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Full text of "Pompeji in Leben und Kunst"

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POMPEJI 

ĂśSI  LEBEN  UND  KUNST 


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POMPEJI 


IN  LEBEN  UND  KUNST 


VON 


AUGUST  MAU 


ZWEITE  VERBESSERTE   UND  VERMEHRTE  AUFLAGE 

MIT  EINEM  KAPITEL  ĂśBER  HERCULANEUM 

MIT  304  ABBILDUNGEN  IM  TEXT,  14  TAFELN  UND  6  PLĂ„NEN 


LEIPZIG 
VERLAG  VON  WILHELM  ENGELMANN 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


ilBRAHV 


VORWORT  ZUR  ERSTEN  AUFLAGE. 

Dies  Buch  ist  schon  vor  einem  Jahre  in  englischer  Sprache 
erschienen  (Pompeji,  its  life  and  art.  New  York,  The  Macmillan  Co. 
1899).  I-^äS  der  englischen  Übersetzung  zugrunde  liegende  Manu- 
skript ist  fĂĽr  die  deutsche  Ausgabe  ĂĽberarbeitet,  hie  und  da  ver- 
bessert und  durch  HinzufĂĽgung  des  Kapitels  ĂĽber  den  seitdem 
ausgegrabenen  Tempel  der  Venus  Pompejana  auf  das  Laufende 
gebracht  worden.  Die  Illustration  ist  um  12  Figuren  (39,  46, 
57,  102,  144,  155,  165,  166,  186,  243,  244,  272)  bereichert 
worden. 

Was  wir  am  SchlĂĽsse  des  Jahrhunderts  ĂĽber  Pompeji  wissen, 
soll  hier  weiteren  Kreisen  gebildeter  Leser  kurz  und  faĂźlich  vor- 
gelegt werden:  in  den  sechzehn  Jahren  seit  dem  Erscheinen  der 
von  mir  bearbeiteten  vierten  Auflage  des  Overbeckschen  Buches 
ist  das  Bild  der  alten  Stadt  in  vielen  Punkten  beträchtlich  klarer 
und  vollständiger  geworden.  Von  begründenden  und  biblio- 
graphischen Anmerkungen  konnte  abgesehen  werden;  fĂĽr  alles 
von  dem  genannten  Buche  Abweichende  genĂĽgt  es  auf  die  in 
den  Römischen  Mitteilungen  des  Deutschen  Archäologischen 
Instituts  erschienenen  Originalaufsätze  und  Literaturberichte  über 
Pompeji  zu  verweisen.  FĂĽr  einige  Punkte  (Macellum,  Privat- 
häuser)  steht  die  ausführlichere  Begründung  noch  aus.  Übrigens 
ist  die  BegrĂĽndung  der  vorgetragenen  Resultate  im  Text  selbst 
gegeben  oder  doch  angedeutet,  soweit  es  tunlich  war  ohne 
schwerfällig  nnd  allzu  technisch  zu  werden. 

Ein  Fortschritt  gegen  frĂĽhere  Darstellungen  ist  gesucht  in 
den  zahlreichen  Rekonstruktionen  der  Bauwerke,  namentlich  auch 
der  Wohnhäuser.  Dieselben  sind  gegeben  nach  Zeichnungen 
von  C.  Bazzani,  R.  Koldewcy,  G.  Randanini,  G.  Tognetti.  immer 


VI  Pompeji.  * 

aber  auf  Grand  von  Skizzen  des  Verfassers,  der  also  durchaus 
die  Verantwortung-  ĂĽbernimmt.  Die  Anfertigung-  der  Zeichnungen 
wurde  ermög-licht  durch  die  Liberalität  der  amerikanischen  Ver- 
lagshandlung.  Nur  zwei  Rekonstruktionen  (Fig.  iii  und  138) 
sind  einem  älteren  Werke  (Mazois)  entnommen;  die  schöne 
Wiederherstellung  der  Südecke  des  Forum  trianguläre  (Taf.  III) 
wird  der  GĂĽte  Herrn  C.  Weichardts  verdankt  (Weichardt,  Pompeji 
vor  der  Zerstörung,  Taf.  II).  Phantasiegebilde  sind  durchaus  ver- 
mieden; rekonstruiert  wurde  nur,  wo  es  mit  Sicherheit  oder  doch 
mit  groĂźer  Wahrscheinlichkeit  geschehen  konnte. 

In  betreff  der  benutzten  Photographien  gebĂĽhrt  besonderer 
Dank  Herrn  Giacomo  Brogi  in  Florenz.  Da  mir  seine  Samm- 
lung pompejanischer  Photographien  als  die  weitaus  vorzĂĽglichste 
erschien,  namentlich  für  die  Gemälde,  so  wandte  ich  mich  an 
ihn  schon  fĂĽr  die  englische  Ausgabe  dieses  Buches  und  erhielt 
von  ihm  die  unentgeltliche  Erlaubnis  zur  Reproduktion  einer 
groĂźen  Anzahl  seiner  Aufnahmen,  sowie  auch  eigens  fĂĽr  diesen 
Zweck  gemachte  AbzĂĽge  derselben.  Unter  den  nicht  zahlreichen 
Photographien  anderer  Herkunft  sind  einige  Aufnahmen  des 
Verfassers  (Fig.  3,  14,  15,  25,  54,  238),  einige  von  dem  Bearbeiter 
der  englischen  Ausgabe,  Professor  Kelsey  (Fig.  g,  11,  12,  51,  95, 
104,  106,  108,  127,  256,  257),  vier  von  Herrn  Hauptmann 
P.  Lindner  in  Rom  (Fig.  10,  75,   iio,   183). 

