseite öffnet sich
eine Exedra (^), in die man sich zu ruhigerem Gespräch aus dem
lebhaften Treiben der Portiken zurĂĽckziehen konnte. Alles dies
höchst einfach; die dorischen Säulen unkanneliert, Säulen und
Wände unbemalt : zu unterst rötlicher Ziegelstuck, darüber weißer
Bewurf; an der Nordwand gemauerte Bänke. Zwei Eingänge von
zwei StraĂźen; der eine (A), von der frequenteren StraĂźe, ist
rechtwinkelig gebrochen, um das Hereinsehen zu hindern; an
dem anderen (A') liegt der Abtritt [c).
Ein dritter Gang {a) führt in das auch von der nördlichen
Straße (bei e) zugängliche Männerapodyterium (I). Es hat an
den Wänden gemauerte Bänke, aber keine Wandnischen, wie in
den Stabianer Thermen; hölzerne Regale dienten zum Auflegen
der Kleider. Die kleine dunkle Kammer {/] diente vielleicht
zur Aufbewahrung des Salböls ;Elaeothesium). Unklar bleibt,
weshalb man das Apodyterium durch einen Gang mit dem Heiz-
raum (V) verbunden hat. Das Licht trat ein durch ein Fenster
in der SĂĽdlĂĽnette, verschlieĂźbar durch vier 13 mm dicke, in
einem Bronzerahmen um zwei Zapfen drehbare Glasscheiben,
Ahnlich fand man es auch im Tepidarium. Schön und großartig
komponiert ist das Stuckrelief der Lünette: mächtige Tritoncn
mit Gefäßen auf den Schultern; dazwischen unter dem Fenster
208
Pompeji.
eine Oceanusmaske. Unter dieser eine von Ruß geschwärzte
Nische fĂĽr eine Lampe, wohl mit mehreren Flammen. Eben-
solche Nischen sind auch im Frigidarium, Tepidarium (Fig. loi)
und Caldarium. Man badete also auch abends.
Das Frigidarium (II) gleicht fast genau dem der Stabianer
Thermen, ist aber besser erhalten. Die runde Lichtöfifnung in
der Spitze der kegelförmigen Kuppel hat eine rechtwinkelige
Erweiterung nach Süden, um möglichst viel Sonne einzulassen.
I i^;. IUI. Maniicrtcpidariuni der Thermen beim Forum.
Auf den Wänden Gartenmalerei, wie in den Stabianer Thermen
(S. iq6), aber auf gelbem Grunde, also weniger realistisch und
wohl weniger wirkungsvoll.
Das Tepidarium III (Fig. loi) ist geblieben, wie die Räume der
Stabianer Thermen waren, bevor sie ihren Heizapparat erhielten :
kein hohler Fußboden, keine Hohlwände, Heizung durch ein
großes Kohlenbecken, geschenkt nebst drei zugehörigen Bänken
von M. Nigidius Vaccula (S. 202), dessen Name hier auch durch
die Füße der Bänke — Kuhfüße, oben je mit einem Kuhkopf —
XXVIII. Die Thermen beim Forum.
209
angedeutet ist. An den Wänden die Nischen, von denen wir
dort nur Spuren fanden; einige derselben sind später, wir wissen
nicht weshalb, zugemauert worden. Vor die Zwischenwände der
Nischen treten Tonfiguren vor: robuste, wild aussehende, nackte
oder nur mit einem Schurz bekleidete Männer (Atlanten), die, auf
einer unten vorspringenden Platte stehend, mit ihren erhobenen
Unterarmen das Kämpfergesims tragen.
Am Tonnengewölbe sind beträchtliche Reste reicher Stuck-
reliefs erhalten. Ringsum gleich über dem Kämpfergesims ein
Arabeskengewinde, weiĂź auf weiĂźem Grunde ; darĂĽber in Feldern
verschiedener Größe auf weißem, hellblauem und violettem Grunde
Figuren und Ornamente in weiĂźem Stuckrelief: Amor auf den
Fig. 102. Längenschnitt des Männercaldariums.
Bogen gestĂĽtzt, Apollo auf dem Greif, Ganymed mit dem Adler,
Amoren auf Seepferden, u. a. m. Diskret und vornehm wirken die
farbigen GrĂĽnde, gut gestimmt und ohne grelle Kontraste.
Das Caldarium (IV) ist trefflich erhalten, nur ein Teil der
Wölbung zerstört. Unser restaurierter Längenschnitt (Fig. 102)
zeigt die Hohlräume unter dem Fußboden und in den Wänden.
Rechts die marmorbekleidete Wanne mit den Stufen zum Ein-
steigen und der schrägen Rückwand [piilvinus\ links das Labrum
in seiner Apsis (Schola), unter einem Fenster, entsprechend der
Vorschrift Vitruvs: der Schatten der Umstehenden durfte nicht
auf das Labrum fallen. Dieses trägt eine Bronzeinschrift, nach
der Cn. Melissaeus Aper und M. Staius Rufus, Duumvirn 3 — 4
n. Chr., es auf RatsbeschluĂź fĂĽr 5250 Ses*-erzen (etwa 1 140 Mark)
machen lieĂźen.
Mau. Pompeji. 2. Aufl.
14
210
Pompeji,
Die in den Stabianer Thermen (S. 199) beobachtete Vor-
richtung zum Warmhalten des Wassers im Alveus war hier nicht
vorhanden: sie war wohl noch nicht erfunden, als dieser Raum
seine letzte Gestalt erhielt.
Fig. 103. Apodytcri'.
Die Stuckdekoration ist einfach : ĂĽber einem niedrigen Marmor-
sockel gelbe Wände, geteilt durch dunkelrote Pilaster, die einen
Karnies mit reich in Stuck ornamentierter roter Vorderfläche
tragen; quer kanneliiertes Tonnengewölbe; nur in der Nische
des Labrums reicherer, auch figĂĽrlicher Deckenschmuck. Drei
nach Süden gerichtete Fenster mochten nur ein mäßiges Licht
in dem langgestreckten Räume verbreiten.
XXVIII. Die Thermen beim Fonim. 211
Das Frauenbad (i — 4) ist kleiner, einfacher und von unregel-
mäßigem Grundriß, die Heizeinrichtungen aber vollkommener,
indem hier auch das Tepidarium (3) durch den hohlen F'uĂźboden
und Hohlwände geheizt wurde. In allen diesen Räumen sind die
Wölbungen unversehrt, im Apodyterium (i, mit Frigidarium in
der Nische 2) und Tepidarium auch die Wände, in jenem weiß,
in diesem sehr einfach im letzten Stil auf gelbem Grunde bemalt.
Dagegen sind im Caldarium (4) der hohle FuĂźboden und die
Hohlwände gänzlich zerstört, die Wanne — sie stand in der großen
Nische für den Eintretenden rechts, zunächst der Feuerstelle —
ganz verschwunden, vom Labrum nur der Untersatz erhalten.
Vermutlich waren diese Teile durch das Erdbeben des Jahres 63
beschädigt worden und sollten erneuert werden.
o
Mit dem Garten C hat das Frauenbad keine Verbindung.
Vor dem Eingang von der Nolaner StraĂźe ist ein Warteraum
fĂĽr die Dienerinnen [k), bedeckt und von der StraĂźe durch eine
dĂĽnne Mauer getrennt.
In dem von der Straße zugänglichen Heizraum (V) erkennen
wir die Plätze der drei großen zylinderförmigen Kessel für heißes,
laues und kaltes Wasser. Größeren Wasservorrat enthielt der
teils durch den auf die flachen Dächer fallenden Regen, teils aus
der Leitung gespeiste Brunnen (g). Durch den erhöhten Gang
neben den Kesseln und weiter durch den engen gewölbten Gang //
gelangen wir in den auch von der Straße zugänglichen kleinen
Hof oder Garten D, aus dem eine Treppe auf die flachen
Dächer des Männerbades führt. Ferner stehen hier zwei Säulen,
unsymmetrisch und verschieden gestaltet. Die eine [d], 5,60 m
hoch, bis zur Höhe von 1,48 m mit einem Ziegelmantel von
1,20 Durchmesser umgeben, trug wohl sicher eine Sonnenuhr
(vgl. S. 205), die andere vielleicht eine Statuette oder sonst einen
Ziergegenstand, wie dergleichen oft in Wandgemälden erscheint.
z ist ein kleiner unterirdischer Raum unbekannter Bestimmuno-.
14"
Kapitel XXIX.
Die Centralthermen.
Um 60 n. Chr. besuchte Seneca die Villa bei Liternum, in
der der ältere Scipio seine letzten Jahre (bis 183 v. Chr.) ver-
lebte, und berichtete ĂĽber diesen Besuch in einem uns erhaltenen
Briefe (Ep. 86). Besonders ausfĂĽhrlich spricht er ĂĽber das Bad,
dessen Einfachheit er
vergleicht mit den ge-
steigerten AnsprĂĽchen
seiner eigenen Zeit.
Wir können hier nicht
die ganze Auslassung
des wortreichen Philo-
sophen wiederholen;
er spricht auch von
mancherlei Luxus, der
in Pompeji nicht vor-
kommt. Besonderen
Eindruck aber machte
ihm die Dunkelheit
des alten Bades, dem
nur kleine Ă–ffnungen,
»mehr Ritzen als Fen-
ster«, ein schwaches Licht gaben, im Vergleich mit den durch
große Glasfenster erhellten Baderäumen seiner Zeit. Jetzt verlangt
man, sagt er, in hellem Lichte abgebrĂĽht zu werden [in viulta
litce decoqui) und wo möglich auch noch eine schöne Aussicht
zu genießen. Einen ähnlichen Eindruck erhalten wir, wenn wir
nun, nach den Bädern aus vorrömischer und sullanischer Zeit
eine Anstalt betreten, die zur Zeit des Unterganges noch im Bau
begriffen war. Wir nennen sie die Centralthermen, wegen ihrer
Fig. 104. Grundriß der Centralthermen. d Palästra.
h Schwimmbad, k, jii, n, o Läden. / Apodyterium. q Te-
pidarium. r Laconicum. i Caldarium. jt, y Heizräume.
XXIX. Die Centralthcrniea.
213
Lage am Kreuzpunkt der beiden HauptstraĂźen, der Stabianer
und Nolaner StraĂźe.
Drei Eingänge {a, «', a") führen von drei Straßen in die
weite Palästra, in der mancherlei Reste demolierter Häuser kennt-
lich sind. Um beim Bau Wasser zur Hand zu haben, hatte man
ein altes Impluvium (auf dem Plan angegeben) mit einer niedrigen
Mauer umgeben und ein Leitungsrohr hineingefĂĽhrt. Nur auf
einem Teil der Nordseite war die Stufe für die Säulen des
Portikus gelegt, etwas weiter die Rinne zur Aufnahme des Regen-
wassers, im ĂĽbrigen nur die Fundamente. An der Ostseite das
groĂźe Schwimmbad (//), nur erst gegraben, noch ganz ohne Ver-
kleidung; so auch der Kanal, der von dort aus zur SpĂĽlung des
Abtritts {e) dienen sollte. In ÂŁâ– und /, letzteres mit zwei Fenstern,
mögen wir Auskleideräume erkennen.
Von den zwei kleinen Räumen neben dem Nordeingang {d, c)
war vielleicht einer die Kasse, an der EinlaĂźmarken zu den
Baderäumen ausgegeben wurden; in dem andern nahm vielleicht
der Capsarius die Wertsachen der Badenden in Verwahrung.
Die Anstalt ist kein Doppelbad; alle Räume sind nur einmal
vorhanden. An die, wie es scheint, seit Nero verbreitete, v^on
Hadrian, Marc Aurel und später von Severus Alexander verbotene
Unsitte des gemeinsamen Badens beider Geschlechter ist hier
nicht zu denken ; denn wenn auch sittenlose Frauen die Männer-
bäder besuchten, so gab es doch sicher keine hierauf berechneten
städtischen Anstalten. Sondern entweder waren hier den Frauen
besondere Stunden vorbehalten, oder es war, wahrscheinlicher, auf
sie ĂĽberhaupt nicht gerechnet, da ihnen die anderen Anstalten
genĂĽgten.
Aus der Palästra treten wir durch zwei Türen zunächst in
einen bedeckten, durch mindestens vier Fenster erleuchteten
Vorraum (z), auf den sich vier Räume teils [n o) mit weiten Ein-
gängen , teils [k in) mit breiten Fenstern öffnen : wohl sicher
Läden, in denen Badegeräte, auch wohl Speisen und Getränke
zu haben waren.
Die Baderäume waren noch in Arbeit. Die Hohlräume der
Fußböden und Wände im Tepidarium, Caldarium nnd Laconicuni
[(] r s) waren fertig; es fehlten aber die Heizöfen 'bei x y].
Wölbungen und Lünetten hatten ihr weißes Stuckrelief. \'on dem
214
Pompeji.
freilich sehr wenig erhalten ist; die Wände aber waren noch
unbemalt, nur mit rötlichem Ziegelstuck bekleidet. So warteten
auch die Bassins und Wannen noch ihrer Marmorbekleidung.
Apodyterium, Tepidarium und Caldarium [p q s] haben je
drei große Fenster nach Südwest auf die Palästra, das Calda-
rium auĂźerdem noch fĂĽnf kleinere nach SĂĽdost auf einen kleinen
Garten (Ăź); die Mauer, mit der man diesen einzufassen begonnen
hatte, sollte, mit Pflanzen und ähnlichen Motiven bemalt (wie in
Fig. 105. Centralthermen: Blick von der Palästra auf das Tepidarium.
den Frigidarien der anderen Bäder), den Augen der Badenden
das Treiben der bei der Feuerstelle beschäftigten Heizknechte
entziehen. Also viel Sonne, namentlich am Nachmittag, der
Hauptbadezeit; wie ja auch Vitruv vorschreibt, die Fenster der
Bäder möglichst nach Südwest, sonst nach Süden zu richten.
Dazu die Gelegenheit, aus den Fenstern das Treiben in der
Palästra und namentlich im Schwimmbadc zu beobachten; ganz
anders als in den älteren Bädern, die nur durch kleine, hoch-
gelegene Fenster und Öffnungen im Gewölbe das notwendigste
Licht erhielten. Selbstverständlich mußten alle diese großen
Fenster durch Glasscheiben geschlossen sein.
XXIX. Die Centralthermen.
215
Alles groĂź und einfach. FĂĽr das kalte Bad kein besonderer
Raum, nur im Apodyterium, den Fenstern gegenĂĽber, die groĂźe,
1,40 m tiefe Wanne. Durch drei Wasserstrahlen aus kleinen
Nischen, einer in jeder Wand, sollte sie gespeist werden; der
AbfluĂź, oben am Rande im MaĂźe des Zuflusses, unten am Boden
zu gänzlicher Ausleerung, erfolgte durch zwei Röhren, durch die
Wand hindurch in ein AbfluĂźbassin [w) und weiter auf die StraĂźe.
Das Tepidarium (^) ist, wie gewöhnlich, der kleinste der drei
Säle. Das Caldarium hat zwei Wannen der gewöhnlichen Form,
in denen etwa 26, allenfalls 28 Personen gleichzeitig baden
konnten. Eine dritte, kleinere, an der SĂĽdostseite vertrat die
Stelle des Labrum. Zwei Feuerstellen, bei x und jj', waren be-
absichtigt, aber noch nicht gebaut; nur die Heizkanäle sind vor-
handen und über jedem derselben die gewölbte Öffnung für den
halbzylinderförmigen Kessel [teshidd] zum Warmhalten des Wassers
(S. 199). Von X aus sollte auch das Laconicum, der trockene
Schwitzraum fr), geheizt werden: ein runder, durch vier halb-
runde Nischen erweiterter, von einer Kuppel bedeckter Raum,
mit hohlem Fußboden und Hohlwänden, erhellt durch drei kleine
runde Fenster gleich ĂĽber dem Ansatz der Kuppel. Eine weitere
runde Öffnung in dem (nicht erhaltenen] Scheitelpunkt der Wöl-
bung konnte man, nach Vitruv, durch eine in Ketten hängende
Bronzescheibe mehr oder weniger schlieĂźen und so die Temperatur
regulieren. Zugänglich ist das Laconicum aus dem Tepidarium
und aus dem Caldarium; es mochten wohl manche auch vor dem
warmen Bade hier schwitzen und also aus dem Tepidarium durch
das Laconicum ins Caldarium gelangen; manche mochten auch,
um einen allzu schroffen Temperaturwechsel zu vermeiden, aus
dem Laconicum kommend den Weg durch das Caldarium nehmen.
In dem Raum zwischen den Baderäumen und der östlich
vorbeifĂĽhrenden StraĂźe wollte man offenbar bei z einen kleinen
Pfeilerportikus und vor demselben vielleicht einen kleinen Garten
anlegen. Nahe der SĂĽdostecke steht ein massiver Pfeiler, nach
SĂĽden orientiert, wohl sicher bestimmt eine Sonnenuhr zu tragen.
Kapitel XXX.
Das Amphitheater.
Fern von den übrigen Ausgrabungen liegt im südöstlichen
Winkel der Stadt der Schauplatz der Tierhetzen und Gladiatoren-
kämpfe, das Amphitheater. Die Pompejaner nannten es den
> Schauplatz* schlechthin, spectacula. Von seiner Erbauung gibt
eine in zwei Exemplaren erhaltene Inschrift Kunde: C. Qiihictins
C. f. Valgus^ M. Porcius M. f. diio vir{i) quinq[uennales) coloniai
honoris caiissa spectacula de siia peq[unia) fac[iunda) coer. et colo-
neis locum in perpetuom deder[unt].
Es sind die Erbauer des kleinen Theaters, die aus AnlaĂź
ihrer Amtsführung [honoris caussa) das Gebäude auf eigene Kosten
errichten ließen. Es mag etwa fünf Jahre später als jenes fertig
geworden sein. Auf die erste Zeit der römischen Kolonie weist
auch die altertĂĽmliche Ortographie der Inschrift und das Mauer-
werk, ähnlich dem des kleinen Theaters und der Thermen beim
Forum.
Aber nicht von Rom ist den Kolonisten die Anregung zu
diesem Bau gekommen. Früher und stärker als in Rom war in
Campanien die Leidenschaft für die Gladiatorenkämpfe entwickelt.
Strabos Bericht, daß dort bei Gastmählern Gladiatoren auftraten,
in größerer oder geringerer Zahl, je nach dem Range der Gäste,
bezieht sich auf die Zeit vor dem hannibalischen Kriege, während
fĂĽr Rom es ein Ereignis war, daĂź im Jahre 263 bei einem Be-
gräbnis drei Paare, im Jahre 216 bei einer gleichen Gelegenheit
22 Paare auf dem Forum kämpften. So hatte man auch in
Campanien viel früher eigene Gebäude für solche Schauspiele
als in Rom, wo noch bei den Kampfspielen Caesars 46 v. Chr.
die Zuschauer auf HolzgerĂĽsten saĂźen und erst unter Augustus,
29 V. Chr., fast 50 Jahre nach der Zeit des Valgus und Porcius,
Statilius Taurus das erste steinerne Amphitheater baute. Man
s
^
^
<
XXX. Das Amphitheater.
217
nimmt an, daĂź in Capua schon frĂĽher als in Pompeji ein Amphi-
theater war; das noch jetzt dort erhaltene ist viel jĂĽnger. Im
übrigen ist unser Gebäude das älteste aller erhaltenen oder durch
schriftliche Nachrichten bezeugten Amphitheater.
Mit Durchmessern — ohne die ringsum laufende Terrasse (10;
vgl. Fig. 106) — von etwa 140 m und 105 m, gegen 188 m und
156 m beim Colosseum, 190 m und 144 m in Puteoli, 170 m und
140 m in Capua, Raum bietend fĂĽr 20000 Personen, ist es ein
Amphitheater mittlerer Größe, etwa wie die in Arles und Nismes.
Ohne Zweifel aber war bei Anlegung der erwähnten Terrasse die
Absicht vorhanden, sie gegebenen Falls zu ĂĽberbauen und ĂĽber
Fig. 106. Das Amphitheater von Westen gesehen. Photogr. Brogi.
ihr die Sitzreihen bis an ihren äußeren Rand zu erweitern, mit
einem gewölbten Rundgang unter dem obersten Rang. Dann
wären die Durchmesser auf 154 m und 120 m gestiegen, etwa
wie in Verona und Sevilla. Indes scheint sich hierfĂĽr kein Be-
dĂĽrfnis herausgestellt zu haben. Teils deshalb, teils weil die Arena
und die untersten Stufen unter das äußere Niveau vertieft sind
(siehe Durchschnitt Fig. 109), erscheint der Bau von auĂźen
(Fig. 106) sehr niedrig und bescheiden.
Von unterirdischen Räumen, wie im Colosseum, in Capua, in
Puteoli, ist hier keine Spur; der groĂźartige Dekorationsapparat,
dem sie dienten, ging ĂĽber die Mittel der kleinen Stadt.
Der Kampfplatz, die Arena (Taf. VI), ist umgeben von einer
2 m hohen Mauer, deren zur Zeit der Ausgrabung wohl erhaltene
Malereien jetzt nur noch durch die im Museum zu Neapel auf-
bewahrten Kopien bekannt sind: schmale und breite Felder, in
2l8
Pompeji.
jenen je eine Herme zwischen zwei Säulen, in diesen abwechselnd
ein schuppenartiges Muster und eine Szene aus den Kampfspielen.
Eine dieser Szenen (Fig. 107) zeigt die Vorbereitungen zum
Kampfe. Die beiden Gegner, von denen der eine ein groĂźes
Hörn bläst (mehrere solcher Hörner sind in Pompeji gefunden
worden), sind noch nicht vollständig gerüstet. Je zwei Diener
halten fĂĽr den einen Helm und Schwert, fĂĽr den andern Helm
und Schild bereit. Ein Aufseher zieht im Sande den Kampf-
ring. Rechts und links im Hintergrunde eine Viktoria mit Kranz
und Palme.
Fig. 107. Vorbereitungen zum Kampfe. Wandgemälde aus dem Amphitheater.
Zwischen den Steinen der Travertinbekrönung dieser Um-
fassungsmauer finden sich stellenweise Eisenspuren, wohl Reste
einer Vergitterung, um die Zuschauer gegen die SprĂĽnge der
wilden Tiere zu schĂĽtzen. DaĂź sie nicht ringsum vorhanden
sind, beruht wohl auf einer zur Zeit der VerschĂĽttung im Gange
befindlichen Ausbesserung.
Zwei 5 m weite Eingänge (3, 3A) führen an den Enden der
größeren Achse in die Arena, der eine, von Nordwesten, in
grader Linie, der andere rechtwinkelig umbiegend, weil dort in
der Fortsetzung der Achse die Stadtmauer liegt. Durch sie zogen
die Gladiatoren ein; anfangs alle in festlichem Zuge, dann einzeln
die zum Kampfe bestimmten Paare. Ein dritter Gang (5, ^), eng
und dunkel, fĂĽhrt in der Mitte der Westseite ins Freie: es ist
die Porta Libitinensis, das Totentor, durch das die Gefallenen
entfernt wurden. An jedem dieser drei Gänge Hegt, nahe der
XXX. Das Amphitheater.
219
Arena, eine kleine dunkle Kammer (/). Man hat wohl gesagt,
hier seien die wilden Tiere eingesperrt gewesen; aber dazu hätte
es größerer und zugänglicherer Räume bedurft. Eher mochten
hier irgend welche Geräte aufbewahrt werden. Die Tiere wird
man in Käfigen in die Arena gebracht haben.
Fig. 108. Clrundriß des Amphitheaters in verschiedener Höhe. Oben die Sitze, unten die ge-
wölbten Gänge unter den Sitzen, i. Podium. 2. G.-ilerie. 3, 3 A. Einlange zur Aren.i. 4. Ge-
wölbter Umgang (Krypta). 5. Porta Libitinensis. 6. Ima cavea. 7. Media cavea. 8. Summa
cavea. 9. Treppen zur Galerie. 10. Terrasse. 11, 11. Doppcltreppcn zur Terrasse. 12, 12. Ein-
fache Treppen zur Terrasse. 13. Turm der Stadtmauer. 14. Stadtmauer, a Erste Praecinctio.
b Zweite Praecinctio. c, d Eingänge zur Krypta, e Eingang zur Perta Libitinensis. f, /Kammern
Die 35 Sitzstufen, derselben Form wie im kleinen Theater
und, wie dort, aus Tuff, erheben sich in drei Rängen [caveae]^
von 5, 12 und 18 Stufen (Fig. 108, 109). Die Stufen des untersten
Ranges sind in der Mitte jeder Langseite unterbrochen durch
eine breite Loge mit nur vier niedrigen und breiten Stufen fĂĽr
die Sessel (Bisellien) des Stadtrats. Auf der Ostseite (im Westen
ist die entsprechende Stelle zerstört) ist die zweite dieser vier
Stufen in der Mitte auf eine Strecke von 3 m unterbrochen;
2 20 Pompeji.
SO daĂź hier auf der untersten Stufe ein noch besonders aus-
gezeichneter Platz von doppelter Breite (sichtbar Taf. VI) fĂĽr den
spielgebenden und Vorsitzenden Beamten entsteht. Ferner ist,
auch auf der Ostseite, diese Loge nachträglich nach Süden zu
erweitert worden (auch dies sichtbar Taf. VI). Vielleicht saĂźen
hier, durch eine ganz niedrige Mauer von den Dekurionen ge-
trennt, die Freigelassenen, namentlich die Augustalen, die nicht
Stadträte werden konnten, denen aber doch für irgend welche
Verdienste die »Ehre des Bisellium« verliehen wurde.
Dieser untere und der mittlere Rang waren zugänglich aus
einem unter den ersten Stufen des zweiten Ranges umlaufenden
Gang (4), Krypta werden ihn die Alten genannt haben, aus dem
Treppen in radialer Richtung auf den untersten, in der Richtung
der Peripherie auf den zweiten Rang fĂĽhren. In die Krypta selbst
gelangte man teils aus den beiden schon erwähnten Eingängen der
Arena, teils durch zwei von der Westseite direkt hineinfĂĽhrende
Gänge {c, d). Sie ist in der Mitte der Langseiten unterbrochen.
Auf der Westseite war dies notwendig wegen des zur Porta
Libitinensis fĂĽhrenden Ganges. Da aber diese Unterbrechung
sich ebenso auch auf der Ostseite findet, so muĂź sie noch einen
anderen Grund haben: vermutlich sollten so die Zuschauer der
südlichen Hälfte des ersten und zweiten Ranges gezwungen
werden, ihren Weg durch die etwas unbequem in einem Winkel
an der Stadtmauer gelegenen Südeingänge zu nehmen. Sonst
hätte sich der ganze Verkehr auf die der Stadt und den Haupt-
straßen zugewandten Nordeingänge konzentriert und wäre hier
ein lästiges Gedränge entstanden.
Im Nordeingange sind, wie auch im Plan angedeutet, in das
Pflaster nahe der linken Wand Steine mit viereckigen Löchern
eingelassen: offenbar sollte hier durch eingesetzte und durch
Stricke verbundene Pfähle ein schmaler Gang an der Wand ent-
lang abgeteilt werden. Der Zweck ist leicht zu erraten. Hier
zogen die Gladiatoren aus und ein und wurden auch die zu er-
legenden Tiere in die Arena gebracht. Daher mochte zwar vor
Beginn des Schauspieles der ganze Eingang dem Publikum offen
sein; nachher aber war es aötig, den Weg der Zuschauer von
dem der Gladiatoren zu trennen. So wurde also dieser schmale
Gang an der linken Wand fĂĽr die Zuschauer der linken Seite
XXX. Das Amphitheater.
221
PN
vorbehalten; die rechte, westliche Krypta war wohl nach Beginn
des Schauspieles von hier aus ĂĽberhaupt nicht mehr, sondern
nur noch durch den anderen Eingang [c]
zugänglich.
Eine niedrige BrĂĽstung und hinter die-
ser ein Umgang [praecinctio^ b) trennen den
mittleren Rang von dem obersten. Dieser
ist zwar auch von der Krypta aus zu-
gänglich, durch die den zweiten Rang
durchschneidenden und in keilförmige
Sektoren [ciinei) teilenden Treppen. Seine
eigentlichen Zugänge aber hat er von oben,
von der breiten Terrasse (lo), die in der
Höhe der obersten Stufen umlaufend im
Osten und Süden mit der Oberfläche der
Stadtmauer zusammenfällt, im Westen aber
erstiegen wird auf zwei groĂźen Doppel-
treppen (ii) und zwei einfachen (12) in den
Winkeln zwischen der Rundung des Amphi-
theaters und der Stadtmauer.
Ăśber diese Terrasse erhebt sich noch
eine Art Galerie. Zwei Mauern, reichlich
2 m hoch, durchbrochen von den Zu-
gängen (Vomitoriehj des obersten Ranges,
tragen kleine viereckige Logen von 1,30 m
Tiefe, hinter denen ein 1,40 m breiter,
durch Treppen (9) zugänglicher Korridor
umläuft. Nur jede dritte Loge hat eine
TĂĽr aus dem Korridor; in die ĂĽbrigen
gelangte man durch V^ermittelung eines
an der offenen Seite der Logen umlaufen-
den, nur 80 cm breiten Ganges (2), wie
GrundriĂź Fig. iio zeigt.
Zweifellos sind dies die Plätze der
Frauen, die nach einer Verordnung des
Augustus nur in den obersten Teilen des
Amphitheaters zugelassen waren. In betreff der Sitzstufen dĂĽrfen
wir vermuten, daß der untere Rans: den Behörden und sonstigen
i;^l
22 2 Ponapeji.
bevorzugten Personen, auch Freunden des Spielgebers vorbehalten,
der zweite gegen Bezahlung, der dritte aber unentgeltlich dem
Volke zugänglich war.
Die Bauinschrift des Valgus und Porcius wurde schon oben
(S. 216) erwähnt. Weitere Inschriften sind eingehauen in die
Travertinbekrönung der Umfassungsmauer der Arena. Eine der-
selben lautet : L. Saginiiis II vir i[uri) d[icundo) pr[o) lu{dis et) lii-
[minibus) ex d{ecnrionum] d[ecreto) cun[euni). Ebenso besagen sechs
weitere Inschriften, daĂź ein Duumvir statt der Spiele und der
Illumination einen Cuneus, eine der keilförmigen Sitzabteilungen,
einer sogar ihrer drei hat machen lassen. Eine achte Inschrift
lautet: Mag[istri] pag{i] Aug[usti) F[elicis) S[jiburbani) pro lud[is)
ex d[ecurionum) d[ecreto). Hier wird nicht gesagt, was die Magistri
der Vorstadt (S. 13), statt Spiele zu geben,
haben machen lassen; zweifellos aber war es
auch ein Cuneus. Wir erinnern uns aus der
, . , Inschrift der Stabianer Thermen (S. igi) des
Flg. 110. GrundriĂź der ^ ^ '
Galerie. Gcldcs, das die Duumvirn entweder fĂĽr Spiele
I. Treppen. 2. Logen. ^j^j. f--j. ^jj^ Bauwcrk aufzuwcndcn hatten.
Es scheint also, daĂź das Amphitheater nicht
gleich bei der Erbauung, sondern erst allmählich mit Sitzstufen
versehen wurde, und es bis dahin jedem ĂĽberlassen blieb, es sich
auf dem Abhang so gut er konnte bequem zu machen. Und da
die Organisation des Pagus Augustus Felix in das Jahr 7 v. Chr.
fällt (oben S. 13), so müssen damals die Sitzreihen noch nicht
fertig gewesen sein. Zur Zeit der VerschĂĽttung waren sie voll-
ständig.
Im nördlichen Eingange zur Arena standen sich gegenüber,
in gemauerten Nischen, die Statuen der beiden C. Cuspius Pansa,
Vater und Sohn; die Statuen selbst sind nicht gefunden worden,
die Inschriften aber noch am Platze. Welche Verdienste sie um
das Amphitheater hatten, ist unbekannt. Der Vater war Prae-
fectus ex lege Petronia^ d. h. er war zur Verwaltung des Duum-
virats vom Stadtrat ernannt worden, da keine gĂĽltige Wahl zu-
stande gekommen war (S. 12). IrrtĂĽmlich denkt Bulwer in seinem
bekannten Roman an eine andere Lex Petronia, nach der es
verboten war, Sklaven ohne Richterspruch den wilden Tieren
vorzuwerfen.
XXX. Das Amphitheater. 223
Nach seiner Größe war das Amphitheater nicht nur für die
BĂĽrgerschaft berechnet, sondern auch fĂĽr Besuch aus den Nach-
barstädten, der denn auch nicht ausblieb. Im Jahre 59 n. Chr.
hatte ein gewisser Livineius Regulus, in Rom aus dem Senat
gestoĂźen, sich, wie es scheint, nach Pompeji zurĂĽckgezogen, und
gab hier Gladiatorenkämpfe. Zahlreich kamen auch die Bewohner
des benachbarten Nuceria. Besonders gutes Einvernehmen scheint
zwischen den beiden Städten nicht geherrscht zu haben ; es kam
im Amphitheater zu Sticheleien, weiter zu SteinwĂĽrfen und end-
lich zum Kampf mit bewaffneter Hand, in dem begreiflicherweise
die Nuceriner den kĂĽrzeren zogen; die Zahl der Toten und
Verwundeten war beträchtlich. Die Sache kam auf Klage der
Nuceriner in Rom zur Verhandlung. Nero ĂĽberlieĂź das Urteil
dem Senat, und dieser entschied, daĂź den Pompejanern auf
10 Jahre die Gladiatorenspiele zu untersagen, ihre gesetzwidrigen
Vereine — von denen wir leider nichts Näheres erfahren —
aufzulösen seien. Livineius Regulus und die Hauptanstifter der
Schlägerei wurden in die Verbannung geschickt. Soweit be-
richtet Tacitus. Aus den Ouittungstafeln des Caecilius Jucundus
entnehmen wir des weiteren, daĂź die Duumvirn des laufenden
Jahres ihres Amtes enthoben, Neuwahlen veranstaltet, und den
Gewählten ein außerordentlicher Kommissar [praefechis iuri
dicundo) beigegeben wurde: MaĂźregeln, die zeigen, wie tief die
öffentliche Ordnung erschüttert war.
Diese blutige Schlägerei zeigt ein im Jahre 1869 in einem
Hause in der Nähe der Theater gefundenes, jetzt in Neapel be-
findliches Gemälde (Fig. iii), das uns auch von dem Aussehen
des Platzes um das Amphitheater eine Vorstellung gibt.
Es sah ländlich aus in diesem abgelegenen Winkel der Stadt.
Rechts ein einzelnes Haus, im Vordergrunde Bäume und allerlei
Verkaufsstände. Wir lernen ferner aus diesem Bilde, daß die
Logen der Frauen gewölbt waren. Und endlich zeigt es. wie
auf der SĂĽdseite, mit Benutzung der Stadtmauer und ihrer
TĂĽrme, das Segel [velum) zum Schutz gegen die Sonne auf-
gespannt wurde. Die Pfähle zur Stütze desselben standen in
dem hinter den Frauenlogen umlaufenden Korridor, wo im FuĂź-
boden noch einer der durchlöcherten Steine erhalten ist, in die
sie einsresetzt wurden.
224
Pompeji.
Wir können das Amphitheater nicht verlassen, ohne der zahl-
reichen Ankündigungen von Gladiatorenkämpfen zu gedenken,
die meist an den StraĂźen, aber auch in dem Hofe der kleineren
Thermen, mehrfach auch auf Gräbern, mit roter Farbe aufgemalt
sind. So lesen wir auf einem im Jahre 1886 vor dem Nuceriner
Tor ausgegrabenen Grabmonument: Glad{iatorum) par[iä) XX
Fig. III. Schlägerei zwischen Pompejanern und Nucerinern.
Wandgemälde.
Q. Monni Rufi pug[nabunt) Nola k[alendis) Mais VI. V. Nonas
Maias^ et venatio^ erit^ — »Zwanzig Gladiatorenpaare des Q. Mon-
nius Rufus werden am i., 2. und 3. Mai in Nola kämpfen; es
wird auch Tierhetze sein,< Der Schriftcharakter, mit vielen Li-
gaturen, deutet auf relativ frĂĽhe, vielleicht noch republikanische
Zeit. Dicht dabei auf einem anderen Grabe las man die An-
kĂĽndigung eines in Nuceria stattfindenden Kampfspieles.
Eine andere AnkĂĽndigung lautet: Cn. Ă„llci Nigidi Mai
XXX. Das Amphitheater. 2 2^^
quinq[uennalis) gl{adiatorum) par[ia) XXX et eor[iim) snpp[ositicii]
pugn[abiint] Pompeis VII I. VII. VI K[alendas] Dec[embres) . . .
ven{atio) erit; Maio quinq[ueniiali) feliciter. Paris va[le) — »Dreißig
Gladiatorenpaare des Quinquennalen Cn. AUeius Nigidius Maius,
und deren Ersatzmänner (die für die Getöteten eintraten) werden
kämpfen in Pompeji am 24. — 26. Nov. Auch Tierhetze. Hoch
Maius der Quinquennal! Paris sei gegrüßt!« Paris wird wohl
ein beliebter Gladiator gewesen sein. Cn. AUeius Nigidius Maius
war, wie es scheint zur Zeit des Claudius, ein reicher und mäch-
tiger Mann in Pompeji. In einer anderen gemalten Inschrift
bietet er ein großes Anwesen — Wohnungen und Läden — zur
Miete an (Kap. LVI). Seine Tochter war, wie wir aus der In-
schrift einer ihr gesetzten Statue wissen, Priesterin der Venus
und Ceres.
Nicht nur Duumvirn, auch andere Beamte gaben Spiele:
A. Suetti Certi aedilis faniilia gladiatoria pugnab[it) Pompeis
pr[idie) k[alendas) lunias; venatio et vela erimt — >Die Gladia-
torenbande des Ädilen A. Suettius Certus wird kämpfen in Pom-
peji am 31. Mai; Tierhetze und Schutzdach.« Die Zeit des
Suettius Certus ist unbekannt.
Folgende AnkĂĽndigung kann ziemlich genau datiert werden:
D. Lucreti Satri Valentis flaminis Neronis Caesaris Aug[iisti) fili
perpetui gladiatormn paria XX^ et D. Lucreti Valentis fili glad.
paria X piig[nabimt) Pompeis VI. V. IV. III. pr. Idiis Apr.
venatio legitima et vela ermit. Scr{ipsit) Aemilius Celer sing[uliis]
ad luna[m)^ — > Zwanzig Paare Gladiatoren des Decimus Lu-
cretius Satrius Valens, ständigen Priesters des Nero, Sohnes des
Kaisers (also nach seiner Adoption durch Claudius, 50, und vor
dessen Tod, 54 n. Chr.) und zehn Paare des D. Lucretius Valens
des Sohnes werden kämpfen in Pompeji am 8., g., 10., 11. und
12. April. Vollständige Tierhetze und Schutzdach. Dies schrieb
Aemilius Celer, allein, beim Mondlicht.« Aemilius Celer kommt
als Schreiber solcher gemalten Inschriften auch sonst vor.
AuĂźer diesen allgemein gehaltenen Anzeigen wurde aber auch
noch ein eingehenderes Programm [libelliis) bekannt gemacht
und in Abschriften verkauft. Zu einer ungefähren V^orstellung
von einem solchen Libellus hat uns ein mĂĽĂźiger Pompejaner
verholfen, indem er zwei derselben — bezüglich auf zwei kurz
Mau, Pompeji. 2. Aufl. i-
2 26 Pompeji.
hintereinander, Anfang Mai, stattfindende Schauspiele — in eine
Wand einkratzte, wobei er noch Notizen ĂĽber den Ausgang der
einzelnen Kämpfe hinzufügte. Die Inschrift ist leider zum großen
Teil unlesbar geworden. Wir geben als Probe die Ăśberschrift
und drei der neun Paare des zweiten, besser erhaltenen Pro-
grammes.
Munus N . . . (der Name des Spielgebers fehlt) . . . IV. III.
prid. idus^ idibus Mais (12. — 15. Mai).
T. M.
V.
Pitgnax Ner.
III
p-
Murranus Ner.
III
0. T.
V.
Cycnus lul.
Villi
in.
Atticus lul.
Ess.
XIV
m.
P. Ostorius
LI
V.
Scylax lul.
XXVI
Munus ist die Leistung des Spielgebers. Die ĂĽber den ein-
zelnen Paaren stehenden Buchstaben bezeichnen die Waffengat-
tung. Das erste Paar ist ein Thraex (Thracier) und ein Myrmillo
(gallischen KostĂĽms), das zweite ein Oplomachus (Schwerbewaff-
neter) und ein Thracier, das dritte zwei Essedarii, Wagenkämpfer
britannischen KostĂĽms. Pugnax und Murranus werden bezeichnet
als Neroniani, Cycnus, Atticus und Scylax als Juliani, d. h. sie
sind hervorgegangen aus den von Nero und Julius Caesar be-
grĂĽndeten Gladiatorenschulen (wohl in Capua); es ist bekannt,
daĂź solche Schulen ihre Gladiatoren an die Spielgeber vermie-
teten und auf diesem Wege bedeutende Einnahmen erzielten.
Dagegen ist P. Ostorius, wie der Name beweist, ein freier Mann,
vermutlich ein Libertus, ein ausgedienter und freigelassener Gla-
diator, der auf eigene Rechnung weiter kämpft. Die Zahl ist
die der vorher bestandenen Kämpfe: Ostorius zählt ihrer 51.
Ein Neuling, tiro.^ wurde statt der Zahl durch ein T bezeichnet,
rundlich die vor dem Namen stehenden Buchstaben bezeichnen
XXX. Das Amphitheater. 22 7
den Ausgang des Kampfes; den Sieg [vicit], den Tod [periit)^ die
Begnadigung [inissns)\ sie sind von dem Schreiber der Wand-
inschrift zu dem ihm vorliegenden Programm hinzugesetzt worden.
Neben den offenbar sehr beliebten und meist siegreichen
Julianern und Neronianern erscheinen in den Wandinschriften auch
Gladiatoren anderer Besitzer. So z. B. in den gleich zu erwäh-
nenden Inschriften eines Hauses an der Nolaner StraĂźe teils Freie
teils Sklaven verschiedener Herren, unter denen nur ein bekannter
Name auftaucht. Wir lesen dort : Essed. Auriolus Siscn. Der Besitzer
des Essedarius Auriolus ist höchst wahrscheinlich entweder Sisenna
Statilius Taurus, Konsul i6 n. Chr., oder sein gleichnamiger Sohn.
Ein Statuier war es, der 29 v. Chr. in Rom das erste Amphi-
theater baute. Die Verwaltung desselben blieb in den Händen
der Familie; wir wissen dies durch die in dem Columbarium
ihrer Sklaven und Freigelassenen gefundenen Grabschriften eines
Custos de amphitJieatro und eines Ostiarins (TĂĽrhĂĽter) ab avipJii-
tJieatro. Um so mehr ist es glaublich, daß diese Familie — die
erste Roms nach der kaiserlichen — auch eine Gladiatoren-
schule besaĂź und durch Vermieten an Spielgeber verwertete.
Nach alle dem ist klar, daĂź unter der Truppe [faniilia
gladiatorid) des Nigidius Malus, des Suettius Certus und anderer
nur die von ihnen fĂĽr ein bestimmtes Schauspiel gemieteten
Kämpfer zu verstehen sind. Nach Beendigung des Schauspiels
wurden die Ăśberlebenden zurĂĽckgegeben, die Freien entlassen,
die Toten bezahlt, und die > Truppe« hatte aufgehört zu existieren.
Gelegentlich setzte wohl auch ein Spielgeber, um das Andenken
seiner Leistung zu verewigen, den Gefallenen ein Denkmal. Von
einem solchen, das ein gewisser C. Salvius Capito in Venosa er-
richtete, ist die Inschrift erhalten; sie nennt die Namen der Ge-
fallenen, mit Angabe der Zahl ihrer früheren Kämpfe und Siege:
es sind Freie und Sklaven verschiedener Herren, nur einer,
Optatus, des Capito selbst. Dieser fiel in seinem ersten Kampf,
als Tiro; vielleicht hatte ihn sein Herr wegen irgend eines Ver-
gehens zum Gladiatorenkampfe verurteilt.
Noch zahllose andere Wandkritzeleien zeugen von dem un-
geheuren Interesse, das die Gladiatorenkämpfe erregten. Bald
ist es nur ein Name mit denselben Zusätzen wie in den Pro-
grammen (z. B. Auctus lul. XXXXX)^ bald eine rohe Zeichnung
22\
Pompeji.
eines Gladiators mit rühmender Beischrift, wie z. B. Hermäiscus
invictus hac, — hier ist der unbesiegte Hermäiscus. Oder es sind
Notizen über Kämpfe, die dann auch wohl in rohen Zeichnungen
dargestellt sind. So z. B. auf einer Wand der Casa del Cente-
nario ein fliehender Gladiator von einem andern verfolgt, mit
der Beischrift: Officiosus fugit VIII idus Nov. Druso Caesar e
M. Jwiio Silano cos., — »Officiosus floh am 6. November 15 n. Chr.«
Und in einem anderen Hause bei einer ganz ähnlichen Zeich-
nung neben dem fliehenden die Beischrift: Q. P[e)tromus
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Fig. 112. Ende eines Gladiatorenkampfes. Wandgemälde aus einem Privathause.
0{c)ta[v)us XXXIII m[issus), neben dem Verfolger; Severiis
lib[ertus) XXXXXV v[icit). Severus also war ein ausgedienter
Gladiator, der 55 Kämpfe bestanden hatte, Petronius Octavus
vielleicht ein Freier, der von Anfang an auf eigene Rechnung
arbeitete. Auch Malereien geben Kunde von dem lebhaften In-
teresse für diese Kämpfe; namentlich für Schenkwirtschaften war
ein auf die Wand gemalter Gladiator, auch wohl mit Beischrift
nach Art des Libellus, eine beliebte Zierde. Obiges Bild, aus
einem Privathause, zeigt das Ende eines Kampfes. Der Thracier
— kenntlich an dem gekrümmten Schwert [sica) — ist durch eine
Wunde im linken Arm kampfunfähig geworden: mit erhobenem
XXX. Das Amphitheater. 220
Daumen bittet er um Begnadigung. Umsonst, wie es scheint;
der Gegner ist im Begriff, ihm den TodesstoĂź zu versetzen.
Der Enthusiasmus des weiblichen Geschlechts fĂĽr die Gla-
diatoren ist aus der Literatur bekannt genug, und es wäre wohl
merkwĂĽrdig, wenn sich in den zahlreichen auf Gladiatoren be-
züglichen Wandkritzeleien davon keine Spur fände. In einem
i88q an der Nolaner StraĂźe ausgegrabenen Hause sind die
Peristylsäulen bedeckt mit fast ausschließlich auf Gladiatoren be-
zĂĽglichen eingekratzten Inschriften. Es sind Namen von etwa
30 Gladiatoren, mit Angabe der Waffengattung, des Besitzers,
der Zahl früherer Kämpfe. Zusätze wie v{icit], p[criit)^ m[issus]
fehlen ganz ; vielleicht hat hier die Erwartung eines bevorstehen-
den Schauspieles ihren Ausdruck gefunden. In einem Zimmer
am Peristyl lesen wir: Sainus ID I m{ur7nillo) idem cq[ucs] hie
hab[itat)^ — »Samus, der einmal gekämpft und einmal gesiegt
hat [J bedeutet cor 071a ^ Sieg), Myrmillo und zugleich Reiter,
wohnt hier.« Danach müssen wir wohl annehmen, daß hier
einmal (vor 63 n, Chr.) Gladiatoren wohnten und daĂź die In-
schriften teils von ihnen selbst, teils von bewundernden Besuchern
herrĂĽhren. Den Namen zweier Gladiatoren, des Thraciers Celadus
und des Retiarius (Netzkämpfers) Crescens sind allerlei Zurufe
beigefĂĽgt, die sehr lebhaft das ihnen von dem weiblichen Teil
der Bevölkerung gewidmete Interesse ausdrücken. Celadus heißt
suspirimn puellarimi^ »Sehnsucht der Mädchen«, pm Ilarum dccus^
»Zierde der Mädchen«, Crescens puparmn dominus, »Herr der
Mädchen«, puparmn 7ncdicus, »Arzt der Mädchen«. Wir müssen
dahingestellt sein lassen, ob hier Celadus und Crescens selbst als
milites gloriosi sich ihrer Siege auĂźerhalb der Arena rĂĽhmen,
oder ein sie besuchender Bewunderer, vielleicht gar ein spotten-
der Kamerad dies geschrieben hat.
Kapitel XXXI.
Straßen. Wasserleitung. Straßenaltäre.
Die StraĂźen Pompejis sind von sehr verschiedener Breite.
Am breitesten wohl der sĂĽdliche Teil der MerkurstraĂźe; bis zu
9,58 m; demnächst die Abbondanzastraße (8,53 südlich der Insula
Fig. 113. Ansicht der AbbondanzastraĂźe, nach Osten lli 'kciuI. Links der lirunnen der Concordia
Augusta. Im Pflaster drei Trittsteine.
IV (VII), 14) und die Nolaner StraĂźe, bis zu 8, 36. Die ĂĽbrigen
variieren zwischen 6 und 3 m. Pflasterung fast ĂĽberall, ebenso
Teilung in Fahrdamm und Gangsteig. Nur in den HauptstraĂźen
konnten zwei Wagen sich begegnen; im ĂĽbrigen muĂźten die
StraĂźenkreuzung-en zum Ausweichen benutzt werden. In der
XXXI. Straßen. Wasserleitung. Straßenaltäre. 2 3 1
Pflasterung der HauptstraĂźen sieht man ĂĽberall die Furchen der
Räder, mehr oder weniger tief, je nachdem die vieleckigen Lava-
blöcke aus tieferen und härteren oder aus oberflächlicheren und
weicheren Schichten stammen, an manchen Stellen so tief und
so massenhaft, daĂź Personenverkehr zu Wagen, zumal die antiken
Wagen keine Federn hatten, fast unmöglich war. Es wird hier
sehr anschaulich, daß solcher Verkehr in den Städten verboten war;
die Stelle der Equipage vertrat die Sänfte, das getragene Ruhebett.
Sicher war das StraĂźenpflaster nicht von Anfang an vorhanden.
Ăśber sein Alter geben die einzige Auskunft zwei Inschriften,
deren eine, EX-KQVI, in den Rand des Gangsteiges westlich
der Insula III (IX), 4, die andere, KQ, in das Pflaster zwischen
IV (VII), 2 und 4 eingehauen ist. Sie besagen: ex kalendis
Quinctilibus, vom i. Juli an, und kalendis Quinctilibus^ am i. Juli.
Wahrscheinlich beziehen sie sich irgendwie auf die Pflasterung,
sicher war, als sie eingehauen wurden, das Pflaster vorhanden,
auch in der letztgenannten unbedeutenden NebenstraĂźe; sicher
ist ferner, daß sie älter sind als das Jahr"44':v. Chr., in dem der
Monat Quinctilis den Namen Julius erhielt. Also schon vor
diesem Jahr war Pompeji gepflastert.
Der Gangsteig ist eingefaĂźt von Lava- oder Tufiquadern, im
ĂĽbrigen bald mit kleinen Steinen gepflastert, bald mit einer
meist sehr zerstörten Fußbodenmasse belegt. Und zwar wechselt
die Behandlung des Gangsteiges mit den anliegenden Häusern:
offenbar lag die Unterhaltung desselben den Anwohnern ob. Oft-
mals bezeichnen auch noch in die Oberfläche des Gangsteiges ein-
gelegte Steine die Grenze der einzelnen GrundstĂĽcke.
Um von einem Gangsteig auf den andern zu gelangen,
dienten namentlich an den Kreuzwegen, wo es am nötigsten war,
große, länglich runde, sich über das Pflaster des Fahrweges bis
zu dem Niveau des Gangsteiges erhebende Steine (Fig. 113), bis
zu fĂĽnfen, je nach der Breite der StraĂźe. Sie sind stets so gelegt,
daß für die Wagenräder der Weg frei blieb. Daß es den Zug-
tieren möglich war, zwischen ihnen hindurch zu kommen, erklärt
sich aus der Art der antiken Bespannung; die Tiere waren nur
mittels des Joches an der Spitze der Deichsel befestigt, so daĂź
sie ihr Hinterteil viel freier bewegen konnten als bei moderner
Anschirrung.
232 Pompeji.
Besonders notwendig waren diese Trittsteine, wenn es regnete.
Denn dann floß das Wasser in Strömen auf dem Fahrwege,
Unterirdischer AbfluĂź war nur am Forum (S. 44) ; im ĂĽbrigen
flieĂźt das Wasser einfach auf der StraĂźe ab und wird erst in
der Nähe der Stadtmauern von gpoßen unterirdischen Abzugs-
kanälen aufgenommen, die noch heute vorzüglich ihre Aufgabe
erfĂĽllen. Vom Forum fĂĽhrt einer derselben unter der Via delle
Scuole nach SĂĽden, ein anderer unter der Strada della Marina nach
Westen ; nach Westen auch ein dritter am Westende der nördlich
am Forum vorbeifĂĽhrenden Via degli Augustali und ein vierter
vom Westende der Nolaner StraĂźe aus; ein fĂĽnfter fĂĽhrt von
der AbbondanzastraĂźe, gegenĂĽber dem Eingang der Stabianer
Thermen, nach SĂĽden. Auch im Innern der Stadt sind Kloaken
vorhanden, aber von viel geringeren Dimensionen. Diese sind
noch nicht erforscht worden; es scheint, daĂź sie meist unter
den Gangsteigen laufen. Doch dienten sie nicht zur Aufnahme
des Regenwassers, sondern fĂĽhrten nur den Unrat aus den
Häusern ab. Und auch dies nur in beschränktem Maße; denn
die Abtritte stehen größtenteils nicht mit ihnen in Verbindung,
sondern fĂĽhren in Senkgruben ohne AbfluĂź.
VerkehrsstraĂźen und stille StraĂźen unterscheidet der Besucher
Pompejis auf den ersten Blick: dort Laden an Laden; hier ge-
schlossene Mauern, nur unterbrochen, in größeren Zwischen-
räumen, durch die Hauseingänge; dazu wenige, kleine, meist
hoch gelegene Fenster. Hauptverkehrsadern sind vor allem die
beiden groĂźen, die Stadt durchkreuzenden StraĂźen : die Stabianer
und Nolaner StraĂźe. An letztere schlieĂźt sich die ihr Westende
mit dem Herculaner Tor verbindende sogenannte Strada consolare.
Femer die vom Forum zum Sarnotor fĂĽhrende AbbondanzastraĂźe,
und endlich die vom Nordende des Forums östlich verlaufende
AugustalenstraĂźe mit ihrer Fortsetzung: wohin diese fĂĽhrt und
worauf ihre Bedeutung als Verkehrsader beruht, müssen spätere
Ausgrabungen zeigen. Zu den stillen Straßen gehört auch die
breite, von reichen Leuten bewohnte MerkurstraĂźe; da sie an
der Stadtmauer endet, hatte sie fĂĽr den Verkehr keine Be-
deutung.
Zahlreich sind namentlich an den HauptstraĂźen, und mit Vor-
liebe an den Wegkreuzungen, öffentliche, von der städtischen
XXXI. Straßen, Wasserleitung. Straßenaltäre. 233
Wasserleitung gespeiste Brunnen einfachster Form: ein aus vier
mächtigen, durch Eisenklammern verbundenen Lavaquadern be-
stehendes Bassin; in der Mitte der einen Langseite ein pfeiler-
artig aufstehender Lavastein, durchbohrt, um die Bleiröhre durch-
zulassen, aus der der Wasserstrahl in das Bassin fiel; im Rande
des letzteren eine Einkerbung, durch die das ĂĽberflĂĽssige Wasser
im MaĂźe des Zuflusses auf die StraĂźe ablief Den Pfeiler ziert
meist ein, wie es die Art des Steines bedingt, roh ausgefĂĽhrtes
Relief: ein Adler, der einen Hasen im Schnabel trägt, ein Stier-
kopf, eine MerkurbĂĽste, ein Medusenhaupt, ein ruhender Silen
(Fig. 114), so daĂź das Wasser aus dem Munde oder etwa aus
einem Gefäße fließt. Selten sind Brunnen aus anderem Stein.
Gleich innerhalb des Stabianer Tores steht ein Brunnen aus
Tufl". Schon erwähnt wurde der Travertinbrunnen der Concordia
Augusta (S. 113, Fig. 56). Aus weiĂźem Marmor ist einer in der
Nähe des Seetores, an der Südwestecke der Insula III (VII), 1 5 : sein
Relief zeigt einen Hahn, der ein Gefäß umgeworfen hat, aus
dem das Wasser flieĂźt. Wir dĂĽrfen annehmen, daĂź diese beiden
Brunnen von Privatleuten gestiftet sind: jener von der Eumachia,
dieser von dem Besitzer des anliegenden Hauses III (VII), 15, i — 2.
Ferner stehen an den Straßen gemauerte Pfeiler, i — 1,50 m
im Quadrat, erhalten bis zur Höhe von über 6 m, vielfach be-
deckt mit den Kalkniederschlägen des Leitungswassers, in denen
die Eindrücke zahlreicher Bleiröhren sichtbar sind. An einem
derselben, an der Nordostecke der Insula VI, 13, sind diese
Röhren selbst in großer Zahl erhalten. Meist ist an einer Seite
eine Einkerbung, in der ein stärkeres Rohr von etwa 0,15 m
Durchmesser lag. Diese Pfeiler dienten der Verteilung des
Leitungswassers. Sie trugen je einen ofienen, vermutlich blei-
ernen Behälter [castelhini pluvibeimi)^ in den das Wasser durch
eine starke Röhre hinaufgetrieben wurde, um von da aus durch
viele kleine Röhren an die öffentlichen Brunnen und in die Privat-
häuser verteilt zu werden. Ein solches Bassin stand auch auf dem
Triumphbogen der Merkurstraße (S. 46) ; die Spuren der Röhren
sind hier sehr deutlich. Dieselbe Art der Wasserverteilung be-
steht noch heute in Konstantinopel und in Palermo, hier von den
Arabern eingefĂĽhrt, die sie ohne Zweifel in Konstantinopel kennen
gelernt hatten.
234
Pompeji.
Pompeji war eine wasserreiche Stadt; in allen nicht ganz ge-
ringen Häusern sprang das Wasser, zum Teil in größtem Über-
fluĂź: nicht weniger als sechzehn Strahlen im Hause der Vettier,
sieben im Hause der silbernen Hochzeit und ähnlich in anderen.
Große Massen verbrauchten die öffentlichen Bäder. Es floß in
starken, aus einer Platte zusammengebogenen Bleiröhren birnen-
förmigen Durchschnitts und sehr verschiedenen Durchmessers.
Mit bronzenen Hähnen konnten die einzelnen Läufe gesperrt
werden.
Fig. 114. Brunnen, Wasserleitungspfeiler und StraĂźenaltar an der Ecke der Stabianer und
Nolaner StraĂźe.
Westlich der Badeanstalt beim Forum, von ihr durch die
StraĂźe getrennt, ist ein groĂźes Wasserbassin (Plan Fig. 115). Sein
Boden liegt beträchtlich unter dem Niveau der Straße, so daß
es fĂĽr das Bad nicht benutzt werden konnte. Es ist innen 15 m
lang, 4 m breit; gefĂĽllt bis zur Schwelle des Fensters in der
Westwand faĂźte es etwa 430000 1. Zwei Treppen fĂĽhren in je
zwei Absätzen die eine zu Räumen unbekannter Bestimmung über
der Wölbung des Bassins, die andere hinab zum Niveau seines
Bodens. Hier sind zwei Abflußöffnungen kenntlich: eine ganz
unten, zu gänzlicher Ausleerung und Reinigung, verschließbar
durch einen bronzenen Schieber (erhalten der Rahmen in dem
er sich bewegte), die andere etwa i m ĂĽber dem Boden, um
reines Wasser, ohne den Bodensatz, ausflieĂźen zu lassen.
}
0 12^4
XXXI. Straßen. Wasserleitung. Straßenaltäre. 235
Ähnliche Wasserbehälter gibt es in Konstantinopel, wo ihre
Bestimmung ist, im Falle einer Belagerung einen Wasservorrat
aufzunehmen. Vielleicht war dies auch hier der Zweck. Das
Mauerwerk kann der ersten Zeit der römischen Kolonie ange-
hören; es ist sehr wohl denkbar, daß die Kolonisten, im feind-
lichen Lande angesiedelt, solche Möglichkeiten in Betracht zogen.
Woher bekam Pompeji sein Wasser? GewiĂź nicht vom
Sarno. Der aus der höchstgelegenen Sarnoquelle abgeleitete
Kanal Fontanas (S. 23) durchflieĂźt die Stadt etwa 17 m ĂĽber
dem Meeresspiegel. Die antike Leitung aber hatte auch in den
höchsten Stadtteilen, 40 m über dem Meer, noch Druck genug, um
das Wasser auf die ĂĽber 6 m hohen Pfeiler zu treiben. Sie muĂźte
aus viel höheren Gegenden, also, da am Vesuv so ausgiebige
Quellen nie vorhanden waren,
aus den die campanische
Ebene einschlieĂźenden Ge-
birgen kommen. Hier aber
die Quellen zu fassen und
nach Pompeji zu leiten, ging Fig. 113. Grundriß des Wasserbehälters west-
v 1 • 1 »v -i. --L j- lieh der Thermen beim Forum, a. b, c Fenster.
wohl zu jeder Zeit ĂĽber die , ^
â– > a, e Treppen.
Mittel einer so kleinen Stadt.
Es sind nun vielfache Reste erhalten einer groĂźen Leitung,
die aus der Gegend von Avellino, am Nordabhange des Vesuvs
entlang, nach Neapel und weiter nach Puteoli, Bajae, Misenum
fĂĽhrte; sie faĂźte dieselben Quellen und nahm wesentlich den-
selben Weg wie die, welche seit 1885 Neapel versorgt. Keine
Inschrift, kein alter Schriftseiler gibt Kunde von ihr. Die Ruinen
— das bedeutendste Stück sind die sogenannten Ponti rossi, die
roten Brücken, bei Neapel — zeigen ältere und jüngere, nach
teilweiser Zerstörung wiederhergestellte Teile. Es hat aber bisher
niemand aus diesen Resten das Alter des Baues zu bestimmen
gewuĂźt. DarĂĽber aber kann kaum ein Zweifel sein, daĂź die
Wasserleitung von Pompeji eine Abzweigung jener groĂźen Lei-
tung war: es ist schwer zu denken, wie Pompeji sonst zu einer
so bedeutenden Leitung gekommen sein sollte.
Die Wasserleitung Pompejis geht, wie es scheint, zurĂĽck auf
die Zeit vor der römischen Kolonie: wir schließen dies aus drei
marmornen Untersätzen von Springbrunnenschalen, die durch
236
Pompeji.
ihren Stil, durch Steinmetzzeichen in Form oskischer Buch-
staben, durch ihre Aufstellung in vorrömischen Gebäuden —
Apollotempel , Forum trianguläre , Casa del Fauno — mit
einer gewissen Wahrscheinlichkeit dieser frĂĽhen Zeit zugewiesen
werden. So weit bis jetzt ersichtlich, steht nichts im Wege,
auch die groĂźe Wasserleitung fĂĽr ebenso alt zu halten. Wir
dĂĽrfen also wohl annehmen, daĂź sie in der Friedenszeit zwischen
dem zweiten punischen und dem Bundesgenossenkriege von den
campanischen Städten gemeinsam angelegt wurde.
Ein wichtiges Wasserleitungsgebäude wurde im Jahre 1902
ausgegraben: ein »Kastell«, d. h. ein bedecktes Bassin zur Ver-
teilung und Abklä-
rung des in die
Stadt eintretenden
Wassers. Es ist nicht
sehr alt: etwa in der
Zeit des Augustus
wurde es angebaut
an die Westwand
des damals schon
sehr zerstörten Ve-
suvtores, gegenĂĽber
dem Nordende der
Insula VI 16, der es
eine Front mit vier
Pilastern zuwendet.
Unsere Fig. 1 1 6
zeigt den GrundriĂź.
Der runde Innenraum ist bedeckt von einem niedrigen Kuppel-
gewölbe: sein Scheitelpunkt liegt nur 4 m, der durch keinerlei
Gesims bezeichnete Gewölbeansatz nur 2,30 über dem Boden
des Bassins; die Wände sind mit weißem Stuck bekleidet, zwei
kleine, nach SĂĽden, nach der Stadtseite gerichtete Fenster (//)
gaben, wenn die TĂĽr (a) geschlossen war, ein dĂĽrftiges Licht.
Durch die Tür {a) eintretend stehen wir in dem segmentförmigen
Raum c; ihm gegenĂĽber ein gleicher Raum, dem sich im SĂĽden
ein schmaler Gang anschlieĂźt. Alles dies {c, im Plan hell
schraffiert), durch eine niedrige BrĂĽstung (dunkel schraffiert, hoch
Fig. 116. GrundriĂź des Kastells der Wasserleitung.
XXXI. Straßen. Wasserleitung. Straßenaltäre. 237
0,35 — 0,40 m) von dem um etwa 0,50 m tiefer liegenden eigent-
lichen Bassin {d, im Plan weiß) getrennt, können wir als einen
Umgang bezeichnen, der nur an zwei Stellen unterbrochen ist:
bei der EinmĂĽndung der Leitung [d] und gleich rechts vom Ein-
gang. Diese letztere Unterbrechung sollte vielleicht, wenn die
TĂĽr offen war, Unberufenen den Zutritt zu den unter dem Um-
gang durchgehenden Ausflußöffnungen {^) erschweren.
Das von diesem Umgang umschlossene Bassin hat die Form
eines Dreiecks, dessen sĂĽdliche Seite ein Kreisbogen ist. In den
nördlichen Winkel mündet die Wasserleitung {d) ein. Sie ist ge-
wölbt, hoch 1,39, breit 0,55 m, aber zu unterst, bis zur Höhe
von 0,33 m, verengt durch Aufmauerung auf beiden Seiten, so
daĂź hier nur eine Breite von 0,22 m ĂĽbrig bleibt. Dieser untere,
engere Teil ist der Wasserlauf; die Höhe und Weite der ganzen
Ă–ffnung diente um in die Leitung hineingehen und sie reinigen
zu können. Über ihr sind auf dem weißen Wandstuck in ziemlich
dürftiger Malerei ein sitzender Flußgott — wir dürfen ihn wohl
den Genius des Aquädukts nennen — und vor* ihm stehend drei
Nymphen dargestellt: die eine läßt aus einer Amphora Wasser
auslaufen, die zweite trocknet ihr Haar, die dritte hält vor dem
SchoĂź ein Wasserbecken, wie bekannte Brunnenfiguren.
Im sĂĽdlichen Teil des Bassins wurde durch einen Einba,u (/,
hell schraffiert) in der Höhe des Umganges das Wasser in drei
Ströme {d\ d", d'") geteilt, die jeder zu einer der drei unter
dem Umgang durchgehenden Ausflußröhren [g\ g'\ g'") führen.
Das Wasser floß ab durch Metallröhren, die nicht mehr vor-
handen, deren Spuren aber in dem Mauerwerk sichtbar sind
(s. die Abbildung Fig. 117); die drei Leitungen verschwinden
dann unter dem Straßenpflaster und können nicht weiter verfolgt
werden.
Das durch die Zuleitung eingeflossene Wasser fiel zunächst
ĂĽber eine niedrige Stufe (im Plan durch einfachen Strich be-
zeichnet); dann fand es den Weg versperrt durch eine 20 cm
hohe Bleiplatte (^, im Plan Doppelstrich), die vermutlich durch-
löchert war und als eine Art Sieb zur Reinigung des Wassers
diente. Weiterhin muĂźte es eine zweite ebensolche Bleiplatte
passieren, jenseits deren es gleich in die drei getrennten Wege
d' d". d'" eintrat. Und zwar ^clanofte es in d' und d'" ĂĽber
238
Pompeji.
je drei niedrige Stufen (im Plan einfache Striche) an das AusfluĂź-
rohr; der mittlere Strom floĂź erst in sanfter Neigung und fiel
dann in einer kleinen Kaskade (einfacher Strich) zum AusfluĂź
hinab.
Der Bau ist im höchsten Grade interessant als Beispiel römi-
scher Wasserbautechnik; das in engem Strom herankommende
Wasser sollte, hier auf eine weitere Fläche ausgebreitet, sich ab-
klären und wurde zugleich durchgesiebt. Aber die Hauptwasser-
leitung der Stadt haben wir hier nicht vor uns; es ist ja klar,
Fig. 117. Siidfassade des Kastells der Wasserleitung.
daĂź ein Wasserlauf von nur 33X22 cm Durchschnitt nicht fĂĽr
die Versorgung von Pompeji ausreichen konnte. Auch konnte
das von hier ausfließende Wasser nicht hinlänglichen Druck haben,
um auf die oben (S. 233) erwähnten Verteilungspfeiler hinauf-
zusteigen : der von diesen getragene Behälter lag mindestens etwa
2,50 m höher als die Ausflüsse des Kastells. Es ist eine Hilfs-
leitung, die man anlegte, als die Hauptleitung den steigenden
BedĂĽrfnissen nicht mehr genĂĽgte.
Den Kult der Straßengötter, der die Straßen behütenden,
namentlich an den Kreuzwegen [coinpita) verehrten Laren, Lares
XXXI. Straßen. Wasserleitung. Straßenaltäre.
239
compitales, hatte in Rom Augustus reorganisiert und den »Viertels-
meistem«, vicorum magistri^ übertragen, auch angeordnet, daß
mit den beiden Laren zusammen sein eigener Schutzgeist, Genius,
verehrt werden sollte. NatĂĽrlich fand alles dies in den Kolonien
und Munizipien Nachahmung.
Verschiedener Art sind die Denkmäler dieses Kultus in Pom-
peji. Häufig ist an ein Haus ein kleiner Altar angemauert, neben
dem bisweilen zwei Schlangen, Personifikationen des Ortsgenius,
auf die Wand gemalt sind; statt des Altars begegnet wohl auch
eine kleine Nische, in die man die Opfergabe legen konnte.
Unsere Abbildung (Fig. 118) zeigt einen alten StraĂźenaltar, der
Fig. 118. Alter Altar in einer jĂĽngeren Mauer, SĂĽdostecke der Centralthermen.
beim Bau der Centralthermen sorgfältig erhalten wurde, indem
man in der neuen Mauer eine Nische lieĂź. Bisweilen ist der
Altar größer und sind über ihm die Laren und das ihnen ge-
brachte Opfer auf die Wand gemalt. So ist auf dem kleinen
Platze am Kreuzpunkte der Stabianer und Nolaner StraĂźe
(Fig. 114) an eine freistehende, oben giebelförmig gestaltete Wand
ein Altar angemauert und ĂĽber diesem die Malerei ausgefĂĽhrt:
neben einem Altar stehen vier Magistri in der Toga und der
beim Opfer nie fehlende Flötenspieler; weiter seitwärts die beiden
Laren, in ihrer gewöhnlichen Gestalt, als Jünglinge in kurzem
gegürteten Gewände, in der einen, hoch erhobenen Hand das
Trinkhorn [rJiyton\ aus dem ein Weinstrahl in den mit der anderen
240 Pompeji.
Hand gehaltenen kleinen Eimer [situla] fällt. Merkwürdig ist,
daĂź weder hier noch, wie es scheint, auf andern gleichartigen
Bildern der Genius des Kaisers erscheint, während ähnliche
Malereien in den Häusern häufig den des Hausherrn zeigen, der
fĂĽr das Haus das ist, was der Kaiser fĂĽr die Stadt, bisweilen,
wie es scheint, auch den des Kaisers.
Der größte derartige Altar, aus Tuff, steht frei, nicht an-
gemauert, in einer Wandnische an der Nordseite der Insula II
(VIII), 2 (Fig. 120); Malerei scheint hier nicht gewesen zu sein.
Endlich finden wir einmal, vielleicht zweimal, ein kleines
Heiligtum in Gestalt eines an der StraĂźe liegenden und auf sie
geöffneten Zimmerchens. Beistehend (Fig. 1 1 9) der Grundriß des
einen, an der Stabianer StraĂźe, II (VIII), 4, 24:
nahe der RĂĽckwand der Altar (2), links eine
gemauerte Bank (i), rechts eine Nische fĂĽr
die Bronze- oder Tonfiguren der Laren und
des Genius. Die Oberfläche des Altars ist in
zwei Teile geteilt; vielleicht wurde auf dem
0 1 ^ 3 * ^■» einen den Laren, auf dem anderen dem Genius
Fig. 119. Grundriß einer gcopfert. Ein schr ähnlicher Raum liegt an
Kapelle der Lares Com- ^^^ McrkurstraĂźc (VI, 8, 14); auch hier rcchts
pitales. ^ ) J -t; 5
die gemauerte Bank und ĂĽber ihr zwei Nischen ;
in der Mitte ein Travertinstein, der allenfalls ein Altar sein konnte.
Eine TĂĽr in der RĂĽckwand fĂĽhrt in ein kleines Hinterzimmer.
Diese Kapelle galt frĂĽher fĂĽr eine Barbierstube.
Man pflegt alle die kleinen Straßenheiligtümer den städtischen
Laren zuzuschreiben, und im allgemeinen gewiĂź mit Recht. In-
des wurden auch andere Gottheiten auf diese Weise geehrt, und
der einzige mit einer Inschrift versehene StraĂźenaltar war einer
anderen Gottheit geweiht. Dieser ist an der Ostseite der Insula
III (IX), 7 ; über ihm an der Wand eine einfache Malerei — zwei
Füllhörner — mit der Beischrift Salutei sacniin. Also der Salus,
der Göttin der Gesundheit, wurde hier geopfert. Und wenn wir an
der hinter dem Jupitertempel vorbeifĂĽhrenden StraĂźe, an der Nord-
seite der Insula IV (VII), 7, einen solchen Altar finden, und ĂĽber
ihm in Stuckrelief eine Opferszene, eingefaĂźt von zwei Pilastern
und einem Giebelfeld, und in diesem letzteren einen Adler, so ist
es doch sehr wahrscheinlich, daĂź hier Jupiter verehrt wurde.
XXXI. Straßen, Wasserleitung. Straßenaltäre.
241
Wir erwähnen noch die häufig auf die Außenseite der Häuser
gemalten Göttergestalten. Das größte Bild der Art, das einzige
einigermaĂźen kĂĽnstlerisch ausgefĂĽhrte, auf der Ostseite der
Insula II (VIII), 3, an der Ecke gegen die AbbondanzastraĂźe, zeigt
die zwölf* Götter: Vesta, Diana, Apollo, Ceres, Minerva, Jupiter,
Juno, Vulkan, Venus Pompejana, Mars, Neptun, Merkur. Darunter
die zwei Schlangen, zwischen ihnen (auch nur gemalt) ein Altar,
und einige unkenntliche
Figuren , wohl Opfernde.
Ein Heiligtum ist dies nicht,
da es an einer Vorrichtung
fehlt, ein Opfer zu bringen.
Aber der Besitzer des
Hauses (»Haus des Ebers«)
wollte dasselbe unter den
Schutz der Götter stellen,
vielleicht namentlich diese
Ecke in besonders wirk-
samer Weise gegen Ver-
unreinigung schützen. Häu-
figer finden wir, in dĂĽrftiger
AusfĂĽhrung, einzelne Gott-
heiten, deren Schutze der
Hausherr sich anvertraute.
Weitaus am häufigsten
Merkur,demnächstBacchus,
die BeschĂĽtzer des Handels
und des Weinbaues; ein-
zeln Jupiter, Minerva, Her-
kules.
Endlich sind bisweilen bloĂź zwei Schlangen auf die W^and
gemalt; wir wissen aus Persius (i, 113), daĂź man hierdurch einem
Ort eine gewisse religiöse W^eihe zu geben und ihn vor Ver-
unreinigung zu schĂĽtzen pflegte. In einem Falle, auf der Ostseite
der Insula IV (VII), 11, ist noch eine Beischrift hinzugefĂĽgt: Otiosis
locus hie non est^ discede morator^ — »hier ist kein Ort für
Müßiggänger, gehe weiter!«
Fig. 120. Größerer Straßenaltar.
Mau, Pompeji. 2. Aufl.
i6
Kapitel XXXII.
Die Befestigungswerke.
Die Befestigung Pompejis entsprach zu keiner Zeit den For-
derungen einer entwickelten Kriegskunst. Die mäßig starke
Mauer wurde, nach teilweisem Verfall, beim Herannahen des
Bundesgenossenkrieges hergestellt und durch einige TĂĽrme ver-
stärkt. Schon früher hatten die Tore einen Umbau erfahren,
durch den eines derselben zur Verteidigung ganz ungeeignet
wurde; in demselben Sinne wurde später ein zweites Tor um-
gestaltet. Zur Zeit der Verschüttung war Pompeji militärisch
betrachtet eine offene Stadt. Mauern und Tore lieĂź man bestehen
zu Polizeizwecken.
Der Mauerzug, die Lage der Tore und ihr Verhältnis zum
StraĂźennetz, alles dies ist schon oben (S. 28) dargelegt worden
und wird auch aus unserem Ăśbersichtsplan (Plan I) leicht klar.
Die von Natur am wenigsten feste Nordseite, wo die Mauer vom
Herculaner bis zum Capuaner Tor den zum Vesuv aufsteigenden
RĂĽcken des StadthĂĽgels ĂĽberquert, ist zwischen Herculaner und
Vesuvtor durch drei Türme, dicht bei einander, verstärkt. Die
demnächst schwächste Strecke war der östliche Teil der Südseite,
wo der Hügel flach in die Ebene verläuft. Auch hier stehen
von der Ecke beim Amphitheater bis westlich vom Nuceriner
Tor vier TĂĽrme dicht beisammen, ein fĂĽnfter an der Ostseite
gleich beim Amphitheater. Dazu je ein Turm zwischen Capuaner
und Nolaner und zwischen Nolaner und Sarnotor; hier war, bei
dem ziemlich steilen Abhang, die Gefahr geringer. Also im
ganzen zehn Türme. Die Südwestseite, vom Forum trianguläre
bis zum Herculaner Tor, war zur Zeit der VerschĂĽttung ohne
Mauer. Hier, wo der Abhang hoch und steil ist, war sie ver-
mutlich schon in der Friedenszeit des zweiten Jahrhunderts v. Chr.
abgetragen und der Platz von den Anwohnern ĂĽberbaut worden.
XXXn. Die Befestigungswerke, 243
Und auch als man später die Mauer erneuerte, hat man es hier
nicht für nötig gehalten. Doch läßt sich auch hier der Mauer-
zug einigermaĂźen verfolgen.
Weitere zwei Türme erschließen wir aus einigen höchst
merkwĂĽrdigen oskischen Inschriften, die mit roter Farbe auf die
Tuffassaden alter, vorrömischer Häuser aufgemalt sind. Eine,
auf der SĂĽdwestecke der Casa del Fauno, sagt: >Auf diesem
Wege (zwischen Insula VI, 10 und VI, 12) geht man zwischen
den zehnten und elften Turm, wo Titus Fisanius kommandiert.«
Nicht ganz sicher ist hier die Erklärung des Wortes faantat^
»kommandiert« ; zweifellos aber sind die beiden Türme der zweite
und dritte vom Herculaner Tor, Wahrscheinlich stammen diese
und die folgenden In-
schriften aus der Zeit
der Belagerung durch
Sulla und sollten den
damals in der Stadt
weilenden bundesge-
nOSStSChen KnegSVOl- Fjg. ,2,. GrundriĂź eines Teiles der Stadtmauer. ^ innen-
kern den Weg weisen. wand mit Strebepfeilern. B AuĂźenwand. C FĂĽllung zwi-
<-7 • ., 1 • U sehen den beiden Wänden. D Turm. E Treppe zum Be-
Z,Wei weitere, gleiCn- steigen der Mauer.
lautende, näher dem
Herculaner Tor, weisen den Weg zwischen den zwölften Turm
und vem sarinu. Letzteres ist sprachlich rätselhaft, bezeichnet
aber sicher das Herculaner Tor; der zwölfte Turm ist der ihm
zunächst liegende. Damals also gab es mindestens zwölf Türme;
die zwei jetzt fehlenden mögen wir zwischen der Porta Marina
und dem Stabianer Tor vermuten.
Die vierte Inschrift, auf der SĂĽdostecke der Insula VII, 6,
weist westlich an den Stadtrand: »Dieser Weg führt zwischen
die Häuser des Maras Castricius und des Maras Spurnius, wo
Vibius Seximbrius kommandiert«. Von einer fünften, die den
Weg zu einem städtischen Gebäude und zum Tempel der Minerva
weist, war schon die Rede (S. 139).
Die Mauer, 8 — 8 7^ m hoch und reichlich 6 m breit, besteht,
wie unser Grundriß (Fig. 121) zeigt, aus einer äußeren und einer
inneren Steinwand, je 70 cm stark, deren Zwischenraum mit
16*
244
Pompeji.
Erde ausgefĂĽllt ist. Beide sind nach der Stadtseite durch Strebe-
pfeiler (Fig. 122) verstärkt, die Innenwand außerdem noch durch
Fig. 122. Innenansicht der Stadtmauer nach Entfernung der Erdböschung, deren Höhe durch
die TĂĽr in dem Turm links bezeichnet ist.
sporenartig in die Erdmasse eingreifende MauerstĂĽcke. Auf dem
AuĂźenrande stehen zinnenartige Brustwehren. Die Innenwand
erhebt sich noch etwa 3 m über die Oberfläche der Mauer; so
XXXn. Die Befestigungswerke. 245
konnten feindliche Geschosse nicht in die Stadt fliegen, sondern
fielen auf die Mauer zurĂĽck, wo sie von den Verteidigern be-
nutzt werden konnten. Durch steinerne Wasserspeier floĂź das
Regenwasser nach auĂźen ab.
Von innen ist die Mauer verstärkt durch eine Erdböschung,
die auf der Nordseite vom zehnten bis zum zwölften Turm kennt-
lich ist. Die Stelle der inneren Steinwand und der Böschung
vertrat östlich vom Herculaner Tor eine auf die Mauer führende
steinerne Treppe (E), ursprĂĽnglich auf einer Strecke von ĂĽber
80 m; später wurde sie unterbrochen, indem die Häuser der
ersten Insula bis an die Mauer hinan erweitert wurden. Eine
ähnliche, aber viel kleinere Treppe ist östlich vom Stabianer Tor
erhalten.
AuĂźen- und Innenwand der Mauer bestanden ursprĂĽnglich
aus Tuff- und Kalksteinquadern. Daneben aber unterscheiden
wir in der AuĂźenwand jĂĽngere Teile aus Lavabruchstein, zu
denen sämtliche Türme gehören. Da nun diese, wie die eben
besprochenen Inschriften beweisen, zur Zeit des Bundesgenossen-
krieges schon standen, so mĂĽssen wir wohl annehmen, daĂź man
in der Friedenszeit des zweiten Jahrhunderts v. Chr. die Mauer
in Verfall geraten lieĂź und stellenweise wohl gar als Steinbruch
benutzte. Beim Herannnahen des Bundesgenossenkrieges, der ja
gewiĂź seinen Schatten vor sich warf, hat man sie dann aus-
gebessert und zugleich durch Türme verstärkt. Für die West-
seite, wo die Mauer abgetragen und der Platz ĂĽberbaut worden
war, verlieĂź man sich auf die natĂĽrliche Festigkeit des hier steil
aufragenden Stadthygels.
Die TĂĽrme (Fig. 123), 9,50X7,60 m stark, enthalten ĂĽber-
einander zwei stark gewölbte Räume, verbunden durch eine
Treppe auf der Innenseite, in die da, wo sie nach auĂźen umbiegt,
von der Stadt her eine über die Erdböschung zugängliche Tür
(Fig. 122) einmündet. Beide Gewölbe haben Schießscharten in
den vor die Mauer vorspringenden Seiten. Aus dem oberen Ge-
wölbe, im Niveau der Oberfläche der Mauer, führte eine Treppe
aufwärts auf eine mit Zinnen bewehrte Terrasse, die nirgends
erhalten, aber doch sicher anzunehmen ist; die Giebeldächer in
dem Gemälde Fig. iii sind wohl ein späterer Zusatz, aus der
246
Pompeji.
Zeit, wo die Befestigung militärisch nicht mehr in Betracht
kam. Aus dem unteren Gewölbe führt ein absteigender Gang
zu einer Ausfalls-
pforte, die stets
nach rechts gewandt
ist, so daĂź die
Ausfallenden dem
Feinde die linke,
vom Schild gedeckte
Seite zeigten. Bei
der RĂĽckkehr frei-
lich war es umge-
kehrt; man kehrte
daher wo möglich
nicht zu derselben
Pforte zurĂĽck, son-
dern suchte den
nächsten Turm zu
erreichen.
Im zehnten Turm lesen wir neben der östlichen Schießscharte
des Unterstockes in dem weiĂźen Stuck: L- SV LA. Ohne Zweifel
schrieb hier während der Belagerung durch Sulla ein Verteidiger
den Namen des feindlichen Feldherrn an die Wand.
Fig. 123. Turm der Stadtmauer, wiederhergestellt.
Von den Toren sind fünf vollständig ausgegraben: das Hercu-
laner Tor, das Seetor, das Stabianer, das Nolaner und das schon
im Altertum fast ganz zerstörte Vesuvtor. Teilweise sichtbar ist
das Sarnotor, ganz verschĂĽttet das Capuaner und Nuceriner Tor.
Alle haben im Lauf der Zeit Veränderungen erfahren; mit Aus-
nahme des erst später ganz neu aufgebauten Herculaner Tores
haben sie ihre letzte Gestalt in der Tufifperiode erhalten.
Als typisches Beispiel betrachten wir das Stabianer Tor (Fig. 124).
Von auĂźen (A) gelangen wir durch einen 3,60 m breiten, ohne
Zweifel einst überwölbten Durchgang (B) in einen etwas breiteren
unbedeckten Raum, einen kleinen Hof (C), mit Wänden aus
Kalksteinquadern, in dem der das Tor bestĂĽrmende Feind den
Geschossen der Verteidiger ausgesetzt war. Endlich ein zweiter,
noch jetzt überwölbter Durchgang (D) mit dem Torverschluß;
XXXn. Die Befestigungswerke.
247
zwischen den Pfosten ist im Pflaster der Stein erhalten, an den
die TorflĂĽgel anschlugen. Dieser innere Durchgang ist nach
Bauart und Stuckdekoration in der Tuflperiode, dem zweiten
Jahrhundert v. Chr. erbaut worden, vermutlich an der Stelle eines
älteren, gleichartigen Baues.
Eine kleine Nische in der fĂĽr den Eintretenden rechten Wand
des mittleren Raumes enthielt vermutlich eine Statuette der
Minerva, der Schutzgöttin der Tore. Bei d steht die schon S. 1 89
besprochene oskische Wegebauinschrift des Sittius und Pontius,
drauĂźen rechts bei e eine viel jĂĽngere lateinische Wegebauinschrift:
L. Ă„vianiiis L. f. Men.
Flaccus Pontianus^ Q.
Spedius Q. f. Men. Fir-
7nus, II vir. i. d.^ viam
a milliario ad cisiarios^
qua territoriuvi est Pom-
peianorum, siia pec. mu-
nicrunt. Es haben also
jene beiden Duumvirn
die StraĂźe vom Meilen-
stein bis zu den Cisiarii,
d. h. bis zur Station der
Mietkutscher [cisium^ ein
leichter Reisewagen), so-
weit das pompejanische
Gebiet reicht, auf eigene
Kosten pflastern lassen. Der Meilenstein wird wohl in der Nähe
des Tores gestanden haben. DaĂź die Station der Mietkutscher
an der Grenze des Stadtgebietes liegt, ist wohl so zu erklären,
daĂź die Gemeine innerhalb ihres Gebietes fremdes Mietfuhrwerk
nicht ohne Einschränkung duldete und die Reisenden in gewissen
Fällen an der Stadtgrenze einheimisches Fuhrwerk nehmen
muĂźten.
Innen am Tor steht bei a ein Brunnen, dessen Reliefschmuck,
das Gorgonenhaupt, an die Schutzgöttin des Tores erinnert. Die
Treppe bei b wurde schon S. 245 erwähnt. Gleich neben ihr,
bei <:, steht ein kleines Gebäude, ohne Zweifel die Hütte des
Torwächters.
Fig. 124. GrundriĂź des Stabianer Tores. B Ă„uĂźerer
Durchgang. C Hof. D TĂĽr. a Brunnen. f> Treppe
auf die Mauer, c Hütte des Torwächters, d Oskische
Inschrift, e Lateinische Inschrift.
248
Pompeji.
Wesentlich dieselbe Gestalt haben das Nolaner, Sarno- und
Vesuvtor. An dem inneren Durchgang des Nolaner Tors trägt
der Schlußstein der Wölbung nach der Stadtseite, aus Tuff, in
Hochrelief den behelmten Kopf der Minerva, der Schutzgöttin
der Tore. Daneben besagte eine oskische Inschrift (jetzt fehlend),
daĂź das Stadtoberhaupt [Meddiss tovtiks) Vibius Popidius diesen
Bau verdungen und approbiert hat.
Die Porta marina ist in der Tuffperiode ganz neu gebaut
worden, nach vollständiger Beseitigung des alten Baues. Hier
haben wir keinen äußeren und inneren Torweg mit mittlerem
Hof, sondern nur einen turmartig vor die äußere Mauerflucht
vorspringenden Torbau mit zwei gewölbten und verschließbaren
Durchgängen, einem brei-
I ■— . hW>^^ I teren rechts für Wagen,
^^■■fe ii^^H ^^^. einem schmäleren links
m \ ■W^^W "^^^^^ für Fußgänger. Rechts an
m â– ^^ ^. S ersterem stand in einer
m ' I ■^^ ■^^^^^B tempeiförmigen Nische
JF ^ ■^§ ^^^^^§ ^^'^^ tönerne Minerva-
^^^^^ ft M^§M ■^^^^ Statue, deren unterer Teil
M ^%Ă„ Ă„^^Ă„ il ^ ^^ gefunden wurde. An die
M Ji~ ^^^^ Innenseite dieses Tor-
Fig. 125. GrundriĂź des Herculaner Tores. A Treppe DaUCS ist dann iu der
auf die Mauer. B Raum des links anstoĂźenden Hauses. erStcn Zeit der rĂ–mischen
Kolonie ein reichlich 23 m
langer gewölbter Gang angesetzt worden. Der Zweck dieses
Baues ist dunkel; man gelangt aus ihm rechts in einen langen,
engen, jetzt als Museum benutzten Raum.
FĂĽr den Charakter der Torbauten der Tuffperiode ist die
Porta Marina besonders lehrreich Es ist ja ganz klar, daĂź dieser
vor die Mauer vorspringende Bau, mit seinen zwei Durchgängen,
mit dem Bilde der Torgöttin außerhalb des Verschlusses, wohl
zu Polizeizwecken dienen konnte, nicht aber auf Verteidigung
berechnet war. Er trägt eben den Stempel seiner Entstehungs-
zeit, der Friedenszeit des zweiten Jahrhunderts, wo niemand an
die Möglichkeit eines Krieges in Italien dachte.
Diesen friedlichen Charakter trägt in noch höherem Grade
das Herculaner Tor (Fig. 125, 126). Nach seiner Bauart —
XXXn. Die Befestigungswerke.
249
Opus inccrtmn^ mit Ecken, in denen ziegeiförmige Steine mit je
drei Ziegeln wechseln — gehört es eher der letzten Zeit der Re-
publik, als der ersten Kaiserzeit an. Zwei FuĂźwege begleiten die
Fahrstraße. Das Schema des äußeren und inneren Durchganges
war, wie es scheint, festgehalten. Denn wenn auch vielleicht die
Fußwege in ihrer ganzen Länge bedeckt waren, so werden
wir uns doch den Fahrweg nur an beiden Enden, zwischen den
größeren Pfeilern, überwölbt denken dürfen. Die drei Türen
i' ig. 120. Das Hcrculaner 'J"or mit dem Blick in die iTnibcrstralJc riinab.
lagen an dem äußeren Ende des inneren Durchganges. Doch
hatte, wie es scheint, auch der äußere Durchgang einen Ver-
schluß. Es findet sich nämlich dort, etwa 1,80 m von der Außen-
front, jederseits ein mit weiĂźem Stuck, gleichartig dem der Wand,
sorgfältig ausgestrichener Falz, für den man sich nicht gut einen
anderen Zweck denken kann, als daĂź sich hier ein Fallgitter be-
wegte. Es kann freilich nicht eben häufig zur Anwendung ge-
kommen sein; denn der Stuck ist fast ganz unbeschädigt. Man
sieht auch keinen rechten Zweck einer solchen Vorrichtung, da
die Fußwege des äußeren Durchganges ohne Verschlul.^ waren.
ZWEITER TEIL.
WOHNHĂ„USER.
Kapitel XXXIII.
Das pompejanische Haus.
Das italische Haus, wie wir es aus den Vorschriften Vitruvs
und den mit ihnen nicht genau, aber doch im wesentlichen
übereinstimmenden Ruinen Pompejis kennen, zerfällt in zwei
Teile. Mittelpunkt des vorderen ist das Atrium, ein hoher, meist
durch eine Deckenöffnung erleuchteter Saal, Mittelpunkt des
hinteren das Peristyl, ein ganz oder teilweise mit Säulenhallen
umgebener Garten. Die Entwicklung dieses Haustypus durch
annähernd vierhundert Jahre liegt in Pompeji vor unseren Augen.
Sie läßt sich in wenig Worten zusammenfassen.
Das alteinheimische italische Haus bestand nur aus dem
Atrium mit den umliegenden Räumen, an die sich rückwärts
ein Garten anschloß. So das am vollständigsten erhaltene der
ältesten Häuser Pompejis, das »Haus des Chirurgen« (S. 36).
Später, unter griechischem Einfluß, wurde das Peristyl mit den
umliegenden Räumen hinzugefügt; es ist nichts anderes als der
prachtvollere, den Männern vorbehaltene Teil, die Andronitis,
des griechischen Hauses. Das Haus mit Peristyl finden wir voll
entwickelt in der Tufifperiode, dem 2. Jahrh. v. Chr. Sowohl
Atrium als Peristyl können auch verdoppelt werden; so in der
Casa del Fauno, dem klassischen Hause dieser Periode. Den-
selben Typus hat die römische Zeit im wesentlichen beibehalten.