FĂĽr  die  Ăśberlassung  einer  Anzahl  Zeichnungen  (Fig.  28,  42, 
43,  46,  48,  56,  59,  126,  158  —  162,  180,  181,  189,  249,  275,  276) 
bin  ich  dem  Kaiserlich  deutschen  Archäologischen  Institut  in  Rom 
zu  Dank  verpflichtet.  FĂĽr  Taf.  XII  und  Fig.  268  gestattete  die 
Direktion  des  Nationalmuseums  in  Neapel  gĂĽtigst  die  Benutzung 
zweier  dem  Museum  gehörigen  Zeichnungen.  Hierfür,  sowie  für 
die  mir  bei  meinen  Arbeiten  in  liberalster  Weise  gewährten  Er- 
leichterungen und  UnterstĂĽtzungen  spreche  ich  ihr  auch  hier 
meinen  wärmsten  Dank  aus. 

Rom,   18.  Oktober  1900. 

A.  Mau. 


VORWORT  ZUR  ZWEITEN  AUFLAGE. 

1  ompeji  in  Leben  und  Kunst  erscheint  in  dieser  zweiten 
Auflage  wesentlich  erweitert  und  verbessert.  Ăśber  die  Bau- 
geschichte der  Stadt  in  ältester  Zeit  (Kap.  VI)  mußte  auf  Grund 
neuerer  Forschungen  ausfĂĽhrlicher  gehandelt  werden.  Der  Tempel 
der  Venus  Pompejana  (Kap.  XVIII)  konnte  frĂĽher,  weil  eben  erst 
ausgegraben,  nur  kurz  behandelt  werden;  jetzt  ist  ihm  und  seiner 
interessanten  und  sehr  klaren  Baugeschichte  ein  ausfĂĽhrliches 
Kapitel  gewidmet  worden.  Die  hochwichtigen  Ausgrabungen  zur 
Erforschung  der  älteren  Formen  des  großen  Theaters  (Kap.  XXP, 
frĂĽher  kaum  angedeutet,  konnten  jetzt  eingehend  besprochen 
werden,  so  eingehend  wie  es  der  Charakter  dieses  Buches  ge- 
stattet. In  Kap.  XXXI  ist  das  neu  ausgegrabene  Kastell  der 
Wasserleitung  beschrieben  und  abgebildet.  Auch  fĂĽr  die  Wand- 
dekorationen ist  in  Kap.  LIV  wichtiges  neues  Material  beigebracht. 
Aber  auch  abgesehen  von  diesen  größeren  Zusätzen  ist  der  ganze 
Text  aufs  neue  durchgearbeitet  und  vielfach  verbessert  und  er- 
weitert worden. 

Anhangsweise  das  Wenige,  was  wir  ĂĽber  Herculaneum  wissen, 
zusammenzufassen,  schien  wĂĽn.schcnswert  bei  dem  durch  die  be- 
kannten Ausgrabungspläne  angeregten  Interesse  und  angesichts 
der  von  der  italienischen  Regierung  versprochenen  Ausgrabungen, 
zumal  eine  gemeinverständliche,  leicht  zugängliche  und  zugleich 
zuverlässige  Darstellung  bis  jetzt  nicht  vorhanden  war. 

Anmerkungen  mit  Literaturnachweis  beizugeben  schien  auch 
diesmal  nicht  zweckmäßig,  da  sie  für  die  große  Mehrzahl  der 
Leser  nicht  in  Betracht  kommen,  auch  schneller  veralten  als  das 
Buch  selbst.  FĂĽr  Erleichterung  der  wissenschaftlichen  Benutzung 
des  Buches    soll   durch   ein    demnächst  erscheinendes   besonderes 


Vm  Pompeji. 

Heft  gesorgt  werden,  mit  Literaturnachweis,  kurzen  BegrĂĽndungen 
und  Ergänzungen  des  im  Text  gesagten. 

Die  Verlagshandlung  hat  Kosten  und  MĂĽhe  nicht  gespart, 
um  die  Illustration  zu  verbessern,  zu  bereichern  und  ganz  auf  der 
Höhe  der  heutigen  Technik  zu  halten.  Einige  Textbilder  wurden, 
des  bessern  Druckes  halber,  auf  Tafeln  (VIII.  IX)  gebracht. 
In  groĂźer  Ausdehnung  wurden  nicht  ganz  genĂĽgende  Klischees 
durch  neue  ersetzt,  endlich  die  Textbilder  um  31  Nummern  (10, 
12,  27,  52,  53,  61,  69,  73—75,  116,  117,  135,  139,  142,  144, 
146,  160,  166,  169,  294 — 304)  vermehrt.  Die  Tafeln  sind  dies- 
mal, bis  auf  die  TitelgravĂĽre  zum  groĂźen  Teil  in  Duplex- 
autotypie  gegeben;  der  Augenschein  zeigt,  daĂź  sie  dadurch  nicht 
verloren  haben.  Ich  denke,  das  Buch  kann  sich  jetzt  den  best- 
illustrierten seiner  Art  ruhig  an  die  Seite  stellen. 

Rom,  Oktober  1908. 

A.  Mau. 


INHALT. 

EINLEITUNG. 

Kapite  Seite 

I.  Die  Lage  von  Pompeji l 

II.  Pompeji  vor  der  VerschĂĽttung 7 

III.  Die  VerschĂĽttung 18 

IV.  Die  Ausgrabung 23 

V.  Ăśbersicht 28 

VI.  Baumaterial,  Bauart,  Bauperioden 31 

ERSTER  TEIL. 
Öffentliche  Plätze  und  Gebäude. 

VII.  Das  Forum 43 

Vm.  Übersicht  der  Gebäude  um  das  Forum.     Der  Jupitertempel  ...  57 

IX.  Die  Basilika 67 

X.  Der  Tempel  des  Apollo 76 

XI.  Nordwestecke  des  Forums.     Eichtisch 87 

XII.  Das  Macellum 90 

XIII.  Der  Tempel  der  städtischen  Laren 98 

XIV.  Der  Tempel  des  Vespasian 102 

XV.  Das  Gebäude  der  Eumachia 106 

XVI.  Das  Comitium 115 

XVn.  Munizipalgebäude 117 

XVIII.  Der  Tempel  der  Venus  Pompejana 120 

XIX.  Der  Tempel  der  Fortuna  Augusta 129 

XX.  Übersicht  der  Bauten  beim  Stabianer  Tor.    Das  Forum  trianguläre 

und  der  dorische  Tempel 133 

XXI.  Das  groĂźe  Theater 141 

XXII.  Das  kleine  Theater 160 

XXin.  Der  Theaterportikus,  später  Gladiatorenkaseme 164 

XXIV.  Die  Palästra 171 

XXV.  Der  Tempel  der  Isis 174 

XXVI.  Der  Tempel  des  Zeus  Meilichios iSS 

XXVII.  Die  Bäder  in  Pompeji.     Die  Stabianer  Thermen 191 

XXVIII.  Die  Thermen  beim  Forum 206 

XXIX.  Die  Centralthermen 212 

XXX.  Das  Amphitheater 216 

XXXI.  Straßen,  Wasserleitung,  Straßenaltäre 230 

XXXIl.  Die  Befestigungswerke 242 


X  Pompeji. 


ZWEITER  TEIL. 
W^ohnhäuser. 

Kapitel  Seite 

XXXIII.  Das  pompejanische  Haus 250 

I.  Vestibulum,  Fauces,  HaustĂĽr 253 

II.  Das  Atrium 255 

III.  Das  Tablinum 261 

IV.  Die  Alae 264 

V.  Räume  um  das  Atrium.     Der  Andron 266 

VI.  Garten,  Peristyl,  Räume  um  das  Peristyl 267 

VII.  Schlafzimmer 269 

VIII.  Speisezimmer 269 

IX.  Küche,  Bad,  Vorratsräume 273 

X.  Kapellen  der  Hausgötter 275 

XI.  Obere  Räume 280 

XII.  Läden 285 

XIII.  Wände,  Fußböden,  Fenster 287 

XXXIV.  Das  Plaus  des  Chirurgen 290 

XXXV.  Das  Haus  des  Sallust 294 

XXXVI.  Das  Haus  des  Faun 300 

XXXVII.  Ein  Haus  bei  Porta  Marina 312 

XXXVIII.  Das  Haus  der  silbernen  Hochzeit 315 

XXXIX.  Das  Haus  des  Epidius  Rufus 325 

XL.  Das  Haus  des  tragischen  Dichters 3^9 

XLL  Das  Haus  der  Vettier 338 

XLII.  Drei  Häuser  ungewöhnlicher  Form 360 

I.  Das  Haus  des  Acceptus  und  der  Euhodia 360 

II.  Haus  ohne  Compluvium 362 

III.  Das  Haus  Kaiser  Josephs  II 363 

XLIII.  Sonstige  Häuser 367 

XLIV.  Die  Villa  des  Diomcdes 376 

XLV.  Die  Villa  rustica  bei  Boscoreale 382 

XLVI.   Geräte 389 


DRITTER  TEIL. 
Handel  und  Gewerbe. 

XLVII.  Allgemeines.     Die  Bäcker 403 

XLVIII.  Tuchwalker  und   Gerber 412 

XLIX.   Schenken  und  Wirtshäuser 419 


Inhalt.  XI 


VIERTER  TEIL. 
Die  Gräber. 