Dieser Entwicklung entsprechend fĂĽhren die vorderen, alt-
italischen Teile des Hauses römische Namen: Atrium, Fauces,
Ala, Tablinum; die hinteren, den Griechen entlehnten, werden
XXXin. Das pompejanische Haus.
251
mit griechischen Worten bezeichnet : Peristylium , Triclinium,
Oecus, Exedra.
Das pompejanische und ĂĽberhaupt das antike Haus ist, wie
noch heute das orientalische Haus, Innenbau. Von den groĂźen
Mittelräumen, Atrium und Peristyl, erhalten die umliegenden
Schlaf-, Speise- und sonstigen Wohnzimmer Licht und Luft; der
Fig. 127. Altpompejanisches Haus, wiederhergestellt.
StraĂźe zeigen sie geschlossene Mauern, nur hie und da von
kleinen, unregelmäßig verteilten Fenstern durchbrochen. Fenster-
fassaden sind dem antiken Hause fremd. Auf die Straße öffnet
es sich — wenn nicht die Vorderräume als Läden benutzt sind
— nur durch die meist geschlossene Haustür, deren Pfosten und
Gebälk auch an reicheren Häusern so ziemlich den einzigen
Fassadenschmuck bilden. Ein gutes Beispiel fĂĽr den AuĂźen-
252
Pompeji.
anblick eines im Innern kĂĽnstlerisch ausgestalteten Hauses bietet
unsere restaurierte Ansicht des Hauses des Epidius Rufus
(Kap. XXXIX).
Die Häuser Pompejis sind, mit unserem Maße gemessen,
Sommerwohnungen, berechnet auf viel Aufenthalt im Freien,
auf Schutz gegen Hitze, nicht gegen Kälte. Der größte Teil
des Areals ist eingenommen von offenen Säulenhallen, Gärten
und Höfen; denn auch das Atrium mit seiner weiten Dach-
öffnung war von einem Hofe kaum noch verschieden. Die
eigentlichen Wohnräume sind hoch, daher im Sommer kühl und
im Fauces J.npluria.n Tahlinum %reristylium ^ ÂŁ'xedfa
'(n
^p^ ^ \Jndron.
T 1- rn r T T 1
I'ost'cum
Fig. 128. GrundriĂź eines pompejanischen Hauses.
luftig, im Winter schwer zu erwärmen, dunkel wenn die Tür
geschlossen war, kalt wenn sie offen stand. Heizeinrichtungen,
wie sie in den nördlichen Provinzen des Römerreiches so häufig
gefunden werden, begegnen hier mit einer einzigen Ausnahme
nur in den Baderäumen. Nur durch Kohlenbecken wurde die
Kälte bekämpft. Man hat durchaus den Eindruck, daß die Be-
wohner dieser Häuser gegen Hitze sehr empfindlich waren, da-
gegen Kälte mit vieler Geduld ertrugen. Wer Italien kennt,
wird an den Wohnungen der heutigen Italiener, wenn auch in
geringerem Grade, die gleiche Beobachtung gemacht haben.
Beistehender GrundriĂź (Fig. 128) zeigt in einfachster Form
und Anordnung die gewöhnlichen Teile des pompejanischen
Hauses.
XXXIII. Das pompejanische Haus. 253
I. Vestibulum, Fauces, HaustĂĽr.
Das Vestibulum, der äußere Hausflur, ist nicht immer vor-
handen. Nur wo die HaustĂĽr nicht unmittelbar an der StraĂźe,
sondern etwas einwärts liegt, heißt so der unverschlossene Raum
zwischen ihr und der StraĂźe. Der Name (von ve-stare^ abseits
stehen) ist sehr bezeichnend: ein Ort, in den man (aus dem Ge-
tĂĽmmel der StraĂźe) auf die Seite treten kann. Sehr verschieden
von diesem einfachen Vorraum sind die bei alten Schriftstellern
öfter erwähnten prachtvollen Vestibüle römischer Paläste : Säulen-
hallen, geschmĂĽckt mit Statuen und anderen Ruhmeszeichen der
Familie. Von einem solchen, als Portikus gestalteten Vestibulum
findet sich in Pompeji nur ein einziges Beispiel. Ein Haus in
der Nähe des Herculaner Tores (Casa delle Vestali) hatte vor
dem Atrium und in gleicher Breite mit ihm, statt des Flurs und
der zwei anliegenden Zimmer, eine auf die Straße geöffnete
Säulenhalle. Lange hat diese nicht bestanden. Sie entstand
durch einen Umbau um das Ende der Republik und wurde
später — wir können die Zeit nicht näher bestimmen — in zwei
Läden und einen Hauseingang der gewöhnlichen Art verwandelt.
Fauces, auch Prothyron, heiĂźt der innere Hausflur, zwischen
Tür und Atrium. Seine Breite soll nach Vitruv bei größeren
Atrien die Hälfte, bei kleineren zwei Drittel der Breite des
Tablinums betragen, bleibt aber in Pompeji meist noch unter
der Hälfte. Die Ecken gegen das Atrium sind in der Tuflperiodc
stets als Pilaster gebildet; das Gebälk derselben ist nirgends er-
halten.
In der Regel sind Vestibulum und Fauces gleich breit und
einfach durch die groĂźe HaustĂĽr getrennt (Fig. 129). Nicht
selten ist aber auch eine Anordnung, wie wir sie z. B. im Hause
des Epidius Rufus (Kap. XXXIX, s. den Plan ebendort) finden.
Zwei TĂĽren fĂĽhren hier aus dem Vestibulum in den inneren
Flur: geradeaus die große zweiflügelige, seitwärts eine kleine
einflügelige. Erstere zu öffnen mochte bei ihrer Größe und bei
der Art, wie sie in ihren Angeln hing, einigermaĂźen mĂĽhsam
sein. Es geschah wohl nur, wenn es galt zu repräsentieren: der
vornehme Mann empfing seine zum MorgengruĂź erscheinenden
254
Pompeji.
Klienten bei offener FlĂĽgeltĂĽr [valvis apertis Ovid met. I 172);
für gewöhnlich genügte der kleine, leicht zu öffnende Seiten-
eingang.
Die Haupttür hat in einigen Fällen den Abdruck des
unteren Teils ihrer Innenseite in der erhärteten Vesuvasche
hinterlassen; von mehreren solcher Formen stehen GipsabgĂĽsse
in dem kleinen Museum bei der Porta marina. Weiteres er-
schlieĂźen wir aus den vollkommen erhaltenen Schwellen. Die
Fig. 129. GrundriĂź und Durchschnitt des Vestibulum, c
des Pansa.
m Hause
Pfosten waren stets mit Holzverkleidungen [antepagmcnta) versehen,
die in Löcher der Schwelle («) eingezapft waren. Die Türflügel
drehten sich um vertikale, in die Schwelle und in den Sturz
eingreifende Zapfen. Diese Zapfen waren aus Holz, aber ver-
kleidet mit zylinderförmigen Hülsen aus Eisen, in besseren
Häusern aus Bronze, und drehten sich in eisernen resp. bronzenen
auf der Schwelle und am Sturz befestigten Pfannen (/i). HĂĽlsen
und Pfannen sind auf der Schwelle häufig, namentlich wo sie
aus Bronze sind, vollkommen erhalten. Es ist merkwĂĽrdig, daĂź
XXXIII. Das pompejanische Haus. 255
man nicht darauf verfallen ist, massive Metallzapfen viel geringeren
Durchmessers zu verwenden, um die sich die TĂĽr viel leichter
gedreht haben wĂĽrde. Offenbar ist hier eine alte Technik
traditionell beibehalten worden.
Jeder FlĂĽgel hatte einen senkrechten, in die Schwelle und
gewiĂź auch oben einen ebensolchen in den Sturz eingreifenden
Riegel (7). Die ĂĽbrigen VerschluĂźvorrichtungen zeigt in groĂźer
Vollständigkeit einer der erwähnten Abgüsse: das große eiserne
SchloĂź; ferner ein eiserner Querriegel und zwei Haken, jeder
in eine Ă–se des anderen FlĂĽgels eingreifend, endlich zwei henkel-
artige, in Ösen hängende Handgriffe zum Aufziehen. Sehr häufig
sind in den Wänden des Flurs, gleich hinter der Tür, die Löcher,
in die der Querbalken [sera) eingriff. Und kaum minder häufig
finden wir im FuĂźboden des Flurs, in einiger Entfernung von
der TĂĽr, ein Loch, in das ein Balken eingreifen sollte, der, mit
seinem anderen Ende schräg gegen die Tür gestemmt, auch
seinerseits das Ă–ffnen derselben verhinderte. Das Vertrauen auf
die nächtliche Sicherheit war offenbar nicht groß.
II. Das Atrium.
Ganz bedeckte Atrien sind in Pompeji selten. Fast immer
hatte es in der Mitte eine große Lichtöffnung, gegen die sich von
allen vier Seiten das Dach senkte, so daĂź hier das Regenwasser
zusammenströmte (Fig. 130, 131). Daher heißt die Öffnung
Compluvium. Unter ihr im FuĂźboden ein flaches Bassin zur
Aufnahme des Regenwassers, das Impluvium {/t Fig. 131), mit
doppeltem AbfluĂź. Erstens in die Cisterne, deren mit einer
zylinderförmigen Einfassung, Puteal, versehene Öffnung sich meist
an der RĂĽckseite des Impluviums befindet; zweitens nach vorn
auf die StraĂźe, durch eine bedeckte Rinne, die natĂĽrlich auch
zur Entfernung schmutzigen Wassers diente. In besseren Häusern
ist es Regel, daĂź aus der Mitte des Impluviums ein Spring-
brunnen aufstieg.
Vitruv unterscheidet nach der Dachkonstruktion fĂĽnf Arten
von Atrien: das tuscanische, das viersäulige, das korinthische,
das displuviatiini und das ganz bedeckte [testiidinatum).
Das tuscanische Atrium, nach der Meinung der Römer aus
256
Pompeji.
Etrurien stammend, ist die ältere, einheimische Form. Zwei
mächtige Balken sind, dem vorderen und hinteren Rande des
Impluviums entsprechend, quer ĂĽber das Atrium gespannt
(Fig. 130, b). Kürzere Balken, über den Seitenrändern des Im-
pluviums (<:), verbinden sie. Die Ecken des so gebildeten Vier-
ecks sind mit den Ecken des Atriums durch ansteigende Balken [e)
verbunden; geneigte Latten {/), mit ihren unteren Enden auf
dem Viereck und auf den Eckbalken aufliegend, tragen die Ziegel.
Diese Form des Atriums ĂĽber-
wiegt in Pompeji so sehr, daĂź
ihr gegenĂĽber alle anderen als
Ausnahmen gelten können.
Der aufstehende Dachrand
am Compluvium ist in der Tufif-
periode einfach architektonisch
gestaltet, mit Zahnschnittgesims,
später mehr noramental, mit
Palmetten, immer mit Wasser-
speiern in Form von Löwen- oder
Hundeköpfen. Als unterer Ab-
schluĂź der Deckziegel ragten ĂĽber
den Dachrand Stirnziegel (Ante-
fixe) auf, meist palmettenförmig,
aber auch in Form menschlicher
Köpfe. Unsere Fig. 132 zeigt
den in einem Hause bei Porta
marina gefundenen Dachrand.
Als Wasserspeier erscheinen hier statt der Köpfe die ganzen
Vorderteile von Hunden, an den Ecken, wo der Abfluß stärker
war, von Löwen; der untere Teil ist als Akanthusblatt gebildet.
Im viersäuHgen Atrium {atrium ietrastyliim] ruht das Balken-
viereck des Compluviums auf vier an den Ecken des Impluviums
stehenden Säulen. Im übrigen ist die Dachkonstruktion die
gleiche. Schwerlich war mit den vier Säulen eine Verschönerung
beabsichtigt. In der Casa del Fauno, dem Musterhause der vor-
römischen Zeit, hat man das Nebenatrium viersäulig, das Haupt-
atrium tuscanisch gemacht, letztere Form also fĂĽr die vorzĂĽg-
lichere gehalten. Und mit Recht. Die vier Säulen stören die
Fig. 130. Tuscanisches Atrium: Oberansicht
des Daches, a Mauern, b Einer der das
Dach tragenden Hauptbalken, c Querbalken,
auf dem Hauptbalken aufliegend, d Kurze
Balken, auf dem Hauptbalken aufliegend, in
der Höhe von c. e Eckbalken, f Dach-
sparren, nach Innen geneigt, g Compluvium.
I. Flachziegel , tegulae. 2. Halbzylinderför-
mige Deckziegel ĂĽber den P'ugen. 3. Eckziegel.
XXXIII. Das pompejanische Haus.
257
groĂźartige Raumwirkung und vor allem die Wirkung des Haupt-
motivs der Rückseite, der Tablinumsöffuung, Dagegen empfahl
sich das viersäulige Atrium durch die größere Festigkeit der
Dachkonstruktion und dadurch, daĂź es die groĂźen und teueren
Querbalken ĂĽberflĂĽssig machte.
Im korinthischen Atrium ist die Lichtöfifnung viel größer als
bei den vorigen Formen ; das Dach ruht auf einer größeren An-
zahl um das Impluvium stehender Säulen, Pompeji hat drei
solche Atrien: im Hause des Epidius Rufus (Kap. XXXIX) mit
sechzehn, im Hause des Kastor und Pollux mit zwölf und in
dem Hause der FuUonica
an der MerkurstraĂźe mit
sechs Säulen.
Im Atrium displuviatum
lag die Lichtöfifnung hoch
oben, so daĂź sich das Dach
von ihr aus gegen die Wände
neigte, an denen entlang das
Regenwasser durch Bleiröh-
ren abfloĂź. Pompeji bietet
kein sicheres Beispiel.
Das Atrium testudinatum
hatte ein pyramidenförmiges
Zeltdach ohne Dachöflhung.
Nur kleine Atrien wurden so
gedeckt. In Pompeji erweisen sich einige wenige kleine Atrien
durch das Fehlen des Impluviums als ganz bedeckt; doch waren
sie, soweit kenntlich, mit einem nach einer Seite gesenkten Dache
bedeckt (Kap. XLII).
Nach Vitruv soll sich die Breite des Atriums zur Länge ver-
halten wie 3 : 5 oder wie 2:3, oder endlich wie die Seite des
Quadrats zur Diagonale. Die längliche Form sollte im tusca-
nischen Atrium die Ăśberspannung durch die groĂźen Querbalken
erleichtern; das von diesem Zwang freie viersäulige Atrium nähert
sich in Pompeji stets der quadratischen Form. Für die Höhe
schreibt Vitruv drei Viertel der Breite vor. Es scheint, daĂź man
in Pompeji noch größere Höhen liebte.
Wer ein pompejanisches Atrium in seinem jetzigen Zustande
Mau, Pompeji. 2. Aufl. I y
Fig. 131. Tuscanisches Atrium: Durchschnitt.
b Hauptbalken, e Eckbalken, h Impluvium
I. Flachziegel. 2. Deckziegel.
258
Pompeji.
betritt (Taf. VII; Fig. 134), erhält leicht den Eindruck, als sei
es ein Hof mit bedecktem Umgange. Wohl unter diesem
Eindruck ist in älteren Restaurationen pompejanischer Häuser
das Atrium meist zu niedrig geraten und erscheint als von den
umliegenden Räumen überragt. Diese Auffassung wird weder
der historischen Bedeutung noch dem architektonischen Charakter
des Atriums gerecht. Seinem Ursprung nach ist es nicht ein
Hof, sondern die groĂźe Halle, der Hauptraum des Hauses. In
ältester Zeit stand hier der Herd; sein Rauch schwärzte die
Decke, daher der Name, von ater^ schwarz. Hier vereinigten
sich die Hausgenossen zu den Mahlzeiten, zu gemeinsamem
Fig. 132. Ecke eines Compluviums mit Wasserspeiern nnci Stirnzicgeln.
Aufenthalt, zur Arbeit. Im Atrium saĂź, Wolle spinnend, in
später Nachtstunde Lucretia mit ihren Mägden, als sie von ihrem
Manne und seinen Freunden ĂĽberrascht wurde. So blieb es auf
dem Lande bis in späte Zeit. Zwar der Name Atrium war hier
außer Gebrauch gekommen, weil man mit ihm den gänzlich um-
gestalteten Mittelraum des Stadthauses bezeichnete. Culina,
KĂĽche, nannte man die Halle des Landhauses; sie ist aber
nichts anderes als das Atrium des altitalischen Hauses. Schon
der Name besagt, daĂź hier der Herd seinen alten Platz be-
hauptete. Hier vereinigten sich immer noch die Hausgenossen
zu gemeinsamer Arbeit und zu den Mahlzeiten. Herr und
XXXni. Das pompejanische Haus. 25Q
Knecht: wer erinnert sich nicht der freundlichen Schilderung
des Horaz, wie er auf seinem Landgut vor dem Herd mit seinen
Nachbarn und Sklaven — diese natürlich an gesondertem Tische
— zwanglos speist und zecht. Erhalten ist eine solche ländliche
Halle, mit dem Herd und der Nische für die Hausgötter, in der
Villa rustica bei Boscoreale (Kap. XLV).
Ohne Zweifel hatten sich auch in den Städten, auch in Rom,
einzelne Häuser der alten Art bis in spätere Zeit erhalten. Wir
erfahren aus der Zeit Ciceros von einem Hause, in dessen Atrium
gewebt wurde. In Pompeji aber finden wir keine Spuren der'
alten Sitte. Wenn es zur Zeit der Kalksteinatrien noch Häuser
der alten Art gab, so sind sie durch die Bautätigkeit der Tuff-
periode verschwunden. Vom Herd im Atrium keine Spur; und
mit seiner weiten Dachöffnung war dieses für den größten Teil
des Jahres als Wohnraum unbenutzbar. Die alte Wohnhalle mĂĽssen
wir uns als bedeckten Raum denken ; das tuscanische Atrium war,
was seine Benutzbarkeit betrifft, einem Hofe ähnlich geworden.
Nicht aber in seiner architektonischen Form. In dieser kam
die ursprĂĽngliche Bedeutung als Mittel- und Hauptbau der
ganzen Anlage zu unzweideutigem Ausdruck durch die groĂźe
Höhe, mit der es die umliegenden Räume weit überragte. In
dieser Beziehung ist sein Verhältnis zu den anliegenden Zimmern
vergleichbar dem einer Kirche zu den sich in sie öffnenden
Kapellen. Sein Eindruck als Innenraum wurde noch verstärkt,
wenn der Dachstuhl verhĂĽllt war durch eine Felderdecke in der
Höhe des Compluviums. Daß dies üblich war, bezeugt Vitruv.
In Pompeji freilich sind hiervon keine ganz sicheren Spuren;
wahrscheinlich begnügte man sich in einfacheren Häusern meist
mit dem offenen Dachstuhl.
Stark modifiziert wurde nun freilich dieser ursprĂĽngliche
Charakter im korinthischen Atrium. Durch die Größe der Licht-
öffnung, durch die Länge der Säulenreihen wird hier in der Tat
das Ganze einem von Säulenhallen umgebenen Hofe sehr ähnlich,
namentlich wenn, wie im Hause des Epidius Rufus, die Säulen
nur von mäßiger Höhe sind, so daß das Atrium die umliegen-
den Räume nicht überragt. So wird auch verständlich, wie ein
solches Atrium ein korinthisches heiĂźen konnte; denn eigentliche
Atrien gab es natĂĽrlich in Korinth nicht. Das korinthische Atrium
17*
26o
Pompeji.
ist nahe verwandt einem griechischen Haustypus, wie ihn die
Ausgrabungen auf Delos in zahlreichen Exemplaren zutage ge-
fördert haben. Auch dort sind die Wohnräume um einen kleinen
Säulenhof gruppiert.
Von dem Herd im Atrium, sagten wir, ist keine Spur ge-
blieben. Aber doch vielleicht eine Erinnerung. In vielen Häusern
steht an der RĂĽckseite des Impluviums ein viereckiger marmorner
Tisch. Varro, der Zeitgenosse Ciceros, spricht von diesem Tisch
— gartibulum^ ein Wort unklarer Bedeutung — als von einer
"Erinnerung aus seiner Jugend und sagt, man habe eherne Gefäße
auf ihn zu stellen gepflegt.
Fig. J33. Eine Geldkiste, arca.
In Pompeji hat sich die Sitte
offenbar länger erhalten. Es
ist recht wahrscheinlich, daĂź
dieser Tisch eine Erinnerung
an den Herd war; sei es nun,
daß er diesen selbst, die Gefäße
das Kochgerät symbolisierten,
sei es, daĂź er ursprĂĽnglich
der zum Reinigen der Gefäße
dienende KĂĽchentisch war, den
man als Erinnerung an die alte
Sitte auch nach Entfernung
des Herdes an seinem Platze belieĂź. Und daĂź er diesem prak-
tischen Zwecke auch später noch diente, darauf deutet eine nicht
selten zwischen ihm und dem Impluvium stehende marmor-
bekleidete Basis, von der aus eine Statuette einen Wasserstrahl
in ein im Impluvium stehendes Marmorgefäß entsandte. Diese
Gruppe von Tisch, Brunnenfigur und Becken war ein besonders
beliebter Schmuck des Atriums. Taf. VII zeigt den Tisch und
die FĂĽĂźe des Marmorbeckens; die Basis der Brunnenfigur fehlt hier.
Häufig stand ferner im Atrium die schwere, eisenbeschlagene
Geldkiste, arca (Fig. 133), meist auf einem schweren Stein oder
einer niedrigen Aufmauerung mittels einer durch ihren Boden
gehenden Eisenstange befestigt. Ihr Platz ist meist an einer der
Seitenwände; nicht selten waren ihrer auch mehrere.
In drei Häusern steht an der Rückseite des Atriums, zwischen
den dort sich öffnenden Türen, das Hermenporträt des Hausherrn
XXXIII. Das pompejanische Haus.
261
(Fig. 134), gestiftet in einem Falle von einem seiner Freigelassenen,
in einem anderen von einem Sklaven.
In großen Häusern baute man auch wohl zwei Atrien neben-
einander, eines als Zentrum der vorderen Wohnräume, als Staats-
und Repräsentationsatrium, das andere als Vorraum der Wirt-
schaftsräume. Klassische Beispiele sind die Casa del Fauno und
die Casa del Laberinto. In ersterem ist das Hauptatrium tusca-
nisch, das Nebenatrium viersäulig, in letzterem umgekehrt.
III. Das Tablinum.
Das Tablinum ist ein in ganzer Breite auf die RĂĽckseite des
Atriums geöffnetes Zimmer, gut sichtbar in Taf. VII und Fig. 134.
Wenn das Atrium, wie in den größeren Häusern Pompejis,
30 bis 40 FuĂź breit ist, so soll nach Vitruv das Tablinum die
halbe Breite haben; bei geringerer Breite soll das Verhältnis
3 : 2, bei größerer 5 : 2 sein. Die Höhe des Eingangs soll neun
Fig. 134. Atrium im Hause des Cornelius Rufus , mit Blick durch Tablinum und Andr.m in
das Peristyl. — Vorn das Impluvium mit marmornen TischfüDen; links, zwischen Tablinum und
Andron, die Herme des Kufus. Photographie lirogi.
202
Pompeji.
Achtel, die innere Höhe vier Drittel der Breite betragen. In
Pompeji aber sind diese Verhältnisse nicht innegehalten. In den
Häusern der Tufifperiode ist das Tablinum durchweg schmäler
und, so oft die Höhe kenntlich, höher. In römischer Zeit aber
machte man es weit niedriger.
Die Ă–ffnung des Tablinums, mit ihren als Pilaster gebildeten,
durch ein stattliches Gebälk verbundenen Pfosten, war zweifellos
das beherrschende Hauptmotiv des Atriums. Sie war nie durch
eine TĂĽr, sondern nur durch einen Vorhang verschlieĂźbar. In
zwei Häusern hat man die Halter gefunden, auf die der Vorhang,
wenn er zurĂĽckgeschlagen war, aufgelegt wurde. Es sind kleine
Fig. 135. Bronzene Halter des Vorhangs am Tablinum. Photogr. Esposito.
Bronzescheiben (Durchm. 0,116 bis 0,16 m) aus denen das Vorder-
teil eines Schiffes vortritt. Im Hause »der silbernen Hochzeit«
(Kap. XXXVIII) fand sich an jedem der beiden Eingangspilaster
des Tablinums ein solcher Halter, nicht in der Mitte des Pilasters,
sondern näher dem Eingang. In einem anderen, noch nicht
ganz ausgegrabenen Hause waren ihrer gar zwei an jedem
Pilaster, verschiedener Form und der eine näher dem Eingang,
der andere etwas weiter entfernt, so daĂź man den Vorhang mehr
oder weniger öffnen konnte; die Schiffschnäbcl sind hier mit dem
Vorderteil eines Stieres verziert (Fig. 135). Spuren solcher Plalter,
aber nicht diese selbst, sieht man noch in dem Hause des
M. Lucretius Fronto (Reg. V, Ins. 4).
XXXin. Das pompejanische Haus. 263
In älterer Zeit war in der Regel das Tablinuni auch nach
hinten in ganzer oder fast ganzer Breite geöffnet; doch war die
Ă–ffnung hier weniger hoch und konnte durch zwei groĂźe, zu-
sammenklappbare TĂĽrflĂĽgel geschlossen werden. Ohne Zweifel
standen aber diese im Sommer offen, und diente das Tablinum
dann als kĂĽhles, luftiges Zimmer, namentlich wohl als Speise-
zimmer. Dieser Gebrauch stimmt trefflich mit dem historischen
Ursprung des Namens.
Tablinum, tabuliniim^ von tabula^ Brett, ist eigentlich eine
Holzlaube. »In alter Zeit«, berichtet Varro, »speiste man Winters
am Herd, Sommers im Freien, und zwar auf dem Lande im
Hofe, in der Stadt im tabiilimim^ worunter wir eine aus Brettern
gezimmerte Laube [viaenianum] verstehen können.« Varro ver-
setzt uns hier in eine Zeit jenseits der Entstehung auch der
ältesten pompejanischen Häuser. Der Raum, den wir jetzt Ta-
blinum nennen, war wohl auch damals schon auf das Atrium ge-
öffnet, rückwärts aber geschlossen; und hinter ihm, an seine Rück-
wand angelehnt, stand, in den Garten hinaus, eine Veranda, in
der man im Sommer zu speisen pflegte. Diese hieĂź damals
Tablinum. In dem Zimmer auf der RĂĽckseite des Atriums,
dem späteren Tablinum — es hatte vielleicht keinen besonderen
Namen, sondern galt als Teil des Atriums — stand damals das
Ehebett des Hausherrn: lectus advcrsiis^ das (dem Eintretenden)
gegenĂĽberstehende Bett, ist alte Bezeichnung desselben, und
noch zur Zeit des Augustus nannte man so, oder auch lectiis
gciiialis^ ein Ruhebett, welches dem Eingange gegenĂĽber im
Atrium oder Tablinum stand, als symbolische Andeutung des
Ehebettes und Sitz der Hausfrau, zu vergleichen etwa dem an
die Stelle des Herdes getretenen Marmortische. Die alte Sitte
mußte abkommen, als das Atrium die große Deckenöffnung er-
hielt; und nachdem nun, wie der Herd in die KĂĽche, so das
Ehebett in eine geschlossene Kammer gewandert war, erhielt der
alte Schlafraum eine neue Bestimmung: man entfernte seine
RĂĽckwand und fand in ihm den kĂĽhlen Sommeraufenthalt, den
einst die an ihn angebaute Veranda geboten hatte, deren Name
nun auf ihn ĂĽberging.
x'\uch später, als um das Peristyl dem Hause Räume jeder
Art anwuchsen, mochte das Tablinum noch vielfach als Sommer-
204 Pompeji.
Speisezimmer dienen; freilich aber umsoweniger, je mehr sich
das Leben in die hinteren Räume zurückzog. Es liegt nahe zu
denken, daĂź es jetzt, auf der Grenze des vorderen und hinteren
Teiles des Hauses liegend, als Empfangszimmer diente fĂĽr solche
Gäste, die keinen Zutritt hatten in die reservierten Räume, daß
hier z. B. der Hausherr unter die zu seiner BegrĂĽĂźung er-
schienenen Klienten trat.
Wo das Tablinum aus Platzmangel weggefallen ist (so im
Hause der Vettier, Kap. XLI), pflegt an der Stelle desselben eine
weite, aber verschlieĂźbare Ă–ffnung in der RĂĽckwand des Atriums
zu sein.
IV. Die Alae.
A/a, FlĂĽgel, nannte man die beiden in ganzer Breite ge-
öffneten Räume auf beiden Seiten des Atriums (Fig. 128). Ihr
regelmäßiger Platz ist an den hinteren Ecken, doch öffnen sie
sich auch nicht selten auf die Mitte der Seitenwände; so im
Hause des Epidius Rufus (Kap. XXXIX). Ihre Breite soll nach
Vitruv, wenn, das Atrium 30 bis 40 FuĂź lang ist, ein Drittel, ist
es 40 bis 50 Fuß lang, zwei Siebentel der Länge des Atriums
betragen; sie sinkt auf ein Viertel, zwei Neuntel und ein FĂĽnftel
bei Atrien von 50 bis 60, 60 bis 80 und 80 bis 100 Fuß Länge.
Die Eingangshöhe soll gleich der Breite sein. In Pompeji aber
sind sie, wie das Tablinum, durchweg schmäler und, wo die Höhe
kenntlich, beträchtlich höher. In der Tuffperiode wurden die
Eingangspfosten als Pilaster gebildet, die, durch ein Gebälk ver-
bunden, in kleinerem Maße das Motiv der Tablinumsöffnung
wiederholten.
Es fehlt an Nachrichten ĂĽber Zweck und Benutzung der Alen.
Vitruv weist hier den Ahnenbildern ihren Platz an; aber das ist
ja eine nur fĂĽr wenige vornehme Familien in Betracht kommende
Sitte. Auch Pompeji gibt keine rechte Auskunft; wir erhalten
vielmehr den Eindruck, daĂź man die Alcn nur baute, weil sie
nun einmal ĂĽblich und ein Schmuck des Atriums waren. In
einzelnen Fällen dienten sie als Speiseräume; häufig hat man
eine Ala nachträglich in einen großen Schrank verwandelt.
Eine Ähnlichkeit drängt sich unabweisbar auf: die des nieder-
sächsischen Bauernhauses. Ganz wie im italischen Hause führt
XXXIII. Das pompejanische Haus. 265
auch dort der Haupteingang in einen groĂźen und hohen Mittel-
raum, die groĂźe Diele; neben diesem, so wie neben dem Ein-
gang, liegen Ställe und Wirtschaftsräume. An seinem hinteren
Ende aber erweitert sich der Hauptraum, ganz wie in den Alen,
beiderseits bis an die Außenwände; »Fleet« nennt man diesen
hinteren, breiteren Teil der Diele, mit dem Herd an der RĂĽck-
wand. Aber hier ist der Zweck ersichtlich: diese deutschen Alae
haben in ihrer AuĂźenwand je eine TĂĽr und ein Fenster, beide
gleich notwendig, um den Verkehr mit Hof und Garten zu ver-
mitteln und der sonst fensterlosen Diele Licht zuzufĂĽhren. Auch
das italische Haus war doch wohl ursprĂĽnglich ein isoliertes
Bauernhaus. Sein Atrium war ganz bedeckt ; so mochte wohl
auch hier das gleiche BedĂĽrfnis nach Licht und Kommunikation
dazu geführt haben, es an einer Stelle bis an die Seitenwände
des Hauses auszudehnen und hier Fenster und Nebeneingänge
anzubringen. Als dann das Bauernhaus zum Stadthaus wurde,
war letzteres in der Regel unmöglich; aber der konservative Sinn
der italischen Bevölkerung behielt doch die nun zwecklos ge-
wordenen Räume bei, wo der Platz es erlaubte.
Und es ist doch wohl ein Ăśberlebsel aus alter Zeit, wenn in
drei Häusern aus der Tuffperiode, wo es ausnahmsweise möglich
war in der RĂĽckwand der Ala ein Fenster anzubringen , dies
Fenster in der Tat sich findet, ganz unnötiger Weise, da doch
bei der großen Deckenöffnung des Atriums ein weiteres Licht-
bedĂĽrfnis nicht vorhanden war. Im Hause des Sallust (Kap. XXXV)
stößt an die rechte Ala die Säulenhalle eines kleinen Peristyls;
an die linke stieß in älterer Zeit — später wurde hier ein ge-
schlossener Raum angelegt — die Säulenhalle vor dem Garten.
Und in der RĂĽckwand jeder Ala war ein groĂźes Fenster; in der
linken bis zuletzt; in der rechten war es später zugemauert
worden. Im Hause »der silbernen Hochzeit« (Kap. XXXVIII)
stößt die linke Ala an die einen großen Garten einfassende
Säulenhalle ; und auch sie hatte in älterer Zeit — später ward es
zugemauert — ein großes Fenster in ihrer Rückwand. In der
Casa del Fauno (Kap. XXXVIi liegen zwei Atrien mit ihren
Alen neben einander; und auch hier ist die rechte Ala des
groĂźen Hauptatriums mit dem Nebenatrium durch ein groĂźes
Fenster, die linke Ala des Nebenatriums — in der Mitte der
2 06 Pompeji.
Langseite — mit dem Hauptatrium durch eine Tür verbunden.
Man kehrte eben, wo es irgend anging, zu der alten Gewohnheit
zurück, die vielleicht damals in Landhäusern noch lebendig war.
V. Räume um das Atrium. Der Andron.
Die Vorderzimmer neben dem Eingange sind an den Haupt-
straßen meist als Läden nach Außen geöffnet. Wo dies nicht
der Fall war, wurden sie als Speise- oder Schlafzimmer oder zu
wirtschaftlichen Zwecken benutzt.
An jeder Seite des Atriums liegen zwei oder drei kleine
Schlafzimmer. Wo die Grundfläche zu schmal ist, fehlen sie, wie
auch die Alae, auf einer oder auch auf beiden Seiten.
Auf der RĂĽckseite liegen neben dem Tablinum zwei ihm an
Tiefe gleiche Speisezimmer, die sich häufig, aber nicht immer
mit einem weiten Eingang rückwärts auf das Peristyl oder den
Gartenportikus öffnen. Seltener sind sie auch vom Atrium aus
durch je eine Tür zugänglich; es war aber Regel, daß beim
Bau diese Türen auf alle Fälle angebracht wurden; wollte dann
der Hausherr sich ihrer nicht bedienen, so wurden sie vermauert
und blieben als blinde TĂĽren ein Schmuck des Atriums.
Alle diese Zimmer waren in der vorrömischen Zeit sehr hoch,
die Vorder- und Seitenzimmer bis ĂĽber 4,50 m bis zum Ansatz
der kreuzgewölbförmigen Verschalung, die Hinterzimmer noch
höher, so daß sie mit ihrer Verschalung dem flach gedeckten
Tablinum an Höhe gleich kamen. Auch die Türen waren sehr
hoch (im Hause des Faun 4,10 m), teils um zu der mächtigen
Höhe des Atriums in richtigem Verhältnis zu stehen, teils auch
weil manche Zimmer nur durch sie Licht erhielten. Vermutlich
war eben deshalb häufig der obere Teil der Tür durchbrochen,
wie es oft in Wandgemälden dargestellt ist.
Andron nannten die Römer einen Korridor, indem sie einem
griechischen Worte eine ihm ursprĂĽnglich fremde Bedeutung
gaben; denn bei den Griechen heißt Andron der Männersaal.
Wir nennen so — in Ermangelung einer besser bezeugten Be-
nennung — den Gang, der in vielen Häusern neben dem Tablinum
aus dem Atrium in das Peristyl fĂĽhrt. Es scheint, daĂź dieser Gang
nicht zu dem ursprünglichen Bestände des altitalischen Hauses ge-
XXXni. Das pompejanische Haus. 267
hörte. Er kommt zwar, wie es scheint, schon in der Zeit der
Kalksteinatrien vor, fehlt aber in den besterhaltenen Häusern
dieser Periode; so in dem Hause des Chirurgen (Kap. XXXIV),
wo man durch das Tablinum oder auf einem Umwege durch die
Wirtschaftsräume aus dem Atrium in den Garten gelangte. Auch
im Hause des Sallust, einem der stattlichsten und vermutlich der
ältesten Häuser der Tufifperiode fehlte er ursprünglich, obgleich
hier das Tablinum nach hinten nur ein Fenster, keine TĂĽr hat;
man kam in den Garten nur durch die Zimmer neben dem
Tablinum; erst später hat man ihn von dem rechten dieser
Zimmer abgetrennt. So fĂĽhrt auch aus dem Hauptatrium im
Hause des Faun kein Gang ins Peristyl: man ging durch das
Zimmer links vom Tablinum. Auch sonst ist er von der Tuff-
periode an keineswegs immer vorhanden; doch fehlt er meist
nur in kleineren Häusern oder da, wo ein Nebenatrium oder
sonstige Nebenräume eine andere Verbindung bieten. In der
Regel war er an beiden Enden durch eine TĂĽr verschlieĂźbar.
Vitruv, wo er das Atrium bespricht, nennt ihn nicht; es scheint
auch, daĂź es keinen altitalischen Namen fĂĽr ihn gab.
VI. Gärten, Peristyl, Räume um das Peristyl.
Wenn nach alter Art hinter dem Atrium kein Peristyl, son-
dern nur ein Garten liegt, so erstreckt sich meistens vor dem-
selben, an der RĂĽckseite des Hauses entlang, ein auf diesen ge-
öffneter Portikus. So in den Häusern des Chirurgen, des Sallust,
des Epidius Rufus. In dem groĂźen Hause des Pansa folgt
hinter dem Peristyl noch ein Garten.
Das Peristyl ist ein bald auf allen vier, bald auf zwei oder
drei Seiten von Säulenhallen eingefaßter Garten. War von diesen
Hallen die nach Süden geöffnete höher als die anderen — es
war dann wohl meist die vordere, wie im Hause der silbernen
Hochzeit — so nannte man dies ein rhodisches Peristyl. Häufig
waren, namentlich in der Tufifperiode, die Säulenhallen zwei-
stöckig, entweder ringsum oder nur auf der Vorderseite, wie im
Hause des Faun und in der Casa dcl Centenario. Reste der
kleineren, oberen Säulenstellung sind in vielen Häusern erhalten.
In betreff der Zimmer um das Peristyl ist AllgemeingĂĽltiges
268
Pompeji.
kaum zu sagen. Häufig Hegt in der Mitte der Rückseite ein
großes, in ganzer Breite geöffnetes Zimmer, Exedra, gewisser-
maĂźen das Motiv des Tablinums wiederholend. Im ĂĽbrigen sind
Speisezimmer, Gesellschaftsräume, Schlaf kammern in verschie-
dener Weise, wie es die Raumverhältnisse mit sich brachten,
angeordnet.
VII. Schlafzimmer.
Als Schlafräume dienten im Atriumhause die Kammern neben
dem Atrium, und dabei ist es in manchen, auch groĂźen und
'â– AIM.L, '
Fig. 136. Durchschnitt eines Schlafzimmers im Hause des Centauren. Links die Bettnischc ;
oben zwei Fenster.
reichen Häusern bis zuletzt geblieben; z. B. in der Casa del Fauno.
Es sind enge und hohe Räume mit hohen Türen. Anders ge-
staltet sind die Schlaf kammern an den Peristylien: weit niedriger,
in ganzer oder fast ganzer Breite auf die Portiken geöffnet, häufig
auĂźerdem durch eine kleine SeitentĂĽr mit einem anliegenden
Speisezimmer oder auch mit einer nischenartigen Erweiterung
des Portikus verbunden. Der Zweck dieser Anordnung ist klar
genug; es war unbequem, die große und schwere Tür oft öffnen
und schlieĂźen zu mĂĽssen; so lieĂź man sie im Sommer Tag und
XXXin. Das pompejanische Haus. 269
Nacht offen stehen und schloĂź den weiten Eingang nur durch
einen Vorhang; im Winter aber öffnete man sie etwa täglich
einmal, um zu lĂĽften und zu reinigen, ging aber im ĂĽbrigen
durch die kleine TĂĽr aus und ein.
Häufig ist der Platz des Bettes besonders charakterisiert und
von dem übrigen Räume unterschieden. Manchmal durch die
Form des Zimmers selbst, indem das Bett in einer besonderen
Nische stand. So in einem Schlafzimmer der Casa del Centauro
(VI, 9, 3) mit schöner Wanddekoration ersten Stils (Durchschnitt
Fig. 136). Nicht selten finden sich auch zwei Nischen fĂĽr zwei
Betten. In den Mosaikfußböden der Schlafzimmer ist der Platz
des Bettes weiß und von dem übrigen Räume durch einen
schwellenartigen Ornamentstreifen getrennt. Ganz besonders
häufig aber ist er durch die Malerei, namentlich zweiten Stiles
bezeichnet: die dem Bette entsprechenden Teile sind etwas ab-
weichend behandelt in Farben und Einteilung. Häufig endlich
war auch die Decke der beiden Teile verschieden: ĂĽber dem
Bett ein Tonnengewölbe, im übrigen entweder flache Decke in
der Scheitelhöhe desselben oder ein Tonnengewölbe in größerer
Höhe als das der Bettnische. Zwei vorzüglich erhaltene Beispiele
bietet das Haus der silbernen Hochzeit: in beiden ist der Platz
des Bettes durch den MosaikfuĂźboden, die Malerei zweiten Stiles
und die Decke bezeichnet.
VIII. Speisezimmer.
Speiseräume waren im altitalischcn Hause, nachdem man auf-
gehört hatte im Atrium zu speisen, die beiden quadratischen
Zimmer neben dem Tablinum und im Sommer das Tablinum
selbst; so lange man nach alter Sitte zu Tische saĂź, genĂĽgte dem
Zweck jedes einigermaßen geräumige Zimmer. Als man aber
dem Atriumhause das Peristyl anfĂĽgte, war mittlerweile die grie-
chische Sitte des Liegens bei Tisch aufgekommen und mit ihr
eine besondere P'orm des Speisezimmers, das Triclinium, Dreibett.
Die um den Tisch stehenden drei Speisebetten, lecti^ nahmen
ein Quadrat von etwa 4 m ein. Dem Zimmer eine größere
Breite zu geben war meistens untunlich; so standen denn die
Lecti an den Wänden, den innersten Teil des Zimmers ganz
ausfĂĽllend. Um auch fĂĽr die Bewesfunsr der Dienerschaft hin-
B
A
c
270 Pompeji.
länglichen Raum zu bieten, soll nach Vitruv das Speisezimmer
doppelt so lang als breit sein. In Pompeji ist es meist etwas
kĂĽrzer: bei 3,50 bis 4 m Breite nicht leicht ĂĽber 6 m lang. Die
Speisezimmer am Peristyl sind meist in ganzer Breite auf dieses
geöfifnet, konnten aber durch große, zusammenklappbare Türen
verschlossen werden.
Die gewöhnliche Aufstellung der drei Speisebetten zeigt
Fig- 137; man bezeichnete sie als das oberste, mittlere und
unterste. Auf jedem derselben lagen der Regel nach drei Per-
sonen, indem sie den linken Arm auf ein nach dem Tische zu
liegendes Polster stĂĽtzten und die Beine nach rechts streckten.
Daher hieĂź der erste Platz des rechten
Lectus der oberste, sitmmiis\ der folgende
lag »unter ihm«, d. h. auf der Seite, wo-
hin er die FĂĽĂźe streckte, der dritte auf
jedem Bette war der unterste, iunis. Wenn
es im Evangelium heiĂźt, daĂź Johannes
am Busen Jesu lag, so wĂĽrde das nach
^. p ^ n - c ■römischer Ausdrucksweise heißen: er lag
Flg. 137. GrundriĂź eines Speise- o
Zimmers mit den drei Betten. UUtCr ihm. AuS dicSCr Art ZU Hegen Cr-
A Lectus s-uvimiis. B Lectus ifa. -i i-ij.j- a^ • J- Tt ll
,. n T t â– klart sich leicht die Art, wie die Betten
meaius. C Lectus ivnis. '
D TischfuĂź. gestellt sind, und daĂź das linke Ende
des Hufeisens länger sein mußte als das
rechte, weil nach dieser Seite die Beine gestreckt waren. Die
drei so aufgestellten Betten nannte man, wie das Speisezimmer,
Triclinium, Dreibett.
Die Pompejaner liebten es, an Sommerabenden im Garten zu
speisen. Um aber nicht die Betten aus und eintragen zu mĂĽssen,
wurde hier häufig das »Triclinium« aus Mauerwerk hergestellt.
Solche gemauerte Triklinien sind in ziemlicher Zahl erhalten und
haben fast immer genau die durch unsere Zeichnung angedeutete
Form mit dem weiter vorgestreckten linken Ende; in der Mitte
steht stets der ebenfalls gemauerte FuĂź fĂĽr die Tischplatte, in
der Nähe ein kleiner Altar für die bei jedem Mahl dargebrachten
Opfer. Den Anblick zeigt das in Kap. L abzubildende Triclinium
funebre an der Gräberstraße.
Wir dĂĽrfen sicher annehmen, daĂź, wenn im Hause gespeist
wurde, stets ein kleiner tragbarer Altar zur Stelle war, wie sie
XXXIII. Das pompejanlsche Haus. 271
aus Ton oder Bronze, oft gefunden werden. Nur in einem Falle
— II (VIII), 5 — 6, i6, Fig. 138 — ist mit einem kleinen Speise-
zimmer ein Vorzimmer verbunden, in dessen Mitte ein kleiner
Altar aus Tuff steht.
Lehnen hatten die Speisebetten in der Regel nicht; oft aber
hatten das oberste und unterste an der der Ă–ffnung des Huf-
eisens zugewandten Schmalseite eine ziemlich hoch aufstehende
Schranke (in Fig. 137 angedeutet), die wohl das Herabgleiten
der Polster verhindern sollte. Ihre Form war die der Lehne am
Kopfende eines Bettes; man nannte sie daher Lehne [fulcrmii^
auch pluteus\ und der Platz an der offenen Seite des Hufeisens
hieß »bei den Lehnen der Betten« [ad fiilcra lectoriim). Hier
saĂźen nach alter, auch in der kaiserlichen Familie beobachteter
Sitte die Kinder auf StĂĽhlen an einem be-
sonderen Tische. In einem pompejanischen
Hause — III (IX), 5, 11, Taf. VII — ist der
Sitz der Kinder erhalten: eine niedrige, etwa
1,50 m lange, an den linken, längeren Arm
des Gartentricliniums angemauerte Bank.
, _,.. r ■i • • 1 Fig. 138. Grundriß eines
In manchen Garten finden wir vier oder Speisezimmers mit vor-
sechs Säulen; sie bildeten, durch Balken und nimmer, in dem ein Aitar
, , . 1 1 7- • 1 Steht. A Raum für Tisch
Latten verbunden, mit Weinreben oder an- und speisebetten, h Vor-
deren Gewächsen umrankt, eine Laube, die räum mit Aitar.
auch als sommerlicher Speiseraum diente.
Wie in den Schlafzimmern der Platz des Bettes, so ist häufig
in den Speisezimmern der innere, fĂĽr Tisch und Speisebetten
bestimmte Teil von dem vorderen unterschieden, bisweilen durch
das Muster des Mosaikfußbodens, öfter durch Wandmalerei und
die Form der Decke. Es ist wohl Zufall, daĂź sich kein Bei-
spiel ersten Stiles findet; besonders häufig sind im zweiten Stil
die beiden Teile genau so charakterisiert wie in den Schlaf-
zimmern. Im dritten und vierten ist, dem mehr ornamentalen
Charakter dieser Dekorationsweisen entsprechend, die Trennung
eine weniger kräftige. Sie zeigt sich aber häufig genug darin,
daĂź die innere Schmalwand und die inneren Teile der Lang-
wände je in ein durch Größe und Ornamentierunor hervor-
gehobenes Mittelfeld und zwei Seitenfelder, die vorderen Teile
der Langwände aber in zwei den Seitenfeldern gleichartige holder
272 Pompeji.
geteilt sind; ein pilasterartiger Ornamentstreif bezeichnet die
Trennung.
Bequem waren diese engen Speiseräume nicht; wer weiter
einwärts lag, konnte seinen Platz weder erreichen noch verlassen,
ohne über einige Tischgenossen hinwegzusteigen. Große Säle,
in denen rings um die Speisebetten ein Raum frei blieb oder
gar mehrere >Triklinien« aufgestellt werden konnten, kennt die
Architektur der vorrömischen Zeit nicht. Erst in der Kaiserzeit
sind sie in einigen wenigen Häusern nachträglich eingerichtet
worden. So der 7 X 1 1 m groĂźe Saal der Casa del citarista
(i, 4, 5); ferner im Hause des Pansa (772 X 10 m), im Hause
des Kastor und Pollux (7X9 m).
Oecus nannte man ein solches groĂźes Zimmer, mit einem
griechischen Worte, welches auch »Haus« bedeuten kann. Eine
^ besondere Art ist der
korinthische Oecus,
ffl ffl â– dessen EigentĂĽmlich-
keit darin besteht, daĂź
an den Wänden entlang
Säulen stehen, die das
ffl B B Zimmer in einen ĂĽber-
wölbten Mittelraum und
""-^ — ^ — ^ — t- — I '"'" einen flach gedeckten
Fig. 13g. GrundriĂź eines Speisezimmers im Hause der TJmP'ano' teilen Wir
silbernen Hochzeit. o fc>
dĂĽrfen annehmen, daĂź
auch diese Säle als Speisezimmer dienten: im Mittelraum stand
das Triclinium; der Umgang bot einen doppelten Vorteil. Erstens
konnten durch ihn die Gäste jederzeit ihre Plätze erreichen und
verlassen; zweitens konnten hier die Sklaven stehen, die bei vor-
nehmen Gastmählern die Gäste mitbrachten. Ein solcher Sklave
hieĂź, weil er bei den FĂĽĂźen des Herrn stand, {serinis) a pedibus^
oder ad pede^. Die Casa del Laberinto und die Casa di Meleagro
haben je einen solchen korinthischen Oecus ziemlich quadrati-
schen Grundrisses; der Raum zwischen den Säulen wurde wohl
durch Tisch und Speisebetten ziemlich ausgefĂĽllt; fĂĽr die Be-
wegung der Dienerschaft muĂźte der Portikus des Peristyls ge-
nügen, auf den sich diese Säle, durchaus Sommerräume, in ganzer
Breite öffnen. Anders und besonders charakteristisch ang^e-
XXXIII. Das pompejanische Haus. 273
ordnet ist ein erst kĂĽrzlich ganz ausgegrabenes und auf Grund
der gefundenen Spuren und Fragmente musterhaft restauriertes
Zimmer des Hauses der silbernen Hochzeit (Kap. XXXVII,
Fig. 139). Es ist ein langgestreckter Raum, durch das Muster
des FuĂźbodens, durch die Wandmalerei zweiten Stils, durch
die Decke und durch eine innere Säulenstellung in einen inneren
Teil und einen Vorraum (cj geteilt. Der innere Teil hat statt der
an drei Seiten umlaufenden Säulenreihen der korinthischen Oeci
nur vier auf Postamenten stehende achteckige Säulen. Der von
den vier Säulen eingeschlossene Mittelraum (a)^ der eigentliche
Speiseraum, war bedeckt von einem auf ihrem Gebälk ruhenden
Tonnengewölbe, mit der Axe in der Längenrichtung, der
zwischen den Säulen und der Wand übrig bleibende Umgang (b)
von einer flachen Decke in der Höhe des Gewölbeansatzes, der
Vorderraum (c)^ wo sich die Dienerschaft bewegte, von einer
ebensolchen in der Scheitelhöhe des Gewölbes.
In großen und reichen Häusern hatte man verschiedene Speise-
zimmer fĂĽr die verschiedenen Jahreszeiten; und so ist es sicher
zu verstehen, wenn Petrons Trimalchio sich rĂĽhmt, ihrer vier zu
haben. Nach Vitruv sollen die Wintertriklinien gegen SĂĽden, die
Sommertriklinien gegen Norden, die P>ĂĽhlings- und Herbst-
triklinien gegen Osten gerichtet sein. So mögen wir auch für
Pompeji annehmen, daß die nach Süden geöffneten vorzugsweise
im Winter, die nach Norden geöftheten vorzugsweise im Sommer
benutzt wurden. Wir mögen ferner besonders luftige Räume,
solche, die auĂźer der groĂźen TĂĽr noch ein groĂźes F'enster
haben, fĂĽr den Sommergebrauch in Anspruch nehmen. Im
ĂĽbrigen sind Unterschiede in Form und Bauart je nach der Be-
stimmung fĂĽr die eine oder andere Jahreszeit nicht zu konstatieren.
IX. Küche, Bad, Vorratsräume.
Küche und Wirtschaftsräume haben im pompejanischen Hause
keinen festen Platz; sie werden angebracht, wo es nach den Raum-
verhältnissen am bequemsten ist. Die Küche ist einfach und
enthält nichts Bemerkenswertes außer dem Herd. Auch dieser
ist sehr kunstlos: eine einfache rechtwinklisfe Aufmaueruansf und
auf derselben bisweilen kleine gemauerte hufeisenförmige Vor-
Mau, Pompeji. 2. Aufl. jg
274
Pompeji
richtungen, um Gefäße über Feuer zu stellen. Doch waren diese
keineswegs immer vorhanden; im Hause der Vcttier, wo der
Herd unversehrt mit den Kochgefäßen gefunden wurde (Fig. 140),
standen diese auf eisernen DreifĂĽĂźen. In einem anderen Hause
dienten demselben Zweck die spitzen unteren Enden dreier zer-
brochenen Tonamphoren. Unter dem Herde ist häufig ein Raum
fĂĽr die Feuerung.
Nicht selten findet sich neben dem Herd ein kleiner Back-
ofen, so klein, daĂź nicht an Brot-, sondern nur an Kuchen-
bäckerei gedacht werden kann. Einen größeren Backofen, viel-
leicht zur Herstellung groben Brotes fĂĽr die Sklaven, finden wir
Fig. 140. Herd in der Küche des Hauses der Vettier. Der gewölbte Raum dient zum
Aufbewahren der Feuerung.
im Keller der Casa del Centenario, wo seine Wärme auch dem
ĂĽber ihm liegenden Bade zu gute kam. Im allgemeinen aber
wurde das Brot vom Bäcker bezogen.
Die KĂĽche war meist sehr hoch. Der Rauch zog durch ein
Fenster ĂĽber dem Herd ab, vielleicht bisweilen auch durch Decken-
öffnungen; doch kann dies bei der durchgängigen Zerstörung der
oberen Teile nicht recht sicher festgestellt werden. Aus der
Kleinheit der KĂĽchen und namentlich der Herde auch in groĂźen
und reichen Häusern dürfen wir schließen, daß der Speiseluxus
der ersten Kaiserzeit nur in sehr bescheidenem MaĂźe nach Pom-
peji gedrungen war.
XXXIII. Das pompejanische Haus. 275
Dicht bei der KĂĽche, oft auch in derselben, bisweilen un-
mittelbar neben dem Herd, ist meistens der Abtritt; in eigenen,
geräumigen Zimmern finden wir ihn in der Casa del Fauno und
in dem Hause des Kastor und Pollux.
Manche größere Häuser haben ein kleines Bad, so klein,
daĂź es nicht wohl von mehr als einer Person zur Zeit benutzt
werden konnte. Meistens besteht es aus Tepidarium und Cal-
darium; bisweilen kommt noch ein Apodyterium hinzu, selten
eine Kammer mit Bassin fĂĽr das kalte Bad; zweimal (Casa del
Centenario, Villa des Diomed) ist dieses in einem kleinen Hofe;
in der Regel genĂĽgte fĂĽr das kalte Bad eine im Apodyterium
oder Tepidarium aufgestellte Wanne. Die Heizvorrichtungen sind
dieselben wie in den öffentlichen Bädern, mehr oder weniger
vollständig, je nach der Entstehungszeit, so daß wir die in den
Stabianer Thermen beobachtete allmähliche Steigerung der Hei-
zung auch hier verfolgen können. Die Heizung geschah von
der Küche aus ; so in den Häusern des Faun und der silbernen
Hochzeit und in der Villa des Diomedes.
Vorratskammern, in verschiedenen Teilen des Hauses, sind
kenntlich durch die Spuren der an den Wänden angebrachten
Regale. Keller sind nicht häufig. Die Casa del Centenario hat
ihrer zwei. Der eine, zugänglich durch eine Treppe aus dem
Atrium, erstreckt sich unter das Tablinum und die Vorderhalle
des Peristyls; in den anderen gelangt man aus einem Neben-
atrium; er ist in mehrere Räume geteilt, deren einer den schon
erwähnten Backofen (S. 274) enthält. Im Hause des Caecilius
Jucundus liegt der Keller unter dem Garten. Von dem der Villa
des Diomedes wird weiterhin die Rede sein.
X. Kapellen der Hausgötter.
Jedes Haus verehrte seine Schutzgeister und Schutzgötter:
die Laren und Penaten und den Genius des Hausherrn. Zahl-
reich sind in Pompeji die bald einfacheren, bald reicheren Denk-
mäler dieses Kultus.
In manchen Häusern ist es nur eine Wandmalerei: die Laren
und der Genius, auch wohl das ihnen gebrachte Opfer, darunter
ein Altar mit FrĂĽchten, dem sich von jeder Seite eine Schlange
18*
276
Pompeji.
nähert. Besonders häufig finden sich solche Bilder in der Küche,
in der Nähe des Herdes.
In anderen Häusern standen kleine Bronzefiguren in einer bald
einfachen, bald tempelartig eingerahmten Wandnische (Fig. 143),
neben oder in der auch wohl wieder die Schutzgeister und Götter
gemalt waren. So in
der KĂĽche der Casa di
Apollo (Fig. 141); die
Bilder der Götter sind
fast ganz verblichen,
die Schlange — es ist
hier nur eine — ist
deutlich sichtbar. Da-
vor ein kleiner ge-
mauerter Altar.
Häufig ist es ein
auf hohem Unterbau an
die Wand des Atriums
oder des Gartens an-
gelehntes Tempelchen
(Fig. 142), in dem meist
auf einer niedrigenStufe
die BronzefigĂĽrchen
standen.
Ganz vereinzelt dient
ein besonderes Zimmer
dem Kult der Haus-
götter. In einem Falle
— III (IX), 8, 7 — ist es
ein Gartenhäuschen, in
dem eine Wandnische
die Götterbilder ent-
hielt.
Die Laren — ursprünglich ist es nur einer, erst seit der Zeit
Ciceros erscheinen sie in der Mehrzahl, in Pompeji sind es stets
zwei — sind die Schutzgeister des Hauses; sie werden dargestellt
als JĂĽnglinge in tanzender Stellung, in kurzem, gegĂĽrtetem Ge-
wände; in der einen Hand halten sie, hoch erhoben, das Trink-
Fig. 141. Nische für die Hausgötter in der Küche der Casa
di Apollo. Unten, gemalt, eine Schlange an einem runden
Altar mit Opfergaben. Davor ein viereckiger Altar fĂĽr den
Hausgottesdienst.
XXXIII. Das pompejanische Haus.
277
horn, r/iytoji, aus dessen Spitze ein Weinstrahl bogenförmig
herabfällt in ein in der anderen Hand gehaltenes Gefäß, entweder
eine Opferschale, patera^ oder einen kleinen Eimer, situla. Man
brachte ihnen einfache Gaben dar — Früchte, Opferkuchen,
Kränze und Weihrauch — und bei jeder Mahlzeit setzte man ihnen
in kleinen SchĂĽsseln ihren Anteil vor. Wurde ihnen ein Tier
geopfert, so war es ein Schwein.
Mit ihnen verehrte man den
Genius, den Schutzgeist des Haus-
herrn. Auch er hat seinen festen
Typus bildlicher Darstellung: es
ist das Porträt des Hausherrn, mit
ĂĽber den Kopf gezogener Toga,
wie es beim Opfer ĂĽblich war,
aus einer Schale das Trankopfer
ausgießend ; in der Linken hält er
manchmal ein FĂĽllhorn, bisweilen
das Weihrauchkästchen, acerra.
Nur selten begegnet der Genius
der Hausfrau; einmal, wie es
scheint, gemalt in Gestalt der
Juno; denn »Juno* nannte man
den Genius der Frau: wie der
Mann bei seinem Genius, so
schwört die Frau >bei meiner
Juno«. In der S. 276 erwähnten
Gartenkapelle fand sich eine Ton-
statuette, die den weiblichen
Genius darstellt, wie er auf einem Ruhelager liegend das Trank-
opfer ausgieĂźt.
DaĂź man unter dem mit den Laren zusammen verehrten und
dargestellten Genius in der Regel den des Hausherrn verstanden
habe, hat man mit Recht geschlossen aus der Inschrift an dem
Larentempelchen des Hauses des Epidius Rufus: Gcnio Miarci)
7i[ostri) et Laribus duo Diadtnucni liberti^ »dem Genius unseres
Marcus (des Hausherrn) und den Laren seine beiden Freigelassenen
mit Namen Diadumenus«. Dennoch aber dürfen wir fragen, ob
nicht bisweilen vielmehr der Genius des Kaisers gemeint war.
Fig. 142. Larentempel im Hause des
Epidius Sabinus, III (IX), i, 22.
278 Pompeji.
von dem wir ja wissen - — Horaz (Od. IV, 5, 33) sagt es besonders
ausdrücklich: Laribtis tuum miscet numen — daß er mit den
Laren zusammen verehrt wurde. Auf der RĂĽckwand einer Haus-
kapelle, in einem Garten — IV (VII), 11, 14 — ist ein Altar gemalt,
an dem rechts Jupiter steht, links der Genius, beide das Trankopfer
ausgieĂźend. Es ist schwer zu glauben, daĂź man den Genius des
Hausherrn so dem höchsten Gotte gleichberechtigt gegenüber-
gestellt haben sollte, wahrscheinlicher, daĂź der Genius des Kaisers
gemeint ist. Er gleicht am ehesten Claudius, womit es gut stimmt,
daĂź das Bild zur Zeit des dritten Stiles gemalt ist. In einem
anderen Hause — III (IX), 8, 13 — sind zwei opfernde Genien auf
die Wand gemalt und unter einem derselben mit groĂźen Buchstaben
in die Wand gekratzt EX SC, d. h. ex senatiis consitlto^ nach
SenatsbeschluĂź; es liegt nahe zu denken, daĂź hier der Genius
des Augustus und der SenatsbeschluĂź gemeint ist, durch den, wie
Dio Cassius (LI, 19, 7) berichtet, der häusliche Kult desselben
angeordnet wurde. So dĂĽrfte doch wohl auch, wo solche be-
stimmte Anzeichen fehlen, bisweilen der Genius des Kaisers gemeint
sein. Z. B. in dem Genius der beistehend (Fig. 143) abgebildeten
Kapelle des Hauses der Vettier ist eine gewisse Ă„hnlichkeit mit
Nero nicht zu verkennen.
Die Penaten sind ursprünglich die Schutzgötter der häuslichen
Vorräte [pemis] und der Vorratskammer. Es konnten dies nach
Wahl des Hausherrn verschiedene Götter sein : penates ist nicht
Eigenname, wie Lares^ sondern adjectivische Bezeichnung dieser
Götter, der di penates. Aber diese ursprüngliche Bedeutung war
schon den Zeitgenossen Ciceros dunkel; man verstand unter den
Penaten verschiedene Götter, denen der Hausherr oder die Fa-
milie besonderen Kult widmete, Ihre Bilder finden wir in Pom-
peji sowohl in den erwähnten Malereien als unter den Bronze-
figĂĽrchen. So enthielt das Tempelchen im Hause des Lucretius
fĂĽnf Bronzestatuetten: den Genius, Jupiter, Herkules, Fortuna
und eine unbestimmbare. Im einem anderen Hause waren es
Apollo, Aeskulap, Herkules, Merkur und zwei Laren, wieder in
«inem anderen Fortuna und die Laren. Auch in den Malereien
begegnen häufig Jupiter und Fortuna; ferner Venus Pompejana,
Herkules, Mars, auch Vulkan als Personifikation des Herdfeuers und
in den Bäckereien regelmäßig Vesta, die Schutzgöttin der Bäcker.
XXXIII. Das pompejanische Haus.
279
Fig. 143. Larenheiligtum im Hause der Vettier.
In der Mitte der Genius mit Opferschale und Weihrauchschachtel. Neben ihm die I.aren mit
Trinkhorn und Eimer. Unten eine Schlange mit Kamm, sich dem Altar mit OiifcrL;abcn
nähernd.
2 8o' Pompeji.
Häufig, fast regelmäßig, sind unterhalb der Laren und Penaten
zwei Schlangen auf die Wand gemalt, die sich von zwei Seiten
auf einen Altar zu ringeln, auf dem FrĂĽchte und zwischen diesen
meist ein Ei und ein Pinienzapfen kenntlich sind. Die Bedeutung
solcher Schlangen war schon den Alten nicht recht klar. Bei
Virgil zweifelt Aeneas, als er aus dem Grabe des Anchises eine
Schlange hervorkommen sieht, ob dies der Genius des Ortes oder
ein dienender Geist seines Vaters sei; offenbar war also dies dem
gelehrten Dichter selbst zweifelhaft. Da aber in Pompeji regel-
mäßig eine dieser Schlangen durch den Kamm als männlich
bezeichnet ist, so werden wohl die Pompejaner in ihnen Erschei-
nungsformen oder Symbole der Genien des Hausherrn und der
Hausfrau, wo nur eine männliche Schlange erscheint, des unver-
heirateten Hausherrn gesehen haben. Deutlich tritt auch diese
Auffassung hervor in der Erzählung von dem Schlangenpaar, das
im Ehebett des Vaters der beiden Gracchen gefangen wurde.
Die Haruspices rieten, eine von beiden zu töten; wenn die männ-
liche, so mĂĽsse Gracchus selbst, wenn die weibliche, so mĂĽsse
seine Gattin sterben. Gracchus ließ die männliche töten und
starb bald darauf Offenbar ist hier die Schlange gedacht als
Erscheinung des Genius, dessen Tod den seines SchĂĽtzlings
nach sich zieht. Das Erscheinen der beiden Genien bedeutet
Unheil, Tod, fĂĽr beide Gatten; aber durch das Opfer des einen
wird der andere lossfekauft.
XI. Obere Räume.
Die vorrömischen Häuser Pompejis waren vorwiegend Parterre-
bauten. Namentlich deutlich ist dies fĂĽr den vorderen Teil, um
das Atrium. Doch kamen obere Räume auch damals vor. Z, B.
wo das Peristyl zweistöckig war, müssen sich auch auf seinen
oberen Portikus irgend welche Zimmer geöffnet haben. Aber
erst in römischer Zeit, da bei steigender Bevölkerung der Platz
knapp wurde, ward es ĂĽblich, auch den Parterrezimmern um das
Atrium geringere Höhe zu geben und dafür über ihnen obere
Räume zu schaffen. Nur sehr selten war es ein vollständiger
Oberstock, meist dĂĽrftige Kammern, hier ĂĽber einem, dort ĂĽber
einisfen Zimmern, oft in verschiedenem Niveau und durch ver-
XXXin. Das pompejanische Haus.
2«I
schiedene Treppen zugänglich. Mehr als zwei Räume über-
einander kommen nur ausnahmsweise und in ganz geringer Aus-
dehnung vor. Bisweilen traten die oberen Räume erkerartig
über die Straße vor; in einem Hause — Casa del balcone pensile,
IV (VII), 12, 28, s. Fig. 144 — ist ein solcher Erker durch sorg-:
faltige Erneuerung des antiken Holzwerkes erhalten worden.
Nicht zu ver^vechseln mit dem Oberstock sind die am West-
und Südwestabhange des Stadthügels erbauten mehrstöckigen
Häuser. Hier liegt der oberste Stock im Niveau der Straße, die
Fig. 144. Haus mit Erker.
anderen unter und hinter ihm , stufenweise vorspringend , am
Abhänge hinunter. Wir werden weiterhin eines dieser Häuser
betrachten.
Schon bei Plautus und bis in die späteste Zeit heißen die
oberen Räume »Speisezimmer«, cenaada. Varro erklärt: >seit
es Sitte geworden war, oben im Hause zu speisen, nannte man
alle oberen Räume Speisezimmer«. Von dieser Sitte ist sonst
nichts bekannt. Aber etwas Wahres muĂź doch der Angabe
Varros zu Grunde liegen; wie hätte sonst jene Bezeichnung ent-
stehen können? In einer frühen Zeit, wohl bald nachdem das
Atrium durch die große Dachöfifnung seine alte Bedeutung als
Wohnraum verloren hatte (oben S. 259;, muĂź es ĂĽblich geworden
282
Pompeji.
sein, im Oberstock einen Speiseraum anzulegen; und zwar muĂź
dies, wenn auch nicht der einzige, so doch der hauptsächlichste
obere Raum gewesen sein, so daĂź sein Name auf den ganzen
Oberstock ĂĽbertragen werden konnte.
Vielleicht sind nun Spuren dieses oberen Speiseraumes, an
dem ursprĂĽnglich der Name cenaculum haftete, in einigen pom-
pejanischen Häusern erhalten. Nur in sehr wenigen, aber die
F'ig. 145. Das Innere eines Hauses mit oberem, auf das Atrium geöffneten Speiseraum.
oberen Teile der Häuser sind ja durchweg zerstört, und so mag
er noch in manchen anderen vorhanden gewesen sein. Eines
derselben, in der Insula V, 2, neben dem Hause der silbernen
Hochzeit, hat im ErdgeschoĂź Wanddekorationen ersten Stils
und stammt sicher aus vorrömischer Zeit. Das zweite, in der
Insula IV (VII , 15, in der Nähe des Apollotcmpels, ist im zweiten
Stil gemalt und stammt wohl aus spätrepublikanischer Zeit. In
XXXin. Das pompejanische Haus.
283
beiden öffnen sich zu ebener Erde auf die Rückseite des Atriums
drei Räume: zwei Zimmer und ein Gang, der in die hinteren
Teile des Hauses führt. Oberhalb dieser drei Räume aber liegt,
dem Atrium an Breite gleich, ein einziger Raum: eine Loggia,
seitwärts und rückwärts geschlossen, nach vorn mit einer Säulen-
stellung, im letztgenannten Hause mit einer Pfeilerstellung auf
das Atrium geöffnet. Wir geben von diesem letzteren Hause
die Innenansicht des Atriums (Fig. 145) und den Längenschnitt
(Fig. 146), beide restauriert. Aus der linken Hinterecke des
Atriums fĂĽhrte eine Treppe in die Loggia. Aus dieser gelangte
man, wie der Längenschnitt zeigt, auf einer Galerie an der rechten
Wand des Atriums in die oberen Räume auf der Vorderseite des
UJ I I L
Fig. 146. Längenschnttt des Hauses mit oberem Speiseraum. Rechts Vestibulum, Tür, Fauces
mit Oberzimraern an der StraĂźe. Dann das Atrium mit der Galerie, die diese Oberzimmer
mit dem Speiseraum verbindet. Weiter hintere Räume und kleiner Garten mit Larenkapelle.
Atriums. Offenbar war diese Loggia sehr geeignet, namentlich
im Sommer, als Speiseraum zu dienen; es ist schwer glaublich,
daß man sie nicht hierzu benutzt haben sollte, sehr möglich, daß
man sie Speiseraum, Cenaculum, genannt hat. Dazu kommt,
daĂź dies Haus zu ebener Erde keine KĂĽche hatte, diese also im
Oberstock, gleich hinter dem Cenaculum, sein muĂźte. Ferner
nimmt dieses zwar hier nicht den ganzen Oberstock ein, aber
doch den vorzĂĽglichsten Teil desselben; es ist sein Frontraum.
In dem Hause der Insula V, 2 ist es auf der RĂĽckseite des Atriums
der einzige obere Raum. Sehr denkbar ist es also , daĂź sein
Name auf den ganzen Oberstock übertragen wurde. So mögen
wir denn wenigstens vermuten, daĂź man Cenaculum ursprĂĽnglich
eben diese Loggia nannte und von ihr aus der Name auf Ober-
zimmer jeder Art ĂĽberging.
284 Pompeji.
Es ist klar, daĂź das Cenaculum auf der RĂĽckseite des Atriums
unvereinbar ist mit einem hohen, monumentalen Tablinum. Es
konnte aber auch auf der Vorderseite sein. So in der sogenannten
Casa dell' Amore punito — IV (VII), 2, 23 — , wo oben auf der
Vorderwand des Atriums die gesimsartig profilierten Steine, auf
denen die Säulen standen, zum Teil erhalten sind. Reste kleiner
TufTsäulen, die zum Teil hierher gehören können, liegen im
Atrium; doch sind sie nicht gleichartig und reichen zur Re-
konstruktion nicht aus.
Wir können nun noch eine jüngere Entwicklung dieses Bau-
motivs verfolgen: an die Stelle der offenen Loggia tritt ein ge-
schlossenes Zimmer, von den Dimensionen der gewöhnlichen
Speisezimmer. Bis jetzt haben wir hierfĂĽr nur ein einziges Bei-
spiel; aber es ist hier wie mit der Loggia: wir wĂĽrden ihrer
vermutlich mehrere kennen, wenn nicht durchweg die oberen
Teile der Häuser zerstört wären. Das im Jahre igoo ausgegrabene
Haus des M. Lucretius Fronto, in der Insula V, 4, ist von Grund
auf neu gebaut worden in der ersten Kaiserzeit; ein nicht allzu
häufiger Fall, da meistens die dauerhaft gebauten Atrien der
Tuffperiode beibehalten wurden. Der gänzlich verschiedene
Charakter der beiden Perioden wird hier sehr klar. Nichts mehr
von den großen und hohen Verhältnissen der Samnitenzeit ; kleine,
wohnliche Räume mit niedrigen Türen (2,14 — 2,38). Man hatte
gelernt, mehr auf behagliches Wohnen als auf monumentalen
Anblick zu geben und auch auf den Winter zu rechnen. Auf
der Rückseite des Atriums drei Räume: in der Mitte das Tablinum,
rechts ein kleines Schlafzimmer mit Fenster auf den Garten,
links ein Gang, der in den Garten fĂĽhrt. Das Tablinum ist klein
und niedrig, wie in den beiden eben besprochenen Häusern; seine
Eingangspfosten nicht als Pilaster gebildet, sondern es ist hier
die Holzbekleidung der Ecken in Stuck nachgeahmt, mit ihrer
bunten Bemalung auf weiĂźem Grunde. Ăśber dem Tablinum
aber und dem ihm rechts anliegenden Schlafzimmer war ein
geräumiges Speisezimmer; sein Fußboden lag etwa 3,50 m über
dem des Atriums und des Tablinums; wie hoch es war, ist nicht
kenntlich. Links in den hinteren Räumen sind auch noch Reste
und Spuren der einst hinauf fĂĽhrenden Treppe. Dies Zimmer
nimmt also genau die Stelle ein wie in älteren Häusern die auf
XXXIII. Das pompejanische Haus.
285
das Atrium geöffnete Loggia; auch ihm kam der Name cenaciiliwi
zu, nicht nur in dem älteren Sinne, daß dort gespeist wurde,
sondern auch in dem späteren und allgemein üblichen als Ober-
raum. Sein Licht freilich erhielt es wahrscheinlich durch ein oder
mehrere Fenster nach hinten, auf den Garten, nicht, wie das
ältere Cenaculum, vom Garten.
Einer ganz ähnlichen Umgestaltung eines offenen Raumes in
einen geschlossenen werden wir begegnen, wenn wir uns jetzt
der Betrachtunsf der Kaufläden zuwenden.
XII. Läden.
An den Hauptstraßen — Strada Stabiana, Strada di Nola,
Strada degli Augustali, Strada dell' Abbondanza, Strada con-
solare — sind fast alle an die Straße grenzenden Räume als
Läden benutzt, so daß ge-
schlossene Mauerstrecken hier nur
ausnahmsweise vorkommen. In
den stillen NebenstraĂźen sind
Läden sehr selten.
Die Läden sind mit weitem
Eingang auf die Straße geöffnet.
Der Verkaufstisch ist häufig ge-
mauert, der Regel nach in der
Form, die unser GrundriĂź (Fig. 147)
zeigt, so daĂź man auch ohne
einzutreten von der StraĂźe aus
kaufen konnte; meistens sind in
ihn große Tongefäße eingemauert,
zur Aufbewahrung der Waren.
Häufig ist an dem an die Wand stoßenden Ende ein treppen-
förmiges Repositorium angebracht, für Maße und sonstige Gefäße
und Geräte, am andern Ende ein annähernd halbrunder Ein-
schnitt, dessen Zweck durch den Vergleich der S. 273 erwähnten
Vorrichtungen auf den Herden klar wird: man konnte hier ĂĽber
einem Feuer Speisen oder Getränke warm halten. Seltener war
fĂĽr diesen Zweck ein eiirener kleiner Herd vorhanden, bisweilen
Fig. 147. GrundriĂź eines Ladens, i. Ein-
gang. 2. Verkaufstisch. 3. Feuerstelle.
4. Treppe zu oberen Räumen. 5. Hinter-
zimmer.
286
Pompeji.
zur Erwärmung des Wassers ein über einer Feuerstelle aufgestellter
Bleikasten.
In den Häusern der vorrömischen Zeit sind, wie alle Räume,
so auch die Läden und ihre Eingänge außerordentlich hoch:
letztere im Hause des Faun 5,80 m, in dem des Caecilius Jucundus
4,80 m. Diese enorme Höhe war aber geteilt durch einen
Zwischenboden, dessen Balkenlöcher z. B. im Hause des Pansa
und der Casa del Fauno deutlich erhalten sind, in der Höhe
Fig. 148. Ein EĂźwarenladen, wiederhergestellt.
von etwa 3,80 m. NatĂĽrlich muĂźte er gegen die StraĂźe durch
ein Geländer abgeschlossen sein (s. die Restauration der Fassade
der Casa del Fauno, S. 302); eine Treppe fĂĽhrte im Innern des
Ladens hinauf. Der Name dieses Zwischenbodens ist pergula.
In einer pompejanischen gemalten Wandinschrift werden zur Miete
angeboten tabernae cum pergulis suis, Läden mit ihrem Zwischen-
boden; auf einer Pergula stellte nach Plinius (XXXV, 84) Apelles
das Gemälde aus, über das dann der Schuster seine Bemerkungen
XXXIII. Das pompejanische Haus. 287
machte; und mehrfach finden wir in den Digesten die Rechts-
fragen erörtert, die entstehen, wenn ein auf einer Pergula aus-
gestellter Gegenstand herabfällt und einen Vorübergehenden be-
schädigt.
In der römischen Zeit gab man, wie den Innenräumen, so
auch den Läden und ihren Eingängen eine geringere Höhe, und
brachte ĂĽber ihnen statt des Zwischenbodens ein gegen die
StraĂźe geschlossenes Zimmer an; es ist derselbe Vorgang wie
beim Cenaculum (S. 284): an die Stelle des nach vorn offenen
tritt ein geschlossener Raum. Häufig war dieser direkt von der
Straße durch eine Treppe zugänglich, wurde also unabhängig
von dem Laden als kleine, dĂĽrftige Wohnung vermietet. Es
scheint, daĂź auch auf diese der Name Pergula ĂĽberging; denn
»in der Pergula geboren«, vattis in pe7'gula^ ist sprichwörtliche
Bezeichnung eines in dürftigen Verhältnissen Aufgewachsenen.
Die Art des Verschlusses der Läden ist aus den Spuren in
den Schwellen deutlich zu erkennen. Den Tag ĂĽber stand der
Laden offen. Nachts schloĂź man ihn durch vertikal stehende
Bretter, die, etwas ĂĽbereinander greifend, in eine Rille der
Schwelle und eine ebensolche des TĂĽrsturzes eingeschoben
wurden. Nur an einem Ende des weiten Einganges war eine
schmale, sich in Angeln drehende TĂĽr, die also nur bei ge-
schlossenem Laden zur Verwendung kam (s. die Fassade der
Casa del Fauno, S. 302). Die Pergula muĂźte ihren be-
sonderen, vermutlich ähnlich beschaffenen Verschluß haben.
XIII. Wände, Fußböden, Fenster.
Die Wände sind mit einer dicken Stuckschicht bekleidet, in
einfachen Räumen weiß, sonst bunt bemalt. Hiervon wird weiter-
hin in einem besonderen Abschnitt die Rede sein.
Die Fußböden sind sehr verschiedener Art und Güte. Häufig
sind es geringwertige Stuckmassen, z. B. zerstampfte Lava in
schlechtem Mörtel, wenig dauerhaft und meist schlecht erhalten.
Weit besser ist das op2is Sigtiiniiin, genannt nach der Stadt
Signia in Latium, zerstampfte Tonscherben in Stuck, namentlich
in älterer Zeit sehr gut gearbeitet und dauerhaft, häufig verziert
durch hĂĽbsche, aus weiĂźen Steinchen gebildete Linienornaniente.
2 88 Pompeji.
Ferner etwas wie terrassierte Fußböden, besonders beliebt in der
Tuffperiode : kleine, eng aneinanderliegende Steinsplitter, durch
guten Stuck zu einer sehr dauerhaften Masse verbunden: weiĂź,
schwarz (Schiefer) oder buntfarbig (violett, gelb, grĂĽn, rot, weiĂź,
schwarz) mit Beimischung von GlasstĂĽcken. Beispiele aller dieser
Arten bietet das Haus des Faun.
Die vornehmste Art des FuĂźbodens ist das Mosaik. Wir
unterscheiden gröberes und feines Mosaik. Jenes, aus Steinchen
von etwa i cm im Quadrat, dient für einfarbige Flächen und
Ornamente, bald schwarzweiĂź, bald unter Beimischung einiger
anderen Farben (in älterer Zeit mit Vorliebe Violett, Gelb und
GrĂĽn) , dieses fĂĽr bildliche Darstellungen. In einem einzigen
Falle nahm eine solche — die berühmte Alexanderschlacht —
das ganze Zimmer ein, sonst immer nur ein Rechteck in der
Mitte, während der übrige Fußboden terrassiert ist, oder aus
gröberem Mosaik besteht.
Ebenfalls nur in geringer Ausdehnung finden sich in Bauten
der Tuffperiode Fußböden aus quadratischen, rautenförmigen und
dreieckigen Marmor- und SchieferstĂĽcken, wie das des Apollo-
tempels (Fig. 32). Dagegen waren in der Kaiserzeit vollständige
Marmorfußböden keine Seltenheit.
Fenster hatte das altitalische Atriumhaus wenige. Das Atrium
erhielt sein Licht durch das Compluvium, die an die StraĂźe
stoĂźenden Zimmer durch kleine, sehr hoch angebrachte, unver-
schlossene Lichtöffnungen, meist zwei nebeneinander, nach außen
etwa 0,50 m hoch, 0,06 breit, nach innen sich erweiternd. Die
innern Räume erhielten vielfach ihr Licht nur durch die Tür,
deren oberer Teil häufig durchbrochen sein mochte. Eigentliche
Fenster, auf den Gartenportikus oder den Garten, hatten wohl
nur die beiden Zimmer neben dem Tablinum und, wenn das
Haus auch seitwärts einen Garten hatte, die Alen oder eine der-
selben (s. oben S. 265).
Von der Tuffperiode an haben die Zimmer am Peristyl groĂźe
Fenster, im Hause des Faun bis 7 m breit und so nahe am
Boden, daĂź man auch sitzend hinaussehen konnte. Und als man
anfing, obere Zimmer zu bauen, erhielten diese, auch nach der
Straße zu, mäßig große Fenster (etwa 1.25X0,80 m). Auch
im Erdgeschoß sind in späterer Zeit kleinere Fenster (etwa
XXXIII. Das pompejanische Haus. 289
0,80X0,60 m) nicht selten. Sie sind meist durch ein Eisengitter
geschĂĽtzt.
Glasfenster waren auch in der letzten Zeit nicht eben häufig;
die Kunst, Fensterscheiben zu machen, ist viel jĂĽnger, als die
sonstige Glasindustrie. Wir fanden Glasfenster in den Thermen
beim Forum (S. 207) ; die groĂźen Fenster der Centralthermen, in
geheizten Räumen, sind offenbar auf Glasverschluß berechnet.
Auch im Tepidarium der Villa des Diomedes war das Fenster
durch vier Scheiben in Holzrahmen geschlossen. Im ĂĽbrigen
findet man wohl bisweilen, nicht häufig, in kleinen Öffnungen
festgemauerte Scheiben, aber keine größeren, zu öffnenden Glas-
fenster. Als VerschluĂź dienten in der Regel Holzklappen.
Mau, Pompeji. 2. Autl. Iq
Kapitel XXXIV.
Das Haus des Chirurgen.
Eines der sehr wenigen im Grundriß vollständig erhaltenen
Häuser aus der Zeit der Kalksteinatrien, erbaut sicher vor 200 v.Chr.
und später in seinen Hauptteilen nicht wesentlich verändert, liegt
etwa 50 Schritt einwärts vom
Herculaner Tor. Casa del
Chirurgo nennt man es, weil
hier einige chirurgische Instru-
mente gefunden wurden. Aus
mächtigen, 68 — 74 cm hohen
Kalksteinquadern besteht die
Fassade (Fig. 11) und die
Mauern um das Atrium , aus
Kalksteinfachwerk (S. 33] die
ĂĽbrigen Innenmauern.
Das Haus zerfällt in zwei
deutlich geschiedene Teile.
Links die eigentlichen Wohn-
räume: I Fauces, ohne Vesti-
bulum, mit TĂĽr gleich an der
StraĂźe, 5 tuscanisches Atrium,
8 Alae, 7 Tablinum, hinter
dem sich der Portikus 16 auf
den Garten 20 öffnet. Rechts,
schiefwinklig und unregelmäßig, die Wirtschaftsräume : 1 3 Küche,
22 ein kleiner Lichthof, in den das Regenwasser von den Dächern
zusammenfloß, im übrigen Vorratsräumc und Sklavenkammern;
18 Treppe zu oberen Räumen über diesem Teil des Hauses.
Dazu an der Straße ein Laden 3 mit hinteren Räumen 4. Kein
Peristyl; es ist der italische Haustypus ohne die spätere, aus
Fig. 149. GrundriĂź des Hauses des Chirurgen.
1. Fauces. 5. Atrium. 7. Tablinum. 8, 8. Alae.
9, 10. Speisezimmer. 13. KĂĽche mit Herd.
14. Posticum. i6. Portikus. 18. Treppe zu oberen
Räumen über dem hinteren Teil des Hauses.
19. Gartenzimmer. 20. Garten.
XXXIV. Das Haus des Chirurgen. 201
Griechenland stammende Erweiterung. Aber freilich nicht in
seiner ältesten Gestalt, wo noch das ganz bedeckte Atrium Küche
und Wohnraum war, und an seiner RĂĽckseite, weit offen, der
Schlafraum des Hausherrn lag (S. 258, 262). Dieses Atrium hatte
seine große Dachöffnung; das alte Schlafzimmer ist auch hier
schon zu dem vorn und hinten offenen Tablinum (7), dem luftigen
Sommerspeisesaal geworden, neben dem zwei groĂźe Speisezimmer
für die kältere Jahreszeit (9, 10) liegen. Diese waren in ältester
Zeit beide quadratisch; erst später ist das eine (10) nach rechts
verlängert worden. Ferner sind die Zimmer 21 und 19, sowie die
Treppe 18, spätere Zutaten: der durch sie sehr eingeschränkte
Portikus 1 6 öffnete sich früher in der ganzen Breite des Atriums
und seiner Seitenzimmer auf den Garten 20, der damals auch
IQ umfaĂźte. Das Dach dieses Portikus wurde von viereckigen
Kalksteinpfeilern getragen, deren nur einer obige Veränderungen
ĂĽberlebt hat.
Der rechte, schiefwinklige Teil des Hauses ist in der uns
vorliegenden Gestalt jĂĽngeren Ursprungs, doch ist die ursprĂĽng-
liche Zugehörigkeit des Grundstückes zu unserem Hause durch
eine alte, später vermauerte Tür zwischen 6' und 3 bezeugt.
Es ist möglich, daß hier ursprünglich ein Garten war, in dem
vielleicht die KĂĽche stand.
Der Grundriß des Atriums und der anliegenden Räume ist
offenbar nach dem oskischen FuĂźe von 0,275 entworfen. Im Quer-
schnitt miĂźt das Atrium 30, die Seitenzimmer je 10, die Zwischen-
mauern je 1 '/^ Fuß , die Fauces 9, die beiden Räume neben
demselben je 2072 Fuß, im Längenschnitt das Atrium etwas
ĂĽber 35, das Tablinum etwas unter 20 FuĂź; von der einfachen
Teilung 35 + 20 wich man um etwa 10 cm ab, um das Tablinum
etwas breiter und doch die Nebenzimmer 9 und 10 quadratisch
machen zu können.
Wie der GrundriĂź , so ist auch der AufriĂź von dem des
vorderen Teiles eines Hauses der folgenden Periode nicht wesent-
lich verschieden. Hohe TĂĽren (3,55 m) fĂĽhren in die noch etwas
höheren Scitenzimmer. Daß das Tablinum noch bedeutend höher
war, schlieĂźen wir aus seinen ĂĽber 50 cm starken, also mit ihrem
Gebälk kaum unter 6 m hohen Eingangspilastern. In dieser Höhe
— drei Viertel der Breite des Atriums — mochten auch die das
19*
292
Pompeji.
Atriumdach tragenden Balken liegen. Rings um das Atrium nur
Räume zu ebener Erde, kein Obergeschoß.
Die Malerei der Wände ist letzten Stils; von älterem Wand-
schmuck ist nichts erhalten.
Einen eigenartigen Charakter zeigt das wohl nicht lange vor
dem Untergange Pompejis in den Garten hineingebaute Zimmer ig.
Fig. 150. Malerin. Wandgemälde aus dem Hause des Chirurgen.
Zu klein fĂĽr ein Speisezimmer, reichlich groĂź fĂĽr ein Schlaf-
zimmer (4,20X3,20) öffnet es sich mit einem breiten Fenster
nach NW auf den Garten, und mochte im Sommer einen freund-
lichen, kühlen Aufenthalt bieten. Die Wände sind sorgfältig und
nicht ohne Geschmack im letzten Stil gemalt, mit drei Bildern.
Von diesen zeigt eines (Fig. 150) eine Malerin, eben beschäftigt,
XXXIV. Das Haus des Chirursien.
293
eine Bacchusherme zu malen. Ein Amor hält das Bild, zwei
Mädchen beobachten die Künstlerin mit sichtlichem Interesse.
An dem Türpfosten rechts hängt ein kleines Bild; durch die
TĂĽr sieht man eine Herme und ein auf einem Pfeiler stehendes
Gefäß. Ein anderes Bild stellt zwei Mädchen dar, eines sitzend,
das andere stehend mit einer Schriftrolle in den Händen, in
Gesellschaft eines Mannes, der eine Schreibtafel in der Hand hat.
Ein drittes ist ganz unkenntlich. Man ist versucht, hier das
Zimmer einer in Malerei und Poesie dilettierenden Tochter des
Hauses zu erkennen.
Kapitel XXXV.
Das Haus des Sallust.
Das Haus des Sallust (VI, 2, 4), so genannt nach einer ge-
malten Inschrift, die einen C. Sallustius für ein städtisches Amt
empfiehlt, liegt etwa 125 m einwärts vom Herculaner Tor. Es
stammt aus der Tufifperiode, ist aber wohl eines der ältesten
Häuser derselben und zeigt in seinen älteren Teilen den alt-
italischen Haustypus, ohne Peristyl.
Links vorne eine Bäckerei (6 — 9), rechts Läden (4 — 5) ohne
Verbindung mit dem Innern des Hauses. Der breite Eingang (i)
hatte die TĂĽr gleich an der StraĂźe, ohne Vestibulum. Unsere
Restauration des imponierend hohen und weiten Atriums (Fig. 152)
kann auf einen hohen Grad von Sicherheit Anspruch machen.
Denn nicht nur ist hier die schöne und stilvolle Wanddekoration
ersten Stiles fast vollständig erhalten, sondern auch — ein
seltener Fall — in ganzer Höhe die Eingangspilaster der Alen
und des Tablinums.
In älterer Zeit war rechts vom Tablinum an Stelle des An-
dron 20, des Wandschrankes 17' und der Schlaf kammer 28 nur
ein groĂźes quadratisches Zimmer. Ferner war eben damals das
Zimmer links vom Tablinum {22) nicht auf den Gartenportikus
(21) geöffnet, sondern durch eine Tür bei e aus dem Atrium
zugänglich. So ergiebt sich also für den ursprünglichen Grundriß
fast vollständige Übereinstimmung mit dem Hause des Chirurgen.
Wie dort waren auch hier ursprünglich um das Atrium nur Räume
zu ebener Erde. Später freilich waren rechts und links Ober-
zimmer, zu denen aus 18 eine Treppe hinauffĂĽhrte, mit ihrem
oberen Teil das Zimmer 14 durchschneidend; aber Treppe und
Oberzimmer sind spätere Zutat, jünger als Malereien dritten Stils
in einigen der unteren Räume.
XXXV. Das Haus des Sallust.
295
Auf den Gartenportikus (21) öffnet sich das Tablinum (19)
ausnahmsweise nicht mit einer TĂĽr, sondern nur mit einem
breiten Fenster. Er erstreckte sich ursprĂĽnglich auch auf der
linken Seite des Hauses ebenso weit wie noch jetzt der Garten
■i t e H W /g /« 16 IS 20 M.
"11 â– I I I I "1 I I I I
Fig. 151. Grundriß des Hauses des Sallust. i. Fauces. 2, 3. Läden, auf die Fauces geöffnet.
4, 5. Läden. 6— g. Bäckerei (6. Mühlenraum mit drei Mühlen, a, und Treppe zum Oberstock.