Kapitel  Seite 

L.  Die  Gräberstraße  vor  dem  Herculaner  Tor 425 

LI.  Gräber  vor  dem  Nolaner,  Stabianer  und  Nuceriner  Tor 448 


FĂśNFTER  TEIL. 
Pompejanische  Kunst. 

LH.  Die  Architektur 455 

Lin.  Die  Skulptur 463 

LIV.  Malerei.     Wanddekorationen 472 

LV.  Die  Bilder 490 


SECHSTER  TEIL. 
Die  Inschriften. 

I^VI.  Steininschriften.     Gemalte  Inschriften 503 

LVII.  Graffiti 509 

LVni.  Geschäftsurkunden 516 

SCHLUSS. 

LIX.  Pompeji  als  Quelle  fĂĽr  die  Kenntnis  des  Altertums 525 

ANHANG. 

LX.  Herculaneum 538 

Register 555 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN. 


Tafeln. 

Tafel  bei  Seite 

I.  Das  Forum  von  SĂĽden  gesehen.     Nach  Photographie.     Titelbild. 

II.  Hof  des  Apollotempels.     Nach  Photographie 78 

in.  Südecke   des  Forum  trianguläre   mit   dem  dorischen  Tempel,  wieder- 
hergestellt.    Weichardt,  Pompeji  vor  der  Zerstörung,  Taf.  II    .    .  136 

IV.  Die  Gladiatorenkaseme.     Nach  Photographie 165 

V.  Apodyterium  des  Männerbades  der  Stabianer  Theraien.    Nach  Photo- 
graphie      195 

VI.  Das  Amphitheater  von  SĂĽden  gesehen.     Nach  Photographie    ....  217 
VII.  Atrium  des  Hauses  IX,  5,   11,   mit  Blick    durch  das  Tablinum   in  das 

Peristyl.     Nach  Photographie 260 

VIII.  Schlacht    zwischen    Alexander   und   Darius.     Mosaik   aus    dem   Hause 

des  Faun.     Nach  Photographie 306 

IX.  Wandgemälde  im  Hause  der  Vettier.     Nach  Photographien      ....  351 

X.  Speisezimmer  im  Hause  der  Vettier.     Nach  Photographie 359 

XI.  Die  Gräberstraße  von  unten  gesehen.     Nach  Photographie 428 

XII.  Artemis,  Kopie  einer  archaischen  Statue.     Nach  Photographie     .    .    .  468 

XIII.  Wanddekoration    zweiten    Stils.      Mau,    Geschichte    der    dekorativen 

Wandmalerei  in  Pompeji,  Taf.  V 483 

XIV.  Wanddekoration  vierten  Stils  im  Hofe  der  Stabianer  Thermen.     Nach 

einer  Zeichnung  des  Museums  in  Neapel 488 


Pläne. 

Plan 

I.  Ăśbersichtsplan  von  Pompeji vor  Kapitel  V 

IL  Das  Forum  und  die  anliegenden  Gebäude »  »  VII 

III.  Die  Theater  und  ihre  Umgebung »  »  XX 

IV.  Die  Villa  rustica  bei  Boscoreale »  »  XLV 

V.  Die  Gräberstraße »  •  I> 

VI.  Der  ausgegrabene  Teil  von  Pompeji am  SchluĂź 


Textillustrationen. 

Figur  Seite 

1.  Karte  des  alten  Campanien 2 

2.  Der  Vesuv  von  Neapel  aus  gesehen.     Photographie 3 

3.  Blick  von   Pompeji  nach   SĂĽden.     Photographie 5 


Verzeichnis  der  Abbildungen.  XIII 

Figur  Seite 

4.  Venus  Pompejana,  Wandgemälde.     Nach  Mon.  d.  Inst.  III,  6  b 11 

5.  Amphoren.     Photographie 13 

6.  Das  Urteil  Salomons.    Wandgemälde.     Overbeck-Mau,  Pompeji,  Fig.  306  16 

7.  GipsabguĂź  eines  Mannes.     Photographie 21 

8.  Eine   Ausgrabung.     Atrium   des  Hauses    der   silbernen   Hochzeit.    Photo- 

graphie      26 

9.  Mauer  mit  Kalksteinfachwerk.     Photographie 32 

10.  Alte  Säule.     Photographie ....  35 

11.  Fassade  aus  Sarnokalkstein.     Haus  des  Chirurgen.     Photographie     ...  36 

12.  Etruskisches  Pilasterkapitell.     Photographie 37 

13.  Quasireticulat  mit  Ziegelecken,  am  Eingang  zum  kleinen  Theater.    Photo- 

graphie      40 

14.  Netzwerk  mit  Ecken  aus  ziegeiförmigen  Steinen.     Photographie  ....  41 

15.  Nordseite  des  Forums  mit  dem  Jupitertempel,  wiederhergestellt.     Zeich- 

nung nach  Skizzen  des  Verfassers 46 

16.  Überrest    der    Säulenhalle    des    Popidius,    an    der   Südseite    des    Forums. 

Photographie 4^ 

17.  Teil    der   neuen  Säulenhalle,  nahe   der   südwestlichen  Ecke  des  Forums. 

Photographie 49 

18.  Szene  auf   dem  Forum,  Wandgemälde.     Zeichnung   nach  Pitture  d'Erco- 

lano  III  42 52 

19.  Szene  auf  dem  Forum,  Wandgemälde.     Zeichnung   nach  Pitture  d'Erco- 

lano  III  43 53 

20.  Plan  des  Jupitertempels 59 

21.  Ruinen  des  Jupitertempels.     Photographie 60 

22.  Teil  der  Wanddekoration  in  der  Cella  des  Jupitertempcls.     Mazois  III  36  61 

23.  Reliefdarstellung  des  Jupitertempels  im  Hause  des  L.  Caecilius  Jucundus. 

Overbeck-Mau,  Pompeji,  Fig.  31 6^ 

24.  Büste  des  Zeus  von  Otricoli  im  Vatikan.    Brunn-Bruckmann,  Denkmäler, 

Taf.  120 64 

25.  BĂĽste  des  Jupiter  aus  Pompeji.     Photographie 65 

26.  GrundriĂź  der  Basilika 68 

27.  Kapitell  aus  der  Basilika.     Photographie 68 

28.  Innenansicht  der  Basilika;  Blick  auf  das  Tribunal.     Photographie    ...  70 

29.  AuĂźenseite  der  Basilika,  wiederhergestellt.     Zeichnung  nach  Skizzen   des 

Verfassers 71 

30.  Inneres  der  Basilika,  Blick    auf   das  Tribunal,   wiederhergestellt.     Zeich- 

nung nach  Skizzen  des  Verfassers      72 

31.  Fassade    des   Tribunals    der   Basilika,  (InmdriĂź    und   AufriĂź.     Zeichnung 

nach   Skizze  des  Verfassers 73 

32.  Ecke  des  MosaikfuĂźbodens  in  der  Cella  des  Apollotempels.     Mazois  IV  23  76 

33.  GrundriĂź  des  Apollotempels 77 

34.  Ansicht  des  Apollotempels,  gegen  den   \'esuv  gesehen.     Photographie    .  78 

35.  Ein  Stück    vom    Gebälk    des    Portikus    des  Apollotempels;    ursprüngliche 

Form  und  Erneuerung  nach  dem  Erdbeben.     Mazois  IV  2 1     ...    .  79 


XrV  Pompeji. 

Figur  Seite 

36.  Tempel  des  Apollo,  wiederhergestellt.    Zeichnung  nach  Skizzen  des  Ver- 

fassers      81 

37.  Grundriß  der  Gebäude  an  der  Nordwestecke  des  Forums 87 

38.  Eichtisch.     Mazois  III  40 88 

39.  GrundriĂź  des  Macellums 90 

40.  Ansicht  des  Macellums.     Photographie 91 

41.  Das  Macellum,  wiederhergestellt.    Zeichnung  nach  Skizzen  des  Verfassers  92 

42.  Statue  des  Marcellus,  Sohnes  der  Octavia,  gefunden  in  der  Kapelle  des 

Macellums.     Photographie 94 

43.  Statue  der  Octavia,  Schwester  des  Augustus,    gefunden   in    der  Kapelle 

des  Macellums.     Photographie 95 

44.  Grundriß  des  Tempels  der  städtischen  Laren 98 

45.  Tempel  der  städtischen  Laren,  Ansicht  der  Rückseite,  wiederhergestellt. 

Zeichnung  nach  Skizze  des  Verfassers.     Rom.  Mitt.  1896,  S.  288  .    .  99 

46.  Nordseite  des  Tempels  der  städtischen  Laren,  wiederhergestellt.    Zeich- 

nung nach  Skizze  des  Verfassers.     Rom.  Mitt.  1896,  S.  289     ....  loo 