7. Backofen. 8. Backzimmer. 9. KĂĽche). 10. Tuscanisches Atrium mit Impluvium (11). 12. Durch-
gangsraum zum Speisezimmer (13). 17, 17. Alac. 19. Tablinum. 20. Andren, mit TĂĽren an
beiden Enden. 21. Portikus vor dem Garten (24, 24'). 25. Gartentriclinium. 29 — 36. Privat-
wohnung, in römischer Zeit hinzugefügt (31. Portikus. 32. Garten. 33, 34. Schlafzimmer.
35. Speisezimmer. 36. KĂĽche).
(24'); später wurde er verkürzt, indem zwei kleine Zimmer (i8, 23)
in ihn hinein gebaut wurden. Auf diesen Portikus öffnete sich
damals das groĂźe Fenster in der RĂĽckwand der linken Ala :i7).
Ein gleiches Fenster war zur Zeit des ersten Stiles auch in der
Rückwand der rechten Ala. Unnötig und eher unbequem neben
296 Pompeji.
dem reichliches Licht spendenden Compluvium machen diese
Fenster ganz den Eindruck eines Ăśberlebsels aus der Zeit der
bedeckten Atrien (vgl. S. 265).
Der Garten (24. 24') liegt um 60 cm höher als der Portikus;
man erreicht ihn ĂĽber Stufen bei / und g. In der Ecke links
das gemauerte Triclinium (S. 270) 25 unter einer Weinlaube,
Fig. 152. Atrium im Hause des Sallust, mit Blick nach hinten durch Tablinum und Portikus
auf den Garten, wiederhergestellt.
deren Holzwerk auf einem gemauerten Pfeiler ruhte; in der Nähe
ein kleiner Altar (/) und bei n eine kleine Aufmauerung, bedeckt
mit einer weiĂźen Marmorplatte, auf die aus der Wand ein Strahl
Leitungswasser fiel ; das Wasser floss von da wahrscheinlich in
das innen blau ausgemalte Bassin /', in dem man Fische auf-
bewahren mochte. Der kleine Herd [p] im Portikus diente zum
Bereiten oder Warmhalten der Speisen.
XXXV. Das Maus des Sallust.
297
Vor dem Triclinium, bei 24, muĂźte sich die Dienerschaft
frei bewegen können; Pflanzen zog man hier in einer Rille in
der OberflĂĽche der Futtermauer gegen den Portikus und in einer
ähnlichen gemauerten Rille am Fuße der Rückwand, wo sie
den Ăśbergang bildeten zu den auf eben diese Wand gemalten
Bäumen und Sträuchern. Außerdem war dieser ganze Teil des
Gartens von einer Weinlaube bedeckt, deren GerĂĽst man neuer-
dings auf Grund der im Boden gefundenen Spuren wieder-
hergestellt hat. Der andere Teil (24') war ohne Zweifel be-
pflanzt. Bei Ji und q zwei ZisternenöfTnungen.
Rechts vom Garten ist n der Abtritt, 27 ein Raum unbe-
kannter Bestimmung mit der HintertĂĽr {posticum\ 26 ein Hof
Fig. 153. Längenschnitt des Hauses des Sallust, wiederhergestellt. Links Fauccs und der Ver-
kaufstisch des Ladens. Dann Nordseite des Atriums mit der linken Ala, Nordseite des Tablinums
mit Eckpilaster gegen das Atrium. Rechts Säulenhalle und Garten mit dem Triclinium unter
der Weinlaube.
oder Garten; unbekannt ist die Bestimmung des jetzt ganz zer-
störten Mauerwerks bei m.
Kehren wir nun noch einmal in das Atrium zurĂĽck, so be-
merken wir, daß die Läden 2 und 3 mit dem Hausflur i durch
weite Türöffnungen verbunden sind. In 3 ist diese Öffnung
durch den Ladentisch gesperrt, über den der in i stehende Käufer
mit dem Verkäufer in 3 verkehrte. Der Hausflur aber war vom
Atrium nicht einmal durch eine Tür getrennt. Beide Läden sind
ferner durch TĂĽren mit dem Atrium, 2 auch mit dem Zimmer
16 verbunden. Kurz, es ist klar, daß hier der Geschäftsbetrieb
sich nicht auf die Läden beschränkte, sondern den ganzen bisher
besprochenen Teil des Hauses umfaßte ; denn auch die Räume
am Garten sind doch von den vorderen nur durch die niedrige
BrĂĽstung des Tablinumfensters getrennt. Nun war der Laden 3
298
Pompeji.
ohne Zweifel eine Schenke und Speisewirtschaft. Der Laden-
tisch enthält nicht nur die gewöhnlichen eingemauerten Gefäße,
sondern auch, an der TĂĽr zum Atrium, die oben (S. 285) be-
sprochene Vorrichtung zum Kochen und Warmhalten der Speisen
und Getränke. In der Mitte des Raumes steht ein weiterer
Tisch, dessen niedrigerer Teil (links hinten) wohl dem Verkäufer
als Sitz diente. Diesem Betrieb also diente der ganze bisher
besprochene Teil des Hauses; auch auf dem Gartentriclinium
Fig. 154. Garten mit 'J'ricliniun
Hause des Sallust, wiederhergestellt.
tafelte in der letzten Zeit Pompejis nicht der Hausherr, sondern
die Gäste der Speisewirtschaft. Und bei der großen Anzahl
von Schlafkammern, zu denen noch die des Oberstockes kamen,
dĂĽrfen wir wohl annehmen, daĂź hier auch Nachtlager geboten
wurde. Es war, in der letzten Zeit, ein Hotel mit Restaurant.
Ganz abgetrennt von dem ĂĽbrigen Hause ist nur der Komplex
rechts vom Atrium (31 — 36), zugänglich nur durch den Korridor
29; die Kammer 30, mit einer gemauerten Bank ist wohl der
Platz eines TĂĽrhĂĽters. Ein zierlicher Portikus (31) umgiebt auf
drei Seiten einen kleinen Garten (32), in dessen Mitte ein Spring-
XXXV. Das Haus des Sallust.
299
brunnen aufstieg. An jedem Ende des Portikus ein kleines
Schlafzimmer (33, 34) mit Fenster auf den Garten, rechts ein
groĂźes Speisezimmer (35), links die KĂĽche (36). Der Portikus
war flach gedeckt; der unbedeckte obere Umgang war zugäng-
lich durch eine Treppe aus der KĂĽche. Doch ist auf dem
rechten Arm die flache Decke später durch ein schräges Dach
ersetzt worden, ohne Zweifel als man das Speisezimmer 35
baute, dessen hoher, von Halbsäulen flankierter Eingang eine
höhere Rückwand des Portikus erforderte.
Höchst überraschend wirkt der Kontrast zwischen dem Atrium
und diesem kleinen Peristyl. Dort mächtige, imponierende Ver-
hältnisse, helle, bunte Farben, hier alles eng und lauschig, die
Farben dunkel und diskret. Nur 2,80 m hoch sind die acht-
eckigen, dunkelroten Säulen mit kleinem, weißem Phantasie-
kapitell. Auf schwarzem Grunde sind die Wände im letzten Stil
bemalt. Ein großes Bild — Artemis und Aktäon — füllt die
Gartenwand, zwei kleinere — Europa mit dem Stier, Phrixos
und Helle mit dem Widder — sind daneben auf den Außen-
wänden der beiden Schlafkammern angebracht. Von diesen
letzteren enthielt die eine (34) zwei Bilder entschieden erotischen
Charakters: Paris und Helena, die vor der Liebeserklärung be-
fangen sich gegenĂĽber stehen; darĂĽber Ares und Aphrodite. In
die Wände der anderen Kammer (33) waren Bilder auf Holz-
tafeln eingelassen, die natĂĽrlich nicht erhalten sind.
Wir haben hier eine vollständige kleine Wohnung vor uns,
die übrigens nicht immer so vollständig abgeschlossen, sondern
in älterer Zeit auch von 26 aus zugänglich war. Es liegt nahe
zu denken, daĂź, als das ĂĽbrige Haus zur Gastwirtschaft einge-
richtet wurde, hier der Besitzer seine Wohnung reservierte.
Nach seiner Bauart stammt dieser Teil des Hauses nicht
aus der Tuffperiode. Aber doch auch nicht aus der letzten Zeit
Pompejis; eine Reihe successiver Veränderungen führen weit
ĂĽber die Zeit des dritten Stiles hinauf. So mag er denn in
republikanischer Zeit entstanden sein. DaĂź ĂĽbrigens hier schon
in vorrömischer Zeit etwas wie ein Garten, mit oder ohne Por-
tikus, war, beweist das Fenster in der RĂĽckwand der rechten Aia.
Kapitel XXXVI.
Das Haus des Faun.
Das Haus des Faun wird so genannt nach einer hier gefun-
denen Bronzestatuette (Kap. LH). Es ist ein groĂźes, vornehmes
Haus, fast ganz so erhalten, einschlieĂźlich seiner Wanddekorationen,
wie es im zweiten Jahrhundert v. Chr. erbaut und von kunst-
sinnigen Besitzern ausgeschmĂĽckt wurde. Die Mosaikbilder der
Fußböden sind weitaus das Schönste, was an Mosaiken aus dem
0 2 4 6 8 10 12 14 IG IS :0i
Fig. 155. GrundriĂź des Hauses des Faun. A Fauces des tuscanischen Atriums. B Tusca-
nisches Atrium. C, C Alae. D Tablinum. E, F Speisezimmer. G Erstes Peristyl. H Exedra
des Alexandermosaiks. I, J Speisezimmer. K Zweites Peristyl. L Speisezimmer, in dem
Weinamphoren standen. M Küche. N Schlafzimmer, a Vestibulum. b Viersäuliges Atrium.
c, c' Alae des viersäuligen Atriums, e Vorratsraum. /, /' Schlafkammern. « Stall, o, o' Bad.
r Kammer des Türhüters, i' Hintertür, v Breite Nische für drei Statuen, i — 4. Läden.
Altertum erhalten ist; es wird hier recht klar, daĂź die griechisch
gebildeten Osker Pompejis auf Wandbilder verzichten konnten,
weil sie Bilder von höchster Schönheit auf den Fußböden hatten.
Die Wanddekorationen ersten Stils sind nicht die, welche das
Haus gleich nach seiner Erbauung erhielt. Gleich damals wurde
es sorgfältig und mit bedeutenden Kosten dekoriert; um die
Dekoration gegen Feuchtigkeit zu schĂĽtzen, benagelte man die
XXXVI. Das Haus des Faun.
301
Wände mit Bleiplatten und trug erst auf diese den Stuck auf.
DaĂź diese Bleiverkleidung nicht fĂĽr die jetzige, sondern fĂĽr eine
ältere Dekoration gemacht wurde, ergiebt sich aus zwei nach-
träglich vermauerten Türen, rechts am ersten und links am
zweiten Peristyl : auf diese erstreckt sich die Bleiverkleidung nicht,
während sie von der jetzigen Stuckdekoration unterschiedslos
bedeckt werden. Diese ist also erst später an die Stelle einer
älteren, durch die Bleiplatten geschützten getreten. Aber auch
diese spätere Dekoration ist echten ersten Stils und gehört sicher
noch dem zweiten Jahrhundert v. Chr. an.
Nur wenige Nebenräume sind später im zweiten und letzten
Stil ausgemalt worden. Gering waren auch die Beschädigungen
durch das Erdbeben des Jahres 63. Dazu kommt, daĂź das Haus
gebaut wurde ohne Be-
nutzung älterer Bauten, f .
nach völlig freiem Ermessen [ -^=-—-~— ' r.:r=r— ■-■----'-" -■;::::i..-
des Baumeisters und des |i— ■— i^i—iii^i—i—r
Es ||__|^____^_^__— __^
abgesehen von vier Läden ^^^SB^Si^^^^^^^^^^ .
(i — 4), keinerlei Geschäfts- | ' 1 7 - r r - r r r.r.f
räume oder Werkstätten ; Fig. 156. Ten des Gesimses über der Haupttür.
die ganze Insula ist von
der Wohnung eingenommen: ein wahres Musterbeispiel eines
reichen BĂĽrgerhauses jener Zeit.
Zwei Atrien, ein groĂźes tuscanisches, B, und ein kleineres
viersäuliges, d, sind geschickt so aneinander gepaßt, daß beide
eine regelmäßige Form haben; nur fehlt dem kleineren das
Tablinum, und seine Alen [c, c'] liegen nicht am Ende, sondern
in der Mitte der Langseiten. Es wurde schon bemerkt (S. 265), daĂź
die rechte Ala des Hauptatriums in ihrer sie von dem Nebenatrium
trennenden RĂĽckwand ein groĂźes Fenster hat. Das tuscanische
Atrium, mit Schlafzimmern zu beiden Seiten, ist der Vorraum
der Gesellschaftsräume, das viersäulige der Vorraum der Wirt-
schaftsräume. Hinter dem tuscanischen und dem linken Teil des
viersäuligen Atriums liegt ein großes Peristyl, G, hinter dem
rechten Teil des viersäuligen die Wirtschaftsräume. Zwischen dem
tuscanischen Atrium und dem Peristyl liegen neben dem Ta-
blinum D zwei große Speisesäle P2, F, von denen E auch als
302
Pompeji.
Durch gangsraum dient. Dagegen führt aus dem viersäuHgen
Atrium ein Korridor k in das Peristyl; neben ihm ein auf dieses
geöffnetes Schlafzimmer /. Hinter diesem ersten Peristyl und
den Wirtschaftsräumen öffnet sich dann, in der ganzen Breite
des Hauses, ein zweites Peristyl K, aus dem ersten durch den
Korridor /, aus dem viersäuligen Atrium durch den Korridor
der Wirtschaftsräume, ni^ und das Schlafzimmer N zugänglich.
AuĂźerdem liegen zwischen den beiden Peristylien drei groĂźe
Säle, einer, H, auf das erste, zwei, I, J, auf das zweite Peristyl
geöffnet ; hinter den Wirtschaftsräumen ein großer, ebenfalls auf
das zweite Peristyl geöffneter Saal L. Einige kleine Räume q — w
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Fig. 157. Fassade des Hauses des Faun, wiederhergestellt. Links Laden mit Oberraum (i auf
dem Plan); dann die Haupttür, zwei Läden, Tür des Nebenatriums und ein vierter Laden,
der, wie der zweite, ganz mit Brettern geschlossen ist.
gleichen endlich auf der RĂĽckseite die Schiefwinkligkeit gegen
die StraĂźe aus.
HAVE, Willkommen! So lesen wir in Mosaikbuchstaben
aus roten, grĂĽnen, gelben und weiĂźen MarmorstĂĽckchen in dem
Gangsteig vor dem Haupteingange. Ausnahmsweise war auch das
Vestibulum gegen die StraĂźe durch eine dreiflĂĽgelige TĂĽr ver-
schließbar; und ebenso ausnahmsweise öffnete die zweiflügelige
TĂĽr zwischen Vestibulum und Fauces (A) sich nach auĂźen.
Den Grund dieser letzteren Besonderheit erkennen wir leicht in
dem gleich zu besprechenden weit vorspringenden Wandschmuck
der Fauces, der das Öffnen der Tür nach Innen unmöglich
machte. Und da vermutlich ein Gesetz das Offnen nach AuĂźen
verbot, so verfiel man auf den Ausweg, das Vestibulum durch
XXXVI. Das Haus des Faun. 303
eine nach innen aufgehende TĂĽr zu schlieĂźen. So war jetzt
dies die Straßentür, während die zweite, innere Tür keiner Polizei-
kontrolle unterlag.
Das Vestibulum hat einen weiĂźen terrassenartigen FuĂźboden;
an den Wänden eine einfache Form des ersten Stils : gelber
Sockel, oben begrenzt durch einen violett -roten vorspringenden
Gurt, darüber weiße Fläche. Dagegen ist der innere Flur, die
Fauces, auĂźerordentlich reich dekoriert. Auf dem FuĂźboden ein
Muster aus kleinen dreieckigen roten, gelben, grĂĽnen, weiĂźen und
schwarzen Steinen (Marmor und Schiefer); gegen das Atrium,
schwellenartig, ein herrlicher Mosaikstreifen (jetzt in Neapel) : zwei
tragische Masken zwischen FrĂĽchten, Blumen und Binden (Fig. 158).
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Fig. 158. Mosaikschwelle mit tragischen Masken, FrĂĽchten und Blumen am inneren Ende
der Fauces.
Auf den Wänden bis zur Höhe von 2,40 m Stucknachahmung
einer Marmorbekleidung; dann tritt eine Tuffplatte um 0,40 m
aus der Wand vor, auf ihrer Unterseite in reich detaillierter
Arbeit als Kassettendecke behandelt und mit feinem weiĂźen
Stuck ĂĽberzogen, einst gestĂĽtzt von Stuckkonsolen in Form von
Hunden (jetzt zugrunde gegangen). Auf dieser Platte steht,
identisch auf beiden Seiten, ein ganz einziger Wandschmuck, eine
vollständige Tempelfassade (angedeutet Fig. 159). Als Relief
springt die Vorderwand der Cella, mit geschlossener TĂĽr, aus
der Wand vor; frei vor ihr stehen, auf Postamenten, die vier
Säulen der Vorhalle.
Zwei schlanke, grĂĽn marmorierte Pilaster bilden die Ecken zwi-
schen Flur und Atrium. Letzteres war ein mächtig imponierender
Raum, 16, II X g,90 m groß; auf seine gewaltige Höhe gestatten
einen Schluß die 0,87 m breiten Pilaster am Eingänge des
Tablinums: sie muĂźten doch mindestens 7,50 m, mit ihrem Ge-
bälk gegen g m hoch sein. Die Vitruvsche Xormalhohe der
304
Pompeji.
Dachbalken, drei Viertel der Breite des Atriums (7,40 m), reicht
hier bei weitem nicht aus. Den Dachstuhl dĂĽrfen wir uns durch
eine Felderdecke verhĂĽllt denken. Das hochgelegene Compluvium
verbreitete gleichmäßiges Licht. Durch das mächtige Portal des
Tablinums und das groĂźe Fenster auf seiner RĂĽckseite blickte
man hinaus durch die schattige Säulenhalle des Peristyls auf die
sonnenbeglänzten Pflanzen und den plätschernden Springbrunnen
des Gartens.
Auf den Wänden des Atriums sind beträchtliche Reste der
eine buntfarbige Marmorbekleidung nachahmenden Stuckdekora-
tion erhalten; die Farben sind einfacher und ernster als im Hause
Vestibulum. Fauces. Tuscanisches Atrium mit
TĂĽr. Compluvium und Impluvium (B).
Ala (C). Tablinum (D).
Fig. 159. Längenschnitt des
des Sallust: unten schwarz, oben violettrot, blaugrĂĽn und gelb;
dazwischen das weiĂźe Zahnschnittgesims. Die Dekoration be-
deckte die Wände nicht ganz, sondern wohl nur bis etwas über
die 4,10 m hohen TĂĽren der Seitenzimmer; weiter oben wird
weiĂźer grober Stuck gewesen sein. Den FuĂźboden bildet eine
terrassenartige Masse aus kleinen schwarzen SchieferstĂĽcken; der
Rand des Impluviums ist weiĂź, aus Travertin, sein Boden ge-
mustert in denselben Farben wie der FuĂźboden der Fauces; aus
seiner Mitte stieg ein Wasserstrahl auf
Von den Seitenzimmern war das erste rechts (/') schon zur
Zeit des zweiten Stiles aufs neue reich und sorgfältig ausgemalt
worden; durch erhöhten Fußboden sind die Plätze zweier Betten
XXXVI. Das Haus des Faun.
305
bezeichnet; hier ruhte wohl der Hausherr mit seiner Gattin. Das
gegenĂĽberliegende Zimmer, dĂĽrftig ausgemalt in der letzten Zeit
Pompejis, war wohl die Kammer des zugleich als TĂĽrhĂĽter
dienenden Atriensis. — Auch die Alen C, C und das Tablinum
D haben Wandschmuck ersten Stils. Der FuĂźboden besteht in
den Alen aus buntfarbiger Terrasse mit einem Mosaikbild in der
Mitte. In der linken Ala ist dies geringer Arbeit — Tauben, die
ein Halsband aus einem Schmuckkästchen ziehen — , in der
rechten feinster Art: es zeigt, in zwei Teile geteilt, oben eine
Katze, die eine Wachtel gefaĂźt hat, unten Enten, Muscheln und
Fische. Das Tablinum, hier wie im Hause des Sallust auf das
Peristyl nur mit einem großen Fenster geöffnet, hat ganz den
Erstes Peristyl mit Portiken und Springbrunnen (G). Exedra (H). Ecke des zweiten
Peristyls (K).
Hauses des Faun, wiederhergestellt.
Charakter eines luftigen Sommertrikliniums; sein FuĂźboden ist
ringsum aus weiĂźem Mosaik; in der Mitte ein Muster aus rauten-
förmigen schwarzen, weißen und grünen Steinen; es erweckt die
Vorstellung, als bestände es aus lauter auf eine Ecke gestellten
WĂĽrfeln (vgl. S. 76, Fig. 32).
Neben dem Tablinum fĂĽhren zwei TĂĽren in zwei Speise-
zimmer; annähernd quadratisch das zur Linken (E), länglich, wie
fĂĽr Triklinien ĂĽblich, das zur Rechten (F), beide mit einem
groĂźen Fenster, das erstere auĂźerdem noch mit einer TĂĽr auf
das Peristyl geöffnet. In beiden weißer terrassierter Fußboden
mit einem Mosaikbild in der Mitte: links allerlei Fische und
Seetiere — ein für Speisezimmer sehr beliebter Gegenstand — ,
Mau, Pompeji. 2. Aufl. 20
306 Pompeji.
rechts der Genius des Herbstes, ein weinbekränzter Knabe, der,
einen groĂźen goldenen Becher am Munde, auf einem Panther
reitet.
Von den 28 ionischen Säulen des ersten Peristyls sind nur
geringe Reste erhalten; sie waren elegant geformt, aus Tuff mit
feinem weißen Stucküberzug. An dem ionischen Gebälk, mit
Zahnschnittgesims, ist doch der Fries in dorischer Art mit Tri-
glyphen verziert. Die Portiken waren nur einstöckig : ein er-
haltenes Gebälkstück zeigt die Einschnitte für die schrägen Dach-
balken. Die durch Pilaster geteilten Wände sind im ersten Stil
dekoriert. In der Mitte des Gartens, steht auf einem Quadrat
aus Tuffplatten der schön geformte kanneliierte Fuß eines Marmor-
beckens, aus dem ein Wasserstrahl aufstieg.
Der weite Eingang der groĂźen Exedra H ist von Pilastern
flankiert und durch zwei Säulen geteilt, in gleicher Höhe mit
den Säulen und Pilastern des Peristyls, violettroter Farbe, mit
ungemein fein und lebendig in Stuck gearbeiteten korinthischen
Kapitellen. Ein groĂźes Fenster nimmt fast die ganze Breite der
RĂĽckwand ein. Den FuĂźboden bildete das berĂĽhmte Mosaik der
Alexanderschlacht (Taf. VIII), ein groĂźes historisches Bild, ent-
standen als Gemälde zur Zeit Alexanders oder wenig später, hier
in vorzĂĽglichster Mosaiktechnik wiedergegeben; ein Kunstwerk,
ebenso bewundernswert durch den ethischen Gehalt der Dar-
stellung wie durch die groĂźartig einfache und doch wirkungsvolle
Komposition, die Charakteristik der einzelnen Gestalten und die
Sicherheit in der Wiedergabe der Handlung und des Ausdrucks.
Die Farben sind schön und harmonisch, aber, wie auch sonst in
Mosaiken matter und abgetönter als sie im Gemälde gewesen
sein mögen.
Dargestellt ist einer der Siege Alexanders ĂĽber die Perser.
Wir mögen an die Schlacht von Issos denken, in der ja Alexander
und Darius sich persönlich begegnet und vor den Augen des
letzteren mehrere vornehme Perser, ihn verteidigend, gefallen
sein sollen. Es ist ein Reiterkampf. Rechts die zur Flucht ge-
wandten Perser, unter ihnen Darius auf seinem Wagen, links
Alexander, unaufhaltsam vorstĂĽrmend an der Spitze der Seinigen.
Zwei vornehme Perser haben sich, die Flucht des Königs zu
decken, dem Feinde entgegen geworfen. Das Pferd des einen,
^
XXXVI. Das Haus des Faun.
307
von einem WurfspieĂź getroffen, bricht zusammen; der gewandte
Reiter hat während des Sturzes das linke Bein über den Hals
des Pferdes gezogen, um nach rechts abzuspringen. Sein
Kamerad ist, mit sicherem Opfer des eigenen Lebens, abge-
stiegen, um sein Pferd dem Freunde abzutreten; mit sichtlicher
Anstrengung sucht er es ihm zuzuführen. Aber zu spät; Ale-
xander, dem im KampfgetĂĽmmel der Helm vom Kopf gefallen, in
reicher, weißglänzender Rüstung (Fig. 160), ist herangesprengt und
durchbohrt mit der Lanze den eben abspringenden, auf den in
Fig. 160. Detail aus dem Mosaik der Alexanderschlacht. Photographie Sommer.
schmerzlicher Teilnahme die Blicke des todesbereiten Freundes
gerichtet sind. Der Wagenlenker des Königs treibt die Pferde
zu schleuniger Flucht; Darius selbst aber, der eigenen Gefahr
vergessend, wendet sich zurĂĽck und streckt schmerzbewegt den
Arm nach dem sterbenden Freunde. Alles ĂĽbrige sind Neben-
figuren; die Perser zeigen durch Bewegungen und Gesichtsaus-
druck Schrecken und Teilnahme ; von den Griechen ist nur
wenig erhalten auĂźer Alexander, in dessen Gesicht der Ausdruck
des festen, unentwegten Willens, der Nichtachtung jeder Gefahr
und jedes Hindernisses deutlich hervortritt. Mit besonderer Vor-
3o8
Pompeji
liebe sind die reichen, mit allerlei Tierfiguren gestickten KostĂĽme
der vornehmen Perser behandelt.
Im Eingange des Raumes, zwischen den Säulen, waren, auch
in Mosaik, allerlei ägyptische Tiere dargestellt : Nilpferd, Krokodil,
Ichneumon, Ibis.
Ein an beiden Enden verschlieĂźbarer Korridor / fĂĽhrt aus
dem ersten Peristyl in das zweite. Dorische Säulenhallen um-
geben einen großen Garten; Ziegelsäulen 4,12 m hoch, mit
Tuffkapitellen, weiĂź verstuckt, nicht kannelliert sondern nur ge-
kantet. Von dem auf Holzbohlen aufgemauerten Gebälk ist nur
der rohe Mauerkern, nicht die in Stuck ausgefĂĽhrte Kunstform
Schlaf- Tuscanisches Atrium (B) Linke Viersäuliges Atrium (b). Rechte
zimmer (fj. mit Tablinum (D). Ala (c) des Ala (c).
viersäuligen Atriums.
Fig. 161. Querschnitt des Hauses des Faun durch die beiden Atrien.
erhalten. Auch hier sind die Wände durch Pilaster geteilt und
im ersten Stil dekoriert, aber einfacher, indem im oberen Wand-
teil die imitierten Marmorplatten weiĂź sind. Von der gelben
Farbe des unteren Architravgurts war schon S, 49 die Rede.
In unserer Restauration (Fig. 15g) ist angenommen, daĂź diese
Säulenhallen zweistöckig waren. Dies ist aber wohl dahin zu
berichtigen, daĂź ein oberer Portikus nur auf der Vorderseite
vorhanden war, hier aber die Säulen doppelt so dicht standen
als unten. Fragmente von mindestens dreizehn kleinen ionischen
Tufifsäulen (Durchmesser 0,31 m) Hegen noch jetzt an der Ostwand
und können nicht wohl anderswoher stammen. Dieser obere
Portikus war zugänglich aus Räumen über H, I, J, L, N, /, zu
denen ein Treppe in ni hinauffĂĽhrte.
XXXVI. Das Haus des Faun.
309
Neben der Exedra des Alexandermosaiks Hegen zwei ge-
räumige Speisezimmer, das eine, I, in ganzer Breite geöffnet
und mit einem breiten Fenster in der RĂĽckwand, das andere, J,
mit schmaler Tür und Fenster neben demselben. Das schöne
Mosaikbild des ersteren war schon bei der Auffindung so be-
schädigt, daß erst ein im Jahre 1885 gefundenes zweites Exem-
plar derselben Darstellung den Gegenstand verständlich gemacht
hat: es ist ein Löwe, der einen Tiger niedergeworfen hat und
nun in drohender Haltung ĂĽber ihm steht. Das Schlafzimmer N
war im zweiten Stil gemalt; man fand hier die Spuren zweier
Betten. L, das größte Speisezimmer des Hauses, war zur Zeit
der VerschĂĽttung unfertig, ohne Wandschmuck, und diente zur
Aufbewahrung von Weinamphoren, deren sich auch in beiden
Peristylien eine groĂźe Anzahl fand.
Von den kleinen Räumen an der Rückseite des Peristyls war
q vielleicht Kammer des Gärtners, r die eines Türhüters; v ist
eine breite tribĂĽnenartige Nische, o,go m ĂĽber dem Boden; wir
können denken, daß hier Statuen standen. Nahe der linken
Ecke sind in der dicken Mauer, 1,75 m vom Boden, zwei kleinere
Nischen, eingefaĂźt von je zwei Pilastern und einem Giebelfelde
aus Stuck. Vermutlich war dies das Heiligtum der Hausgötter;
man fand vor denselben im Portikus zwei bronzene DreifĂĽĂźe,
zwei bronzene Kandelaber, zwei eiserne Feuerzangen, zwei Ton-
lampen, einen Lorbeerzweig und die Knochen einer Taube mit
Eiern, so daĂź es scheint, als habe diese hier ihr Nest gehabt.
Auch bezieht sich wohl auf eine dieser Nischen die Angabe,
man habe »in der Nische des Gartens« eine Bronzestatuette eines
Priesters, d. h. des Genius (S. 277), gefunden.
Wir haben bis jetzt das Nebenatrium und die Wirtschafts-
räume beiseite gelassen. Von der Straße gelangen wir durch
ein unverschlossenes Vestibulum a an die HaustĂĽr, durch sie in
den inneren Flur und weiter in das viersäulige Atrium b. Die
Form des Atriums mit seinen Alen r, c' gehört dem ursprüng-
lichen Bau an; dagegen ist in den umliegenden Räumen infolge
des Erdbebens von 63 vieles erneuert worden und namentlich
die oberen Räume vorn und rechts bieten keinerlei (jcwähr
hohen Alters. Die Wandmalerei ist hier ĂĽberall der dĂĽrftigsten
Art, aus der letzten Zeit Pompejis.
3IO Pompeji.
Das viersäulige Atrium b^ durch eine Tür in der Rückwand
der linken Ala c mit dem tuskanischen verbunden, zeigt unser
Querschnitt Fig. 16 1. Die korinthischen Säulen, 5,87 m hoch,
aus Tufif mit ursprünglich weißem Stucküberzug, sind vollständig
erhalten, ebenso die Eckpilaster der Alen (hoch 4,35 m) mit ihren
Tufifkapitellen ; die Wände waren in der letzten Zeit weiß mit
hohem roten Sockel. Zwei Steine in den hinteren Ecken des
Atriums trugen vermutlich jeder eine Geldkiste.
Die vorn und rechts anliegenden Zimmer sind nicht höher
als 2,70 m; sicher keine herrschaftlichen Wohnräume. Der Vor-
ratsraum e^ mit Regalen an den Wänden, enthielt zugleich die
Treppe zu oberen Räumen zwischen beiden Atrien, Räumen, die
sich aus der Rekonstruktion (Fig. 161) mit Notwendigkeit er-
geben. — In /z, H fand man außer bronzenen Gefäßen auch
elfenbeinerne BettfĂĽĂźe, die hier wohl als in einer Rumpelkammer
aufbewahrt wurden. Obere Räume über g^ /?, h' lagen in gleicher
Höhe mit der Pergula (S. 286) des Ladens 4 und konnten
nur von hier aus zugänglich sein, da sie von 8 durch die viel
höheren Fauces getrennt sind. Über diesen, sowie über der
rechten Ala c waren keine oberen Räume, wohl aber über z,
d\ n^ n\ o, d und einem Teil der KĂĽche M; sie waren zu-
gänglich durch eine Treppe in dem Durchgangsraume d. Rechts
von diesem mag d' eine Sklavenkammer sein.
Aus d fĂĽhrt zum zweiten Peristyl der lange Korridor m\ an
diesem rechts zuerst ein Stall [n'). Erst ganz kĂĽrzlich (1900) hat
man diesen Raum vollständig ausgegraben und hier die Skelette
zweier Kühe und vier menschliche Skelette — von einem Er-
wachsenen und drei Kindern — gefunden. Dann der Abtritt w,
Tepidarium o und Caldarium d eines kleinen Bades, beide mit
hohlem Fußboden und Hohlwänden, endlich die Küche M, von
der aus auch das Bad geheizt wurde. Die Zuglöcher der Hohl-
wände des Bades (S. 192) mündeten in die Küche; diese hat
man, um durch den Rauch nicht allzu sehr belästigt zu werden,
sehr hoch gemacht, mit mehreren Fenstern. Deshalb konnte
sich auch der Oberstock nicht ĂĽber die ganze KĂĽche erstrecken,
sondern nur ĂĽber den von der StraĂźe entferntesten Teil der-
selben; hier war eine Art Zwischenboden, zugänglich aus dem
Räume über dem Tepidarium. Vermutlich benutzte man diesen
XXXVI. Das Haus des Faun.
311
Zwischenboden als Rauchkammer und bewahrte hier z. B. Wein-
amphoren auf, da man ja bekanntlich glaubte, der Rauch sei
dem Wein zuträglich; an Rauch konnte es hier nicht fehlen.
In der linken Wand der KĂĽche die Larennische, so hoch, daĂź
sie nur mit einer Leiter zu erreichen war, tempelartig mit Stuck-
pilastern und Giebelfeld eingefaĂźt; in ihr steht noch jetzt ein
kleiner tönerner Altar für Rauchopfer.
Kapitel XXXVII.
Ein Haus bei der Porta Marina.
Nur selten sind in Häusern der Tuffperiode die Höhenver-
hältnisse des Atriums und der umliegenden Räume kenntlich.
Besondere Beachtung verdient in dieser Beziehung ein groĂźes
Haus in der Nähe der Porta
Marina Reg. IV (VII), ins. occid. 13.
Seine ganze Ausdehnung kennen
wir nicht. Vermutlich erstreckt
es sich an der Stelle der ab-
getragenen Stadtmauer hinab am
Abhänge des Stadthügels; aber
diese unteren und rückwärtigen
Teile sind nicht ausgegraben.
FĂĽr uns ist wichtig das Atrium,
das besterhaltene eines groĂźen
monumentalen Hauses der Tuff-
periode. Die Dreiviertelsäulen am
Eingang des Tablinums, die Eck-
pilaster der Alae und der Fauces,
die ionischen Säulen des Peri-
styls, alles dies ist in ganzer Höhe
erhalten, und auch die Höhe der
Seitenzimmer am Atrium (etwa
5,20 m einschließlich des Kreuzgewölbes) und der großen Zimmer
neben dem Tablinum (4,70 m ohne die hohe Wölbung, mit dieser
nicht unter 6 m) ist kenntlich. So kann unsere Rekonstruktion auf
groĂźe Sicherheit Anspruch machen. Die weder hier noch sonst
irgendwo erhaltenen Gebälke der Alen und des Tablinums sind
ergänzt in den sich stets wiederholenden Formen des ersten Stils.
Die Dachbalken des Atriums sind angenommen in der Höhe von
Fig 162.
GrundriĂź des Hauses bei der
Porta Marina.
XXXVn. Ein Haus bei der Porta Marina.
313
drei Vierteln der Breite, wie Vitruv vorschreibt; so liegen sie
unmittelbar über dem Gebälk des Tablinums und es ergibt sich
eine angemessene Dachneigung von der Atriumsmauer auf das
Gebälk des Peristyls. Die Wanddekorationen sind nicht der Er-
bauung des Hauses gleichzeitig, sondern zweiten Stils, einfach
und ohne figĂĽrliche Darstellungen.
In Betreff des Grundrisses ist zu beachten die auĂźerordent-
liche Breite des Flurs, etwa zwei FĂĽnftel der Breite des Atriums,
und die uns schon aus dem Nebenatrium der Casa del Fauno
bekannte Lage der Alen in der Mitte der Langseiten.
Die imponierende Wirkung beruht auf den großen Verhält-
nissen der sich auf das Atrium öffnenden Räume. Das Tablinum,
nicht wie sonst von Pilastern, sondern von Ecksäulen flankiert, ist
Fig. 163. Längenschnitt des Hauses bei der Porta Marina.
ziemlich halb so breit wie das Atrium, d. h. es ist, obgleich die
Breite des Atriums um 8 cm unter 30 röm. Fuß bleibt, doch
das von Vitruv für Atrien von 30 — 40 Fuß vorgeschriebene Ver-
hältnis beobachtet. Die Höhe bis zum Architrav müßte nach
Vitruv ^/g der Breite, also 4,67 m sein; statt dessen ist sie 5,61 m.
Die Alen sollen nach Vitruv bei Atrien von 40 — 50 Fuß Länge
(wie hier) 7? dieser Länge breit sein; das wäre hier 3,60 m; sie
sind aber 3,go m breit und 4,93 m hoch, während nach Vitruv
die Höhe der Breite gleich sein soll. Die Fauces sollen nach
Vitruv die halbe Breite des Tablinums, ein Viertel der des
Atriums haben; hier haben sie fast zwei FĂĽnftel der Breite des
Atriums und ihre Höhe, 5,27 m, bleibt nicht viel unter der des
Tablinums. Es kommt hier recht zum BewuĂźtsein, welch groĂź-
artiger Monumentalbau das pompejanische Atrium der vorrömi-
schen Zeit ist.
314 Pompeji.
Seltsam wirkt es und ist doch wohl ein Mangel an kĂĽnst-
lerischem Sinn, daß die Ecksäulen des Tablinums gegen das
Atrium nur drei Viertel ihrer halben Rundung zeigen, während
sie gegen das Tablinum in ganzer Breite sichtbar sind. Dem
entsprechend erscheinen auch die Eckpilaster der Alen und der
Fauces gegen das Atrium übermäßig schlank (48 und 47 cm),
während sie gegen jene Nebenräume eine ihrer Höhe (4,93 und
5,27 m) angemessene Breite (59 und 60 cm) haben. Dieselbe
Eigentümlichkeit findet sich noch in vielen anderen Häusern der
Tuffperiode, z. B. an den Fauces und den Alen der Casa del
Fauno.
Der etwas ansteigende Fußboden der Fauces hat ein schönes
Arabeskenornament in schwarz-weiĂźem Mosaik, der des Atriums
ist aus schwarzem Mosaik mit weiĂźem Streifen am Rande und
reihenweise eingelegten verschiedenfarbigen MarmorstĂĽckchen.
An der rechten Wand, nahe der Vorderecke, ist die Basis der
Larenkapelle erhalten. Von den Seitenzimmern ist das erste
rechts ein Schlafzimmer, in dem der Platz des Bettes, dem
Eingang gegenüber, seine besondere, niedrigere Wölbung hatte;
die ĂĽbrigen mochten meistens auch als Schlafkammern dienen.
Die beiden Speisezimmer neben dem Tablinum waren mit
diesem je durch ein großes Fenster verbunden, ähnlich wie im
Hause des Faun. Im Peristyl ein tiefer Fischteich; von den
anliegenden Zimmern sind die Mauern nur bis zu sehr geringer
Höhe erhalten.
Kapitel XXXVIII.
Das Haus der silbernen Hochzeit.
Casa dellc nozze (Targento nennt man das nordöstliche Eck-
haus der Insula V, 2, weil hier 1892 bei Gelegenheit der silbernen
Hochzeit des italienischen Königspaares Ausgrabungen veran-
staltet wurden (Fig. 8). Es ist noch nicht ganz ausgegraben: die
Fassade wird erst jetzt (1908) freigelegt; ein Teil des Gartens
(links) ist noch unter der Erde ; doch bietet das Ausgegrabene
genug des Interessanten und EigentĂĽmlichen. Bei der vorzĂĽg-
lichen Erhaltung kann unsere Rekonstruktion (Fig. 165) als voll-
kommen sicher gelten.
Hinter dem großen viersäuligen Atrium [d)^ mit Seitenzimmern,
Alen und Tablinum (<?), liegt das rhodische Peristyl (S. 267) (r).
Auf die Rückseite desselben öffnen sich eine Exedra [y] und
zwei Schlafzimmer (a-, z]\ an den hinteren Ecken des Peristyls
zwei groĂźe Speisezimmer (4, iv). Rechts das Bad (/, z/, r-), die
KĂĽche [s] und ein kleiner Garten (2), aus dem man durch den
Gang 3 in das Atrium eines anderen, wohl demselben Besitzer
gehörigen Hauses und weiter auf die Straße gelangte. Links
ein groĂźer, noch nicht ganz ausgegrabener Garten. Rechts neben
dem Atrium ein kleines Haus (a — x), das, wie die neuesten Aus-
grabungen (1908) gezeigt haben, mit dem groĂźen Hause keine
Verbindung hat: die kleine TĂĽr unter der Treppe links am
Atrium (,3) fĂĽhrt in einen Raum, der von e und b ganz getrennt
ist; da er aber dem GrundriĂź nach zu dem Haupthause ge-
hört, so müssen wohl früher einmal beide Häuser verbunden
gewesen sein.
Der ganze Bau stammt aus der Tuffperiode ; später wurde er
teilweise umgestaltet, aber doch so, daĂź das Alte erkennbar blieb.
Wanddekorationen ersten Stils sind mehrfach erhalten in dem
Nebenhause (y, !^); im Haupthause nur geringe Reste in den
3i6
Pompeji.
Zimmern rechts vom Atrium; das Haus wurde zur Zeit des
zweiten Stiles, nach einigen baulichen Veränderungen, vollständig
neu ausgemalt. Weniges und Unbedeutendes ist erhalten aus
der Zeit des dritten Stiles (Kandelaberstil). Wiederum aber fand
zur Zeit des letzten Stils, aber, wie eine gleich zu besprechende
jm-,
Fig. 164. Grundriß des Hauses der silbernen Hochzeit, a Fauces. d Viersäuliges Atrium.
« Speisezimmer, o Tablinum. / Andron. r Peristyl. j Küche, t — v Bad (v Apodyterium,
w Tepidarium. ^ Caldarium). w Sommertriklinium. ^, z Schlafzimmer. _j' Exedra. i. Schwimm-
bassin im Garten (2). 3. Gang zu einem anderen Hause und zur SeitenstraĂźe. 4. Oecus. 6. Garten,
nur teilweise ausgegraben. 7. Gartentriklinium. — a — y. Fauces, Atrium und weitere Räume
des Nebenhauses.
Inschrift beweist, vor 60 n. Chr., eine ausgedehnte Neudekorierung
statt, bei der jedoch manche gut erhaltene Malereien zweiten
Stiles geschont und, wo nötig, ergänzt wurden. So liegt uns
hier die ganze Geschichte der pompejanischen Wandmalerei vor,
freilich ohne nennenswerte figĂĽrliche Darstellungen. Von Zer-
störungen durch das Erdbeben des Jahres 63 findet sich keine
sichere Spur.
XXXVIII. Das Haus der silbernen Hochzeit. jiy
Die schon erwähnte Inschrift, aus der hervorgeht, daß die
Malereien letzten Stils in diesem Hause vor dem Jahre 60 ent-
standen sind, ist in den gelben Stuck einer der Säulen der
Vorderseite des Peristyls eingekratzt und lautet:
Neroiie Caesare Augusto
Cosso LenUilo Cossi fil[io] co[n)s[ulibus)
VIII Idus Febr[u)arias
dies Solis, hina XIIIIX^ nun[dinae) Ciimis. Vmin. Powpeis.
Das Konsulat des Nero und des Cossus Lentulus ist 60 n. Chr.
FĂĽr dieses Jahr sind hier zwei Markttage [mindinae] angemerkt; am
6, Februar war Markt in Cumae, am 9. in Pompeji. Und zwar war
der 6. Februar ein Sonntag und der 16. Tag nach Neumond,
wenn die undeutlich geschriebene Zahl richtig gelesen ist. Es
ist dies die älteste uns überlieferte Gleichung eines Wochentages
mit einem bestimmten Datum; die nächste ist Donnerstag 23. Mai
205. Diese hier stimmt nicht mit unserer Zählung: der 6. Fe-
bruar 60 war ein Mittwoch; es scheint also, daß es in der Zäh-
lung der Wochentage örtliche Verschiedenheiten gab. Auch die
Angabe der Mondphase kann nur unter Annahme einer unge-
wöhnlichen Zählungsart — auf diese Einzelheiten kann hier nicht
eingegangen werden — als richtig erscheinen: es war der 15. Tag
nacli Neumond. Sicher aber ist, daĂź im Jahre 60 dieser Stuck
vierten Stiles schon bestand.
Das viersäulige Atrium ist weitaus das größte Beispiel seiner
Art; es miĂźt 16,53 x11,98 m, die stuckbekleideten korinthischen
Tuffsäulen sind 6,86 m hoch. Bei der außerordentlichen Größe
des Compluviums ist es nicht mehr so recht die Halle der alten
Zeit, sondern nähert sich dem portikusartigen Charakter des
korinthischen Atriums (vgl. S. 259). Ein Schutz gegen die
einfallenden Sonnenstrahlen war hier notwendig. Vermutlich
konnte das Compluvium durch ein Segel [vehmi) geschlossen
werden; die SchnĂĽre, durch die es bewegt wurde, waren durch
bronzene Ringe gezogen, deren einer an jeder Säule, der Ecke
des Atriums zugewandt, angebracht ist.
Hinter dem Impluvium steht eine kanneliierte Zisternen-
mĂĽndung aus weiĂźem Marmor; vor ihr, im Impluvium, eine
marmorbekleidete viereckisre Basis und wieder vor dieser eine
3i8
Pompeji.
runde Marmorschale, in die einst eine auf der Basis stehende
Statuette einen Wasserstrahl entsandte.
Die in unserer Restauration sichtbaren auffallend niedrigen
Türen am Atrium beruhen auf nachträglicher Veränderung. Ur-
sprünglich waren in jeder der Seitenwände außer den Alen drei
4,i8m hohe TĂĽren. Durch sie betrat man die sehr hohen
Seitenzimmer, über denen obere Räume damals nicht vorhanden
waren. Später hat man sie dann durch Zwischenböden in je
einen oberen und unteren Raum geteilt. In die unteren Räume
führen die jetzigen niedrigen Türen; die oberen, zugänglich durch
drei Treppen [g^ k^ in], erhielten Fenster, rechts auf das Atrium,
Viersäuliges Atrium.
Ala. Tablinum.
Fig 165. Längenschnitt des Hauses
links auf den groĂźen Garten. Die Alen, das Tablinum, die
Räume neben diesem und der ganze hintere Teil des Hauses
blieben bis zuletzt ohne Oberstock.
Nach diesen Veränderungen wurde das Atrium im zweiten
Stil — Nachahmung einer Marmorbekleidung — ausgemalt. Von
dieser Wanddekoration sind die oberen Teile erhalten; die
unteren sind zur Zeit des vierten Stiles erneuert worden, im
AnschluĂź an die alten Motive, aber doch so, daĂź der stilistische
Unterschied deutlich hervortritt.
Wir bemerken noch, daĂź die linke Ala ursprĂĽnglich ein
großes Fenster auf den Garten hatte (vgl. S. 265). Später —
die Zeit läßt sich nicht näher bestimmen — ist es vermauert
worden.
XXXVIII. Das Haus der silbernen Hochzeit.
319
Die außerordentliche Höhe des Tablinums erschließen wir
aus der Stärke (0,74 m) seiner Eingangspilaster. An jedem der-
selben war auf der Vorderseite, nicht in der Mitte, sondern
näher dem- Tablinum, eine runde Bronzescheibe (Durchmesser
0,16 m) befestigt, aus der ein bronzener Schiffsschnabel vor-
sprang. Gewiß kein bloßes Ornament; ein solches hätte man
in die Mitte des Pilasters gesetzt. Ohne Zweifel sollten hier die
das Tablinum schließenden Vorhänge, wenn sie zurückgeschlagen
waren, befestigt werden (vgl. S. 262).
Die Räume neben dem Tablinum sind ähnlich angeordnet wie
im Hause des Sallust: links das gewöhnliche quadratische Speise-
zimmer (;/), rechts der Andron (/) und ein Schlafzimmer [q).
Rhodisches Peristyl
der silbernen Hochzeit.
Vorzüglich erhalten ist das Peristyl. Die Säulen stehen alle
in ganzer Höhe an ihrem Platz und tragen noch jetzt ihr Gebälk,
größtenteils mit seinem Schmuck in Malerei und Stuckarbeit.
Letzteres freilich mit Ausnahme der vorderen, höheren Säulen-
halle. Denn dieses Peristyl hat die EigentĂĽmlichkeit, daĂź die
vordere, nach Süden gewandte Seite wesentlich höher ist als die
drei anderen. Vitruv belehrt uns, daĂź man ein solches Peristyl
ein rhodisches nannte. Der Zweck war natĂĽrlich, an hellen
Wintertagen recht viel Sonne einzulassen ; hier dient diese Form
außerdem einem schönen architektonischen Motiv: der Höhen-
abstufung von dem majestätischen Atrium durch den mittelhohen
Vorderportikus zu den niedrigen und zierlichen hinteren Portiken.
Unser Länsrenschnitt brin«rt dies deutlich zur Anschauung.
320 Pompeji.
Einer solchen Anlage, mit höherem Vorderportikus, begegneten
wir schon im Gebäude der Eumachia (S. iii), nur daß dort
sowohl der höhere als die niedrigeren Portiken zweistöckig
waren. Die Ă„hnlichkeit erstreckt sich auch auf die verschiedene
Behandlung der Wände im Vorderportikus einerseits und in den
drei ĂĽbrigen andererseits. Die Malerei, letzten Stils, zeigt im
Vorderportikus rote Wandfelder, wechselnd mit architektonischen
Durchblicken auf gelbem Grunde, in den drei niedrigeren Por-
tiken schwarze Felder, wechselnd mit Durchblicken auf weiĂźem
Grunde. Die Säulen sind in ihrem untersten Drittel im Vorder-
portikus gelb, in den übrigen dunkel violettrot gefärbt. So
wurde der Kontrast des hohen, sonnigen und der niedrigen,
schattigen Portiken durch die dort helleren, hier dunkleren Farben
noch kräftiger hervorgehoben.
Der Bau des rhodischen Peristyls ist gleichzeitig dem des
ganzen Hauses; dagegen stammt aus der Zeit des letzten Stils
die Bemalung und Ornamentation der Säulen und ihres Gebälkes,
Letzteres mochte wohl ursprĂĽnglich klassische, dem griechischen
Tempelbau entlehnte Formen tragen; jetzt zeigt es von diesen
keine Spur mehr, sondern die heiteren, bunten, phantastischen
Motive der letzten Zeit. Auf der Vorderseite ist von der Orna-
mentierung des Gebälkes nichts erhalten. Auf den drei anderen
Seiten läuft unter dem einfachen, den Dachrand tragenden Gesims
ein weiß und rot gefärbter Eierstab; darunter ist die senkrechte
Fläche in Felder geteilt, je ein kleines über den Säulen, je ein
langgestrecktes ĂĽber den Intercolumnien; sie enthalten, in farbige
Streifen eingerahmt, kleine Darstellungen: Vögel, Tierkämpfe
und dergleichen. Laubgewinde und Ornamentstreifen auf weiĂźem
Grunde zieren die innere und die untere Fläche. Es macht
einen eigentĂĽmlichen Eindruck, die strengeren und ernsteren
Architekturformen einer monumental bauenden Zeit umspielt zu
sehen von diesen, einem ganz verschiedenen Geschmack ent-
sprungenen Ornamenten.
Der von den Portiken eingeschlossene Raum war als Garten
bepflanzt, zwei Wasserstrahlen, die von den beiden vorderen Eck-
säulen in die Regenrinne fielen, dienten zur Bewässerung. In der
Mitte des Gartens standen auf einer niedrigen kreisförmigen Er-
höhung zwei Krokodile, eine große Kröte und ein großer P>osch,
XXXVni. Das Haus der silbernen Hochzeit.
321
aus einer eigentĂĽmlichen, wahrscheinlich in Ă„gypten fabrizierten
weiĂźlichen glasierten Tonware, etwa 40 cm lang und 18 cm hoch.
Die Exedra und die beiden Schlafzimmer auf der RĂĽckseite
des Peristyls sind im zweiten Stil gemalt, ohne figĂĽrliche Dar-
stellungen, monochrom in Gelb die Exedra, buntfarbig die beiden
Schlafzimmer. In beiden ist der Platz des Bettes bezeichnet
durch das schwarz-weiĂźe FuĂźbodenmosaik, durch die Wandmalerei
und durch die Deckenbildung: er hat sein eigenes Tonnengewölbe,
dessen Axe auf den Eingang gerichtet ist, der Rest des Zimmers
flache Decke in der Scheitelhöhe desselben. Die Exedra war
nicht verschlieĂźbar; ĂĽber die weiten TĂĽren der Schlafzimmer und
die kleine NebentĂĽr des einen (x) s. S. 268.
-f-
Garten. Viersäuliges Atrium. Atrium mit Cenaculum.
Fig. 166. Querschnitt des Hauses der silbernen Hochzeit, wiederhergestellt.
Von dem groĂźen Oecus 4 war schon S. 273 die Rede; er ist
jetzt (1908) ganz ausgegraben und sorgfältig in seiner alten
Form restauriert worden. Die Wanddekoration zweiten Stils —
besonders reich und sorgfältig, aber auch hier ohne figürliche
Darstellungen — unterscheidet, sowie auch der Fußboden aus
schwarz-weiĂźem Mosaik, den vorderen, fĂĽr die Dienerschaft, und
den inneren, für das Triclinium bestimmten Teil. — Schwarz-
weiĂźes Mosaik hat auch das gegenĂĽberliegende, dĂĽrftig im letzten
Stil gemalte Speisezimmer zv] ein rechteckiges Ornament be-
zeichnet den Platz des Tisches.
Neben diesem Triclinium ist der Zugang zum Bade. Das
langgestreckte Apodyterium z' hat in seinem vorderen Teil die
Wanddekoration zweiten Stils — Marmorimitation — erhalten;
der innere ist später im letzten Stil ausgemalt worden. Den
FuĂźboden bedeckt ein Mosaik aus schwarzen, weiĂźen, violett-
Mau, Pompeji. 2. Aufl. 21
322 Pompeji.
roten, grĂĽnen und gelben Steinchen; die Schwelle ist bezeichnet
durch die Darstellung einer BrĂĽcke ; an der RĂĽckwand des innern
Teils ist der Platz fĂĽr ein Ruhebett weiĂź gelassen. Eine schmale
TĂĽr fĂĽhrt zu dem Bassin fĂĽr das kalte Bad, i. Dies lag unter
freiem Himmel, in dem kleinen Garten 2, umgeben ohne Zweifel
von dichtem Gebüsch, so daß^ was in den Frigidarien der öffent-
lichen Bäder die Wandmalerei andeutet (S. 196), hier wirklich
vorhanden war. In der Ecke zunächst der Tür und auch an der
von dem Hause entferntesten Seite fĂĽhren einige Stufen hinab;
an letzterer Seite fiel von einem kleinen, mit einem Löwenkopf
verzierten Marmorpfeiler der Wasserstrahl hinein.
Tepidarium [u] und Caldarium (/) wurden geheizt durch unter-
höhlten Fußboden und Hohlwände (S. 192); doch erstrecken sich
letztere im Tepidarium nur auf die dem Caldarium zunächst
liegende Wand; daher ist hier auf den drei nicht hohlen Wänden
die dĂĽrftige Malerei letzten Stils so ziemlich erhalten. Der FuĂź-
boden ist in beiden Räumen gänzlich zerstört. In der linken
Wand des Tepidariums bemerken wir die BronzemĂĽndung einer
Wasserleitungsröhre ; es war also vorgesehen, auch hier bisweilen
ein Bad zu nehmen, wahrscheinlich das kalte Bad im Winter
(vgl. S. 196). Im Caldarium ist links die Nische fĂĽr das Labrum;
die Wanne stand ohne Zweifel dem Eingang gegenĂĽber an der
Wand gegen die KĂĽche, von wo aus geheizt wurde.
Die Küche s war beträchtlich höher als die Baderäume; der
Herd steht an der Wand nach dem Garten zu; ĂĽber ihm ein
größeres und weiter oben zwei kleine Fenster. Auf eben dieser
Wand das Larenbild: die zwei Laren in der gewöhnlichen Gestalt
und Stellung (S. 276) neben dem von einer Schlange umwun-
denen Altar, auf dem ein groĂźer Pinienzapfen sichtbar ist. An
der linken Wand die unter den FuĂźboden des Bades fĂĽhrende
Ă–ffnung, durch die dieses geheizt wurde; daneben eine Auf-
mauerung, an die drei Stufen hinauffĂĽhren und auf der ohne
Zweifel ein das Badewasser enthaltender Bleikasten stand. Näheres
ĂĽber die Art der Zuleitung kalten und heiĂźen Wassers zu bestimmen,
reichen die Reste nicht aus. — An der Küche der Abtritt s'.
An dem groĂźen, noch nicht ganz ausgegrabenen Garten links
vom Hause war das Dach der Portiken getragen von sehr dĂĽnnen
{0,27 m) achteckigen, sehr dicht (1,45 m) stehenden Säulen; an
XXXVIII. Das Haus der silbernen Hochzeit.
323
der Wand ist in der Höhe von 3,70 m der obere Rand des
Daches kenntlich. Offenbar waren diese zierlichen kleinen Por-
tiken dem Erdbeben des Jahres 63 erlegen; zur Zeit des Unter-
ganges hatte man sie ganz abgetragen und an der Stelle von
vier Säulen ein Gartentriclinium , wie in dem Hause des Sallust
(S. 296), angelegt. Dieses ist vorzĂĽglich erhalten und hat die
Besonderheit, daĂź aus der Mitte des mit einer runden Marmor-
platte belegten TischfuĂźes ein Wasserstrahl aufstieg. NatĂĽrlich
nur wenn hier nicht gegessen wurde; rückwärts im Portikus ist
auch die Bleiröhre der Leitung und der Hahn sichtbar, durch
den sie geschlossen werden konnte.
Es erübrigt noch, einen Blick auf das kleine Haus a — •/ zu
werfen. Links an dem kleinen Atrium Ăź fĂĽhrte eine Treppe zu
oberen Räumen über den Zimmern neben dem Eingang, unter
der Treppe eine TĂĽr in ein Zimmer, das dem GrundriĂź nach
zu dem großen Hause gehört. Auf der Rückseite des Atriums
in der Mitte ein Zimmer mit weitem Eingang 0, wir mögen es
Tablinum nennen, im letzten Stil bemalt; links ein Schlafzimmer (y)
mit gut erhaltener Dekoration ersten Stils; rechts der zu den
hinteren Räumen führende Gang {>.) und an seiner rechten Wand
eine Treppe. Diese Treppe fĂĽhrte in einen sich ĂĽber alle drei
Räume erstreckenden Oberraum, eine auf das Atrium geöffnete
Säulenhalle oder Loggia (Fig. 166 rechts): die Tuffragmente —
vier Säulen und zwei Endpfeiler mit Halbsäulen — liegen im
Atrium; einer der Tuffsteine, auf denen sie standen, ist an seinem
Platz geblieben. Es ist das auf S. 282 besprochene Cenaculum,
der einzige Oberraum auf der RĂĽckseite des Atriums.
Hinter den drei genannten Parterreräumen lag ursprünglich
nur links das einfach im ersten Stil dekorierte Schlafzimmer ![
und rechts r^, welches damals eine kleine, auf den Garten geöff-
nete dorische Säulenhalle war. Später ist dann r, in einen ge-
schlossenen, durch eine TĂĽr mit dem Garten verbundenen Raum
verwandelt und sind links am Garten ein Speisezimmer i> und ein
Schlafzimmer i gebaut worden, beide ohne Oberraum.
Der kleine Durchgangsraum X hat in seiner \'orderwand,
rechts von der Tür, die Larennische, gewölbt und im Stil der
letzten Zeit mit buntfarbigen Stuckornamenten verziert. Auf der
RĂĽckwand der Nische ist Herkules gemalt : mit l-^pheu oder
324 Pompeji.
Weinlaub bekränzt steht er da, in der Linken, an die Schulter
gelehnt, die Keule, über dem Unterarm die Löwenhaut, in der
Rechten den groĂźen Weinbecher (skyphos) ; neben ihm links der
Altar, rechts das zum Opfer bestimmte Schwein.
Die Direktion der Ausgrabungen ist jetzt beschäftigt, das Haus
»der silbernen Hochzeit«, und auch das Nebenhaus, so weit es
mit Sicherheit möglich ist, in seiner alten Form wieder herzu-
stellen. Ein sehr löbliches Unternehmen; die Arbeit ist schon
weit vorgeschritten; wenn sie vollendet ist, wird man hier wie
nirgend sonst den ganzen Aufbau des antiken Hauses vor sich
haben.
Kapitel XXXIX.
Das Haus des Epidius Rufus.
Das Haus des Epidius Rufus (IX, i, 20) bietet das weitaus
besterhaltene Beispiel eines korinthischen Atriums. Es ist auch
dadurch merkwürdig, daß hier in voller Blütezeit des vorrömischen
Peristylbaues ein Mann, der ohne Sparsamkeit seine Wohnung
künstlerisch reich ausgestaltete, doch es verschmähte seinem
Hause ein Peristyl anzufĂĽgen, obgleich der Platz dazu reichlich
vorhanden war, vielmehr sich auf die altitalischen Teile beschränkte,
wie sie uns schon im Hause des Chirurgen vorliegen.
Der vornehme Charakter des Hauses zeigt sich schon von
auĂźen. Einfach zwar ist die Fassade (Fig. 168); nur das Portal
ist in bescheidener Weise kĂĽnstlerisch gestaltet: ein gutes Bei-
spiel einer Fassade ohne Läden. Aber sie tritt um 1,50 m hinter
die Flucht der Nebenhäuser zurück, und auf dem so gewonnenen
Bodenstreifen liegt vor der ganzen Front ein 1,20 m hoher
Perron (i), an jedem Ende durch eine Treppe zugänglich. Der
Eingang erinnert insofern an das Haus des Faun, als auch hier
das Vestibulum durch eine dreiflĂĽgelige TĂĽr verschlieĂźbar war,
die wohl bei Tage gewöhnlich offen stand. Aus dem Vestibulum
fĂĽhren in den inneren Hausflur zwei rechtwinklig zu einander
stehende Türen : gradeaus die gewöhnlich geschlossene große zwei-
flügelige , rechts eine kleine einflügelige , die dem gewöhnlichen
Verkehr genĂĽgte (S. 253).
Im Atrium stehen um das weite Impluvium 16 schlanke do-
rische Säulen, 4,35 m hoch, vollkommen erhalten; auch von
ihrem einfachen, auf einer Holzbohle aufgemauerten Gebälk ist
ein Stück in ganzer Höhe geblieben; sie trugen das Dach des
Atriums. Dies war also hier weit niedriger als in den bisher
betrachteten Häusern; es hat den hallenartigen Charakter des
alten Atriums verloren und ist zu einem vierseitisren Portikus
326
Pompeji.
geworden; nur dadurch erinnert es noch an seinen ursprĂĽng-
lichen Charakter, daĂź der unbedeckte Mittelraum nicht ein Garten
ist, sondern das mit Tuff gepflasterte Impluvium. Aus diesem
stieg in der Mitte ein Springbrunnen auf. An seinem hinteren
Rande lieĂź von einer marmorbekleideten
Tuffbasis eine Statuette einen Wasserstrahl
in ein im Impluvium stehendes zweifĂĽĂźiges
Becken fallen; erhalten ist hier freilich
nur der TuffTcern der Basis, zwei recht-
eckige Steine, auf denen das Becken stand,
und die in unserem Plan angedeuteten
Bleiröhren der Leitung. Hinter der Basis
steht wohlerhalten eine kannellierte weiĂź-
marmorne Zisternen Ă–ffnung,
Auf die Mitte der Langseiten öffnen
sich die Alen (7. 13); ihre Eingangsecken
sind als korinthische Pilaster gebildet, an
deren Kapitellen gegen die Ala zu je ein
weiblicher Kopf aus dem Blattwerk heraus-
blickt : feine Stuckarbeit mit Bemalung an
Haaren und Augen; noch jetzt ist an der
1^ .: rechten Ala der epheubekränzte Kopf
"J_^f JJTl -^ einer Bacchantin sichtbar. Geteilt sind die
-i— Uli Öffnungen der Alen durch je zwei schöne,
schlanke ionische Säulen; alles dies in
ganzer Höhe erhalten.
Leider zeigt die ebenfalls gut erhaltene
RĂĽckseite nicht die ursprĂĽngliche Form
des Baues. Einst öffnete sich hier das
Tablinum in ganzer Breite zwischen zwei
Pilastern, die breiter, also auch wohl
höher waren als die der Alen. Später ist
dann der Eingang verengert und seine
Höhe auf 3,75 m vermindert worden.
Den rückwärtigen Abschluß des Hauses bildet die auf den
Garten (24) geöffnete Säulenhalle {22). Rechts an dieser die
Kammer des Gärtners (23), mit Fenster auf den Garten. Dieser
war, wie die Spuren der Bearbeitung zeigen, ein Nutzgarten; nur
Fig. 167. GrundriĂź des Hauses
des Epidius Rufus.
I. Perron. 2. Vestibulum mit
NebentĂĽr. 7, 13. Alae; in der
einen (7) die Hauskapelle.
15. Treppe zu Räumen über 17,
21. 17. Schlafzimmer. 18 An-
dren. 19. Tablinum. 20. Speise-
zimmer. 21. KĂĽche mit Herd (i5).
28. Säulenhalle. 23. Zimmer
des Gärtners. 24. Nutzgarten.
25. Ziergarten.
XXXIX. Das Haus des Epidius Rufus.
327
der höher gelegene und durch eine Treppe zugängliche Teil (25)
war vielleicht ein Ziergarten.
In den Gartenportikus fĂĽhrt links vom Tablinum der Korridor
(Andron, 18). Links zwei niedrige, gewölbte Räume. Der eine
Fig. 168. Fassade des Hauses des Epidius Rufus, wiederhergestellt.
(17) war wohl ein kleines Schlafzimmer. Der andere (21), hoch
2,95 f^j ist die wohlerhaltene Küche mit Herd [ö] und Abtritt,
dĂĽrftig erleuchtet durch kleine Fenster. Der kleine Raum a am
Eingang der Küche war wohl ein Wandschrank. Diese Räume,
HjH — I — i — I — ^
Fig. 169. Querschnitt des Hauses des Epidius Rufus, wiederhergestellt.
17, 2 1, a, sind die einzigen, über denen obere Räume lagen,
zugänglich durch die Treppe bei 15: es war außer einigen
kleinen, beim Treppenbau übrig gebliebenen Räumen, nur ein
geräumiges Zimmer, über der Küche. Diese gewölbten Räume
328 Pompeji.
mit Oberzimmer und Treppe gehen zurĂĽck auf einen Umbau,
wohl noch in republikanischer Zeit. Das ursprĂĽngliche Haus der
Tufifperiode hatte auch hier nur Räume zu ebener Erde.
Es fehlt nicht an Resten der Wanddekorationen ersten und
dritten Stils. Von Interesse sind aber nur die wohl nach 63
entstandenen Malereien des Speisezimmers (20); auf weiĂźem
Grunde phantastische Architekturen, stilisierte Pflanzenmotive,
Ornamentstreifen, alles sehr leicht und zierlich; dazwischen der
Wettstreit des Apollo und Marsyas. Bei a Apollo, nackt bis auf
ein ĂĽber seinen RĂĽcken hinabflatterndes rotes Gewand; weit aus-
schreitend rĂĽhrt er mit der Rechten die an seiner linken Schulter
hängende Kithara, genau so wie wir ihn in einem Bilde des
Hauses der Vettier (S. 349) als Besieger des Drachen Python
dargestellt finden werden. Bei b Marsyas, die Doppelflöte blasend ;
bei d^ e die Musen als Richterinnen des Wettkampfes. Malereien
wie diese mochten beeinfluĂźt sein durch den Kult des alten
Stadtgottes, aber sie bringen doch auch wohl die poetischen und
musikalischen Neigungen des Hausherrn zum Ausdruck.
An der RĂĽckwand der rechten Ala (7) steht die Kapelle der
Hausgötter: zwei Pilaster und zwei Säulchen, hoch 0,70 m, tragen
Gebälk, Giebelfeld und Dach. Von der in den 1,50 m hohen
Unterbau eingelassenen Inschrift — Genio M[arci) n[ostri) et
Laribiis duo Diadunieni liberti — war schon S. 277 die Rede.
Die so zum Heiligtum gewordene Ala war durch ein Gitter
zwischen ihren Säulen und Pilastern vom Atrium getrennt.
Kapitel XL.
Das Haus des tragischen Dichters.
Das Haus des tragischen Dichters, bei Buhver das Haus des
Glaukos, ist nur klein, aber berĂĽhmt wegen seines Reichtums an
Gemälden und Mosaiken. Es erhielt seine letzte Gestalt und
AusschmĂĽckung in der letzten Zeit Pompejis, nach dem Erdbeben
des Jahres 63, und ist ein gutes Beispiel einer kleinen aber vor-
Fig. 170. GrundriĂź des Hauses des tragischen Dichters, i. Fauces. 2, 2. LĂĽden. 3. .Atrium.
4, 4. Treppen zu oberen Räumen. 6, 6. Schlafzimmer. 7. Ala. 8. Tablinum. 9. Andron.
10. Peristyl. 11. Kapelle. 12, 14. Schlafzimmer. 13. KĂĽche. 15. Speisezimmer. 16. Posticum.
nehmen Wohnung der Kaiserzeit. Seinen Namen verdankt es
einem Gemälde und einem Mosaikbilde, die beide im Tablinum
gefunden wurden. Das Bild ist eine Wiederholung einer noch
öfter vorkommenden Komposition. Links sitzen Admct und
Alcestis; ihnen gegenĂĽber der Bote, aus einer Papyrusrolle das
verhängnisvolle Orakel vorlesend: Admet muß sterben, es sei
denn, daß jemand für ihn sterben wolle. Admet deutet, Erklä-
330
Pompeji.
rung fordernd, mit dem Finger auf das Papier; hinter ihm seine
Eltern, in ausdrucksvoller Gebärde mit erhobenen Händen das
ihnen zugemutete Opfer abwehrend. Alcestis aber blickt ruhigen
Mutes den Boten an, bereit das Opfer zu bringen, an dessen
Annahme seitens des Mannes das lebensfrohe Altertum keinen
AnstoĂź nahm. Im Hintergrunde Apollo als Orakelgott und noch
eine verschleierte weibliche Gestalt unsicherer Erklärung. Diese
Fig. 171. Haus des tragischen Dichters: Blick aus dem Atrium durch das Tablinum auf die
Kapelle an der RĂĽckseite des Peristyls. Rechts der Andron , vorn CisternenmĂĽndung hinter
dem Impluvium. Photographie Brogi.
schwache Kopie eines wahrscheinlich schönen und an psycho-
logischen Motiven reichen Bildes wurde zur Zeit der Ausgrabung
(1824 — 25) mißverstanden: man meinte, es sei ein .sein Werk
vorlesender Dichter. Und zwar ein tragischer; dies schloĂź man
aus einem Mosaikbild im FuĂźboden des Tablinums, das in der
Tat die Vorbereitungen zu einer TheaterauffĂĽhrung darstellt.
Der lange Hausflur (i) hat die TĂĽr gleich an der StraĂźe, so
XL. Das Haus des tragischen Dichters.
331
daß die Läden (2) durch ihre Seitentüren mit dem Innern des
Hauses in Verbindung standen. Es scheint also, daĂź der Haus-
herr selbst irgend welchen Handel trieb. In einem der Läden
wurde einiger Goldschmuck gefunden, doch wäre es wohl vor-
eilig, anzunehmen, derselbe habe hier zum Verkauf gestanden.
Gleich hinter der HaustĂĽr zeigt das schwarzweiĂźe FuĂźboden-
mosaik einen groĂźen angeketteten Hund mit der Beischrift:
cave catiem, >hüte dich vor dem Hunde«. Vorzüglich erhalten
sind auch die schwarzweißen Mosaikfußböden im Atrium , im
Tablinum und in dem groĂźen Speisezimmer (15).
Unser Längenschnitt Fig. 172 zeigt die Höhenverhältnisse der
verschiedenen Räume. Charakteristisch für die späte Zeit sind
Speisesaal. KĂĽche. Tablinum. Ala. Impluvium. Treppe. Fauces.
Atrium.
Fig. 172. Längenschnitt des Hauses des tragischen Dichters, wiederhergestellt.
die niedrigen TĂĽren, die Alae und das Tablinum ohne Pilaster-
einfassung, nur mit einfacher Holzverkleidung am Eingange, das
niedrige und zierliche Peristyl. In der Aedicula an der RĂĽck-
wand dieses letzteren (Fig. 171) stand die Marmorstatuette eines
Satyrs, gegürtet mit einem Fell und Früchte im Schöße des-
selben tragend.
Gleich vom am Atrium fĂĽhrte jederseits eine Treppe (4) zu
oberen Räumen. Wir wissen nicht, wie weit sich diese aus-
dehnten.
Der erste Raum links am Atrium (5), durch die Treppe be-
engt, mit weißen Wänden, war wohl die Kammer des Atriensis,
der auch als TĂĽrhĂĽter [ostiariiis] diente. Die mit 6 bezeichneten
Räume sind herrschaftliche Schlafzimmer, so auch die Zimmer
12 und 14 am Peristyl; 6', mit Regalen an den Wänden, war
332
Pompeji.
eine Vorratskammer, 13 die KĂĽche. Als Speisezimmer mochte
im Sommer das Tablinum (8) dienen, im Winter 15, vor allen
Fig- 173- Zeus und Hera auf dem Ida. Wandgemälde aus dem Hause des tragischen Dichters.
anderen Zimmern ausgezeichnet durch Größe und Höhe (Fig. 172).
Ihm gegenĂĽber die HintertĂĽr (16).
XL. Das Haus des tragischen Dichters. ^^3
Sechs große, gegen 1,30 m hohe Bilder [a—f auf dem Plan)
zierten die Wände des Atriums ; ein seltener Fall, da gewöhnlich
Fig. 174. Fortführung der Briseis. Wandgemälde aus dem Hause des tragischen Dichters.
Photogr.iphie Alinari.
grade die Atrien an Bildern arm sind. Eine Ausnahme ist es
auch, daĂź diese unter sich in einem Innern Zusammenhange
334 Pompeji.
stehen: Szenen des trojanischen Krieges, in engem AnschluĂź
an die Ilias, seltsamerweise geordnet ohne RĂĽcksicht auf den
Gang der Handlung: «, Hera, von dem Schlafgotte Hypnos be-
gleitet, kommt zu Zeus auf dem Ida (Fig. 173); b nicht erhalten;
man sah zur Zeit der Ausgrabung eine nackte Aphrodite; etwa
das Urteil des Paris? c^ Achilleus ĂĽbergibt die Briseis den
Boten des Agamemnon; d^ Fragment, Einschiffung der Chryseis;
e^ Fragment, zu wenig um die Handlung zu erkennen; /, Frag-
ment, vermutlich Thetis mit ihrem Gefolge, dem Achilleus die
von Hephaestus geschmiedeten Waffen bringend.
Von allen diesen Bildern sind also nur zwei, a und ^, ziem-
lich vollständig erhalten, berühmte Bilder, ausgezeichnet durch
schöne Komposition und sorgfältige Ausführung. Das bedeu-
tendste ist a^ bewundernswert namentlich die Gestalt der Hera.
Eine majestätische Schönheit, mit weit geöffneten, leuchtenden
Augen, ein goldenes Diadem in dem mit kurzen Locken die
Stirn umrahmenden dunklen Haar, reich gekleidet — die Feinheit
des Stoffes zeigt sich in den Falten des Obergewandes — so
tritt sie vor den auf dem Felsen des Ida sitzenden Gatten, der
sie verlangend anblickt und ihren Arm faĂźt, um sie an sich zu
ziehen. Nicht verfĂĽhrerisch naht sie ihm, eher zurĂĽckhaltend,
wie es der Königin der Götter ziemt und wie es ja auch Homer
in der berĂĽhmten Stelle schildert. So recht freilich befriedigt
diese Erklärung nicht. Wir möchten, daß sie den Gatten an-
blickte, daĂź die beiden Hauptgestalten in lebhaftere Beziehung
zu einander gesetzt wären. Aber der Maler hat der Versuchung
nicht widerstanden, die Hauptfigur vor allem in möglichst gün-
stiger Ansicht hinzustellen und darĂĽber die dramatische Gestal-
tung der Szene zu vernachlässigen: eine in pompejanischen Bildern
nicht seltene Schwäche. Auf dem Kapitell einer Säule im Hinter-
grunde stehen drei kleine bronzene Löwen, an ihrem Schaft
hängen zwei Flöten |und zwei Paar Becken, weiter unten lehnt
ein Tamburin: Symbole der Cybele, der Göttin des Ida. In der
Ecke rechts unten sitzen drei kleine, mit Laub und Blumen be-
kränzte Jünglingsgestalten. Aus gewissen auffallenden Finger-
bewegungen hat man geschlossen, es seien die idäischen Dak-
tylen (»Finger«), Dämonen metallurgischer Geschicklichkeit im
Gefolge der Cybele. Oder verkörpern sie, wie die Bekränzung
XL. Das Haus des tragischen Dichters. Ăź^e
anzudeuten scheint, die nach den Worten des Dichters bei der
Vereinigung des Götterpaares aufsprossenden Kräuter und Blumen?
Mehr dramatisches Leben zeigt das andere Bild, die Weg-
fĂĽhrung der Briseis (Fig. 174). In der Mitte sitzt Achilleus.
Unwilligen Ausdrucks wendet er sich Patroklos zu, der eben
rechts die weinende Briseis herbeifĂĽhrt, und fordert ihn durch
eine Handbewegung, auf, sie den links stehenden Boten des Aga-
memnon zu ĂĽberliefern. Hinter ihm sein alter Begleiter Phoenix,
ihm beruhigend zusprechend; weiter zurĂĽck undeutlich gemalte
Kriegergestalten, im Hintergrunde das Zelt des Achilleus. Ge-
sichtsausdruck und Bewegungen sind der Situation und den Emp-
findungen angemessen; doch gelingt es dem KĂĽnstler nicht, diese
Empfindungen recht kräftig und unmittelbar zum Ausdruck zu
bringen; sie sind angedeutet, gewissermaĂźen stilisiert.
Die Komposition hat in beiden Bildern einen fast reliefartigen
Charakter. Das Bild hat keine Tiefe. Die Hauptfiguren stehen
im Vordergrunde, ziemlich gleich weit vom Beschauer entfernt;
die fünf behelmten Köpfe im Achilleusbilde , nur andeutend be-
handelt, gehören durchaus zum Hintergrund. In dem Herabilde
wird der Hintergrund gleich hinter den Hauptpersonen durch das
Waldesdickicht geschlossen. Es ist keine recht freie malerische
Komposition; man hat fast das GefĂĽhl, als seien hier Reliefs in
Malerei umgesetzt worden. Die Vorbilder dieser Gemälde mögen
in relativ frĂĽher Zeit, vor der Zeit Alexanders, etwa im vierten
Jahrhundert v. Chr., entstanden sein.
Eines der besterhaltenen Bilder war auf eine Wand des Peri-
styls, bei o gemalt: die Opferung der Iphigenie (Fig. 175). In
betreff der reliefartigen Komposition, der mangelnden Tiefe gilt
von diesem Bilde Ahnliches wie von den eben besprochenen.
Aber durch den gänzlich mangelnden Hintergrund wird es in
eine andere Klasse gerĂĽckt; auch die AusfĂĽhrung ist von anderer
Hand, geringer und gröber. Wohl mag ein bedeutendes Kunst-
werk als Vorbild gedient haben; aber sicher ist es nicht treu und
auch wohl nicht vollständig wiedergegeben.
Timanthes, um 400 v. Chr., malte Iphigenie am Altar stehend,
Kalchas traurig, noch trauriger Ăśdysseus, laut klagend Aias,
Menelaos in solchem Jammer, daß keine Steigerung mehr mög-
lich war; daher, sagt Plinius. verzichtete er darauf, den Schmerz
i36
Pompeji.
Agamemnons, des Vaters, in seinen Mienen zum Ausdruck zu
bringen, und malte ihn mit verhĂĽlltem Haupte. So finden wir
ihn auf unserem Bilde. Auch die Gestalt des Kalchas, der wie
nachdenkend die das Schwert haltende Hand an das Kinn legt,
mögen wir wohl so fassen, daß er »traurig« ist, daß er nur mit
Fig. 175. Opfer der Iphigenie. Wandgemiilde. Photographie Brogi.
Widerstreben daran geht, das Opfer zu vollziehen. Aber die
übrigen Figuren, Odysseus, Aias, Menelaos fehlen; und wäre es
auch nicht ausdrĂĽcklich bezeugt, daĂź bei Timanthes Iphigenie
am Altar stand, so würden wir doch nimmer die unmögliche Art,
wie sie hier getragen wird, auf die Konzeption eines bedeutenden
KĂĽnstlers zurĂĽckfĂĽhren. Wohl mae also das Bild des Timanthes
XL. Das Haus des tragischen Dichters. 2iy
unseren Maler angeregt haben. Aber er ist ein schlechter Nach-
ahmer; grade die Figuren hat er unterdrĂĽckt, in denen Timan-
thes, der Maler psychologischer Affekte, sein Höchstes geleistet
hatte. In der Gruppe der Iphigenie hat er ihn durch ein drasti-
scheres Motiv ĂĽberbieten wollen; das ĂĽbrige hat er wieder-
gegeben so gut er vermochte, in einer Malweise wie sie zur Zeit
Neros fĂĽr wohlfeile Arbeit ĂĽblich war.
Mehr als im Atrium kommt in dem groĂźen Speisezimmer 15
auch der rein dekorative, ornamentale Teil der Wandmalerei zur
Geltung. Auf jeder der drei Wände — die Eingangswand wird
fast ganz von der weiten Tür eingenommen — ist die Haupt-
fläche in drei große Felder geteilt, oberhalb deren leichte phan-
tastische Architekturmalerei sich bis an die Decke erhebt; auf
jeder Wand enthält das Mittelfeld ein größeres Gemälde, Nach-
ahmung eines Tafelbildes; alle drei von vorzĂĽglicher AusfĂĽhrung.
Bei p ein junges Paar, das ein Nest mit Amoren gefunden hat
und betrachtet; bei q Theseus, die schlafende Ariadne verlassend;
bei r ein unerklärtes Bild: Artemis, der ein reich als Jäger ge-
kleideter junger Mann gegenübersteht, während Amor, an ihren
Schenkel gelehnt, mit dem Pfeile nach ihrem Herzen zielt: alles
drei beliebte und oft wiederholte Darstellungen. Die Seitenfelder
der Wände und so auch die kurzen Wandstücke neben dem Ein-
gang enthalten einzelne Figuren. Viermal das Bild eines nackten,
aber mit Helm, Schild, Schwert und Lanze bewehrten jungen
Mannes: herrliche Gestalten, wie sie herausfordernd in stolzer
und freier Haltung dastehen. Die vier ĂĽbrigen Felder zeigen die
Jahreszeiten als schwebende weibliche Gestalten. Beides in der
letzten Zeit Pompejis sehr beliebte und oft wiederholte Gegen-
stände.
Mau, Pompeji. 2. Aufl.
Kapitel XLI.
Das Haus der Vettier.
Wie unter den Häusern der vorrömischen Zeit das Haus des
Faun, so ist unter denen der späteren Zeit ohne Zweifel das
sehenswerteste und lehrreichste das in den Jahren 1894 und 1895
ausgegrabene Haus der Vettier. Aulus Vettius Restitutus und
Fig. 176. AuĂźenansicht des Hauses der Vettier, wiederhergestellt.
Aulus Vettius Conviva — wir wissen nicht wie sie miteinander
verwandt oder ob sie vielleicht nur Freigelassene desselben Herrn
waren — wohnten in diesem Hause; man fand hier ihre beiden
Petschafte. Auf der StraĂźenwand lesen wir ein Wahlprogramm:
Sabimim Restitutus rog[at)^ »den Sabinus (zu wählen) bittet
Restitutus«. Eine andere Inschrift — Vetti Conviva Äugiisia[lis) —
XLI. Das Haus der Vettier.
339
lehrt uns, daß der andere Vettier Augustale war. Diese Körper-
schaft bestand aus Freigelassenen; es waren also diese Vettier
wohl reiche, aber keine vornehmen Leute. Die hervorragende
Bedeutung ihres Hauses beruht auf seinen außerordentlich schönen
Malereien und auf der vorzĂĽglichen Erhaltung des Peristyls mit
seinen marmornen Statuetten, Tischen und Fontänen. Im übrigen
ist es ein mäßig großes Haus, in seiner Anlage von anderen nicht
wesentlich abweichend. Das SĂĽdende der Insula VI, 1 5 einnehmend
Fig. 177. GrundriĂź des Hauses der Vettier. a Vestibulum. i Fauces. c Atrium, k, i Alae
l Säulenhallen des Peristyls. m Garten. «, / Speisezimmer. ^ Raum mit den Amorenbildern.
s Kleines Peristyl. t Speisezimmer. « Schlafzimmer, v Nebenatrium, zu Küche, jr" Kammer
des Kochs, y Korridor zu Nebenräumen {^, (t) und Posticum.
liegt es in einer durchaus nicht frequenten Gegend, und es war
keine geringe Ăśberraschung, hier eine so reich ausgestattete
Wohnung zu finden.
Aus dem Vestibulum (a) fĂĽhrten in die Fauces {d) die groĂźe,
meist geschlossene Haupttür und eine kleine, dem gewöhn-
lichen Verkehr dienende SeitentĂĽr (vgl. S. 253). Das tuscanische
Atrium c zeigt unser Schnitt A B (Fig. 178) in der Längen-
ansicht. Die Alen h i und der Flur b sind nicht, wie in der
340
Pompeji.
vorrömischen Zeit, von Pilastern eingefaßt, sondern haben nur
eine schmale Holzverkleidung an den Eingangsecken; die linke
Säulenhalle (/). Großes Zimmer (y). Säulen-
Garten mit Fontänen und Skulpturen.
Fig. 178. Längenschnitt des Hauses
Ala h war in der letzten Zeit in einen groĂźen Wandschrank
verwandelt worden. An den Seitenwänden des Atriums stehen
Kleines Peristyl (s). Kleines Speisezimmer (/). Fenster der rechten
Speisezimmer. Säulenhalle. Ala [i).
Fig. 17g. Querschnitt durch die
zwei Geldkisten; die eine ist in Fig. 178 sichtbar. Kein Tablinum;
aus dem Atrium treten wir direkt in das Peristyl /, und zwar
durch drei TĂĽren (Fig. 179); man hat Wert darauf gelegt, der
XLI. Das Haus der Vettier.
341
RĂĽckseite des Atriums dieselbe Gliederung zu geben, wie in
Häusern mit Tablinum und Hinterzimmern.
halle.
Ala
der Vettier, wiederhergestellt.
Impluvium. Geld- TĂĽr Fauces {i).
Atrium. leiste. zum Vesti-
Nebenatrium. bulum {a).
An dem groĂźen Peristyl / (Querschnitt Fig. 179) liegen die
größeren und kleineren Zimmer ;/, 0, />, q^ r\ rechts führt eine
GroĂźes Peiisty
beiden Peristyle, wiederhergestellt.
TĂĽr in das kleine, zierliche Peristyl s (Fig. 179) mit einem Speise-
zimmer t und einem Schlafzimmer u.
Endlich rechts vom Atrium das kleine Nebenatrium v. mit
342 Pompeji.
dem (im Plan angedeuteten) Larenheiligtum (Fig. 144) und ver-
schiedenen Wirtschaftsräumen und Sklavenzimmern; w ist die
KĂĽche (Herd Fig. 140), x' die Kammer des Kochs.
Auf der andern Seite des Hauptatriums fĂĽhrt der Korridor /
in den Raum Ăź mit Nebenausgang auf die SeitenstraĂźe.
Obere Räume waren über den Zimmern am Nebenatrium
;tr, 7, z (nicht über der Küche w) und, in höherem Niveau, über
den Räumen vor dem Hauptatrium, k, b, d^ diese wie jene zu-
gänglich durch eine Treppe in cf, die man jetzt wiederhergestellt
hat. Ferner, wieder in niedrigerem Niveau, ĂĽber e und, noch
niedriger, über /, //, «, 0, /5, (5, diese wie jene zugänglich durch
eine Treppe in y.
Das groĂźe SchaustĂĽck des Hauses ist sein Peristyl (Fig. 181).
Seine Säulen, weiß, bis unten hinab kannelliert, mit buntfarbigem
Phantasiekapitell, sind gut erhalten, in einem Teil des Vorder-
portikus auch das Gebälk: gelb mit einem Pflanzengewinde in
weiĂźem Stuckrelief (Fig. 180). Nach der Ausgrabung sind dann
Gebälk und Dach größtenteils hergestellt worden.
Antike Ausgräber haben zwar die eigentlichen Wohnräume
ziemlich vollständig ausgeplündert, aber bei den vorderen Peri-
stylsäulen Halt gemacht, in der Meinung, hier sei nun weiter
nichts zu holen. So ist der reiche Skulpturenschmuck des Gartens
fast vollständig am Platze geblieben.
An jeder Ecke steht ein rundes, an jeder Seite ein länglich
viereckiges Marmorbecken (im Plan angedeutet). In sie wurden
Wasserstrahlen entsandt von zwölf Statuetten, die auf Postamenten
an den Säulen standen. Neun dieser Statuetten sind erhalten;
es fehlen die der Vorderseite und der linken Vorderecke. Die
der rechten Seite sind aus Bronze: zwei Knaben, jeder eine Ente
im Arm haltend, aus deren Schnabel der Wasserstrahl sprang
(Fig. 181). Die ĂĽbrigen sind aus Marmor und ohne besonderes
Interesse: ein Bacchus, zwei Satyrn, ein Hirte mit phrygischer
Mütze (Paris?), ein sitzender Knabe, der einen Hasen festhält,
aus dessen Mund das Wasser sprang, zwei einfältig lächelnde
Knaben — Sklavenkinder? — denen mit einem großen Tuche
die Hände auf den Rücken gebunden sind.
Auch mitten im Garten stehen Skulpturen, und auch hier
sprang das Wasser. Zwei Springbrunnen: einer ein Marmor-
XLI. Das Haus der Vettier.
343
Viereck auf flacher Erde, aus dem der Wasserstrahl aufstieg, der
andere in Form eines Salbengefäßes. Ferner eine reich orna-
mentierte viereckige Marmorschale auf zwei Füßen. Zwei Säul-
chen tragen jedes eine Doppelherme: Silen und Bacchantin,
Bacchus und Ariadne, jene von krausen und eigentĂĽmlich cha-
rakteristischen, diese (abgebildet Kap. LIII) von weichen und
Fig. i8o. Basis, Kapitell uaJ Gebälk des Portikus am Peristyl.
glatten Formen, mit deutlichen Resten der Bemalung in Haar,
Bart und Augen.
Ein runder Tisch steht in der Mitte des Gartens, drei Tische
in den Portiken, besonders schön der runde Marmortisch vorn
rechts, auf drei Füßen in Form von Löwentatzen, die oben in
ein Löwenhaupt enden (vgl. Abb. Kap. XLVI), mit reichlichen
Resten gelber Farbe in den Mähnen.
344
Pompeji.
Neuerdings hat man den Garten mit Blumen und Sträuchern
bepflanzt, mit Benutzung antiker Spuren. Auch die Röhren der
Wasserleitung — fast vollständig erhalten — sind hergestellt
worden, so daß es möglich ist, für kurze Zeit die vierzehn Wasser-
strahlen springen zu lassen. Nirgends hat der Besucher so wie
hier den vollen Eindruck der antiken Wohnung.
Die Malereien dieses Hauses, alle letzten Stiles, zerfallen den-
noch deutlich in zwei Klassen, eine ältere und eine jüngere. Die
ältere umfaßt das Atrium r, die Alen h i und das große Zimmer q.
Fig. i8i. Garten im Hause der Vettier, aus dem Nordportikus gesehen.
Damals war die linke Ala // mit n durch eine TĂĽr verbunden
und hatte ein groĂźes Fenster auf das Peristyl, wie noch jetzt
die rechte Ala (Fig. 179); später wurden Tür und Fenster ver-
mauert und die Ala in einen Schrank verwandelt. Alles dies
aber noch vor dem Erdbeben des Jahres 63, welches dann die
Mauer zwischen Ala und Peristyl mit dem vermauerten Fenster
teilweise umwarf Danach fällt also die Entstehung dieser älteren
Malereien beträchtliche Zeit vor das Jahr 63. Zu der jüngeren
Klasse, nach 63, gehört der Hausflur ^, ferner <?, die Portiken
XLI. Das Haus der Vettier.
345
des Peristyls /, die sich auf diese öffnenden Speisezimmer w, /,
das kleine Nebenperistyl s mit / und z/, das weiterhin zu er-
wähnende Larenbild im Nebenatrium v. Zweifelhaft ist die Zeit
der unbedeutenden Malereien in d, /, g; k. Ohne Malerei sind
o und r, so auch das Nebenatrium [v) mit den anliegenden Zimmern.
In den älteren Malereien zeigt sich ein feiner, vornehmer Ge-
schmack, Vorwiegen der einfarbigen, roten und schwarzen Flächen,
getrennt und gegliedert durch Ornamentstreifen, Säulchen, Kan-
delaber und andere mehr oder weniger architektonische Motive
voll reichsten und feinsten Details, aber von geringer Ausdeh-
nung, von höchster Schlankheit. Man muß nahe herantreten,
um sich ihrer ganzen Schönheit zu freuen. Dazu fein abgestimmte
Farben, Vermeidung greller Kontraste. Alles in allem : reiches
Können in diskreter und verständnisvoller Verwendung. Auf die
figĂĽrlichen Darstellungen werden wir noch weiter zu sprechen
kommen: sie zeigen die Hand eines echten KĂĽnstlers, eines der
bedeutendsten, vielleicht des bedeutendsten unter allen, die in
Pompeji tätig gewesen sind.