47.  GrundriĂź  des  Tempels  des  Vespasian 102 

48.  Ansicht  des  Vespasiantempels.     Photographie 103 

49.  Der  Tempel    des  Vespasian,  wiederhergestellt.     Zeichnung  nach  Skizze 

des  Verfassers.     Rom.  Mitt.  1900,  S.  133 104 

50.  Altarrelief  des  Vespasiantempels.     Photographie 105 

51.  Grundriß  des  Gebäudes  der  Eumachia 106 

52.  Innenansicht  des  Gebäudes  der  Eumachia:  Rückseite  des  Hofes.    Photo- 

graphie    107 

53.  Gebäude  der  Eumachia :  Türeinfassung.   Overbeck-Mau,  Pompeji,  Fig.  275  iio 

54.  Gebäude    der    Eumachia:     Vorderseite    des    Hofes,    wiederhergestellt. 

Zeichnung  nach  Skizze  des  Verfassers 112 

55.  Gebäude  der  Eumachia:  Rückseite  des  Hofes,  wiederhergestellt.    Zeich- 

nung nach  Skizze  des  Verfassers I13 

56.  Brunnen  der  Concordia  Augusta,  vor  dem  Seiteneingang   des  Gebäudes 

der  Eumachia.     Photographie 113 

57.  GrundriĂź  des  Comitium 115 

58.  GrundriĂź  der  sogen,  drei  Kurien 117 

59.  Ansicht  der  SĂĽdseite  des  Forums,  Photographie 118 

60.  GrundriĂź  der  Ruinen  des  Tempels  der  Venus  Pompejana 122 

61.  GrundriĂź  des  im  Jahre  63  eingestĂĽrzten  Tempels  der  Venus  Pompejana  123 

62.  GrundriĂź  des  Tempels  der  Fortuna  Augusta 129 

63.  Ruine  des  Tempels  der  Fortuna  Augusta.     Photographie 130 

64.  Tempel  der  Fortuna  Augusta,  wiederhergestellt.   Zeichnung  nach  Skizzen 

des  Verfassers 131 

65.  Querschnitt  des  Tempels  der  Fortuna  Augusta,  wiederhergestellt.    Zeich- 

nung nach  Skizze  des  Verfassers.     Rom.  Mitt.  1896,  S.  280    ....  132 

66.  Vorhalle  des  Forum  trianguläre.     Photographie 135 

67.  Ansicht  des  Forum  trianguläre,  gegen  den  Vesuv.     Photographic  ...  136 

68.  GrundriĂź  des  dorischen  Tempels 137 


Verzeichnis  der  Abbildungen.  XV 

Figur  Seite 

69.  Säulenreste  vom  dorischen  Tempel.     Photographie      137 

70.  Der  dorische  Tempel,  wiederhergestellt.     Zeichnung   nach  Skizze    tlcs 

Verfassers 138 

71.  (GrundriĂź  des  groĂźen  Theaters 143 

72.  Innenansicht  des  groĂźen  Theaters.     Photographic 145 

73.  Plan  des  Bühnengebäudes  in  seiner  ersten  Form.    Rom.  Mitt.  1906,  S.  7  153 

74.  Plan   des  Biihnengebäudes  in  seiner  zweiten  Form.     Rom.   Mitt.   1906. 

S.  10 157 

75.  Bassins  in  der  Orchestra.     Rom.  Mitt.  1906,  Taf.  I 158 

76.  GrundriĂź  des  kleinen  Theaters 160 

77.  Innenansicht  des  kleinen  Theaters.     Photographie    .    â– . 161 

78.  Durchschnitt  einer  Sitzstufe  im  kleinen  Theater.     Mazois  IV  29  .    .    .  162 

79.  Ein  Atlant  im  kleinen  Theater.     Mazois  IV  29 163 

80.  EndstĂĽck  der  BrĂĽstung  im  kleinen  Theater.     Mazois  IV  29 163 

81.  GrundriĂź  der  Gladiatorenkaserne 164 

82  a.  Eine  Gladiatorenbeinschiene.     Photographie 168 

82  b.  Gladiatorenhelm.     Photographie 169 

83.  P'ußeisen  aus  dem  Gefängnis  der  (iladiatorcnkaserne.     Photographie    .  170 

84.  Grundriß  der  Palästra 171 

85.  Ansicht  der  Palästra,  mit  Basis,  Tisch  und  Treppe.     Photographie  .    .  171 

86.  Doryphoros,  Statue  aus  der  Palästra.     Photographie 172 

87.  GrundriĂź  des  Isistempels 176 

88.  Ansicht  des  Isistempels.     Photographie 178 

89.  Der  Isistenipel,    wiederhergestellt.     Zeichnung   nach    Skizze    des    \'er- 

fassers 179 

90.  Szene  aus  dem  Isiskult:  Anbetung  des  heiligen  Wassers.    Wandgemälde 

aus  Herculaneum.     Zeichnung  nach  Photographie 183 

91.  P'assade  der  Jünfriedigung  des  Wasserbehälters  beim  Isistempel.    Zeich- 

nung nach  Mazois  IV   11  und  Piranesi 1S4 

92.  Stuckreliefs    auf  der    Ostseite   der   Einfriedigung    des   Wasserbehälters. 

Perseus  und  Andromeda,  schwebende  Amorcn.     Mazois  l\   10    .    .  185 

93.  (jrundriĂź  des  Tempels  des  Zeus  Meilichios 188 

94.  TĂĽrpfostenkapitell  mit  dem  Kopf  des  Zeus  Meilichios.     Mazois  IV  6.  189 

95.  GrundriĂź  der  Stabianer  Thermen 195 

96.  Frigidarium    der   Stabianer  Thermen.      Zeichnung    mit    Benutzung   von 

Niccolini,  Gase  e  Monumenti  dl  Pompei 196 

97.  Badewanne    im  Frauencaldarium    der  Stabianer  Thermen    mit  \'orrich- 

tung  zum  Warmhalten  des  Wassers.     Zeichnung  mit  Benutzung  von 

V.  Duhn  und  Jacobi,  Der  griech.  Tempel  in  Pompeji,  Taf.  IX.    .    .  199 

98.  Säulenhalle  der  Stabianer  Thermen ;  Kapitell  und  tJebälk.     Zeichnung  203 

99.  Südwestecke  der  Palästra  der  Stabianer  Thermen.      Photographie     .    .  204 

100.  GrundriĂź''  der  Thermen  beim  Forum 206 

lOi.  Männertepidarium  der  Thermen  beim  Forum.     Photographie     ....  20S 
102.   I.ängenschnitt  des  Männercaldariums  der  Thermen  beim  Fonim.     Zeich- 
nung mit  Benutzung  von   (lell   (1832J   II  32 209 


XVI  Pompeji. 

Figur  Seite 

103.  Apodyterium    und    Frigidarium    des    Frauenbades    der   Thermen    beim 

Forum.     Gell  (1832)  I  33 210 

104.  GrundriĂź  der  Centralthermen 212 

105.  Centralthermen:    Blick  von  der  Palästra    auf  das  Tepidarium.     Photo- 

graphie      214 

106.  Das  Amphitheater  von  Westen  gesehen.     Photographie 217 

107.  Vorbereitungen   zum  Kampfe.     Wandgemälde   aus    dem  Amphitheater. 

Mazois  IV  48 218 

108.  Grundriß   des  Amphitheaters   in   verschiedener  Höhe.     Overbeck-Mau 

Fig.  103 219 

109.  Querschnitt  des  Amphitheaters.     Mazois  IV  46 221 

110.  GnmdriĂź  der  Galerie  des  Amphitheaters 222 

111.  Schlägerei    zwischen    Pompejanern    und    Nucerinern.      Wandgemälde. 

Overbeck-Mau,  Pompeji,  Fig.  3 224 

112.  Ende    eines  Gladiatorenkampfes.     Wandgemälde.     Mazois  IV  48    (vgl. 

Heibig  1516) 228 

113.  Ansicht  der  AbbondanzastraĂźe,  nach  Osten  blickend.    Photographie    .  231 

114.  Brunnen,    Wasserleitungspfeiler    und    StraĂźenaltar    an    der    Ecke    der 

Stabianer  und  Nolaner  StraĂźe.     Photographie 234 

115.  Grundriß  des  Wasserbehälters  westlich  der  Thermen  beim  Forum   .    .  235 

116.  GrundriĂź  des  Kastells  der  Wasserleitung 236 

117.  SĂĽdfassade  des  Kastells  der  Wasserleitung.     Photographie 238 

118.  Alter  Altar  in    einer  JĂĽngern    Mauer,    SĂĽdostecke    der  Centralthermen. 

Photographie      239 

119.  GrundriĂź  einer  Kapelle  der  Lares  Compitales 240 

120.  Größerer  Straßenaltar.     Photographie 241 

121.  GrundriĂź  eines  Teiles  der  Stadtmauer.     Mazois  I   12 243 

122.  Innenansicht  der  Stadtmauer  nach  Entfernung  der  Erdböschung.    Photo- 

graphie      244 

123.  Turm  der  Stadtmauer,  wiederhergestellt.     Mazois  I   13 246 

124.  GrundriĂź  des  Stabianer  Tores      ...        247 

125.  GrundriĂź  des  Herculaner  Tores 248 

126.  Das  Herculaner  Tor  mit  dem  Blick  die  Gräberstraße  hinab.    Photogr.  249 

127.  Altpompejanisches   Haus,    wiederhergestellt.      Zeichnung    nach    Skizze 

des  Verfassers 251 

128.  GrundriĂź  eines  pompejanischen  Hauses 252 

129.  GrundriĂź   und   Durchschnitt    des    Vestibulum,    der    Schwelle    und    der 

Fauces  im  Hause  des  Pansa.    Overbeck-Mau  Fig.  136  nach  Ivanoff, 

Mon.  d.  Inst.  VI  28,  3 254 

130.  Tuscanisches  Atrium:   Oberansicht  des  Daches.     Mazois  II  3     ....  256 

131.  Tuscanisches  Atrium:  Durchschnitt.     Mazois  II  3 257 

132.  Ecke  eines  Compluviums  mit  Wasserspeiern  und  Stirnziegchi.  Overbeck- 

Mau  Fig.  120 258 

133.  Eine   Geldkistc,  arca.     Photographie 260 

134.  Atrium  im   Hause  des  Cornelius   Kufus.     Photographie 261 


Verzeichnis  der  Abbildungen.  X\  II 

Figur  Seile 

135.  Bronzene  Halter  fĂĽr  den  Vorhang  des  Tablinum 262 

136.  Durchschnitt  eines  Schlafzimmers  im  Hause  des  C"entauren.    Zeichnung 

nach  Skizze  des  Verfassers 269 

137.  (IrundrifV  eines  Speisezimmers  mit  den  drei  Betten 270 

138.  Clrundril'N  eines  Speisezimmers  mit  Vorzimmer,  in   dem    ein  Altar  steht  271 

139.  (irundriĂź  eines  Speisezimmers  im  Hause  der  silbernen  Hochzeit  ,    .    .  272 