Dagegen ist auf den Wänden der jüngeren Klasse die Aus-
fĂĽhrung des ornamentalen Details derb und auf Fernwirkung
berechnet; sie sind von massiven Verhältnissen und überwuchern
die freie Wandfläche, so daß von dieser z. B. in w nicht viel
ĂĽbrig bleibt; die Farbenstimmung ist ohne Feinheit. Die figĂĽr-
lichen Darstellungen sind von verschiedenen Händen, die alle
nicht ungeschickt sind, deren aber keine sich über das gewöhn-
liche, handwerksmäßige Können erhebt; einer dieser Maler zeigt
in der Darstellung mythologischer Mordszenen einen hervorragend
brutalen Geschmack.
DaĂź der oder die KĂĽnstler der ersten Klasse an der zweiten
nicht beteiligt waren, ist augenfällig. Es scheint aber auch unver-
meidlich, anzunehmen, daĂź das Haus mittlerweile den Besitzer
gewechselt hatte. Hier hat um die Mitte des ersten Jahrhunderts
n. Chr. ein vornehmer Mann mit feinstem kĂĽnstlerischen Ver-
ständnis durch die besten Künstler, deren er habhaft werden
konnte, sein Haus ausschmücken lassen. Später ist dies dann in
den Besitz der beiden Freigelassenen Vettius Conviva und Re-
stitutus übergegangen, denen wir immerhin dafür danken mögen,
daß sie wenigstens in einigen Räumen die alte Dekoration
346
Pompeji.
m
gelassen und nicht durch ihrem derberen Geschmack besser
entsprechende Bilder ersetzt haben.
Von Allem was dies Haus bietet, sind das Schönste und Beste
die Malereien des groĂźen Speise- und Gesellschaftssaales q. Die
Verteilung auf den Wänden zeigt beistehendes Schema der Rück-
wand; die Seitenwände sind in fünf statt in drei Felder geteilt.
Von den groĂźen zinnoberroten Hauptfeldern enthielt das
mittlere jeder Wand ein groĂźes Bild (i); von diesen ist keines
erhalten. Die Seitenfelder enthielten auf dem ebenfalls roten
Grunde je eine Gruppe von zwei schwebenden Figuren (2), er-
halten nur auf der RĂĽckwand und den innersten Feldern der
Seitenwände: Poseidon und Amymone,
Apollo und Daphne, Bacchus und
Ariadne, Perseus und Andromeda.
Sie sind sehr sorgfaltig gemalt, aber
etwas schwer und drĂĽcken das leichte
Dahinschweben weniger gut aus als
manche der sonst an dieser Stelle
ĂĽblichen Satyrn und Bacchantinnen.
Der Rand der Hauptfelder ist
schwarz, oben (oberhalb des ge-
schwungenen Arabeskenstreifs), seit-
wärts und unten (3), wo er die weiter-
hin zu besprechenden Amorendarstellungen enthält. Schwarz
sind auch die schmalen Streifen zwischen den Hauptfeldern, ein-
schlieĂźlich der kleinen Horizontalstreifen 4, die neben den Mittel-
feldern der Seitenwände je ein mythologisches Bild enthielten,
im ĂĽbrigen blumenpflĂĽckende Psychen.
Schwarz ist auch der Sockel ; in den mit 5 bezeichneten Fel-
dern ist je eine Figur angebracht. Neben den Mittelfeldern der
Langwände, unter den mythologischen Bildern, sind es Amazonen,
bewafihet mit Streitaxt und Schild, die phrygische MĂĽtze auf
dem Kopfe. Das kurze Gewand flattert lebhaft zurĂĽck, als seien
sie eben im Sprunge herangekommen und das Gewand noch zu-
rĂĽckgeblieben. Haltung und Ausdruck sind etwas theatralisch;
man denkt an Ballettfiguren. Eine ist ganz weiß — Gewand,
El
H
j
Fig. 182. Schema der Wandteilung
in dem groĂźen Saal am Peristyl.
Schild und MĂĽtze
gekleidet.
-, eine ganz gelb, die beiden anderen buntfarbig
XLI. Das Haus der Vettier.
347
Die vier übrigen Sockelfelder (5) der Seitenvvände enthalten je
eine weibliche Gestalt mit Opfergerät, die der Rückwand einen jungen
Satyr, der die Hand über die Augen hält, um in die Ferne zu schauen,
und die schöne Gestalt einer tamburinspielenden Bacchantin.
Im oberen Wandteil (6, erhalten auf der RĂĽckwand und den
anstoßenden Enden der Seitenwände) sind auf weißem Grunde,
vorwiegend in Gelb, phantastische Architekturen gemalt, belebt
durch Figuren. Auf der RĂĽckwand sind es Gestalten des bacchi-
schen Kreises: Silen, Satyrn, Bacchantinnen. Interessanter sind
zwei Gruppen auf den Seitenwänden. Auf der rechten Wand ein
aufrecht stehender Mann in langem Gewände; ernst und nach-
denklich hält er eine Papyrusrolle an das Kinn. Zu seinen
Füßen rechts die geöffnete Bücherkapsel [scriniiim) ; links sitzt
ein weißgekleidetes Mädchen. Den Kopf auf die Hand gestützt
blickt sie zu ihm auf, seinen Worten lauschend. Es ist ein
Dichter mit einer Freundin. Ein dramatischer Dichter, zugleich
Schauspieler; denn es ist doch wohl derselbe, den wir gegenĂĽber,
auf der linken Wand, wiederfinden, wo neben ihm eine Komödien-
maske auf einer Basis steht. Er hält in der Hand den Kranz,
den Siegespreis des dramatischen Wettkampfes ; den Palmzweig
trägt ein Begleiter. Es braucht ja nicht grade Menander zu sein ;
aber erinnern dĂĽrfen wir uns doch des Briefes der Glycera (bei
Alciphron): »Was ist Athen ohne Menander? was Menander ohne
Glycera? ohne mich, die ich ihm die Masken bereite, ihm das
KostĂĽm anlege, und dann in den Coulissen stehe, meine Finger-
spitzen in der Hand drĂĽckend, bis der Beifall losbricht. Und
zitternd atme ich dann auf und schließe dein göttliches Dichter-
haupt in meine Arme«.
Schönheit der Erfindung und Komposition und meisterhafte
AusfĂĽhrung verleihen den kleinen Malereien auf schwarzem Grunde
in 3 und 4 einen ganz einzigen Wert. Trotz der kleinen Ver-
hältnisse ist die Ausführung keineswegs miniaturartig. Keine
kleinliche Durchmodellierung, keine sorgsam vertriebenen Farben.
Mit staunenswerter Sicherheit sind die Farben unvermittelt so
nebeneinander gestellt, daĂź sie, aus der rechten Entfernung ge-
sehen, sich zu vollendeter plastischer Wirkung zusammenschlieĂźen.
Kein Strich zu viel, aber das Wesentliche so zweifellos getroffen,
daß das Aun^e unbewußt und ohne Mühe alles Übricre ergränzt.
348 Pompeji.
Die drei mythologischen Bilder — ein viertes ist zerstört —
sind in der Vollendung der AusfĂĽhrung den Amorenszenen noch
ĂĽberlegen. Nur eines, das am wenigsten gut erhaltene, auf der
linken Wand, wiederholt eine noch öfter vorkommende Kom-
position: Orest und Pylades in Tauris vor Thoas und Iphigenie.
Es ist im wesentlichen die Darstellung des groĂźen Bildes der
Casa del Citarista (S. 373).
Von den Bildern der rechten Wand zeigt das eine (Fig. 183)
den ersten AnlaĂź zu der Verkettung von Schicksalen, die in
Tauris ihren versöhnenden Abschluß fand : Agamemnons Frevel
an der heiligen Hirschkuh der Artemis.
Fig. 183. Agamemnon im Heiligtum der Artemis. Wandgemälde im Hause der Vettier.
Die Szene spielt in einem Heiligtum der Artemis : links die
vergoldete Bronzestatuette der Göttin auf einer Säule, an der
Bogen, Köcher und ein Eberkopf befestigt sind. In der Mitte
der Altar, und an ihm die weiĂźe Hindin; hinter dieser eine
Tempeldienerin — für eine Priesterin ist das Kostüm nicht feier-
lich genug — die auf der linken Hand einen Teller mit Opfer-
gerät trägt und mit der rechten aus einem Becher etwas auf den
RĂĽcken des Tieres gieĂźt. Sie hat den Mann noch nicht bemerkt,
der eben in das Heiligtum eindringt und vor dem die andere
Tempeldienerin, rechts, mit lebhaften Gebärden des Schreckens
entflieht. Es ist eine königliche Gestalt, in reicher Rüstung und
Purpurmantel. Das Schwert gegen die Hirschkuh ausstreckend
XLI. Das Haus der Vettier.
349
stürmt er heran; das schön geformte Gesicht, von reichgelocktem
blonden Haar und Bart umrahmt, ist mit drohendem Ausdruck
auf die fliehende Tempeldienerin gerichtet.
Nun stimmt zwar dies alles nicht recht mit der litterarischen
Ăśberlieferung; aber diese ist so dĂĽrftig und bietet trotzdem so
verschiedene und sich widersprechende Versionen, daĂź wir wohl
annehmen dĂĽrfen, es habe auch eine sonst nicht ĂĽberlieferte
Version gegeben, nach der Agamemnon im Heiligtum der Artemis
selbst ihr heiliges Tier tötete. Von außerordentlicher Fein-
heit in der AusfĂĽhrung ist die Figur des Agamemnon.
Das dritte Bild (Fig. 184) zeigt uns Apollo. Als er das Orakel
Fig. 184. Apollo nach Tötung des Drachen Python. Wandgemälde im Hause der Vettier.
in Delphi grĂĽndete, muĂźte er erst einen Kampf bestehen mit dem
Drachen Python ; er tötete ihn und sang das Siegeslied, den Päan ;
und es galt dies als die Entstehung dieses Liedes. Diese Sieges-
feier stellt unser Bild dar: der Drache, gewunden um den Om-
phalos, das bekannte Symbol des delphischen Orakels, liegt da, sein
Kopf in einer Blutlache. Apollo, lorbeerbekränzt in der Stellung
des begeisterten Sängers, weit ausschreitend, spielt die Kithara
und singt den Päan. Neben ihm steht seine Schwester Artemis ;
ein Lorbeerzweig liegt zwischen beiden am Boden. Hinter dem
Omphalos eine Säule, an der Bogen und Köcher des Gottes be-
festigt sind. Weniger klar ist die Bedeutung der beiden anderen
Figuren : ein Opferstier und neben ihm eine Tempeldienerin. Sie
350 Pompeji.
faßt ihn mit der Rechten am Hörn ; auf der linken Schulter trägt
sie die zweischneidige Axt, mit der das Opfer vollzogen werden
soll; ihre Augen sind, weit offen, auf Apollo und Artemis ge-
richtet. Rechts vom Omphalos ein Mann in langem weiĂźen Ge-
wände, bekränzt, offenbar ein Priester. Seine Augen sind auf
den Stier gerichtet; seine Haltung drĂĽckt Ăśberraschung, fast
Schrecken, und gespannte Erwartung aus; besonders ausdrucks-
voll ist die Bewegung der linken Hand. Es ist klar, daĂź mit
dem Stier irgend etwas unerwartetes geschieht. Ein Wunder?
Spricht etwa der Stier ? Die schriftliche Ăśberlieferung giebt keinen
AufschluĂź.
Diese Bilder gehören inhaltlich insofern zusammen, als sie
alle — sicher auch das verlorene vierte — sich auf Apollo und
Artemis beziehen.
Die Amorenszenen in 3 sind etwas weniger sorgfältig gemalt ;
aber stets weiĂź der KĂĽnstler auch mit wenig Strichen die Be-
deutung einer Figur klar zu machen ; wir glauben den Ausdruck
des nur angedeuteten Gesichtes zu sehen, weil er sich aus der
Haltung und Bewegung der ganzen Figur mit unfehlbarer Sicher-
heit ergibt. Bewundernswert ist auch die Sicherheit und Wahr-
heit in der Wiedergabe oft ziemlich komplizierter Stellungen.
In verschiedenartigster Tätigkeit erscheinen hier an Stelle
der Menschen Amoren und Psychen, d. h. geflĂĽgelte Kinder,
die also Typen der verschiedensten Art zu vertreten haben. Es
ist von ganz besonderem Reiz, wie durch die gemeinsame HĂĽlle
der Kindergestalt doch der jedesmal gemeinte Typus hindurch-
scheint. Das Kind, der Handwerker, der Weinwirt, elegante
Damen und Herren, Dienerinnen : es sind alles Amoren, aber
doch sind sie alle in treffendster, unverkennbarster Weise ge-
kennzeichnet, nicht durch äußerliche Attribute sondern durch
Gestalt und Haltung.
Links vom Eingang spielen zwei Knaben mit einer Ente.
Der eine hält sie unter dem Arm, der andere, mit vorgestreckten
Händen, wartet, daß er sie losläßt, um sie dann zu greifen.
Rechts vom Eingang Knaben, die mit Steinen nach einer
hölzernen Scheibe werfen. Einer stellt die Scheibe auf, zwei sind
eben im Begriff zu werfen; einer von diesen sitzt auf dem RĂĽcken
eines andern. Trefflich ist die nicht so ganz einfache Haltung
Mau^ Pompeji. 2. Atifl. Taf. IX.
Fia;. I. Amore
Fig. 2. Amorc
Fig. 3. Amurcn als Weinliändlcr.
VVandgcniäldc ir
PhotO"
s Ă–lfabrikanten.
s Goldschmiede.
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l-'i^j. 4. IMunienplliickciuli- r>\clu-u.
lause der Vetticr.
lic llrocri.
XLI. Das Haus der Vertier.
351
dieser beiden ausgedrĂĽckt: wie der Tragende den linken FuĂź
vorsetzt und um fest zu stehen sich mit beiden Händen auf das
Knie stĂĽtzt; wie der andere sich bemĂĽht, bei der Bewegung des
Wurfes nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Bei solchen Geschick-
lichkeitsspielen hieß wer es am besten machte »König«, wer es
schlecht machte >Esel«, weil er, wie ein Esel, die Genossen auf dem
Rücken tragen mußte. Ein fünfter steht traurig in der Nähe
der Scheibe: er hat schlecht geworfen und wird nun auch Esel
sein mĂĽĂźen.
Das erste Bild der rechten Wand zeigt uns die Amoren als
Verfertiger und Verkäufer von Kränzen. Rechts zuerst der
Gärtner, der die Rosen in die Stadt bringt. Wie die Menschen
durch Amoren, so ist der die Rosen tragende Esel durch einen
Ziegenbock vertreten. Der Gärtner geht voran und führt ihn;
die kräftige Gestalt, die dunklere Hautfarbe, der weit ausgreifende
Schritt lassen den derben Landmann erkennen. Der Sohn des
Gärtners, einen Korb mit Rosen auf der Schulter, trabt hinter-
drein, sich mit der Hand an dem Bock haltend. Weiter der Ver-
kauf Der Verkäufer steht hinter einem großen Marmortische
und reicht soeben zwei Kränze dem Käufer herüber, der ihrer
schon mehrere in den Händen hat. Der Käufer ist unbekleidet;
aber seine ganze Erscheinung, wie er so frei und aufrecht da-
steht mit zurĂĽckgeworfenen Schultern, zeigt deutlich genug, daĂź
er etwas anderes ist als die Kranzflechter: ein junger Mann der
guten Gesellschaft, der etwa seine Freunde zu einem vergnĂĽgten
Abend eingeladen hat und nun die dazu nötigen Kränze einkauft.
Hinter ihm eine Psyche, die das Gekaufte in einen Korb packt. —
Endlich die Verfertigung der Kränze. Diese hängen an einem
rechenartigen Gestell, unter dem die Arbeiter am Werk sitzen.
Links eine Käuferin. Ihre Haltung, wie sie schnellen Schrittes
herankommt, einen Teller auf der Linken, und noch im Gehen
einen Kranz faĂźt, zeigt deutlich genug, daĂź sie der niederen
Volksklasse angehört. Sie fragt nach dem Preise; einer der
Arbeiter antwortet ihr, indem er zwei Finger ausstreckt: zwei As.
Das nächste Bild (Taf. IX, Fig. 1) zeigt die Verfertigung und
den Verkauf des Ă–les. Rechts die Presse. Die Unterlage ist ein
weiĂźer viereckiger Stein, wie deren einige in Pompeji gefunden
worden sind, mit kreisförmiger Vertiefung auf der Oberfläche und
352
Pompeji.
Fig. 185. Ă–lpresse. Aus einem Wand
gemälde aus Herculaneum.
AusguĂź vorn. Ăśber ihm stehen zwei oben durch eine Decke ver-
bundene Holzwände, jede mit einer großen vertikalen Öfifnung. In
diesen Ă–ffnungen liegen horizontal, nach oben und nach unten frei
beweglich, vier Bretter; unter dem untersten liegen die Oliven,
zwischen den ĂĽbrigen sowie zwischen dem obersten und der Decke
liegen Holzkeile, die durch Hammerschläge immer tiefer hinein-
getrieben werden, so daß nun das unterste Brett immer stärker
auf die Oliven drĂĽckt. Ein Bild aus Herculaneum (Fig. 185) zeigt
den Vorgang noch deutlicher. Da-
neben steht dann das Ol auf einem
DreifuĂź ĂĽber Feuer und wird endlich
in einem großen trichterförmigen Ge-
fäß noch weiter verarbeitet.
Sodann links der Verkauf. 01-
flaschen und -krĂĽge verschiedener
Größe und Form stehen in einem
vierfĂĽĂźigen offenen Kasten und in
einem hohen Schranke; in diesem zu
oberst auch eine Statuette: es kann
eine Aphrodite sein. Daneben noch einmal das Ol auf dem
Feuer: es scheint, daĂź gelegentlich auch warmes Ol verkauft
wurde. Auf dem offenen Kasten liegt eine Papyrusrolle und eine
Wage. Das Ol wurde nämlich nach Gewicht verkauft ; eine Wand-
inschrift in dem Hause neben dem der Vettier besagt: XIII k.
Fe. oli p. DCCCXXXX^ — »20. Januar, 840 Pfund Öl«. Ein
Amor hat soeben dem Kasten eine bauchige Flasche entnommen.
Endlich die eigentliche Verkaufsszene. Die Käuferin, eine
elegante Dame, sitzt auf einem metallenen Sessel mit rotem
Polster nebst Fußschemel; der Verkäufer steht ihr gegenüber,
mit einem Löffel eine Probe aus dem Kruge herausnehmend.
Es handelt sich um feines Parfümöl; die Käuferin hat einen
Tropfen auf ihren linken Unterarm gerieben, den sie nun mit
der rechten Hand emporhebt, um den Geruch zu prĂĽfen. Reizend
ist der Kontrast der nachlässig und doch elegant dasitzenden
Dame und ihrer Dienerin, die in steifer Haltung, den Fächer auf
der Schulter, hinter ihr steht.
Das Mittelbild der rechten Wand zeigt die Amoren als Wett-
fahrer. Die Pferde sind durch Antilopen, der Zirkus ist durch
XLI. Das Haus der Vettier.
353
eine ländliche Szenerie ersetzt: je drei Bäume bezeichnen Ab-
fahrt und Ziel. Ein Amor begrĂĽĂźt den Sieger, der, den Palm-
zvveig auf der Schulter, am Ziel hält Der Zweite ist gestürzt,
der Dritte beugt sich vorsichtig etwas zurĂĽck, um sich umzu-
sehen nach dem vierten, dessen Rosse nach links abschwenken
wollen; er beugt sich vor, um mit der Peitsche sie von links zu
treffen. Ein Amor, an der Abfahrt stehend, höhnt sein vergeb-
liches Bemühen. Die kleinen flatternden Gewänder der VVagen-
lenker zeigen die Farben der Zirkusparteien: grĂĽn (der Sieger),
rot, weiĂź, blau. Die grĂĽne Partei wurde von Nero begĂĽnstigt;
und da aller Wahrscheinlichkeit nach diese Malereien eben zu
seiner Zeit ausgeführt wurden — vor dem Jahre 63, aber doch
in der Zeit des letzten Stiles — so ist es begreiflich genug, daß
der GrĂĽne als Sieger erscheint.
Weiter die Amoren als Goldschmiede (Taf. IX, Fig. 2). Rechts
der mit dem Kopf des Hephaestus geschmĂĽckte GlĂĽhofen, an dem
einer mit dem Lötrohr arbeitet. Hinter dem Ofen poliert einer
eine groĂźe goldene oder vergoldete SchĂĽssel : er arbeitet mit
der Rechten, während die Linke mittels eines stabartigen Ge-
rätes die Schlüssel fest an ihrem Platze hält. Er muß mit An-
strengung, aber doch mit Vorsicht arbeiten; so dient der auf-
recht und unbewegt stehende Körper nur als Widerlager für die
starke Anspannung der Armmuskeln. Weiter links hämmert
einer auf einem kleinen AmboĂź; auch hier ist die Zartheit und
Vorsicht der Arbeit trefflich zur Anschauung gebracht. Dann
der Verkaufstisch, auf dem ein kleines Möbel in drei offen-
stehenden Schubladen Goldschmuck erkennen läßt; an einer
Stange hängen zwei Wagen. Weiter Verkäufer und Käuferin;
das SchmuckstĂĽck wird gewogen; beide machen mit der ge-
öffneten linken Hand einen Gestus, der die Aufmerksamkeit auf
den Stand der Wage ausdrĂĽcken soll: die Wage steht. End-
lich zwei Arbeiter am AmboĂź: vorzĂĽglich naturwahr ist die Be-
wegung des einen, der, das Metall auf den AmboĂź haltend,
möglichst weit entfernt steht, damit ihn die abspringenden Funken
nicht treffen.
In dem letzten Abschnitt dieser Wand erscheinen die Amoren
als Tuchwalker, ftillones (vgl. Kap. XLVIII\ Von links zuerst
zwei, die Stoffe waschen, indem sie sie mit den FĂĽlkMi aus-
Mau, Pompeji. 2. Aufl. j""
354
Pompeji
Stampfen. Weiter einer, der an einem Tische mit leichter und
zarter Bewegung einen feinen Stoff lĂĽftet. Weiter ein Holz-
gerüst, an dem ein Stoff gebürstet (»gerauht«) wird. Ein Arbeiter
trägt einen fertigen Stoff um ihn abzuliefern, hält aber im Gehen
an und prĂĽft ihn aufs neue. Er soll den Stoff zwei Frauen hin-
bringen, die, auf einem erhöhten Platze sitzend, mit der Kon-
trolle der fertigen Stoffe beschäftigt sind. Endlich eine dritte
Frau, auf noch höherem Sitze, faltet den fertigen Stoff zu-
sammen.
Die beiden ersten Darstellungen der RĂĽckwand sind sehr ver-
blichen. In der ersten (Fig. i86) erkennen wir Amoren und
Psychen am Boden gelagert um ein Servierbrett in Form einer
Zweihenkeligen Schale, auf dem allerlei Trinkgerät steht; hinter
Fig. i86. Amoren die Vestalia feiernd. Wandgemälde aus dem Hause der Vcttier.
und neben ihnen zwei Esel. Offenbar wird hier das Fest der
Vestalien gefeiert, das Fest der Bäcker und Müller, deren Schutz-
göttin Vesta war, an dem auch die vielgeplagten Zugtiere der
Mühlen teilnahmen. Hier liefert das durchaus römische Sujet
den Beweis, daĂź diese Darstellungen wenigstens nicht alle nach
griechischen Vorbildern kopiert sind.
Das Mittelbild der RĂĽckwand stellte die Weinlese dar. Rechts
und links werden die Trauben von den von Baum zu Baum ge-
zogenen Reben gepflĂĽckt; in der Mitte die Kelter (Fig. 187J:
zwei Amoren drehen mit eingesteckten Stangen eine Welle, um
mittels eines Flaschenzuges den PreĂźbaum, unter den die Trau-
ben gelegt werden sollen, in die Höhe zu ziehen.
Besser erhalten ist die Darstellung auf der RĂĽckwand links:
der Triumphzug des Bacchus. Der Gott ruht auf einem vier-
rädrigen, von zwei Ziegenböcken gezogenen Wagen ; der Lenker
ist durch einen Fichtenkranz als Satyr bezeichnet. An der Spitze
XLI. Das Haus der Vettier. oee
des Zuges reitet auf einem Panther eine Bacchantin ; hinter dem
Wagen tanzt Pan, die Doppelflöte blasend. Den Zug beschließt
ein vveinbckränzter tanzender Amor, der auf der Schulter ein
großes Mischgefäß trägt. Bewundernswert ist der Ausdruck der
komplizierten Bewegung, wie er bei lebhaften Tanzbewegungen
doch den Körper vertikal hält, um, belastet wie er ist, nicht das
Gleichgewicht zu verlieren.
Auf der linken Wand ist nur eine Darstellung, und diese
nicht vollständig, erhalten: der Weinhandel (Taf. IX, Fig. 3). Es ist
ein ländlicher Weinhändler, in ein Tierfell gekleidet. Seine etwas
bäuerische Haltung kontrastiert prächtig mit der freien und ele-
ganten des Käufers, dem er eben eine Probe reicht. Hinter ihm
Fig. iS;. A: .1,11 bei der Weinlese. Wandgeiiuilde aus dein liause der Vettier.
seine Diener, beschäftigt aus einer Amphora eine andere Probe
einzuschenken: der eine neigt die Amphora so vorsichtig, daĂź
der andere sie faßt, um den Ausfluß etwas zu verstärken.
Nicht minder reizvoll sind die blumenpflĂĽckenden Psychen in 4,
leider nur zum kleinen Teil gut erhalten. Auch diese — ihrer sind
jedesmal drei — ließ der Maler verschiedene Typendarstellen. In
einem Bilde (Fig. 188) sind sie Kinder, in einem andern heran-
wachsende Mädchen. In einem dritten, weniger gut erhaltenen
(Taf IX, Fig. 4) ist es eine Dame mit zwei Dienerinnen. Diese
haben jede einen großen trichterförmigen Korb (Kalathos), die
Dame selbst nur einen flachen Hcnkelkorb mitgebracht; sie hat
der einen den Korb abgenommen und benutzt ihn als Sitz: sich um-
wendend pflückt sie sitzend eine Blume, während die Dienerinnen
sich mit mehr Anstrengung der gleichen Beschäftigung hingeben.
Amorenszencn ähnlicher Art, aber weniger gut erhalten,
finden wir auch im Atrium. Eine derselben, die interessanteste,
23*
356
Pompeji.
stellt ein Opfer an die Fortuna dar. Links die vergoldete Statue
der Göttin mit Füllhorn, Weltkugel und Steuerruder. Der Opfernde,
in der Toga, bekränzt, gießt aus einer Schale das Trankopfer
auf den Altar; köstlich mischen sich in Gesicht und Haltung die
Andacht der heiligen Handlung und die Verlegenheit des Amor-
kindes in der ihm nicht recht passenden Rolle. Ihm gegenĂĽber
steht der Flötenbläser. Rechts bringt ein bekränzter Diener das
Opfertier, ein Schaf, ein anderer die Weinkanne.
Auf anderen Wandabschnitten kämpfen Amoren, auf Ziegen-
böcken reitend. Einer steht auf einem Taschenkrebs, ein anderer
auf einem Hummer, ihn mit dem ZĂĽgel lenkend. Mehrfach
lenken sie von Delphinen gezogene Wagen. Ein Wagen mit
Fig. i88. Blumenpflückende Psychen. Wandgemälde im Hause der Vetder.
Attributen des Bacchus, bespannt mit einem Panther, den ein
Amor tränkt; ein anderer mit Attributen des Merkur, bespannt
mit einem Widder, dem ein Amor einen Zaum anlegt.
In jedem Wandabschnitt des Atriums ist am Sockel in einem
96 cm hohen violettroten Felde je eine Kinderfigur gemalt. Sie
sind mit allerlei Gefäßen — wohl Opfergeräten — beschäftigt,
und in reizender Weise malt sich in den Gesichtchen die Wichtig-
keit, die sie ihrer augenblicklichen Tätigkeit beilegen. Bei der
verhältnismäßigen Größe der Figuren ist die Behandlung eine viel
durchgefĂĽhrtere als in den Amorenbildern. Von feinem kĂĽnstle-
rischen Sinne zeugt auch die Farbenbchandlung. Am Sockel
wĂĽrden lebhafte Farben nicht am Platze sein. Daher sind diese
Figuren einfarbig in rötlichem Gelb abschattiert. Um aber doch
wieder etwas Leben hineinzubringen, ist hie und da ein einzelner
Teil — ein grünes oder weißes Gewand, ein buntfarbiger Vogel
XLI. Das Haus der Vettier. ^57
— in natürlichen Farben gehalten und dadurch eine höchst erfreu-
liche Gesamtwirkung erzielt worden.
Nur kurz erwähnen wir die interessanteren unter den jüngeren
Malereien dieses Hauses.
In den Fauces [b] kleine einfarbige Bilder: Hirsch und Hindin;
Attribute des Merkur: Schlangenstab und Geldbeutel; ein Hahnen-
kampf: zwischen den beiden Kämpfenden liegt die Siegespalme
am Boden, ein dritter Hahn steht daneben mit dem in einem
frĂĽheren Kampfe gewonnenen Palmzweig im Schnabel.
In e stellt ein Bild Kyparissos dar, den von Apollo geliebten
JĂĽngling, der nur durch Verwandelung in eine Zypresse seinem
Schmerz um den aus Versehen getöteten zahmen Hirsch ent-
rissen werden konnte. — Gegenüber der Ringkampf zwischen
Pan und Eros; Zuschauer sind Bacchus und Ariadne mit ihrem
Gefolge; Silen als Kampfrichter hält in der Hand den Palmzweig
für den Sieger. — Zwischen den Architekturen des oberen Wand-
teils Zeus, jugendlich und bartlos, wie die Könige der hellenisti-
schen Zeit, Leda mit dem Schwan, Danae das Gewand ausbrei-
tend, um den goldenen Regen aufzunehmen.
Unter den mancherlei Malereien des Peristyls sind zwei, die
vielleicht besondere Neigungen des Hausherrn zum Ausdruck
bringen. In der Mitte der linken Wand ein älterer, bartloser
Mann (die obere Hälfte des Kopfes fehlt) von vollen Körper-
formen auf einem Sessel; neben ihm die Kapsel [scrmium] mit
Bücherrollen: das Porträt eines Lieblingsautors des Hausherrn
oder vielleicht gar sein eigenes; jedenfalls deutet es auf litera-
rische Neigungen. Auf astronomische Neigungen deutet die Dar-
stellung der Muse Urania (vorn zwischen p und z), mit einem
Stabe auf die Himmelskugel zeigend. Die Federkrone auf ihrem
Kopfe spielt an auf die Sage von einem Wettkampf der Musen
mit den Sirenen, denen sie nach dem Siege die Federn aus-
rupfen, um sie als Kopfputz zu benutzen.
In ;/ und / sind die Malereien besser und vollständiger
erhalten als in irgend einem andern Teil des Hauses; in beiden
auf jeder der drei Wände ein großes Mittelbild. In n ist der
dekorative Teil der Malerei einfach und ruhig; wenige, groĂźe
Teilungen; die Architekturprospektc enthalten nur wenig-e und
einfache Motive; Säulen und sonstige Teilungsglieder einfach.
358
Pompeji.
mit wenig Detail. Grelle Farben und starke Kontraste sind ver-
mieden. Um so lebhafter treten in dieser Umrahmung die be-
wegten, unruhigen Darstellungen der Bilder hervor: der kleine
Fig. 189. Hcstrafung Ixions. Wandgemälde im Hause der Vctticr. Photographie Brogi.
Herakles, in Gegenwart der erschreckten Eltern die von Hera
gesandten Schlangen erdrosselnd; Pentheus, den die Maenadcn zu
töten im Begriff sind; endlich eine malerische Wiederholung der
Gruppe des farncsischcn Stieres: Amphion und Zethos, Dirke an
den Stier bindend. Unruhig sind diese Bilder auch durch die
XLI. Das Haus der Vettier.
359
Malweise: in hellem, glĂĽhendem Sonnenlicht geht alles vor sich;
starke Kontraste zwischen Licht und Schatten sind wirkungsvoll
herausgearbeitet.
Ganz das Gegenteil in p (Taf. X). Reichstes, buntestes
Detail. So sind z. B. die das Mittelfeld einfassenden Säulen von
oben bis unten mit Hochrelief bedeckt, darstellend den Kampf
der Götter und Giganten. Auch sonst, über die ganzen Wände
verstreut, kleine figĂĽrliche Darstellungen, zum Teil mit groĂźer
Virtuosität ausgeführt. Und in dieser bewegten Umgebung drei
Bilder auffallend ruhigen Charakters: keine Figur in irgendwie
lebhafter oder gar gewaltsamer Bewegung, gleichmäßiges ruhiges
Licht ohne starke Kontraste. Dargestellt ist auf der linken Wand
Daedalus, wie er Pasiphae die für sie gefertigte hölzerne Kuh
zeigt; sie ĂĽberreicht ihm zum Lohne ein goldenes Armband.
Rechts Bacchus mit seinem Gefolge die schlafende Ariadne fin-
dend, ein oft wiederholter Gegenstand, hier durch neue und
originelle Einzelheiten bereichert: Satyrknaben, die neugierig sich
herandrängend die schöne Schläferin betrachten, andere, die hinter
einer Mauer versteckt ein betendes Satyrmädchen belauschen.
Das Bild der RĂĽckwand (Fig. 189) stellt einen Vorgang dar, der
hier zum ersten Mal in der pompejanischen Malerei begegnet, die
Bestrafung des Ixion. Den Ixion, so meldete die Sage, hatte Zeus
von schwerer Blutschuld gereinigt und in sein Haus aufgenommen.
Aber der unverbesserliche SĂĽnder stellte Hera, der Gattin seines
Wirtes nach, die ihn statt ihrer selbst ein Wolkengebilde ergreifen
lieĂź. Ixion wurde zur Strafe in der Unterwelt an ein sich ewig
drehendes Rad befestigt. Dieses ist auf unserem Bilde links nur
halb sichtbar; daneben Hephaestus, der soeben Ixion ange-
schmiedet hat; sein Handwerkszeug, Zange, Hammer und AmboĂź,
liegt noch am Boden; weiter Hermes, der den Befehl zur Strafe
ĂĽberbracht hat, und am Boden sitzend eine Gestalt mit ĂĽber
den Kopf gezogenem Gewände : der Schatten einer Verstorbenen,
zur Bezeichnung des Ortes, der L^nterwelt. Rechts oben tront
Hera; Iris, die Götterbotin, macht sie auf die an dem Frevler
vollzogene Strafe aufmerksam. NatĂĽrlich sind diese beiden Ge-
stalten nicht in der Unterwelt zu denken; sonst wären ja Iris und
Hermes, die Boten, ĂĽberflĂĽ.ssig. Der Maler hat sich gestattet,
räumlich Entferntes in seinem Bilde zu vercinis^en.
Kapitel XLII.
Drei Häuser ungewöhnlicher Form.
Die bisher besprochenen Häuser zeigen sämtlich Variationen
des bekannten Normalplanes (S. 252]. In der Tat können neben
diesem alle anderen Formen als Ausnahmen bezeichnet werden.
Sie fehlen aber doch nicht ganz.
Wir betrachten im Folgenden drei
Häuser ungewöhnlichen Grundrisses:
ein Haus ohne Atrium, ein Haus
mit bedecktem Atrium, ohne Com-
pluvium, und ein in mehreren Stock-
werken stufenförmig am Abhänge
des StadthĂĽpfels erbautes.
B
J^
I. Das Haus des Acceptus und
der Euhodia.
=ÂŁ=
A
r f ij
Fig. 190. Das Haus des Acceptus und
der Euhodia. a Säulenhalle. 6 Garten.
c KĂĽche, (i Schlafzimmer. / Speise-
zimmer. ^ Garten, i Schlafzimmer fĂĽr
zwei Betten.
Es kommt wohl bisweilen vor,
daß ein Peristyl nachträglich von
seinem Atrium getrennt worden ist,
aber nur zwei Häuser (V, 5, 3 und
VI, 15, 23) sind von Anfang an, in
römischer Zeit, bloß als Peristyl mit
umliegenden Räumen erbaut worden.
Auch sonst sind manchmal von einem
größeren Hause einige Räume abgetrennt und irgendwie, ohne
Atrium, als Wohnung eingerichtet worden. Aber ursprĂĽnglich
ohne Atrium erbaute Häuser sind selten.
Wir geben als Beispiel eines solchen eine freundliche kleine
Wohnung, II (VIII), 5 — 6, 39, neben deren Straßentür zwei Wahl-
programme, von derselben Hand gemalt, erhalten sind: AI. Lici-
XLII. Drei Häuser ungewöhnlicher Form.
361
vium Romanwn aed. v. a. s. p. p. o. v. f. d. r. p. — M. Licinium
Faustinum aed. v. a. s. p. p. o. v. f. d. r. p. Acceptiis rog[at)^
Etihodia rog[at\ Ăśber die aediles v. a. s. p. p. s. oben S. 11;
die Kandidaten werden empfohlen mit der gewöhnlichen Formel :
oro vos facitc^ dignum re publica. Die Empfehlenden, Acceptus
und Euhodia sind wahrscheinlich die Bewohner des Hauses.
Die Haustür führt uns direkt in die kleine zweistöckige
Säulenhalle a. Eine niedrige Mauer mit schmalem Durchgang
trennt diese von dem Garten b, zwischen dessen Pflanzen allerlei
kleine Figuren standen. Man fand hier fünf kleine Hermenköpfe
bacchischen Charakters, eine tragische Maske, einen Frosch,
eine Schildkröte, einen
TischfuĂź , zwei Kon-
solen: alles dies aus
Marmor ; zwei Ala-
basterbasen (ein Frag-
ment einer weiblichen
Alabasterstatue fand
sich in a) und fĂĽnf
ägyptische Götterfigür-
chen aus glasierter
Tonware. Den nörd-
lichen Teil des Gartens
nimmt, wie im Hause
des Sallust (S. 296),
ein gemauertes Tri-
clinium k ein. Vorn im Portikus rechts ein kleiner Herd, ganz wie
im Hause des Sallust, links die Spuren eines groĂźen Schrankes,
dessen Inhalt — Ton-, Bronze- und Glasgefäße, ein marmorner
Mörser, 43 gläserne Halsbandperlcn — bei der Ausgrabung ge-
funden wurde. Nahe der ersten Säule die durch einen Deckel
verschlossene Zisternenöfifnung.
An der Säulenhalle links die Schlaf kammer d: dann führt ein
Gang e in die KĂĽche c. Weiter das Speisezimmer / mit einem
Fenster auf einen zweiten Garten g. Aus dem Durchgangsraum //
kam man links in eben diesen Garten, rechts in eine Schlaf-
kammer fĂĽr zwei Betten (unter dem Fenster und gegenĂĽber).
Die oberen Räume entsprachen genau den unteren ; sie waren
|,n.,.,nf-^-t-
4-=!=
Fig. 191. Liingcnschnitt des Hauses des Acceptus und
der Euhodia, wiederhergestellt.
302
Pompeji.
unter sich ohne Verbindung und jeder fĂĽr sich aus der oberen
Säulenhalle zugänglich. Diese erreichte man auf einer Treppe
aus der KĂĽche {c) und weiter ĂĽber e.
Die Malereien der Wände sind vierten Stiles. Auf die Süd-
wand der Küche ist als Hausgöttin Fortuna gemalt, mit Füllhorn
und auf die Weltkugel gestĂĽtztem Steuerruder; die Lotusblume
auf der Stirn bezeichnet sie als eine Erscheinungsform der Isis.
Keine Laren, kein Genius. Und wenn wir uns nun der im
Garten gefundenen ägyptischen Götterbildchen erinnern, und noch
hinzufĂĽgen, daĂź der ebenda gefundene TischfuĂź eine griechische
Inschrift trägt: »des Sarapion« — ein ägyptischer Name — , so
dĂĽrfen wir vielleicht vermuten, daĂź Acceptus und Euhodia aus
Alexandria nach Pompeji gekommen waren, und dĂĽrfen vielleicht
hiermit die von der italischen Tradition so ganz abweichende
Form des Hauses in Zusammenhang bringen. Der lateinische
Name des Acceptus macht keine Schwierigkeit; er war wohl ein
Freigelassener und hatte als Sklave diesen Namen von seinem
vielleicht in Alexandria ansässio'en römischen Herrn erhalten.
II. Haus ohne Compluvium.
Auch dies kleine Haus weicht stark vom gewöhnlichen ab.
Das Atrium e, ohne Compluvium mit ganz geschlossenem, nach
hinten geneigtem Dach, erhielt Licht durch ein groĂźes Fenster
rt-1
Fie. 11)2. GrundriĂź eines Hauses ohne Compluvium (V, 5, 2). a Laden. /> Kauces.
/ Lichthof. i Speisezimmer, i. Herd. 2. Zisternenniiindung.
XLII. Drei Häuser ungewöhnlicher Form.
363
auf den kleinen Hof /; in der letzten Zeit diente es auch als
KĂĽche : der Rauch des Herdes i zog ab durch ein Fenster hoch
oben in der linken Wand. Der Herd ist aber ein späterer Zusatz:
in älterer Zeit war die Küche wohl in dem niedrigen Räume z,
wo bis zuletzt bei 3 der Abtritt war; eine Treppe fĂĽhrte zu einem
Räume über i (Fig. 193). Neben i erhielt das hohe Speise-
zimmer k nur indirektes Licht aus dem niedrigeren Speisezimmer
g^ mit groĂźem Fenster auf den Hof.
Das Regenwasser floĂź zusammen in den
Hof/ und wurde hier in der Cisterne 2
gesammelt. So lag hier gewissermaĂźen
das Impluvium nicht in, sondern neben
dem Atrium.
Das Haus hat im Lauf der Zeiten
allerlei Veränderungen erfahren. In un-
serem Plan sind nachträgliche Zusätze
schraffiert. Das Zimmer g war ursprĂĽng-
lich nicht vorhanden, so daĂź damals ein
Hof in der ganzen Breite des Hauses,
an der Stelle von f und g, die vorderen
Räume von den hinteren trennte. Das
Atrium öffnete sich auf den Hof mit einer breiten Tür
sprechend) und dem noch jetzt vorhandenen Fenster
Auch k erhielt damals direktes Licht aus dem Hofe.
Wir erwähnen noch eine in die Wand von g eingekratzte In-
schrift: für es foras^ fr^^S^ nitro ^ — >die Diebe hinaus, die ehr-
lichen Leute herein«.
Fig. 193. Querschnitt des Hauses
ohne Compluvium. Links Licht-
hof (/) mit Treppe (Ă„) zu einem
oberen Raum ĂĽr /. Rechts
das Zimmer g mit Fenster in das
Speisezimmer k.
[g ent-
auf /).
III. Das Haus Kaiser Josephs II.
Ein gutes Beispiel der am Abhänge hinab gebauten mehr-
stöckigen Häuser (S. 281) bietet gleich westlich vom Forum tri-
anguläre — II (VIII), 2, 39 — die Casa dell' imperatore Giuseppe II,
so genannt weil hier im Jahre 1769 in Gegenwart dieses Kaisers
eine Ausgrabung stattfand. Seine unteren Stockwerke liegen zum
Teil an der Stelle der frĂĽheren Stadtmauer, sind aber doch nicht
nach der Zeit des zweiten Stiles entstanden, in dem das Tepidarium
364
Pompeji.
des kleinen Bades im untersten Stock ausgemalt ist. Die Ver-
teilung der Räume und die Art, wie die Stockwerke durch Treppen
verbunden sind, ist im Plan ersichtlich.
Fig. 194. GrundriĂź des Hauses Kaiser Josephs II.
I. Oberster Stock im Niveau der StraĂźe:
a Fauces. b Atrium, c Hauskapelle, g, h Alae, mit einem Wandschrank hinter h. it Raum
mit zwei Treppen , zu oberen Räumen und zum Mittelstock, lu Mittelraum , geöffnet auf eine
Säulenhalle (y), die sich ihrerseits auf eine Terrasse (z) öffnet, x^ v Speisezimmer, geöffnet
auf die Säulenhalle.
2. Mittelstock :
a Korridor, zugänglich von der Treppe in w. /? Korridor, y, J Niedrige gewölbte Räume.
ÂŁ Treppe zum untersten Stock. >; Mittelraum. 9 Speisezimmer mit Fenster auf die Terrasse (u).
â– /. Kleines Speisezimmer, t, A, l, Schlafzimmer.
3. Unterster Stock:
I. Korridor von der Treppe in t abwärts. 3, 4. Bäckerei. 6 — 8 Bad (6. Tepidarium. 7. Cal-
darium. 8. Frigidarium).
4. Obere Räume des Mittelstockes:
I. Als Keller benutzte Höhlung. IL III. Räume über t, 7.. VI. Raum über t, mit V (über y, J)
durch eine Galerie (über der Treppe t) verbunden, die aus »; durch eine Leiter oder Treppe
zugänglich war.
Der oberste erhaltene Stock (Plan I) liegt im Niveau der
Straße. Daß über ihm noch obere Räume waren, beweisen die
Treppen in e und w, doch bleibt dunkel, wie weit sie sich aus-
dehnten.
Das Atrium b stammt aus der Tuffperiode und war damals
reich dekoriert: korinthische Viertelsäulen in den Ecken, Halb-
XLII. Drei Häuser ungewöhnlicher Form. ^()c
Säulen an den Alen. Kein Tablinum; aber das Motiv war mar-
kiert durch zwei Pilaster mit ihrem Gebälk.
Das Schlafzimmer c enthielt später in seiner rechten Wand
die Larennische, auf deren RĂĽckwand der Genius gemalt ist,
opfernd, mit FĂĽllhorn und ĂĽber den Kopf gezogener Toga.
Neben ihm steht eine weibliche Gestalt, auch sie die Opferschale
auf den Altar ausgieĂźend, mit Diadem und Szepter, Attributen
der Juno. Es ist ohne Zweifel die >Juno«, der Genius, der Haus-
frau (vgl. S. 277). Unter und bei der Nische eiserne Nägel, wohl
zum Aufhängen von Kränzen und Binden.
Die Räume hinter dem Atrium verdanken ihre durchaus
ungewöhnliche Gestalt dem mit der Vergrößerung des Hauses
verbundenen Umbau. Auf den großen Mittelraum za öffnet sich
jederseits mit zwei groĂźen Fenstern ein Speisezimmer {v, x).
Alle drei Räume öffnen sich auf den Portikus /, dieser auf die
Terrasse z.
Im mittleren Stock (Plan 2) ist /; der Mittelraum , gewisser-
maĂźen das Atrium, erhellt durch eine TĂĽr und zwei groĂźe
Fenster auf die Terrasse /<. Auf ihn öffnen sich zwei Speise-
zimmer {0-^ z) und drei Schlaf kammern (f, A, T). Der Gang Ăź
isolierte diese Zimmer gegen das dahinter liegende Erdreich; von
ihm aus erreichte man zwei Oberzimmer über i und Ä. Da näm-
lich die Kammern 7, cJ, «, /, 1." beträchtlich niedriger waren als
die beiden Speisezimmer 0- und â– /, so hatte man ĂĽber ersteren,
so wie auch ĂĽber der Erdmasse zwischen der Treppe und y, eine
Art Zwischenstock angebracht. Wie Plan 4 zeigt, haben II und
III (ĂĽber /, /) ihren Zugang von Ăź aus, aber ohne Treppe; man
muĂźte eine Leiter ansetzen. Vermutlich waren es Vorratskammern.
Ebenfalls aus ß gelangte man mit einer Leiter in eine Art Höhle,
I, wohl eine beim Umbau abgeschaffte und nun als Keller be-
nutzte Zisterne. VI, vielleicht ein Waschraum, mit Wasserbassin
in einer Ecke, war mit V durch eine Art BrĂĽcke ĂĽber t ver-
bunden, die man wohl von i] aus durch eine Treppe oder Leiter
erstieg.
Im untersten Stock (Plan 3) fĂĽhrt der Gang 5 in ein kleines
Bad (6, 7, 8). Im Caldarium j) erstreckt sich der Hohlraum der
Wände auch auf das Tonnengewölbe; in der Mitte der Schcitel-
linie ist das Zugloch angebracht; es erhebt sich wie ein Schorn-
366
Pompeji.
Stein, in einen Kegel aus Mauerwerk eingeschlossen, ĂĽber die
Terrasse fi. In gleicher Weise öffnen sich dort auch das Luft-
loch in der Spitze der kegelförmigen Wölbung des Frigidariums
(8) und eine Lichtöffnung der Bäckerei (3).
Diese letztere hat in der Nordostecke den Backofen, in der
Mitte die SchĂĽssel zum Anfeuchten des Brotes, in der SĂĽdostecke
zwei gemauerte Bassins. Daneben die Backstube (4) mit den
gemauerten FĂĽĂźen des Backtisches. Eine TĂĽr fĂĽhrte aus 3 ins
Freie, also aus der Stadt; da Ă„hnliches in keinem andern der
Fig. 195. Bäckerei im untersten Stock des Hauses Kaiser Josephs II zur Zeit der ersten
Ausgrabung. Nach Mazois.
am Stadtrande liegenden Häuser vorkommt, so muß sie wohl
dem Besitzer dieses Hauses als besondere VergĂĽnstigung gestattet
worden sein, wenn sie nicht etwa modern ist.
Unsere Abbildung (Fig. 195) zeigt (nach Mazois) die Bäckerei
mit dem Skelett eines Mannes, der dort Schutz gesucht und den
Hungertod gefunden hatte.
Kapitel XLIII.
Sonstige Häuser.
Dies Buch wĂĽrde zu sehr anschwellen, wenn wir dem Leser
alle die Häuser vorführen wollten, die genauere Betrachtung
verdienen. Aber kurz erwähnen müssen wir doch, in topo-
graphischer Anordnuug, die wichtigsten derselben.
Da ist zuerst, von Norden beginnend, die vornehme Merkur-
straĂźe, so genannt nach dem mit einer MerkurbĂĽste verzierten
Brunnen an der Ecke des sie schneidenden Gäßchens. Die
breiteste StraĂźe der Stadt, ist sie doch keine Verkehrsader; sie
fĂĽhrt an die Stadtmauer und ist hier geschlossen durch eine
Quermauer, an die ein Altar angelehnt ist. Daher nur sehr
wenige, in der Nordhälfte gar keine Läden. Und eben hier
liegen mehrere groĂźe und vornehme Wohnungen.
Vor allem das Haus des Kastor und Pollux (VI, 9, 67),
so genannt, weil auf den Wänden des Hausflurs die Dioskuren,
ihre Rosse am ZĂĽgel haltend, gemalt waren. Von den zwei
Atrien ist eines ein korinthisches, mit zwölf hohen Säulen. Zwi-
schen den Atrien liegt ein groĂźes Peristyl, hinter dem korinthi-
schen ein Garten mit Portikus. Einer der besten, vielleicht der
beste aller in Pompeji tätigen Maler hat das Tablinum des
korinthischen Atriums und das rechts anstoĂźende Zimmer aus-
gemalt. Der ornamentalen Dekoration können wir nur die
älteren Malereien des Hauses der Vettier zur Seite stellen. In
den Mittelfeldern vorzügliche Gemälde: im Tablinum rechts die
Erkennung Achills auf Skyros unter den Töchtern des Lykomedes,
links sein Streit mit Agamemnon; auf den Seitenfeldern Gruppen
je eines Satyrn und einer Bacchantin, herrliche Beispiele antiker
Freilichtmalerei, wie sie auf dem blauen, den Himmel andeuten-
den Grunde in glĂĽhendem Sonnenlichte dahinschwebcn. Weniger
fein, aber breiter und wirkungsvoller ist die Dekoration des groĂźen
368
Pompeji.
Peristyls; ihr ist unsere Abbildung der Venus Pompejana (Fig. 4)
entnommen.
Das nördlich anstoßende Haus des Centauren (VI, 9, 5)
ist benannt nach einem Herakles, Deianira und Nessos darstel-
lenden Gemälde. Ein schönes Schlafzimmer desselben, ersten
Stiles, zeigt unsere Figur 136.
Weiter folgt, gegen die Stadtmauer zu, das groĂźe Haus
des Meleager (VI, 9,2), benannt nach einem Meleager und
Atalante darstellenden Gemälde im Hausflur. Links neben
dem Atrium ein groĂźes Peristyl mit groĂźem Wasserbassin
und Springbrunnen, auf allen vier Seiten von Portiken um-
geben. Auf den Ost-
portikus öffnet sich
unter anderen Räu-
men ein korinthischer
Oecus (S. 272). Die
zahlreichen mytho-
logischen Bilder, teils
verblichen, teils nach
Neapel gebracht, sind
] von geringem Kunst-
wert.
GegenĂĽber das
Haus des Apollo
(VI, 7, 23), benannt
nach mehreren diesen Gott darstellenden Bildern. Das Tablinum
bietet eines der besten Beispiele des letzten Dekorationsstiles. —
Weiter sĂĽdlich das Haus des Adonis; auf der Gartenwand ist
ĂĽberlebensgroĂź der verwundete Adonis gemalt, gepflegt und ver-
bunden von Aphrodite und den Amoren.
An dem sĂĽdlichen Teil der MerkurstraĂźe westlich (VI, 8) die
Casa della Fontana grande und della Fontana piccola
(VI, 8, 22 und 23], benannt nach den mosaikbekleidcten Brunnen-
nischen in ihren Gärten.
GegenĂĽber die Casa dell' Ancora, genannt nach dem einen
Anker darstellenden schwarzweiĂźen FuĂźbodenmosaik des Haus-
flures. Einzig in seiner Art ist das Peristyl dieses Hauses
(Fig. 196). Mit dem nach hinten stark abfallenden Terrain hat
El
Fig. IC
Durchschnitt eines Teils des Peristyls im Hause
des Ankers, wiederhergestellt.
XLin. Sonstige Häuser.
369
sich der Erbauer so abgefunden, daĂź er den Garten nicht in das
Niveau der ihn umgebenden Portiken, sondern um 2,80 m tiefer,
in das Niveau der hinten vorbeifĂĽhrenden StraĂźe legte. Der
Portikus hatte nur auf der Nordseite, wo sich drei Speisezimmer
auf ihn öffnen, Säulen von beträchtlicher Höhe ; auf den andern
drei Seiten ruhte sein Dach auf nur 2,15 m hohen Säulchen; es
war also ein rhodisches Peristyl (S. 267). Die bis an den FuĂź-
boden der Portiken hinaufreichenden Wände des Gartens sind
Fig. 197. GrundriĂź des Hauses des Pansa. i. Fauces. 2. Atrium. 3, 4. Alae. 5. Tablinum.
6. Andron. 9. Peristyl. 10. Gang zum Posticum. 13. Speisezimmer. 15. Oecus. 18. Stall.
19. Küche. 20. Wagenremise. 21. Säulenhalle vor dem Garten. 22 — 23. Kleine Wohnung mit
Oberstock, in Verbindung mit der Hauptwohnung. 24 — 25. 26 — 27. Zwei kleine getrennte
Wohnungen. 28 — 34. Bäckerei (29. Mühlenraum. 30. Backofen). 35. 37—40. Läden. 41. Laden
mit Hinterräuraen. A, B, C Größere Mietwohnungen.
gegliedert durch eine Menge kleiner gewölbter Nischen, in denen
je ein kleiner Altar steht (nicht etwa eine Basis: es ist sicher,
daĂź nichts darauf stand). Nur die dem hohen Portikus gegenĂĽber-
liegende Schmalseite hat drei größere Nischen, deren mittlere ein
Tempelchen, die beiden anderen, apsisförmigen, je eine Brunnen-
figur enthielten. Ein bedeckter Gang (Krypta), in den man
durch eine Treppe neben dem Tablinum gelangt, umläuft auf
drei Seiten den Garten, von dem er durch kleine Fenster Licht
erhält.
An der Nolaner StraĂźe finden wir, von Westen beginnend,
zuerst nördlich das die ganze hisula VI, 6 einnehmende Haus
Mau, Pompeji. 2. .Aufl.
24
370
Pompeji.
des Pansa (Fig. 197), genannt nach einem Wahlprogramm, Es
ist ein großes Haus der vorrömischen Zeit, aber weniger groß-
artig und weniger vornehm angelegt als das Haus des Faun. Die
eigentliche herrschaftliche Wohnung hat nur ein Atrium (2), nur
ein Peristyl (9); hinter diesem ein Portikus (21) und ein Garten,
den wir eher fĂĽr einen Nutzgarten als fĂĽr einen Park halten
dürfen; a ist die Kammer des Gärtners. Auch die Wirtschafts-
räume sind durchaus nicht reich entwickelt; kein Bad; 19 ist die
KĂĽche, 18 ein Stall, 20 eine Wagenremise. DafĂĽr aber vielerlei
besonders vermietete Räume. Läden an der Nolaner Straße,
deren einer eine TĂĽr in das
Atrium hat, also wohl einem
von dem Hausherrn selbst be-
triebenen Handel diente. Der
Eckladen 33 gehörte zu der
Bäckerei 28 — 34. An derselben
Seite drei kleine zweistöckige
Wohnungen, von denen eine
(22 — 23) Fenster auf das Peristyl
und ein anliegendes Zimmer
(12) hat; der hier Wohnende
muĂźte wohl in irgend welcher
Beziehung zum Haushalt des
Besitzers stehen. Drei größere Wohnungen (A, B, C) liegen auf
der andern Seite des Hauses. — Wanddekorationen sind in
diesem Hause nicht erhalten. Von den Fauces war schon S. 254
die Rede.
Weiter westlich gegenĂĽber dem Hause des Faun das Haus der
schwarzen Wand — IV (VII), 4, 59 — mit einem außerordentlich
schön im letzten Stil auf schwarzem Grunde ausgemalten Zimmer.
Daneben (57) die Casa dei capitelli figurati, ein regel-
mäßiges Haus der vorrömischen Zeit, benannt nach den Tufif-
pilasterkapitellen des Haupteinganges, an denen, wie noch öfter
an Häusern dieser Zeit, Figuren, stets dem bacchischcn Kreise
entnommen, angebracht sind. Unsere Abbildung (Fig. 198) gibt
eines derselben in seinem jetzigen Zustande; es war im Altertum
mit weißem Stuck überzogen. — Weiter das Haus des Groß-
herzogs von Toscana, mit einem Mosaikbrunnen älteren
Fi:
Pilasterkapitell am Eingange der
Casa dei capitelli figurati.
XLIII. Sonstige Häuser. 3 7 1
und strengeren Stils. — Sodann die große Casa dei capitelli
colorati, benannt nach den buntfarbigen Stuckkapitellen des
Peristyls: ein groĂźes, langgestrecktes Haus. Aus der Nolaner
Straße betritt man das zweite Peristyl, das Atrium öffnet sich
auf die SĂĽdseite der Insula. Endlich an der Ecke derselben Insula
das kleine Haus der Jagd, Casa della caccia, IV (VII), 4, 48,
benannt nach den in groĂźen Dimensionen auf die Gartenwand
gemalten Jagdszenen.
Viel weiter östlich an der Nolaner Straße, jenseits der Kreu-
zung mit der Stabianer StraĂźe, liegt die groĂźe Casa delCente-
nario, III (IXj, 7, 6, ausgegraben 1879, achtzehnhundert Jahre nach
der VerschĂĽttung. Sie hat drei Atrien und ein groĂźes Peristyl,
dessen Portikus auf der Vorderseite zweistöckig, auf den drei
anderen Seiten einstöckig war. Auf der Rückseite des Peristyls
ein groĂźes Sommerspeisezimmer, nach hinten auf einen kleinen
Garten geöffnet, in dem aus einer hochgelegenen Mosaiknische
eine Marmorfigur — Hermaphrodit — einen Wasserstrahl über
eine Marmortreppe in ein geräumiges Bassin fallen ließ. Das
Haus enthält außerdem ein Bad und viele Räume mit zum Teil
wertvollen Malereien aus der Zeit des dritten und vierten Stils.
An dem nördlichen Teil der Stabianer Straße liegt östlich
das Haus des Bankiers L. Caecilius Jucundus (V, i, 26).
Sein Tablinum bietet, wenn nicht das schönste, so doch das
reichste Beispiel einer Dekoration dritten Stiles. An dem Unter-
bau der Hauskapelle ist das Fig. 23 abgebildete, die Nordseite
des Forums darstellende Relief angebracht. In einem oberen
Zimmer ĂĽber dem linken Portikus des Peristyls fand man in einer
Holzkiste die weiterhin (Kap. LVIII) zu besprechenden Quittungs-
tafeln des Hausherrn.
Noch weiter nördlich an der Stabianer Straße, links, das Süd-
ende der Insula VI, 16 einnehmend, das in den letzten Jahren
ausgegrabene Haus »der vergoldeten Amoren« [dcgli Aviorini
dorati)^ so genannt nach dem Wandschmuck eines Schlafzimmers,
kleinen Amorenfiguren aus Blattgold mit aufgesetzten Emailfarben,
in kleinen Medaillons auf blauem Stuckgrunde, durch Glasscheiben
geschĂĽtzt. Sehenswert aber ist das Haus namentlich deshalb,
weil hier, wie im Hause der Vettier, der Garten seinen Schmuck
an Marmorskulpturen vollständig bewahrt hat. Auch hier hat
24*
2 7 2 Pompeji.
man den Garten wieder angepflanzt, möglichst auf den Spuren
der alten Anlage, und ringsum die Säulenhallen hergestellt; es
ist auch gelungen, in mehreren Zimmern die Decken mit ihrer
Bemalung aus den Fragmenten wieder zusammenzusetzen, so daĂź
nun das Peristyl mit den umliegenden Räumen fast ganz in seiner
alten Gestalt dasteht. Das Atrium liegt etwas seitwärts, so daß
es nur mit einer Ecke das Peristyl berĂĽhrt; es ist klein, ohne
Seitenzimmer, nur ein Vor- und Durchgangsraum. Man sieht
hier so recht, wie in der letzten Zeit — doch schon zur Zeit des
dritten Stiles, denn auf diese geht die jetzige Form des Hauses
zurück — das Leben sich aus dem Atrium, dem alten Zentrum,
in und um das Peristyl zurĂĽckgezogen hatte.
Von der Nolaner StraĂźe in ihrem weiteren Verlauf nach Osten
zweigen sich nordwärts mehrere Straßen ab, von denen noch
keine ganz ausgegraben ist. An einer derselben liegt rechts, in
der Insula V, 4, das schon S. 284 wegen seines Cenaculum er-
wähnte Haus des M. Lucretius Fronto. Der Besitzer wollte Ädil
werden; in mehreren gemalten Inschriften auf den Fronten der
Nachbarhäuser wird seine Wahl empfohlen: »die Nachbarn emp-
fehlen ihn«, heißt es da. Und im Hause selbst hat jemand in
die Wand eingekratzt: M. Lucretius Fronto^ vir fortis et Jio —
er wollte schreiben honcstus: »ein energischer und ehrlicher Mann«,
aber er wurde wohl unterbrochen und die Inschrift blieb unvoll-
endet. Das Haus ist eine kleine Wohnung im Stil der Kaiser-
zeit, etwa dem des tragischen Dichters (S. 331) zu vergleichen,
mit schönen und gut erhaltenen Wanddekorationen dritten Stils,
sehenswert auch deshalb, weil man hier das Dach des mit Ma-
lerei, Impluvium und marmornem Gartibulum (S. 260) trefflich
erhaltenen tuscanischen Atriums wiederhergestellt hat.
Weiter sĂĽdlich an der Stabianer StraĂźe das Haus des Lucre-
tius, III (IX), 3, 5. Der Name ist einem Wandgemälde (Fig. 201)
entnommen, das allerlei Schreibgerät und einen Brief darstellt mit
der Adresse: M. Lucretio flam[iui) Martis, decurioni Pompei[s)^ —
»dem Marcus Lucretius, Priester des Mars, Ratsherrn in Pompeji«.
Hinter dem Tablinum liegt ein nach hinten ansteigender kleiner
Garten; an seinem oberen Ende steht in einer kleinen Mosaik-
nische ein marmorner Silen, der aus einem Schlauche einen
Wasserstrahl ĂĽber eine Marmortreppe in ein rundes Bassin fallen
XLIII. Sonstige Häuser.
373
ließ. Rings um dieses stehen kleine Marmorfiguren — zwei
Enten, ein Satyr, ein Amor, der, auf einem Delphin reitend, von
einem Polypen gepackt wird — die sich zwischen den jetzt wieder
angepflanzten Blumen freundlich genug ausnehmen.
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Fig. 199. GrundriĂź der Casa del Citarista. 6. Westatrium an der Stabianer StraĂźe. 17,32. Peri-
style hinter dem Westatrium. 40, 41. Bad (Tepidarium und Caldarium). 42. KĂĽche. 47. Nord-
atrium an der Verlängerung der AbbondanzastralSe. 56. Peristyl hinter dem Nordatrium.
Noch weiter abwärts die große Casa del Citarista (I, 4, 5;
Fig. 199), benannt nach einer im Peristyl (17) gefundenen Bronze-
statue des kitharaspielenden Apollo, allem Anschein nach einer
treuen Kopie einer altgriechischen Statue, die einst in Sparta
hohe Verehrung genoĂź. Das westliche Atrium (6) und die beiden
sĂĽdlichen Peristylien (17, 32) sind in der Tufiperiode an der Stelle
374
Pompeji.
mehrerer älterer Häuser erbaut worden. Die Räume östlich der
beiden Peristylien und das nördliche Atrium (47) und Peristyl (56)
sind in römischer Zeit, wohl gegen Ende der Republik, hinzu-
gekommen. Dann ward das Haus im zweiten Stil ausgemalt.
Aber auch Malereien dritten und vierten Stils finden sich in meh-
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Fig. 200. Orestes und Pylades vor König Thoas. Wandgemälde aus der Casa del Citarista.
Photographie Brogi.
reren Räumen. Die herrschaftlichen Wohnungen sind durch-
aus um die Peristylien gruppiert; die Zimmer an den Atrien
dienten als Sklavenzimmer oder Wirtschaftsräume: auch dies ein
anschauliches Beispiel, wie sich das Leben mehr und mehr in die
inneren Teile des Hauses zurĂĽckzog, und das Atrium zu einem
allenfalls auch entbehrlichen Vorzimmer wurde. — 42 i.st die
KĂĽche, daneben ein kleines Bad: 40 Tepidarium, 41 Caldarium.
XLni. Sonstige Häuser.
375
In dem großen Saale 35 fanden sich zwei sehr schöne Ge-
mälde aus der letzten Zeit Pompejis: Bacchus mit seinem Gefolge,
die schlafende Ariadne findend, und Orest und Pylades in Tauris
(Fig. 200). Die beiden Gefangenen stehen gefesselt dem König
Thoas gegenĂĽber; im Hintergrunde tritt Iphigenie, das Bild der
Göttin tragend, aus dem Tempel. Die Gestalt des Orestes, in
dessen Haltung und Gesichtsausdruck uns die ganze Tragik seines
Schicksals entgegentritt, gehört zu dem Besten, was von antiker
Malerei auf uns gekommen ist.
Fig. 201. Schreibgerät und Brief. Wandgemälde aus dem Hause des Lucretius.
An der AbbondanzastraĂźe stehen im Atrium (Fig. 134) des
Hauses des Cornelius Rufus — II (VIII), 4, 15 — die schönsten
marmornen TischfĂĽĂźe, neben dem Tablinum die Herme des Haus-
herrn mit der Inschrift C. Cornclio Rufo. Dicht dabei bietet das
Haus des Holconius — II (VIII), 4, 4 — ein gutes Beispiel eines
nach dem Jahre 63 restaurierten und vollständig ausgemalten
Hauses. Die rechte Ala diente als Gefäßkammer, in der auf Holz-
regalen bronzenes, eisernes und tönernes Küchengerät stand. Die
Portiken des Peristyls waren zweistöckig; nicht weniger als sechs
Strahlen Leitungswasser fielen von den Säulen der Rückseite aus
der Höhe von 1,25 m in die Regenrinne; ähnlich auf der Vorder-
seite. Einzig in seiner Art ist die Exedra hinter dem Peristyl
mit einem kleinen Springbrunnen in der Mitte.
Kapitel XLIV.
Die Villa des Diomedes.
Zweierlei Villen gab es im Altertum: die Villa pseudourbana^
das Landhaus des reichen -Mannes, und die Villa rustica ^ den
Wirtschaftshof. Wir betrachten als Beispiel ersterer Klasse die
sogen. Villa des Diomedes. Eine in der Nähe Pompejis gefun-
dene Villa rustica soll im nächsten Kapitel besprochen werden.
Zahlreiche Villen lagen ohne Zweifel auf dem Höhenrücken
von Pompeji aufwärts gegen den Vesuv; ihrer drei finden wir
dicht beieinander vor dem Herculaner Tor: eine nur teilweise
ausgegrabene rechts auf der Höhe des Hügels, zwei links am
Abhang hinunter. Zuerst die 1763 ausgegrabene und wieder
verschĂĽttete sogenannte Villa des Cicero, dann, weiter hinaus, die
1771 — 74. ausgegrabene Villa des Diomedes, so genannt nach
den ihrem Eingang gegenüberliegenden Gräbern des M. Arrius
Diomedes und seiner Angehörigen (Plan V, 42).
Die Schiefwinkligkeit gegen die Straße erklärt sich daraus,
daß die Villa am Abhänge liegt und dessen Richtung für die
Orientierung der ganzen Anlage maĂźgebend war. So muĂźte die
Straße, schräg am Abhänge hinabsteigend, mit dem Hause in
schiefem Winkel zusammentreffen. Durch die Lage am Abhänge
ist es auch bedingt, daß die hinteren Räume tiefer liegen als
die vorderen. Jene sind im Plan mit Buchstaben, diese mit Zif-
fern bezeichnet. Bauart und Wanddekorationen zweiten Stiles
beweisen Entstehung in römischer, aber noch republikanischer
Zeit.
Die Villa pseudourbana ist von dem Stadthause verschieden
durch den freieren, luftigeren Charakter mit Gärten und Portiken.
Der reichlich zur Verfügung stehende Platz bot der persönlichen
Neigung weiten Spielraum. Die beiden Villen des jĂĽngeren Pli-
nius, bei Laurentum an der latinischen KĂĽste und bei Tifernum
XLIV. Die Villa des Diomcdes.
377
Tiberinum (Cittä di Castello), von ihm selbst in zwei Briefen be-
schrieben, und noch mehr die Riesenvilla Hadrians bei Tivoli
erläutern dies auf das anschaulichste. Ein fester Typus ist hier
nicht vorhanden.
Fig. 202. GrundriĂź der Villa des Diomcdes. i. Treppe. 3. Peristyl. 8. Tablinum. 10. Exedr.-i.
12. Speisezimmer. 14. Schlafzimmer mit Vorraum (13). 15. Gang zu einem Garten im Niveau
der Straße. 17. Hof des Bades, mit Herd (el und Hassin (■). 18. Vorratskammer. 19—11. Bad
(19. Apodyterium. 20. Tepidarium. 21. Caldarium). 22. Küche. 26. Säulenhalle vor einer
Terrasse (2S) über den Vorderräumen des Unterstockes, e , f, g. h Portikus um den Garten.
/, k. l, m Zimmer des Unterstockes, r Fischteich, s Laube.
378
Pompeji
Eine Regel aber gibt Vitruv: gleich am Eingang pflegte nicht
ein Atrium sondern ein Peristyl zu sein; weiter einwärts konnten
dann auch Atrien folgen. So kommen wir denn auch hier
von der StraĂźe ĂĽber einige Stufen, dann durch eine TĂĽr, deren
Vordach von zwei Säulen getragen wurde, unmittelbar in ein
Peristyl (3). An diesem gleich links das Bad. In dem kleinen
dreieckigen Hofe 17, mit niedrigem, zierlichen Portikus auf zwei
Seiten, das Bassin fĂĽr das kalte Bad (^) unter einem von zwei
Säulen gestützten Schutzdach. Die Wand war oberhalb des
Bassins auf blauem Grunde mit Fischen und Seetieren, rechts
und links mit Bäumen und Sträuchern bemalt: es sollte hier die
Umgang ĂĽber dem Portikus. Terrasse. . 4^rM
Rechte Seite des Portikus (^, Ă„). Vorderseite Zimmer unter
des Portikus (rf). der Terrasse (t).
Fig. 203. Längenschnitt der Villa
Vorstellung erweckt werden eines sich noch weiterhin ausdeh-
nenden Teiches inmitten eines Waldes oder Gartens, ähnlich wie
in den Frigidarien der öffentlichen Bäder. In der Ecke £ ein
Herd, auf dem Kochgeschirr gefunden wurde: man liebte warme
Getränke nach dem Bade. Rechts Apodyterium 19, Tepidarium
20, Caldarium 21. In letzterem die Wanne i], nur fĂĽr eine Per-
son, und daran die Apsis ^ fĂĽr das Labrum. Die Heizung er-
folgte von der KĂĽche 22 aus, durch hohlen FuĂźboden und Hohl-
wände; das Tepidarium hingegen hatte keines von beiden; es
bezog seine Wärme aus dem Caldarium, etwa durch eine ver-
schlieĂźbare Ă–ffnung in der TĂĽr, Auch ein rundes, wie es scheint
XLIV. Die Villa des Diomedes.
379
verschlieĂźbares Loch in der Mauer, neben der TĂĽr, konnte viel-
leicht diesem Zwecke dienen; doch hatte es jedenfalls auch noch
eine andere Bestimmung-. Nämlich aus diesem Loche geht hier
und ebenso in dem kleinen Bade eines Hauses in der Stadt eine
Röhre in der Mauer aufwärts; wohl mit Recht haben hieraus
schon die Zeitgenossen der Ausgrabung geschlossen, daĂź dies
der Platz einer Lampe war, deren Dunst durch die Röhre wie
durch einen Schornstein abzog. Man badete also in diesen kleinen
Privatbädern auch abends, wie ja auch in den Thermen beim
Forum. Wir mögen uns an Petrons Trimalchio erinnern, der
nach reichlichem Mahl seine Gäste ins Bad führt, um sie zu
Tablinuni.
Peristyl.
Eingang.
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des Diomedes, wiederhergestellt.
neuen Genüssen zu befähigen. Man glaubte, daß das heiße Bad
den Rausch vertriebe und die Verdauung beschleunigte. Im
Tepidarium fand man, gut erhalten, das mit vier Glasscheiben in
Holzrahmen geschlossene Fenster. In der KĂĽche 22 ist a der
Herd, auf dem ein kleiner Backofen \ steht; gegenĂĽber ein ge-
mauerter Tisch V. In ^ eine Treppe zu oberen Räumen, die
sich wohl nicht weiter als über die Baderäume ausdehnten. 23 ist
ein Bassin, aus dem das Leitungswasser durch Röhren in das
Bad und weiter in das Haus gefĂĽhrt wurde.
Links vom Peristyl fĂĽhrt ein Gang (13) in einen nicht aus-
gegrabenen Garten. Weiter ein Schlafzimmer (14) mit Vorraum
380 Pompeji.
(13): ersteres halbkreisförmig nach Süden in den Garten vor-
springend, mit drei Fenstern, sonnig zu jeder Tageszeit; Plinius
beschreibt ein ebensolches in seiner laurentinischen Villa; / Nische
fĂĽr das Bett, verschlieĂźbar durch einen Vorhang, dessen Ringe
gefunden wurden, d gemauertes Waschbecken, Ăź Schlafstelle eines
Dieners.
Auf der RĂĽckseite des Peristyls fĂĽhrt eine Treppe (11) zu
einem Oberraum ĂĽber dem Schlafzimmer 9 (mit weiter TĂĽr und
NebentĂĽr: s. S. 268; daneben rechts ein Wandschrank (auch 11).
Durch das nur hinten verschlieĂźbare Durchgangszimmer 8,
eine Art Tablinum, kam man in älterer Zeit (unser Durchschnitt
zeigt diese ältere Form) in eine Säulenhalle (26), die sich auf
eine breite, bis an den tiefer gelegenen Garten reichende Ter-
rasse (28) öffnete, mit herrlicher Aussicht auf Stabiae, das Meer
und die Küste von Sorrent. Später wurde die Säulenhalle in
einen geschlossenen Korridor verwandelt, am rechten Ende das
kleine Zimmer 25 und auf die Terrasse der groĂźe Saal 27 ge-
baut. An die Terrasse schloĂź sich ein unbedeckter Umgang
ĂĽber dem den Garten einfassenden Portikus {e, /, g^ h).
In die rückwärtigen, tiefer gelegenen, in unserem Plan schraf-
fierten Räume gelangte der Hausherr und seine Familie über die
Treppe b^ die Dienerschaft aus den Wirtschaftsräumen durch den
Gang a. Die flache Decke des den groĂźen Garten umgebenden
Portikus [d^ e^ /", g^ h) wurde von viereckigen Pfeilern getragen.
Auf den Vorderportikus [d] öffnet sich eine Reihe von Zimmern
(z, k] unter der Terasse (28) des Oberstockes. Zwischen i und c
eine Zisterne, gespeist durch das auf die Terrasse des Oberstocks
fallende Wasser, das dann durch eine Metallröhre in eine aus
dem Portikus zugängliche Nische gelangte und hier geschöpft
wurde. Die Zimmer z, k sind gewölbt, die Malereien letzten
Stils auch an den Wölbungen gut erhalten. Dagegen sind in
den beiden Eckzimmern /, m die flachen Stuckdecken erhalten,
besonders gut in / — grüne und rote Sterne auf weißem Grunde
— mit dem rings umlaufenden bunten Stuckgesims, weniger gut
in tn : Kassetten in weiĂźer Reliefarbeit. Zwei luftige Gartenzimmer
(«, ö) liegen an den äußeren Ecken des Portikus.
Der Garten war mit Bäumen bepflanzt, deren verkohlte Reste
bei der Ausgrabung gefunden wurden. In der Mitte ein groĂźes
XLIV. Die Villa des Diomedes. ^8l
Wasserbassin, aus dem, auf einer Säule, ein Springbrunnen auf-
stieg. Weiter rückvvärs auf etwas erhöhter Plattform sechs Säulen,
die ohne Zweifel, oben durch Balken und Latten verbunden, eine
Weinlaube bildeten, unter der man an Sommerabenden zu speisen
pflegte.
In der Mitte der RĂĽckwand gelangte man bei / durch eine
breite TĂĽr und weiter ĂĽber eine Treppe ins Freie. Man fand
hier die Skelette zweier Männer; der eine trug einen großen
eisernen SchlĂĽssel, und am Finger einen goldenen Ring, und
fĂĽhrte zehn goldene, 88 silberne MĂĽnzen bei sich; vielleicht der
Hausherr, der in Begleitung eines Sklaven zu fliehen suchte.
In den Seitenmauern des Portikus gibt unser Plan Fenster
an. Diese waren in der linken Wand — die rechte ist ganz zer-
stört — einst vorhanden, waren aber schon zugemauert worden,
bevor die Wand ihre Bemalung letzten Stiles erhielt. AuĂźerhalb
dieser Mauer ist jetzt alles wieder verschüttet; nur aus älteren
Berichten und Plänen kennen wir den breiten Gang u^ aus dem
eine Treppe in den höher gelegenen Garten führte.
Die Portiken ^, /, g^ h liegen etwas höher als der Vorder-
portikus [d] und der Garten. Unter ihnen (auch unter / und vi)
erstreckt sich ein Keller, dessen kleine Fenster sich unterhalb
der Portiken auf den Garten öffnen. Man erreicht ihn über eine
Treppe bei ^, und, von den Wirtschaftsräumen aus, durch den
Gang 32. DaĂź er auch als Weinkeller diente, schlieĂźen wir aus
den zahlreichen dort gefundenen, zum Teil noch dort befindlichen
Tonamphoren. In diesen Keller hatte sich beim Hereinbrechen
der Katastrophe ein groĂźer Teil der Hausgenossen geflĂĽchtet.
Man fand hier die Skelette und in der erhärteten Asche die Ab-
drĂĽcke der Formen von 1 8 erwachsenen Personen und zwei Kin-
dern, auch von den Kleidern deutliche Spuren. Unter den Frauen
war eine ausgezeichnet durch feine Kleidung und Goldschmuck ;
man fand an ihr zwei Halsbänder, zwei Armringe, vier goldene
und einen silbernen Fingerring. Sie waren erstickt in dem vom
Garten aus durch die Fensteröffnungen eindringenden Strom der
mit Wasser vermischten Asche.
Kapitel XLV.
Die Villa rustica bei Boscoreale.
Oberhalb Pompejis, gegen den Vesuv, etwa 25 Minuten von
der Gräberstraße, grub in den Jahren 1893 und 1894 Herr Vin-
cenzo de Prisco aus Boscoreale in einem ihm gehörigen Grund-
stück einen ländlichen Wirtschaftshof, eine Villa rustica aus, wie
ihrer mehrere im vorigen Jahrhundert in Stabiae ausgegraben,
aber gleich wieder zugeschüttet wurden. Sie gehört zweifellos
zum Gebiet von Pompeji. Das Gebäude, Wirtschafts- und Wohn-
räume enthaltend, ist 40 X 25 m groß und von vollkommen
rechtwinkligem GrundriĂź (Plan IV).
Der Haupteingang, breit genug auch fĂĽr Wagen, fĂĽhrt in den
auf drei Seiten von Portiken umgebenen Hof [A). Nur auf der
Eingangsseite waren über dem Portikus obere Räume. Auf den
beiden anderen Seiten waren die das Dach tragenden Säulen
durch eine BrĂĽstung verbunden; auf der Eingangsseite fehlt diese,
so daĂź die Wagen in den unbedeckten Raum einfahren konnten.
An der Nordecke die Zisterne (i); neben ihr links ein gemauertes
Waschbassin (2), rechts auf einem Pfeiler (3) ein Bleikasten zur
Aufnahme des Wassers fĂĽr das Bad. Diesen mit dem aus der
Zisterne geschöpften Wasser zu füllen, dienten Stufen (4) am Fuße
des Pfeilers.
Die KĂĽche des Landhauses ist das Atrium des altitalischen
Hauses, der gemeinsame Wohnraum der Hausgenossen (s. S. 258).
Sie soll nach Vitruv an der wärmsten Stelle des Hofes liegen.
So liegt sie (Ăź) denn auch hier an der von der Mittagssonne
beschienenen Nordecke. In der Mitte der Herd (i), auf dem
Kohlen und Kochgerät gefunden wurden; in der Rückwand eine
kleine tempelförmige Nische für die Larenbilder; in der linken
hinteren Ecke auf einem gemauerten Unterbau ein Bleikastcn (2)
für das Badewasser; rechts eine Treppe (3) zu oberen Räumen
Mau, Pompeji. 2. Aufl. Plan IV.
zu S. 382.
Hof.
1. Zisterne.
2. Wasserbassin.
3. Bleikasten, aus dem das Wasser
zum Bade geleitet wurde.
4. Treppe zu 3.
5. Zisterne.
KĂĽche.
1. Herd.
2. Bleikasten fĂĽr das kalte Bade-
wasser.
3. Treppe zu Räumen über DE F.
4. Grube, um den Stander des PreĂź-
l)aumes P 4 zu befestigen.
Heizraum des Bades, mit Kessel.
Ausklcideraum des Bades.
Tepidarium » »
Caldarium » »
Abtritt.
Stall.
Gerätkammer.
L. Schlafkammern.
N. Speisesaal mit Vorraum.
Bäckerei.
1. MĂĽhle.
2. Backofen.
Weinkelter.
1. Kclterboden.
2. Tonfässer zur Aufnahme des
Mostes.
3. Zisternenartiger Behälter zur Auf-
nahme des zweiten .Aufgusses
(Tresterweines).
4. Löcher für den Ständer des Preß-
baumes (vgl. B 4 und W).
5. Löcher für die Ständer der Welle
zum Auf- und Abziehen des
PreĂźbaumes.
6. Grube, um diese Ständer zu be-
festigen.
Korridor.
I. Tonfässcr.
Unbedeckter Raum für die Weinfässer.
1. Rinne zur Aufnahme des aus P
kommenden Mostes.
2. Tonfässer.
3. Bleikessel mit Fcuerstelle.
4. Zisterne.
Scheune.
Tenne.
Bassin zur -Aufnahme des auf die Tenne
fallenden Regenwassers.
V. V. Schlafkammcrn.
Kammer mit Grube zur Befestigung
des Preßbaumständers P 4.
Raum mit HandmĂĽhle.
Ă–lkelter.
1. Keltcrboden.
2. Loch für den Preßbaumständer.
3. Grube zur Befestigung desselben.
4. Löcher für die Ständer der Welle.
5. Grube zur Befestigung derselben.
6. TongefäO zur .\ufnahnie d. Öles.
Raum mit Olivenquetschmaschine.
Villa in Boscoreale.
XLV. Die Villa rustica bei Boscoreale.
383
und am FuĂźe derselben eine Grube (4) zur Befestigung des
Ständers für den Preßbaum in der anliegenden Weinkelter (/*).
Rechts von der KĂĽche der Stall (//).
Hinter der KĂĽche liegt das Bad, bestehend aus Apodyterium
(Z?), an diesem der Abtritt (G), Tepidarium {ÂŁ) und Caldarium (F).
Seine ganz einzige Bedeutung beruht darauf, daĂź hier die Vor-
richtungen zur Heizung, zur Erwärmung des Wassers, zur Zu-
leitung des warmen und kalten Wassers vollständig erhalten sind,
während in anderen Bädern alles was Metall war verschwunden
ist. Unsere Fig. 204 gibt einen AufriĂź dieser Vorrichtungen.
Der Bleikasten in' der
KĂĽche (2) wurde durch
eine Röhre aus dem
Bleikasten im Hofe (3)
mit kaltem Wasser ge-
fĂĽllt. In C ist die
Feuerstelle , von der
aus der Heizkanal unter
den FuĂźboden von F
fĂĽhrt. Ăśber dem Heiz-
kanal liegt der halb-
zylinderförmige Kessel
[testudo] zum Warm-
halten des Wassers in
der Wanne, den wir
schon in den Stabianer Thermen kennen lernten (S. 199). Ăśber
der F'euerstelle aber steht wohlerhalten der zylinderförmige Blei-
kessel für das heiße Wasser, in seiner untern Hälfte mit Mauer-
werk umkleidet, oben durch einen tönernen Deckel geschlossen.
Unsere Abbildung zeigt die mit diesen Behältern verbundenen
Röhrenleitungen. An dem Kaltwasserkasten sehen wir vorn den
Rest der Röhre, die ihm das Wasser zuführte, rechts eine Röhre,
durch die das nicht mehr gebrauchte Wasser in den Stall abflol.^.
Drei Röhren führen aus dem Kaltwasserkasten in der Richtung
gegen den groĂźen Kessel. Die mittlere ist einfach eine Zulcitungs-
röhre; sie konnte durch einen Hahn geschlossen werden. Die
unterste gabelt sich kurz vor dem Kessel; der linke Arm mĂĽndet
in diesen ein, der andere fĂĽhrt durch die Mauer in die Wanne
Fig. 204.
Wasserkessel und Rbhrenleitung des Bades in
der Villa rustica bei Boscoreale.
384 Pompeji.
des Caldariums; ein Hahn zwischen Gabelung und Kessel, ein
zweiter oberhalb der Gabelung. Schloß man diesen und öffnete
jenen, so floĂź das heiĂźe Wasser des Kessels, bei umgekehrtem
Verfahren das kalte des Kastens in die Wanne. Die oberste
Röhre gabelt sich ebenfalls; ein Arm mündet in den Kessel,
der andere fĂĽhrte um das Caldarium herum zu der Apsis des
Labrums. Auch hier ein Hahn oberhalb der Gabelung , einer
zwischen dieser und dem Kessel; schloß man diesen und öffnete
jenen, so floĂź kaltes, bei umgekehrtem Verfahren heiĂźes Wasser
in das Labrum. Die jedesmal gewĂĽnschte Temperatur erzielte
man durch Mischung, während in größeren Anstalten noch ein
dritter Behälter für lauwarmes Wasser vorhanden war. Endlich
ganz unten noch eine durch einen Hahn verschließbare Röhre
zur Ausleerung des Kessels. Diesen ganzen Apparat, und noch
vieles andere in der Villa gefundene Gerät, hat Herr De Prisco
dem Staat geschenkt. Er ist jetzt, nebst der Badewanne, in
Pompeji, in einem für diese ganze Schenkung nördlich vom Forum
errichteten kleinen Museum aufgestellt.
Von den übrigen Räumen auf der Nordwestseite des Hofes
diente J zur Aufbewahrung ländlicher Geräte, die hier gefunden
wurden. Mehrere Sicheln hingen an Nägeln an den Wänden,
die keinerlei Stuckbekleidung hatten. K und L sind Schlaf-
zimmer, einfach im letzten Stil gemalt. Ein weiteres Schlafzimmer
{außerdem ein größerer Raum) war über dem Vorderportikus des
Hofes; vielleicht war dies das Schlafzimmer des Verwalters
[villicus)^ das nach Varro dem Eingang möglichst nahe liegen soll.
Zwischen K und L führt ein Gang in die Bäckerei ( ö), mit
einer MĂĽhle (i) und dem Backofen (2). Die Westecke nimmt
ein geräumiger Speisesaal (A''') ein, mit großen Fenstern nach
zwei Seiten; vor ihm ein Durchgangsraum [M). Man fand in A^
die Reste dreier Speisebetten.
Nordöstlich vom Hofe ist der große Raum P die Weinkelter.
Das Holzwerk ist verschwunden, doch ist an den Löchern, in
die es eingesetzt war, der einfache Mechanismus vollkommen
kenntlich. An jedem Ende ein erhöhter Kclterboden [forum ^ i).
In diesem stand, an der Rückwand, der starke Ständer [arbor^ 4),
an dem der PreĂźbaum [prelum] befestigt war. AuĂźerhalb des
Kelterbodens standen zwei Pfosten [stipites^ 5), zwischen denen
XLV. Die Villa rustica bei Boscoreale. ^gg
sich eine Welle drehte, durch die, mittels eines um sie gewickelten
Strickes, der PreĂźbaum auf und nieder gezogen wurde, wie das
Amorenbild S. 355, Fig. 187 zeigt. Von den Pfosten war, wie die
Löcher zeigen (s. den Plan), jedesmal der eine stärker als der andere,
wohl weil er eine Vorrichtung zum Einsetzen und Ausnehmen
der Welle enthalten mußte. Ständer und Pfosten mußten stark an
ihren Plätzen befestigt sein, um nicht beim Winden und Pressen
in die Höhe gehoben zu werden. Diesem Zweck dienten kleine
unterirdische Räume, zugänglich für die Ständer durch zwei Gruben
in B (4) und W^ fĂĽr die Pfosten durch die runde Grube 6.
Der Most floĂź in groĂźe, in den Boden eingelassene Ton-
gefäße (2). Ihrer sind bei der einen Kelter zwei, bei der andern
eines, und an der Stelle des zweiten eine ausgemauerte und mit
Stuck verputzte zisternenartige Grube [lacus). Und auch aus der
andern Kelter fĂĽhrt unterirdisch ein Bleirohr (im GrundriĂź punk-
tierte Linie) in eben diese Grube. Wir können vermuten, daß
diese zur Aufnahme des zweiten Aufgusses bestimmt war: die
ausgepreßten Rückstände wurden unter Zutat von Wasser noch
einmal unter die Presse gebracht und lieferten den Gesindewein
[lorä .
Plinius (XIV, 136) berichtet, daĂź man in Campanien die
edelsten Weine unter freiem Himmel, in Sonne, Regen und Wind
gären ließ. Damit stimmt es trefflich, daß hier die Cella vinaria^
der Raum, in dem der Wein die Gärung durchmacht, ein un-
bedeckter Hof ist (7?), in dem die zahlreichen Tongefäße (Dolien)
bis fast an die MĂĽndung in den Boden eingelassen sind. FĂĽr
Ventilation ist ausgiebig gesorgt durch drei groĂźe und fĂĽnf
kleine Fenster, dazu noch durch gitterartige Durchbrechung der
SĂĽdwestwand.
Im Kelterraume P ist in der Wand oberhalb der Grube 3
eine Nische, deren Boden durch ein flaches Tongeföß gebildet
wird. Zwischen ihr und dem Gange Q ist die Wand durchbohrt,
und so auch schräg gegenüber die W^and zwischen Q und der
Cella vinaria. An der Nordwestwand dieser letzteren läuft grade
unter der erwähnten Durchbohrung, etwa i m vom Boden, eine
gemauerte und verstuckte Rinne, aus der kurze Bleiröhren, je
einem der Dolien entsprechend, in den Hof selbst fĂĽhren. Wenn
man also diese Röhren durch weitere Röhren oder Rinnen bis
Mau, Pompeji. 2. AiiH. 2S
386 Pompeji.
an die Dolien verlängerte und die beiden Öffnungen in den
Mauern zwischen P und Q und zwischen Q und R durch eine
Röhre oder Rinne verband , so floß der in die Nische bei P 3
gegossene Most von selbst in die Dolien.
Der Hof mit den Dolien liegt höher als die anliegenden
Räume ; man betritt ihn von Q über drei Stufen ; statt die Dolien
einzugraben, hatte man zwischen ihnen und um sie Erde aufge-
tragen. In der Südecke steht ein großes rundes Bleigefäß (3) über
einem Hohlraum, in dem von auĂźen her ein Feuer angezĂĽndet
werden konnte, vielleicht zum Kochen des Weines. Ăśbrigens
Fig. 205. Olivenquetschmaschine.
dienten die Dolien keineswegs ausschlieĂźlich fĂĽr den Wein; eines,
in der Westecke, enthielt Hirse, ein anderes, gleich neben dem
eben erwähnten Bleigefäß, Weizen.
Auf der andern Seite des Ganges Q (wo fĂĽnf Dolien stehen)
stand in X auf einer Aufmauerung an der linken Wand eine
HandmĂĽhle; in der RĂĽckwand eine kleine Nische fĂĽr eine Lampe.
Daneben Sklavenkammern ( F, W)^ in denen Reste der Betten
und allerlei kleines Gerät gefunden wurde.
Der Gang Q fĂĽhrt dann weiter zur Ă–lkelter. hi Z stand eine
Olivenquetschmaschine [trapetum^ Fig. 205). In die Oberfläche
eines groĂźen runden Lavablockcs ist ein Becken gerundeten
XLV, Die Villa rusticale bei Boscoreale. ^8?
Durchschnittes eingehauen, aus dessen Mitte sich ein Zylinder
[niiliariiini] aus demselben Stein etwas ĂĽber den Rand des Beckens
erhebt. Um ein in der Mitte der oberen Fläche dieses Zylinders
stehendes Eisen drehte sich eine Holzachse, an der sich zwei halbe
Linsen, auch aus Lava, in dem Kanal zwischen dem Miliarium
und den Wänden des Beckens herumwälzten und hier die Oliven
so weit zerquetschten, daß sie sich von den Kernen lösten. Die
Alten hielten nämlich darauf, die Oliven ohne die Kerne unter
die Presse zu bringen, weil diese den Geschmack des Ă–ls beein-
trächtigten; daher durften auch die beiden Lavaräder nicht fest
aufliegen, um nicht die Kerne zu zerdrĂĽcken.
Die Ă–lkelter Y ist viel kleiner als die Weinkelter; offenbar
war der Ă–lbau, wie auch heute noch, in dieser Gegend nicht
bedeutend. Das Ol floß seitwärts in das durch eine Zwischen-
wand geteilte Tongefäß 6; der Zweck dieser Teilung ist unbe-
kannt, doch ist der Name eines solchen Gefäßes [gcmcllar] bei
Columella ĂĽberliefert. Vor demselben ist noch ein kleineres Ton-
gefäß in den Boden eingelassen.
In dem großen länglichen Räume 5 fand man viel Bohnen-
stroh und Teile eines Wagens. Da aber ein solcher nicht wohl
hierher gelangen konnte, so waren es wohl auseinandergenom-
mene StĂĽcke. Auch sonst fand man hier allerlei Eisenwerk, z. B.
Türbeschläge. Wir mögen den Raum als Scheune [mibilariiiyn]
bezeichnen. Er öffnet sich mit einer Tür und vier kleinen Fenstern
auf die Tenne [area] T\ sie ist mit Opus Signinum (S. 287)
gepflastert und liegt nach SĂĽdost etwa 2 m, nach Nordost etwa
0,40 m über dem äußern Erdboden. Das auf sie gefallene
Regenwasser floĂź in das gemauerte Doppelbassin U.
Deutlich unterscheiden wir von den Wirtschaftsräumen und
Sklavenkammern die fĂĽr den Besitzer, wenn er einmal hier weilte,
bestimmten Wohnräume. Zu diesen gehörte zweifellos der große
Speisesaal A^ wahrscheinlich auch die beiden Schlafzimmer K
und L. Auch das Bad war sicher nicht fĂĽr Sklaven bestimmt.
Endlich war im Oberstock, ĂĽber F ITA' und dem anstoĂźenden
Teil von Q, eine vollständige kleine Wohnung, bestehend aus
einem groĂźen Speisesaal mit breitem Fenster auf die Cella vinaria
und vier Schlafkammern. Es war jedoch kenntlich, daĂź zur Zeit
der Verschüttung diese herrschaftlichen Räume nicht bewohnt
388 Pompeji.
waren. So sind häufig genug auch jetzt in den Vignen um Rom
und Neapel über den Wirtschaftsräumen und der Wohnung des
Verwalters oder Pächters einige Zimmer für den Besitzer reserviert.
Ăśber Z war ein groĂźes unbedecktes Bassin zur Aufnahme des
auf die eben erwähnte kleine Wohnung gefallenen Regenwassers;
nur eine Brüstung trennte es von einem Räume über Y^ der
durch eine TĂĽr mit dem Speisesaal des Oberstockes verbunden
war. Da die Villa keine Wasserleitung hatte, so muĂźte das
Regenwasser sorgfältig gesammelt werden.
An einem Orte, wo man es am wenigsten erwartet hätte,
wurde der Fund gemacht, dem diese Villa vor allem ihre Be-
rĂĽhmtheit verdankt. In die zisternenartige Grube der Weinkelter
{P 3) hatte sich ein Mann geflĂĽchtet, der mehr als tausend Gold-
münzen, sechs goldene Armbänder, ein goldenes Halsband und
endlich das jetzt im Museum des Louvre befindliche herrliche
silberne Tafelgeschirr bei sich fĂĽhrte. Wahrscheinlich kam er
aus einer vornehmeren Wohnung und hatte auf der Flucht hier
Schutz gesucht.
Kapitel XLVI.
Geräte.
Man hört bisweilen den Wunsch äußern, es möchte einmal
in einem pompejanischen Hause der ganze Hausrat am Ort ge-
lassen werden, damit man den vollen Eindruck der antiken Woh-
nung hätte. Solche Wünsche beruhen auf einer falschen Vor-
stellung. Funde dieser Art sind bei weitem nicht so häufig und
so reich, wie man angesichts der in anderthalb Jahrhunderten
angehäuften Schätze des Neapeler Museums zu glauben geneigt
ist. In keinem Schlafzimmer ist das Bett gefunden worden. Von
den zahllosen Speisezimmern enthielt nur eines die drei Speise-
betten so vollständig, daß sie durch Erneuerung der Holzteile
wiederhergestellt werden konnten. StĂĽhle, aus Bronze, finden
sich nur in geringer Zahl. Tische aus Marmor oder Travertin
stehen in manchen Atrien und Peristylien; tragbare Tische aber,
in den Zimmern, gehören zu den größten Seltenheiten. Alle
diese Dinge waren in der Regel aus Holz und sind dann spur-
los zerfallen. Zahlreicher erhalten sind nur diejenigen Geräte,
für die das Holz kein geeignetes Material war: Gefäße aller Art
aus Bronze, Ton und Glas, bronzene und tönerne Lampen,
bronzene Kandelaber und Lampenträger, Toilettengerät aus
Bronze, Elfenbein und Knochen.
Fig. 206 zeigt eines der drei erwähnten Lecti tricliniares, ge-
funden in einem Speisezimmer rechts vom Tablinum des Hauses
IV (VII), 2, 18. Es fehlt die Bespannung mit Gurten, auf die die
Polster gelegt wurden. Der Bronzebeschlag ist auf der dem Tisch
zugewandten Seite reich mit eingelegtem Silber verziert; auf der
RĂĽckseite fehlt das Silber und sind auch die Formen einfacher.
Der lehnenartige AbschluĂź [fidcruui] fehlt an dem mittleren der
drei Betten; an den beiden anderen bezeichnet er nicht etwa das
Kopfende, sondern den AbschluĂź gegen die offene Seite des
Hufeisens (s. S. 271).
390
Pompeji.
Die zwei Marmorfüße des so häufig hinter dem Impluvium
stehenden Tisches [gartibnhim\ s. S. 260) sind in Fig. 134 sicht-
bar; ein einfacheres aber vollständigeres Exemplar auf Taf. VII.
Fig. 206. Speisebett mit Bronzebeschlag ; das Holzwerk restauriert.
Fig. 207. Runder Marmortisch.
Fig. 208. TischfuH aus dem Hause des
Faun.
Den runden Marmortisch Fig. 207, getragen von drei FĂĽĂźen in
Form von Lövventatzen, fand man 1827 in einem Hause südlich
vom Forum; ein ganz ähnlicher steht jetzt im Hause der Vettier
XLVI. Geräte.
391
(S. 343). Der schöne marmorne Tischfuß Fig. 208, in Form
einer sitzenden Sphinx, stammt aus dem Hause des Faun.
Den Tischen sind nahe verwandt die DreifĂĽĂźe; sie mochten
häufig auch eine kleine Tischplatte tragen; in anderen Fällen
Fig. 209. l'roiizener Dreiful*.
geben sie sich als ein flaches, von den drei FĂĽĂźen getragenes
Gefäl.\, in dem allerlei, was man grade aus der Hand legen
wollte, Platz finden mochte. Fig. 209 zeigt einen besonders
schönen aus Bronze, der freilich nicht, wie oft gesagt worden
ist, aus dem Isistempel, sondern wahrscheinlich aus Herculaneum
stammt.
392
Pompeji.
Fig. 2IO. Einfache einflammige
Lampen.
Fig. 211. Zweiflammige Lampen, eine (unten)
zum Aufhängen, die andere zum Hinstellen.
Fig. 212. Mehrflammige Lampen.
Fig. 213. Bronzelampen; der Deckel an einer Kette.
Fig. 214. Bronzelampcn mit Figuren auf dem Deckel.
XLVI. Geräte.
393
Das Neapeler Museum enthält mehrere Exemplare des Bisel-
liums, des lehnelosen Sessels doppelter Breite, den im Theater
nur die Ratsherren benutzen durften und solche, denen >die
Ehre des Biselliums« verliehen war. Doch sind dieselben wahr-
Fig. 215. Drei Hängelampen. Die zur Linken und die mittlere in zwei Ansichten.
scheinlich nicht ganz richtig restauriert worden. Eine authen-
tische Abbildung des Biselliums gibt das Grabmal des Calventius
Quietus (Kap. L).
Ganz besonders zahlreich erhalten ist das Beleuchtungsgerät:
Lampen und Lampenträger. Die Lampen sind teils aus Bronze,
teils aus Ton; diese letzteren entweder roh, ohne
Glasur, oder rötlich glasiert, nach Art der aretini-
schen Tonware; seltener begegnet eine grĂĽnliche
Glasur.
Die antike Lampe i.st technisch ein sehr primi-
tives Gerät: ihre Bestandteile sind der Ölbehälter
mit einem bisweilen durch einen Deckel ge-
schlossenen Loch zum EingieĂźen, die TĂĽlle, oder
deren mehrere, mit dem Loch fĂĽr den Docht,
und der Griff; letzterer kann fehlen, wenn die Lampe zum Auf-
hängen eingerichtet ist. Die Flamme konnte, wegen des sonst
entstehenden Dunstes, nur klein sein, größere Helligkeit also nur
durch eine größere Zahl von Flammen erzielt werden; daher die
Häufigkeit vielflammiger Lampen.
Fig. 216. Biberon.
394
Pompeji.
Von den mannigfachen Formen geben unsere Abbildungen
eine kleine Auswahl. Einfache ein-
flammige Tonlampen zeigt Fig. 210;
Pulcher ist der Name des Fabrikanten.
Ferner zweiflammige zum Aufhängen
und zum Hinstellen (Fig. 211); mehr-
flammige mit den Flammen rings
im Kreise und eine in Form einer
Barke (Fig. 212); alle diese aus Ton.
Fig- 2 1 3 gibt reicher geformte bron-
zene; hier ist auch der Deckel des
EingieĂźloches sichtbar. Ebenso
Fig. 214, wo derselbe mit Figuren
verziert ist; in dem einen Exemplar
hält diese an einer Kette einen klei-
nen Haken zum Herausziehen des
Dochtes, in dem andern (zwei-
flammig) ist es ein mit einer Gans
ringender Amor. Fig. 215 Hänge-
lampen: eine einflammige in Gestalt
eines Kopfes, eine neunflammige
mit zwei Löchern zum Eingießen
neben dem Silenskopf am Griff
(beide in zwei Ansichten), und eine
dreiarmige.
Fig. 2 1 6 zeigt ein Gerät, das bis-
weilen irrtĂĽmlich fĂĽr eine Lampe ge-
halten worden ist. Es ist ein Biberon,
ein tönernes Gerät, um Kindern die
Milch einzuflößen. Der Gladiator in
Relief soll die dem Kinde daraus
erwachsende Kraft andeuten; auf
anderen Exemplaren ist es ein kräf-
tiges Kind, auf wieder anderen, noch
Fig. 217. Bronzekandclaber. dCUtlichCr, clnC SäugCttdc FraU.
Der häufigste Lampenträger ist
das unter dem Namen Kandelaber bekannte Gerät (Fig. 217). Der
Name stammt aus einer Zeit, wo Lampen wenig ĂĽblich waren
XLVL Geräte. 395
und man zur Beleuchtung sich der Kerzen [candelae] bediente.
In der Tat sind die ältesten Kandelaber, wie sie namentlich in
etruskischen Gräbern gefunden werden, Kerzenträger, mit vier
horizontalen Spitzen zum Anstecken der Kerzen. Die in Pompeji
gefundenen sind aber alle bestimmt, auf dem Boden stehend die
Lampe zu tragen; daher ihre beträchtliche Höhe, von 0,75 bis
1,50 m. Sie bestehen aus einem Schaft, getragen von drei meist
tierisch gestalteten FĂĽĂźen, mit einem obern AbschluĂź, der ver-
schieden gestaltet sein kann, als Kopf, als Figur, als gefäßartiges
Kapitell, aber immer zu oberst die tellerartige Fläche zum Auf-
stellen der Lampe bietet. Dazu kommt häufig noch eine auf den
drei Füßen aufliegende runde Scheibe. Ihr Zweck ist größere
Stabilität; künstlerisch ist sie, gegenüber dem sich frei aus den
drei FĂĽĂźen entwickelnden Schaft, ein RĂĽckschritt, den man zu
kompensieren suchte durch reiche, oft mit Silber eingelegte
Ornamente. Bisweilen ist der obere Teil des Schaftes in den
untern wie in eine Scheide eingeschoben und kann durch einen
Stift höher oder niedriger befestigt werden.
Nach Form und stilistischem Charakter lassen sich alle Kan-
delaber in zwei Klassen teilen: die architektonischen (Fig. 217)
und die pflanzenförmigen. Letztere zeigen viel geringeren Formen-
reichtum; meist sind sie als Rohrpflanzen gebildet. Selten ist
eine animalische Form, indem der Kandelaber die Gestalt dreier
zusammengeflochtenen Schlangen hat, die nur oben und unten
als Träger des Tellers und als Fuß auseinander gehen.
Eine kleinere Art Kandelaber, etwa 0,50 m hoch, hat man
sich gewöhnt »Leuchter« zu nennen. Wie jene auf dem Boden,
so sind diese bestimmt, auf dem Tische zu stehen. Ihre Formen
sind von denen der größeren Kandelaber nicht wesentlich ver-
schieden. Fig. 218 gibt ein Beispiel der architektonischen Form;
doch ist hier die Pflanzenform häufiger.
Wir reihen hier diejenigen Lampenträger an, denen die
Lampen nicht aufgesetzt, sondern angehängt werden: Fig. 219
gibt ein architektonisch, Fig. 220 ein naturalistisch als Baum ge-
bildetes Beispiel, ersteres ein berĂĽhmtes, aus der Villa des Dio-
medes stammendes Kunstwerk.
Endlich die kleinste Art von Lampenträgern — wir können
sie Untersätze nennen — ist mit mancherlei Variationen als
396
Pompeji.
Fig. 218. Lampenträger für eine
Handlampe.
Fig. 219. Lampenträger für Hängelampen.
Fig. 220. Lampenträger in Form eines
Baumes.
Fig. 221. Kleiner Lampcnträger mit Lampe.
XL VI. Geräte.
397
kleiner dreifĂĽĂźiger Tisch gestaltet. Fig. 221 zeigt einen solchen,
auf dem die Lampe Fig. 214 steht.
In Fig. 222 ist bronzenes KĂĽchengeschirr zusammengestellt:
Kessel und Kochtöpfe («, b, g, /i, /), Eimer {c, ä), ein Schöpf-
löffel c. Die langstieligen Schöpflöffel g, u gehören eigentlich
Fig. 222. Bronzenes Küchengerät.
a Kessel auf Dreifuß. i, g, h, l Kochtöpfe. c, d Eimer. e Schöpflöffel. / Kasserolle.
/. t Backpfannen für kleine Kuchen, k Krug, m KüchenlöfTel. «, v Eßlöffel, o, p Brat-
pfannen. J Kuchenform, g, u Schöpflöffel für Wein, r Pfanne mit zwei Griffen.
nicht zum Küchen-, sondern zum Trinkgerät und dienten, den
Wein aus dem Mischkrug zu schöpfen und in den Becher zu
gieĂźen. Ferner eine Kasserolle /, zwei Geschirre /, / wohl
nicht um Eier, sondern um kleine runde Kuchen zu backen,
ein Küchenlöffel ;;/ und zwei Eßlöffel [ligula] «, v. Es fehlt
ein andere, häufig in Bronze, Silber, Knochen und Elfenbein
398
Pompeji.
vorkommenden Löfifelform: klein, mit kreisrundem Behälter und
dĂĽnnem graden und spitzen Stiel, das Cochlear, dessen man sich,
wie Martial (14,21) bezeugt, zum Essen von Eiern und Schnecken
bediente; zu letzterem Gebrauch diente
die Spitze des Stiels und von ihm
[Cochlea^ Schnecke) ist das Gerät be-
nannt. Weiter zwei Bratpfannen 0, /,
ein flaches Becken r, eine Kuchen-
form s.
Im Anschluß an die Schöpflöffel ^,
u geben wir noch (Fig. 223) ein schönes
Mischgefäß, Krater, mit reichen, zum
Teil aus Silber eingelegten Ornamenten,
gefunden in einem Hause der Abbon-
danzastraße, nahe dem Gebäude der
Eumachia.
Bei den alten Schriftstellern wird
öfter ein Gerät erwähnt, das den Namen
Aiithepsa^ Selbstkocher, fĂĽhrte, und
bisweilen mit groĂźem Luxus gearbeitet
war. Wie das Gerät beschaffen war,
können wir nur aus diesem Namen erschließen: es mußte ein
Gefäß sein, an oder in dem das Feuer so angebracht war,
Fig. 223. Gefäß zum Mischen des
Weines (Krater), mit eingelegten
Silberornamenten.
Fig. 224. GefiiĂź um Wasser /u warmen (Authepsa), Ansicht und Durchschnitt.
XLVI. Geräte.
399
daĂź man es nicht sah, daĂź es also den Anschein hatte, als ob
das darin befindliche von selbst, ohne Feuer, kochte; also der
russische Samowar, dessen Name dieselbe Bedeutung hat. Nun
sind solche Gefäße in Pompeji mehrfach gefunden worden, ein-
fachere und kunstvollere. Unsere Abbildung Fig. 224 zeigt das
bei weitem schönste derselben in Ansicht und Durchschnitt. Die
Kohlen befanden sich, wie der Durchschnitt zeigt, in einer senk-
recht durch das Gefäß durchgehenden, unten durch einen Rost
Fig. 225. WasserwĂĽrmer und
Kohlenbecken.
Fig. 226. Wasserwiirmer und
Kohlenbecken in Form einer
Festung.
Fig. 227. Klimme.
Fig. 228. Badegerät.
geschlo.ssenen Röhre. Zwei Deckel: ein innerer, ringförmiger,
schloĂź nur den fĂĽr das Wasser bestimmten Raum, der in der
Abbildung sichtbare die ganze Öfthung. Eine kelchförmig er-
weiterte Röhre unter dem Scharnier des Deckels diente zum Zu-
gieĂźen und um Luft einzulassen; ihr gegenĂĽber ein Hahn zum
Auslassen des Wassers. In anderen, einfacher geformten ICxem-
plaren ist der obere Teil der Feuerröhre seitwärts gebogen, so
daß ihre Öffnung an der Seite des Gefäßes sichtbar wird. Offen-
bar ist dies kein Küchen-, sondern ein Tafelgerät: man liebte
den Wein mit heiĂźem Wasser zu mischen und brauchte daher
400
Pompeji.
Vorrichtungen, um dieses bequem zur Hand zu haben; ohne
Zweifel ist dies der Zweck des Authepsa.
Demselben Zweck dienten auch die beiden Fig. 225 und 226
abgebildeten Geräte, die sich aber in ihrer Form nicht als Wasser-
behälter geben, vielmehr den eigentlichen Zweck verbergen. Es
sind Kohlenbecken, deren Wände — in dem Gerät links als
Fig. 229. Elfenbeinerne Haarnadeln. Unten zwei
kleine Elfenbeingefäße.
Fig. 230.
Gläserne Schminkbüchse.
Fig. 231. Handspiegel.
Fig. 232. Toilettengerät, a Standspiegel.
6 OhrlĂĽffel. c Elfenbeinerne SchminkbĂĽchse.
d Bronzener Kamm.
Festungsmauern gebildet — hohl sind und das Wasser enthalten,
das durch einen Hahn entlassen werden konnte.
Fig. 228 zeigt das Badegerät, alles aus Bronze. An einem
Ringe hängt das Ölfläschchen [ampulla]^ die Schale [patera] in
die man das Salböl goß, und vier »Schaber«, das bekannte Ge-
rät [strigilis)^ mit dem man nach dem Bade wie nach den
Übungen der Palästra Öl, Schweiß und Staub abstrich.
XLVI. Geräte.
401
Allerlei Toilettengerät wird vielfach gefunden. Der enge
Kamm Fig. 227« ist aus Knochen, die weiteren Fig. 221b und
2Tf2 d sind aus Bronze. — Die Haarnadeln sind häufig mit
Figuren verziert; einige Beispiele, aus Elfenbein, gibt Fig. 229.
— Fig. 230 gibt ein gläsernes, Fig. 232 ^ ein elfenbeinernes
Schminkbüchschen. Das kleine Elfenbeigefäß Fig. 229 rechts
enthielt wohl parfümiertes Toilettenöl; unbekannt ist die Be-
stimmung des kleinen Gefäßes ebenda links.
Die Spiegel sind aus sorgfältig poliertem Metall. Fig. 232 «:
ein Standspiegel, Fig. 230 drei Handspiegel; doch ist an dem
viereckigen der Rahmen modern und es ist zweifelhaft, ob er
einen Griff hatte.
Von dem ziemlich zahlreich
gefundenen Goldschmuck gibt
Fig. 233 ein besonders cha-
rakteristisches StĂĽck: ein fein-
gearbeitetes Armband in
Schlangenform , mit Augen
aus Rubinen, nach seiner
Größe bestimmt, am Oberarm
getragen zu werden.
KĂĽnstlerisch weit wert-
voller sind einige in Pompeji
gefundene Silbergefäße. Da
sie durchaus nichts fĂĽr Pom-
peji Charakteristisches haben,
so ist eine eingehendere Behandlung derselben hier nicht am
Ort, wäre vielmehr in ganz anderem Zusammenhange vorzu-
nehmen. Der neueste, berĂĽhmte Fund von Boscoreale, jetzt
im Louvre, steht aber keineswegs vereinzelt; vorzĂĽgliche Silber-
gefäße wurden schon früher gefunden, namentlich in einem
Hause an der MerkurstraĂźe (VI, 7, 20), das nach eben diesem
Funde Casa dell' Argenteria genannt wird. Wir geben als Probe
drei vorzüglich schöne Becher. Einer derselben a — es ist das
unter dem Namen Skyphos bekannte Trinkgefäß — ist nur mit
Weinranken verziert. Die beiden anderen, deren Reliefs in
größerem Maßstabe beigefügt sind, haben figürliche Darstellungen.
Der eine, b, c, die Apotheose Homers: ein Adler trägt ihn empor;
Fig. 233. Goldenec Armband.
Mau, Pompeji. 2. Aufl.
26
402
Pompeji.
links und rechts die allegorischen Gestalten der Ilias, mit Helm,
Schild und Lanze, und der Odyssee, mit SchifFerhut und Ruder.
Fig. 234. Silberne Becher»
Der andere, d^ e^ einer von zwei ganz ähnlichen, zeigt einen Ken-
tauren und eine Kentaurin mit bacchischen Attributen; zwei
Amoren scheinen ihnen eifrig^ zuzureden.
DRITTER TEIL.
HANDEL UND GEWERBE.
Kapitel XLVII.
Allgemeines. Die Bäcker.
Es ist selbstverständlich, daß in einer Stadt von der Größe
Pompejis alle den Bedürfnissen des täglichen Lebens dienenden
Gewerbe betrieben wurden. So sind denn auch mancherlei
Spuren derselben erhalten, Spuren verschiedener Art. Erstens
Inschriften, die der verschiedenen Gewerbtreibenden Erwähnung-
tun; zweitens Gemälde mit Darstellungen derselben; endlich die
dem Handwerksbetrieb und Handel dienenden Räume und Vor-
richtungen.
Eine auf die Mietkutscher bezĂĽgliche Steininschrift wurde
schon oben S. 247 besprochen. Reichere Ausbeute geben die
auf die Straßenwände gemalten VVahlprogramme, in denen die
Gewerbtreibenden die ihnen genehmen Kandidaten fĂĽr die Mu-
nizipalämter empfehlen. Da heißt es: Trcbium aed. tonsores^
»den Trebius empfehlen als Ädilen die Barbiere«; Verum aed.
o[rd] v[os) f{acite)^ ungueiitari facite rogio)^ »den Verus macht
zum Ädilen, Salbenhändler, ich bitte euch, wählt ihn« ; C.
Cuspiiim Pansant aed. aurifices imiversi rog[ant)^ »den C. Cus-
pius Pansa erbitten als Ädilen sämtliche Goldschmiede« ; M. Hol-
conium Priscitm II vir. i. d. poviari univcrsi cum Hclvio Vestale
rog.^ »den M. Holconius Priscus erbitten als Duumvirn sämt-
liche Obsthändler mit dem Helvius Vestalis«; die Obsthändler
kommen besonders häufig in dieser Weise vor; aber auch die
Knoblauchhändler [aliari] empfehlen einen Kandidaten. So er-
fahren wir noch von den Färbern ioffectores)^ den Mantelschneidern
404 Pompeji.
[sagarii], den Packträgern [saccarii]^ den Fischern [piscicapi]^ den
Maultiertreibern [muliones] und anderen, die sich alle fĂĽr irgend-
welche Wahlkandidaten interessierten.
Von den auf Handwerksbetrieb bezüglichen Gemälden wurden
die kĂĽnstlerisch wertvollsten, die Darstellungen von Amoren in
allerlei Tätigkeiten, schon oben besprochen (S. 350). Ahnliche
in Herculaneum gefundene Darstellungen zeigen die Amoren
als Tischler und Schuster. Auf weitere Darstellungen eines der
dort vertretenen Handwerke, der Tuchwalkerei, werden wir noch
zurĂĽckkommen; ebenso auf Darstellungen des Wirtshausbetriebes.
In einem Hause der dritten Region — III (IX), 5, 9 — ist ein
Wandtüncher gemalt, beschäftigt, mit einem kleinen Instrument
eine Wand zu glätten.
Von Betriebslokalen und Vorrichtungen sind nur fĂĽr wenige
Gewerbe bedeutende und charakteristische Reste vorhanden: fĂĽr
den Wirthausbetrieb, die Bäckerei, die Tuchwalkerei, die Ger-
berei. Von diesen wird weiterhin die Rede sein. Läden gibt
es viele; aber soweit es nicht Schenken sind, wissen wir durch-
weg nicht, was in ihnen verkauft wurde. Charakteristische Funde
in ihnen sind sehr selten. Wir nennen als solche Ausnahmen
einige sicher erkennbare Farbenhandlungen; von den beim Ma-
cellum gefundenen FrĂĽchten und sonstigen EĂźwaren war schon
oben S. 91 die Rede.
Ziemlich zahlreiche Geschäftsräume mit festgemauerten Blei-
kesseln, unter denen Feuer angezĂĽndet werden konnte, pflegt
man als Färbereien zu bezeichnen. Mehr Berechtigung als für
manche andere hat diese Benennung fĂĽr das Haus IV (VII), 2, 11,
an der Stabianer Straße. In einem direkt von der Straße zugäng-
lichen Peristyl stehen neun solche Kessel mit Heizvorrichtung;
in einem Wandschrank fand man zahlreiche Flaschen, zum Teil
Farbstoffe enthaltend. Im Eingange stellte ein jetzt zerstörtes
Gemälde einen Mann dar, der an einer Stange etwas trug, was
man für gefärbte Stoffe halten konnte. Endlich las man auf der
gegenĂĽberliegenden Seite der StraĂźe das Wahlprogramm : Postu-
tnium Proaihmi aed. offectores rog., — »den Postumius Proculus
erbitten als Ädilen die Färber«. Auch das Haus, auf dessen Mauer
eben diese Inschrift steht — III (IX), 3, i — enthält drei solche
Kessel und kann für eine Färberei gehalten werden ; vielleicht
XIAII. Handel und Gewerbe.
405
ging die Wahlempfehlung von den Inhabern und Arbeitern bei-
der Geschäfte aus.
Eine Töpferei mit zwei Brennöfen befindet sich vor dem
Herculaner Tor rechts am Wege, da wo sich gegenĂĽber der
Villa des Diomedes die StraĂźen teilen. Die nicht groĂźen Ă–fen
enthalten jeder einen unteren und einen oberen Raum mit durch-
löchertem Zwischenboden; in dem unteren wurde geheizt, in dem
oberen standen die zu brennenden Gefäße. Die Wölbung des
kleineren Ofens war in eigentĂĽmlicher Weise hergestellt durch
sieben querüber liegende Reihen ineinander gesteckter Tongefäße.
Eine Schusterwerkstatt war an der Nordwestecke der Insula
III (IX), I, auf beide hier zusammentreffende StraĂźen ladenartig
geöffnet, mit einem kleinen steinernen Tisch in der Mitte. Eine
TĂĽr verband sie mit dem Eingangsflur des Hauses N. 40:
offenbar war es der Portier [ostiarms\ der zugleich das Schuster-
handwerk betrieb, wie noch heute sehr häufig in Italien. Daß
ein Schuster hier seinen Sitz hatte, beweist der Fund von allerlei
Handwerkszeug, darunter einiger Messer mit gekrĂĽmmter Schneide
und dem Griff in der Mitte der RĂĽckseite; ferner eine in die
Wand gekratzte Inschrift: Pr. ichis iidias refeci scalpro anglato
et siibla nerviaria. Sie ist zwar nicht vollständig verständlich,
doch ist klar, daĂź hier die Rede ist von einer am 14. Juli ge-
schehenen Ausbesserung [refeci) mit Hilfe eines gekrĂĽmmten
Messers [scalpro angidato] und des Pfriemens [stibulä). Auf der-
selben Wand lesen wir: M. Nonius Ca^npanus mil. coli. Villi
pr. > Cacsi. Der Schreiber war Prätorianer der 9. Kohorte, aus
der Centurie des Caesius. Der Name des Centurio, M. Caesius
Blandus, ist zweimal in die Säulen des Peristyls eben dieses
Hauses eingekratzt. Vermutlich waren beide, Hauptmann und
Soldat, in Begleitung eines Kaisers nach Pompeji gekommen;
der Hauptmann mochte in diesem Hause im Quartier liegen, der
Soldat aber lieĂź beim Portier seine Schuhe ausbessern und schrieb,
während dies geschah, seinen Namen an die Wand.
Bei der allgemeinen Sitte, die besseren Wohnungen mit
Statuetten, Marmortischen, Marmorbrunnen u. dgl. zu schmĂĽcken,
ist es natĂĽrlich , daĂź es in Pompeji auch Bildhauer oder doch
Marmorarbeiter gab. Auf die Werkstatt eines solchen stieĂź man
im Jahre 1798 in der Nähe des großen Theaters, an der Stabianer
4o6
Pompeji.
StraĂźe. Man fand dort mancherlei Figuren, Hermen, TischfĂĽĂźe,
Tischplatten und ähnliches; unter anderem eine Platte, die eben
gesägt wurde, mit der Säge im Schnitt, und einen noch unfertigen
Mörser.
An der Nordwestecke der Insula IV (VII), 15 ist in die Mauer,
ziemlich hoch, ein Tuffstein eingelassen, auf dem in Relief allerlei
Maurergeräte gebildet sind; darüber die Inschrift: Diogenes
Fig. 235. Bäckerei mit Mühlen. Photographie I5rogi.
structor^ — »Diogenes der Maurer«. Man möchte hier ein Aus-
hängeschild erkennen. Aber teils ist die Inschrift hierfür doch zu
klein — sie ist von unten kaum lesbar — teils ist keine Tür
in der Nähe, auf die das Schild hinweisen könnte. So ist es
wohl wahrscheinlicher, daĂź Diogenes die Mauer gebaut und dies
Andenken an seine Tätigkeit hinterlassen hatte. Wenn wir da-
gegen an einem zum Gebäudekomplex der Forumsthermen ge-
hörigen Laden auf einer in die Mauer eingelassenen Tonplatte
eine Ziege, an einem anderen Laden auf einer Tuffplatte zwei
XLVn. Die Bäcker.
407
eine Amphora tragende Männer dargestellt finden, so dürfen wir
wohl annehmen, daĂź dort eine Milchhandlung, hier Weinhandel
betrieben wurde.
Der Bäcker ist im Altertum zugleich Müller ; so sind auch in
Pompeji die Bäckereien durchweg mit Mühlen verbunden. Wo
wir einen Backofen ohne MĂĽhlen finden, wie z. B. in der gleich
zu besprechenden FuUonica, da dĂĽrfen wir annehmen, daĂź er
dem Hausbedarf, aber keinem Ge-
schäftsbetrieb diente. Es gab viele
Bäckereien in Pompeji, in dem
ausgegrabenen Teil etwa zwanzig,
eher mehr, mit je drei bis vier
MĂĽhlen. Also kein GroĂźbetrieb,
sondern viele Kleinbetriebe.
Unsere Abbildung Fig. 235 zeigt
das Aussehen einer Bäckerei, mit
Backofen und MĂĽhlen, IV (VII), 2,
22. Wir legen aber unserer Bespre-
chung eine andere (VI, 3, 3), eine
der größten, zugrunde (Fig. 236).
Im vorderen Teil des Hauses
war das Atrium (8) — ohne Alae
und Tablinum — zweistöckig. Vier
mächtige Ziegelpfeiler an den Ecken
des Impluviums, durch horizontale
Wölbung verbunden, trugen den
FuĂźboden des ĂĽber eine Treppe (9)
zugänglichen Oberraumes. Wir
wissen nicht, ob dieser eine offene
Terrasse, oder ob er bedeckt war, und, in letzterem Falle, ob sein
Dach portikusartig von vier Säulen oder Pfeilern getragen wurde,
oder ob er ein geschlossener Raum war, erleuchtet durch Fenster
auf das Impluvium. Letztere Form des Oberstockes ist in einem
1896 ausgegrabenen Atrium, VI, 15, 9, erhalten.
Durch ein Durchgangszimmer (14) gelangen wir in die Bäckerei,
zunächst in den Mühlenraum (15). Die vier Mühlen [h] wur-
den von Eseln gedreht; deshalb ist rings um sie der Boden
Fig. 236. Grundriß einer Bäckerei.
S.Atrium. 15. MĂĽhlenraum. 16. Stall.
17. Ofen. 18. Backstube. 19. Vor-
ratsraum.
4o8
Pompeji.
Fig. 237. MĂĽhle, ohne das Holzwerk.
gepflastert nach Art der StraĂźen. Bei d Reste eines niedrigen
Tisches.
Die Mühlen haben die in Pompeji für größere Mühlen fast
ausschlieĂźlich ĂĽbliche Form.
Sie bestehen aus zwei groĂźen
Lavasteinen. Der untere, die
meta^ ist ein oben kegelförmig
endender Zylinder; doch ist
der zylinderförmige Teil für
gewöhnlich nicht sichtbar, son-
dern mit Mauerwerk umkleidet,
auf dessen oberer Fläche durch
eine Bleiplatte eine rings um-
laufende Rinne gebildet war,
in die das Mehl fiel. Auf der
Spitze des Kegels stand in
einem viereckigen Loch ein
bis zu 12 cm im Quadrat starker Holzpfahl, oben in eine
eiserne Spitze auslaufend, auf der der andere Stein balancierte.
Dieser, der catillus^ besteht
aus einem doppelten Hohl-
kegel oder Trichter, mit enger
Ă–ffnung in der Mitte, etwa
einer Sanduhr vergleichbar.
In den obern Trichter wurde
das Getreide hineingeschĂĽttet,
zwischen dem untern und
dem Kegel der Meta wurde
es zerrieben und fiel dann als
Mehl auf die Oberfläche des
den unteren Teil der Meta
einschlieĂźenden Mauerwerks.
Die Drehung wurde bewirkt
durch zwei Deichseln, die an
der engsten Stelle des Catillus
in zwei große viereckige Löcher eingesetzt und durch Bolzen
befestigt waren, fĂĽr die ein kleineres rundes Loch quer durch
die Wände des großen geht.
Fig. 238. Durchschnitt einer MĂĽhle, wieder-
hergestellt.
XLVII. Die Bäcker. 409
Keine Kraft wäre imstande gewesen, den schweren Catillus
zu drehen, wenn er auf der Meta fest aufgelegen hätte ; er mußte
in der Schwebe gehalten werden, so daĂź er die Meta nur leicht
berührte. Senkrecht über den Deichsellöchern finden sich regel-
mäßig im oberen Rande des Catillus
zwei kleine Einschnitte, in denen
bisweilen Eisenspuren zu erkennen -r=r~'
sind. Offenbar lag hier eine hölzerne -i;^"^ "'IhT'
oder eiserne Querstange, mit einem
Loch in der Mitte, welches, wenn
die Querstange von Holz war, mit
Eisen gefĂĽttert sein muĂźte, und
durch welches die Eisenspitze des -^-n/- >«^ ^w
auf der Meta stehenden Pfahles ging, - i/^^^^ '"^^
so daĂź mittels dieser Querstange
der Catillus ĂĽber der Meta in der AmMmmw\A^mm^.i:,^^^y
Schwebe hing. Die Querstange „. „. „... , . „, . , .
o ='' ° tig. 239. Eine Mühle in latigkeit.
muĂźte also ungemein stark befestigt Relief im vatikanischen Museum.
sein, offenbar so, daĂź sie mit den
Deichseln in Verbindung gesetzt war: durch Stricke oder durch
Eisenbänder oder auch durch eine Holzkonstruktion. Letztere
zeigt ein in Rom im Vatikan befindliches Relief (Fig. 239); wir
haben sie auch in unserer Rekonstruktion angenommen. Neuer-
dings ist in Pompeji eine MĂĽhle nach diesem Muster durch Er-
gänzung des Holzwerkes hergestellt worden
und mahlt recht gut. Durch verschiedene H.1.^- — ^-'^
Höhe des Holzpfahles auf der Meta konnte
stärkere oder geringere Reibung, feineres
oder gröberes Mehl erzielt werden. E^-^J
Der Backofen 1 7, von den noch jetzt
bei einfachem Betrieb ĂĽblichen nicht >^iĂź>Bi^^-^-^-:^=2^^r^=:;=-^^
wesentlich verschieden, ist, wie beistehen- ---=^-=^-^^^-^— -"=^-§^^
1 -r^ 1 1 -ij. • i ■• --L -IL Fig. 240. Durchschnitt eines
der Durchschnitt zeigt, in einen überwölb- Backofens
ten Raum eingeschlossen, aus dem der
Rauch durch zwei Ă–ffnungen {(/) seinen Ausweg fand. Wir
dürfen in diesem Räume wohl eine Rauchkammer erkennen.
In anderen Fällen steigt vor dem Ofen ein Schornstein auf.
Durch zwei kleine Ă–ffnungen [c im Durchschnitt) steht der Raum
4IO
Pompeji.
vor dem Ofen mit den anliegenden Räumen (i8, 19) in Ver-
bindung. In der Backstube (18) wurden auf einem groĂźen Tisch,
dessen gemauerte FĂĽĂźe zur Zeit der Ausgrabung erhalten waren,
die Brote geformt und gelangten dann durch die Ă–ffnung c zum
Backofen. An den Wänden die Spuren der Regale zum Hinlegen
der geformten Brote. Durch die Ă–ffnung auf der anderen Seite (c)
gelangte dann das gebackene Brot in den Vorratsraum ig.
Vor dem Backofen (bei c Fig. 236) sind zwei flache Ton-
schĂĽsseln in eine Aufmauerung eingelassen; zwischen ihnen eine
^^^m^yj^0k^^i
Fig. 241. Knetmaschine, GrundriĂź und Durchschnitt.
Zisternenöffnung; eine kleinere Schüssel steht vor dem Backofen
links [f im Durchschnitt Fig. 240); sie enthielten das Wasser
zum Anfeuchten der Brote. Ăśber den beiden ersteren sah man
auf die Wand gemalt die Laren und zwischen ihnen Vesta, die
Schutzgöttin der Bäckerei. — Bei e im Durchschnitt ist eine
Grube fĂĽr die Asche, die man, wenn das Heizfeuer ausgebrannt
war, aus dem Backofen entfernte.
Nicht in dieser, aber in manchen anderen pompejanischen
Bäckereien, in der Regel in der Backstube, findet sich außerdem
noch eine Maschine zum Kneten des Teiges (Fig. 241); das best-
erhaltene Beispiel in einer Bäckerei auf der Nordseite der Insula
VI, 14. Sie kommt auch vor in antiken Darstellungen des
Bäckerhandwerkes, z. B. in den Reliefs des Denkmals des Bäckers
XLVII. Die Bäcker.
411
Eurysaces vor Porta Maggiore in Rom. Auf dem Boden eines
zylinderförmigen Lavagefäßes (Durchm. 45 — 60 cm) liegt hori-
zontal eine um einen Zapfen im Zentrum drehbare Eisenstange;
auf ihr, im Zentrum, eine eiserne Spitze und Holzreste; die
Wände des Zylinders sind an zwei oder drei Stellen in verschie-
dener Höhe durchbohrt. Offenbar ist die Eisenstange nur die
Grundlage einer hölzernen Vorrichtung, wir können sagen zweier
FlĂĽgel, die sich um eine vertikale Achse in dem Zylinder drehten,
mit Einschnitten, denen Holzstäbe entsprachen, die aus den
Durchbohrungen der Wände in das Innere hineinragten. Bei-
stehender Durchschnitt wird dies klar machen. So wurde der
Teig, an den Flügeln anklebend und durch die Stäbe immer
wieder von ihnen abgerissen, auf das grĂĽndlichste durchgearbeitet.
Es ist klar, daß hierbei der Teig auf den Boden des Behälters
hinab sinken mußte ; es war also nötig, daß man von Zeit zu
Zeit hineingriff, um ihn in die Höhe zu holen, wie dies in der
Tat auf dem Denkmal des Eurysaces dargestellt ist. Von
modernen Teigknetmaschinen ist diese Vorrichtung im Prinzip
nicht verschieden, nur pflegen es dort zwei mit Zähnen ver-
sehene horizontale Wellen zu sein, die sich in entgegengesetzter
Richtung so drehen, daß die Zähne ineinander greifen und der
Teig immer wieder von ihnen losgerissen wird.
Kapitel XLVIII.
Tuchwalker und Gerber.
Das wichtige und oft genannte Gewerbe der Tuchwalker,
fullones^ ist in Pompeji durch zwei größere und mehrere kleine
Werkstätten vertreten.
Ihre Aufgabe ist, den aus der Weberei kommenden Stoff in
Tuch zu verwandeln. Zu diesem Zweck wird derselbe zuerst
mit fettsaugender Walkererde, creta fullonia, und sonstigen Zu-
taten gewaschen und gewalkt, d. h. getreten, geschlagen und
gezogen, und so die Verfilzung des Gewebes bewirkt. Seife,
eine gallische Erfindung, begann in der letzten Zeit Pompejis
eben erst ĂĽblich zu werden. Nochmals wird dann das Gewebe
gewaschen und getrocknet. Dann wird es »gerauht«, d. h. die
unregelmäßig hervorragenden Fäden mehr und gleichmäßiger
herausgezogen. Man bedient sich hierfĂĽr jetzt der mit Wider-
haken versehenen Fruchtköpfchen der Kardendistel [dipsacus
fullonufti)^ die Alten eines Dorngewächses [spina fidlonia)^ dessen
Dornen an einem bĂĽrstenartigen Instrument [aena] befestigt
wurden, oder auch der Haut eines Igels. Darauf wird der Stoff
gebürstet, geschoren, geschwefelt — namentlich die im Altertum
viel gebrauchten weißen Stoffe — und unter die Presse gelegt.
Neben der Bereitung neuer Stoffe besorgten die FuUonen
auch das Waschen gebrauchter Kleider, wobei natĂĽrlich das
Verfahren ein viel kĂĽrzeres und einfacheres war. Es ist wohl
anzunehmen, daĂź die kleineren Anstalten sich nur mit dem
Waschen abgaben.
Eine Reihe von Gemälden in der größten pompejanischen
FuUonica, westlich an der MerkurstraĂźe (VI, 8, 20), fĂĽhrt uns
mehrere dieser Manipulationen vor Augen und ergänzt sich in
erwĂĽnschtester Weise mit dem Amorenfries im Hause der Vettier
XLVm. Tuchwalker.
413
(S. 353)- Sie waren angebracht an einem dicken Pfeiler auf der
Vorderseite des Peristyls. Jetzt sind sie im Museum zu Neapel.
Fig. 242. Szene aus der Fullonica : das Waschen der Stoffe. Wandgemälde.
Das erste Bild (Fig. 242) zeigt das Waschen und Austreten
der Stoffe; die Arbeiter stehen in den Gefäßen, diese in kleinen
Nischen, getrennt durch niedrige Mauern, deren Zweck und Be-
nutzung die größte der vier Figuren zeigt.
Fig. 243. Szene aus der Fullonica. .Ablieferung; das Rauhen des Stoffes: GerĂĽst zum
Schwefeln. Wandgemälde.
In dem zweiten Bilde (Fig. 243) sehen wir das Rauhen des
über einer Stande hängenden Stoffes. Hinter dem hiermit
414
Pompeji.
beschäftigten Arbeiter trägt ein anderer das Gestell und die Kohlen-
pfanne zum Schwefeln herbei; auf dem Gestell sitzt die Eule, der
Vogel der Minerva, der Schutzgöttin der Fullonen, und mit dem
Laube des ihr heiligen Ölbaumes ist der Arbeiter bekränzt. Links
vorn sitzt eine Frau, der ein kleines Mädchen einen fertigen Stoff
ĂĽberbringt.
In dem dritten Bilde übergibt ein junger Mann einem Mäd-
chen einen Stoff. Dabei sitzt eine Frau, die, wie es scheint,
das zum Rauhen der Stoffe
dienende Instrument reinigt;
im Hintergrunde aufgehängte
Stoffe.
Das vierte Bild (Fig. 244)
zeigt die Presse; sie wirkte
mittels zweier Schrauben.
Von den beiden in Pom-
peji erhaltenen Walkereien
liegt die eine (Fig. 245) am
nördlichen Teil der Stabianer
Straße (VI, 14, 21 — 22). Das
Haus war nicht ursprĂĽng-
lich als Fullonica gebaut,
sondern erst später dazu ein-
gerichtet worden und diente
auch dann noch zugleich
als Wohnung; in d erkennen wir die gut erhaltene KĂĽche. Im
Atrium steht hinter dem Impluvium ein Marmortisch, vor diesem
die Basis einer Brunnenfigur und im Impluvium ein Marmor-
becken, in das die Figur einen Wasserstrahl fallen ließ (ähnlich
wie Tafel VII).
Die Vorrichtungen fĂĽr den Gewerbsbetrieb finden wir in dem
Laden n. 21 und im Peristyl [q). Im Laden an der linken Wand
drei Plätze für Waschgefäße, ganz wie wir sie aus dem Gemälde
(Fig. 242) kennen. An der rechten Wand enthielt eine längliche
Vertiefung ohne Zweifel die Presse. Im Peristyl drei groĂźe
Bassins (i, 2, 3), um die Stoffe in Wasser zu legen; das Wasser
fiel aus der Leitungsröhre in das hinterste (3) und gelangte von
hier durch Löcher in den Zwischenwänden in die beiden anderen.
Fig. 244. Presse der Fullonica. Wandgemälde.
XLVm. Tuchwalker.
415
An der Wand ein erhöhter, durch eine kleine Treppe zugäng-
licher Gang (4), von dem man ĂĽber Stufen in die Bassins steigen
konnte. An dem Gange und in der anstoĂźenden Ecke des Peri-
styls weitere sieben Plätze für Waschgefäße. Auf den Wänden des
Ganges stellt ein flüchtig ausgeführtes langgestrecktes Gemälde
die Walker dar, wie sie ein Fest feiern, wohl die Quinquatrus,
das Fest ihrer Schutzgöttin Minerva, dazu eine Gerichtsverhand-
lung über eine bei dem Feste entstandene Schlägerei. In in
wurde ein Haufen Walkererde gefunden.
Dieser FuUonica gegenĂĽber wohnte der betriebsame Bankier
L. Caecilius Jucundus. Aus seinen Quittungstafeln (Kap. LVIII)
ergibt sich, daĂź er in
den Jahren 56 — 60
n. Chr. eine der Stadt
gehörige FuUonica ge-
pachtet hatte. Mög-
lich, daĂź es eben diese
war. In der letzten Zeit
betrieb hier T. Ve-
sonius Primus sein
Handwerk. Da er sich
lebhaft fiir die Kom-
munalwahlen interes-
sierte, begegnet sein Name mehrfach in gemalten Inschriften auf
der Straßenwand dieses und der anstoßenden Häuser. C. Gavium
Ruf um II vir. o. v. f. utile ni r. p. [duumviruvi^ oro vos, facite^
utilcvi rei publica e] Vcsonius Primus rogat, — »den C. Gavius
Rufus wählt zum Duumvirn, ich bitte euch, er ist dem Gemein-
wesen nützlich, Vesonius Primus bittet darum«. In einer andern
Inschrift nennt er auch sein Gewerbe : L. Ccium Sccundum II
V. i. d. Primus fullo rog[at)^ — »Primus der Walker bittet um
die Wahl des L. Ceius Secundus zum rechtsprechenden Duumvirn«.
Einmal ließ er auch sein Geschäftspersonal an der Empfehlung
teilnehmen: Cn. Helvium Sahinum aed. Primus cum suis fa[cit)
— »Primus und seine Leute betreiben die Wahl des Cn. Helvius
Sabinus zum Adilen«.
Primus wohnte in dem sĂĽdlich anstoĂźenden Hause (N. 20),
das nach einem großen Gemälde auf der Gartenwand — Orpheus
Fig. 245. GrundriĂź einer FuUonica.
4i6
Pompeji.
unter den Tieren musizierend — Haus des Orpheus genannt
wird ; an der RĂĽckseite des Atriums hatte sein Kassierer [arcarins]
seine BĂĽste aufgestellt, mit der Inschrift: Primo n[ostro) Anter os
arcarius.
Auch die größere Fullonica an der Merkurstraße (VI, 8, 20)
ist in einem großen Wohnhause erst später eingerichtet worden.
Die Säulen des Peristyls hatte man durch starke gemauerte
Pfeiler ersetzt, die eine Terrasse zum Trocknen der Stoffe trugen.
An der Rückseite vier viereckige Bassins; die beiden größten
messen 2,15 X 2,55 bzw. 2,65 m; wie in der Walkerei des Pri-
mus gelangte das Wasser
durch Löcher in den
Zwischenwänden aus
einem in die anderen.
In der Ecke rechts von
den Bassins sechs Plätze
für Waschgefäße. Ge-
waschen wurde wohl
auch in einem gewölb-
ten Raum rechts amPeri-
styl, mit einer Zisternen-
öffnung, einem großen
gemauerten Bassin und
einem steinernen Tisch.
Man fand hier einen Haufen einer Masse, die man fĂĽr Seife hielt;
unzweifelhaft war es Walkererde.
Eine Gerberei wurde 1873 in der Nähe des Stabianer Tores
ausgegraben; sie nimmt die kleine Insula 1,5 fast ganz ein, doch
befinden sich die charakteristischen Vorrichtungen nur in einem
kleinen Teil des fĂĽr die industrielle Anlage grĂĽndlich umgestal-
teten Hauses. Sie sind zweierlei Art: zur Bereitung einer fĂĽr die
Gerberei benutzten FlĂĽssigkeit, und zur Behandlung der Felle.
Erstere befinden sich in einem auf den Garten geöffneten
Portikus. Aus einem gemauerten Becken floĂź die FlĂĽssigkeit
teils durch zwei Ă–ffnungen in ein niedrigeres Becken, teils in
eine an der Wand entlang gefĂĽhrte gemauerte Rinne, aus der
sie dann durch drei seitwärts abzweigende Rinnen in drei große
Tongefäße gelangte.
Fig. 246. GrundriĂź der Gerberei.
XLVIII. Gerberei.
417
Die Vorrichtungen zur Behandlung der Felle, in einem aus
einem früheren Atrium zurechtgemachten bedeckten Räume
(Fig. 246), bestehen aus Gruben und Behältern verschiedener
Form. Es sind fünfzehn runde Gruben von 1,25 — 1,60 m Durch-
messer und etwa 1,50 m Tiefe, mit Stuck ausgekleidet, mit je
zwei Löchern in den Wänden zum Ein- und Aussteigen. Da-
zwischen drei länglich viereckige Gruben, etwa 0,50 m tief, einst.
Fig. 247. Mosaik auf dem Tische im Garten der Gerberei.
wie es scheint, mit Holz ausgekleidet. Neben jeder dieser letz-
teren Gruben zwei in den Boden eingelassene Tongefäße.
Endlich zwischen jedem dieser Gefäße und der länglichen Grube
ein enges, zylinderförmiges Loch, von der Tiefe der Grube und
unten gegen diese geöffnet: es enthielt — so scheint es — eine
Tonröhre, doch ist diese nirgends erhalten. Zweifellos wurden
in diesen Gruben die Felle mit den Gerbstoffen in BerĂĽhrung
gebracht; die groĂźen Gruben dienten fĂĽr die Lohgerberei, die
kleineren, länglichen, für Weißgerberei [aluta^ feineres mit Alaun
Mau, Pompeji. 2. Aufl. 27
4 1 8 Pompeji.
bereitetes Leder). Die fĂĽr letztere benutzten Chemikalien waren
in den Tongefäßen enthalten und wurden durch die senkrechten
Röhren in die Gruben geleitet.
Vier Instrumente, ähnlich den noch jetzt üblichen, wurden
hier gefunden: ein bronzenes Schabmesser mit gut erhaltenem
Holzgriff am RĂĽcken der Klinge, zwei gebogene Schabeisen mit
Griff an jedem Ende, und ein eisernes Instrument mit runder
Schneide.
Der Garten, auf den sich der oben erwähnte Portikus öffnet,
enthält ein Gartentriclinium (S. 270), auf dessen Tisch ein be-
merkenswertes buntfarbiges Mosaik (jetzt in Neapel] angebracht
war (Fig. 247). Es sind lauter Symbole des Todes: der Toten-
kopf, Schmetterling und Rad als Symbole der vom Körper ge-
trennten Seele und der enteilenden Zeit. Rechts und links die
Spolien, das was der Mensch auf Erden zurückläßt: rechts der
Wanderstab, die Tasche und das ärmliche Gewand des Bettlers,
links Szepter und Purpurmantel; darĂĽber die Setzwage mit dem
Richtblei als Symbol des alles gleichmachenden Schicksals. Die
Bedeutung einer solcher Darstellung gerade auf dem Speisetisch
ist ja durchsichtig genug:
Mors, awem vellens, vivite, ait, veniol
Kapitel XLIX,
Schenken und Wirtshäuser.
Weinschenken, cauponac, finden sich in Pompeji in groĂźer
Zahl; gleich der heutigen Osteria waren sie durchweg zugleich
Speisewirtschaften, häufig auch mit Schlafgelegenheit. Das Wirts-
haus zum Ăśbernachten heiĂźt hospitium^ auch wohl canpona\ es
war wohl immer mit Schenk- und Speisewirtschaft verbunden.
Die Wirte, caupones^ copojics^ begegnen mehrfach in Inschriften,
sowohl Wahlprogrammen als Graffiti. Sie erfreuten sich nicht
eben des besten Rufes.
Einige Wirtshäuser sind durch Inschriften bezeichnet. An
der TĂĽr eines Hauses auf der Westseite der Insula III (IX), 8 (7)
ist gemalt: Hospitiuiii Hygini Finnig — > Gasthaus des Hyginius
Firmus«. Auf der Westseite der Insula IV (VII), i, nördlich
der Stabianer Thermen, las man (jetzt verblichen) : Hospitimn hie
locaUir^ triclitiiuin cum tribus Icctis^ — »Hier ist Unterkunft zu
haben, Speisezimmer mit drei Betten«; die Inschrift war noch
länger, aber das folgende war unlesbar. Über dieser Inschrift
war ein Elephant gemalt, umwunden von einer Schlange und
von einem Pygmäen gehütet, mit der Beischrift: Sittius restituit
E/epanfii, — • »Sittius hat den Elephanten erneuert«. Das Wirts-
haus hieß also »Zum Elephanten«. der Besitzer Sittius.
Keines dieser beiden Häuser enthält etwas für den Gasthaus-
betrieb Charakteristisches. Lehrreicher ist in dieser Beziehung
ein Haus auf der Westseite der Insula IV (VII), 12 (Fig. 248),
das an einigen in die Wände eingekratzten Inschriften mit
groĂźer Wahrscheinlichkeit als Wirtshaus erkannt wird. Gleich
von der StraĂźe treten wir in den groĂźen Mittclraum a. Wir
nehmen an, daĂź er ganz bedeckt war, da sich von einem Im-
pluvium keine Spur findet. Er diente wohl als Speisesaal. An
27*
420
Pompeji.
ihm liegen sechs Schlafkammern [b — g) und die Küche [h).
Aber der Wirt rechnete nicht nur auf Reisende, sondern auch auf
Stadtgäste; für diese war das auf die Straße geöffnete Schenk-
lokal n bestimmt, mit noch einem Speisezimmer [o] und dem
Abtritt (/). Aus dem groĂźen Mittelraum [a] fĂĽhrt ein kurzer
Gang (z, links der Abtritt /) in den Stall [k): diesem gegenĂĽber
die Tränke für die Zugtiere. Die Wagen mochten in m und
vielleicht auch in a eingestellt werden.
Die schon erwähnten Inschriften rühren von Gästen her, die hier
übernachteten. In c schrieb C. Valerius Venustus, Prätorianer
der ersten Kohorte, aus der Centurie des Rufus, seinen Namen
Fig. 248. GrundriĂź des Wirtshauses
VII, 12, 35.
Fig. 24g. GrundriĂź der Herberge
des Hermes.
an die Wand. Eben dieser Wand vertraute ein liebevoller
reisender Ehemann seine Sehnsucht an: Vibius Restitutus hie
solus dormivit et Urbatiam siiam eiesiderabat^ — »Vibius Resti-
tutus schlief hier allein und sehnte sich nach seiner Urbana«. In
demselben Zimmer weilten einmal vier Schauspieler von der
Truppe des Actius Anicetus (S. 147). In d schrieb einer einen
GruĂź an seine Heimatstadt Puteoli: Coloniae Clan. Neronesi
Puteolan[a]e felieitcr ; scripsit C. Julius Speratus. Puteoli hatte,
wie Tacitus berichtet, von Nero die Erlaubnis erhalten, sich nach
seinem Namen Colonia Claudia Neronensis zu nennen. Zwei
Freunde, Lucifer und Primigenius, ĂĽbernachteten in yj Lucceius
Albanus aus Abellinum (Avellino) in g.
Die von dem erewohnten Schema sfänzlich abweichende
XI.IX. Schenken und Wirtshäuser.
421
Anordnung der Räume dieses Hauses beweist, daß es eigens für
den Wirtshausbetrieb gebaut wurde. In anderen Fällen wurden
beliebige Wohnhäuser für denselben eingerichtet. So das Haus
des Sallust, das in der letzten Zeit Pompejis wenigstens zum
groĂźen Teil als Wirtshaus benutzt wurde.
Die Wirtshäuser in der Nähe der Stadttore haben eine ge-
pflasterte, den Gangsteig unterbrechende Einfahrt fĂĽr Wagen;
es sind Fuhrmannsherbergen. Wir geben (Fig. 249) den Grund-
riĂź der Herberge des Hermes, am Stabianer Tor, fĂĽr den Ein-
fahrenden rechts. Neben dem Eingangsraume [a) zwei auf die
Straße geöffnete Schenklokale [d, d). Rechts gleich hinter der
Treppe der Herd. Auf der linken Wand das Larenbild (jetzt
zerstört): die beiden Laren und der opfernde Genius mit dem
Opferknaben und dem Flötenbläser. Darunter ein Mann, der aus
einer Amphora den Wein in ein groĂźes TonfaĂź [doliiim) gieĂźt,
mit der Beischrift Hermes] vermutlich ist dies der Name des
Wirtes. In dem großen Räume weiter rückwärts standen ohne
Zweifel die Wagen ; in der rechten Vorderecke die Tränke, hinten
der Stall [k). Schlafkammern sind zu ebener Erde nur drei
(^j £^1 ^^)i doch waren ihrer mehrere im Oberstock, zugänglich
ĂĽber die Treppe bei g\ drei derselben lagen ĂĽber dem Stall.
Obere Zimmer über den vorderen Räumen [a, b^ f, d^ e), mit
Treppeneingang direkt von der StraĂźe, waren wohl besonders
vermietet.
Die pompejanischen Herbergen geben ohne Zweifel eine rich-
tige Vorstellung auch von ähnlichen Häusern in anderen Städten.
Die Preise waren niedrig und die Leistungen dem entsprechend.
Reisende der besseren Klassen übernachteten, wenn irgend mög-
lich, bei Gastfreunden.
Wir geben beistehend den GrundriĂź einer Caupona an der
Nordwestecke der Insula VI, 10, östlich der Merkurstraße. Sie
war nicht nur auf dort verzehrende Gäste, --■m^
sondern auch auf Verkauf ĂĽber die StraĂźe
berechnet. Diesem diente der auf die StraĂźe Li^-i f^^W^^
geöffnete Raum a; der gemauerte Ladentisch ^^^^_ ^^J
hat die gewöhnliche Form mit treppenförmi- ..• r a •» •
o 1^1 r lg. 250. Cirundrib einer
gem Rcpositorium am einen und einer Vor- Schenke.
richtung, um ein Gefäß auf Feuer zu stellen, am andern Ende;
außerdem sind mehrere Tongefäße, die feste und flüssige Waren
422
Pompeji.
Fig. 251. Szene in einer Schenke. Wandgemälde.
enthalten konnten, in ihn eingelassen. An der rechten Wand
ein Herd; wir können sicher diesen Raum ein Thermopolium
nennen. Aus ihm kommt man links hinten in das Gastzimmer b,
mit besonderem (mo-
dern vermauerten) Ein-
gang von der StraĂźe,
Auf den Wänden des-
selben ist das hier
herrschende Treiben
in einer Reihe von Bil-
dern dargestellt. Wir
sehen da die Gäste,
wie sie stehend oder
auf StĂĽhlen sitzend
essen , trinken und
WĂĽrfel spielen. Es ist
was Martial eine »Sitz-
wirtschaft« [sellariola
popinci) nennt; zu Tische zu liegen gab es hier keine Gelegenheit.
Der einfache Charakter des Lokals wird auf einem der Bilder
(Fig. 251) veranschaulicht durch allerlei an einer Stange unter der
Decke aufgehängte Lebensmittel. Auch an Beischriften fehlt es
nicht. Bei einem Gaste, dem
der Kellner eben einschenkt,
lesen wir: da fridam ptisilliwi^
»Gieß kaltes Wasser zu, nur
wenig«. Auf einem andern
Bilde bei einer ähnlichen Szene :
adde caliccvi Setinum , —
»noch einen Becher Setiner«.
Es wurde also auch in dieser
einfachen Wirtschaft nicht nur
das Gewächs der Umgegend,
sondern auch der Wein des
ziemlich entfernten Setia (Sezze, am Abhang der Volskerberge)
verzapft. Ein anderes Bild (Fig. 252) zeigt die Ankunft des
Weines: aus dem noch auf dem Wagen liegenden groĂźen
Schlauch wird er in Amphoren gefĂĽllt.
Fig. 252. Umfiillung des Weines. Wandgemälde.
XLIX. Schenken und Wirtshäuser.
423
Diese letztere Darstellung wiederholt sich auf einer Wand des
Durchgangsraumes c, durch den wir in das kleine Zimmer d
kommen, seiner Größe nach ein Schlafzimmer. Der erotische
Charakter der Bilder auf den Wänden — Aphrodite fischend,
Polyphem und Galatea — legt aber den Verdacht nahe, daß es
der Prostitution diente. DaĂź diese vielfach in Schenken und
Gasthäusern betrieben wurde, ist bekannt genug, und in einer
andern Caupona Pompejis lassen die gänzlich unzweideutigen
Bilder eines ähnlichen Zimmers über die Bestimmung desselben
keinen Zweifel aufkommen.
Der Durchgangsraum c steht in Verbindung mit dem Atrium
des Hauses Nr. 2, und auf Räume desselben öffnen sich auch
zwei kleine Fenster von d. Ob etwa das ganze Haus als Wirts-
haus diente, oder ob es vom Besitzer bewohnt war und dieser
in den eben beschriebenen Räumen die Schenkwirtschaft betreiben
lieĂź, das sind wir nicht in der Lage zu entscheiden.
Von einem Hause in der Nähe des Stabianer Tores (I, 2, 24
können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob es auch eine Herberge,
oder nur eine groĂźe Schenk- und Speisewirtschaft war. Als
letztere ist es beglaubigt durch eine Wandinschrift, in der ein
Gast seinem Unmut Ausdruck gab: Talia tc fallant utinani
vie[n)dacia^ copo^ Tu ve[n)des actiajit et Mb es ipse uiermn. Ortho-
graphie und Metrik sind mangelhaft, aber der Sinn ist klar:
Kneipwirt, möchten solche Lügen
Auch einmal dich selbst betrĂĽgen.
Du trinkst ungemischten Wein,
Wasser schenkst den Gästen ein.
Im Atrium ist das Impluvium nicht in der Mitte, sondern
links hinten in der Ecke, wo zwei Säulen das Dach stützten, so
daĂź der ganze Raum viel unbehinderter auch als Speisesaal be-
nutzt werden konnte. Das Haus enthält ferner mehrere mäßig-
groĂźe Speisezimmer, wenig Schlafkammern. Aber freilich konnten
deren noch mehrere im Oberstock sein, zu dem zwei Treppen
führten. Rechts vom Atrium eine kleine Säulenhalle, die sich
auf einen Garten öffnet, dessen Mitte ein gemauertes Triclinium
einnimmt. Wir dĂĽrfen annehmen, daĂź dies von einer Weinlaube
beschattet war und mögen der lunladung des Schenkmädchens
in der Copa gedenken: Sunt topia et calybae^ cyatJii^ rosa^ tibia^
424 Pompeji.
chordae ^ Et trichila umbriferis frigida arundinibus. Eia age,
pampinea fessus requiesce sub umbra^ Et gravidmn roseo necte
Caput strophio.
Garten, rohrgeflochtne Laube,
Becher findst du hier und Rosen,
Saitenspiel und Flötenklang
Werden freundlich dich umkosen.
Komm und ruh nach heiĂźem Wege
Unter Reben, dichtbelaubt,
Und mit Rosen, frisch und duftig,
Kränze froh das müde Haupt.
VIERTER TEIL.
DIE GRĂ„BER.
Kapitel L.
Die Gräberstraße vor dem Herculaner Tor.
jNur ein kleiner Teil der Gräber Pompejis ist erforscht worden.
Dicht gereiht lagen sie an den StraĂźen vor allen Toren, weit
hinaus: noch in Scafati, 2 km von Pompeji, wurde der Grabstein
eines Magisters der Vorstadt gefunden. Am bekanntesten und
in der größten Ausdehnung ausgegraben ist die Gräberstraße
vor dem Herculaner Tor. Aber auch an den aus dem Stabianer,
Nuceriner und Nolaner Tor führenden Straßen hat man Gräber
gefunden, vor letzterem auĂźerdem an der Mauer entlang das Vor-
handensein dürftiger Ruhestätten festgestellt.
Aus vorrömischer, samnitischer Zeit kennen wir von zwei, wie
es scheint, dĂĽrftigen Grabfeldern je eine kleine Ecke; nur zwei
oder drei Monumente gehören der republikanischen, alle übrigen
der Kaiserzeit an. Nur die vorrömischen Gräber enthielten un-
verbrannte Leichen, alle ĂĽbrigen Aschenurnen.
Sehr verschieden sind die Formen der Gräber, verschieden
auch die Bestattungsweisen und die diesen zugrunde liegenden
Anschauungen und Empfindungen. Einige legten vor allem Wert
darauf, die Asche unter Erde zu bringen, andere auf ein statt-
liches Monument. Wieder anderen lag daran, daĂź die Asche
für die Totenopfer zugänglich blieb, oder daß es möglich war,
in derselben Kammer noch andere Familienglieder beizusetzen.
Manche gestalteten die Grabstätte zugleich zu einem freundlichen
Aufenthalt fĂĽr die Ăśberlebenden, nicht nur fĂĽr die an den Ge-
denktagen sich hier versammelnde Familie, sondern auch fĂĽr den
42 6 Pompeji.
des Weges kommenden Wanderer. Manche endlich suchten
mehrere dieser Bestrebungen zu vereinigen. Die der archi-
tektonischen Gestaltung zugrunde liegenden Formen sind die des
Altars, des Tempels, des Triumphbogens, der Nische, des un-
bedeckten halbrunden Sitzes [schola].
Aus dem Herculaner Tor (PlanV) fĂĽhrt die LandstraĂźe in sanfter
Neigung abwärts am Abhänge des Stadthügels, rechts überragt
von dem mit Villen bedeckten HĂĽgelrĂĽcken, links hinabblickend,
soweit nicht Gebäude den Blick hemmten, auf das Meer und die
Felsabhänge der Sorrentiner Küste. Gleich rechts am Tor zweigt
eine StraĂźe ab, an der Mauer entlang quer ĂĽber den HĂĽgel.
Wenig weiter abwärts führt eine zweite links hinab an das Meer,
weiterhin, etwa 150 Schritte vom Tor, eine dritte wieder rechts
vesuvwärts auf den Rücken des Hügels.
Gleich am Tor beginnt die Reihe der Gräber. Links eine
erste Gruppe, Nr. i — 4« auf PlanV, bis an die hier abzweigende
Straße. Eine zweite rechts, Nr. i — 9, reicht etwas weiter hinab.
Dann Hnks die im 18. Jahrh. ausgegrabene und wieder ver-
schüttete sogen. Villa des Cicero (Nr. 5 — 15), rechts eine den
HĂĽgelrĂĽcken einnehmende Villa [Casa delle colonne di 7nnsaico^
Nr. IG — 30), beide an die Straße stoßend, mit ladenartigen, weit
offenen Räumen, wahrscheinlich Schenkwirtschaften und Her-
bergen, denen ein Pfeilerportikus vorgelegt ist. Dann wieder
Gräber. Links eine dritte Gruppe, Nr. 16 — 23, auf einem schmalen
Streifen von der Villa des Cicero bis zu der wieder an die StraĂźe
stoßenden Villa des Diomedes, rechts eine vierte, Nr. 33 — 43, in
der Gabelung der beiden hier sich trennenden StraĂźen.
Endlich rechts der hier abzweigenden StraĂźe die Samniten-
gräber, Nr. 31 — 32. Nur wenige derselben hat man aufgedeckt.
Sie liegen dicht gereiht und bilden offenbar die äußerste Ecke
eines größern Begräbnisplatzes für Leute geringen Standes. Es
sind sargartige Kasten aus Kalkstein, mit Erde bedeckt. Man
fand in ihnen, neben dem Skelett der unverbrannten Leiche,
kleines bemaltes Tongeschirr — campanische Ware des zweiten
oder dritten Jahrhunderts v. Chr. — und in zwei Gräbern je eine
Münze mit unerklärter oskischer Aufschrift, vielleicht in Nola
geprägt. Grabsteine, die über der Erde sichtbar gewesen wären,
sind nicht gefunden worden. Ähnliche Gräber, auch mit ge-
Mau, Pompeji. 2. Aufl. Plan V.
Link
Grab des M. Cerri
» des A. Vejus.
» des M. Porciiis.
» der Priesterin Mamia.
. » der Istacidier.
4''. StraĂźe zur Badeanstalt des I\I. Crassu>
Knigi.
5-15. Sogenannte Vilhi des Cicero.
16. Unvollendetes Crab.
17. Grab des A. Umbricius Scaiiriis.
18. Rundes Grab.
19. Namenloses Grab.
20. Grab des ('alventins (liiietus.
21. y des N. Istacidiiis Hcieniis.
22. - der Naevoleja 'J'ycbc.
23. Tricliniiim funebrc.
24. Sogenannte Villa des Uioniedes.
Gr;ib(
zu S. 426.
Rechts:
1. Namenloses Grab.
2. Grab des T. Terentius Felix.
3-5. Namenlose Gräber.
6. Guirlandengrab.
7. Namenloses Grab.
8. Grab des blauen GlasĂźefiiĂźes.
9. Grabnische.
10-30. Villa (Casa dclle colnnnc di mu-
saico).
10. II. 13. 14. LĂĽden.
12. Garten, ?u den Gräbern 8 und g
gehörig.
15. Eingang der Wirtschaftsriiume.
16-28. Herbergen.
29-30. Töpferei.
31. 32. Samnitengräber.
33. Unfertigis Grab.
34. Grab mit MarmortĂĽr.
35. 36. Unfertige Gräber.
37. Grab de.s M. Allejus Luccius I.ibella.
38. Grab des L. Cejus Laben.
39. Namenloses Grab.
40. ( Irab des Salvius.
41. » des N. Velasius Gratus.
4-'. des M. Arrius Diomedes.
4T. der .'\rri:i.
aĂĽe.
I,. Die Gräberstraße vor dem Ilerculaner Tor.
427
malten Vasen (die sonst in Pompeji nicht vorkommen), sollen
gefunden worden sein in dem Wirtschaftshofe der Villa des Cicero,
an der zum Meer hinabfĂĽhrenden StraĂźe; doch gibt es ĂĽber
diesen Fund weder offizielle Berichte noch sonst nähere Angaben.
Und ganz neuerdings (seit 1907) kommen in dem Hofe der Villa
rechts am Wege (12) Gräber zutage, unverbrannte Leichen mit
sehr wenigen und dĂĽrftigen Beigaben, wie es scheint aus dem
3. Jahrh. v. Chr.
Ein schmaler Bodenstreif beiderseits der Straße gehörte der
Stadt; durch BeschluĂź des Stadtrats konnten hier GrundstĂĽcke
zur Beisetzung verdienter BĂĽrger bewilligt werden. Dies wird
dann stets in der Grabschrift erwähnt [locus datiis deciirionuni
decreto oder ähnlich) ; wo dies nicht der Fall ist, haben die Hinter-
bliebenen den Begräbnisplatz von der Stadt gekauft.
An der rechten Ecke der an das Meer fĂĽhrenden StraĂźe war
eine Inschrift angebracht: Ex autoritäre imp. Caesar is Vespa-
siani Aug. loca publica a privatis possessa T. Suedius Clemens
tribuuus causis cognitis et mensuris f actis rei publicae Povipcia-
norunt restituit^ — »Im Auftrage des Kaisers Vespasian hat der
Kriegstribun T. Suedius Clemens die von Privaten in Besitz ge-
nommenen GemeindegrundstĂĽcke nach Untersuchung der ein-
zelnen Fälle und nach Aufnahme der Maße dem Gemeinwesen
der Pompejaner zurückgegeben.« Nach dem Orte der Inschrift
zu schlieĂźen, wird dieser widerrechtlich okkupierte Gemeinde-
grund an der hier abgehenden StraĂźe gelegen haben. In der
Nähe wurde eine Marmorstatue gefunden, ein Mann in der Toga
mit einer Schriftrolle in der Hand, vermutlich also Suedius Cle-
mens; sie stand, wie es scheint, in größerer Höhe, etwa in einer
Mauernische der Villa des Cicero.
Eine andere Inschrift fand sich in dem anstoĂźenden Wirt-
schaftshofe eben dieser Villa; nicht an ihrem Platze; doch ist
anzunehmen, daß sie hier in der Nähe angebracht war: TJierviac
M. Crassi Friigi aqua mar in a et baln. aqua dulci. lanuarius
l[ibertus). — »Badeanstalt des M. Crassus Frugi. Warme Seebäder
und Süßwasserbäder. (Direktor) der Freigelassene Januarius. «
M. Licinius Crassus Frugi, Konsul 64 n. Chr.. dann 68 von Nero
getötet, besaß, wie wir aus Plinius XXXI, 5) wissen, eine aus
dem Meer aufsprudelnde heiĂźe Quelle. Diese befand sich also,
42 8 ' Pompeji,
mit einer Badeanstalt verbunden, hier, am Strande von Pompeji.
Unsere Inschrift war ihr Aushängeschild, angebracht an der Ecke
der zu ihr hinabfĂĽhrenden StraĂźe.
Unsere Tafel XI gibt eine Gesamtansicht der Gräberstraße,
genommen von der StraĂźe vor der Villa des Diomedes, mit dem
Blick gegen das Tor. Der stimmungsvolle Charakter des Bildes
wird erhöht durch die von einer frühern Verwaltung zwischen
den Gräbern gepflanzten Zypressen. Den Blick die Straße ab-
wärts zeigt Fig. 255.
Die Betrachtung der einzelnen Gräber, unter den Nummern,
die sie an Ort und Stelle und auf unserem Plan haben, beginnen
wir mit der ersten Gruppe, links gleich am Tor, indem wir noch
kurz daran erinnern, daĂź das Tor um den Beginn der Kaiserzeit
an der Stelle eines älteren, etwas weiter links Hegenden neu er-
baut worden ist. Einige der älteren Gräber (links 3, rechts 3, 4, 6)
zeigen durch ihre Lage und Richtung, daĂź sie vor diesem Neu-
bau entstanden sind.
Links I. Grab des Cerrinius Restitutus. Eine niedrige
Nische mit Tonnengewölbe; an den Seitenwänden gemauerte
Bänke. An der Rückwand stand der reich skulpierte marmorne
Grabstein, in den, wie es scheint, ein Reliefbild des Toten ein-
gelassen war, vor ihm ein kleiner Altar, auch aus Marmor, unter
dem ohne Zweifel die Asche ruhte. Grabstein und Altar trugen
die gleiche Inschrift: M. Cerrinius Restitutus^ Augustalis ^ l. d. d. d.
[locus datus decurionum decreiö). Deutlich erscheint hier das
Grab als der Ort, wo sich an den Gedenktagen die Angehörigen
um den Toten versammeln und ihm, ĂĽber seiner Asche, vor
seinem Bilde, die ĂĽblichen Opfer bringen.
2. Grab des Vejus (Fig. 253 links). Eine halbrunde, a^uf
die Straße geöffnete Bank aus Tufif, 6 m breit; die Enden sind
als geflügelte Löwentatzen gebildet. Verloren ist die Statue des
Verstorbenen auf der hinten an die Lehne angemauerten und
sie ĂĽberragenden Basis, erhalten ebenda die Inschrift: A. Veio
M. f. Ilvir. i. d. iter. quinq. trib. milit. ab populo^ ex d. d.
Nicht nur den Platz hatte der Stadtrat bewilligt, sondern auch
das Denkmal errichten lassen. Indem er diesem die Form
eines Sitzes gab, verband er mit der Ehrung des Toten eine
Leistung für das Gemeinwohl. Zugleich aber verkörpert diese
L. Die Gräberstraße vor dem Herculaner Tor.
429
Grabform den von so vielen Inschriften ausgesprochenen freund-
lichen Gedanken, daĂź der Verstorbene mit denen, die des Weges
kommen, sich in Beziehung setzt, sich ihnen — wie hier Vejus
durch Statue und Inschrift — zu erkennen gibt, von ihnen an-
geredet und begrĂĽĂźt wird. An den Erinnerungstagen werden
sich hier die Angehörigen zum Totenmahle versammelt haben.
Die Aschenurne war wohl in dem kleinen ummauerten Grund-
stĂĽck hinter dem Sitz in der bloĂźen Erde beigesetzt.
3. Grab des M. Porcius (Fig. 253 in der Mitte]. Auf einem
Lavasockel erhebt sich ein viereckiger Mauerkern; die ihn einst
Fig. 253. Griiber des Vejus, des Porcius, der Mamia, der Istacidier.
umhĂĽllenden Tuffquadern sind verschwunden, erhalten aber die
volutenartigen Glieder (aus Travertin), die dem Ganzen die Form
eines groĂźen Altars gaben. Das Innere war hohl, aber nur zur
Materialersparnis, nicht als Grabkammer; das Monument stand
ĂĽber der in der Erde beigesetzten Asche. An den Vorderecken
stehen zwei kleine Lavasteine mit der Inschrift: M. Porci M. f. ex
dec. decret. in frontevi pcd. XX\\ in agrnm pcd. XXV\ sie be-
zeichnen die Grenzen des vom Stadtrat angewiesenen Grund-
stĂĽckes von 25 FuĂź im Quadrat. Ăśb nun hier der Miterbauer
des kleinen Theaters und des Amphitheaters ruht, ob etwa der
andere M. Porcius, vielleicht sein Sohn, der an dem Bau des Altars
vor dem Apollotempel (S. 82 beteiligt war, das vermögen wir
nicht zu entscheiden.
430 Pompeji.
4. Grab der Priesterin Mamia (Fig. 253 rechts). Ein Sitz
wie der des Vejus, wohl etwas jĂĽngeren Ursprunges: dort in den
mit gespreizten Klauen fest auftretenden Löwentatzen dieselben
kraftstrotzenden Formen wie in den gleichartigen Gliedern des
kleinen Theaters (S. 163); hier eine schwächliche Zierlichkeit, die
wohl auf eine in der Zeit des Augustus eingetretene Geschmacks-
richtung zurĂĽckgeht. In die Lehne ist mit groĂźen Buchstaben
eingehauen: Maniiae P. f. sacerdoti publicae locus sepultur[ae]
datus decurionuni decreto. Indem die Erben an diesem herrlichen
Aussichtspunkt einen zweiten Ruheplatz schufen, wollten sie wohl
ihrer Dankbarkeit fĂĽr die Anweisung des GrundstĂĽckes Aus-
druck geben. Die Asche wird auch hier hinter dem Sitz be-
graben sein.
Von diesen vier Gräbern ist das älteste das des Porcius; es
ist allem Anschein nach älter als der Neubau des Tores. Einer
seiner Grenzsteine ist von dem Mauerwerk des Sitzes des Vejus
bedeckt. Dieser ist, wie schon gesagt, älter als der der Mamia,
älter auch als die Nische des Cerrinius, deren Mauerwerk zum
Teil auf seiner Lehne liegt. Noch jĂĽnger ist das Grab hinter
dem Sitze der Mamia [\a)\ denn man wird doch die weiter zu-
rück liegenden Plätze erst bebaut haben, nachdem die an der
StraĂźe besetzt waren.
4a. Grab der Istacidier. Hinter dem Sitz der Mamia
(Fig. 253 rechts), auf einer am Abhänge künstlich hergestellten,
von einem niedrigen Geländer eingefaßten Terrasse erhebt sich
ein tempelartiger Bau mit Halbsäulen. Im Innern eine von der
Stadtseite zugängliche, sehr einfach im dritten Stil ausgemalte
Kammer, oder genauer ein viereckiger Gang rings um einen die
Wölbung stützenden mächtigen Pfeiler. In den Wänden Nischen
für die Aschenurnen, zehn kleine und eine größere, in der Ost-
wand, fĂĽr das Haupt der Familie und seine Gattin. Hier blieb
also die Asche den Überlebenden zugänglich, die an den Gedenk-
tagen ihre Opferspenden in die Urnen gieĂźen konnten. Der Bau
war zweistöckig; oben standen in einem säulengetragenen Rund-
bau aus Tuff, von dem Teile noch am Orte liegen, Statuen der
hier Beigesetzten (Fig. 254). Die Hauptinschrift des Grabes ist
nicht gefunden worden, wohl aber in dem eingefriedigten Raum
eine Anzahl der eigentĂĽmlichen, auĂźer in Pompeji nur noch in
L. Die Gräberstraße vor dem Herculaner Tor.
431
Sorrent und Capua vorkommenden Grabsteine in Form einer
Büste, die statt des Gesichtes eine glatte Fläche und auf der
Brust die Inschrift hat. Sie mögen sich auf Aschenurnen be-
Fig. 254. Grab der Istacidier, wiederhergestellt.
ziehen, die zum Teil in den kleineren Nischen beigesetzt, zum
Teil unter den Steinen selbst begraben waren. Wir lernen aus ihnen,
dass dies das Familiengrab eines Numerius Istacidius war, sicher
eines vornehmen Mannes. AuĂźer ihm ruhte hier seine Tochter,
Istacidia Rufilla, städtische Priesterin, ein Sohn oder Verwandter,
432 Pompeji.
N. Istacidius Campanus, ein Freigelassener Istacidius Crisyrus und
ein Sklave Menoecus.
Grabsteine derselben Art fanden sich in einem anstoĂźenden
ummauerten GrundstĂĽcke: sie nennen Mitglieder der Familien
der Melissaei und Buccii. Ein Cn. Melissaeus Aper (Duumvir
3 — 4 n, Chr.) war in oder bei dem Grabe der Istacidier bei-
gesetzt. Vermutlich waren die drei Familien verwandtschaftlich
eng verbunden.
Damit ist hier die Reihe der Gräber beendigt. Wir wenden
uns jetzt zu der zweiten Gruppe, rechts von der StraĂźe.
1. Gleich am Tor ein groĂźes, namenloses Grab in Altarform
(Teile der Voluten sind erhalten), mit Tuffquadern bekleidet,
ähnlich dem Grabe des Porcius. Seine schräge Lage setzt den
Neubau des Tores voraus. Die Grabkammer im Lavasockel,
deren enger und niedriger Zugang durch eine Quader geschlossen
war, wurde erst im Jahre 1887 geöffnet. In zwei Ecken standen
zwei Tonurnen in Bleikapseln, bedeckt mit Erde und Resten des
Scheiterhaufens: Holzreste, eiserne Nägel, mit denen wohl das
Holzwerk in kunstvoller Form zusammengefĂĽgt war, Teile eines
reich verzierten Elfenbeinkästchens, zerbrochene tönerne Salben-
fläschchen. Zwischen den Gebeinen je eine Münze aus der Zeit
des Augustus, das Fahrgeld für den Charon. — Die Erbauer
dieses Grabes legten, obgleich sie die Urnen in einer Grab-
kammer beisetzten, doch Wert darauf, sie mit Erde zu bedecken:
dagegen schien es ihnen nicht wesentlich, sie fĂĽr die Toten-
spenden zugänglich zu lassen. Denn der Verschluß sollte offen-
bar nur ausnahmsweise, zur Beisetzung weiterer Angehörigen, ge-
öffnet werden.
2. Grab des Adilen T. Terentius Felix, jenseits der hier
abgehenden StraĂźe. Die Inschrift belehrt uns, daĂź die Stadt
auĂźer dem Platze auch noch eine Beisteuer von 2000 Sesterzen
(435V2 Mark) fĂĽr das von der Witwe, Fabia Sabina, errichtete
Denkmal bewilligt hatte: T. Terentio T. f. Men. Felici viaiori
aedil[i) ; Jiuic publice locus datus et sest. MM. Fabia Probi f.
Sabina uxor^ — »Dem Titus Terentius Felix dem Alteren, Sohn
des Titus, aus der menenischen Tribus; ihm wurde von Stadt-
wegen der Begräbnisplatz bewilligt und zweitausend Sesterzen.
Fabia Sabina, Tochter des Fabius Probus (baute das Monument)«.
L. Die GräberstraD-e vor dem Herculaner Tor.
433
Alle Pompejaner gehören der menenischen Tribus an. Maior
heißt der Verstorbene als der ältere von zwei Gleichnamigen.
Das Grab ist ganz anderer Art als die bisher besprochenen.
Ein unbedeckter, ummauerter Raum, durch eine Tür zugänglich:
an der fiir den Eintretenden linken Wand ein kleiner gemauerter
Tisch oder Altar. Unter diesem war die Asche des Felix bei-
gesetzt, in einer Glasurne, die in einem Tongefäß stand, das
Fig. 255. Ansicht der ( iraberstralie. Links ;. \i : . ; :. ;. S;:,i, kk : i!;c Ruinen
der sogen. Villa des Cicero. Rechts das Guirlandengrab, das Grab des blauen (.jlasgefaĂźes, die
halbrunde Nische.
von einer Bleikapsel umschlossen war ; in oder bei der Urne
fand man zwei MĂĽnzen des Augustus und Claudius. GegenĂĽber,
rechts, in einem durch eine niedrige Mauer abgeteilten Raum,
weitere Aschenurnen, wohl von Angehörigen und Freigelassenen.
— Unverkennbar ist die Ähnlichkeit der ganzen Anlage mit
dem rätselhaften Bau vor der Treppe des dorischen Tempeis
(S. 138). In dem mittleren Raum fand man Reste des Toten-
mahles, namentlich Schalen von Austern und sonstigen Muscheln.
Die Totenspenden goĂź man auf das die Urne bedeckende Erdreich.
Mau. Pompeji. 2. .Aufl.
28
434 Pompeji.
Von den folgenden Gräbern, 3 — 4, ist nur der Lavasockel
erhalten. Weiter, 5, eine Einfriedigung mit engem Eingang;
das weiter zurĂĽckliegende Denkmal ist nicht ausgegraben.
6. Das Guirlandengrab [tomba delle ghirlande]^ Fig. 255,
in Tempelform, massiv ohne Grabkammer; die Asche war wohl
unter ihm in der Erde beigesetzt. Vier Pilaster gliedern die
StraĂźenfront, drei, durch Guirlanden verbunden, die Seitenfront.
Dies Monument, aus Tuffquadern mit weiĂźem StuckĂĽberzug, ist
eines der ältesten, älter als der Neubau des Tores ; es stammt
wohl aus der Zeit des zweiten Dekorationsstiles, in dem solche
Guirlanden ein beliebtes Motiv sind. Vermutlich hatte es noch
einen Oberstock. Teile eines solchen, aus Tuff, aber von einem
andern Monument stammend, liegen in der Nähe.
7. Grab in Form eines eingefriedigten Raumes.
8. Grab des \i\2i\x&x\.Qi\z.s^&i2.Q)^°> [Tomba del vaso di vetro
blu^ Fig. 255 rechts neben der Nische). Erhalten ist nur der hohe
Unterbau aus Travertinquadern mit Resten der marmorbekleideten
Stufen auf demselben. Diese trugen ohne Zweifel einen Altar,
wie auf den Tafel XI rechts sichtbaren Gräbern. Der Unterbau
enthält die von hinten zugängliche Grabkammer. In drei Nischen
ihrer weiß verputzten Wände standen drei Aschenurnen, eine
aus Ton, zwei aus Glas; am Boden fand man elf Statuetten,
zwei TierfigĂĽrchen und eine Maske mit phrygischer MĂĽtze, alles
dies aus Ton.
Die eine der Glasurnen, die dem Grabe den Namen gegeben
hat, ist eines der schönsten Werke antiker Glastechnik. Es gibt
nur wenige antike Glasgefäße gleicher Technik. Das bedeu-
tendste ist die aus einem Grabe bei Rom stammende berĂĽhmte
Portlandvase des Britischen Museums. Die pompejanische Urne
(Fig. 256) hat die Form einer Amphora. Auf das dunkelblaue
Glas ist eine weiĂźe Schicht aufgetragen, und in dieser Reliefs
ausgeschnitten. Zu unterst ein schmaler Streif: weidende Schafe
und Ziegen. Weiter oben zwei bacchische Masken; ĂĽber diesen
teilen fruchtbeladene Weinreben die Außenfläche des Gefäßes in
zwei Felder, in denen Szenen der Weinlese dargestellt sind.
9. Gewölbte Nische (Fig. 255). An der halbrunden Innen-
wand entlang läuft eine gemauerte Bank. In das Giebelfeld ist
eine unbeschriebene Marmortafel eingelassen; es hatte also einer,
L. Die Gräberstrabe vor dem Ilerculancr Tor.
435
der zur Zeit der VerschĂĽttung noch lebte, fĂĽr sich selbst dies
Monument errichtet, die Anbringung der Inschrift aber seinen
Erben ĂĽberlassen. Die Aschenurne konnte entweder unter dem
Fig. 256. GlasgefaĂź mit Darstellung der Weinlese.
F'uĂźboden der Nische oder in dem kleinen GrundstĂĽck hinter ihr
beigesetzt werden. Die ohne Zwischengebälk übereinander ge-
stellten Eckpilaster, die phantastisch krausen Ornamente des
28*
436 Pompeji.
Giebelfeldes und des Gurtbogens, alles dies ist sehr unklassisch,
aber gefällig. Die Innenwände sind einfach auf rotem und
schwarzem Grunde bemalt, die Wölbung, deren Stuck jetzt ab-
gefallen, war als Muschel behandelt. Das in unserer Abbildung
sichtbare vorspringende Schutzdach ist modern.
Die Nische und das Grab des Glasgefäßes gehören zu der
anliegenden Villa. Dies ergibt sich fĂĽr die Nische aus der
Gleichartigkeit der Stuckdekoration, fĂĽr das Grab aus der TĂĽr,
die das zugehörige Grundstück mit dem anstoßenden Garten der
Villa (12 im Plan) verbindet. Ja es scheint, daĂź dieser Garten
mehr zu den Gräbern als zur Villa gehörte, daß er geradezu
einen sepulkralen Charakter hatte. Er war mit einem gewissen
Luxus ausgestattet. An seiner RĂĽckwand, dem StraĂźeneingang
gegenĂĽber, steht eine mosaikbekleidete Brunnennische. In der
Mitte trugen vier Mosaiksäulen (jetzt in Neapel) einen Pavillon,
ähnlich wie im Garten der Villa des Diomedes und in den
Gärten einiger Häuser in der Stadt; solche Pavillons dienten um
unter ihnen im Freien zu speisen. In zwei Ecken standen auf
Säulchen eine kleine Marmorfigur — ein Knabe mit einem Hasen
— und ein Frosch aus glasierter Tonware. Mit den Wohn-
räumen steht aber dieser Garten in keiner Verbindung, sondern
nur einerseits mit dem Wirtschaftshofe, anderseits mit den Gräbern.
Hieraus ergibt sich zweifellos seine Bedeutung: er gehört zu den
Familiengräbern der Villa; unter dem Pavillon wurden die Toten-
mahle gefeiert.
An dem links anliegenden Wirtschaftshofe, mit Einfahrt von
der StraĂźe (15), steht hinten rechts die Apollo, Bacchus, Herkules
und Merkur geweihte Hauskapelle. Auf ihrer RĂĽckwand ist unten
DreifuĂź und Sonnenscheibe, oben die Keule des Herkules gemalt,
im Giebelfeld Bacchus; auf dem Altar vor der Kapelle links der
groĂźe Becher des Herkules, rechts die Keule, vorn das Opfer-
schwein, hinten der Hahn des Merkur. Links am Hofe eine
Säulenhalle, aus der eine Rampe in das Peristyl und die Wohn-
räume der Villa hinaufführt.
Die Gräber der dritten Gruppe zeigt Tafel XI. Der hier
vorwiegende Typus ist der in der letzten Zeit Pompejis ĂĽblichste:
hoher Unterbau, auf diesem Stufen, die als obersten AbschluĂź
einen Altar tragen; das Ganze in einer Einfriedigung. Im Unter-
L. Die Gräberstraße vor dem Herculaner Tor.
437
bau die zugängliche Grabkammer: man legte Wert darauf, an die
Urnen hinankommen und die Totenspende in oder doch auf sie
gießen zu können.
i6. Unvollendetes Grab [sepolcro in costriizione). Die
Marmorbekleidung ist unvollkommen bearbeitet und unvollstän-
dig, die Wände der Kammer sind unverputzt, und in ihren fünf
Nischen fand man keine Urnen. Neben dem Grabe ein mar-
morner BĂĽstenstein (Fig. 257) mit der Inschrift: lunoni TycJies
luliae Augustae Vener[iae\ — »dem Genius der Tyche, Sklavin
der Julia Augusta, Venusdienerin«. »Juno« heißt oft der Genius
der Frauen (S. 277). Die Verstorbene war Sklavin der Li via
und, wie es scheint, Mitglied eines den Kult der Venus pflegenden
Kollegiums, wie ja Sklaven auch
unter den »Dienern der Fortuna«
und den »Dienern des Merkur
und der Maja« waren.
17. Grab des Umbricius
Scaurus. Monument desselben
Typus; am Altar die Inschrift:
A. Umbricio A. f. Men. Scaiiro^
II vir. i. d.; huic decuriones lo-
cum vionum[ento) et sc st. MM in
funere et statumn equestr[cin) in
foro ponendam ceusiierunt. Scau-
rus pater filio. Ein Vater setzt
das Denkmal seinem Sohn, der
wohl schon in jungen Jahren Duumvir gewesen und dann bald
gestorben war; der Stadtrat bewilligte den Platz, einen Beitrag
von 2000 Sesterzen zu den Kosten und setzte ihm eine Reiter-
statue auf dem Forum. W^ir wissen nicht, wofĂĽr dem jungen
Scaurus so hohe Ehre widerfuhr. Nicht etwa fĂĽr die Veranstaltung
der Gladiatoren- und Tierkämpfe, deren Darstellung in Stuckrelief
(jetzt größtenteils zerstört) die Vorderseite des Monuments be-
deckte. Munere [N. Fest]i Avipliati die summa, so lautet die
gemalte Beischrift des Gladiatorenstreifens; Festgeber war also
N. Festius Ampliatus; Scaurus mochte mit ihm befreundet sein
und zu seinem Schauspiel am letzten Tage [die sun^no) eine
Zugabe auf seine Kosten gespendet haben, wie zu dem des
istein der Tyche, Sklavin der
Livia.
438
Pompeji.
Neropriesters Lucretius (oben S. 225) dessen Sohn beisteuerte.
Und wenn dem Vater diese Leistung wichtig genug schien, um
sie auf dem Grabmal des Sohnes darstellen zu lassen, so dĂĽrfen
wir schlieĂźen, daĂź dieser als Duumvir keine Kampfspiele gab;
vielleicht fiel seine AmtsfĂĽhrung in die Zeit nach 5g, wo diese
verboten waren (S. 223).
Eng und niedrig, dĂĽster und schmucklos ist die Grabkammer,
Fig. 258. firab des Umbricius Scaurus.
hier und noch mehr in den anderen Monumenten des gleichen
Typus : mit dem Wachsen der äußern Pracht schwindet [der
Sinn fĂĽr freundliche AusschmĂĽckung des Innern; lehrreich ist
der Vergleich mit dem folgenden Grabe (Nr. 18) und mit dem
der Istacidicr (S. 430). Eine Verflachung und Veräußerlichung
der Empfindungsweise ist hier unverkennbar. — Ein starker
viereckiger Pfeiler stützt das niedrige Tonnengewölbe; er enthält
vier durch das Fehlen der Rückwände miteinander verbundene
Nischen fĂĽr Aschenurnen. Nach den Ausgrabungsberichten waren
I.. Die Gräberstraße vor dem Herculaner Tor.
439
drei derselben durch Glasscheiben, die dem Eingang zugewandte
durch einen Vorhang geschlossen. Weitere vierzehn Nischen in
den weiß angestrichenen Wänden.
In dem Gladiatorenrelief hatten die einzelnen Gladiatoren ihre
Beischriften: Name, Schule (es sind lauter Juliani ; s. S. 226),
Zahl der früheren Kämpfe, Ausgang dieses letzten. Links zwei
Reiter: der, welcher jetzt eben mit Schild und schräg gehaltener
Lanze den StoĂź des Gegners pariert, wird Sieger bleiben: Bebryx
lul. XV v{icit]. Weiter drei Paare Fußkämpfer; die Besiegten
P'ig. 259. Rundes (Jrab, Durchschnitt.
bitten mit aufgehobenem Daumen um Gnade. Ăśber ihr Schicksal
geben die Beischriften Auskunft. Der letzte rechts und der
Knieende in der Mitte wurden begnadigt, letzterer starb aber an
seinen Wunden: dem M{missiis) ist das Todeszeichen B(i)avaTo;)
beigefĂĽgt. Ein besiegter Secutor wird von dem siegreichen Netz-
kämpfer {rcticwius) rückwärts festgehalten, während ein anderer
Secutor, Hippolytus, das Todesurteil des Publikums vollzieht.
Ăśber der TĂĽr zwei Paare, Sieger und Besiegte. Des einen Bitte
ist erhört worden: der zum Todesstoß ausholende Gegner wird
zurückgehalten; der andere sinkt, tödlich getroffen, auf seinen
Schild.
440
Pompeji.
Unter den Tieren erkennen wir Eber, Bären, einen Stier, aber
doch auch einen Löwen; es ging wohl in dieser Beziehung in
Pompeji beträchtlich bescheidener zu als in Rom.
i8. Rundes Grab. Ein runder Turm auf viereckigem Unter-
bau in einer mit sechs TĂĽrmchen verzierten Umfassungsmauer:
Ziegelbau mit weiĂźem StuckĂĽberzug; den oberen AbschluĂź
bildete vermutlich ein flacher Kegel. Es ist im kleinen der
Typus des Grabes der Caecilia Metella und des Hadrianmauso-
leums. Eine unbe-
schriebene Marmor-
tafel in der Um-
fassungsmauer sollte
nach dem Tode des-
sen, der fĂĽr sich selbst
das Grab erbaute,
die Grabschrift auf-
nehmen; die Erben
haben aber vorge-
zogen, sie oben am
Monument selbst an-
zubringen, wo ihr
Platz kenntlich , sie
selbst aber nicht er-
halten ist. Im Innern
(Fig. 259) sind die
Wände einfach im
letzten Stil, die eigen-
tümlich geformte Wöl-
bung mit Blumen, das runde Feld in der Mitte mit einer Maske
bemalt, alles auf weiĂźem Grunde. Nur drei Personen sollten
hier ruhen. Ein Stuckrelief an einem der TĂĽrmchen der Um-
fassungsmauer (Fig. 263) zeigt uns eine Frau, wir können wohl
sagen eine Mutter, die eine Binde auf das Geripp eines Kindes
legt; wir mögen denken, daß ein Ehepaar das einzige Kind verlor
und nun, da es keine Hoffnung auf weitere Nachkommenschaft
hatte, fĂĽr sich und das Kind das Grab bauen lieĂź. Die Aschen-
urnen waren, wie in den römischen Columbarien, eingelassen
in den Boden der drei Wandnischen.
WW'^'t
Fig. 260.
Grab des Calventius Quietus mit Darstellung des
Biselliums.
L. Die (Iräberstraße vor dem Herculaner Tor.
441
19. Platz mit einem Grabsteine ohne Inschrift.
20. Grab des Calventius Quietus (Fig. 260 und 261), eines
Augustalen, dem der Rat ob seiner Munifizenz das Recht bewilligt
hatte, im Theater und Amphitheater gleich den Dekurionen auf
einem Sessel doppelter Breite, Bisellium, zu sitzen (vgl. S. 143,
2 ig): C. Calventio Qiäeto Augiistali ; hnic ob munißcent[iam)
decuriomim decreto et populi co7ise[n)sii bisellii honor datus est.
4
p.
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Fig. 261. Grab der Naevoleja Tyche mit dem in den Hafen einlaufenden Schiff. Grab des
Calventius Quietus mit Eichenkran^.
Es ist ein Grab derselben Art wie Nr. i6 und 17. Der mar-
morbekleidete Altar ist reich, aber doch ohne Ăśberladung orna-
mentiert, die Vorderseite zeigt unter der Inschrift das Bisellium,
die Seitenflächen den Eichenkranz, die Bürgerkrone, die für
Lebensrettung von BĂĽrgern [od ch'es seii'atos) verliehen und auch
von Kaisern mit Stolz gefĂĽhrt wurde. Hier freilich ist sie wohl
ein bloĂźes Ornament.
Das Monument enthält keine Kammer, obgleich grade dieser
Grabtypus auf eine solche berechnet ist; das GrundstĂĽck, rings
442
Pompeji.
von Mauern umschlossen, ist nicht zugänglich. Vielleicht ist es
ein Cenotaphium, Denkmal eines auswärts Gestorbenen; wahr-
scheinlicher hatte Quietus keine Angehörigen, die Wert darauf
legten, an seine Asche kommen und ihr die Libationen dar-
bringen zu können, und wurde deshalb diese einfach unter dem
massiven Denkmal begraben.
Stuckreliefs zierten die TĂĽrmchen der Umfassungsmauer: eine
Frau, mit abgewandtem Gesicht, wie es i.iblich war, den Scheiter-
haufen anzündend; Ödipus, das Rätsel der Sphinx lösend; The-
seus nach Tötung des Minotaurus. Leicht verständliche Sym-
bolik: dem Toten sind die Rätsel des Daseins gelöst, er hat den
Ausweg gefunden aus dem Labyrinth des Lebens.
Fig. 262. (Uäserne Aschenurne in
Bleikapsel.
Fig. 263. Stuckrelief am runden
Grab.
2 1. Grab des N. Istacidius Helenus. Ein Grab der ein-
fachsten Art: in einem ummauerten Raum, ohne TĂĽr, drei Grab-
steine in Büstenform. Der größte hat die Inschrift: JV. Istacidius
Helenus pag[anus); vor einem der kleineren ist ein Tongefäß
zur Aufnahme der Totenspenden in den Boden eingelassen.
An der StraĂźe die Inschrift : N. Istacidio Heleno pag [ano] pag{i)
Aug., N. Istacidio lamiario, Mcsoniae Satullae , in agro pedes
XV, in fronte pedes XV. Es sind Freigelassene der vornehmen
Familie der Istacidier (S. 431).
22. Grab der Nacvoleja Tyche Fig. 261): Naevoleia L.
Hb. Tyche sibi et C. Munatio Fausto Aug. et pagano, cid decu-
riones consensu populi biselliuvi ob nierita eins decrcverunt.
Hoc moimntentum Naevoleia Tyche libertis suis libertabusque et
L. üie Gräberstraße vor dem Herculaner Tor.
443
C. Miiiiati Fausti viva fecit. FĂĽr sich und fĂĽr den Augustalen und
Paganen Munatius Faustus (doch wohl ihren Gatten, obgleich die
Inschrift davon schweigt) und fĂĽr die beiderseitigen Freigelassenen
lieĂź Naevoleja Tyche, Freigelassene des L. Naevolejus, das Grab-
mal errichten. Es ist wohl das jĂĽngste Beispiel des Altartypus:
die Ornamentierung ist reicher, schwĂĽlstiger und weniger ge-
schmackvoll als am Grabe des Quietus. Das Relief der Vorder-
seite erklärt man als das Totenopfer und die Darbringung der
Spenden zu demselben. Ăśber der Inschrift das Brustbild
Fig. 264. Triclinum funebre.
Tyches. Auf den Seitenflächen links das Bisellium des Faustus,
rechts ein Schiff (Fig. 261); das Segel wird eingezogen, das
Schiff läuft in den Hafen : ein bekanntes Symbol des Lebensendes.
In der engen und dĂĽstern Kammer standen die Urnen un-
versehrt in einer größern Nische dem Eingang gegenüber,
mehreren kleineren in den Seitenwänden und auf der gemauerten
Bank an den Wänden. Eine Urne, in der großen Nische,
enthielt die Reste zweier Personen , Faustus und Tyche. Von
den ĂĽbrigen waren drei aus Glas und standen jede in einer Blei-
kapsel (Fig. 262); sie enthielten Asche und Knochen in einer.
444 Pompeji.
wie die chemische Analyse ergab, aus Wasser, Wein und Ă–l ge-
mischten FlĂĽssigkeit. Auf der Bank standen Tonlampen, eine
bei jeder Urne; andere lagen in einer Ecke. Sie dienten zur
Erleuchtung der Kammer an den Totenfesten.
23. Triclinium funebre (Fig. 264). Ein ummauertes
GrundstĂĽck ; dem Eingang gegenĂĽber gemauerte Speisebetten,
ganz so wie wir sie in mehreren Privathäusern gefunden haben
(S. 270). Zwischen ihnen der Tisch und ein kleiner runder Altar
fĂĽr die Libationen. Also ein Platz fĂĽr das Totenmahl, ein Denk-
mal in Form eines Aufenthaltsortes fĂĽr die Ăśberlebenden, ver-
gleichbar der Nische des Cerrinius, den Sitzen des Vejus und
der Mamia. Die Wände waren einfach im letzten Stil bemalt.
An der StraĂźe ĂĽber dem Eingang die Inschrift : Cn. Vibrio Q.
f. Fal. Satia'nino Callistus Hb. Cn. Vibrius Saturninus, dem
sein Freigelassener Callistus dies Grabmal errichtete, gehörte der
falernischen, nicht der menenischen Tribus an, war also kein
einheimischer Pompejaner, sondern vielleicht aus Nola. Seine
Asche war wohl in dem freigebliebenen Räume gleich am Ein-
gang beigesetzt. — Dies Grab und das des Istacidius Helenus
sind die ältesten dieser ganzen Reihe.
Es ist nicht zu bezweifeln, daĂź jenseits der Villa des Dio-
medes wieder Gräber an der Straße liegen; doch sind die Aus-
grabungen nicht weiter vorgedrungen.
Die vierte Gruppe, in der Gabelung der beiden Wege, zerfällt
in einen altern Teil, auf der von Futtermauern gestĂĽtzten An-
höhe zwischen den beiden Straßen, und einen Jüngern, am F"uße
der Anhöhe gegen die Stadt. Wir beginnen mit dem altern,
und zwar mit den von der Stadt entferntesten Gräbern.
42 — 43. Gräber der Arrier. Auf einer in die Futter-
mauer des HĂĽgels eingelassenen Tufiftafel lesen wir: Arriae M.
f. Diomedes liibertus) sibi suis. Also fĂĽr seine ehemalige Herrin
Arria, fĂĽr sich und die Seinen erwarb hier der Freigelassene
Diomedes eine Grabstätte. Gleich darüber steht sein eigenes
Grab (42), ein massives Monument ohne Kammer, in Gebäude-
form, mit der Inschrift: M. Arrius J . l. Diomedes sibi suis
memoriae.^ viagist er pag. Aug. Felic. suburb. Die Zeichen D . i.
bezeichnen den Freigelassenen einer Frau, Gaiae libertus: Gaia
ist der fiktive Vorname der Frau, die ja keinen Vornamen hat.
L. Die Gräberstraße vor dem Herculaner Tor.
445
Auf derselben Fassade sind in Stuckrelief zwei RutenbĂĽndel [fasces]
mit Beilen gebildet, Zeichen der WĂĽrde des Magisters der Vor-
stadt. In Wahrheit freilich fĂĽhrten seine Liktoren RutenbĂĽndel
ohne Beile; denn Macht ĂĽber Leben und Tod hatte er nicht:
wir fĂĽhlen uns erinnert an den Trimalchio Petrons, in dessen
Hause an den Pfosten des Speisezimmers ebenfalls Fasces mit
Beilen angebracht waren. MerkwĂĽrdig ist, daĂź Diomedes fĂĽr sich
selbst ein Monument in Gebäudeform aber ohne Grabkammer
errichtet, also seiner eigenen Asche keinen Platz bereitet hat.
Diese muß wohl, wie die der Seinigen, in dem zugehörigen
GrundstĂĽck, etwa hinter dem Monument beigesetzt sein. Gleich
neben dem Monument stehen die BĂĽstensteine der Arria Utilis
und des M. Arrius Primogenes; sie waren wohl Freigelassene des
Diomedes, nicht seine Kinder; denn dann hätte er nicht unter-
lassen ihren Namen den Vaternamen, M. /., beizufĂĽgen.
Das Monument der Arria (43) liegt weiter zurĂĽck, an der
andern Straße: Diomedes hat seine Eigenliebe mit der Pietät
gegen seine Patrona so vereinigt, daß er ihr das größere Monu-
ment errichtete, fĂĽr sich aber den mehr in die Augen fallenden
Platz an der Hauptstraße wählte. Das Monument der Arria hatte
die Form eines Gebäudes mit Eckpilastern, auf hohem Sockel;
eine kleine Öffnung führte in die kegelförmig gewölbte, tief unter
die Erde hinabreichende und daher unzugängliche Grabkammer,
41. Grab des Velasius Gratus. Die Inschrift ist in die
der HauptstraĂźe zugewandte Futtermauer des HĂĽgels eingelassen :
N. Vclasio Grato^ vix. ann. XII. Das Monument ist eine dem
jugendlichen Alter des Verstorbenen entsprechend kleine, halb-
runde, mit weiĂźem Stuckrelief verzierte Nische, in deren FuĂźboden,
vor einem an der RĂĽckwand stehenden inschriftlosen BĂĽstenstein,
eine Tonröhre die Totenspenden hinableitete auf die Urne.
40. Grab des Salvius. Eine ähnliche, aber dem Alter des
Verstorbenen entsprechend noch kleinere Nische. An der RĂĽck-
wand stand ein kleiner Marmorstein mit der Inschrift: Salvius
puer vixit amiis VI. Auch hier im Boden eine Ă–ffnung fĂĽr die
Libationen.
38. Grab des L. Ceius Labco. GroĂźes Monument, nahe
dem der Stadt zugewandten sĂĽdlichen Abhang des HĂĽgels und
der auf ihn führenden Treppe, äußerlich gestaltet wie das der
446 Pompeji.
Arria (43), aber größer. Es war mit jetzt fast ganz unkenntlichen
Stuckreliefs verziert; auf der der Stadt zugewandten Seite sah
man einen neben seinem Pferde stehenden Krieger und noch einen
bewaffneten Mann, auf der Straßenseite zwei Porträtmedaillons.
In einem ganz oder teilweise von Säulen getragenen Oberbau,
ähnlich wie auf dem Grabe der Istacidier (ein Stück des Plafonds,
aus Tuff, ist erhalten) standen Statuen, männliche und weibliche,
teils marmorne, teils aus Tuff und mit Stuck bekleidet.
Das Innere ist hohl bis über 2 m unter die Oberfläche des
Hügels. Eine gewölbte Nische in der Nordwand hatte zu oberst
eine kleine Ă–ffnung nach auĂźen, um die Totenspenden auf die
hier stehende Urne gießen zu können. Gefunden freilich wurde
diese — aus Glas — nicht hier, sondern unten im Innern des
Grabes. Das Grab war errichtet von Menomachus, einem Frei-
gelassenen des Verstorbenen ; die Inschrift, in der Nähe gefunden.
lautet: L. Ceio L. f. Men. Labeoni iter{um) d. v. i. d. quinq. Meno-
machus liibertiis).
Zu diesem Grabe gehört das Grundstück auf der Südwestecke
des HĂĽgels, eingeschlossen von einer BrĂĽstung mit Zugang nur
von der der Stadt und dem Abhang zugewandten Seite, so daĂź
man, um ihn zu erreichen, eine Leiter ansetzen muĂźte. Man
fand hier mehrere Grabsteine, darunter die zweier Freigelassenen
des Labeo, L. Ceius Communis und L. Ceius Lucifer.
39. Namenloses Monument, ganz ähnlich dem der Arria,
jĂĽnger als das des Labeo, an dessen Nordecke es angemauert ist.
Zahlreiche BĂĽstensteine aus Lava, ohne Inschriften, standen
und stehen zum Teil noch auf der ganzen Oberfläche des Hügels,
namentlich am FuĂźe der beiden Monumente 38 und 39. Deut-
lich unterscheidet man an der Frisur Männer und Frauen, an
der Größe Erwachsene und Kinder. Es scheint, daß die Namen
der Begrabenen zum Teil mit roter Farbe auf den Sockel des
Monuments des Labeo aufgemalt waren; doch waren schon zur
Zeit der Ausgrabung diese Inschriften unlesbar geworden.
Am Fuße des Hügels, nach der Stadtseite zu, wurden Gräber
errichtet zunächst (35, 36, 37) auf einer, wie es scheint, eigens
zu diesem Zweck reservierten und, wie der Gangsteig mit einem
Steinrande eingefaßten Fläche, dann aber (32, 33, 34) auch
außerhalb dieser Fläche, auf dem Straßenpflaster.
L. Die Gräberstraße vor dem Ilerculaner Tor.
447
37. Grab des M. Allejus Luccius Libella, Duumvir
26 n. Chr., von seiner Witwe, der Cerespriesterin AUeja Decimilla,
ihm und seinem gleichnamigen Sohne errichtet: M. Allcio Liiccio
Libellae patri^ aedili^ I Ivir.^ praefecto quinq.^ et M. AlUio Libellae
f[ilio)^ deciĂĽ'ioiii^ vixit annis XVII^ locus monunienti publice datiis
est. Alleia M. f. Decimilla sacerdos publica Cercris faciunduvi
curavit viro et filio. Ein schönes, vollkommen erhaltenes Monu-
ment in Altarform (Taf. XI vorn links) aus Travertin, wie es
scheint massiv, jedenfalls ohne zugängliche Grabkammer. Offenbar
wollte Decimilla nicht hier, sondern vielleicht in dem Grabe ihrer
väterlichen Familie beigesetzt werden.
36. Unfertiges Monument. Da den Erben, wie es scheint,
das Geld ausging, gaben sie dem Bau eine Art AbschluĂź, in-
dem sie auf die Ecken des bis zu einer gewissen Höhe gediehenen
Mauerquadrats vier pyramidenförmige (jetzt zerstörte) Türmchen
setzten. So wurde es, gegen die ursprĂĽngliche Absicht, eine bloĂźe
Einfriedigung (wie n. 21), innerhalb deren die Asche beigesetzt war.
35. Unfertiges Monument: ein Mauerquadrat aus zwei
Schichten roh behauener Travertinquadern.
34. Grab mit der MarmortĂĽr. Der Eingang zur Grab-
kammer ist geschlossen durch eine massive weiĂźe MarmortĂĽr,
einflĂĽgelig, aber so geformt, daĂź sie zweiflĂĽgelig zu sein scheint.
Sie dreht sich, ganz wie andere TĂĽren, um senkrechte, bronze-
verkleidete, in die Bronzepfannen der Schwelle und des Sturzes
eingreifende Zapfen und konnte mit einem Schlüssel geöffnet
werden. Die Wände der Grabkammer sind unverputzt. In
einer tempeiförmigen Nische dem Eingang gegenüber stand
eine Tonlampe und eine Alabasterurne, in der man auĂźer den
Knochen den goldenen Siegelring des Verstorbenen fand ; in den
Stein war ein Hirsch eingeschnitten. Auf einer Steinbank an
der linken und einem Teil der rechten Wand stand eine mar-
morne und mehrere gläserne Aschenurnen, ein kleiner Tonaltar,
einige Tonlampen und einige gläserne Salbenfläschchen. Zwei
Tonamphoren, wie sie sonst zur Aufbewahrung des Weines,
aber auch manchmal als Aschenurnen dienten, standen am Boden.
32 — 33. Angefangene Gräber, ähnlich wie 30.
Kapitel LI.
Gräber vor dem Nolaner, Stabianer und
Nuceriner Tor.
Die aus dem Nolaner Tor fĂĽhrende StraĂźe ist nicht aus-
gegraben. Doch wurden im Jahre 1854 durch Ausgrabungen
an der Mauer entlang sechsunddreiĂźig in der bloĂźen Erde bei-
gesetzte Aschenurnen gefunden. In und bei denselben tönerne,
seltener gläserne Salbenfläschchen, Es scheint, daß es hier, im
Pomerium, dem aus religiösen und praktischen Gründen unbebaut
gelassenen Streifen Landes auĂźerhalb der Mauer, armen Leuten
gestattet war, unentgeltlich ihre Toten beizusetzen. In einigen
Fällen war die Stelle durch einen Grabstein in Büstenform be-
zeichnet; andere hatten die Namen ihrer Toten in die Steine der
Stadtmauer eingegraben. Ganz kĂĽrzlich (1907) ist nun auch an
der aus dem Tor fĂĽhrenden StraĂźe ein stattliches Grabmal mit
Inschrift zutage gekommen, in Form eines Sitzes, vergleichbar
denen des Vejus und der Mamia (S. 428, 430), aber nicht halb-
rund, sondern rechteckig; in der Mitte des Sitzes als Monu-
ment eine Säule, auf der eine marmorne Amphora steht.
Von der vor dem Stabianer Tor beginnenden Gräberstraße
ist nur ein ganz kleines StĂĽck ausgegraben. Gleich links am
Wege zwei halbrunde Bänke wie die des Vejus und der Mamia
(S. 428, 430); hinter jeder derselben ein kleines eingefriedigtes
GrundstĂĽck zur Beisetzung der Asche. An der ersten ist die eigent-
liche Grabschrift verloren: sie stand auf einer gemauerten Basis
hinter der Bank und diese ĂĽberragend. Aber auf zwei kleinen
Lavasteinen, die, wie am Grabe des Porcius (S. 429), die Grenze
des GrundstĂĽckes bezeichnen, lesen wir: M. Tullio M. f. ex d. d.^
— >Dem M. TuUius, Sohn des Marcus, nach Ratsbeschluß.«
I-I. Gräber vor dem Nolaner, Stabianer und Nuceriner Tor. aaq
Vielleicht ruht hier der Erbauer des Fortunatempels (S. 129). —
Die Inschrift der zweiten Bank ist, wie am Monument der Mamia,
mit groĂźen Buchstaben in die Lehne eingehauen: Ă„/. Alleio M.
f. Men. Minio, II v. i. d. locus sepulturae publice datus ex d. d.
Eine dritte Bank, gleich neben der zweiten, konnte wegen eines
darĂĽberstehenden modernen Hauses nicht ausgegraben werden.
Ein weiteres Grab, in Form einer gradlinigen Bank, wurde
etwas weiter hinaus, wahrscheinlich an derselben StraĂźe, im Jahre
1854 gefunden. Nach der fragmentierten Inschrift war hier ein
Duumvir Clovatius begraben. Wieder von einem anderen Grabe
stammen ebendort gefundene marmorne Reliefstreifen mit Dar-
stellungen von Gladiatorenkämpfen, jetzt in Neapel.
Diese StraĂźe fĂĽhrte ohne Zweifel nach Stabiae. Von ihr
aber muĂź sich nicht weit vom Tor links in der Richtung auf
Nuceria eine andere StraĂźe abgezweigt haben, an der man, sĂĽd-
westlich vom Amphitheater, in den Jahren 1755 — 57 auf einen
dürftigen Begräbnisplatz stieß, von dem weitere Teile 1893 und
1894 zutage gekommen sind. Zum Teil war es wohl ein von
der Stadt angewiesener Armenfriedhof. Die Gräber sind ein-
fachster Art: Aschenurnen in bloĂźer Erde, in oder bei ihnen
kleine gläserne Salbenfläschchen, über ihnen Grabsteine in Büsten-
form (S. 431), meist aus Lava, nur zum kleineren Teil aus Marmor
und mit dem Namen des Toten versehen.
Mehrfach fanden sich hier Vorrichtungen, um die Toten-
spenden auf die Asche hinabzuleiten. In einem Falle war es
eine Bleiröhre, die durch den Deckel des die Tonurne ein-
schließenden Bleigefäßes führte ; öfter Tonröhren , einmal eine
1,50 m lange, aus drei StĂĽcken zusammengesetzte. Das obere
Ende aller dieser Libationsröhren war etwas unter der Erdober-
fläche mit einer Steinplatte und diese mit Erde bedeckt, die also
an den Gedenktagen von den x^ngehörigen entfernt werden mußte.
Das einzige größere, immerhin aber sehr bescheidene Monu-
ment war eine kleine Grabzelle, erbaut, nach der ĂĽber dem Ein-
gang angebrachten Inschrift, von M. Petacius Dasius fĂĽr seine
zwei Söhne, Severus und Communis, und für eine Freigelassene,
Vitalis. In der Zelle — ohne Fußboden — waren die Urnen in
der bloßen Erde beigesetzt und die Plätze durch Büstensteine —
darunter auch der des Dasius selbst (J/. P. D.) — bezeichnet.
Mau, Pompeji, a. Aufl. 2Q
450
Pompeji.
In den Jahren 1886 und 1887 wurden östlich vom Amphi-
theater sechs Grabmonumente ausgegraben, dicht gereiht zu
beiden Seiten einer StraĂźe, die offenbar aus dem Nuceriner Tor,
gleich links umbiegend, ostwärts nach Nuceria führte (Fig. 265).
Doch war sie zur Zeit der VerschĂĽttung nicht im Gebrauch :
Fahrdamm und Gangsteige waren ihres Pflasters beraubt. Es
sind groĂźe und stattliche Monumente, offenbar bemittelter Leute.
Ihre Einfachheit — kein Marmor, nur Mauerwerk mit weißem
Stuck — deutet auf relativ frühe Zeit, ebenso der Schriftcharakter
der zahlreichen aufge-
malten Wahlprogramme
und AnkĂĽndigungen von
Gladiatorenkämpfen: es
sind Gräber der ersten
Kaiserzeit. EigentĂĽm-
liche Architekturformen
— die oberen Teile,
wenn auch eingestĂĽrzt,
sind doch besser kennt-
lich als an der Hercu-
laner Straße — , dazu
Besonderheiten in der
Art der Beisetzung ver-
leihen ihnen ein hohes
Interesse. Wir betrachten
sie in der Reihenfolge
der Nummern des Planes.
1. Bogenmonument. Durch den annähernd quadratischen
Bau (3,10 X 3,05), mit Pilastern an den Ecken, fĂĽhrt ein ge-
wölbter Durchgang, auf ihm erhebt sich ein niedriger Zylinder.
Vermutlich trug dieser einen stumpfen Kegel, der in eine (in der
Nähe gefundene) Spitze in Form eines Pinienzapfens auslief.
Unter einer runden Ă–ffnung im FuĂźboden des Durchganges war
die Aschenurne in der Erde beigesetzt. Sie enthielt eine un-
kenntliche MĂĽnze. Keine Inschrift.
2. Grabnische des Apuleius und der Veja. Der vier-
eckige Bau (3,40 X 2,55; hoch, ohne das Dach, etwa 4 m), mit
Dreiviertelsäulen (dorische Kannelüren und Kompositkapitelle) an
,10 m-
Fig. 265. Grundriß der Gräber an der Straße nach
Nuceria.
LI. Gräber vor dem Nolaner, Stabianer und Nuceriner Tor. 4 e i
den Ecken, enthält eine viereckige, flachgedeckte Nische. An
ihrem Eingange sind die Holzverkleidungen der TĂĽrpfosten, an
ihren Wänden die nach innen aufgeschlagenen Türflügel in Stuck-
relief nachgebildet. Marmorne BĂĽstensteine (im Plane angedeutet),
ohne Inschrift, bezeichneten die Plätze der beiden in der Nische
beigesetzten Hauptpersonen, deren Grabschrift im Giebelfeld des
Monuments angebracht sein mochte. Eine dieser Urnen — sie
enthielt zwei MĂĽnzen, eine des Augustus, die andere unkenntlich
— stand in einer Bleikapsel; eine Bleiröhre zur Aufnahme der
Libationen führte von der Oberfläche durch beide Deckel hin-
durch. Die andere Urne enthielt eine MĂĽnze des Tiberius aus
dem Jahre 10 n. Chr. Die Plätze zweier weiteren Urnen, außen
vor der Nische, waren durch Grabsteine mit Inschriften bezeichnet :
Festae Apulei f. vix. ann. XVI I^ und: Conviva Veiaes vix. ann. XX.
Wir dĂĽrfen vermuten, daĂź Apuleius, Vater der Festa, und seine
Gattin Veja, Herrin des Sklaven Conviva, unter den inschriftlosen
Steinen in der Nische beigesetzt waren. Vor dem Stein der
Festa schloĂź eine kleine Marmorplatte die obere Ă–ffnung einer
viereckigen Tonröhre, die das Totenopfer zur Urne hinabführte.
Die Urne des Conviva enthielt einen republikanischen As. - —
Wir haben hier denselben Grabtypus, den uns im kleinen die
Grabnischen des Velasius Gratus und des Salvius an der Hercu-
laner StraĂźe zeigten (S. 445, Nr. 41, 40).
3. Monument in Gebäudeform (3,10 m im Quadrat) mit
Pilastern an den Ecken, mit gewölbter Grabkammer. In dieser
enthielten drei Nischen in der der StraĂźe zugewandten Mauer je
eine Tonurne. Senkrecht ĂĽber diesen Nischen, im Niveau der
äußeren Erdoberfläche, öffnen sich nach außen, auf die Straße,
drei Nischen (Fig. 266 links), durch deren Boden Röhren hinab-
fĂĽhrten in die unteren Nischen, so daĂź man von auĂźen die
Totenspenden auf die Urnen hinabgieĂźen konnte. An der RĂĽck-
wand jeder dieser oberen Nischen steht ein BĂĽstenstein aus
Lava, ohne Inschrift; der zur Linken ist durch die Frisur als
weiblich bezeichnet. Der Zugang zur Grabkammer, an der
RĂĽckseite, war durch eine Lavaquader verschlossen. Keine In-
schrift.
4. Monument des L. Caesius und der Titia (Fig. 266
rechts). Der erhaltene Teil hat viel Ă„hnlichkeit mit Nr. 2; nur
29*
452
Pompeji.
statt der Nische ein flachgedeckter Durchgang. Dazu aber kam
ein Oberstock, der aus den Fragmenten ziemlich genau rekon-
struiert werden kann: eine kleine gewölbte Zelle oder Nische,
die ganze Breite und in der Tiefe die hinteren zwei Drittel des
Baues einnehmend, mit einer von vier korinthischen Säulen ge-
tragenen Vorhalle. Vier mit Stuck ĂĽberzogene Tuffstatuen, drei
männliche und eine weibliche, standen wohl in der Zelle und vor
ihr zwischen den Säulen.
Fig. 266. Ansicht zweier Gräber an der Straße nach Nuceria, 3 und 4 auf dem Plan Fig. 265.
In dem Durchgange fĂĽnf BĂĽstensteine, zu innerst zwei namen-
lose, weiter vorn drei Freigelassene: Titia Vesbina und Titia
Optata, beide Freigelassene einer Frau, und L. Caesius L. 1. Logus.
Vermutlich ruhten ihre frĂĽheren Herren, L. Caesius und Titia,
Ehegatten, unter den beiden namenlosen Steinen und war ihre
Grabschrift oben am Monument angebracht. In den Urnen
MĂĽnzen des Augustus und Tiberius.
5. Bogenmonument des P. Mancius Diogenes (Fig. 267
links). Auf einem mehr breiten als tiefen Bau, (3,25X1,40, hoch
2,90 m, mit niedrigem gewölbten Durchgange, erhoben sich drei
LI. Gräber vor dem Nolaner, Stabianer und Nuceriner Tpr. 453
Nischen, gewölbt oder giebelförmig, die mittlere breiter als die
beiden anderen. Sie enthielten je eine geringwertige Statue aus
Travertin, deren zwei, beide weiblich, erhalten sind. Ăśber dem
Durchgange eine Marmortafel mit der Inschrift: P. Mancio F. l.
Diogeni ex testamento^ arbitratu Manciae P. l. Dorinis. P. Man-
cius Diogenes, Freigelassener, hatte also in seinem Testament
Bestimmungen ĂĽber sein Monument getroffen; es war ausgefĂĽhrt
worden unter der Leitung der Mancia Doris. Vielleicht war
Fig. 267. Ansicht zweier Gräber an der Straße nach Nuceria, s und 6 auf dem Plan Fig. 265.
diese seine von demselben Herrn freigelassene Gattin, vielleicht
seine eigene Freigelassene. "Vor und hinter dem Monument
sechs namenlose Grabsteine in BĂĽ.stenform.
6. Grab in Gebäudeform mit Oberbau (Fig. 267 rechts).
Ein Mauerwürfel, aus dem Halbsäulen hervortreten. In der Mitte
der Front eine TĂĽr aus Travertin; sie fĂĽhrt zu einer Treppe, auf
der man in den Oberbau gelangte. Von diesem wurden fĂĽnf
korinthische Tuffkapitelle gefunden; ferner drei Tuffstatuen, die
dort gestanden haben müssen, zwei männliche, darunter eine mit
einer Papyrusrolle in der Hand und dem zylinderförmigen
454 . Pompeji.
Behälter (Scrinium) für solche Rollen zu Füßen, und eine weibliche.
Vermutlich würden, wenn man weiter ostwärts grübe, weitere
Reste des Oberbaues zutage kommen; einstweilen können wir
über seine Form Näheres nicht mitteilen.
Verschiedene Inschriften waren mit roter Farbe auf diese
Monumente aufgemalt. Zwei AnkĂĽndigungen von Gladiatoren-
kämpfen, deren eine wir schon auf S. 224 gegeben haben.
AuĂźerdem Wahlempfehlungen, und zwar bezĂĽglich auf die
Kommunalwahlen nicht von Pompeji, sondern von Nuceria:
L. Miinatium Caeserninum Nuceriae II vir. quinq. v. b. o. v. f.
[duum virum quinquemialem virum bonum ovo vos facitc) , so
lautet eine derselben. Endlich eine Anzeige, von Interesse auch
deshalb, weil in ihr von Ă–rtlichkeiten die Rede ist, zu denen
diese StraĂźe fĂĽhrte: Bqua siquei aberavit cum semuncis honcrata
a. d. VII kal. Septembres (korrigiert in Decefnbres) convenito
Q. Deciu[m) Q. l. Hilaruni [aut L.] .... um L. l chioneni
citra ponteni Sarni fundo Mamiano^ — »Wenn Jemandem am
25. Nov. eine Stute mit einem kleinen Packsattel [semuncid] ent-
laufen ist, der wende sich an Q. Decius Hilarus, Freigelassenen
des Quintus, (oder?) an L us chic, Frei-
gelassenen des Lucius, diesseits der SarnusbrĂĽcke auf dem ma-
mianischen Landgut.« Dies der Familie der Priesterin Mamia
(S. 430) gehörige Landgut mochten jene beiden Freigelassenen
in Pacht haben.
FĂśNFTER TEIL.
POMPEJANISCHE KUNST.
Kapitel LH.
Die Architektur.
in Betreff der Architektur Pompejis ist einiges, namentlich
ĂĽber Baumaterialien und Technisches, in dem Abschnitt ĂĽber
die Bauperioden, anderes bei Besprechung der einzelnen Gebäude
gesagt worden. Hier mögen noch einige zusammenfassende und
ergänzende Bemerkungen Platz finden.
Der weitaus interessanteste Abschnitt in der Geschichte der
pompejanischen Architektur ist die sogenannte Tuffperiode, das
2. Jahrh. v. Chr., die Friedenszeit zwischen dem hannibalischen
und dem Bundesgenossenkriege. Interessant, weil wir hier eine
Kunstrichtung, einen Stil vor uns haben, von dem sonst zwar
noch vereinzelte Reste an verschiedenen Orten Italiens, von Rom
ab südwärts, erhalten sind, der aber nur in Pompeji so reich
vertreten ist, daĂź wir uns von seiner Eigenart eine Vorstellung
bilden können. Es ist der letzte Ausläufer der selbständig sich
entwickelnden, noch von Rom unabhängigen hellenischen Kunst.
Alles Spätere stammt wohl auch von ihr ab, hat aber den
Weg über Rom genommen und unterliegt römischem Einfluß,
ist das, was wir römische Kunst zu nennen gewohnt sind.
Von dem bescheidenen Material dieser Periode, dem grauen
Tuff, war schon S. 31 und 39 die Rede. Er war an Säulen,
Pilastern und Gebälken mit Stuck bekleidet, an einfachen Mauern
erschien er in seiner natĂĽrlichen Farbe. Leider sind von dem
StuckĂĽberzug nur wenig Reste ĂĽbrig geblieben, Gut erhalten ist
er an einem ionischen Kapitell des ersten Peristyls der Casa del
456 Pompeji.
Fauno. Durchweg war er weiĂź; eine Ausnahme bilden, in dem-
selben Hause, die vorzĂĽglich erhaltenen violettroten korinthischen
Säulen und Pilaster der Exedra des Alexandermosaiks.
Keine Periode Pompejis zeigt wie diese einen ihr eigentĂĽm-
lichen stilistisch einheitlichen Charakter, in Monumental- und
Privatbau, in Fassadenbildung und Innendekoration. Denn die
Wanddekoration ersten Stiles ist nichts anderes als die auf die
Innenwände übertragene Architektur der Tuffperiode: dieselben
Motive, dieselben Formen in etwas freierer Verwendung, dem
verschiedenen Zwecke entsprechend, vermehrt durch die bunt-
farbige Marmorbekleidung.
Und zwar ist dieser Charakter ein durchaus groĂźartiger und
monumentaler, namentlich im Vergleich mit der spätem Archi-
tektur Pompejis. Mit der Basilika kann in Bezug auf GroĂźartig-
keit des Aufbaues und der Raumwirkung keines der späteren
Gebäude auch nur annähernd verglichen werden. Großartige
Monumentalbauten sind auch die von zweistöckigen Portiken um-
gebenen Tempel des Jupiter und des Apollo: lehrreich ist ein
Vergleich mit dem Fortuna- und dem Vespasiantempel. Monu-
mental ist auch jedes größere Privathaus dieser Zeit, mit den
hohen Ă–ffnungen der HaustĂĽr und der durch die Pergula (S. 286 f.)
in Ober- und Unterraum geteilten Läden, mit dem mächtig hohen
Atrium und Tablinum und den ĂĽber allen Bedarf hohen TĂĽren
der anliegenden Zimmer.
Dieser Charakter erstreckt sich in gewissem Grade auch auf
die Innendekoration ersten Stiles, die ja ohne Zweifel monumen-
taler, architektonischer ist, als die späteren. Vorzugsweise aber
tritt er doch hervor in den Raumverhältnissen, in dem Aufbau
der ganzen Gebäude. Wenden wir uns zur Betrachtung des
Details, so erscheint die pompejanische Tuffperiode doch nur als
ein etwas schwächlicher Ausläufer der großen griechischen Kunst.
Charakteristisch ist hier eine gewisse nĂĽchterne Eleganz, eine ge-
suchte Einfachheit, eine gewisse Armut an Formen und, fĂĽgen
wir gleich hinzu, auch an Farben. In den Formen zeigt sich
noch feines griechisches Empfinden: aber sie sind nicht mehr
recht kräftig und ausdrucksvoll. Man arbeitet mit dem über-
lieferten Formenvorrat des griechischen Tcmpclbaues; aber ver-
schwunden ist das GefĂĽhl fĂĽr den dorischen, ionischen, korinthi-
LH. Die Architektur.
457
Fig. 268. Vierseitiges ionisches Kapitell von der Vorhalle
des Forum trianguläre.
sehen Stil in ihrer Besonderheit. Der Neigung- zu hohen,
schlanken Verhältnissen mußte in der Palästra und in mehreren
Privathäusern auch die dorische Säule, ganz gegen ihre Natur,
sich anbequemen.
Man mischt ohne Bedenken die Stile. Ionische Säulen mit
dorischem Gebälk finden wir im Hofe des Apollotempels und im
ersten Peristyl der Casa
del Fauno , dorische
Säulen mit ionischem
Gebälk im Peristyl des
Hauses der schwarzen
Wand (S. 370). Am
dorischen Gebälk ist,
gegen die Regel, das
Epistyl in zwei Gurte
geteilt, nicht nur wo
dies, wie am Forum
und beim Apollotem-
pel, durch die eigen-
tĂĽmliche technische
Herstellung mittels einer Holzbohle bedingt war (S. 48), sondern
auch im Hause des Faun, wo die Gebälkstücke von einer Säule
zur andern reichten. Die dorische Säule zeigt niemals mehr
die kraftvolle Schwellung und starke
VerjĂĽngung, das Kapitell nie die weite
Ausladung und das geschwungene Profil
älterer Zeiten. Ganz vereinzelt finden
wir ionische Säulen der alten Art, nur
nach zwei Seiten die Voluten, nach den
beiden anderen den PolsterrĂĽcken zeigend ;
im ĂĽbrigen herrscht durchaus die ge-
wöhnlich als römisch-ionisch bezeichnete
Form mit Voluten nach allen vier Seiten. Das Kapitell findet sich
mehrfach in ganz besonders zierlicher Form; so namentlich an
der Vorhalle des Forum trianguläre iFig. 268); besonders cha-
rakteristisch ist die tiefe Ausarbeitung des Eierstabes, so daĂź das
»Ei« nur als ganz kleine Kugel erscheint: eine ausschließlich
pompejanischc Form, die auch hier in der römischen Zeit
Fig. 269. Tiirkapitell an der
MercurstraĂźc.
458
Pompeji.
wieder verschwindet. Als Beispiel einer freieren Entwicklung des
ionischen Stils geben wir ein Pilasterkapitell vom Eingang eines
Hauses an der MercurstraĂźe (Fig. 26g).
Das korinthische Säulenkapitell dieses Stiles erhält seinen
besondern Charakter durch die vom gewöhnlichen abweichende
Form des Akanthusblattes ; es ist hier eine andere Art der Pflanze
stilisiert worden. Während sonst das Blatt mit spitzen, aufwärts
gerichteten Zacken endet, fällt hier der ganze Rand mit rund-
lichen Lappen weich nach auĂźen ĂĽber, und es entsteht ein reiz-
voller Gegensatz zwischen dem schwellenden Leben des sich
Fig. 270. Altar vor dem Tempel des Zeus Meilichios.
kraftvoll an den Kern anschmiegenden Blattkörpers und dem
weich herabsinkenden Rande (S. 370. Fig. 198). Die Ausladung
ist meist eine geringe, weil man der Festigkeit des Steines nicht
recht traute. Die schönsten Beispiele, zugleich die einzigen mit
gut erhaltenem Stuck, sind die schon erwähnten der roten Säulen
und Pilaster der Exedra des Alexandermosaiks. Zahlreich ist
der korinthische Stil vertreten in den Pilasterkapitellen der Haus-
eingänge. Eine besonders beliebte Art derselben, die mit Figuren
verzierten, haben wir schon kennen gelernt (S. 370). Auch die
ĂĽbrigen haben nie die normale Form, sondern allerlei Um-
gestaltungen in ornamentalem Sinne; anmutige, phantasievolle
Gebilde, in denen aber der eigentlich architektonische, das Tragen
LII. Die Architektur. 45 g
SO schön und kräftig ausdrückende Charakter des korinthischen
Kapitells verloren gegangen ist.
Gebälke sind nur von Portiken, nicht von Tempeln erhalten,
und zwar in zwei Formen: das dorische Triglyphengebälk und
das ionische mit Zahnschnitt. Beide kommen auch in der Wand-
dekoration vor; ersteres selten, letzteres unzählige Male. Und da
auf den vielen erhaltenen Wänden ersten Stils immer nur dieses
vorkommt, bisweilen zweimal auf derselben Wand (Fig. 136), nie
ein reicheres korinthisches Gebälk, etwa mit Konsolen und
mehreren Zwischengliedern, so ist es immerhin wahrscheinlich —
und auch in unseren Restaurationsversuchen ist dies angenommen
worden — , daß auch im Tempelbau dies einfach elegante, dem
ganzen oben bezeichneten Stilcharakter dieser Periode so gut
entsprechende Gebälk herrschte, unter Ausschluß der uns aus
Bauten der Kaiserzeit bekannten reicheren Formen. Den dorischen
Triglyphenfries zeigt der Altar des Zeus Meilichios (Fig. 270) im
Verein mit der Nachahmung eines Quaderbaues, wie auf Wänden
ersten Stils, und mit Voluten ionischen Ursprunges, wie sie an
Altären und altarförmigen Gräbern gewöhnlich sind.
Die Vielfarbigkeit der altern griechischen Architektur ist
dieser Zeit fast ganz abhanden gekommen. WeiĂź ist das mit
seiner StuckhĂĽlle erhaltene ionische Kapitell der Casa del Fauno,
weiß die wenigen in den Häusern erhaltenen Pilasterkapitelle,
weiĂź die zahlreichen Wiederholungen des Zahnschnittgesimses in
der Wanddekoration. Wir dĂĽrfen sicher annehmen, daĂź es in
den Monumentalbauten nicht anders war. Aber einige Reste der
alten Vielfarbigkeit waren doch im Gebrauch geblieben. In zwei
Häusern, dem des Sallust und noch einem anderen, II (VIII),
3, 31, zeigt die Wanddekoration einen Triglyphenfries mit roten
Metopen. Ebenso erscheint in den Wanddekorationen der Fries
unter dem Zahnschnittgesims stets farbig: rot, gelb oder blau;
rot war er auch im Peristyl des Hauses der schwarzen Wand,
wo er über den Halbsäulen der Gartenwand erhalten ist. Sicher
war beides auch an den Monumentalbauten der Fall. Ferner ist
in mehreren Fällen, wo das Epistyl in zwei Gurte geteilt ist, der
untere derselben gelb: eine Andeutung der S. 48 besprochenen
Bauart mit Hilfe einer Holzbohle, die man auch wo sie nicht
angewandt war als Dekorationsmotiv fingierte; so im Peristyl des
460
Pompeji.
Hauses der schwarzen Wand und im zweiten Peristyl der Casa
del Fauno. Endlich waren wohl an den schon erwähnten Figuren-
kapitellen die Figuren teilweise bemalt: an den Pilasterkapitellen
der Alen im Hause des Epidius Rufus (S. 326) waren zur Zeit
der Ausgrabung die Farben gut erhalten. Freilich mochte an
den Hauseingängen die Farbe nicht lange dem Einfluß der
Witterung widerstehen.
Aus der nächstfolgenden Zeit, dem halben Jahrhundert zwischen
der GrĂĽndung der Kolonie und dem Beginn des Kaisertums,
tritt uns kein recht einheitlicher und eigenartiger Charakter der
Fig. 271. Phantasiekapitelle aus farbigem Stuck. A Dorisches Kapitell aus dem Hause des
Sallust. B Modifizierte korinthische Form. C Korinthisches Phantasiekapitell.
Architektur entgegen. Mit der Kaiserzeit beginnt der Bau mar-
morner Tempel und Portiken, deren Stil nichts speziell Pompe-
janisches hat und bei der GeringfĂĽgigkeit der erhaltenen Reste
hier weniger als anderswo studiert werden kann. So kann auch
die stilistische Entwicklung von der Zierlichkeit der augustischen
bis zu dem mehr dekorativen Charakter der neronischen und
flavischen Zeit hier nur an geringen Spuren verfolgt werden.
Das Charakteristische liegt in dem Aufbau der einzelnen Gebäude
und ist fĂĽr jedes derselben seines Ortes besprochen worden.
Daneben aber war, zuerst vermutlich im griechischen Orient,
in Italien zu Anfang der Kaiserzeit, mit dem dritten Dekorations-
stil eine andere Art aufgekommen, zunächst im Privatbau, hatte
sich aber grade in Pompeji auch des Tempelbaues bemächtigt.
Man war der immer und immer wiederholten P^ormen des grie-
chischen Tempelbaues grĂĽndlich satt geworden. So trat denn
LII. Die Architektur.
461
eine Reaktion ein: man warf sie einfach beiseite und ersetzte sie
durch Ornamente, die mit frei spielender Phantasie entworfen und
meist nur in Stuck ausgeführt wurden. Die Kapitelle der Säulen und
Pilaster nähern sich wohl noch in ihrer Gesamtform dem dorischen
oder korinthischen, sind aber mit ganz frei erfundenen Laub-
und Rankenmotiven verziert. Das Gebälk
wird nicht mehr nach alter Art in Epistyl,
Fries und Gesims gegliedert, sondern
erscheint als ein beliebig ornamentierter
Streifen. Bisweilen fĂĽllt ihn ein Laub-
gewinde, wie im Isistempel (S. 180) und
im Hause der Vettier (S. 343), bisweilen
ist er in breitere, den Intercolumnien, und
schmälere, den Säulen entsprechende Ab-
schnitte geteilt und diese in verschiedener
Weise ausgefüllt; so in der Palästra der
Stabianer Thermen (S. 203), im Hofe des Apollotempels (S. 79),
im Peristyl des Hauses der silbernen Hochzeit. Dabei tritt nun
auch die Freude an der Vielfarbigkeit wieder in ihr Recht. Zwar
ist meistens ein groĂźer Teil des Grundes und auch der Orna-
mente weiĂź, daneben aber finden sich in reichlicher Verwendung
die lebhaftesten Farben: Rot, Blau, Gelb und andere. Auch die
Fig. 272. Modifiziertes korinthi-
sches Kapitell.
Fig. 273. Phantasiekapitdie von Pilastern.
Säulen werden jetzt in ihrem untern Drittel lebhaft rot oder gelb
gefärbt: ein der frühern Zeit ganz fremdes Verfahren. Und
diese Vielfarbigkeit ist im Zunehmen begrijflfen, entschieden stärker
zur Zeit des vierten als des dritten Stils.
Auch der Sinn für Größenverhältnisse ist ein ganz anderer
geworden. Namentlich im Privatbau liebt man nicht mehr den
monumentalen Charakter, die hohen Zimmer, Türen und Säulen
462 Pompeji.
der Tuffperiode. Alles wird kleiner, niedriger, freilich dadurch
auch wohnlicher und behaglicher. Die Säulen sind namentlich
in der Zeit des letzten Stils manchmal unglaublich kurz und dick,
wohl aus keinem andern Grunde, als weil so die lebhafteren
Farben des untern Teils und des Kapitells mehr zur Geltung
kamen. Wir haben hier eine vollständige Geschmacksrevolution,
eine ganz neue Art kĂĽnstlerischen Empfindens. Die klassische
Schönheit in Linie und Proportion hat für diese Zeit nur wenig
Reiz und verliert ihn mehr und mehr. An ihre Stelle treten
andere Reize: die Freude an bunten, lebhaften Farben, an Ab-
wechselung und — dies in steigendem Maße — an krausen,
barocken Formen.
Sicher ist diese neue Art — neben der die klassizistische
Richtung in dem offiziellen Marmorbau fortbesteht — zuerst im
Frivatbau aufgetreten. Aber sie ist in Pompeji auch in die öffent-
lichen Gebäude — Stabianer Thermen — und nach 63 selbst
in den Tempelbau — Isis- und Apollotempel — eingedrungen.
Der Isistempel selbst zeigte zwar die phantastischen Formen des
neuen Stils, sollte aber durch seine weiĂźe Farbe wenigstens an
einen Marmorbau erinnern; im Portikus dagegen ist das untere
Drittel der Säulen rot; wir werden also auch Vielfarbigkeit des
Gebälkes anzunehmen haben, wie es am Portikus des Apollo-
tempels zur Zeit der Ausgrabung erhalten war (S. 79). Ob auch
hier der Tempel selbst weiß war, können wir bei der gänzlichen
Zerstörung seiner oberen Teile nicht entscheiden. Wohl das
besterhaltene Beispiel dieses Stuckstiles ist die überwölbte Grab-
nische vor dem Herculaner Tor.
Kapitel LIII.
Die Skulptur.
Die öffentlichen Plätze und städtischen Gebäude Pompejis
waren überreich mit Statuen bevölkert. Dicht gereiht standen
auf dem Forum die verdienten BĂĽrger frĂĽherer Generationen und
sonstige Wohltäter und Beschützer der Stadt. Außer den fünf
Kolossalstatuen von Kaisern und Mitgliedern der Kaiserfamilie
waren für Reiterstatuen in Lebensgröße wohl 70 bis 80 Plätze
vorgesehen, und hinter jedem derselben einer fĂĽr ein Standbild.
Zweifeln darf man freilich, ob jemals alle diese Plätze besetzt
waren. Noch zur Zeit des Claudius oder Nero wurde dem jungen
Scaurus (S. 437) eine Reiterstatue auf dem Forum gesetzt: es
war also noch Platz vorhanden. Die Vorhalle des Macellum ent-
hielt 25 Statuen, 8 der offene Raum des städtischen Larentempels,
21 die Vorhalle des Gebäudes der Eumachia. Aber von allen
auf öffentlichen Plätzen stehenden Ehrenstatuen ist erhalten nur
die des M. Holconius Rufus, des Erneuerers des groĂźen Theaters,
der in seiner Militärtracht, als tribunus milituni a populo^ gleich
neben dem Haupteingang der Stabianer Thermen stand. Dazu
kommen die Statuen der Octavia und des Marcellus im Macellum,
die der Eumachia in ihrem Gebäude und die unbekannter Leute
im Fortunatempel.
Unsere Figur 274 zeigt die Statue der Eumachia, ein gutes
Beispiel der etwas idealisierenden Porträtkunst der ersten Kaiser-
zeit. Die Darstellung ist einfach, mit sparsamem Detail. Der
freundlich-ernste, fast etwas traurige Gesichtsausdruck ist unge-
mein ansprechend; die schönen und edlen Formen erinnern an
die griechische Ab.stammung der Priesterin.
Zahlreicher sind die kĂĽnstlerisch wertlosen Statuen der Grab-
monumente, meist aus Tuff mit StuckĂĽberzug, seltener aus dem
464
Pompeji.
in Neapel Travertin genannten Kalkstein. Ăśber die Art, wie sie
auf den Monumenten angebracht waren, s. oben S. 430, 452, 453.
Aber auch in Privathäusern wurden Porträtskulpturen aufge-
stellt. Im Atrium, an der RĂĽckseite, neben dem Eingang zum
Tablinum , stellten Ver-
wandte , Freigelassene,
auch Sklaven, das Bild
des Hausherrn auf, als
Herme: die BĂĽste auf
einem viereckigen Pfeiler
mit armartigen VorsprĂĽn-
gen, um am Geburtstage
und wohl auch sonst
Kränze aufzuhängen. Drei
solcher Hermenporträts,
alle mit Inschrift, sind er-
halten. Fig. 275 zeigt
die BronzebĂĽste des Ban-
kiers L. Caecilius Jucundus
(oben S. 371). von seinem
Freigelassenen Felix der
Symmetrie halber gleich
zweimal, rechts und links
vom Tablinum, aufgestellt,
mit der InschriĂĽ: f Gauo
L[uci) 11 OS tri Felix l[iber-
tus). Wir begegnen hier
einer durchaus natura-
listischen Kunstrichtung.
Es ist nicht der leiseste
Versuch gemacht, die
unschönen Formen des
Jucundus zu idealisieren.
Mit unverkennbarer Liebe
aber ist der Gesichtsausdruck herausgearbeitet: in seiner ganzen
Eigenart steht er vor uns, der tätige und schlaue Geldmann, dem
aber doch der Sinn fĂĽr LebensgenuĂź und selbst ein gewisser
Humor nicht fehlt.
Fig. 274. Statue
l'.umachia.
LIII. Die Skulptur.
465
Die beiden anderen Hermen, die des Vesonius Primus (S. 416)
und des Cornelius Rufus (S. 261) sind aus Marmor. Auch sie
sind achtungswerte Leistungen der Porträtkunst, denen sich
wĂĽrdig anschlieĂźt der beim Isistempel aufgestellte charakteri-
stische Bronzekopf des Schau-
spielers C. Norbanus Sorex
(S. 182).
Noch eine andere Art
Porträtskulpturen war in Pri-
vathäusern aufgestellt: Bild-
nisse berühmter Männer der
Vorzeit. Das groĂźartigste
Beispiel einer solchen histo-
rischen Porträtgalerie bietet
eine groĂźe, im achtzehnten
Jahrhundert in Herculaneum
ausgegrabene und wieder
verschĂĽttete Villa. Pompeji
hat nur sehr wenig der Art
geliefert. In einem Zimmer
fand man drei Marmorköpfe
etwa halber Lebensgröße :
Epikur , Demosthenes und
einen oft vorkommenden
Kopf, der wahrscheinlich den
in der ersten Kaiserzeit sehr
beliebten alexandrinischen
Dichter Kallimachos darstellt.
Offenbar gab der Bewohner
des Zimmers seinen literari-
schen Neigungen Ausdruck,
indem er hier die Porträts
eines Philosophen , eines
Redners und eines Dichters
vereinigte. In einem andern Zimmer fand man eben diesen
vermutlichen Kallimachos und Epikur.
Wieder in einem andern Hause fand man, nicht aufgestellt,
sondern zurückgelegt, zwei offenbar zusammengehörige Büsten,
Mau, Pompeji. 2. Aiifi. ^O
u
M
^ 'S- 275. l'ortratherme des Caecilius Jucundus.
466
Pompeji.
nach Typus und Haartracht Römer aus der letzten Zeit der Re-
publik oder der ersten des Augustus. Von dem einen steht ein
zweites Porträt, in reiferem Alter, im kapitolinischen Museum,
und gilt dort für Brutus, den Mörder Caesars. So sind denn im
Museum zu Neapel die beiden Köpfe als Brutus und Pompejus
bezeichnet worden. Beide Benennungen sind sicher falsch. Das
Porträt des Pompejus ist bekannt und hat mit diesem Kopfe
keine Ă„hnlichkeit; und auch von
Brutus geben seine MĂĽnzen ein
ganz anderes Bild. Vielleicht
ist dies Paar berühmter Männer
nicht auf politischem, sondern
auf literarischem Gebiet zu
suchen. Ein Mosaikporträt
Virgils, kĂĽrzlich in Afrika ge-
funden, ist dem vermeintlichen
Brutus nicht unähnlich, und
auch was wir sonst von dem
Aussehen des Dichters wissen,
stimmt mit dieser BĂĽste recht
wohl ĂĽberein. Stellt aber diese
Virgil dar, so ist es unvermeid-
lich, fĂĽr die andere an Horaz
zu denken ; und in der Tat
paĂźt das volle, runde Gesicht
nicht schlecht zu dem, was er
selbst von seiner äußern Er-
scheinung sagt. So haben wir vielleicht hier die beiden be-
rĂĽhmtesten Dichter der augusteischen Zeit vor uns.
Von der Art, wie die Gärten der Peristylien mit allerlei
Skulpturen geschmĂĽckt waren, haben uns das Haus der Vettier,
das der vergoldeten Amoren (S. 371) und das des Lucretius
(S. 372) gute Beispiele gegeben. Es sind Statuetten, Hermen,
kleine Tierfiguren, auch kleine Gruppen und Reliefs. Besonders
beliebt sind Figuren des bacchischen Kreises: Bacchus selbst,
Satyrn, Silene, Bacchantinnen und dergleichen. Der Kunstwert
ist meist sehr gering.
Eine besondere Klasse bilden hier die Brunnenfiguren, deren
Fig. 276. Bacchus und Ariadne. DoppelbĂĽste
aus dem Hause der Vettier.
LIII. Die Skulptur. 467
das Museum in Neapel eine beträchtliche Zahl bewahrt. Auch
hier vorwiegend bacchische Figuren. So fanden wir im Hause
des Lucretius einen Silen mit einem Schlauch, aus dessen Ă–ff-
nung das Wasser floĂź. KĂĽnstlerisch bedeutender ist ein an der
Piscina der Casa del Centenario gefundener kleiner Bronzesatyr,
der aus dem Schlauch, den er unter dem linken Arm trägt, das
Wasser gegen seine rechte Hand laufen lieĂź, so daĂź es auf seinen
Körper zurückspritzen mußte. Aber auch beliebige Genrefiguren
kommen in solcher Verwendung vor; so die beiden Bronze-
knaben im Hause der Vettier (Fig. 181). Wie hier die Wasser-
strahlen aus den Schnäbeln der von ihnen gehaltenen Enten
kamen, so sind es in anderen Fällen bloße Tierfiguren, die ihn
entsenden. Eine ganze Anzahl solcher wasserspeienden Tiere
aus Bronze umstanden die Piscina des mittleren Peristyls der Casa
del Citarista (S. 373): ein Eber, zwei Hunde, ein Löwe, eine Hirsch-
kuh, eine Schlange.
Bei weitem nicht immer ist aber der Wasserstrahl in so enge
Verbindung mit der Figur gebracht. Häufiger sogar — so bei
der Mehrzahl der Figuren im Hause der Vettier — fiel er ein-
fach neben ihr aus der Leitungsröhre herab. Oder es fand eine
lose Verbindung statt, wie bei einem bronzenen Fischer, an dessen
Sitz eine den Wasserstrahl entsendende Maske angebracht ist.
Die Kultbilder der Tempel sind verloren bis auf den Kopf
des Jupiter im Capitolium und die drei Tonfiguren im Tempel
des Zeus Meilichios. Von den im Tempelhofe des Apollo und
in dem der Isis gefundenen Skulpturen war ihres Ortes die Rede.
In großer Zahl hat man dagegen die kleinen bronzenen Götter-
bilder der Hauskapellen gefunden. Ihr kĂĽnstlerischer Wert ist
meist sehr gering; im ĂĽbrigen war von ihnen schon S. 276 die
Rede, und so mag hier dieser kurze Hinweis genĂĽgen. Seltener
begegnet es, daß ein einzelnes etwas größeres Götterbild in einer
im Garten erbauten Kapelle aufgestellt ist. Zwei Beispiele dieser
Art verdienen etwas nähere Erwähnung.
In einer Aedicula im Garten des Hauses I, 2, 17 stand eine
Statuette der Aphrodite, die sich auf ein altertümliches Idol —
man pflegt es Spes, die Hoffnung, zu nennen — stützt, von ge-
ringem Kunstwert, aber bemerkenswert wegen der vollständig er-
haltenen Bemalung der Augen, der Haare und der Kleidung.
30*
468
Pompeji.
Weit bedeutender ist die auf Tafel XII abgebildete Artemisstatue
in halber Lebensgröße, gefunden im Jahre 1760 in einem später
wieder verschütteten Hause in der Nähe des Amphitheaters. Sie
ist eine zur Zeit des Augustus gefertigte genaue Nachbildung
eines Werkes aus der Zeit der Perserkriege und zwar höchst
Fig. 277. Tanzender Satyr. Bronzestatuette aus dem Hause des Faun. Photographie Brogi.
wahrscheinlich des von Pausaniäs {VII, 18, 9) erwähnten Kult-
bilder der Artemis Laphria, eines Werkes der beiden Naupaktier
Menaichmos und Soidas. Dieses stand bis zur Zeit der Schlacht
von Actium in Kalydon. wurde dann aber von Augustus der von
ihm gegründeten Kolonie Patrae geschenkt. Die Göttin ist dar-
gestellt als die leicht und rüstig dahinschreitende Jägerin; in der
Mau, Pompeji. 2. Aufl. Taf. XII.
zu S. 468.
Artemis,
Kopie einer archaischen Statue.
Photographie llro^i.
Llll. Die Skulptur.
469
gesenkten Linken müssen wir den Bogen ergänzen. Die anmutige
Art des späteren Archaismus ist von dem Kopisten im wesentlichen
treu wiedergegeben, auch die Bemalung, diese freilich wohl etwas
vergröbert: gelb war das Haar, braun die Augensterne, schwarz
Fig. 278. Bacchus, sogen. Narcissus. Uronzestatuette. Photographie Brogi.
Wimpern und Brauen, gelb die Rosetten des Diadems, reich in
Gelb, Rosenrot und WeiĂź verziert der Saum des Mantels ; rosen-
rote Streifen sind kenntlich an den Armlöchern, am Saume des
Chiton und an der Halskante des Mantels.
470 Pompeji.
Von der archaischen Apollostatue, die in der nach ihr be-
nannten Casa del citarista am Fuße einer Säule des Peristyls
stand, war schon auf S. 373 die Rede.
Wir schließen diesen Abschnitt mit der Erwähnung dreier
berühmter Bronzestatuetten, die zu dem Schönsten gehören, was
die verschĂĽttete Stadt uns geschenkt hat.
Erstens der tanzende gehörnte Satyr, gefunden in der nach
ihm benannten Casa del Fauno (Fig. 277). Mit bewundernswerter
Kunst ist der derbsinnliche Bursche dargestellt, wie er mit An-
spannung aller Muskeln seines sehnigen Körpers leicht dahintanzt.
Der Ort seiner Aufstellung ist unbekannt; man fand ihn im
Atrium liegend; aber zu dem Springbrunnen des Impluviums
kann er nicht wohl gehört haben.
Zweitens der mit erhobenem Arm ein Gefäß tragende epheu-
bekränzte Silen. Ebenso meisterhaft wie dort das leichte Dahin-
schweben ist hier die ^Anstrengung des Tragens zum Ausdruck
gebracht. Ungeschickterweise ist der Tragring des Gefäßes als
Schlange gestaltet. Die etwa 40 cm hohe Figur, nebst TrĂĽmmern
des von ihr getragenen Gefäßes aus farbigem Glas, wurde gefunden
im Jahre 1864, im Hause des Popidius Priscus, IV (VII), 2, 20.
Drittens endlich der sogenannte NarciĂź, 59 cm hoch, gefunden
1863 im Hause IV (VII), 12, 21, ein Werk von auĂźerordentlicher
Schönheit. Die wundervoll flüssigen Umrisse der in voller Jugend-
blĂĽte schwellenden Glieder, der kindlich harmlose Ausdruck des
lieblichen Gesichtes, der Ausdruck auch in der Bewegung — der
Jüngling horcht mit Wohlgefallen auf einen fernen Laut — alles
dies vereinigt sich zu einem Ganzen von unendlich harmonischer
Wirkung. Der Name NarciĂź freilich, der ihm gleich nach der
Ausgrabung von, Fiorelli gegeben wurde, ist sicher falsch; da
nach der Sage NarciĂź die Liebe der Nymphe Echo nicht er-
widert, so konnte auch nicht dargestellt werden, wie er mit
offenbarem Wohlgefallen auf ihren Ruf horcht. Man hat ihn
auch Pan genannt, von eben diesem Motiv des Horchens aus-
gehend, weil die Sage von einem Liebesverhältnis zwischen Pan
und Echo berichtet. Aber dieser JĂĽngling ist eben nicht Pan:
es fehlt jedes charakteristische Attribut des Hirtengottes, und
namentlich widerspricht die elegante Beschuhung einer solchen
Deutung auf das entschiedenste. Dieser blĂĽhende JĂĽngling,
LIII. Die Skulptur. a-jj
epheubekränzt, mit einem Rehfell (Nebris) um die Schulter, mit
dem hohen, geschnĂĽrten Schuhwerk, kann kein anderer sein als
Dionysos selbst. Man hat vermutet, er spiele — wie das in der
alten Kunst öfter vorkommt — mit seinem Panther. Aber sicher
war auf dieser Basis nie ein Panther neben dem Gotte vorhanden.
Und dann kommt doch auch die eigentĂĽmliche, ausdrucksvolle
Haltung bei dieser Deutung nicht zu ihrem Recht. Darin haben
doch wohl die anderen, oben erwähnten Deutungen Recht: der
Gott lauscht auf ferne Töne. Welcher Art diese Töne sind, das
bleibt für uns vorderhand ein Rätsel.
Kapitel LIV.
Malerei. Wanddekorationen.
Die Wände der Innenräume sind durchweg bunt bemalt. Nur
in KĂĽche, Vorratskammern, Sklavenzimmern begnĂĽgte man sich
wohl mit einem weißen Anstrich. Wenn die Fassaden — was
in römischer Zeit nicht mehr vorkommt — monumental aus
Quadern aufgefĂĽhrt waren, so blieben sie ohne Bewurf; bisweilen
wurde dann, wie am Hause des Faun, das Portal des Hauptein-
ganges durch weiĂźen Stuck ausgezeichnet. Im ĂĽbrigen kam es
wohl einzeln vor, namentlich in der letzten Zeit, daĂź man sich
mit einer unbeworfenen Ziegel- oder Reticulatmauer begnĂĽgte;
durchweg aber erhielt auch die Fassade ihren Stuckbewurf, der
in älterer Zeit, bis in die Zeit des zweiten Stiles, meist weiß
geblieben zu sein scheint, später aber einfach bemalt zu werden
pflegte, meistens nur so, daĂź ein dunklerer Sockel von der
weißen obern Fläche unterschieden wurde.
Die Malerei ist durchaus Fresko; dies ist nach den sorgfäl-
tigen Untersuchungen O. Donners (vor Helbigs Katalog der
Wandgemälde) nie mit ernstlichen Gründen in Frage gestellt
worden. Zwar ein Stuckbewurf, wie ihn Vitruv vorschreibt —
drei Lagen Sandstuck und drei Lagen Marmorstuck, die eine
immer feiner als die andere — ist in Pompeji nicht nachweisbar.
Durchweg aber finden wir in besser bemalten Räumen über einer
oder mehreren Schichten Sandstuck eine oder auch mehrere
Schichten eines mit Marmorstaub bereiteten Stuckes. Ein guter
Stuck ist im Mittel 5 cm, selten bis zu 8 cm stark. Nur in ver-
nachlässigten Räumen hat man sich mit bloßem Standstuck be-
gnĂĽgt. Bisweilen kommt es auch vor, daĂź statt des zerstoĂźenen
Marmors Ziegelmehl beigemischt ist.
Eine so starke Stuckschicht blieb lange feucht, und man
konnte länger darauf malen als auf modernem Stuck, doch aber
LIV. Malerei. Wanddekorationen.
473
nicht immer lange genug, um in einem StĂĽck die ganze Wand
zu vollenden. So sind denn in der Tat mehrfach in sorgfältiger
behandelten Wänden Ansätze (»Näte«) nachgewiesen worden.
Namentlich aber sind die eigentlichen Bilder mit wenig Ausnahmen
auf besonders eingeputzten Stuck gemalt. Die ornamentale Aus-
schmĂĽckung der ganzen Wand nahm zu viel Zeit in Anspruch,
als daß der Stuck nachher noch frisch genug gewesen wäre, um
auf ihm die Bilder auszuführen. Man schnitt also ein der Größe
des Bildes entsprechendes viereckiges oder rundes StĂĽck aus,
fĂĽllte die LĂĽcke mit frischem Stuck und malte auf diesem. DaĂź
ein eigentliches Bild auf den schon farbigen und getrockneten
Grund der ganzen Wand gemalt ist, kommt in der letzten Zeit
Pompejis ausnahmsweise vor, hat sich aber stets durch sehr ge-
ringe Dauerhaftigkeit gerächt. Sehr häufig ist dagegen dies Ver-
fahren zu beobachten an den auf den farbigen Grund aufgesetzten
Ornamenten und den in der Mitte der Wandfelder angebrachten
einzelnen Figuren: wahrscheinlich ist hier ein Bindemittel an-
gewandt worden (Temperamalerei) ; es durch Analyse der Farben-
reste nachzuweisen, ist bisher nicht gelungen.
Im Hause des Lucretius (S. 372), in dem Hause VI, 15, 13,
und einzeln noch sonst (vgl. S. 299), haben sich in der Mitte der
Wände, am Platze des Hauptbildes, die Spuren in den Wandstuck
eingelassener Holztafeln gefunden. DaĂź dies Bilder waren, kann
nicht wohl bezweifelt werden. Da aber diese, namentlich bei der
geringen Dicke der Tafeln, schnell zugrunde gehen muĂźten, so
werden wir wohl annehmen dĂĽrfen, daĂź sie nicht besonders
wertvoll waren.
Der Kunstwert der pompejanischen Malereien ist ein sehr
verschiedener, von geringer Handwerksarbeit bis zu wahrhaft
kĂĽnstlerischen Leistungen, wie im Hause des tragischen Dichters,
im Hause der Vettier, im Hause des Kastor und PoUux. DaĂź
die geringere Qualität der Zahl nach überwiegt, liegt in der Natur
der Sache.
Die Geschichte der pompejanischen Wandmalerei ist schon
frĂĽher (S. 39 fif.) kurz gestreift worden. Wir mĂĽssen ihr jetzt eine
etwas eingehendere Betrachtung widmen.
Zwei Dinge sind hier zu scheiden. Erstens die ornamentale,
474 Pompeji.
wir können auch sagen architektonische Ausschmückung ganzer
Wandflächen, zweitens die figürlichen, landschaftlichen und son-
stigen Darstellungen, durch die diese Dekorationen belebt werden.
FĂĽr erstere liegt in Pompeji eine etwa zwei Jahrhunderte um-
fassende Entwicklung in vollkommener Klarheit vor uns; fĂĽr
letztere können wir wohl verschiedene Manieren verschiedener
Zeiten unterscheiden, nicht aber eine eigentliche Entwicklung
verfolgen, und es ist trotz mancher BemĂĽhungen noch nicht ge-
lungen, zu der Gesamtentwicklung der antiken Malerei den hier
vorliegenden Ausschnitt in ein recht klares und sicheres Ver-
hältnis zu setzen. Die hier in Betracht kommende Zeit ist
eben fĂĽr die figĂĽrliche und landschaftliche Malerei keine Zeit
kräftiger Entwicklung. Schon früher hat die Kunst ihr ganzes
Können erreicht und zehrt jetzt eklektisch von den Errungen-
schaften der Vergangenheit.
Die Entwicklung des dekorativen Kunstgewerbes ist eine
spätere. Wir wissen von ihm aus älterer Zeit so gut wie nichts.
Vermutlich hat es erst seit der Zeit Alexanders, unter dem Ein-
fluĂź der BerĂĽhrung mit dem Orient, einen rechten Aufschwung
genommen. Sicher ist, daĂź es bis in die Kaiserzeit hinein in
voller, lebendiger Entwicklung blieb. Erst mit der Zeit der
Zerstörung Pompejis scheint ein Stillstand, ein eklektisches Zu-
rĂĽckgreifen auf die Vergangenheit, eine Verarmung dieser Kunst
eingetreten zu sein. Aber hier beginnt schon wieder das Dunkel.
Es fehlt nicht ganz an Resten aus der Zeit der Antonine, und
wieder des Septimius Severus, aber sie sind zu vereinzelt, um
auch fĂĽr diese Zeit den Verlauf genau zu verfolgen. Die einzige
helle Periode in der Geschichte der antiken Wanddekoration
ist eben die in Pompeji vorliegende.
Aus der Zeit der ältesten Häuser Pompejis, der Kalkstein-
atrien, ist keine Spur einer kĂĽnstlerischen Wanddekoration vor-
handen, nur geringe Reste weißen Stuckes. Dagegen sind Wände
der Tuffperiode, des zweiten Jahrhunderts v. Chr., bis zur Zeit
der römischen Kolonie, vielfach vorzüglich erhalten. Dank der
soliden und sorgfältigen Stuckarbeit jener Zeit. Die Dekora-
tionsweise dieser Zeit ist der erste pompejanische Stil. Ein treff-
liches Beispiel gibt das S. 268 abgebildete Schlafzimmer. Wir
geben auĂźerdem hierbei (Fig. 279) eine Wand des Atriums im
LIV. Malerei. Wanddekorationen.
475
Hause des Sallust restauriert. Hauptmotiv dieser Dekoration ist
die in Stuckrelief nachgeahmte Wandbekleidung mit buntfarbigen
Marmorplatten, die ihrerseits durch ihre Anordnung und durch
den etwas vertieften Rand die Andeutung eines Quaderbaues
geben. Dazu kommen einige wenige architektonische Elemente,
namentlich ein auf Wänden dieses Stils fast nie fehlendes Ge-
sims nach Art des Dachrandes eines Tempels, mit Zahnschnitt.
Sein Profil zeigt der auf S. 301 abgebildete TĂĽrsturz der Casa
del Fauno. Es ist sehr merkwĂĽrdig, daĂź eben nur dies Gesims,
etwas mehr oder weniger detailliert, etwas mehr oder weniger
elegant ausgefĂĽhrt, als Wandteilung verwendet wird, kein anderes;
auĂźerdem etwa noch eine einfache Leiste, oder ein glatter Gurt
mit kleiner Sima am obern Rande. Eine gewisse Armut an
Formen, eine etwas nĂĽchterne Eleganz, eine gesuchte Einfachheit
sind die Charakteristik dieses Stiles. Denn gesucht und gewollt
ist diese Einfachheit sicher: das zweite Jahrhundert v. Chr. war
reich an architektonischen Formen, und es ist nicht denkbar,
daĂź, wer mit so feinem GefĂĽhl dies Zahnschnittgesims ausfĂĽhrte,
nicht auch andere Formen beherrscht haben sollte.
Zunächst am Boden finden wir stets einen Sockel. Nur selten
erstreckt sich auch auf ihn die Nachahmung der Marmorplatten
mit vertieftem Rande; gewöhnlich ist er glatt und hellfarbig,
weitaus am häufigsten gelb: die später herrschende Regel, daß
der Sockel dunkler sein muĂź als die oberen Teile, ist diesem Stil
fremd. Diese Vorliebe für gelbe Farbe des Sockels hängt wohl
mit einer Vorstellung zusammen, die mit der Marmornach-
ahmung nichts zu tun hat, und ist wohl älter als dieser ganze
Dekorationsstil. Die Sitte, zu unterst an der Wand einen Sockel
anzubringen, stammt doch nur daher, daĂź fĂĽr den untersten,
der Beschädigung am meisten ausgesetzten Teil der Wand der
Stuck als ein zu gebrechliches Material erschien und man ihn
deshalb mit Holz verkleidete, wie es noch heute häufig genug
geschieht. Das Motiv wurde dann auch da festgehalten, wo man
die Wand bis unten hinab nur mit Stuck bekleidete; die gelbe
Farbe aber ist ohne Zweifel eine Erinnerung an den frĂĽher
einmal ĂĽblichen Holzsockel.
Ăśber dem meist durch einen glatten vorspringenden Gurt be-
grenzten Sockel beginnt die Nachahmung der Marmorplatten.
476
Pompeji.
Zunächst große, meist (so auf unserer Abbildung) liegende und
dann stets schwarze, weiter oben kleinere liegende Rechtecke,
mehrfarbig und meist in mehreren Reihen. Ăśber diesen folgt
regelmäßig das Zahnschnittgesims, häufig, wie in dem Schlaf-
zimmer S. 268, als AbschluĂź der ganzen Dekoration, so daĂź
oberhalb desselben die Wand nur noch mit grobem weiĂźen Stuck
bekleidet ist. Seltener ist auch noch weiter oben die Marmor-
bekleidung irgendwie angedeutet, aber in möglichst einfacher
Weise, etwa als glatte Platte, ohne den zurĂĽcktretenden Rand,
Fig. 279. Wanddekoration ersten Stiles im Atrium des Hauses des Sallust.
oder es ist, wie in unserer Abbildung, dieser obere Teil einfach
durch verschiedenfarbigen Stuck ausgefĂĽllt. Regel aber ist jene
andere Art, nach der das Zahnschnittgesims den AbschluĂź bildet;
und hier ist die zugrunde liegende Vorstellung klar: auf der
wirklichen Wand ist oberhalb des Sockels eine niedrigere, mit
Marmorplatten bekleidete, oben durch das Gesims abgeschlossene
Wand dargestellt, oder vielmehr eine solche Darstellung durch
die Dekoration angedeutet. Es ist wichtig dies Motiv zu merken,
weil es in die späteren Stile übergegangen und hier für die Ein-
teilung der Wand maĂźgebend geworden ist.
Es wird gut sein, die Vorstellungen, auf denen diese Deko-
ration beruht, noch etwas näher zu betrachten.
LIV. Malerei. Wanddekorationen.
477
Erstens, die Dekoration reicht nur bis zu einer gewissen
Höhe und hat hier einen simsartigen Abschluß: ein leicht ver-
ständliches und auch der modernen Dekorationskunst geläufiges
Motiv. Es entsteht aus dem Gebrauch, den untern Teil der
Wände, bis über Mannshöhe, etwa 2 bis 2,50 m, mit Holz-
täfelung (Lambris, Paneelwerk) zu verkleiden, um ihn gegen
Beschädigung, die Bewohner aber gegen Feuchtigkeit und Kälte
der Mauer zu schützen. Daß sich solche Täfelung nicht auch
Fig. 280. Verteilung der Farben auf der Wand Fig. 279.
auf den obern Wandteil erstreckte, mochte in antiken Wohnungen
auch darauf beruhen , daĂź hier die Fenster angebracht waren
(s. S. 268, Fig. 136). Es ist nun leicht verständlich, daß der
obere Abschluß der Täfelung eine simsartige, mehr und mehr
architektonische Gestalt erhielt, und daĂź im AnschluĂź daran die
ganze Täfelung als eine bis zu dieser Höhe reichende und hier
durch das Gesims abgeschlossene Mauer charakterisiert wurde.
Begreiflich ist es ferner, daß die Täfelung, namentlich nachdem
sie dekorativ ausgebildet war, nicht immer wirklich in Holz aus-
gefĂĽhrt, sondern durch Malerei und Stuckarbeit nachgeahmt
wurde. So sieht man jetzt in Rom (und auch wohl anderswo),
namentlich in Schenklokalen, sehr oft Holzbekleidung bis ĂĽber
478 Pompeji.
Manneshöhe; aber es kommt auch vor, daß diese Täfelung durch
holzfarbige Tapeten, bis zu dieser Höhe, ersetzt wird. Und noch
häufiger sind solche Tapeten in Sockelhöhe als Ersatz eines
hölzernen Brüstungslambris.
Zweitens die Nachahmung der Marmorbekleidung. Es wurde
einmal üblich, die Wände mit bunten Marmorplatten zu bekleiden.
Und da nun die Täfelung die Gestalt einer mit dem Gesims ab-
schlieĂźenden Mauer angenommen hatte, so lieĂź man auch dieser
Mauer den modernen Schmuck zuteil werden. Hier sind nun
mehrere Möglichkeiten. Entweder diese Bereicherung fand schon
statt, als man die Wand noch wirklich mit Holz täfelte und es
wurde damals auf dem Holzwerk die Marmorbekleidung durch
Bemalung und vielleicht auch durch Tischlerarbeit nachgeahmt.
Dann sind die pompejanischen Wände freie Stucknachahmungen
der scheinbar marmorbekleideten Holztäfelung. Oder sie trat erst
ein, als man schon dazu übergegangen war, die Holztäfelung in
Stuck und Malerei nachzuahmen; dann wurde sie nicht mehr
der hölzernen Täfelung zuteil, sondern einer aus ihr entstandenen
älteren Wanddekoration, aus der nun wieder, durch eben diese
Bereicherung, der erste pompejanische Stil entstand. Oder end-
lich — und das ist wohl das wahrscheinlichste — es fand beides
statt: es gab damals sowohl wirkliche Holztäfelung als Stuck-
nachahmung derselben, und beide wurden jetzt durch nach-
geahmte Marmorbekleidung geschmückt. Daß es nämlich wirk-
liche Holztäfelungen mit solchem Schmuck gab, ergibt sich mit
großer Wahrscheinlichkeit aus Wänden des zweiten Stiles, auf
denen das als niedrige Mauer gestaltete Getäfel entschiedene
Holzformen zeigt, namentlich am Gesims, aber auch an den
scheinbar marmorbekleideten Teilen; dies ist kaum anders zu er-
klären als so, daß diese Wandmaler das architektonisch gestaltete
Holzgetäfel mit aufgemalter Marmornachahmung noch kannten,
dieses also neben der aus ihm entstandenen Stuckdekoration fort-
bestand.
Drittens der gelbe Sockel, Nachahmung einer Holztäfelung
in Brüstungshöhe (»Brüstungslambris«). Er steht eigentlich im
Widerspruch zu den oberen, scheinbar marmorbekleideten Wand-
teilen. Denn bedeuten diese ein Holzgetäfel, was soll dann noch
ein hölzerner Sockel? Und stellen sie eine Marmormauer dar.
LIV. Malerei, Wanddekorationen.
479
so scheint es doch sinnwidrig, daĂź diese nicht auf dem Boden
steht, daĂź unter ihr ein neutrales Glied eingeschoben ist und sie
nun gleichsam in der Luft schwebt. Hier sind also diese oberen
Teile weder als Holzlambris noch als Marmormauer gefaĂźt,
sondern einfach als das was sie wirklich sind, als Stuckdekora-
tion. Diese ist in ihren untersten Teilen Beschädigungen sehr
ausgesetzt; es ist daher zweckmäßig, sie nicht ganz auf den
Boden hinabzufĂĽhren, sondern hier eine Bekleidung aus wider-
standsfähigerem Material, aus Holz, anzubringen. Und es ist wie
eine Ironie des Schicksals, daĂź dieser zur Schonung der Stuck-
dekoration erfundene Holzsockel nun auch seinerseits durch eine
Stucknachahmung ersetzt wurde und nur in dieser Nachahmung
auf uns gekommen ist.
Und wenn wir genau zusehen (Fig. 27g), so finden wir, daĂź
sich dieser Vorgang noch ein drittes Mal wiederholt hat. Ganz
unten am Fußboden läuft ein nur 8 cm hoher rötlicher Streif.
Er kann nicht gut etwas anderes bedeuten als eine Sicherung
des alleruntersten Teiles der Wand durch festeres Material (FuĂź-
lambris). Diese konnte natĂĽrlich nicht aufkommen ehe an die
Stelle des Holzsockels der gelbe Stucksockel getreten war;
schlieĂźlich ist dann auch sie durch eine Stucknachahmung er-
setzt worden. Dieser Bodenstreif ist auch in die späteren Stile
ĂĽbergegangen (Fig. 281, 283).
In der Tat ist nun dieser zu der ĂĽbrigen Dekoration nicht
recht passende gelbe Sockel ein späterer Zuwachs. Nämlich
eine ältere Form dieses Stiles kennen wir durch die Aus-
grabungen auf Delos und in Priene. Zwar sind dort die Wände
bei weitem nicht so gut, namentlich nicht so hoch erhalten wie
in Pompeji, aber es ist doch klar, daĂź die Anordnung wesent-
lich dieselbe ist, nur mit Ausschaltung des Sockels. Zu unterst
ein Bodenstreif, in Priene meist 30, einzeln 50 cm hoch und
farblos, in Delos wie es scheint noch niedriger und meist dunkel-
rot; es liegt nahe, zu denken, daĂź man ihn manchmal auch als
FuĂźlambris aus Holz oder Stein herstellte. Dann beginnt die
eigentliche Dekoration gleich mit den groĂźen Rechtecken, bis-
weilen quadratisch, meist mehr hoch als breit (OrthostatenU sie
reichen bis zur Höhe von 1,50 m, bleiben also ganz unter
Augenhöhe. Über ihnen, also grade in Augenhöhe, läuft ein
480 Pompeji.
30 bis 50 cm breiter, meistens reich ornamentierter Gurt. Dann,
über Augenhöhe, die uns aus Pompeji bekannten liegenden
Rechtecke, drei bis vier Reihen, endlich das abschlieĂźende Ge-
sims und zwar in Priene in mehreren Räumen ein Zahnschnitt-
gesims wie in Pompeji.
GewiĂź ist eine solche Wand, fĂĽr sich betrachtet, logischer,
korrekter als die pompejanischen. Die Orthostaten fungieren,
ihrer Natur gemäß, als Sockel, werden als solcher auch be-
zeichnet durch den sie abschlieĂźenden Gurt. Den eigentlichen
Mauerkörper bedeuten, ebenso korrekt, nur die liegenden Platten,
gelagert wie Quadern mit regelmäßigem Fugenwechsel. Aber
ganz anders lautet das Urteil wenn wir eine solche Wand be-
trachten im Verhältnis zum Zimmer und seinen Bewohnern; da
läßt sich kaum eine ungünstigere Anordnung denken. In Augen-
höhe ein starkes Teilungsglied, der Sockelgurt, so daß nun weder
die groĂźen noch die oberen kleinen Platten recht zur Wirkung
kommen und das Auge keiner Fläche begegnet auf der es
ruhen kann. Der Fehler ist die zu große Höhe des Sockels: in
einem Wohnraum darf dieser nie die Augenhöhe erreichen oder
ihr auch nur nahe kommen.
Diesen schweren Mängeln wird durch die Hinzufügung des
pompejanischen glatten, gelben Sockels vollständig abgeholfen.
Durch ihn werden die großen Rechtecke in die Höhe gehoben, in
dem Falle unserer Fig. 274 um o,go m, in so ziemlich allen anderen
Fällen noch beträchtlich mehr, so daß sie nun als große ruhige
Fläche in Augenhöhe liegen. Der Sockel der durch die Deko-
ration dargestellten oder angedeuteten Quadermauer ist Haupt-
fläche der Zimmerwand geworden, von der aus nun die liegen-
den Rechtecke zum abschlieĂźenden Gesims ĂĽberleiten. Es be-
deutet also die pompejanische Dekoration einen wesentlichen
Fortschritt gegenüber der älteren; sie ist weniger streng archi-
tektonisch, läßt die ursprüngliche Vorstellung weniger deutlich
erkennen, zeigt aber ein viel größeres Verständnis für die deko-
rative Aufgabe.
Die Wand unserer Fig. 279 gewinnt ein besonderes Interesse
dadurch daĂź hier die Umwandlung noch nicht vollkommen
durchgeführt ist. Die geringe Höhe des Sockels und mehr noch
das Fehlen des ihn abschlieĂźenden Gurtes (vgl. S. 268, Fig. 136)
I,IV. Malerei. Wanddekorationen. 48 1
sind fühlbare Mängel, die wir aber leicht begreifen, wenn wir
uns erinnern, daĂź dieser Sockel nur eine Erweiterung des
niedrigen Bodenstreifens der älteren Dekorationsweise ist. So
erheben sich denn auch die groĂźen Felder hier nur wenig ĂĽber
die Augenhöhe, während die sonst stets den Bewohnern des
Zimmers voll vor Augen liegen. Und einmal aufmerksam ge-
worden dĂĽrfen wir wohl auch in der ganz niedrigen gurtartigen
Platte zwischen den großen und kleinen Rechtecken — sie findet
sich ebenso in der Basilika — eine Erinnerung erkennen an den
delisch-prienischen Sockelgurt.
Bilder kennt dieser Stil nicht; figĂĽrliche Darstellungen brachte
man damals nicht auf den Wänden, sondern im Mosaik des Fuß-
bodens an. Wir dĂĽrfen wohl sagen: diese Dekorationsart setzt
die Kunst des Mosaiks voraus, denn ohne diesen Ersatz wĂĽrde
eine kĂĽnstlerisch hochgebildete Zeit schwerlich auf den figĂĽrlichen
Schmuck der Wände verzichtet haben, der ja in früherer Zeit —
es genĂĽgt an die Werke Polygnots und seiner Zeitgenossen zu
erinnern — allgemein üblich war.
Diese Dekoration ist eine Stuckdekoration. Sie setzt aber die
Sitte der Wandbekleidung mit buntem Marmor und folglich den
Besitz vielerlei verschiedenfarbiger Marmorsorten und damit einen
regen und leichten Verkehr zwischen den Ländern des Mittel-
meers voraus, wie er erst in der Zeit nach Alexander stattfand.
Und eben damals wurde wohl auch die Kunst des Mosaiks aus-
gebildet. So konnte also diese Dekoration nur in einem der
Zentren dieser Zeit, am leichtesten in Alexandria, entstehen; sie ist
die Wanddekoration der hellenistischen Periode. Reste derselben
haben sich, aus derselben Zeit, auch in Pergamon gefunden.
Das älteste datierte Beispiel des zweiten pompejanischen Stiles
ist das in der ersten Zeit der römischen Kolonie, bald nach
80 V. Chr., erbaute kleinere Theater; die Reste sind zwar gering,
aber sicher. Ziemlich gleichzeitig wird auch die Dekoration des
Jupitertempels (S. 61) sein. Dieser Stil blieb in Ăśbung bis in
die Zeit des Augustus; wir mögen ihn den Stil des letzten Jahr-
hunderts V. Chr. nennen. Deutlich kennbar ist in ihm der Fort-
schritt von einfacheren zu reicheren und bunteren Formen.
Letztere sind freilich in Pompeji nur schwach vertreten. Dagegen
haben in Rom zwei Häuser, eines auf dem Palatin (genannt das
Mau, Pompeji. 2. Autl. â– ^ I
482 Pompeji.
Haus der Livia, oder des Germanicus) und eines am rechten
Tiberufer, eine Reihe der schönsten Beispiele später Formen
dieses Stils geliefert. Beide stammen wohl aus der ersten Zeit
des Augustus. Unsere Tafel XIII zeigt eine der wenigen späteren
und reicher entwickelten Wände Pompejis.
Die älteren, einfacheren Wände dieses Stils — wir nennen
ihn den Architekturstil — sind von denen ersten Stils nicht sehr
verschieden. Wie diese ahmen auch sie eine Bekleidung mit
farbigen Marmorplatten nach, freilich nicht mehr in plastischer
Stuckarbeit, sondern nur durch die Malerei. Auch das die Wand
in etwa zwei Drittel ihrer Höhe teilende Gesims, ebenfalls nicht
mehr plastisch, sondern nur gemalt, fehlt nie; freilich aber ist es
nicht immer das Zahnschnittgesims, sondern hat vielfach andere
Formen. Auch der Sockel wird anders gestaltet; er erscheint —
natürlich nur gemalt — in mehr architektonischer Form, oben
durch ein scheinbar stark vorspringendes Gesims abgeschlossen,
und fast ausnahmslos ist durch die Malerei der Schein erweckt,
als ob über ihm die Wand zurückträte, der Raum sich erweiterte.
Häufig sind dann noch vor dieser zurücktretenden Wand, auf
dem Sockel stehend, bis an die Decke reichende Säulen gemalt.
Von diesen architektonischen Elementen aus entwickelt sich
dann, teils durch Hinzutreten neuer Motive, teils durch immer
reichere Ausbildung des Details, eine vollständige Architektur-
malerei, die wir als die eigentliche Charakteristik dieses Stiles
betrachten dürfen. Von der auch auf den Wänden der letzten
pompejanischen Zeit so ĂĽberreich wuchernden Architekturmalerei
unterscheidet sich die des zweiten Stiles dadurch, daĂź in ihr die
Architekturen in Proportionen erscheinen, die der Wirklichkeit
wenigstens einigermaßen entsprechen, während der letzte Stil,
den wir gewöhnlich im Sinne haben, wenn wir von pompejani-
scher Malerei reden, sie in ganz phantastischer Schlankheit zeigt.
Zwei Motive sind es, die, innerhalb dieses Stiles ausgebildet,
von nun an, auch in den späteren Stilen, die ganze Einteilung
und Anordnung der Wand beherrschen.
Wir fanden schon im ersten Stil das aus der Täfelung des
untern Wandteiles entstandene Motiv einer auf der wirklichen
Wand dargestellten oder doch angedeuteten niedrigeren, durch
das Zahnschnittgesims abgeschlossenen Wand. Dies Motiv be-
.)/.?//, Pompeji. 2. AiiĂź. Taf. XIII.
zu S. 483.
\\"anddck()i';iti(»n zweiten Stils.
LIV. Malerei. Wanddekorationen. ^gj
herrscht vollständig zwar nicht alle, aber doch die meisten und
namentlich die späteren und reicheren Wände des zweiten Stiles;
wir finden es auch in unserer Abbildung (Taf. XIII), wo auf dem
Gesims jederseits ein Silbergefäß mit Laub und Früchten steht.
Die niedrige Wand steht, zurĂĽcktretend, auf dem Sockel; ĂĽber
sie hinweg sieht man in einigen Fällen auf eine weiter zurück-
liegende Wand, in anderen ins Freie und auf den blauen Himmel.
Bisweilen ragen hinter ihr Säulen auf und sind mit den vor ihr
stehenden durch Gebälke in Verbindung gesetzt. In anderen
Fällen stehen auf dem Gesims — wo unsere Abbildung die
beiden Gefäße zeigt — kleine, aber doch meist in richtigen Pro-
portionen gemalte Architekturen. So ergibt sich eine Dreiteilung
der Höhe nach; der Sockel, die Hauptfläche, d. h. die mit dem
Gesims abschlieĂźende niedrige Wand, der obere, im ersten Stil
leer bleibende Teil ĂĽber derselben. Und diese drei Teile werden
auch in den folgenden Stilen unverbrĂĽchlich festgehalten, wenn-
gleich ihre architektonische Charakteristik schwindet.
Das zweite Motiv hat im ersten Stil keinen AnknĂĽpfungs-
punkt: es ist der auch in unserer Abbildung die Mitte der Wand
einnehmende, das Bild enthaltende pavillonartige Bau. Er ist
ursprĂĽnglich gedacht als ein vor der niedrigen Wand stehender,
architektonisch gestalteter Bildrahmen; doch ist diese Vorstellung
bisweilen verdunkelt; so auch in unserer Abbildung, wo er als
ein auch nach hinten offener, im Freien stehender Pavillon er-
scheint, an den jederseits die niedrige Mauer sich anschlieĂźt.
So ergibt sich auch in horizontaler Richtung eine Dreiteilung:
der Mittelbau und die beiderseits ĂĽbrig bleibenden W^andstĂĽcke.
Und wenn auch diese Dreiteilung zunächst nur die Hauptfläche
betrifft, so wirkt sie natĂĽrlich doch auch auf die Anordnung des
Sockels und des oberen Teils ein; die Anordnung der Wand
wird eine symmetrische, um einen Mittelpunkt gruppierte.
Dieser Mittelbau bleibt, stilistisch umgestaltet, auch im dritten
Stil (Fig. 281). Im vierten Stil wird das Motiv verdunkelt: es
wird wohl noch das Mittelfeld der Hauptfläche durch seine archi-
tektonische Einfassung hervorgehoben; aber diese umrahmt eben
nur das Feld, nicht das Bild, welches, viel kleiner, mitten in dem-
selben und ohne Beziehung zur Einfassung des Feldes ange-
bracht ist.
31*
484
Pompeji.
Der dritte Stil zeigt in seiner Ornamentik, auch in ornamental
verwendeten Figuren, manche ägyptische Reminiszenzen; es ist
Fig. 281. Wanddekoration dritten Stiles im Hause des Spurius Mcsor.
wohl sicher, daĂź er in Alexandrien entstanden und infolge der
ErschlieĂźung Ă„gyptens, nach der Schlacht von Actium (31 v. Chr),
LIV. Malerei. Wanddekorationen. 485
nach Italien gekommen ist. Es ist ein ornamentaler Stil; da aber
der vierte Stil dies auch ist, so nennen wir ihn den ägyptisie-
renden Stil. Unsere Abbildung (Fig. 281) gibt eine vorzĂĽglich
schöne, gut erhaltene Wand aus dem Hause des Spurius Mesor,
IV (VII), 3, 2Q. Die Grundmotive des zweiten Stiles sind hier
beibehalten: der Sockel, die auf ihm stehende niedrige Wand,
ĂĽber die hinaus man in das Freie sieht, die kleinen Architekturen
in diesem obern Wandteil, der pavillonartige Mittelbau mit dem
Bilde. Aber alles dies hat seine architektonische Charakteristik
verloren; oder, wo diese geblieben ist, da sind doch die Archi-
tekturteile von solch phantastischer Schlankheit, daĂź sie so in
Wirklichkeit nicht existieren könnten. Und diese Ornamentisierung
der Architekturglieder geht noch viel weiter : wo hier, wie ĂĽber
dem Fries, ĂĽber dem Sockel, ein gesimsartiges Glied wenigstens
angedeutet ist, da findet sich auf anderen Wänden ein bloßer
Ornamentstreif.
Das mythologische Bild dieser Wand ist unerklärt; der be-
kränzte junge Mann, der mit gesenktem Schwert über einem
Opfertiere steht, wird von einer Priesterin entsĂĽndigt.
Das EigentĂĽmliche des dritten Stils, und wodurch er sich von
dem der letzten Zeit Pompejis unterscheidet, ist sein Ornament-
system. Mit Worten ist es schwer zu charakterisieren. Es sind
vielfarbige Flächenornamente, während die Ornamentik des letzten
Stils uns scheinbar plastische, meist reich und kraus gegliederte
Formen zeigt, einfarbig, und zwar gelb, Vergoldung andeutend,
und von hellen Glanzlichtern belebt. Dagegen sind im dritten Stil
auch die körperlich erscheinenden Architekturglieder glatt — die
Säulen nicht kanneliiert, die Gesimse ohne Gliederung — von
weiĂźlicher Farbe, schwach und fast nur andeutungsweise in Grau
abschattiert und mit vielfarbigen^ aber größtenteils nicht plasti-
schen Ornamenten geschmückt. Auf Wänden letzten Stils sind
die Säulen kannelliert, die Gebälke plastisch gegliedert, beide
aber einfarbig gelb, d. h. scheinbar vergoldet.
Die Trennung der verschiedenfarbigen Flächen durch weiß-
liche, neutrale Töne, sowohl in den Architekturgliedern als in
den Trennungsstreifen der Ornamente, gibt den Wänden des
dritten Stils einen kalten, vornehmen Charakter. Das glĂĽhende
Kolorit, das man wohl im allgemeinen den pompejanischen
486
Pompeji.
Wänden zuzuschreiben pflegt, ist in der Tat nur den Wänden
letzten Stiles eigen und beruht darauf, daĂź hier Trennungsglieder
und Trennungslinien durchaus lebhaft gelb sind. Sollen wir die
beiden letzten pompejanischen Stile ihrem kĂĽnstlerischen Werte
nach miteinander ver-
gleichen, so können wir
sagen, daĂź der dritte
auf einer feineren, vor-
nehmeren Geschmacks-
richtung beruht , der
vierte aber dekorativ
wirksamer ist.
Damit haben wir
auch die Charakteristik
des letzten pompejani-
schen Stiles im wesent-
lichen gegeben. Auch
er behält die aus der
Architekturmalerei des
zweiten Stiles stam-
mende Einteilung der
Wand, nimmt ihr aber
ihren architektonischen
Charakter. Doch ist
er nicht in dem Grade
ornamental , wie der
dritte Stil, nähert sich
vielmehr wieder dem
zweiten durch eine
groĂźe Vorliebe fĂĽr
Architekturen. Freilich
Architekturen nicht im
Fig. 282. Uetail einer Wanddekoration vierten Stiles. OinnC ueS ZWCltCn otllS,
in der Wirklichkeit ent-
sprechenden Verhältnissen und Formen, sondern jene spielend
leichten, phantastisch geformten und angeordneten Architekturen,
die uns, wenn wir an antike Wandmalerei und an ihr Wieder-
aufleben in der Renaissance denken, zunächst vor Augen stehen.
LIV. Malerei. Wanddekorationen.
487
Diese breiten sich immer mehr aus; nicht nur im obern Wandteil
erscheinen sie, wie im dritten Stil (Fig. 281), sondern auch zwischen
den großen Feldern der Hauptfläche öffnen sich Durchblicke auf
solch phantastisches Bauwerk, meist auf weiĂźem Grunde, gelb
wo es dem Beschauer am nächsten ist, weiter rückwärts in allen
Farben des Regenbogens schillernd: eine stilisierte Luftperspektive.
Fig. 28
Wanddekoration vierten Stiles.
In den am reichsten, und wir dĂĽrfen wohl sagen am konse-
quentesten entwickelten Formen dieses Stiles treten die Archi-
tekturen der Durchblicke in Verbindung mit denen, die den
obern Wandteil erfĂĽllen und, bis an den obern Rand desselben
reichend, die Decke zu stĂĽtzen scheinen, so daĂź nun die ganze
Dekoration sich darstellt als ein GerĂĽst aus solchen spielenden
Architekturen, das nur teilweise verdeckt ist durch die eroĂźen
488 Pompeji.
Felder der Hauptfläche, die gewissermaßen als auf dies Gerüst
gespannte Teppiche erscheinen und bisweilen ausdrĂĽcklich als
solche charakterisiert sind. Es wird gut sein daran zu erinnern,
daĂź diese Felder ihrer Abstammung nach nichts anderes sind als
die imitierten groĂźen Marmorplatten, die noch im zweiten Stil
gleich ĂĽber dem Sockel stehen, die Durchblicke ihrer Abstammung
nach nichts anderes als die zwischen die groĂźen Platten einge-
schalteten schmäleren Platten, vor denen die Säulen stehen, diese
Säulen der Ausgangspunkt für die in den Durchblicken erschei-
nenden Architekturprospekte. So hat sich der ursprĂĽnglichen
Vorstellung unvermerkt eine ganz andere untergeschoben. Oft-
mals ist das architektonische Motiv verdunkelt, wo z. B. die Durch-
blicke und der obere Teil nicht durch die weiĂźe Farbe von den
geschlossenen Feldern unterschieden sind, sondern der Grund der
ganzen Wand (manchmal mit Ausnahme des Sockels) einfarbig
— schwarz, weiß, rot, gelb — ist. Oder wo die Architekturen
der Durchblicke nicht mit denen des obern Wandteils in Ver-
bindung stehen; oder endlich wenn, was häufig vorkommt, diese
letzteren ganz fehlen und durch allerlei meist ziemlich dĂĽrftige
ornamentale Motive ersetzt sind.
Die großen Felder der Hauptfläche enthalten stets in der
Mitte entweder ein Bild oder eine schwebende Figur — einen
Amor, einen Vogel — bisweilen auch eine Gruppe: Amor und
Psyche, Satyr und Bacchantin. Sie sind in den weitaus meisten
Fällen teppichartig umsäumt durch einen wenig innerhalb ihres
Randes umlaufenden bortenartigen Streifen, seltener durch einen
Streifen stilisierter Pflanzenmotive; letzteres die weitaus schönere
Manier, deren bestes Beispiel die berĂĽhmte schwarze Wand (oben
S. 370) ist.
Es ist nicht möglich, den vierten, letzten pompejanischen Stil
aus dem dritten abzuleiten. Vielmehr knĂĽpft er unmittelbar an
den zweiten an, und zwar an Motive desselben, auf deren Unter-
drĂĽckung die ganze Entwicklung des dritten Stiles beruht. Wenn
wir nun finden, daĂź in Italien der zweite Stil um den Beginn
unserer Zeitrechnung erlischt, der vierte aber, durch die ganze
Zeit des dritten von ihm getrennt, erst um 50 n. Chr. auftritt, so
erklärt sich dies wohl nur durch die Annahme, daß auch der
vierte Stil nicht in Italien, sondern im hellenistischen Osten,
•/:
LIV. Malerei. Wanddekorationen. ^go
schon frĂĽher und in unmittelbarem AnschluĂź an den zweiten,
entstanden ist. Während in Alexandria der zweite Stil in den
dritten ĂĽberging, mochte in einem andern Zentrum des Ostens,
etwa in Antiochia, eine parallele Entwicklung den vierten Stil
zeitigen. Jener kam, infolge des Sieges von Actium, frĂĽher nach
Italien; als man hier nach einem halben Jahrhundert seiner mĂĽde
war, trat der unterdes im Osten weiterbestandene und fortent-
wickelte vierte Stil an seine Stelle. Dies ist wenigstens der wahr-
scheinlichste Hergang.
Kapitel LV.
Die Bilder.
Bilder an die Wand zu hängen war in Pompeji, während der
uns vorliegenden Zeit, nicht ĂĽblich. Das System der Wand-
dekoration bietet hierfĂĽr keinen Raum; die bildlichen Darstel-
lungen sind ein Bestandteil der Dekoration selbst. Sehr selten
— nur in vier Häusern sind solche Spuren erhalten (S. 473) —
waren es in den Stuck eingelassene Holztafeln; aber weitaus die
Mehrzahl aller Bilder — alle diejenigen, die eingerahmt erscheinen,
nicht frei auf die farbigen Felder gesetzt oder zwischen die Archi-
tekturen verteilt sind — will die Vorstellung erwecken, als seien
es irgendwie an der Wand befestigte oder vor ihr aufgestellte
Tafelbilder.
Eine klare und geschlossene Entwicklungsreihe, wie fĂĽr den
dekorativen Teil der Wandmalereien, liegt hier nicht vor. Nicht
als ob es an zeitlichen Unterschieden fehlte. Die Bilder dritten
Stiles unterscheiden sich auf das bestimmteste von denen des
zweiten und vierten; weniger scharf diese voneinander. Doch
sind dies Unterschiede der Malweise und des Kolorits, schwer in
Worte zu fassen, ohne farbige Abbildungen kaum darstellbar.
Im ĂĽbrigen fand wohl in der uns hier vorliegenden Zeit keine
rechte Entwicklung statt. Man reproduzierte eklektisch, mehr
oder weniger frei, ganze Bilder oder einzelne Motive älterer, pro-
duktiverer Zeiten, mit Vorliebe der Zeit nach Alexander. Doch
griff man auch auf ältere Vorbilder zurück; wir erinnern an die
Gemälde im Hause des tragischen Dichters und an Orestes und
Pylades vor Thoas (Fig. 200). Zu einer rechten Klarheit ist die
Forschung hier noch nicht durchgedrungen, und eine systemati-
sche Darstellung dieses Teils der pompcjanischen Malerei ist zur
Zeit noch nicht möglich. Wir beschränken uns daher auf einige
Bemerkungen.
LV. Die Bilder.
491
Der erste Stil hat für Gemälde keinen Platz. Doch begegnen
vereinzelt auf den nachgeahmten Inkrustationsplatten kleine Dar-
stellungen, als wäre es ein Naturspiel der Marmoradern: ein
Vogel, ein Gefäß, eine Ringergruppe — wir können sie Herakles
und Antaeus nennen. Dem BedĂĽrfnis figĂĽrlicher Darstellungen
genügten damals die Mosaikfußböden.
Genau so steht es mit den älteren, sich dem ersten Stil eng
anschlieĂźenden Formen des zweiten Stiles. Die Casa del Labe-
rinto hat kleine monochrome Figuren in den gemalten Marmor-
platten, ist aber im übrigen bilderlos. Dagegen sind die späteren
Formen reich an Bildern; die Art, wie sie angebracht sind, in
dem pavillonartigen Mittelbau (S. 483), zeigt Tafel XIII. Doch
sind in Pompeji sehr wenige Bilder zweiten Stiles erhalten; das
Zimmer, dem Tafel XIII entnommen ist, steht fast ganz vereinzelt.
Viel bilderreicher sind die römischen Wände (S. 481).
In die groĂźe Menge der pompejanischen Bilder teilen sich
der dritte und vierte Stil. Und zwar sind sie auf den älteren
Wänden dritten Stils — so auf unserer Abbildung Fig. 281 —
durchaus angebracht wie im zweiten Stil, so daĂź sie als in den
pavillonartigen Rahmen eingespannte Tafeln erscheinen. Später,
aber schon innerhalb des dritten Stiles, wird der Zusammenhang
zwischen Bild und Rahmen gelöst; dieser umschließt nur noch
das einfarbige Wandfeld, innerhalb dessen das viel kleinere Bild
angebracht ist. Im vierten Stil wird dies zur Regel; der ur-
sprĂĽnglich als Bildrahmen gedachte Bau dient nur noch zur Her-
vorhebung des Mittelfeldes.
Solcher die Mitte der Wand einnehmenden Bilder, die stets
als Tafelbilder gedacht sind, hat ein pompejanisches Zimmer drei
oder vier, je nachdem eine der Wände durch die Tür in An-
spruch genommen ist oder nicht. Dazu kommen Malereien in
den Seitenfeldern. Im zweiten Stil nur ausnahmsweise; so in
unserer Abbildung Tafel XIII, wo es groĂźe, fast das ganze Feld
einnehmende Figuren sind. Dagegen vom dritten Stil an ent-
halten die Seitenfelder stets irgend eine Darstellung. In Fig. 281
ist es ein schwebender Amor, in anderen Fällen ein fliegender
Schwan, auch wohl eine kleine, monochrom auf dem Grund des
Wandfeldes skizzierte Landschaft, seltener ein eingerahmtes Bild,
kleiner als das des Mittelfeldes, manchmal rund, und dann mit
492
Pompeji.
Vorliebe eine BĂĽste enthaltend. Im letzten Stil sind an dieser
Stelle besonders beliebt schwebende Gruppen zweier Figuren, am
häufigsten Satyr und Bacchantin.
Ein wichtiges Element figĂĽrlicher Darstellung sind ferner im
letzten Stil — im dritten nur vereinzelte Anfänge — die Figuren,
durch die die phantastischen Architekturen des obern Wandteils
und die Durchblicke zwischen den Feldern der Hauptfläche be-
lebt sind: Satyrn und Bacchantinnen, junge Mädchen oder ernste
Männer mit Opfergerät, und ähnliches. Es kommt auch vor,
daß mythologische Kompositionen aufgelöst und die einzelnen
Figuren zwischen die Architekturen verteilt werden; so in einem
Fig. 284. Stilleben, Xenion.
Zimmer der Insula V, i die S. 329 besprochene Darstellung von
Admet und Alcestis. Die Freude an reicher Belebung der Wand
durch bildliche Darstellungen war offenbar in der letzten Zeit
Pompejis im Zunehmen. An den verschiedensten Stellen treten
sie auf Darstellungen im Fries oberhalb der Hauptfläche zeigt
unsere Wand dritten Stils Fig. 281; im vierten Stil kommt ähn-
liches einzeln auch vor, doch ist hier der Fries selbst selten vor-
handen. Dieselbe Wand zeigt auch sehr bescheidene Darstellun-
gen in dem Streifen zwischen Sockel und Hauptfläche; wie reich
belebt derselbe sein kann, haben wir im Hause der Vettier ge-
sehen (S. 347 ff.).
Häufig erscheinen die Durchbrechungen zwischen den Haupt-
feldern in ihrem untern Teile durch eine Art Tafel geschlossen,
LV. Die Bilder.
493
oberhalb deren dann ein kleines Bild angebracht ist. Am häu-
figsten erscheinen an dieser Stelle > Stilleben <, Darstellungen von
allerlei EĂźwaren. Wir kennen aus Vitruv (VI, lo, 4] den Namen
solcher Darstellungen: man nannte sie Xenien, Gastgeschenke.
Denn — so belehrt uns Vitruv — die Griechen, wenn sie Gäste
im Hause hatten, luden sie nur am ersten Tage zu Tisch; später
lieferten sie ihnen das Rohmaterial und ĂĽberlieĂźen es ihnen, ihr
Mahl selbst zu bereiten: die so gelieferten EĂźwaren nannte man
xeiiia, und so auch die sie darstellenden Bilder. Ein anderer
fĂĽr diese Stelle der Wand sehr beliebter Gegenstand sind See-
Kig. 28
Landschaft.
schlachten; wir finden sie hier im Isistempel, im Macellum, in
einem Zimmer des Hauses der Vettier. AuĂźerdem finden wir
noch an den verschiedensten Stellen der Wand kleine Bilder,
mit Vorliebe kleine, mit wenig Farben gemalte Landschaften an-
gebracht.
Was im übrigen die Gegenstände der Darstellungen betrifft,
so überwiegen unter den größeren Bildern die mythologischen
derart, dal.^ neben ihnen alles andere als Ausnahme erscheint.
Nur selten zeigen sie lebhaft bewegte Handlungen. So die
beiden im Tablinum des Hauses des Kastor und Pollux sich
gegenüberstehenden Bilder: Achilleus unter den Töchtern des
Lykomedes und sein Streit mit Agamemnon, beides bedeutende,
noch öfter wiederholte Kompositionen. Fast ganz fehlt es an
494 Pompeji.
Kampfszenen und ähnlichen Handlungen, in denen das Haupt-
interesse auf der physischen Leistung, auf dem Bewegungsmotiv
beruht. Zwei Bilder aus Herculaneum — Herakles' Löwenkampf
und Herakles, wie er den Eber auf den Schultern trägt — nehmen
sich fremdartig genug unter der ĂĽbrigen Masse aus. Aus Pom-
peji gehören hierher zwei sehr verblaßte Bilder des mit dem
Eber kämpfenden Meleager, eine Darstellung des Achilleus, der
vor den Mauern Trojas den zu RoĂź dahin sprengenden Troilus,
einen zarten, orientalisch gekleideten JĂĽngling, an den Haaren
faĂźt und das Schwert gegen ihn zĂĽckt, und ein Kampf eines
schwer gerĂĽsteten Kriegers gegen eine Amazone. Aber das sind
seltene Ausnahmen, und alle diese pompejanischen Bilder gehören
Wänden dritten Stils, also einer etwas altern Zeit an.
Häufiger schon sind Bilder — aber auch sie bleiben in der
Minderheit — , die einen dramatisch interessanten Moment dar-
stellen, deren Hauptinteresse beruht auf den GemĂĽtsbewegungen,
die in Haltung und Gesichtsausdruck der Personen zutage treten,
Selten ist hier die Handlung eine auch körperlich lebhaft bewegte,
so daĂź auch Bewegungsmotive zur Geltung kommen, wie in den
beiden schon erwähnten Bildern im Hause des Kastor und Pollux;
weit häufiger ist dies vermieden und das Interesse ein rein psycho-
logisches. FĂĽr uns ist diese Klasse von Bildern insofern von
besonderem Interesse, als hier der Künstler sich die höchste Auf-
gabe stellt. Selten freilich ist diese völlig gelöst, selbst in den
gut und kĂĽnstlerisch ausgefĂĽhrten Bildern; doch fehlt es nicht an
Beispielen, die uns von der Fähigkeit der alten Maler, Gemüts-
bewegungen zum Ausdruck zu bringen, einen hohen Begriff
geben. So der Orestes aus der Casa del Citarista (Fig. 200) und
das schmerzerfĂĽllte Gesicht der lo im Macellum (S. 93). Noch
höher steht in dieser Beziehung ein Bild des Isistempels, das uns
lo zeigt in Ă„gypten ankommend, von Isis in Empfang genommen,
und wie in ihrem Gesicht ĂĽber dem Ausdrucke langen und
schweren Leidens nun die Seligkeit der endlichen Erlösung auf-
leuchtet. Einer der schönsten Reste antiker Malerei ist auch ein
Fragment im Tablinum des Caecilius Jucundus (S. 371). Dar-
gestellt war wohl, wie Priamos mit der Leiche Hektors nach
Troja zurĂĽckkehrt; der einzige gut erhaltene Teil zeigt Hekuba,
die, begleitet von einer Tochter oder Dienerin, aus einem Fenster
LV. Die Bilder.
495
auf den traurigen Zug herabsieht. Bewundernswert ist der Aus-
druck des tiefen Schmerzes in dem weiĂźhaarigen, aber noch
wunderbar schönen Kopfe. Oft genug freilich müssen wir den
guten Willen fĂĽr die Tat nehmen.
Die ĂĽberwiegende Mehrzahl aber der mythologischen Bilder
stellt weder, episch, eine lebhaft bewegte Handlung, noch, dra-
matisch , einen psychologischen Moment oder ein Pathos dar
sondern sie zeigt uns die mythologischen Personen entweder in
einer ruhigen, weder sie selbst noch den Zuschauer besonders
aufregenden Handlung, oder, noch lieber, in einer dauernden
Situation, beherrscht nicht
von einer augenblicklichen
GemĂĽtsbewegung, son-
dern von einer Stimmung,
die entweder eine heitere,
idyllische, oder eine ele-
gische, schmerzliche sein
kann: es sind Szenen, die,
wenn die Beteiligten nicht
mythologische Personen
wären, als Genreszenen
gelten könnten. So sehen
wir NarciĂź, der in stiller
Waldlandschaft sich in
der Quelle spiegelt; Poly-
phem, der am Meeresufer sitzend den ihm von einem Amor
ĂĽberbrachten Brief der Galatea in Empfang nimmt; Apollo, wie
er Admet auf der Kithara vorspielt, während um ihn die Herde
grast; Selene herabschwebend zu dem schlafenden Endymion;
Paris und Oenone auf dem Ida, er den Namen der Geliebten in
einen Baum einschneidend; Perseus und Andromeda, das Spiegel-
bild des Medusenhauptes im Bache betrachtend. Der Stimmung
nach gehören hierher auch die Darstellungen des Bacchus, der,
von seinem Gefolge umschwärmt, die schlafende Ariadne findet,
und des Herakles , der bei Omphale bald in Weiberkleidern da-
sitzt und spinnt, bald trunken einherschwankt oder gar am Boden
liegt, während Omphale, mit der Löwenhaut bekleidet, in stolzer
Haltung dabei steht. Beispiele einer schmerzlichen Stimmung
Fig. 286. Hekuba bei der Heimbringung der Leiche
Hektors. Aus einem Wandgemälde.
496
Pompeji
sind der um den getöteten Hirsch trauernde Kyparissos (S. 357)
und Aphrodite, den verwundeten Adonis pflegend.
Fig. 287. Raub der Europa. Wandgemälde. Photographie Brogi.
Aber nicht allein auf der Stimmung beruht die Wirkung dieser
Bilder. Es kommt hinzu in vielen Fällen der Sinnenreiz. So
LV. Die Bilder.
497
liegt in einem schönen Bilde dritten Stiles, Europa auf dem Stier
(Fig. 287), das Hauptgewicht auf der Darstellung des wunderbar
schön gemalten weiblichen Körpers, dem auf der Wand gegen-
über der ebenso meisterhaft gemalte jugendlich schöne Fan ent-
spricht, mit den Nymphen in einem Waldtale musizierend. In
Fig. 288. Frauen, von denen eine zwei Instrumente stimmt. Wandgemälde.
anderen Fällen beruht die Wirkung auf der genreartigen Gegen-
ĂĽberstellung verschiedener Typen; so wenn in einer mehrfach
wiederholten Komposition Thetis als elegante Dame Hephaestus,
dem rauhen Handwerker, gegenĂĽbersitzt, den fĂĽr Achillcus ge-
fertigten Schild betrachtend. Dasselbe Thema variiert die noch
öfter wiederholte Darstellung der Pasiphae in der Werkstatt des
Daedalus, der ihr die für sie gefertigte hölzerne Kuh zeigt. Eine
M.TU, Pompeji. 2. .Aufl. •'2
498
Pompeji
ähnliche Wirkung war wohl beabsichtigt in den Bildern, die Danae
zeigen, wie sie, in ihrer Kiste auf der Insel Seriphos gelandet,
mit dem kleinen Perseus am Strande sitzt und zwei Fischer, vor
ihr stehend, sie um ihr Schicksal befragen.
So viel von den mythologischen Bildern. An die zuletzt be-
sprochene Gattung derselben anknĂĽpfend bemerken wir, daĂź es
auch an reinen Genrebildern, ohne mythologischen Vorwand,
Fig. 289. Paquius Proculus und seine Gattin. Wandgemälde.
nicht fehlt. Zwei solche Bilder fanden wir im Hause des Chi-
rurgen (S. 292): eine Malerin und eine sich mit Literatur be-
schäftigende Gesellschaft. Darstellungen dieser letzteren Art be-
gegnen noch öfter. Auch die Musik ist ein beliebter Gegenstand;
unsere Fig. 288 zeigt vier Frauen, von denen eine beschäftigt ist,
zwei Saiteninstrumente zu stimmen.
Hierher gehören auch kleine gemalte Büsten genreartigen
Charakters: ein Mädchen, das, eine Schreibtafel in der Hand,
den Grififel an den Mund legt und ĂĽber den zu schreibenden
LV. Die Bilder.
499
Brief nachdenkt; ein JĂĽngling, der eine Papyrusrolle, in der er
wohl eben gelesen hat, an das Kinn hält und sinnend vor sich
hin blickt. Wir geben in Fig. 289 ein Bild, in dem ein pompe-
janischer Bäckermeister, P. Paquius Proculus, diese beiden Büsten
vereinigen ließ, indem er aber den Idealköpfen der Originale sein
und seiner Gattin Porträts substituierte.
Ă„hnlicher Art sind auch zwei kĂĽrzlich gefundene JĂĽnglings-
büsten, beide bekränzt und eine Schriftrolle in der Hand haltend.
Und zwar ist an den Rollen auch der kleine, den Titel enthal-
tende Streifen kenntlich, den die Griechen sittybos^ die Römer
index nannten: auf dem einen steht Honierus^ auf dem andern
Plato. Also zwei JĂĽnglinge, von denen der eine der Poesie, der
andere der Philosophie ergeben ist. Trefflich entspricht der
verschiedenen Anlage und Neigung auch der Gesichtsausdruck
und der ganze Typus: die breite niedrige Stirn, der breite Nasen-
rücken, die begeistert aufgeschlagenen Augen, die kräftigen Kinn-
laden des einen, die hohe Stirn, die gegen die feine Nase zu-
sammengezogenen Brauen, das zarte Untergesicht des andern.
Zahlreich sind Landschaftsbilder, in allen Größen. Ausschließ-
lich auf Gartenwänden des letzten Stils finden sich große, die
ganzen Wände einnehmende realistische Darstellungen von Villen,
Straßen, Häfen und ähnlichen Motiven. Nicht ohne Wahrschein-
lichkeit erkennt man in ihnen eine in Italien entstandene Gattung,
die von Plinius (XXXV, 1 1 5) auf einen Maler zurĂĽckgefĂĽhrt wird,
dessen Name in unsicherer Schreibung (Sextus Tadius?) ĂĽber-
liefert ist. Dagegen sind sicher hellenistischen Ursprunges die
als Hauptbilder die Mitte der Zimmerwände — fast ausschließ-
lich dritten Stils — einnehmenden Landschaftsbilder. Sie stellen
meist ein stilles Wald- und Felsental vor, belebt durch ein kleines
Heiligtum oder deren mehrere, mit Opfernden und Anbetenden.
Bei der groĂźen Vorliebe fĂĽr mythologische Bilder an dieser Stelle
der Wand sind sie nicht allzu häufig.
In groĂźer Zahl finden sich endlich kleine Landschaften an
verschiedenen Stellen der Wände angebracht: kleine Heiligtümer,
Villen am Meeresstrand, FlĂĽsse und BrĂĽcken, inselartig im Meer
errichtete Gebäude und anderes (Fig. 285), häufig nur andeutungs-
weise mit wenig Farben gemalt, nicht selten in eigentĂĽmlicher
Beleuchtung, die wohl als Mondlicht gemeint ist.
500
Pompeji.
Nur wenige Worte ĂĽber die Art, wie die in einem Zimmer
vereinigten, meist mythologischen Bilder ausgewählt wurden. Bis-
weilen, aber nur selten, nach dem Inhalt. So wenn wir die Er-
kennung des Achilleus auf Skyros und seinen Streit mit Aga-
Fig. 290. Athene und Marsyas. WandgemĂĽlde.
memnon zusammengestellt finden (S. 367]. Ein anderes Zimmer
zeigt ebenfalls die Erkennung des Achilleus und auĂźerdem Thetis,
einmal in der Werkstatt des Hephaestus, die fĂĽr Achilleus
gefertigten Waffen betrachtend, einmal auf dem Meere, von einem
Triton getragen, wie sie eben diese Waffen dem Sohne ĂĽberbringt.
I.V. Die Bilder.
501
Und wenn wir in einem Zimmer des Hauses der Vertier (S. 358)
den kleinen Herakles mit den Schlangen, das Ende des Pentheus
und das der Dirke dargestellt fanden, so ist wohl klar, daĂź man
hier Bilder des thebanischen Sagenkreises zusammenstellen wollte.
s}-
(v.
^>^
'N-.
Fig. agi. Daedalus und Ikarus. Wandgemälde.
Ein mehr ideeller Zusammenhang ist wohl kaum je mit Sicher-
heit nachzuweisen. Wenn wir z. B. nicht selten in demselben
Zimmer Polyphem finden, wie er am Meeresstrande von einem
Amor den Brief der Galatea empfängt, und ihm gegenüber die
am Meeresstrande fischende, v^on Amoren umgebene Aphrodite,
502 Pompeji.
SO war vermutlich fĂĽr die Zusammenstellung nicht die verwandte
erotische Stimmung maĂźgebend, sondern die Ă„hnlichkeit der
Figuren und der Szenerie. Denn eben dies ist weitaus am häufig-
sten der Fall. Zwischen den verschiedenen Stilen ist in dieser
Beziehung kein Unterschied. Ein Beispiel dritten Stils — Pan
unter den Nymphen und Europa auf dem Stier — ist uns schon
oben begegnet. Ein Schlafzimmer desselben Stils in der Insula
V, 2 enthält vier Bilder. Es sind zwei Paare : der Sturz des
Ikarus und die Geschichte des die Flöten der Athene findenden
Marsyas; Herakles im Garten der Hesperiden und ein ländliches
Heiligtum der Artemis mit drei Anbetenden, deren einer einen
Kranz darbringt. Ein innerer Zusammenhang ist nicht vorhanden.
Wie aber die GegenstĂĽcke in Szenerie und Anordnung der Figuren
einander entsprechen, das bedarf fĂĽr die beiden hier abgebildeten
keiner Erläuterung und ist auch für die beiden anderen evident.
Das Marsyasbild (Fig. 290) ist eine der seltenen, fĂĽr die philo-
stratischen Gemäldebeschreibungen so wichtigen Darstellungen,
die in einem Bilde verschiedene Stadien einer Handlung zur An-
schauung bringen. Im Vordergrunde bläst Athene die Flöte;
die aus dem Bache auftauchende Nymphe hält ihr den Spiegel
vor. Darüber Marsyas, der die von Athene fortgeworfenen Flöten
aufgesammelt hat. Vielleicht ist auch der Mann links oben
Marsyas, der, ehe er die Flöten gefunden hat, die Syrinx bläst.
Am FuĂźe des Felsens eine Lokalgottheit. Endlich zu oberst
Marsyas, die Flöten blasend, vor den Musen, die als Kampfrichter
zwischen ihm und Apollo fungieren. — Das Ikarusbild (Fig. 291)
ist wahrscheinlich eine verständnislose Umgestaltung einer Kom-
position, in der Ikarus nicht stĂĽrzend, sondern nach dem Sturz
am Boden liegend dargestellt war; von Lokalgottheiten und
ländlichen Figuren mitleidig betrachtet, von Daedalus gesucht,
bildete er den Mittelpunkt der Handlung. Ein untergeordneter
KĂĽnstler glaubte den Effekt zu steigern, indem er die Katastrophe
selbst darstellte, ohne zu bedenken, daĂź so die Beziehung der
Figuren zu einander verloren ging, da weder Daedalus noch die
Personen im Vordergrrunde das Geschehene wahrnehmen.
SECHSTER TEIL.
DIE INSCHRIFTEN.
Kapitel LVI.
Steininschriften. Gemalte Inschriften.
Alehr als siebentausend Inschriften sind in Pompeji zutage
gekommen, sehr verschiedener Art, von den monumentalen In-
schriften öffentlicher Gebäude bis zu den Wandkritzeleien müßiger
Hände. Wir können sie in sechs Klassen teilen: Steininschriften,
gemalte Wandinschriften, Grififelinschriften auf den Wänden,
(Graffiti), Wachstafeln, Aufschriften der Tonamphoren, Stempel.
Diese Einteilung wird nicht nur dem verschiedenen Material ge-
recht, sondern auch im groĂźen und ganzen dem Inhalt und der
Bestimmung der einzelnen Klassen. Die Steininschriften sind
Monumentalurkunden. Die gemalten sind Bekanntmachungen,
Anweisungen und Aufforderungen an den Leser, alles das, was
der antike Name »Programma« zusammenfaßt. Die Graffiti sind
im allgemeinen subjektive ErgĂĽsse des Schreibers, seltener dienen
sie einer Art Korrespondenz oder als versteckte Anzeigen. Die
Wachstafeln sind Geschäftsurkunden : man benutzte sie auch zu
Briefen, doch sind solche nicht gefunden worden. Und geschäft-
lichen Zwecken dienten auch die Amphorenaufschriften und die
Stempel.
Die wichtigeren Steininschriften sind ihres Ortes besprochen
worden. Unter ihnen sind von besonderem Interesse die Bau-
inschriften öffentlicher Gebäude und Monumente, bezüglich teils
auf den ursprünglichen Bau, teils auf Reparaturen und Verände-
rungen. Solche Inschriften sind uns erhalten in lateinischer
504 Pompeji.
Sprache fĂĽr die Forumsportiken (S. 47), fĂĽr die Tempel der
Fortuna (S. 12g) und der Isis (S. 176), für das Gebäude der Eu-
machia (S. 107), fĂĽr beide Theater (S. 148, 160) und das Amphi-
theater (S. 216), fĂĽr die Stabianer Thermen (S. 194) und die
Thermen beim Forum (S. 206), fĂĽr die halbrunde Bank beim
dorischen Tempel (S. 135), in oskischer Sprache fĂĽr das Nolaner
Tor (S. 248), die Palästra (S. 172), den Apollotempel (S. 76)
und das Brunnenhaus beim dorischen Tempel (S. 139). Als Bei-
spiel einer Bauinschrift in einem Privathause mögen wir die des
Larentempelchens im Hause des Epidius Rufus nennen (S. 328).
Dazu kommen die Wegebauinschriften, deren vor dem Stabianer
Tor eine in oskischer, eine in lateinischer Sprache erhalten ist
(S. 247). Ferner Widmungsinschriften von Weihgeschenken und
ähnlichen Dingen. Hierher gehören die Inschriften der Ministri
des Merkur und der Maja (S. 84) und die der Ministri der For-
tuna Augusta (S. 132) und die Stiftungsinschriften von nicht
weniger als drei Sonnenuhren: in den Stabianer Thermen (S. 205),
beim Apollotempel (S. 82) und beim dorischen Tempel (S. 135),
Weiter Ehreninschriften von Statuen, wie ihrer auf dem Forum
und dem Forum trianguläre leider nur sehr wenige erhalten sind.
Ihnen schlieĂźen sich an die Inschriften der in einigen Privat-
häusern aufgestellten Büsten der Hausherren (S. 464).
Von den mit roter, viel seltener mit schwarzer Farbe auf die
Straßenwände gemalten Inschriften sind weitaus die meisten
Wahlprogramme, d. h. Empfehlungen von Kandidaten fĂĽr die
städtischen Amter. Ihrer sind etwa 1800; sie empfehlen mehr
als hundert Kandidaten.
Wir unterscheiden unter den Wahlprogrammen eine ältere,
zum Teil wohl in die ersten Zeiten der Kolonie hinaufreichende,
und eine jüngere, der Kaiserzeit angehörige Klasse. Die Schrift
der altern Klasse ist unschön und offenbar von ungeübter Hand.
Dagegen zeigen die jĂĽngeren Inschriften eine ausgebildete Schreib-
kunst, eigentĂĽmliche, durch die Pinselschrift bedingte Buchstaben-
formen; offenbar sind sie von berufsmäßigen Schreibern aus-
gefĂĽhrt, deren einer, Aemilius Celer, uns schon begegnet ist
(S. 225). Vor einigen Jahren ist auch in der Insula III, 9 (IX, 8)
seine Wohnung gefunden worden, bezeichnet von ihm selbst
LVI. Gemalte Inschriften. 505
durch eine gemalte Inschrift — Aemilius Celer hie habitat — und
durch mancherlei SchreibĂĽbungen.
Die Ausdrucksweise der älteren Inschriften ist ungemein einfach.
Kein anderes Lob wird dem Kandidaten erteilt, als daĂź man ihn
einen guten Mann — v[irum) h[onum) — nennt; die Amtsbezeich-
nung erscheint in abgekĂĽrzter Form; nie nennt sich der Empfeh-
lende; die Empfehlung geschieht durch die mehr oder weniger
abgekĂĽrzten Formeln : oro vos^ ich bitte euch, oro vos facite^ ich
bitte euch, wählt ihn, oro z'os Coloni^ ich bitte euch, Kolonisten.
Von den jĂĽngeren Programmen sind manche nicht weniger
lakonisch als die älteren; sie enthalten nur den Namen des Kan-
didaten, das Amt und die gewöhnliche Empfehlungsformel o. ?'./".,
oro vos facite^ fast immer in der Ligatur of . Z. B. Herennmm
Celsum aed. o. v. f. Nicht selten fehlt auch diese Formel und
bisweilen steht gar nur der Name, stets im Akkusativ.
Oft aber werden in verschiedener Weise die guten Eigen-
schaften des Kandidaten hervorgehoben. Auch hier begegnet
die alte Formel v. b.^ 7'iriivi boimm^ »den guten Mann«. Die be-
liebteste, auf jedermann anwendbare Formel ist: d. r. p. d. h.
digniwi rei publicae^ »des öffentlichen Amtes würdig«. Es fehlt
aber auch nicht an individuelleren Empfehlungen; mehr als ein
Kandidat wird als »redlicher Jüngling» [iuvenem probimi]^ als
»züchtiger Jünglinge [vcrcctmdissininm iuvenem) bezeichnet. Von
einem heißt es: »er wird die Stadtkasse beisammen halten« —
hie aerarium eonsoi'übit — und ähnliches mehr.
Häufig nennen sich die Empfehlenden. Manchmal sind es
einzelne Personen, die sich mit Namen nennen, wie Vesonius
Primus (S. 415), Acceptus und Euhodia (S. 360). Wie in diesen
beiden Fällen, so ist ohne Zweifel in der Regel die Wohnung
der Empfehlenden in der Nähe der betreffenden Programme zu
suchen. Mehrfach empfehlen die Nachbarn: Ti. Claudiiini Vennn
II vir. vicini rogant; in der Tat finden sich die ihn empfehlen-
den Programme rings um seine Wohnung, das groĂźe, unter dem
Namen Casa del Centenario bekannte Haus in der dritten (neunten)
Region. Der Kandidat erhält so das Zeugnis, daß er selbst ein
guter Nachbar ist. Als guter Patronus soll er erscheinen, wenn
ihn ein Klient empfiehlt, wie in einer gleich anzufĂĽhrenden In-
schrift und noch öfter.
5o6 Pompeji.
Die Empfehlungen von selten gewisser Gewerbe [agricolae^
aurifices^ gallinari^ pomari) wurden schon in anderem Zusammen-
hang besprochen (S. 403). In gleicher Weise treten auch die
Isisverehrer auf: Cn. Helvimn Sabinum Isiaci universi rog. Diese
Inschrift, jetzt zugrunde gegangen, stand dem Isistempel gegen-
ĂĽber; nicht weit davon, an der Stabianer StraĂźe, las man:
Cuspiutn Pansam. aed. Popidius Natalis cliens cum Isiacis rog.
So auch die Bewohner der Vorstädte, die Salinienses und
Campanienses (S. g, 10); z. B. M. Epidium Sabinum aed. Cam~
panienses rog.
Es kommt auch vor, daĂź die Inschrift sich an eine be-
stimmte Klasse von BĂĽrgern wendet, mit der Bitte, die Wahl
zu begünstigen: »Wirte, macht den Sallustius Capito zum Adi-
len [caupones facite)«. In gleicher Weise werden die Ballspieler
[pilicrepi\ die Salbenhändler [unguentarii] und andere aufgefordert.
Auch an einzelne wendet man sich in dieser Weise, und hier
kommt es nicht selten vor, daĂź Gegendienste in Aussicht ge-
stellt werden: »Proculus, mache den Sabinus zum Ädilen, er
wird auch dich dazu machen [et ille te faciet)«. Auch sucht
man wohl einem Kandidaten Gunst zu gewinnen, indem man
einen angesehenen Mann als seinen Gönner nennt. So wird T.
Suedius Clemens, der im Auftrage Vespasians der Gemeine die
widerrechtlich von Privatleuten in Besitz genommenen Grund-
stĂĽcke zurĂĽckgab (S. 427), dreimal zugunsten des M. Epidius
Sabinus geltend gemacht: »Den M. Epidius Sabinus macht zum
Duumvirn, den wĂĽrdigen JĂĽngling [dignissimiim iuvencm) ; Suedius
Clemens, der gewissenhafteste Richter, macht ihn dazu, auf Bitten
der Nachbarn [Suedius Clemens, sanctissimus iudex facit vicinis
rogantibus\ «
Es lag nahe, die Form der Empfehlung auch als drastisches
Kampfmittel gegen einen Kandidaten zu verwenden. Dies be-
gegnete dem M. Cerrinius Vatia: Vatiam aed. furunculi rog., »den
Vatia erbitten als Ädilen die Spitzbuben«. In einer andern Inschrift
empfehlen ihn »sämtliche Schläfer« [dormientes universi), wieder
in einer andern »sämtliche Spättrinker« [seribibi universi rog.).
Wir schlieĂźen mit einer Inschrift, in der es heiĂźt, daĂź den
Claudius — gemeint ist wohl Ti. Claudius Verus — sein Lieb-
chen zum Duumvirn macht: Claudium II vir. animula facit.
I.VI. Gemalte Inschriften.
507
In weit geringerer Zahl enthalten die gemalten Inschriften
Bekanntmachungen fĂĽr das Publikum. Die AnkĂĽndigungen von
Gladiatorenspielen wurden schon bei Gelegenheit des Amphi-
theaters besprochen (S. 224). Noch weniger zahlreich sind die
Ankündigungen zu vermietender Gebäude. Von der Mietsanzeige
des Gasthauses zum Elephanten und von der Inschrift des Gast-
hauses des Hyginius Firmus war schon die Rede (S. 419). Im
ĂĽbrigen handelt es sich hier namentlich um zwei groĂźe und
wichtige Inschriften. Die eine, jetzt zugrunde gegangen, stand
wahrscheinlich auf der SĂĽdseite der Insula VI, 3:
INSULA ARRIANA
POLLIANA CN. ALLEI NIGIDI MAI
LOCANTUR EX K(alendis) lULIS PRIMIS TABERNAE
CUM PERGULIS SUIS ET CENACULA
EQUESTRIA ET DOMUS. CONDUCTOR
CONVENITO PRIMUM, CN. ALLEI
NIGIDI MAI SER(vum)
Es waren demnach zu vermieten in dem nach Arrius Pollio
benannten, also vermutlich früher ihm gehörigen Häuserviertel,
jetzt im Besitz des Cn. AUeius Nigidius Majus (S. 225), vom
nächsten i. Juli ab, Läden mit ihren Oberräumen [pergulac^ siehe
S. 286), feine [egiiestria, ritterliche) Oberzimmer und ein Haus.
Wer darauf reflektierte [condiictor^ der Mieter) konnte sich wenden
an Primus, Sklaven des Majus. Fiorelli wollte die Insula Arriana
Polliana in dem der Inschrift zunächst liegenden Hause des Pansa
erkennen. Vielleicht mit Recht; aber freilich konnte die Inschrift,
hier an einem zentralen Punkt angebracht, sich auch auf einen
entferntem Gebäudekomplex beziehen.
Die zweite gleichartige Inschrift war angebracht an einem
großen villenartigen Gebäude in der Nähe des Amphitheaters,
das im vorigen Jahrhundert ausgegraben und dann wieder ver-
schĂĽttet wurde. Man nennt es nach eben dieser Inschrift die
Villa der Julia Felix. Die Inschrift lautet:
508 Pompeji.
IN PRAEDIS lULIAE SP. F. FELICIS
LOCANTUR
BALNEUM VENERIUM ET NONGENTUM, TABERNAE, PERGULAE,
CENĂ„CULA EX IDIBUS AUG. PRIMIS IN IDUS AUG. SEXTAS, ANNOS
CONTINUOS QUINQUE
S. Q. D. L. E. N. C.
Es waren also im Besitztum der Julia Felix zu vermieten: ein
Bad, Läden, Oberzimmer der Läden, sonstige Oberzimmer, vom
nächsten 15. August auf fünf Jahre.
Julia Felix war uneheliche Tochter [spuria filid) eines Julius.
Nicht recht klar sind die Worte, mit denen das Bad bezeichnet
wird: balneum Venerium et norigentum. Es hieĂź Venerium wohl
zu Ehren der Venus Pompejana. FĂĽr nongentum hat man daran
erinnert, daĂź nach einer Stelle des Plinius die Richter volkstĂĽm-
lich »die Neunhundert« genannt wurden. So wäre das »Bad der
Neunhundert« ein feines, auch für Personen des Richterstandes
geeignetes. FĂĽr die sieben Buchstaben am SchlĂĽsse der Inschrift
ist eine befriedigende Erklärung nicht gefunden worden.
Von der auf ein verlaufenes Pferd bezĂĽglichen Inschrift auf
einem Grabe an der StraĂźe nach Nuceria war schon die Rede
(S. 454). Auf einen verlorenen Gegenstand bezieht sich auch
folgende Inschrift, auf der Ostseite der Insula II, 5 (VIII, 5 — 6):
VRNA AENIA PEREIT DE TABERNA
SEIQVIS RETTVLERIT DABVNTVR
HS LXV . SEI . FVREM
DABIT . VND . . .
»Ein kupfernes Gefäß ist aus diesem Laden abhanden ge-
kommen; wer es wiederbringt, erhält 65 Sesterzen; wer den Dieb
angibt« . . . (das Folgende ist unleserlich).
Kapitel LVII.
Graffiti.
Weitaus die zahlreichste Klasse der pompejanischen Inschriften
sind die Graffiti, die Wandkritzeleien; ihre Zahl beläuft sich über
dreitausend und wächst fortwährend mit dem Fortschreiten der
Ausgrabung. Sie sind mit irgend einem spitzen Instrument —
einem metallenen Schreibstift, einer Haarnadel, einem Nagel,
auch wohl mit einem Stein — in den Stuck der Wände ein-
gekratzt. Zu derselben Klasse rechnen wir Kohlen- und Kreide-
inschriften, die auch nicht selten begegnen, aber weniger dauer-
haft sind.
Einige Inschriften, die ĂĽber Bedeutung und Benutzung der
betreffenden Gebäude Auskunft geben, sind ihres Orts besprochen
worden ; es genĂĽgt hier, auf die Abschnitte ĂĽber die Basilika
(S. 67) und über die Gasthäuser und Schenkwirtschaften zu ver-
weisen. Wir fĂĽgen noch hinzu, daĂź auch die Wandinschriften
des Bordells in der Nähe der Stabianer Thermen an Deutlichkeit
nichts zu wĂĽnschen ĂĽbrig lassen.
Ein an die Belagerung durch Sulla erinnernder Graffito wurde
schon erwähnt S. 246). Interessant ist auch eine Reihe von In-
schriften, die sich auf die Schlägerei zwischen Pompejanern und
Nucerinern im Jahre 59 n. Chr. zu beziehen scheinen. Beide
Parteien kommen hier zum Wort. Nucerinis infelicia^ »Unheil
den Nucerinern«, schrieb sicher ein Pompejaner. Einer der
Gegenpartei schrieb: Putcolanis felicitcr^ omuibus NucJierinis
felicia^ et uncu[m) Pompdanis [et] Pitixusanis^ >Heil den Puteo-
lanern, Heil allen Nucerinern, zum Henker die Pompejaner und
Pithecusanerc. Es scheint demnach, daĂź damals die Puteolaner
fĂĽr die Nuceriner, die Pithecusaner (Bewohner von Ischia) fĂĽr
die Pompejaner Partei genommen hatten. Der »Haken« [uncus]^
der hier den Pompejanern gewĂĽnscht wird, ist der, mit dem die
5 I O Pompeji.
Leichen hingerichteter Verbrecher fortgeschleift wurden. Wieder
ein Pompejaner schreibt: Campani^ victoria una cum Niicerinis
pej'istis l »Campaner, mit den Nucerinern seid auch ihr besiegt
worden«. Die Campaner sind die Bewohner der Pagus Cam-
panus genannten Vorstadt (S. lo); diese hatten sich also auf die
Seite der Nuceriner geschlagen.
Eine Anzahl Inschriften bezeugt die Anwesenheit von Präto-
rianersoldaten in Pompeji. Schon erwähnt wurden (S. 405)
M. Nonius Campanus von der neunten Kohorte und sein Centurio
M. Caesius Blandus, ferner C. Valerius Venustus von der ersten
Kohorte, der in dem Wirtshaus IV (VII), 12, 35 ĂĽbernachtete.
Ein Soldat der fĂĽnften Kohorte, aus der Centurie des Martialis,
schrieb im Hause II (VIII), 3, 21 seinen Namen an die Wand:
Sex. Decimius Rufus, milis coh. I Fr. J Martialis. Andere
Truppenteile kommen nicht vor. Wenn wir in dem Hause I,
3, 3 zweimal den Namen eines ersten Centurio, Primipilaris,
Q. Spurennius Priscus finden, so dĂĽrfen wir vermuten, daĂź auch
er ein Prätorianer war. Vermutlich sind Abteilungen derselben
bei verschiedenen Gelegenheiten in Begleitung von Kaisern in
Pompeji gewesen.
Wertvoll fĂĽr die Geschichte der pompejanischen Wandmalerei
sind einige durch Nennung der Konsuln des laufenden Jahres
datierte Inschriften. Leider sind dieser Inschriften nur wenige,
und ihre Daten sind so spät, daß sie uns als Anfangsdaten der
betreffenden Stile nicht genügen können. Immerhin lernen wir
aus ihnen, daĂź die Dekoration der Basilika, ersten Stiles, schon
im Jahre 78 v. Chr., die des kleinen Theaters, zweiten Stiles,
schon 37 V. Chr., eine Dekoration des dem dritten nahe ver-
wandten sogen. Kandelaberstiles in der Casa del Centenario
(S. 371) schon 15 n. Chr., die Malerei vierten Stiles im Hause
der silbernen Hochzeit (S. 317) schon 60 n. Chr. vorhanden war.
Im übrigen wäre es Übertreibung, wenn wir sagen wollten,
daĂź uns diese Inschriften ĂĽber das Leben, das geistige oder
materielle, der Pompejaner irgendwie tiefgehende AufschlĂĽsse
gäben. Grade diejenigen Klassen der Bevölkerung, mit denen
wir am liebsten in einen solchen unmittelbaren Verkehr treten
möchten, enthielten sich des Bekritzeins der Wände; schon
damals waren es vorzugsweise Narrenhände, die sich dieser Be-
LVII, Graffiti.
511
schäftigung hingaben. Nur allzu verständlich ist uns das drei-
mal in Pompeji angeschriebene Distichon: Admiror ^ paries^ te
non cecidisse ruina, Cum tot scriptonim taedia sustineas:
Wand, ich bewundere dich, daĂź du noch nicht zusammengebrochen.
So viel ödes Geschwätz bist du zu tragen verdammt.
Jede fĂĽr sich betrachtet sind fast alle diese Inschriften gleich-
gĂĽltiges, nichtsnutziges Gekritzel. Aber in ihrer Gesamtheit
helfen sie doch in wunderbarer Weise unserer Phantasie, die
stillen Ruinen zu bevölkern mit arbeitenden und genießenden,
glĂĽcklichen und leidenden, liebenden und hassenden Menschen.
Die Unsitte, den eigenen Namen an die Wand zu schreiben,
war im Altertum kaum weniger verbreitet als jetzt. So sind eine
groĂźe Anzahl dieser Inschriften weiter nichts als Namen, bis-
weilen mit dem Zusätze »hier« [liic] oder »war hier« [liic ßiit):
Sabimts hie. Paris hie fuit. Unendlich häufig ist es ferner,
daĂź einer einem Freunde auf diesem Wege einen GruĂź sendet:
Ă„emilins Fortunato fratri salutem. Wir fĂĽhren von vielen gleich-
artigen Inschriften grade diese an, weil sie zugleich lehrreich ist
für den Gebrauch der römischen Eigennamen in der Kaiserzeit,
indem hier von zwei BrĂĽdern der eine sich mit dem Geschlechts-
namen, der andere mit dem Cognomen nennt. Im Gegensatz
zu diesen freundlichen GrĂĽĂźen schreibt aber auch einmal einer:
Samitis Cornelio suspcndcre, »Samius wünscht dem Cornelius, er
möge sich aufhängen«. Und in komischer Weise gibt einer
seinen Empfindungen beim Tode eines Ereundes Ausdruck:
Pyrrhus CJiio conlegae sal{iitem) ; violeste fero quod audivi te mor-
tiw7n^ itaqiuc) val[e)^ »es tut mir leid, daß du, wie ich höre, ge-
storben bist; also fahre wohl«.
V^or allem aber ist es das ewige und unerschöpfliche Thema
der Liebe, das immer wieder behandelt wird, in Prosa und Versen
— eigenen und entlehnten — auch wohl in sonderbaren Mi-
schungen aus gebundener und ungebundener Rede : das Verse-
machen war doch nicht so leicht, wie es manchem im ersten
Anlauf schien. Da wird im allgemeinen die Liebe und ihre
Macht gepriesen:
Quisquis aviat valeat^ pcreat qjti nescit aviarc.
Bis tanto percat quisquis amare vetat.
512 Pompeji.
»Heil allen Liebenden, Fluch dem der nie geliebt, und dop-
pelt dem, der Liebe hindern will.« Dies Distichon, wohl einem
nicht erhaltenen Dichter entnommen, war besonders beliebt und
findet sich, mehr oder weniger vollständig, vier- oder fünfmal.
AnknĂĽpfend an den Anfang desselben machte ein anderer den
dĂĽrftigen Scherz:
â– Quisquis amat calidis non debet fontibus uti^
Nam nemo flammas ustus amare potest.
»Wer liebt, soll keine heißen Bäder nehmen; denn wer ge-
brannt ist, liebt das Feuer nicht.« Ein anderer schrieb: Nemo
est belljLS nisi qid aniavit mulier em^ »Wer nie ein Weib geliebt,
der ist kein feiner Mann«; auch dies wohl ein Zitat. So auch
das folgende:
Alliget hie aiiras^ si qiiis obiurgat amantes,
Et vetet assidiias currere fontis aqiias.
FĂĽr obiurgat sollte wohl custodit oder etwas Ahnliches stehen :
»Die Luft mag binden und den Lauf der Quelle hemmen, wer
Liebende bewachen will. « Ein anderer schrieb :
Si quis forte ineam cupiet violare pucllam^
Illum in desertis montibus urat amor.
»Wer mir mein Mädchen zu verführen denkt, den mag in
einsamem Gebirg die Liebe brennen.« Auch dies wohl ein
Zitat, oder doch eine Reminiszenz aus einer bekannten Dichtung;
es findet sich auch in Rom, auf dem Palatin, etwas variiert und
in etwas weniger anständiger Fassung.
Häufig sind einfache Begrüßungen der Geliebten: Victoria
vale^ et ubique es suaviter sternutes, »Victoria, sei gegrüßt, und
wo du auch bist, mögest du glücklich niesen«. — Cestilia regina
Pompeianorum^ anima didcis^ vale, »Cestilia, Königin der Pom-
pejaner, süße Seele, sei gegrüßt. « — Pupa quae bella es^ tibi me
misit qui tuus est^ vale^ »O Mädchen, das du schön bist, mich
schickt zu dir der dein ist, lebe wohl.« An der Ostseite der
Insula I, 2 lesen wir mehrfach: Serenae sodales sal[utem)^ »Serena
grüßen die Genossen.« Die Mehrzahl der Genossen läßt die
Moralität Serenas in etwas zweifelhaftem Lichte erscheinen. Auch
LVn. Graffiti.
513
schmachtende Bitten an die spröde Geliebte fehlen nicht ; sie ge-
hören durchaus zu den unerfreulichsten Leistungen dieser Art.
So z. B.
Sei quid amor valeat nostei^ sei te ho^ninem scis^
commiseresce mei, da veniam iit veniam.
»Wenn du weißt, was Liebe bedeutet, wenn du als Mensch dich
fĂĽhlst, erbarme dich mein, gib mir Erlaubnis, daĂź ich komme. <
Das dĂĽrftige Distichon, mit dem albernen Wortspiel veniam^
Erlaubnis, und veniam^ daĂź ich komme, ist wohl sicher lokales
Produkt.
Mehrfach hat ein Liebespaar die Erinnerung an eine Zu-
sammenkunft der Wand anvertraut: Romula hie cmn Staphylo
moratur^ »Romula weilt hier mit Staphylus«. Doch scheint
Staphylus einigermaßen unbeständig gewesen zu sein; auf einer
Säule im Peristyl des L. Caecilius Jucundus lesen wir: Siaphilus
hie cum Quieta. DaĂź es an pompejanischen Don Juans nicht
fehlte, bezeugt, wenn es nötig ist, die Inschrift: Restitutus multas
decepit sacpe pucllas^ »Restitutus hat oft viele Mädchen betrogen.
Wir ĂĽbergehen die zahlreichen Inschriften, in denen die Erotik
eine allzu materielle Form annimmt, und erwähnen noch ein
Distichon des Properz, durch das sich einer zum Abbruch eines
Liebesverhältnisses ermutigte:
Nunc est ira recens^ nunc est discedcre tcjnpus^
Si dolor afuerit^ crede, redibit amor.
»Jetzt ist frisch noch der Zorn, jetzt heißt es, die Sache beenden:
ist erst vergangen der Schmerz, kehret die Liebe zurück.« Bei
dieser Voraussicht wird der Bruch wohl nicht von langer Dauer
gewesen sein.
In einem Hinterzimmer des Ladens I, 2, 7 sendet eine Frau
ihrem abwesenden Gatten und anderen Angehörigen ihre Grüße :
Hirtia Psacas C. Hostilio Coiwpi coniugi suo mamiductori et cle-
menti monitori {fratri) et Diodot[a)e sorori et Fortunato fratri et
Celeri suis salutem seviper ubique pluriinain^ et PrivĂĽgeniae suae
saluteni. »Hirtia Psacas (^Faza:, Tautropfen) wünscht immer und
ĂĽberall jegliches Heil dem C. Hostilius Conops [conops^ MĂĽcke),
ihrem Gatten und FĂĽhrer und milden ICrmahner, und ihrer
Mau, Pompeji. 2. Aufl. 7-1
514 Pompeji.
Schwester Diodote und ihrem Bruder Fortunatus und ihrem
Celer; auch ihrer Primigenia sendet sie einen Gruß.« In einem
Hause der Insula III (IX), 3 haben Mann und Frau ihre Namen
in die Wand der ehelichen Schlaf kammer eingeschrieben: L. Clo-
diiis Varus, Pelagia coniunx. Ahnlich auf einer Wand eines wohl
im Jahre 63 zerstörten Hauses: [Ba)lbiis et Fortiinata duo coiuges.
Mancherlei Ereignisse verewigten die Beteiligten durch Wand-
inschriften, groĂźenteils freilich Ereignisse, die sich zur Wieder-
gabe an dieser Stelle nicht eignen. Doch fehlt es auch nicht
an harmloseren Dingen. Einer berichtet von einer Reise nach
Nuceria, wo er im WĂĽrfelspiel 855 y^ Denare gewann, und zwar
ohne zu betrĂĽgen: vici Niiceriae in alia (= aled) -^ DCCCLVS
fide bona. Ein anderer, im sogen. Hause des Caesius Blandus,
IV (VII), 2, 41, zählte die Schritte, mit denen er den Portikus
seines Gartens auf und ab ging; er brauchte, zehn mal hin und
her gehend, 640 Schritte. Im Peristyl des Hauses I, 2, 6 wird
von der Niederkunft vermutlich eines Schweines (oder etwa einer
HĂĽndin?) berichtet: XV k. Nov. Puteolana peperit mascl. III
fem. 11^ »am 17. Oktober hat die Puteolanerin drei männliche
und zwei weibliche Junge geworfen«.
Häufig finden sich Rechnungen, in den meisten Fällen nur
aus Zahlen bestehend : so in den Läden auf der Südseite des
Macellums. In einem Räume der Bäckerei I, 3, 2"] lesen wir:
Oleum l. a. IV, palca a. F, faenum a. XVI, diaria a. V, f2ir-
fure a. VI, viria I a. III, oleum a. VI. Also eine Rechnung
ĂĽber ein Pfund Ol, Stroh, Heu, Tagelohn, Kleie, ein Halsband
und nochmals Ol. Die Beträge sind in Assen angegeben.
Kinder schrieben häufig das eben erlernte Alphabet an die
Wand. Auch das häufige Vorkommen virgilischer Verse, meist
nicht vollständig ausgeschrieben, geht wohl auf die Lektüre in
der Schule zurück. Am häufigsten sind die Anfänge der Bücher.
So der des ersten Buches der Ă„neis: Anna virumque cajio;
häufig auch der des zweiten Buches: Coniicucre omnes, »Still
war's«; als Reminiszenz aus dem Anfang des siebenten Buches
lesen wir: Aeneia nutrix. So kommt auch mehrmals der Anfang
des lucrezischen Gedichtes vor: Aencadum.
Der virgilische Vers (Aen. IX, 404) Tu dea, tu praesens nostro
succurre labori — »Du Göttin komm unserer Not zu Hülfe« —
LVII. Graffiti.
515
verdankt wohl, als Anrufung der Venus, erotischen Empfindungen
des Schreibers sein Vorkommen auf einer pompejanischen Wand.
Denn abgesehen von dem in den Schulen gelesenen Virgil sind
es eben vorwiegend die erotischen Dichter, deren Verse uns hier
begegnen: Stellen in denen der Schreiber seine eigenen Er-
fahrungen oder Stimmungen ausgedrĂĽckt fand. So stellte einer
zwei Distichen, eines aus Ovid, eines aus Properz, zusammen,
in denen die Kupplerin das Mädchen ermahnt, nur dem reichen
und freigebigen Liebhaber Gehör zu schenken:
SiĂĽ'da sit oranii tua ia)iua, laxa ferenti^
Audiat cxclusi verba receptus ainans.
lanitor ad dantis vigilct ; si pulsat inanis,
Siirdtis in obductam smnniet nsqiie sei' am.
Aber auch offenbar aus Dichterwerken, vermutlich aus Komö-
dien, entnommene Sentenzen kommen vor: Minimuin vialum fit
contannendo maxuminn ^ »Das kleinste Übel wird zum größten,
wenn man es vernachlässigt«. Oder: Moram si quaeres., sparge
miliiim et collige^ »Willst du Zeit verderben, streue Hirse aus und
sammle sie«.
Von den auf die Spiele des Theaters und des Amphitheaters
bezĂĽglichen Inschriften war schon in den betreffenden Abschnitten
(S. 147 und 226) die Rede.
Kapitel LVIII.
Geschäftsurkunden.
Im Jahre 1875 wurde im Hause des Bankiers L. Caecilius
Jucundus (S. 371) in einer Holzkiste ein Teil seines Hausarchivs
gefunden. Die Kiste zerfiel sofort in Asche; die Dokumente
Fig. 292. Quitlungstriptychon geöfTnet.
hingegen — Holztafeln mit Wachsüberzug — waren zwar ver-
kohlt und vielfach beschädigt, konnten aber doch großenteils
zusammengesetzt und gelesen werden. h^s sind Reste von
153 Urkunden, ausnahmslos Quittungen ĂĽber geleistete Zah-
LVni. Geschäftsurkunden.
517
lungen, eine aus dem Jahre 15 (diese dem Vater des Jucundus,
L. Caecilius Felix, ausgestellt), eine aus dem Jahre 27, die
ĂĽbrigen aus den Jahren 52 bis 62 n. Chr. Nur sehr wenige
sind einigermaßen vollständig erhalten ; aber bei der großen Ähn-
lichkeit der Dokumente ergibt sich doch ein hinlänglich deut-
liches Gesamtbild. Sie sind hochinteressant, teils wegen ihrer
äußeren Form, teils wegen der juristischen Fassung, teils endlich
wegen des Inhalts der Rechtsgeschäfte.
Zum größten Teil sind es Triptychen, d. h. drei länglich vier-
eckige Täfelchen, durch Schnüre an der einen Langseite so zu-
sammengehalten, daĂź sie ein kleines Buch von sechs Seiten
bilden (Fig. 292, 293). Die erste und letzte Seite sind einfach
glatt und unbeschrieben. Auf der zweiten und dritten Seite ist die
Mittelfläche gegen den Rand vertieft und mit Wachs bestrichen,
Fig. 293. Quittungstriptychon versiegelt.
in das die Schrift mit dem Griffel [siilus) eingeritzt ist: sie ent-
halten das Hauptexemplar der Urkunde. Die vierte Seite hat
keinen WachsĂĽberzug und keine fĂĽr diesen bestimmte Vertiefung
der Mittelfläche, sondern nur eine in der Richtungr der Schmal-
ci8 Pompeji.
Seiten querĂĽber laufende Vertiefung-, durch die die Seite in zwei
Kolumnen geteilt wird. Diese Vertiefung enthielt die in Wachs
gedrĂĽckten Siegel der Zeugen, meistens sieben. Diese Siegel
hielten eine Schnur fest, durch die die beiden ersten Tafeln zu-
sammengebunden wurden, so daĂź, ohne die Siegel zu verletzen,
dieser Teil des Triptychons nicht geöffnet, die zweite und dritte
Seite nicht gelesen werden konnten.
Neben den Siegeln stehen auf der vierten Seite, mit Tinte
und Feder geschrieben, die Namen der Zeugen, stets im Genitiv:
»(das Siegel) des L. Laelius Fuscus« usw. Sie stehen meistens
in der Kolumne rechts, wie in unserer Abbildung, seltener in
beiden, links Vor- und Geschlechtsname, rechts das Cognomen.
Die fĂĽnfte Seite endlich, wieder mit WachsĂĽberzug auf der ver-
tieften Mittelfläche, enthält eine kürzere Fassung der Quittung,
so daß man, ohne die Haupturkunde zu öffnen, doch von dem
Inhalt derselben Kenntnis nehmen konnte. Unsere Abbildung
zeigt ein solches Triptychon einmal ganz geöffnet, einmal so, daß
die beiden ersten Tafeln zusammengebunden und versiegelt sind.
Bemerkenswert ist noch die Verschiedenheit der juristischen
Form in der Haupt- und Nebenurkunde. Das Hauptexemplar
ist ein vor sieben Zeugen aufgenommenes Protokoll ĂĽber die
mündliche Empfangserklärung [accepti latio). Sowohl dieses als
die Namen der Zeugen sind stets von derselben Hand, also der
des Jucundus oder seines Schreibers; die Beglaubigung beruhte
auf den Siegeln der Zeugen. Dagegen das Nebenexemplar der
fünften Seite ist in den meisten Fällen eine eigentliche, von dem
Empfänger eigenhändig, oder, wenn er etwa nicht schreiben
konnte, von seinem Bevollmächtigten ausgestellte Quittung [c/m-o-
grapJmm]^ daher von verschiedenen Händen, mit Verweisung auf
den Inhalt des versiegelten Dokuments. Die Beglaubigung be-
ruht hier auf der eigenhändigen Schrift. Das ganze heißt Per-
scriptio^ Eintragung, und wird als solche auf dem Schnitt be-
zeichnet.
Die Quittungen beziehen sich zum größten Teil auf Auktionen,
die Jucundus für andere besorgt hatte. Der Verkäufer bezeugt,
vom Jucundus den Erlös, nach Abzug der Provision [7}iercede
minus) erhalten zu haben. Nur einige wenige beziehen sich auf
von Jucundus an die Gemeine gezahlte Pachtsummen, und zwar
LVIII. Geschäftsurkunden. 51g
für Weidegründe [pasata, 2675 Sesterzen, zirka 573 Mark jährlich),
fĂĽr ein GrundstĂĽck [fundus^ 6000 Sesterzen, zirka 1286 Mark) und
fĂĽr eine Tuchvvalkerei [fullonica^ 1652 Sesterzen, zirka 300 Mark).
Folgendes ist ein Beispiel der regelmäßigsten und vollstän-
digsten Form der Auktionsquittung.
Titel (auf dem Schnitt).
Perscriptio Umbriciae Janiiariae. Eintragung der Umbricia
Januaria.
Hauptquittung (S. 2 und 3).
HS n, CCIDD oo XXXVIIII, quae pecunia in stipulatum L.
Caecili Jucundi venit ob auciiofietn Umbriciae Januariae^ mercede
minus persohäa habere se dixit Umbricia Januaria ab L. Caecilio
Jucundo. Act. Ponipcis pr. id. Dec. L. Duvio P. Clodio cos.
»11039 Sesterzen, welche Summe durch die Auktion der Um-
bricia Januaria in die Hand des L. Caecilius Jucundus gekommen
war, erklärte Umbricia Januaria vom L. Caecilius Jucundus nach
Abzug der Provision gezahlt erhalten zu haben. Geschehen zu
Pompeji am 12. Dezember unter dem Konsulat des Lucius Duvius
und P. Clodius (56 n. Chr.).«
Namen der Zeugen (S. 4, rechte Kolumne).
Q. Appidei Scveri M. Epidi Hymen aei
M. Lucrcti Liri Q. Grajii Lesbi
Ti. Iidi Abascanti T. Vesoni Le . . .
AI. Iidi Crcscentis D. Volci Thalli
M. Terenti Primi
»(Siegel) des Quintus Appuleius Severus, des Marcus Lucre-
tius Lirus, des Tiberius Julius Abascantus, des M. Julius Crescens,
des M. Terentius Primus, des M. Epidius Hymenaeus, des Q. Gra-
nius Lesbus, des Titus Vesonius Le . . ., des D. Volcius Thallus.«
Nebenurkunde (S. 5).
L. Duvio Az'ifo, P. Clodio Thrasca cos., pr. id. Dixembr. D.
Volcius Thallus scripsi rogatu Umbriciae Januariac eatn accepisse
5 20 Pompeji.
ab L. Caecilio lucundo HS ?i. XIXXXIX ex auctione eius mercede
minus ex interrogatione facta tabellarum signatartim . . . Act.
Pompeis . . .
»Am 1 2. Dezember unter dem Konsulat des L. Duvius Avitus
und des P. Clodius Thrasea schreibe ich, Decimus Volcius Thallus,
im Auftrage der Umbricia Januaria, daĂź sie vom L. Caecilius
Jucundus 11039 Sesterzen erhalten hat, als Ertrag ihrer Auktion,
nach Abzug der Provision, mit Bezugnahme auf die versiegelte
Urkunde (folgt eine unleserliche Zeile). Geschehen zu Pompeji.«
Von dieser häufigsten und regelmäßigsten Form ist aber bis-
weilen abgewichen worden, und zwar in dreifacher Weise. Erstens
bestehen einige Urkunden nur aus zwei Täfelchen mit vier
Seiten. In diesem Falle enthält auf der vierten Seite die eine
Kolumne die Zeugennamen, die andere das dann auch mit Tinte
geschriebene Nebenexemplar der Urkunde. ■— Zweitens ist in
zwei der ältesten Urkunden (27 und 54 n. Chr.) auch das Neben-
exemplar als Protokoll einer mündlichen Erklärung gefaßt. Es
scheint danach, daĂź bis zum Tode des Claudius dies fĂĽr die
einzige rechtsgültige Form galt. — Drittens endlich hat in einigen
der jĂĽngsten Dokumente auch das Hauptexemplar die Form der
eigenhändigen Quittung.
Wir geben endlich ein Beispiel einer Quittung ĂĽber eine
Pachtzahlung.
Haupturkunde (S. 2 und 3).
L. Veranio Hupsaeo., L. Ă„lbucio lusto diiumviris iure die..,
XIIII k[alendas) lulias^ Privatus coloniae Pompeian[orimi) ser[vus)
scripsi me accepissc ab L. Caecilio hicundo sestertios mille scscentos
septuaginta quinque numjtios^ et accepi ante Jianc diem, quae dies
fuit VIII idus lunias scster[tios) mille nuinvws, ob vectigal publi-
cum pasqua (statt pasquorum). Act{um) Pom{peis) Cn. Fonteio C.
Vipstano cos.
»Unter dem Duumvirat des L. Veranius Hypsaeus und L.
Albucius Justus, am 18. Juni, schreibe ich, Privatus, Sklave der
Kolonie Pompeji, daĂź ich vom L. Caecilius Jucundus 1675 Se-
sterze erhalten habe, und vor dem Tage dieser am 6. Juni ge-
schehenen Zahlung weitere 1000 Sestcrze, als Miete fĂĽr die
I.Vni. Geschäftsurkunden.
521
Gemeindeweide. Geschehen zu Pompeji unter dem Konsulat des
Gn. Fonteius und C. Vipstanus (59 n. Chr.).
Namen der Zeugen (S. 4, rechts).
L. Verani Hypsaei
Privativ c. c. V. C. ser. [colonorum coloniae Veneriae Corneliae servi).
L. Albnci Iiisti
Privativ c. c. V. C. se. ChirograpJmm Privativ c. c. V. C. ser.
> (Siegel) des L. Veranius Hypsaeus, des Privatus, Sklaven
der BĂĽrger der Kolonie Pompeji, des L. Albucius Justus, des
Privatus, Sklaven der Bürger der Kolonie Pompeji. Eigenhändige
Schrift des Privatus, Sklaven der Bürger der Kolonie Pompeji.«
Es quittiert also ein Sklave der Kolonie als Geschäftsführer
[actor)\ er siegelt zweimal, auĂźer ihm die beiden Duumvirn.
Nebenurkunde (S. 5).
L. Veranio Hupsaeo L. Albucio lusto d. i. d. XIV k. hil.
Privatus c. c. V. C. ser. scripsi me accepissc ab L. CaecĂĽio lucnndo
HS 00 DCLXXV et accepi ante hanc diein VIII idiis Iimias HS
00 niimmos ob vectigal publicum pasquorum. Act. Povi. C. Fonteio
C. Vips. COS.
Hier sind also beide Exemplare in der Form der eigenhän-
digen Quittung abgefaĂźt. Sie sind infolgedessen einander so
ähnlich, daß eine Übersetzung der Nebenurkunde überflüssig ist.
Eine kurze Erwähnung verdienen die meist mit Feder und
schwarzer Tinte geschriebenen, seltener in Rot oder WeiĂź mit
dem Pinsel aufgemalten Inschriften der zahlreich in Pompeji ge-
fundenen Tonamphoren. Bei weitem die meisten dieser Gefäße
enthielten Wein, der durch die Inschriften bezeichnet war. Be-
merkenswert ist unter diesen die groĂźe Zahl der griechischen
Inschriften, ein beredtes Zeugnis fĂĽr die starken griechischen
Bestandteile der Bevölkerung dieser Gegend. Es ist ja bekannt,
daß der Wein die Gärung in großen Tonfässern [dolium) durch-
machte, die in der Weinzelle — cella vinaria — standen, dann
aber in Amphoren gefĂĽllt wurde {diffuudere)^ nach kĂĽrzerer oder
längerer Zeit, meist aber, bei gewöhnlichen Sorten, vor der
52 2 Pompeji.
nächsten Weinlese, weil dann die Fässer für den neuen Wein
gebraucht wurden. Doch blieben bessere Sorten auch wohl
länger stehen. Einen solchen Fall bezeugt folgende Inschrift:
C. Pomponio C. Ă„nicio cos. ex fmid[o) Badiano diff[usum) id. Aug.
bimmn. Das durch die Konsuln bezeichnete Jahr ist unbekannt;
der Wein, von dem nach der Familie Badius genannten Grund-
stĂĽck, wurde erst im zweiten Jahr nach der Ernte, im August,
in Amphoren gefüllt. Die älteste sicher datierte Amphora ist
vom Jahre 2 5 n. Chr. : [ Cn. Leti\tulo Masinio cos. Fund. Wir
mĂĽssen es dahingestellt sein lassen, ob der Wein aus Fondi, bei
Terracina, stammte, oder vielmehr ein GrundstĂĽck [Ăźindus] be-
zeichnet war, dessen Name dann erloschen wäre. Die Namen
zweier solcher GrundstĂĽcke, fundus Arrianus und Asinianus^ las
man auf zwei im Hause der Vettier gefundenen Amphoren. Es
begegnen aber auch ausländische Weine, namentlich von der
kleinasiatischen KĂĽste und den anliegenden Inseln. So fĂĽhrte
ein Weinhändler M. Fabius Euporus einen Wein von Knidos:
M. Fabi Eupori Cnidium. Auch Wein von Kos kommt öfter
vor: Coum vetus P. Appidei Bassi. Dem Wein werden allerlei
Namen gegeben. So fĂĽhrte ein M. Pom(pejus?) Teupon oder
Teuponius einen Wein, den er Auttio? nannte, also ein Getränk
so stark, daĂź es Raserei (XoTra) bewirken konnte: Xurno? M. 11.
TsuTKĂĽviou, Ein anderer, Timarchus, nannte einen seiner Weine
Xso/ouvaptov, Weißtrank, einen andern mit dem unerklärten
Namen Tc^vvi;. Auf einer Amphora aus dem Hause der Vettier
liest man: Gustaticiuin^ FrĂĽhstĂĽckswein. Da man zum FrĂĽhstĂĽck
mit Honig angemachten Wein, itiulsmn., zu trinken pflegte, so
wird diese Amphora wohl ein derartiges Getränk enthalten haben;
mulsuin steht auf einer andern, frĂĽher gefundenen Amphora.
In großer Zahl finden sich auch kleinere Tongefäße, die nach
den Aufschriften Fischsaucen — garum., liguamen, inuria — ent-
hielten. Schon erwähnt wurde (S. 13) Umbricius Scaurus, der
fĂĽr diese Industrie wie es scheint mehrere von seinen Sklaven
und Freigelassenen, auch wohl von Mitgliedern seiner Familie
geleitete Betriebstellen hatte. Die feinste Sorte des Garum wird
meist abgekĂĽrzt als g[arum) f{los)^ Garumblume, bezeichnet; be-
sonders beliebt scheint das aus dem Fische sconiber (Makrele?)
bereitete gewesen zu sein. So lesen wir: G[armn) f[los) scombr[i)
LVni. Geschäftsurkunden.
523
Scauri ab Eutyche Scaitri, »Feinstes Scombergarum des Scaurus,
(bereitet) von Eutyches, (Sklaven) des Scaurus«. Sehr häufig
liqitamen optimum. Wir erwähnten schon (S. 17), daß auch
ganan castiini^ koschere Fischsauce, vorkommt, die nach dem
Zeugnis des PHnius als Fastenspeise namentlich fĂĽr die Juden auf
besondere Art bereitet wurde. Ebenso auch miiria casta.
Aber auch allerlei FrĂĽchte wurden nach Art unserer Kon-
serven in Tonamphoren aufbewahrt und durch Aufschriften be-
zeichnet: Oliva alba dtilce P-C-E.^ »Weiße süße Oliven von
P. C. E. « ; die drei letzten Buchstaben bezeichnen wohl den Pro-
duzenten. Eine andere enthielt cjaxai, Linsen. Auch Bohnen-
mehl [lomentum] kommt vor, und Honig in einer freilich nicht
ganz deutlichen Inschrift.
AuĂźer dem Inhalt bezeichnen diese Inschriften bisweilen auch,
im Genitiv, den EigentĂĽmer: M. Caesi Celeris\ Caesiae Helpidis\
oder, im Dativ, den, dem die Amphora als Geschenk zugesandt
wurde: M. Aurelio Soteri\ Albiicio Celso. In diesem Falle nennt sich
bisweilen auch noch der Schenker: Liquamen Optimum A. Virnio
Mo desto ab Agathopode; Caecilio Iiiciindo ab Sexsto Metello. Wir
fĂĽhren diese letztere Inschrift auch deshalb hier an, weil sie uns
einen interessanten Zug aus dem Leben der reichen Empor-
kömmlinge jener Zeit zur Anschauung bringt. Beide, der Schenker
und der Adressat, sind Söhne des Bankiers L. Caecilius Jucundus,
in dessen Haus das Gefäß gefunden wurde; auch sie führten
beide das Cognomen Jucundus: als Q. S. Caecili luciindi erscheinen
sie in einem Wahlprogramm. Aber unserem Bankier genĂĽgte
dieser bescheidene Name nicht; er wollte Stammvater von Männern
vornehmen Namens werden, und so suchte er die Nomenklatur
seiner Familie der der berühmten Caecilii Metelli anzunähern,
indem er dem einen Sohn auĂźer dem eigenen eben dies Cog-
nomen, dem andern den in eben dieser vornehmen Familie
ĂĽblichen Vornamen Quintus gab. Dem allgemeinen Gebrauch
hätte es entsprochen, beide gleich dem Vater Lucius, den einen
Jucundus, den andern mit einem etwa vom Namen der Mutter
abgeleiteten Cognomen zu benennen.
Wir erwähnen zum Schluß die häufig in Pompeji gefundenen
petschaftartigen Stempel , signacula. Sie tragen in rückläufiger
524 Pompeji.
Schrift den Namen des Besitzers. Trieb dieser ein Gewerbe, so
wurden sie seinen Fabrikaten, sonst irgend welchen ihm gehörigen
Gegenständen aufgedrückt. Der Name erscheint stets im Genitiv.
Schon erwähnt wurden (S. 338) die Stempel der beiden Vettier:
A. Vetti Restituti und A. Vetti Convivaes. Ahnliche fanden sich
schon frĂĽher in groĂźer Zahl: A. Menimi Aiicii^ C. Cassi Bassi,
N. Popidi Prisci^ Pompei Axiochi — letzterer mehrfach als Zeuge
in den Quittungen des Jucundus vorkommend — und viele
andere. Seit Fiorelli sind manche Häuser nach den dort ge-
fundenen Petschaften benannt worden.
Abdrücke der signacula finden sich am häufigsten auf Ziegeln
und Töpferwaren. Auf einigen in Herculaneum gefundenen
verkohlten Broten liest man den Stempel: [C]eleris Q. Grani
Verl ser.^ »des Celer, Sklaven des Q. Granius Verus«.
Kapitel LIX.
Pompeji als Quelle fĂĽr die Kenntnis des Altertums.
Wohl manchem schon hat sich der Wunsch aufgedrängt, es
möchte uns eine größere, an Kultur und Kunst reichere Stadt
durch ein ähnliches Schicksal aufbewahrt worden sein. Indes wir
wollen nicht undankbar sein und lieber anerkennen, daĂź grade
Rir Pompeji verschiedene Umstände zusammentreffen, um es be-
sonders lehrreich zu machen.
Und zu diesen Umständen rechnen wir auch grade den, daß
Pompeji kein bedeutendes, vielbewegtes Zentrum war. Je höher
die Wogen des Lebens gehen, desto schneller wird eine Stadt
umgestaltet und schwinden die Spuren frĂĽherer Zeiten. Wir
haben in Pompeji Häuser gefunden, die über die Zeit Hannibals,
Wanddekorationen, die ĂĽber die Zeit Sullas hinaufreichen, und
von so alten Zeiten her liegt die Geschichte des Hausbaues und
der Wandmalerei vollkommen klar vor unseren Augen, durch
mehr als drei Jahrhunderte können wir die Entwicklung der
Stadt und ihres Lebens verfolgen. Es darf bezweifelt werden,
ob zum Beispiel Puteoli dies alles uns hätte bieten können. Ver-
mutlich hätten wir dort ein vollständigeres Bild der letzten Zeit
vor dem Untergange gefunden, aber eben diese Zeit wĂĽrde dort
die Reste frĂĽherer Jahrhunderte weit grĂĽndlicher beseitigt haben.
Aber auch diese letzten Zeiten spiegeln sich deutlich genug
in den Ruinen Pompejis. War auch der Seehandel, bei der ge-
ringen Ausdehnung des Hinterlandes, nicht bedeutend, so reichte
er doch hin, um die Stadt in stetem Kontakt mit der AuĂźenwelt
zu halten und den Strömungen des zeitgenössischen Lebens Zu-
tritt zu schaffen. Namentlich in dem Kunstleben, in der Malerei,
tritt dies zutage; wir dĂĽrfen wohl sagen, daĂź jede bedeutendere
Wandlung des Kunstgeschmacks hier ihre Spuren hinterlassen
hat. Und daĂź unter diesen Spuren grade die letzte Zeit besonders
526 Pompeji.
reich vertreten ist, dafĂĽr hat das Erdbeben des Jahres 63 n. Chr.
gesorgt, infolgedessen ein groĂźer Teil der Stadt im Stil der
neronischen Zeit erneuert wurde.
Ein besonders gĂĽnstiger Umstand ist ferner die Lage Pom-
pejis auf der Grenze zweier Kulturkreise, des griechischen und
des römischen, die beide nacheinander hier geherrscht und ihre
Spuren hinterlassen haben.
Ohne Zweifel hatte das Pompeji der vorsuUanischen Zeit, die
Stadt der hellenisierten Samniten, stark ausgesprochene lokale
Eigentümlichkeiten. Und auch in den früheren Zeiten der römi-
schen Kolonie, bis gegen das Ende der Republik, mochte die
Stadt eine eigenartige Physiognomie zeigen, bedingt durch die
Mischung des einheimischen Elements mit den Kolonisten. In
der Kaiserzeit aber, der naturgemäß der größte Teil des Erhal-
tenen angehört, war diese von ganz besonderen Verhältnissen
abhängige Entwicklung eingemündet in den breiten Strom der
das weite Reich beherrschenden griechisch-römischen Kultur.
Wie man in dieser Zeit baute und wohnte, wie man die Häuser
mit Malereien schmĂĽckte, wie man sich umgab mit all den
kleinen Geräten und Bequemlichkeiten des täglichen Lebens, wie
man die Wände bekritzelte, alles dies würden wir ebenso in einer
beliebigen andern Stadt finden, mit geringen lokalen Unter-
schieden.
Und grade durch diesen ihren typischen Charakter sind die
pompejanischen Funde besonders lehrreich. Vielfaches Licht
verbreiten sie auf die alten Schriftsteller. Wir brauchen nur an
Vitruvs Beschreibung des römischen Hauses zu erinnern; sie ist
erst durch die Vergleichung mit den pompejanischen Häusern
verständlich geworden. Und während die Schriftsteller in betreff
des täglichen Lebens meist nur das Auffallende, von der Regel
Abweichende erwähnen, haben wir hier grade das Gewöhnliche,
Alltägliche vor uns , alles das , was in der Literatur nicht vor-
kommt, weil es für die Zeitgenossen selbstverständlich war. Für
die Kenntnis des täglichen Lebens der Alten bietet uns eben
nur Pompeji den Hintergrund, das Gesamtbild, durch das alles
anderweitig Ăśberlieferte in das rechte Licht gerĂĽckt wird.
Gewiß, wäre Rom oder Alexandria zu derselben Zeit von
dem gleichen Schicksal betroffen worden, so wĂĽrde die Ausbeute
LIX. Pompeji als Quelle fĂĽr die Kenntnis des Altertums. 527
unendlich größer, ja gradezu unermeßlich sein. Lassen wir aber
solche Träume beiseite, so dürfen wir dem Schicksal danken,
daĂź es uns grade die kleine campanische Hafenstadt aufbewahrte.
Beklagen mögen wir nur, daß der Vesuv sein Werk nicht
noch etwas vollständiger getan hat, daß er Pompeji nicht tief
genug begraben hat, um antike Ausgrabungen und vor allem
auch um die Zerstörung der oberen Teile der Gebäude zu ver-
hindern. Vorsorglicher war er in dieser Beziehung in Hercula-
neum, über das sich die Auswurfsmassen in einem mächtigen
Schlammstrom herabwälzten , und auch bei Boscoreale , wo in
größerer Nähe des Kraters die Verschüttungsschichten beträcht-
lich höher sind. Aber bei Boscoreale handelt es sich um ver-
einzelt liegende Villen, die zu finden nur gelegentlich einmal ein
günstiger Zufall ermöglicht. Herculaneum ist im 18. Jahrhundert
unter sehr erschwerenden Umständen — durch unterirdische
Gänge — und auch mit wenig Verständnis zum großen Teil
erforscht und leider wohl auch vielfach zerstört worden ; auch an
antiken Ausgrabungen hat es nicht gefehlt. Freigelegt ist nur
ein kleiner Teil. Weitere Ausgrabungen sind jetzt beabsichtigt;
sollten sie ermöglicht werden, so dürften wir trotz Allem noch
auf manche Belehrung hoffen, die uns Pompeji versagt hat.
Kapitel LX.
HERCULANEUM.
Die Lage von Herculaneum zeigt unsere Karte S. 2: es lag
auf dem Abhang des Vesuv, ganz unten, da wo das Meer un-
mittelbar an ihn hinantritt, auf der Grenze des nordwestlichen
und des südöstlichen Teiles der campanischen Ebene (S. 2). Die
Stadt wird mehrfach von alten Schriftstellern erwähnt. Es heißt,
daß sie auf einer in das Meer vortretenden Höhe lag und einen
guten Hafen hatte. Davon ist jetzt nichts mehr zu sehen, da
diese ganze Küste durch die Tätigkeit des Vesuv gründlich um-
gestaltet worden ist. Aber noch jetzt bläst, wie schon Strabo
rühmt, der Südwestwind, der Seewind, über die Höhe und macht
sie zu einem herrlichen, vielbesuchten Sommeraufenthalt. Und
wie noch jetzt, so war schon im Altertum die Gegend beliebt
fĂĽr Villenanlagen. Eine groĂźe und reiche Villa wurde im
18. Jahrhundert entdeckt und groĂźenteils durchforscht. Wir er-
fahren auch, daĂź die kaiserliche Familie hier eine Villa besaĂź,
in der Agrippina, die Witwe des Germanicus, eine Zeitlang ge-
fangen gehalten wurde. Caligula, ihr Sohn, war töricht genug
die Villa zu zerstören, um an ihr die Mutter zu rächen. Sicher
waren die Küste und die zum Vesuv ansteigende Höhe dicht
mit Villen besetzt. Und auch in der Stadt waren die Häuser —
nach dem Wenigen was wir kennen zu urteilen — weitläufig,
villenartig angelegt.
Die alten Schriftsteller, wenn sie von Herculaneum sprechen,
unterlassen nie, es als eine kleine Stadt zu bezeichnen. Seneca,
bei Gelegenheit des Erdbebens im Jahre 63 [Nat. qnaest. VI i, 2),
unterscheidet ausdrĂĽcklich Pompeji, celebrem Campaniae urbem
und das Herculanense oppidum. Es muĂź also wohl recht klein,
viel kleiner als Pompeji gewesen sein. FĂĽr die Beurteilung der
Ausgrabungen ist dies nicht unwichtig.
LX. Herculaneum.
529
Die Geschichte Herculaneums ist von der Pompejis wenig
verschieden. Wie alt die Stadt war, ist unbekannt; es gab keine
Nachricht ĂĽber ihre GrĂĽndung; man fabelte, sie sei gegrĂĽndet
worden von Herakles, als er mit den Rindern des Geryoneus
aus Spanien zurĂĽckkam. Osker, sagt Strabo, haben hier ge-
wohnt, dann Etrusker, dann Samniten, ganz wie in Pompeji.
Und wie Pompeji war dann auch Herculaneum römisch geworden.
Im Jahre 89 v. Chr. wurde es von den Römern erobert.
Eine Kolonie aber erhielt es nicht; es war ein Municipium.
Wir erfahren aus den Inschriften von dem Stadtrat der Decu-
rionen und von den an der Spitze des Gemeinwesens stehenden
Zweimännern, dnoviri hiri dicimdo, die auch hier in jedem
fünften Jahre als dnoviri quinquennales die Geschäfte der Zensur
besorgten. Ă„dilen kommen nicht vor; doch darf, bei der ge-
ringen Zahl der Inschriften, daraus nicht geschlossen werden,
daĂź sie nicht vorhanden waren. Auch hier bestand das Frei-
gelassenenkollegium der Augustalen zur Pflege des Kaiserkultus.
Wie Pompeji so wurde auch Herculaneum durch das Erd-
beben des Jahres 63 n. Chr. stark beschädigt. Seneca (a. O.)
sagt, ein groĂźer Teil der Stadt sei eingestĂĽrzt, und auch das
stehengebliebene sei nicht recht sicher. Auch an einem in-
schriftlichen Zeugnis fehlt es nicht. Der Tempel der Götter-
mutter war eingestĂĽrzt und wurde von Vespasian wieder auf-
gebaut; im Jahre 76 war der Bau beendigt: Imp. Caesar V^espasia-
niis Aug. pontif. max.^ trib[unicia) pot[estate) VII^ imp[erator]
XVII^ p[atcr] p[atriac)^ co{n)s[nl) VII, design[atus) VI 11^ templum
Matris Deuvi terrae motu conlapsum resiituit.
Im Jahre 79 wurde auch Herculaneum verschĂĽttet, aber
anders als Pompeji. Ein Schlammstrom — Asche und Bim-
stein mit reichlichem Wasser — wälzte sich vom Krater über
die Stadt, mit solcher Gewalt, daĂź an offenen Orten die Statuen
— Marmor und Bronze — zertrümmert und die Stücke weit
fortgetragen wurden. Doch scheint es, daĂź die Menschen Zeit
hatten zu fliehen, wenigstens aus der Stadt; denn in dieser sind
nur ganz wenige Leichen gefunden worden. Die Schlammasse
steht stellenweise bis zu 20 m hoch; sie ist im Laufe der Zeit zu
einem festen Tuff erhärtet. Dennoch ist auch hier wie in Pom-
peji schon im Altertum durch unterirdische Gänge nach Wert-
Maii, Pompeji. 2. Aufl. t^a
530 Pompeji.
Sachen gesucht worden ; in den Ausgrabungsberichten des
i8. Jahrhunderts ist mehrfach von solchen alten Gängen die
Rede. So vollständig aber wie in Pompeji sind diese antiken
Ausgrabungen bei weitem nicht gewesen. Auf dem Forum und
im Theater fanden sich die Statuen, soweit nicht der Schlamm-
strom sie fortgerissen hatte, an ihren Plätzen, während in Pom-
peji derartige Funde sehr selten sind.
Bei dieser Art der VerschĂĽttung, und da ĂĽberdies die Ort-
schaft Resina darĂĽber steht, ist es begreiflich, daĂź man nicht
daran ging, die alte Stadt freizulegen, sondern sich begnĂĽgte,
sie durch unterirdische Gänge, »Grotten«, zu erforschen. Regel-
mäßige Ausgrabungen begannen im Jahre 1738 unter der Lei-
tung des Genieobersten Roque Joaquin de Alcubierre, den König
Karl III. aus Spanien mitgebracht hatte. Er widmete sich der
Sache, mit groĂźem Eifer aber freilich ohne jedes wissenschaft-
liche Verständnis, bis zu seinem Tode 1780, mit kurzer Unter-
brechung 1741 — 45. Unter ihm arbeitete 1750 — 64 der Genie-
oberstleutnant Karl Weber, ein Schweizer, mit groĂźem FleiĂź
und jedenfalls mehr Verständnis als Alcubierre, und nach Webers
Tod Francesco La Vega, der an Fähigkeit und Einsicht seine
Vorgänger weit überragte. Aber schon 1765 wurde die Haupt-
arbeit nach Pompeji verlegt. Die Tätigkeit in Herculaneum zog
sich hin bis zum Jahre 1780. Die Erforschung des Theaters
wurde noch etwas vervollständigt, hauptsächlich aber die alten
Grotten ausgefüllt und die in Gefahr geratenen Häuser von
Resina durch Untermauerung gesichert. Nach langer Zeit wurden
dann in den Jahren 1828 — 55 und 1869 — 75 im untern Teil der
Stadt, gegen das Meer, wirkliche Ausgrabungen unternommen,
indem man diese Teile ganz freilegte. Aber es sind nur wenige
Häuser, keines ganz vollständig.
Während der unterirdischen Ausgrabungen wurde nun keines-
wegs nur Raubbau auf Wertobjekte betrieben, sondern es wurden
auch fortwährend Aufnahmen und Zeichnungen gemacht, auch
zahllose Berichte geschrieben. Aber — es scheint unglaublich
— dies wertvolle Material ist zum größten Teil verloren ge-
gangen. DĂĽrftige Reste sind es, die der frĂĽhere Direktor der
Ausgrabungen von Pompeji, Michelc Ruggiero, noch auftreiben
konnte und in seinem Werk Storia drj^li Scavi di Jircolano vcr-
LX. Herculaneum.
531
öffcntlicht hat. Und so wissen wir, nach 75 jähriger Ausgrabung,
von Herculaneum erstaunlich wenig. Was wir einigermassen
kennen ist Folgendes.
1. Ein von La Vega nach 1890 auf Grund ihm vorliegender,
jetzt verlorener Aufnahmen gezeichneter kleiner GrundriĂź der
unterirdisch erforschten Teile, ganz summarisch, mit Angabe
nur der Häuserviertel [insulae]^ nicht der einzelnen Häuser und
Räume.
2. Am Nordostrand eben dieser Teile ein von Säulenhallen
umgebener Platz, wahrscheinlich — davon später — das Forum,
die an ihm vorĂĽberfĂĽhrende StraĂźe und zwei ihm an dieser
Straße gegenüberliegende öffentliche Gebäude. Alles dies ist
bekannt durch zwei in Frankreich erschienene kleine Schriften:
(Darthenay), Memoire historiguc et critique snr la ville sojitcr-
raine dccouverte au pied du V^esiive, Avignon 17 48, und Cochin
und Bellicard, Observations sitr Ics antiquites d^ Herailanum^
Paris 1754, letztere mit einem GrundriĂź. Die Lage dieses
Platzes — meist Basilika genannt — ergibt sich aus dem oben
erwähnten Plan La Vegas, wo er ganz summarisch angedeutet ist.
3. Das Theater; dies ist, wenn auch nur durch unterirdische
Gänge, noch jetzt zugänglich und ist hinlänglich erforscht und
beschrieben worden, frĂĽher von Mazois im 4. Bande seines be-
kannten Werkes ĂĽber Pompeji und neuerdings von Ruggiero in
dem oben erwähnten Buche.
4. Die wenigen seit 1828 freigelegten Häuser, dabei Teile
einer Badeanstalt.
5. Eine groĂźe Villa auĂźerhalb der Stadt, berĂĽhmt nament-
lich durch den Fund der Papyrusrollen. Wir kennen sie aus
einem von Weber aufgenommenen Plan mit begleitendem Text.
6. Ein Grab, beschrieben und gezeichnet in der schon er-
wähnten Schrift von Cochin und Bellicard.
Rechnen wir dazu, daĂź wir von zwei Tempeln durch die
Angaben der Berichte , von einem auch durch eine flĂĽchtige
Planskizze eine ungefähre Vorstellung haben, daß eine Basilika
und ein Macellum in Inschriften erwähnt werden, so ist das so
ziemlich alles^as wir von Herculaneum wissen. Viel ist es nicht,
aber es %jßtf( doch ein ungefähres Stadtbild.
Beistehend (Fig. 294) der kleine Plan La Vegas. Wir sehen
34*
532
Pompeji.
sofort, daß wir mit einer planmäßig und regelmäßig angelegten
Stadt zu tun haben: acht gleiche und rechteckige Häuserviertel,
getrennt durch schnurgrade StraĂźen; letzteres betonen auch die
•'■':j;,;-'^:%b- "'
Fig. 294. Karte von Herculaneum und Umgegend.
I. Puteiis ex quo prima consepiiltac icrliis rvdi'va et sii;nn eiiierscrnnt. 2. Theatrinii. j. J-'i»-iim.
4. Basilica. 5. Templa. 6. Donnis pseudnurbana, nöi voliiinina sunt reperta. ^- Ilac lutea
designatur guousgue in presenti littis procurrit. ^ Sepulcretnm. — l'raneiscns In J'egn in-
vestlgaiiit et descripsit.
Ausgrabungsberichte. Dazu ein langer und schmaler Streif
zwischen diesem regelmäßigen Teil und einem Terraineinschnitt.
Nördlich von diesem Streif, außerhalb des regelmäßigen Teiles,
an der Nordostecke des Planes, das Theater, und westlich von
LX. Herculaneum.
533
diesem etwas was La Vega als Forum bezeichnet. Schwerlich
mit Recht; es ist allzu unwahrscheinlich, daß in einer planmäßig
angelegten Stadt das Forum so am Rande, auĂźerhalb des StraĂźen-
netzes gelegen haben sollte. Daneben noch ein als Tempel be-
zeichneter Bau, von dem wir sonst nichts wissen.
Es ist nun wichtig, daĂź uns in diesem Plan das Westende
der Stadt vollständig vorliegt. Daß im Westen hier die Stadt
gegen das Meer endet, ist durch die Ausgrabungen des 1 9. Jahr-
hunderts festgestellt. Im SĂĽden liegen, wie La Vega angibt,
Gräber, im Norden, jenseits eines Terraineinschnittes, wahr-
scheinlich eines Baches, die groĂźe Villa; hier wie dort sind wir
auĂźerhalb der Stadt. Nur nach Osten erstreckte sich diese noch
weiter. Wie weit, das können wir mit Sicherheit nicht sagen;
aber eine sehr wahrscheinliche Vermutung ist doch gestattet.
Die an der Ostseite dieser Häuserviertel entlang laufende
StraĂźe ist etwa doppelt so breit als die anderen. Sie war, wie
auf dem Plan angedeutet und besser noch auf einem andern
Plan (Fig. 295) ersichtlich ist, auf beiden Seiten von Säulenhallen
eingefaßt. Auf ihre Ostseite öffnet sich, in der Mitte ihrer Länge,
ein von Säulenhallen umgebener Platz, mit einem mächtigen,
weit auf die StraĂźe ĂĽbergreifenden P^ingangsbau. Und gegen-
über, auf der Westseite der Straße, liegen zwei öffentliche Ge-
bäude, getrennt durch die hier einmündende mittlere Ostwest-
straße. Höchst wahrscheinlich haben wir hier das Forum und,
an ihm vorbeifĂĽhrend, die HauptstraĂźe der Stadt zu erkennen.
Dann aber ist es weiter wahrscheinlich, daĂź dies das Zentrum
der Stadt war, daĂź das Forum, wie in der Mitte der Breite, so
auch in der Mitte der Länge der Stadt lag. Und zwar konnte
dann die Anordnung entweder so sein, daĂź die breite StraĂźe
mit Säulenhallen die Stadt halbierte und oberhalb wie unterhalb
ihrer je zwei Reihen Häuserviertel lagen, oder so daß die das
Forum enthaltende Insula das Zentrum war und oberhalb wie
unterhalb ihrer noch zwei Reihen Insulac folgten. Da neben
der groĂźen Forumsinsula jederseits nur noch eine sein konnte,
so enthielt in ersterem Falle der regelmäßige Teil der Stadt
auĂźer der Forumsinsula noch (3 X 4) + 2 = 14 Insulac und war
etwa 365 X 200 = 73,000 qm groĂź, im zweiten Falle waren es
(4 X 4) + 2 = 18 Insulae mit zirka 455 X 200 = 91,000 qm.
534 Pompeji.
Den Flächeninhalt Pompejis berechnete Fiorelli auf 646,826 qm;
Herculaneum wäre also reichlich ein Neuntel, bzw. etwa ein
Siebentel so groĂź gewesen wie Pompeji. Oder, um den Ver-
gleich faĂźlicher zu machen, es entspricht etwa der Nordwestecke
Pompejis, östlich einschließlich der Casa del Fauno und Casa
del Laberinto, sĂĽdlich bis zur Mitte, bzw. bis zum SĂĽdende des
Forums. Und wenn Pompeji mit Recht auf 20,000 Einwohner
geschätzt wird, so mochte Herculaneum ihrer 2500 bis 3000
zählen. Da, wie schon gesagt, die alten Schriftsteller stets die
Kleinheit des Städtchens hervorheben, so darf dies Resultat als
durchaus glaublich gelten. Dagegen ist eine weitere Ausdehnung
ostwärts, bergwärts, sehr unwahrscheinlich. Das Mißverhältnis
zwischen Breite und Länge würde allzu stark werden; bei nur
noch einer weitern Reihe von Insulae wäre es 1:3, während doch
die Terrainverhältnisse einer größern Breitenausdehnung keiner-
lei Schwierigkeit bereiteten. Und dies wird noch unwahrschein-
licher dadurch, daß die Längenrichtung bergauf gehen würde;
denn wenn man der am Abhang zu grĂĽndenden Stadt eine
längliche Gestalt geben wollte, so war es weit zweckmäßiger sie
horizontal zu legen, parallel der KĂĽstenstraĂźe.
Das oben ĂĽber das Forum und das Zentrum der Stadt ge-
sagte bedarf noch einiger näheren Begründung. Beistehend
(Fig. 295) der von dem französischen Architekten Bellicard (er
besuchte Herculaneum 1749 und wieder 1750) veröffentlichte
Grundriß dieser Gebäude. Er stimmt nicht genau mit der
Skizze La Vegas ĂĽberein. Nach dieser mĂĽndet die mittlere Ost-
weststraße in die breite Nordsüdstraße ungefähr gegenüber der
linken Ecke dessen was wir fĂĽr das Forum halten, nach Bellicard
etwas rechts von der Mitte desselben. Wenn wir bedenken, wie
schwer es war, in den dunkeln Grotten genaue Aufnahmen zu
machen, so dĂĽrfen wir wohl annehmen, daĂź die Wahrheit in
der Mitte liegt. Die Achse des Platzes entsprach dann der
mittlem OstweststraĂźe; er lag in der Mitte der Stadt, oder
doch dieses regelmäßig angelegten Stadtteiles. Es ist ganz un-
wahrscheinlich, daĂź man hier unsymmetrisch gebaut haben sollte.
Betrachten wir nun noch etwas näher den Plan Bellicards an
der Hand seiner eigenen Erläuterungen und der etwas altem
Beschreibung von Darthenay.
LX. Ilerculaneum.
535
Das große Gebäude — man hat es fälschlich eine Basilika
genannt — ist eine Säulenhalle, die einen offenen Platz auf drei
Seiten umgibt, während der vierten Seite ein besonderer Ein-
gangsbau vorgelegt ist. Der offene Platz ist etwa 40 X 20, der
ganze Innenraum mit den Säulenhallen 45 X 35 m groß, also, um
Fig. 295. GrundriĂź des Forums (sogen. liasilika) von Herculaneum.
an schon besprochenes anzuknüpfen, beträchtlich größer als die
Portiken des Gebäudes der Eumachia, wo der offene Platz allein
36 X 17, mit den Säulenhallen 48 X 28 m groß ist. An das
Gebäude der Eumachia erinnern auch die drei kleinen Räume,
die sich auf die hintere Säulenhalle öffnen. In der Mitte eine
536 Pompeji.
viereckige Kammer oder Cella, zugänglich über drei Stufen, mit
einem Podium an der Rückwand, auf dem — so heißt es —
drei Statuen standen: in der Mitte Vespasian, stehend, vermut-
lich eine Bronzestatue, ohne Kopf aber durch eine Inschrift be-
zeichnet; neben ihm zwei sitzende Marmorstatuen, auch ohne
Kopf, vermutlich Titus und Domitian. An beiden Enden der
Rückwand, den Seitenportiken entsprechend, öffnete sich je eine
flache Apsis, und vor jeder derselben stand in einiger Entfernung,
im Portikus, auf einer Basis eine Bronzestatue. Sie sollen Nero
und Germanicus dargestellt haben; die Benennungen sind wahr-
scheinlich irrig und es ist leider nicht möglich, unter den Statuen
des Museums diese beiden nachzuweisen.
Die beiden Apsiden waren geschmückt durch Gemälde, die
— jetzt in Neapel — zu den wertvollsten und berühmtesten
Resten antiker Malerei gehören. Die Hauptfläche war einge-
nommen von je einem großen Gemälde, in der einen Theseus
nach der Tötung des Minotaurus, mit den athenischen Kindern,
die ihm ihre Dankbarkeit kundgeben, in der andern Herakles
der in Arkadien seinen und der Auge Sohn Telephos, von einer
Hirschkuh gesäugt, findet. Seltsamerweise ist hier eine Orts-
personifikation zur Hauptfigur des Bildes geworden: die groĂźe
majestätische Frauenfigur ist nichts anderes als die Personifikation
der Arkadia. Ihr hat der Maler einen kleinen Satyr, als
Bezeichnung der bergigen Gegend, dem Herakles eine Nymphe
oder dergleichen, auch eine Ortspersonifikation, beigesellt, so daĂź
nun beiderseits Männliches mit Weiblichem, Rauhes mit Zartem
gepaart ist und sich kreuzweise (»chiastisch«) gegenübersteht.
Die unter diesen Bildern, am Sockel der Wandfläche ge-
malten Figuren waren wohl als Statuengruppen, und zwar als
farbige Statuen gedacht: unter dem Theseus der Kentaure
Chiron, wie er Achilleus im Leierspiel, unter dem Herakles
Marsyas wie er seinen jungen Liebling Olympos im Flötenspiel
unterrichtet. Nach dem Charakter der Malerei und nach der
ornamentalen Behandlung des Wandsockels ist kein Zweifel, daĂź
alle diese Bilder dem letzten pompejanischen Stil angehören.
Kehren wir nun zur Betrachtung der Portiken zurĂĽck. Sie
sind um drei Stufen über den offenen Platz erhöht. Die Säulen-
stellung ist nicht an den drei Seiten gleichmäßig herumgeführt.
LX. Ilerculaneum.
537
Nur auf den Langseiten stehen Säulen in regelmäßigen Ent-
fernungen von 2,65 m; auf der RĂĽckseite sind statt ihrer Pfeiler
oder MauerstĂĽcke, an den Ecken rechtwinklig gebrochen, denen
Fig. 296. Herakles und Telcphos. Wandgemikle der sogen, liasilika in Hcrculancum.
Photographie Alinari.
an jedem Ende eine Halbsäule angesetzt ist, nur da(i an der
mittlem Ă–ffnung, entsprechend der Cella d^ um sie recht weit
zu machen, die Halbsäulen weggelassen sind.
538 Pompeji.
Auf den Langseiten entsprach jeder Säule ein aus der Wand
vortretender Pilaster, aus dem wieder eine Halbsäule vortrat, und
zwischen den Pilastern stand je eine Statue, abwechselnd, so
wird berichtet, aus Marmor und aus Bronze. Statuen verdienter
BĂĽrger, z. B. die beiden M. Nonius Baibus, Vater und Sohn, und
die Gattin des altern der beiden, Viciria Archais. Aber auch
Mitglieder der kaiserlichen Familie: Antonia, die Mutter des
Claudius, Domitia die Gemahlin Domitians; von letzteren beiden
fand man leider nur die Inschriften.
In ganz besonderer Weise ist die Westseite, die Eingangs-
seite der Anlage ausgebildet. Hier stehen mitten in der StraĂźe
zwei Reihen von je sechs massiven, durch Gewölbe verbundenen
Pfeilern, zwischen denen drei Eingänge in den unbedeckten
Raum, zwei in die Seitenportiken führen. Bei den mächtigen
Dimensionen der Pfeiler — bis zu 2 X 3,50 m — wird an-
zunehmen sein, daß dieser Vorbau höher war, als die Säulen-
hallen, doch fehlt es darüber an Angaben. Einwärts dieser
Pfeiler, auf dem unbedeckten Platz, stehen vier Postamente, wie
sie im Plan angegeben sind. Es scheint, daĂź auf den beiden
kleineren, gleich neben dem Eingang b^ die marmornen Reiter-
statuen der beiden M. Nonius Baibus, Vater und Sohn standen.
Auf den beiden Postamenten g soll nach Darthenay je eine fast
ganz zerstörte Reiterstatue gefunden sein.
Diesem säulenumgebenen Platz gegenüber lagen nun, durch
eine Straße getrennt, zwei öffentliche Gebäude von verschiedener
Größe. Das größere derselben [i l m) ist ein geräumiger Saal,
etwa 20 X 15 ni groß, also viel größer als die drei öffentlichen
Gebäude am Südende des Forums von Pompeji, deren größtes
kaum 14,5 X 10 m mißt. Man betrat es durch zwei Eingänge;
zwischen diesen eine große Basis (;«, etwa 5x3m); hier, heißt
es, seien Reste einer Quadriga aus Bronze gefunden worden. Auf
die Rückseite des Raumes öffnet sich etwas, was wir nach dem
GrundriĂź nicht wohl fĂĽr etwas anderes als fĂĽr eine Aedicula
halten können, ähnlich der des Decurionensaales von Pompeji,
nur bedeutend größer: breit etwa 10 m, gegenüber 3,50 in
Pompeji.
Auch das kleinere Gebäude ist noch recht geräumig. Der
Saal mißt etwa 11 X 10 m, wird aber freilich eingeschränkt
LX. Ilerculaneuni.
539
durch den Einbau auf der RĂĽckseite, in dem wir doch auch
wohl etwas wie eine Aedicula erkennen mĂĽssen. Der Eingang
ist in der Mitte der Vorderseite; neben ihm sind noch zwei
kleine, auch von der Straße zugängliche Kammern, so daß man,
um in den Hauptraum einzutreten, erst einen kurzen, etwa 2 m
breiten Gang durchschreiten muĂźte, vergleichbar den Fauces der
Wohnhäuser (S. 253).
Man hat beide Gebäude für Tempel gehalten; sicher mit
Unrecht. Die eigentĂĽmliche Bildung des Eingangs, der groĂźe
Innenraum ohne Vorhalle, die Lage zu ebener Erde, alles dies
ist garnicht tempelartig. Es sind städtische Gebäude; sie er-
innern an die drei Säle an der Südseite des Forums von Pom-
peji. In dem größern mögen wir die Curie, den Sitzungssaal
des Stadtrates vermuten.
Dieser ganze Komplex von Gebäuden liegt im Zentrum der
Stadt; es wird schwer sein, in dem von Säulen umgebenen, so
reich ausgestatteten Platz etwas anderes zu erkennen als das
Forum. Auffallend scheint es zunächst, daß auf die drei Seiten
des Platzes keine StraĂźen mĂĽnden. Aber ein Zentrum des
StraĂźenverkehrs sollte ja das P'orum nicht sein; auch in
Pompeji war es fĂĽr den Wagenverkehr gesperrt. Und eine
Absperrungstendenz zeigt sich eben dort doch auch darin, daĂź
auf der Ostseite die einst hier einmündenden Straßen später ge-
schlossen wurden; in Herculaneum ist diese Tendenz vollständiger
durchgeführt, weil es bei den kleineren Verhältnissen leichter
war. Man wird vielleicht finden, daĂź das Forum etwas klein ist:
der offene Platz 40 X 20 = 800 qm gegen etwa 105 X 32 =
3360 in Pompeji. Aber das F'orum von Pompeji ist eben auf-
fallend und unverhältnismäßig groß. Und wenn Herculaneum nur
ein Siebentel, vielleicht gar nur ein Neuntel so groĂź war wie
Pompeji, sein Forum aber fast ein Viertel des dortigen miĂźt, so
ist das Verhältnis immer noch ein recht günstiges. Dazu kommt,
daß das pompejanische Forum in viel höherem Grade durch die
ringsum stehenden Statuen eingeengt wurde.
Und dann ist hier noch eines zu bedenken. Es ist schwer
glaublich, daß der mächtige Eingangsbau zur ursprünglichen An-
lage gehört haben sollte, sehr wahrscheinlich, daß er späterer
Zusatz ist. Man baut nicht eine die Stadt von einem P>ndc zum
540
Pompeji.
andern durchschneidende StraĂźe, um sie grade an der zentralsten
Stelle durch einen Einbau fast ganz zu sperren, wie der Plan
zeigt. Denken wir aber diesen Eingangsbau fort, so erhält die
ganze Anlage viel mehr als jetzt den Charakter eines offenen,
sich an die Hauptstraße anschließenden Platzes. Wäre es noch
so, so wĂĽrde wohl niemand zweifeln, daĂź dies das Forum ist.
t=^!j^ta
Fig. 297. Grundriß des Theaters von Herciilaneum in verschiedener Höhe.
Das demnächst wichtigste Gebäude von Herculaneum ist das
Theater. Unsere Fig. 297 zeigt rechts den GrundriĂź zu ebener
Erde, links einen Horizontalschnitt in der Höhe des wie im großen
Theater von Pompeji unter der Summa cavea umlaufenden Korri-
dors (Krypta), Fig. 298 einen restaurierten Längendurchschnitt.
Wir begnĂĽgen uns, kurz diejenigen Besonderheiten hervorzuheben,
in denen dies Theater von dem größern pompejanischcn abweicht,
LX. llerculaneum.
541
oder die hier kenntlich, dort
durch die viel stärkere Zerstö-
rung verloren gegangen sind.
Vor allem ist dies Theater
wesentlich kleiner; es hat einen
Querdurchmesser von nur 54 m
gegen 62 in Pompeji. Sodann
ist es nicht wie das pompeja-
nische an einen HĂĽgel angelehnt,
sondern frei auf ebener Fläche
erbaut. Daraus ergibt sich, daĂź
hier auch zu ebener Erde Hohl-
räume unter den Sitzstufen sind:
rings umlaufend ein sich mit
einer Bogenstellung nach auĂźen
öffnender gewölbter Gang, und an
ihn nach innen sich anschlieĂźend
überwölbte Räume zwischen
Mauern in radialer Richtung.
Und weiter ergibt sich, daĂź die
Krypta, die hier wie in Pompeji
die Summa cavea trägt, nicht
wie dort von einem höher ge-
legenen Platz aus ohne weiteres
zugänglich ist, sondern über
Treppen erstiegen werden muĂź.
Diese liegen an beiden Enden
des untern Umganges, zunächst
den Seiteneingängen der Or-
chestra (Parodoi). So enthält,
vom BĂĽhnenbau beginnend, jcder-
seits die erste Bogenöffnung des
Zuschauerbaues den Zugang zur
Orchestra (Parodos) ; die dritte
den zur Treppe; die zweite, dem
obern Treppenarm entsprechend,
ist geschlossen; mit den ĂĽbrigen
öffnet sich der Umgang frei nach
542 Pompeji.
auĂźen. In den beiden geschlossenen, als Nischen erscheinenden
Bögen standen auf gemeinsamer Basis je drei Bronzestatuen ver-
dienter BĂĽrger; die der einen Seite wurden unversehrt gefunden
und sind jetzt in Neapel, die der andern waren vom Schlamm-
strom fortgerissen und zerstört worden.
Aus der ganz wie in Pompeji am obern Ende der Media
cavea umlaufenden Krypta fĂĽhren nach innen, etwas ansteigend,
sieben TĂĽren (Vomitorien) zu den sieben Treppen, die die Media
cavea in sechs Cunei teilen, nach auĂźen vier Treppen, zur
Summa cavea. Von diesen Treppen wieder zweigt sich an
beiden Enden, nahe der BĂĽhne, je eine kleine Treppe ab auf
die Oberfläche der das Ganze einschließenden Umfassungsmauer,
ähnlich wie in Pompeji.
Diese Oberfläche war sehr breit. Auf ihr standen, der Mitte
der Bühne gegenüber und an beiden Enden zunächst der Bühne,
drei kleine Gebäude, Tempelchen oder Tabernakel, und in jedem
eine Bronzestatue. Zwei dieser Statuen sind erhalten: es sind
Mitglieder der julisch-claudischen Kaiserfamilie, vielleicht Livia
und Tiberius. Neben jedem dieser Tabernakel standen, mit
ihren Postamenten in die Summa cavea vortretend, zwei ver-
goldete bronzene Reiterstatuen: nur geringe Reste derselben
sind gefunden worden. Und in dem Umkreis zwischen den
Tabernakeln standen in Zwischenräumen auf Postamenten über-
lebensgroße bronzene Standbilder von Männern und Frauen.
Ein reicher Schmuck, den wir ähnlich für das Theater von Pom-
peji vermuten dĂĽrfen; nur wird dort am rechten Ende, gegen
das Forum trianguläre, die Oberfläche der Umfassungsmauer so
schmal, daß für ein Tabernakel kein Platz war. Wir können
annehmen, daĂź nur ein solches, der Mitte der BĂĽhne gegen-
ĂĽber, vorhanden war.
Die Orchestra ist kleiner als in Pompeji: ein Halbkreis, zu
dem nur noch der den Seiteneingängen (Parodoi) entsprechende
Streif hinzukommt. Um sie, wie in Pompeji, vier breite und
niedrige Stufen fĂĽr die Bisellien der Ratsherren [iina cavea).
Bemerkenswert ist, daĂź in der Mitte eine Bacchusstatue stand:
der Gott des Theaters als idealer Zuschauer seines Festes. Ăśber
den Seiteneingängen sind, wie in Pompeji, die Tribunalien, die
Plätze für den Spielgeber und andere bevorzugte Zuschauer.
I,X. Ilerculancum.
543
Und man fand auf ihnen zwei Sellae curules, MagistratsstĂĽhle,
aus Bronze, in der bekannten Form mit den gekreuzten FĂĽĂźen.
Ganz abweichend aber war der Zugang zu ihnen; er ging durch
das Bühnengebäude.
Dieses nämlich unterscheidet sich von dem pompejanischen
dadurch, daĂź fĂĽr die Vorbereitungen zur AuffĂĽhrung nicht nur,
wie dort, ein Raum hinter, sondern auch noch zwei geräumige
Zimmer neben der BĂĽhne vorhanden sind. Diese aber liegen
nicht unmittelbar an der BĂĽhne, sondern etwa 2,20 m von ihr
entfernt; ein kurzer Durchgang eben dieser Länge stellt die
Verbindung her. Und ĂĽber diesen Durchgang hinweg, in dem
Zwischenraum zwischen BĂĽhne und Seitenzimmer, fĂĽhrt eine
Treppe zum Tribunal, erst ansteigend, dann wieder absteigend.
Zu vergleichen ist das kleine Theater in Pompeji, wo die Inhaber
der Tribunalien ĂĽber die BĂĽhne gehen muĂźten (S. 162).
In betreff der Säulenhallen hinter und neben der Bühne ge-
genügt es, auf den Plan zu verweisen. Vermutlich schlössen sich
den dort sichtbaren noch weitere Anlagen an.
Von Tempeln in Herculaneum wissen wir sehr wenig; von
keinem einzigen können wir genau die Lage angeben. Am
meisten wissen wir noch von dem Tempel der Göttermutter,
den Vespasian nach dem Erdbeben des Jahres 63 wieder auf-
bauen ließ, wie die schon oben S. 529 erwähnte Inschrift besagt.
Der Tempel lag in dem Stadtteil unterhalb des Forums und
war sehr groĂź. Umstehend der GrundriĂź nach einer Skizze
Webers. Es war ein Tempel in antis mit zwei Säulen in der
Front und seltsamerweise mit einer TĂĽr in der RĂĽckwand. Der
ganze Tempel war reichlich 23 m lang: die Cella maĂź im Innern
etwa 15,50X8 m, war also eben so lang aber schmäler als die
des Kapitols von Pompeji. Sie war bedeckt mit einem Tonnen-
gewölbe, das auf weißem Grunde mit grünen, gelben und roten
Sternen bemalt war. Außen auf dem Gewölbe war Mosaikfuß-
boden kenntlich; es waren also über der Cella obere Räume.
Der Tempel lag auch nicht isoliert, sondern an seine rechte
Seite waren andere Räume angebaut. Die Orientierung folgte
dem StraĂźenzug; die Front war nach NO gerichtet.
Südwestlich vom Tempel sind Teile einer Säulenhalle an-
gegeben und es scheint, daĂź er sich hier auf einen zu ihm ge-
544
Pompeji.
hörigen Säulenhof öffnete. War also vielleicht hier der Haupt-
eingang und die Front in antis eine Art Dekoration der an der
Straße liegenden Rückseite? Es ist nicht gut möglich, auf Grund
der flĂĽchtigen Skizze Webers diese Fragen zu beantworten. Man
fand in der Cella drei schöne Dreifüße und mancherlei Hausgerät,
das aber nicht zum Tempel gehörte sondern durch den Schlamm-
strom hierher getrieben worden war.
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ff - -
O J 2 3 4 5 lOm
Fig. 29g. Grundriß des Tempels der Göttermutter in Herculaneur
Nicht weit von diesem Tempel liegt ein noch größerer; seine
Größe wird auf 115X45 Palm, d. i. 30,42 X 1 1,10 m angegeben.
Auch dieser ist von ungewöhnlicher Form: er öffnet sich nach
beiden Schmalseiten mit einer Vorhalle in anlis^ wie die Front
des Tempels der Göttermutter. Die eine Front lag an einer
StraĂźe; hier war ein marmorner Brunnen aber kein Altar. Vor
der andern Front haben, wie es scheint, keine Erforschungen
stattgefunden; es ist also möglich, daß diese sich auf einen
Tempelhof öffnete und hier der Altar war; dann wäre auch hier
die zweite Front gemacht worden, um die geschlossene RĂĽck-
LX. Ilerculancum.
545
wand an der StraĂźe zu vermeiden. Unbekannt ist, nach welcher
Himmelsrichtung der Tempel orientiert war. Man fand in ihm
ein schönes großes bronzenes Kohlenbecken (0,97 x 0,70 m),
das zu Rauchopfern dienen mochte. Wir erfahren, daĂź der
Tempel nicht gewölbt war sondern ein mit Ziegeln gedecktes
Balkendach hatte.
Weitere drei Tempel wurden — so scheint es — in den Jahren
1743 und 1744 erforscht. Da aber die Berichte verloren ge-
gangen sind, so haben wir von ihnen keinerlei Kenntnis.
Wir unterlassen es, auf die Stadthäuser einzugehen. Von
den unterirdisch durchforschten wissen wir so gut wie nichts und
von den freiliegenden ist kein einziges vollständig ausgegraben.
Wertvoll ist es, daĂź hier die oberen Teile besser erhalten waren
als in Pompeji, so daß es in zwei Häusern möglich war, sie in
Zeichnung wiederherzustellen. Aber diese Teile bieten nicht
eben viel charakteristisches. Es mag bemerkt werden, daĂź kein
deutliches Beispiel des regelmäßigen Atriumhauses vorliegt, wie
es in Pompeji gewöhnlich ist. Indeß bei dem geringen, fast
verschwindenden Umfang der uns bekannten Stadtteile wäre es
unvorsichtig hierauf Gewicht zu legen.
Weit wichtiger ist eine groĂźe Villa auĂźerhalb 'er Stadt, die
in den Jahren 1750 — 65 erforscht wurde. Erforscht durch unter-
irdische Gänge; aber glücklicherweise ist hier der von Weber
aufgenommene Plan mit hinlänglich genauen Aufzeichnungen
erhalten und von Giulio de Petra in mustergĂĽltiger Weise zu einer
sorgfältigen Beschreibung — so weit eine solche möglich ist —
verarbeitet worden (Comparetti und De Petra, La villa ercolanese
dei Pisoni. Turin 1883). Vollständig freilich war die Erforschung
nicht, aber doch hinlänglich um von der Anlage des Ganzen
eine Vorstellung zu geben.
Die Villa liegt auf dem HĂĽgel am Meeresstrand nordwestlich
der Stadt, von ihr getrennt durch einen Terraineinschnitt, in dem
wenigstens in einem Teil des Jahres ein Bach geflossen sein
mag. Ihre Längenausdehnung ist von Südost nach Nordwest,
ungefähr dem Strande parallel. Und zwar liegen die Wohn-
räume im Südosten, nach Nordwesten erst ein langgestrecktes
Peristyl, dann noch weitere Gartenanlagen, dem Meere sich mehr
und mehr nähefnd und endend mit einem Aussichtsturm. Es
Mau, Pompeji. 2. Aufl. •ji;
546
Pompeji.
ist eine Wohnungsvilla {^uilla pseiidourbana\ vgl. S. 376), ein
groĂźes herrschaftliches Landhaus. Ob mit ihr in den nicht er-
forschten Teilen etwas wie ein dem Ackerbau dienender Wirt-
schaftshof i^üilla rusticä) verbunden war, können wir freilich nicht
wissen. Gefunden ist nichts der Art.
Der Haupteingang ist von der Meerseite (SW) und zwar an
dem der Stadt nächsten Ende derselben. Vor ihm eine Säulen-
halle (i); und es scheint, daĂź diese den hier nach SĂĽdwest vor-
springenden Teil des Hauptwohnungskomplexes auf allen drei
Seiten einfaĂźte. Auffallend ist, mit wie vielen und groĂźen TĂĽren
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Fig. 300. GrundriĂź der Villa
sich die Wohnräume auf diese Säulenhallen öffnen. Wir dürfen
daraus wohl schlieĂźen, daĂź diese ihrerseits sich nicht etwa auf
das offene Land oder gar auf eine Straße öffneten, sondern auf
ein zur Villa gehöriges, geschlossenes, gartenartiges Grundstück.
Im ĂĽbrigen ist der Hauptkomplex angelegt nach Art eines
groĂźen Stadthauses, jedoch mit einigen charakteristischen Be-
sonderheiten. Man betritt ihn durch einen Eingangsraum (2), den
Fauces entsprechend, aber freilich viel breiter (zirka 6,öo m) als
diese zu sein pflegen, und offenbar darauf berechnet, daĂź man
hier in der heiĂźen Jahreszeit sich aufhielt als in einem besonders
luftigen, nach zwei Seiten weit offenen Raum, ganz ähnlich dem
Tablinum des Stadthauses, das ja auch als Sommerspeisesaal
LX. Herculaneum.
547
diente (S. 263). Natürlich war dies nur möglich, wenn die Säulen-
hallen sich auf einen geschlossenen Garten öffneten.
Weiter gelangen wir in ein tuskanisches Atrium (3) mit Im-
pluvium. Es ist 10 X 15 m groß, ungefähr wie das Hauptatrium
der Casa del Fauno (S. 300). Keine Seitenzimmer, entsprechend
der ganzen Entwicklung der Wohnungsverhältnisse in der Kaiser-
zeit: frĂĽher das Zentrum der Wohnung ist das Atrium jetzt ein
Vor- und Durchgangsraum geworden; Zentrum der eigentlichen
Wohnung ist das Peristyl. Auch kein Tablinum; die RĂĽckseite
des Atriums ist gestaltet wie im Hause der Vettier (S. 340): drei
bei Herculaneum.
TĂĽren, eine breite und zwei schmale fĂĽhren in das Peristyl und
markieren die Öffnung des Tablinum und die Türen der gewöhn-
lich neben ihm liegenden Zimmer.
Die Alen (4) liegen nicht, wie gewöhnlich, hinten, sondern
vorn am x^trium. Und wenn wir uns nun erinnern, daĂź der
Eingangsraum einem Tablinum gleicht, wenn wir ferner be-
merken, daĂź neben diesem durch Nischen zwei TĂĽren markiert
sind, da wo in den Stadthäusern die Türen der Hinterzimmer
zu sein pflegen, so dĂĽrfen wir wohl sagen, die Eingangsseite des
Atriums bot, von innen gesehen, denselben Anblick wie die
Rückseite des Atriums der Stadthäuser: rechts und links die Alen,
gradeaus das Tablinum, dieses nach vorn in ganzer Breite auf
33
548 Pompeji.
das Atrium, nach hinten mit breiter TĂĽr auf den Gartenportikus
geöffnet. Und wiederum wird dieser Eindruck erst dann recht
vollständig, wenn wir uns den Portikus eben auf einen Garten
geöffnet denken.
Es zeigt sich also bei näherer Betrachtung, daß hier von dem
Schema des Stadtatriums doch sehr wesentlich abgewichen ist.
Dies Atrium hat keine eigentliche Vorderseite. Von den Schmal-
seiten entspricht die eine (vordere) der RĂĽckseite wie sie ge-
wöhnlich ist, die andere derselben wie sie in Häusern ohne
Tablinum gestaltet wird.
Das Atrium war ein reich geschmĂĽckter Raum. Der FuĂź-
boden war aus schwarzweiĂźem Mosaik, dessen Zeichnung um das
Impluvium [a] eine Stadtmauer mit Türmen darstellte. Zwölf kleine
Bronzefiguren — Silene und Satyrn mit verschiedenen Attributen,
paarweise zusammengehörig — entsandten je einen Wasserstrahl
in das Impluvium; dazu in der Mitte ein sitzender Silen mit einem
Schlauch, aus dem ebenfalls ein Wasserstrahl kam. Die Seiten-
wände haben, wie unser Plan zeigt, Nischen, drei links, eine rechts.
In der ersten Nische links [ö] war, wie es scheint, ein Brunnen :
ein großes Bleigefäß — es stand, in der Wand eingemauert,
etwa 1,30 m über dem Boden — an dessen Rande aus vierzehn
Tigerköpfen Wasser floß. In der zweiten [c) zwei bronzene
Büsten: einer fehlte der Kopf; die andere ist das Porträt eines
nicht sicher zu benennenden Königs aus der Zeit nach Alexander.
In der dritten Nische [d] fand man fĂĽnf Kandelaber und zwei
kleine Bronzefiguren: einen tanzenden Satyr und einen flöten-
blasenden Silen. In der einzigen Nische der rechten Wand [e]
stand die Bronzebüste eines andern hellenistischen Königs.
Aus diesem Atrium kommen wir weiter einwärts in ein großes
Peristyl (4) ; der offene Raum zwischen den Portiken mißt ungefähr
20 m im Quadrat, ziemlich wie das zweite Peristyl der Casa del
Fauno (S. 308). In der Mitte ein groĂźes Wasserbassin, in jeder
Ecke ein schön geformtes Marmorbecken, aus dem Wasser auf-
sprudelte. Auch hier wieder reicher Schmuck an Kunstwerken.
Und zwar sind es in diesem Räume ausschließlich überlebensgroße
Bronzebüsten auf Marmorpfeilern, meist Porträts, aber auch zwei
Idealköpfe. Im Vorderportikus standen nahe den Säulen, dem
Eintretenden zugewandt, zwei unbenannte Porträts (/, g)^ von
LX. Herculaneum.
549
denen das eine (/) fälschlich Demokrit genannt worden ist.
Andere standen zwischen den Säulen, vermutlich dem Garten
zugewandt: im ersten Intercolumnium des Seitenportikus links [h]
der Kopf des Doryphoros des Polyklet (S. 172), rechts das Porträt
eines Philosophen (/), auf der RĂĽckseite im Endintercolumnium
links {k) ein Idealkopf aus der Zeit des Polyklet — man pflegt
ihn als Amazone zu bezeichnen — rechts (/) wieder ein Philosoph.
Endlich im Garten neben der Piscina links [m] ein eigentĂĽmlicher
Porträtkopf mit Ringellocken, mit dem man bis jetzt nichts rechtes
anzufangen gewuĂźt hat;, nicht einmal ĂĽber das Geschlecht ist
man einig. Von der entsprechenden BĂĽste rechts [n] wurde nur
der Marmorpfeiler gefunden. — In der linken Säulenhalle bei 0
standen zwei Kisten mit Papyrusrollen.
Von den umliegenden Räumen fallen namentlich zwei ins Auge.
Erstens auf der RĂĽckseite der Komplex 5, 6, 7. Auf ein groĂźes
Zimmer — etwa 7 m im Quadrat — öffnet sich, dem Eingang
gegenĂĽber, ein kleineres, das an seiner RĂĽckseite eine Apsis hat
mit einem Postament, auf dem die Füße einer Marmorstatue —
wir wissen nicht welchen Geschlechts — gefunden wurden: ver-
mutlich eine Kapelle der Hausgötter. Aus dem größern Zimmer
(5) kommt man links, zwischen Pfeilern, denen Halb- oder Drei-
viertelsäulen angesetzt sind, in ein noch größeres (6), auch direkt
aus der Säulenhalle zugängliches: ganz unklar bleibt, was der in
dieses eingezeichnete runde GrundriĂź bedeutet.
Zweitens links der groĂźe Durchgangsraum y mit weitem,
durch zwei Säulen geteiltem Eingang, nach der andern Seite mit
zwei Türen ?iuf einen zweiten größern Garten geöffnet. Hier
stand zwischen den Säulen (/), dem Peristyl zugewandt, eine
Marmorstatue der kämpfenden Athene (Fig. 301), an der rechten
(nördlichen) Wand die Marmorstatue einer Frau, die das Gewand
ĂĽber den Kopf gezogen hat (</), mitten im Zimmer (;-) acht
Bronzebüsten verschiedener Größe, sechs in einer Reihe, zwei
an den Enden etwas weiter zurück. Es sind zwei Idealköpfe
(Epheben); ferner Demosthenes und Epikur; eine vielbesprochene
BĂĽste mit kahlgeschorenem Kopf, die lange fĂĽr den altern Scipio
gehalten wurde, nach den neuesten Untersuchungen aber sich
als ein Isispriester herauszustellen scheint; endlich noch drei un-
benannte Porträtköpfc, zwei männliche und ein weiblicher (sogen.
550 Pompeji.
Agrippina). — In der Nordvvestecke des Zimmers [s) fand man
einige Papyrusrollen.
Auch in einigen Räumen nördlich und südlich von diesem
Durchgang fanden sich Kunstwerke. In einem groĂźen Zimmer
nördlich (9) standen vier kleine Bronzebüsten, alle mit Namen
Fig. 301. Kämpfende Athene. Marmorstatue aus der Villa bei Herculaneum. Photogr. Esposito
versehen: Demosthenes und die drei Philosophen Epikur, Her-
march und Zeno. In einem kleinen Zimmer sĂĽdlich (10), mit
schönem Mosaikfußboden, wo auch einige Papyrusrollen gefunden
wurden, stand wahrscheinlich eine kleine BronzebĂĽste des epi-
kureischen Philosophen Metrodor. Weiter südwärts {e) ein be-
rühmter schöner Bacchuskopf, überlebensgroß; ihm gegenüber
eine unbenannte jugendliche MarmorbĂĽste.
LX. Herculaneuni.
551
Gehen wir nun weiter durch den Durchgangsraum, so kom-
men wir in einen sehr groĂźen (etwa 95 X 32 m), auf allen vier
Seiten von Säulenhallen umgebenen Garten (11). Auch hier
ĂĽberall reicher Schmuck an Statuen, BĂĽsten und sonstigen Skulptur-
werken. Gleich an den Säulen des Vorderportikus vier Marmor-
statuen: die berĂĽhmte Statue des Redners Aeschines [it], ferner
Homer [v], ein Redner [zv) und noch eine {x), von der nur ein
Arm und ein FuĂź gefunden wurden.
Im vordem Teil des linken Portikus,
einwärts der Säulen (j, z, a\ b') vier
der berühmten, meist als Tänzerinnen
bezeichneten Bronzestatuen (Fig. 302).
Mitten im Garten ein groĂźes, langes
Wasserbassin [piscina]. In dem Halb-
rund an seinem Ostende [c') die lebens-
groĂźe Bronzefigur eines sitzend schlafen-
den Satyrs, etwas weiter rückvvärts(rt'',
/,/') drei bronzene Rehe. GegenĂĽber
am Westende zwei ebenfalls sitzende
berĂĽhmte Bronzefiguren: Hermes {g')
und ein trunkener Satyr (//). Etwas
weiter zurĂĽck [i\ k') zwei Ringer im
Begriff den Kampf zu beginnen, auch
diese Bronzefiguren.
Weiter am Nordrande der Piscina
entlang vier Paare marmorner BĂĽsten,
und zwar, von Westen beginnend,
zuerst Demosthenes (/') und ein Mann
mit reichem, krausem Haar (w';, den
man ohne rechten Grund Hannibal genannt hat. Weiter ein
weiblicher Kopf (;/') mit über den Kopf gezogenem Gewände
(sogen. Vesta oder Vestalin) und eine Minerva [d). Dann König
Pyrrhus [p\ Fig. 303) und der Redner Lysias (/), endlich der
spartanische König und Söldnerführer Archidamos (;'; und ein
ohne Grund Regulus genannter Kopf {$').
Von diesem letzten BĂĽstenpaar gegen die Nordostecke stand
zunächst eine nur in Fragmenten erhaltene Bronzestatue /'j,
weiter zwei Bronzebüsten: ein weibliches Porträt, sogen. Bere-
ik
^1
i
ii
I I^B
Fig. 302. Tänzerin. Bronzestatue
aus der Villa bei Herculaneum.
Photographie Esposito.
552
Pompeji.
nike (?/) und ein altertĂĽmlicher Apollo {7/); noch weiter gegen
die Ecke ein bronzener Eber (zv'}.
SĂĽdlich vom Ostende der Piscina eine Marmorgruppe: Pan
mit einer Ziege (x') und weiter rückwärts vier marmorne Porträt-
büsten: ein bärtiger Mann (sogen. Anakreon j'), Alexander der
Große [z'), ein Philosoph (sogen. Zeno a"), und weiter rückwärts
noch ein Philosoph {d").
Weiter rechts ein jugend-
licher Idealkopf aus Bronze
[c") und in der SĂĽdostecke
{d") ein hellenistisches
Königsporträt.
Nahe der SĂĽdwest-
ecke eine vielbesprochene
BronzebĂĽste {e") , sogen,
Seneca, wahrscheinlich ein
alexandrinischer Dichter
(Kallimachos?), Weiter
rechts zwei marmorne Por-
trätbüsten : ein behelmter
Mann (/") und ein helle-
nistischer König (sogen.
Ptolemäus I, g"), noch wei-
ter rechts die Bronzestatue
einer Tänzerin (//').
Endlich in der Nordwest
ecke eine Bronzestatue (z"),
ein junges Mädchen dar-
stellend, und zwei bronzene
Porträtbüsten : ein helle
nistischer König (sogen.
Ptolemäus I, k") und ein weibliches Porträt (sogen. Sappho, /").
SĂĽdlich von diesem groĂźen Garten lief ein bedeckter Gang
(Krypta, 12). Westlich kam man in noch weitere Gartenanlagen,
die aber fast garnicht erforscht sind. Wir wissen wesentlich nur
von einer grade durchgehenden Mauer (13], an der entlang ein
Weg zu einem kleinen runden Aussichtsturm (14) fĂĽhrte; auĂźer-
dem sind mehrere Springbrunnen gesehen worden. Vier Bronzc-
Fig. 303. König Pyrrhus. Marmorbüste aus der Villa
bei Herculaneum. Photographie Brogi.
LX. Herculaneum.
553
Statuetten, die als vvasserspeiende Brunnenfiguren dienen sollten,
waren nicht aufgestellt, sondern in einem Zimmer (15) aufbe-
wahrt: Knabengestalten, paarweise zusammengehörig, zwei mit
einem Delphin unter dem Arm, zwei mit einem Gefäß auf der
Schulter. In einem Zimmer daneben (16) stand, auch wohl nur
vorläufig aufbewahrt, eine marmorne Knabenstatue und ein
Marmorgefäß.
Das ist alles, was wir von der Anlage der Villa und ihrem
Skulpturenschmuck wissen. Von ihren Malereien wissen wir fast
Fig. 304. GrundriĂź eines Grabes bei Herculaneum.
garnichts. Sie hat aber noch einen andern Ruhmestitel : die in
ihr gefundenen Papyrusrollen. Einige Funde der Art wurden schon
erwähnt. Der Hauptfund aber geschah in einem Zimmer östlich
vom Peristyl (17), das als Bibliothek eingerichtet war, mit ĂĽber-
mannshohen Schränken an den Wänden und einem Schrank in
•der Mitte, und in diesen etwa 350 Papyrusrollen, die nur zum
kleinen Teil aufgerollt und gelesen worden sind. Auf diese
können wir hier nicht weiter eingehen; es ist bekannt genug,
daĂź bis jetzt der Inhalt dieser Rollen die auf sie gesetzten Hoff-
nungen nicht erfĂĽllt hat. Es sind fast alles Schriften eines nicht
554 Pompeji.
eben bedeutenden epikureischen Philosophen namens Philodemus,
und es ist daher wahrscheinlich mit Recht vermutet worden, daĂź
er der Besitzer der Bibliothek war. Schwerlich auch Besitzer der
Villa; es ist wahrscheinlicher, daĂź er als Klient des Besitzers
hier seine Wohnung hatte.
Gräber wurden gefunden östlich von der Stadt, wo La Vega
in seinem Plan die Stelle bezeichnet. Aber nur von einem ein-
zigen liegt in dem mehrfach genannten Buche von Goch in und
Bellicard eine Beschreibung mit Zeichnungen vor. Beistehend
der Grundriß. Eine Grabkammer von ungefähr 3x4m, mit
einem Tonnengewölbe bedeckt, zugänglich durch eine Treppe,
also unterhalb des äußern Erdbodens. Rings umlaufend eine
Art Bank, etwa i m hoch, und in dieser Nischen, in denen die
Aschenurnen standen. Die äußere Gestalt des Grabes ist un-
bekannt.
REGISTER.
Abinnerichus 17.
Abtritte 232 ; öffentlicher am Forum 88.
Abzugskanäle 232.
Acceptus und Euhodia, ihr Haus 360.
Acerrae 3.
Achilleus in Wandgeni. : sein Streit mit
Agamemnon 80. 367. 500; — und
Briseis 335 ; — auf Skyros 367.
500; — und Troilos 494.
Actius Anicetus, Theaterdirektor 147.
420.
Admet und Alcestis 329. 492 ; — und
Apollo 495.
Adonis 368. 496.
Aedilen il. 118. 189. 207.
Ă„gyptisches 174 ff. 321. 361. 362. 484.
Aemilius Celer, Inschriftenmaler 504.
Aeneas, Statue iii.
Aerarium 87.
Aeskulap als Hausgott 278.
Agamemnon in Wandgem. : sein Streit
mit Achilleus 80. 367. 500; — im
Heiligtum der Artemis 348 ; — beim
Opfer der Iphigenie 336.
agricolae 506.
Agrippina 45. 95.
Ahnenbilder 264.
Aktäon, Wandgem. 299.
Ala im Wohnhaus 264. 326. 340; im
Tempel der städtischen Laren 98.
Alcestis s. Admet.
-Mcubierre 24.
Alexanderschlacht, Mosaik 306.
Alexandria 484.
aliari 403.
Alleja Decimilla 447.
M.AllejusLucciusLibella, sein Grab 447.
M. Allejus Minius, sein Grab 449.
Cn. Allejus Nigidius Majus 224. 507.
Altäre, bei Tempeln: des Apollo 82.
83 ; der städtischen Laren 98 ; des
Vespasian 102; beim dor. Tempel
139; der Isis 177. 180; des Zeus
Meilichios 188.458; — im Macel-
lum 98; beim Triclinium 270. 296.
444; an Gräbern 428. 429. 432.
434. 436 ff. 447 ; Straßenaltäre 239 ff.
Alveus 191. 197. 198. 209. 215.
Amazonen, Wandgem. 346. 494.
ambulationes 9.
.\mor, Stuckrelief 209. Amoren in
verschiedenen Beschäftigungen 93.
96. 35off. Amorenncst 337.
Amorini dorati, Gasa degli — 371.
Amphitheater 21 6.
Amphoren 13. 309. 381. 521.
Ampulla 400.
Ancora, casa dell" — 368.
Andromeda, Wandgem. 495.
Andron 266.
animula 506.
P .\ninius 194.
Antepagmenta 254.
Antiochia 489.
Aphrodite fischend, Wandgem. 423.
501; — und Spes, Statuette 467;
Statue beim -Xpollutempel 182. Vgl.
\'enus.
556
Pompeji.
Apollo, Tempel des — 47. 76; Haus
des — 368; Statuen 83. 146. 373;
Stuckrelief 209; in Wandgemälden
368; — und Admet 495; — und
Daphne 346; — und Marsyas 328;
— nach Tötung des Python 349 ;
— als Hausgott 278. 436.
Apulejus und Veja, ihr Grab 450.
Area 260. 310. 340.
Architektur 455.
Ares und Aphrodite 186. 299. Vgl.
Mars.
Ariadne in Wandgemälden 337. 346.
357- 495-
Armband 401.
Arrier, Gräber der — 444.
Artemis, Statuen 83. 468; in Wand-
gemälden 337. 349. 502.
M. Artorius Primus 149.
Aschenurnen 432. 433. 434. 440. 443.
445—452-
Aspendos, Theater 146.
Athene und Marsyas, Wandgem. 502.
Vgl. Minerva.
Atrium 255; viersäuliges 256. 309.
317; korinthisches 257. 259. 367.
Augustalen 96. 220.
Augustus, sein Kultus 84; mit Vespa-
sian verglichen 104.
aurifices 403. 506.
Authepsa 398.
Bacchus, Triumphzug des, Wandgem.
354; — und Ariadne, Wandgem.
359- 495- Statuette beim Isis-
tempel 176. 181. — und Ariadne,
DoppelbUste 466; — als Hausgott
436-
Backofen 274. 379. 384.
Badegerät 400.
Bäckerei 295. 370. 384. 407.
Bäder 191; in Privathäusern 274. 310.
321. 365. 374. 378. 383. 387; in
der Villa der Julia Felix 508.
Balneum Venereum et nongentum 508.
Basilika 50. 67; — sogen, in Hercu-
laneum 535.
Befestigungen 242.
Beinschienen 169.
Biberon 394.
Bilder 490; auf Holztafeln 299. 473.
490.
Bildhauerwerkstatt 405.
Bisellium 143. 149. 219. «20. 393.
441- 473-
Bocchoris 17.
Boscoreale 13. 382. 527.
Briseis, Wandgem. 334. 335.
Brunnen an den StraĂźen 1 14. 233 ff. 247.
Brunnenfiguren 466.
Brunnenhaus beim dorischen Tempel
139-
Buccii, Grab der — 432.
BĂĽstensteine 431. 437. 445. 446. 448.
449. 451. 452.
Caccia, casa della — 371.
Caecilia Metella, ihr Grab 440.
L, Caecilius Jucundus 371. 415. BĂĽste
464. Relief in seinem Hause 60.
Wachstafeln 516.
L. Caecilius Phoebus 182.
P. Caesetius Postumus 85.
L. Caesius 206.
L. Caesius und Titia, ihr Grab 451.
L. Caesius Logus 452.
M. Caesius Blandus 405.
Caligula 12,
Calventius Quietus, Grab 441.
Campani 510-
Campanien 7.
Campanienses 10. 506.
O. Campanius 76.
Campanus, M. Nonius 405.
Capitelli figurati, casa dei — 370.
Capitelli colorati, casa dei — 371.
Capitolium 63.
Castor und Pollux, Haus 367.
Mr. Castricius 243.
caupones 419. 506.
Register.
557
cave canem, Mosaik 331.
L. Ceius Labeo, Grab 445.
Celadus, Gladiator 229.
Cella vinaria 385.
cenacula 28. 323. 507. 508.
Centauren, Haus des — 368.
Centenario, casa del — 371.
M. Cerrinius Restitutus, Grab 428.
M. Cerrinius Vatia 506.
Chaicidicum 69. 107.
Chirurgen, Haus des — 290.
Christen 16. 17.
Chryseis 334.
Cicero 130. 160. Seine Villa 15.
eisiarii 247.
Citarista, casa del — 373.
Claudius 45. 95.
Ti. Claudius Verus 505. 506.
A. Clodius Flaccus 54. 85. 88.
Clovatius, Grab 449.
cochlear 398.
Colonie, römische in Pompeji 11;
Bauten ihrer ersten Zeit 40.
Colonne di Musaico, casa delle — 426.
436.
Comitium Ii5-
Compluvium 255; Haus ohne — 362.
Concordia Augusta 107. 112. 114.
Conventus der Salinen 10.
Conviva, Sklave der Veja 451.
Corelia Celsa 176.
A. Cornelius A. f. 82.
Cn. Cornelius Cn. f. 82.
Cornelius Rufus, Haus des — 375.
M. Crassus Frugi 427.
Crescens, Gladiator 229.
Crescens, Fullo 10.
Crypta 107. 172. 220.
Culina, im Landhause 258. 382.
Cumae 8. 317.
C. Cuspius Pansa 222.
Cyparissus, Wandgem. 357. 496.
Daedalus und Ikarus 204. 502; — und
Pasiphae 359. 497.
Danae 357; — auf Seriphos 498.
Daphne 346.
Q. Decius Hilarus 454.
Dekurionen 11. iii. 117. 143. 162.
219.
Delos, Haustypus 260. — Wand-
dekoration 479.
Demosthenes, BĂĽste 465.
Destrictarium 194. 202.
Diadumeni 277. 328.
Dichter mit Freundin, Wandgem. 347.
Dichter, Haus des tragischen — 329.
Diogenes structor 406.
Diomedes, M. Arrius — 4445 Villa
des — 376.
Dionysos s. Bacchus.
Dirke, Wandgem. 358.
DĂĽrpfeld 150.
dormientes 506.
Doryphoros 172.
Drusus, Sohn des Tiberius 112; —
Sohn des Germanicus 45 ; — Sohn
des Claudius 15.
Duumvirn 11; ihr Amtsraum I19.
C. Egnatius Postumus 81.
Eichenkranz 103. 441.
Eichtisch 88.
P^inwohnerzahl 15.
Elbeuf, FĂĽrst, seine Ausgrabungen 24.
Elephant, Wirtshaus zum — 419.
Endymion 495-
Ente. Knabe mit — , Bronzefigur 342 ;
Wandgem. 350.
Epidius Rufus, Haus des — 325.
M. Epidius Sabinus 506.
Epikur, BĂĽste 465.
Erdbeben des Jahres 63 n. Chr. 18. 42.
Eumachia, Gebäude der — 106; ihre
Statue 108. 463.
Europa, Wandgem. 299. 497,
Fabia Sabina 432.
Färbereien 404.
Fasces 445.
558
Pompeji.
Fauces 253.
Faun, Haus des — 300.
Fenster 288; in der Ala 265. 295. 301.
318.
Festa, Tochter des Apuleius 451.
N. Festius Ampliatus 437.
Festzug zum Theater 55. 134. 165.
Fiorelli 25.
T. Fisanius 243.
Fischfang 13. 404.
D. Fontana, sein Kanal 23.
Fontana grande, casa della — 368.
Fontana piccola, casa della — 368.
Fortuna als Hausgottheit 278. 362.
Opfer an — , Wandgem. 356.
Fortuna Augusta, ihr Tempel 129.
Forum 43; — trianguläre 133; — in
Herculaneum535 ff.; — des Augustus
in Rom iii.
Freskotechnik 472.
Fulcrum 271. 389.
FuUonen, Fullonica 108. 353. 412.
fundus Badianus, Arrianus, Asinianus
522; Mamianus 454.
fures foras frugi intro, Wandinschrift
363-
furunculi 506,
Fuß, oskischer und römischer 42.
Fußböden 287.
FuĂźeisen 169.
Qalatea, Wandgem. 423. 495. 501.
galerus 169.
gallinari 506.
Ganymedes, Stuckrelief 209.
Garten 267. 326; beim Grab 436.
Triclinium im — 270. 296. 323.
vgl. 381. 436.
gartibulum 260. 390.
garum 13. 502; — castum 17.
Geldkiste s. Area.
Genius 99. 277 ff. 328.
Geräte 388.
Gerberei 416.
CJigantenkampf, Wandgem. 359.
Gladiatorenkämpfe 224 ff. ; auf dem
Forum 54. 216; Stuckrelief am
Grabe des Scaurus 437. 439 ; Mar-
morrelief von einem Grabe 449.
Gladiatorenkaseme 164.
Glasfenster 207. 289.
Glasgefäß, blaues 434.
Glaukus, Haus des — 329.
Glycera, Brief an Menander 347.
Götterbilder auf Straßenwänden 241.
Goldschmiede, Wandgem. 353.
Goldschmuck 9. 170. 331. 381. 388.
401.
Gräber 139. 425; — in Herculaneum
554-
Graffiti 509.
Griechen 15.
Großherzog von Toscana, Haus des —
370.
Guirlandengrab 434.
gustaticium 502.
Haarnadeln 401.
Hafen 9.
Hahnenkampf, Wandgem. 357.
Harpokrates 178.
Haus 250.
Hauskapelle 275 ; — des Apollo, Bac-
chus, Herkules und Merkur 436.
HaustĂĽr 254.
Hecuba, Wandgemälde 495.
Helm aus der Gladiatorenkaserne 169.
Herakles in Wandgemälden : Schlangen
würgend 358 ; im Löwenkampf und
den Eber tragend 494; bei Om-
phale 495 ; bei den Hesperiden
502. Stuckrelief, H. und Satyr
204, Tf XIV. Vgl. Herkules.
Herbst, Genius, Mosaik 306.
Herculaneum 20. 24. 528 ff.
Herculaner Tor 28. 248.
Herd 273. 382; im Atrium 258 ff.
363-
M. Herennius Epidianus 82. 135.
Herkules als Ilausgott 278. 323. 436.
Register.
559
Hermaphrodit, Statuette beim Apollo-
tempel 82.
Hermes s. Merkur.
Hermes, Herberge des — 421.
Herodes Atticus, sein Odeum 161.
Hirtia Psacas 513.
Holconius, Haus des — 375.
M. Holconius Celer 148.
M. Holconius Priscus 403.
M. Holconius Rufus 81. 85. 148 ff.;
seine Statue 463.
Holzwerk verkohlt 20.
Homerus 499.
Horaz, seine BĂĽste (?) 466; Od. I, 2: 85.
horologium 135.
Hostilius Conops 513.
Hyginius Firmus, Wirtshaus des — 419.
Hylas, Stuckrelief 204. Tf. XIV.
Icarus 204. 502.
Impluvium 255.
Inschriften 503.
Insulae 30. Insula Arriana Polliana 507.
lo, Wandgemälde 93. 494.
Iphigenie, Opferung der — 335 ; — in
Tauris 348. 375.
Isiaci 506. ,
Isis, Tempel der — 174; Statue 181.
Istacidier, Grab der — 430; vgl. 442.
Joseph IL, Haus 363.
Juden 17.
Julia Felix, Villa der — 508.
Juliani 226. 439.
C. Julius Speratus 420.
Juno im Jupitertempel verehrt 63.
Tonstatue 188; Genius der Frauen
277- 365- 437-
Jupiter, Tempel 59; Marmorkopf 65;
Tonstatue 188; Stuckrelief 204;
— als Hausgott 278.
ius luminum opstruendorum 81.
Kämme 399.
Kaiserkultus 94. Vgl. Augustus.
Kalksteinatrien 36.
Kalksteinfachwerk 33.
Kallimachus, BĂĽste 465.
Kandelaber 394.
Kapitelle 457 — 461; mit Figuren 326.
370.
Kapitol 63.
Kastell der Wasserleitung 236.
Kastor und Pollux, Haus des — 367.
Keller 275. 381.
Klima 4.
Kloaken 232.
Knetmaschine 410.
Knidischer Wein 522.
Kohlenbecken 202. 208. 400.
Koischer Wein 522.
kombenniom 11.
Kompositkapitelle 450.
Korinthisches Atrium 257. 325. 367.
Kranzflechter, Wandgem. 94. 351.
Krater 398.
KĂĽche 258. 273. 327. 382.
Küchengerät 274. 378. 382. 397.
KĂĽste 3.
Kyparissos 357. 496.
Laconicum 194. 200 f. 215.
Läden 232. 285.
Lampen 393 ff. ; beim Isistempel 187;
in den Thennen beim Forum 208.
Lampenträger 394 ff.
Landschaftsbilder 493. 499. 500.
Larenkultus 275. 309. 322.
Laren, städtische, ihr Tempel 98.
Lares Compitales 238.
Laube im Garten 271. 381. 423. 436.
Lava als Baumaterial 31.
lectus adversus, genialis 263.
lecti tricliniares 269. 384. 389.
Leda, Wandgem. 357.
LeichenabgĂĽsse 22.
Cossus Lentulus, Konsul 317.
Libationen, Vorrichtungen für — an
Gräbern 445. 449. 451.
libellus gladiatorius 225.
56o
Pompeji.
ligula 397.
liquamen 13. 522.
Livia 107. 437.
Livinejus Regulus 223.
Livius Andronicus 141.
Löffel 397.
l.okalgottheiten, Wandgem. im Macel-
lum 94.
lomentum 523.
Lorbeer, am Kaiserhaus 103.
Lucretius, der Anfang seines Gedichtes
als Graffito 514.
Lucretius, Haus des — 372.
Lucretius Fronto, Haus des — 372.
Macellum 90.
Magistri der Vorstadt 13. 182. 222.
425. 444.
Maja 84.
Malerei 472.
Malerin, Wandgemälde 292.
Mamia, Grab der — 430.
Mamianus, fundus — 454.
Manetho 174.
Marcellus, Sohn der Octavia, Statue
94. 136.
Maria 17.
Markthalle 88.
Marmor 32. 42.
Marmorarbeiter, seine Werkstatt 405.
Mars als Hausgott 278. Vgl. Ares.
Marsyas, Wandgemälde 502.
Martha 17.
Maurer 406.
Medea, Wandgem. 93.
Medix tuticus 11. 139.
Meleager, Haus des — 368.
Melissaei, Familiengrab 432. Cn. Me-
lissaeus Aper 209. 432.
Menander 347.
Mensa ponderaria 88.
Merkur, Herme im Apollotempel 83;
Gott der Palästra 2045 Hausgott
278. 436. — und Maja 84. Attri-
bute 357; Augustus als — 85.
T. ^lescinius Amphio 85.
Mietanzeigen 507.
Minerva, ihr Tempel 139; im Jupiter-
tempel verehrt 63 ff. ; TonbĂĽste
im Tempel des Zeus Meilichios
188; Schutzgöttin der Thore 247
— 248; — Marmorstatue aus Her-
culaneum 549.
Ministri Fortunae Augustae 131 ; —
Mercurii Maiae, später Augusti 84,
— des Pagus Augustus Felix 13.
Mischgefäß (Krater) 398.
Mosaik 288 f. 303—309. 314. 330. 418.
481.
MĂĽhlen 14. 408.
MĂĽnzen gefunden 381. 388; in Aschen-
urnen 432. 433. 451.
muliones 404.
L. Munatius Caeserninus 454.
C. Munatius Faustus 443.
Munizipalgebäude 117.
muria 522; — casta 17.
Musen, Wandgem. 328. 502.
Naevius 141.
Narcissus, Wandgem. 495 ; — soge-
nannter, Bronz^statuette 470.
Nero 45. 95. 317; — Sohn des Ger-
manicus 45.
Neroniani 226.
M. Nigidius Vaccula 202. 208.
L. Niraemius 206.
Nola 3. 444; Gladiatorenkämpfe in —
224.
Nolaner Thor 248; Gräber vor dem-
selben 440.
nongentum 528.
M. Nonius Campanus 405.
C. Norbanus Sorex, Herme 182.
Nuceria 3; Gladiatorenkämpfe in —
224; Gräber an der Straße nach —
450 ff. ; Wahlprogramme von — 454.
Nuceriner, Schlägerei mit den — 223.
509-
M. Numistrius Fronto 107.
Register.
561
Obere Räume der Häuser 280.
C. Occius 206.
Ocker 20.
Octavia, Statue 94.
M. Oculatius Verus 163.
Odysseus und Penelope, Wandgem. 93.
Oecus 272.
Oedipus und Sphinx, Stuckrelicf 442.
Ăślbau 13; Ă–lfabrikation, Wandgcni.
351 ; Ă–lkelter 387.
Oenone, Wandgem. 495.
offectores 404.
Officiosus, Gladiator 228.
Oliven in Amphoren 523.
Olivcnquetschmaschine 386.
Omphale, Wandgem. 495.
Opfer an Fortuna, Wandgem. 356.
Opus incertum 33 ; — reticulatuni 33.
41.
Orange, Theater 144. 146.
Orestes und l'ylades, Wandgem. 348.
375-
otiosis locus hie non est 241.
Otricoli, Zeus von — 65.
Ovid, Verse von ihm als (Iraftito 515.
Pagani 13.
Pagus Augustus l'elix 10. 13. 182. 222.
442. 444.
Palästra 171. 194.
Pan und Eros. Wandgem. 357; — und
Nymphen 497.
Pansa, Maus des — 369. 507.
Papyrusrollen 553.
Paquius Proculus, sein untl seiner Iran
Porträt, Wandgem. 499.
Parete nera, casa della — 370.
Paris in Wandgem. mit Helena 299;
mit Oenone 495 ; Parisurteil 334.
Pasiphae und Daedalus, Wandgem 359.
497-
Penaten 278.
Pentheus, Wandgem. 358.
Pergula 286. 507.
Peristyl 267; rhodisches 267. 319.
M.iu, Pompeji. 2. Aut1.
Perseus unil Andromeda, Wandgem.
346, 495; Stuckrelief 186.
M. Petacius Dasius, sein Grab 449.
Petronia lex 12. 222.
Pferd, Anzeige bezĂĽglich auf ein ver-
laufenes 454.
Pflasterung 231.
Phantasiekapitelle 461.
Philostratus 502.
Phrixus und Helle, Wandgem. 299.
piscicapi 404.
Plato 499.
M. Plautius Silvanus. Konsul 85.
Plinius d. J. ĂĽber den Ausbruch des
Vesuv 18: seine Villen 376. 380.
Polyklet, Doryphoros des — 172.
Polyphem, Wandgem. 423. 495. 501.
pomarii 403. 506.
Pompa 55. 134. 165.
Pompeji, Bedeutung des Namens 7.
N. Pontius 189.
\ . Popidius, Erbauer der Forumsporti-
ken 47.
N. Popidius Ampliatus, X. Popidius
Gelsinus 175.
N. Popidius Moschus 85.
M. Porcius 82. 160. 216. Sein (Jrab 429.
Porta Marina. Haus bei — 312.
Porträtskulpturen 463 IT. — in Hercula-
neum 536 IT. 542. 5480".; Purträt
des Hausherrn im Atrium 260. 375.
416. 464.
Poseidon und Amymone, Wandgem. 346.
Praefectus i. tl. 12. 223; — ex lege
Petronia 12. 222.
l'rätorianer in Pompeji 405. 420. 510.
Priene, Wanddekoration 479.
Priester 12.
Priesterinnen 13. 107. 144. 225. 430.
447-
Primipilaris 510.
Properz . \ erse von ihm al> (Jraffiti
5'3- 515-
Psychen. Blumen ptUickend. Wandgem.
355-
36
502
Pompeji.
Puteoli 175. 420.
Pyrrhus, MarmorbĂĽste 552.
Quaderbau 34.
Quästor II. 47. 76. 172. 205.
Quasireticulat 23.
Quattuorvim li. 82.
C. Quinctius Valgus 160. 216.
Quinquennalen 12.
KednerbĂĽhne 46. 60.
Regionen 30.
Reticulat 33. 41.
Rocca Monfina i. 14.
Romulus, seine Statue iii.
Rostra 46. 60.
Rullus 160.
Saccarii 404.
sagarii 404.
Salinen, Salinenses 10.
Q. Sallustius, seine Statue 44.
Sallust, Haus des — 294.
Salomon, Urteil des — 16.
Salus, Altar der — 240.
Salvius, sein Grab 445.
Samniten 8fF. ; ihre Gräber 426.
Samowar 398.
Samus, Gladiator 229.
Sarnokalkstein 31. 36. 290.
Samus 2. 9; pons Sarni 454.
Satyr, tanzender, Bronzestatuette aus
dem Hause des Faun 470 ; Marmor-
statuette 331.
Säule, alte — 34.
Schatzkammer 87.
Scheibenwerfen, Wandgem. 350.
Schenken 419 ff- Szenen aus der
Schenke, Wandgem. 422.
Schiff am C^rab 443.
Schlafzimmer 268.
Schlangen, gemalte 241. 280.
SchminkbĂĽchsen 401.
Schola 135. 191.
Schule, Wandgem. 53.
Schuster, Wandgem. 52. — Werkstatt
405-
Scipio, seine Villa bei Liternum 212.
Seneca ĂĽber das Bad des Scipio 212;
über Lärm in Bädern 205.
L. Sepunius Sandilianus 82. 135.
sera 255.
Serapis, Tempel des — in Puteoli 175.
seribibi 506.
V. Seximbrius 243.
L. Sextilius 82.
Siegelring 447.
Signacula 523.
Silbergefäße 401 ; — von Boscoreale
388.
Silberne Hochzeit, Haus der — 315.
Silen, gefäßtragend, Bronzestatuette
470.
Sittius restituit elepantu 419.
M. Sittius 189.
Skelettfunde 21. 381.
Skulptur 462.
Sockel der Wände 475. 478.
Sodoma (iomora, Graffito 16.
Sonnenuhr 82. 135. 205. 2ir. 215.
Sorrent 6. 431.
Mr. Spurnius 243.
Stabiae 3. 19. 20.
Stadtmauer 242.
M. Stajus Rufus 209
Stall 310. 383.
Statuen 462; auf Gräbern 430. 446.
452 ff
Stempel 523.
Steuerruder, bronzenes, beim Tempel
der Venus Pompejana 125.
Stilleben 493.
Stilmischung in der Architektur 79.
306. 457.
StraĂźen. Stral^ennetz 29. 230.
Strigilis 400.
T. Sucdius Clemens 427. 506.
A. Suettius CxTtus 225.
L. Sulla, der Diktator 9. 246.
P. Sulla 9.
Register.
563
Tablinum 261; \'orhängc vor — 262.
319-
S. Tadius 499.
Tänzerinnen, Bronzestatuen aus Hercula-
neum 551.
Tempel des Apollo 47. 76; der For-
tuna Augusta 127; der Isis 174;
des Jupiter (Capitolium) 59; der
städtischen I.aren 98; der Minerva
(dor. Tempel) 133. 137; der Venus
Pompejana 126; des Vespasian 102;
des Zeus Meilichios 188.
Tempelfassade im Eingang des Hauses
des Faun 303.
T. Terentius Felix, sein Grab 432.
testudo alvei 199. 210. 215. 383.
Theater 133. 141 ff. — in Hercula-
neum 54° ^•
Theateraufführung, Vorbereitung zu —
Mosaik 330.
Thermen, Stabianer 193; — beim Fo-
rum 206; Centralthermen 212.
Thermopolium 422.
Theseus und Ariadne, Wandgem. 337;
— nach Tötung des Minotauru*,
Wandgem. 536; Stuckrelief 442.
Thetis bei Ilephaestus, Wandgem. 497.
500; mit den Waffen des Achilleus
500.
Tholus im Macellum 90.
Thore 28. 246.
Tiberius 45. 107. 1 12.
Timanthes 335-
Timotheus 174.
N. Tintirius Rufus 85.
Tische, TischfĂĽr''e 260. 261. 390.
TĂĽpferei 405.
tonsores 403.
Trapetum 386.
Travertin, sogen. 32.
N. Trebius 139.
Tribunalia im Theater 144. 162.
Triclinium 269; — funebre 444; xgl.
436; Gartcntriclinien 270. 296. 323 ;
I.ecti tricliniarcs 69 ff. 389.
Tuchwalker 108. 353. 412.
Tiinne 223. 242. 245.
Tuff 31; Tuffperiode 38. 455.
M. Tullius 129; sein Grab 448.
Tyche, Sklavin der I.ivia 437.
Umbricia Januaria 519.
UmbriciusScaurus 13; (irab des — 437.
unguentari 403.
Urania, Wandgem. 357.
Urbana 420.
urna aenia pereit de taberna 508.
C. Uulius 194.
C. Valerius ^'enustus 420. 510.
Vatia 506.
Veja, ihr Grab 450.
A. Vejus, sein (irab 428.
N. Vejus Phylax 85.
N. Velasius Gratus, sein (irab 445.
velum 144. 223. 225.
Venus Pompejana ii; ihr Tempel 120;
als Ilausgottheit 278: \'enusstatue
beim Apollotempel 82; im Tempel
der Venus Pompejana 122; beim
Isistempcl 182; in einem Hause 467.
\'gl. Aphrodite.
T. Vesonius Primus 415.
Vespasian. sein Tempel 102.
\esta, Schutzgüttin der Bäcker 278;
Vestalia 93. 354.
Vestibulum 259. 302.
\'esuv I. 23.
Vcttier, Haus der — 338.
Vibius Restitutus 420.
Vibius \'inicius 172.
Cn. \ibrius Saturninus, sein (;rab444.
vicini 505. 506.
Villen, \illa des Diomedes 376. \illa
in Herculaneum 545 ff-
\'illa rustica 382.
\ irgil. \ erse von ihm als (Iraft'iti 514;
seine iUiste V 466.
X'orhänge im .\trinm 317; .im 'i'abli-
num 262. 310.
v>*
564
Pompeji.
Vorratskammern 275.
Vulkan als Hansgott 278.
"Wachstafeln 516.
Wahlen, Wahlprogramme 12. 338. 372.
403. 504.
Wanddekorationen 39. 40. 42. 472.
Wasserleitung 233 ff.
Wasserreservoir beim Theater 159; bei
den Fonimsthermen 234.
Wegebauinschriften 189. 247.
Weinbau 13.
Weinhandel, Wandgem. 355.
Weinkelter 354. 384.
Weinlese, Wandgem. 354.
Weinschenken 419.
Wettfahrt der Amoren, Wandgem. 352.
Wirtshäuser 298. 419.
Xenia 493.
Zeus und Hera, Wandgem. 334; Zeus
bartlos, Wandgem. 357. Vgl. Ju-
piter.
Zeus Meilichios, Tempel des — 188;
Altar 458.
Ziegel 32.
Druck von Hrcitkopf & Hiirtcl in Leipzit;.
Mau, Pompeji. 2. Aufl. Plan VI.
Region I.
40. Haus des Caesius Blandus (S. 405).
2 n. I. Casa della regln
Insula
45. Gasthaus zum Elephanten (S. 419).
4. Casa del triciini
1
n. 5. Wirtshaus.
2 n. II. Färberei (S. 504).
Bildern in
8. » des Hermes.
16. Haus des M. Gavius Rufus.
zimmer, d
2
n. 24. Gastwirtschaft.
18. Haus des C. Vibius.
Gastmahls
28. Haus , dessen Compluvium durch
2 n. 2G. Haus des Popidius Priscus.
a. Haus der silberi
ein Eisengitter geschlossen ist
22. Bäckerei.
4 a. Haus des Lucret
zum Schutz gegen Diebe.
45. Casa deir Orso (genannt nach dem
5 n. 2.. Haus mit bedeck
4
n. 5. Casa del Citarista.
einen verwundeten Bären dar-
3. Haus der Gladit
5
n. 2. Gerberei.
stellenden Mosaik der Fauces).
3 n. 29. Haus des M. Spurius Mesor. Hier-
Region
Region II (VIII).
her die Dekoration (S. 484).
Insula
4 n. I. Tempel der Fortuna Augusta.
Inrula occidentalis n. i.
1
Basilika.
48. Casa della Caccia.
1 n. 7. Casa delle Vest
2
n. I. 3. Gase di Championnet.
51. Casa dei Capitelli colorati (Casa
IG. Casa del Chirur
6. Amtsraum der Ă„dilen.
di Arianna).
13. Sogenanntes Zo
8. Sitzungssaal des Stadtrates.
56. Casa del Granduca di Toscana.
2 n. 4. Haus des Sallus
IG. Amtsraum der Duumvirn.
57. Casa dei Capitelli figurati.
6. Bäckerei.
17-21. Mehrstöckiges Haus am Ab-
59. Casa della parete nera (der
14. Casa delle Araa
hang, mit Bad (S. 193).
schwarzen Wand).
3 n. 3. Bäckerei (S. 407
23. Badeanstalt (S. 193).
5 n. 2. Thermen beim Forum.
7. Sogen. Accadem
39. Casa deir Imperatore Giuseppe 11.
0 n. 17. Wasserbehälter.
20. Schenke.
S
n. I. Comilium.
7 n. 5. Haus des Cissonius.
5 n. 3. Casa di Nettum
4. Haus des Ebers, genannt nach
27. Schatzkammer.
28. Ă–ffentlicher Abtritt.
6 n. I. Haus des Pansa
dem eine Eberjagd darstellen-
7 n. 18. Casa di Adone.
den Mosaik der Fauces.
29-30. Markthallen.
20. Casa dell' Argei
4
n. 4. Haus des M. Holconius (S. 375).
15. Haus des Cornelius Rufus (S. 375).
.
31. Eichtisch.
22. Wirtshaus.
5
(5. 6) n. 39. Haus des Acceptus und
37. Tempel des Apollo.
23. Casa di Apollo.
S n. 5. Haus des tr.agis
der Euhodia.
8 Forum. S. Plan H.
7
(8) Die Theater und Umgebung.
a. Tempel des Jupiter (Capitolium).
20. Fullonica.
S. Plan III.
9 n. I. Gebäude der Eumachia.
22. Casa della Font
2. Tempel des Vespasiau.
23. Casa della Font
3. Heiligtum der städtischen Laren.
9 n. 2. Casa di Meleagi
Kegion Jll (IX).
Insula
8. IMacellum.
3. Casa del Cent.au
1
n. 20. Haus des Epidius Rufus.
12 n. 18. Bordell.
6. Casa di Castore
22. Haus des Epidius Sabinus.
28. Haus mit Erker (Casa del Bal-
10 n. I. Schenke (S. 42
2
n. 16. Haus des Baibus.
cone pensilc, S. 281).
7. Casa deir Anc
»
n. 2. Färberei.
35. Wirtshaus (S. 419).
Tl. Casa del Nävi
5. Haus des M. Lucrctius (S. 372).
14 n. 9. Casa dello Scheletro. In einem
11 n. 10. Casa del Labe
IG. Bäckerei.
gewölbten Räume Skelett
12 n. 2. Casa del Faun
25. Haus des L. Clodius Varus.
eines hier VerschĂĽtteten.
i;j n. 6. Haus des M.T
4
Zentralthermen.
15 n. 8. Haus mit oberem Speiserauni
14 n. 2u. Haus des M.
(Casa di ĂĽi
5
n. II. Haus mit Gartentriclinium und
(cenaculum, S. 28:?).
Sitz fĂĽr die Kinder (S. 271,
Insula orcidentalis n. 13. Haus bei Porta
22. l'ullonica.
Tafel VII).
^larina.
3(1. Casadi Laocoo
8 (7) n. 6. Casa del Centcnario (Haus des
einem das I
Ti. Claudius Verus , S. 371).
darstellen<lc
a. Gasthaus de> Hyginius Firmus
Region V.
35. P.äckcrci nii
(S. 4,y.)
Insula
(S. 4.0).
1 n. 7. Casa ilcl Torello di brouzo.
43. Casa degli sci<
Region IV (VH|.
18. Casa dcgli epigrammi. Hierher
15 n. I. Haus der Vcttl
Ii
sula
die Dekoration Tafel XIII.
9. Haus mit zwei
1
n. 8. Stabiancr Thermen.
26. Haus des L. Caecilius Jucundus.
(S. 407).
25. Haus des Siricus.
28. Haus des M. Tofelanus Valens.
Kl n. 7. Casa degli Arno
Der ausgegrabene Teil von Pompeji.
Uer ausgegrabene Teil von Pompeji.
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