140.  Herd  in  der  KĂĽche  des  Hauses  der  Vettier.     Zeichnung 274 

141.  Nische  für  die  Hausgötter  in  der  Küche  der  Casa  di  Apollo.     Photo- 

graphie   276 

142.  Larentempel  im  Hause  des  Kpidius  Sabinus,  III   IX),  i,  22.    Overbeck- 

Mau,  Pompeji,  Fig.  146 277 

143.  Larenheiligtum  im  Hause  der  Vettier.     Photographie 279 

144.  Haus  mit  Erker.     Overbeck-Mau,  Pompeji,  Fig.  145 281 

145.  Das  Innere  eines  Hauses  mit  oberem,  auf  das  Atrium  geofTneten  Speise- 

raum.    Zeichnung  nach  Skizzen  des  Verfassers 2S2 

146.  Längenschnitt   des    Hauses    mit    oberem  Speiseraum.     Zeichnung    nach 

Skizze  des  Verfassers 283 

147.  GmndriĂź  eines  I>adens.     Mazois  II  8 285 

148.  Ein  El>warenladen,  wiederhergestellt.     Mazois  II  8 286 

149.  {lrundril>  des  Hauses  des  Chirurgen 290 

150.  Malerin.      Wandgemälde    aus    dem    Hause    des    Chirurgen.       Pitt,    di 

Frcol.  Vi 292 

151.  Crundril>  des  Hauses  des  Sallust.     Mazois  11  35       295 

152.  Atrium  im  Hause  des  Sallust,  wiederhergestellt.    Zeichnung  nach  Skizzen 

des  Verfassers 297 

153-   Längenschnitt    des    Hauses    des    Sallust,    wiederhergestellt.      Zeichnung 

nach  Skizze  des  Verfassers 297 

154.  (larten     mit    Triclinium     im     Hause     des    Sallust,     wiederhergestellt. 

Mazois  II  38 298 

155.  CirundriĂź  des  Hauses  des   Faun 300 

156.  Cesims    ĂĽber    der    HaupttĂĽr    des    Hauses    des    l-'aun.      Zeichnung    nach 

Skizze  des  Verfassers 301 

157.  Fassade    des    Hauses    des    Faun,    wiederhergestellt.       Zeichnung    nach 

Skizze  des  Verfassers 302 

158.  Mosaikschwelle  mit  tragischen  Masken,  FrĂĽchten  und  Blumen  am  inneren 

Ende  der  Fauces  im  Hause  des  Faun.      Overbeck-Mau   Fig.  315  .    .  303 

159.  Längenschnitt    des    Hauses    des     Faun,    wiederhergestellt.       Zeichnung 

nach   Skizze  des  \'erfassers 304 

160.  Detail  aus  dem  Alexandermosaik   (Taf.  \'IU  .      Photographie 307 

161.  Querschnitt  des  Hauses  des  Faun  durch  die  beiden  .\trien.     Zeichnung 

nach  Skizze  des  Verfassers 30S 

162.  (Irundrih  des  Hauses  bei  der  Porta  Marina 312 

163.  Längenschnitt    des    Hauses    bei    der    Porta    Marina.      Zeichnung    nacli 

Skizze  des  Verfassers 3  L5 

164.  (irundrib  des   Hauses   der  .silbernen   Hochzeit 316 


XVin  Pompeji. 

Figur  Seite 

165.  Längenschnitt    des   Hauses   der   silbernen   Hochzeit.     Zeichnung    nach 

Skizze  des  Verfassers 318 

166.  Querschnitt  des  Hauses  der  silbernen  Hochzeit.    Zeichnung  nach  Skizze 

des  Verfassers 321 

167.  GrundriĂź  des  Hauses  des  Epidius  Rufus 327 

168.  Fassade  des  Hauses    des  Epidius  Rufus,  wiederhergestellt.     Zeichnung 

nach  Skizze  des  Verfassers 327 

169.  Querschnitt   des   Hauses    des   Epidius   Rufus.      Zeichnung   nach   Skizze 

des  Verfassers 327 

170.  GrundriĂź  des  Hauses  des  tragischen  Dichters 329 

171.  Haus  des  tragischen  Dichters:  Blick  aus  dem  Atrium  durch  das  Tabli- 

num.     Photographie 330 

172.  Längenschnitt   des  Hauses    des   tragischen  Dichters,    wiederhergestellt. 

Zeichnung  nach  Skizze  des  Verfassers 331 

173.  Zeus  und  Plera  auf  dem  Ida.     Wandgemälde  aus  dem  Hause  des  tra- 

gischen Dichters.     Photographie 332 

174.  Fortführung  der  Briseis.    Wandgemälde  aus  dem  Hause  des  tragischen 

Dichters.     Photographie 333 

175.  Opfer  der  Iphigenie.     Wandgemälde.     Photographie 336 

176.  AuĂźenansicht    des   Hauses    der   Vettier,   wiederhergestellt.      Zeichnung 

nach  Skizze  des  Verfassers.     Rom.  Mitt.  1896,  S.  4 338 

177.  GrundriĂź  des  Hauses  der  Vettier 339 

178.  179.  Längenschnitt   und   Querschnitt   des   Hauses   der  Vettier,  wieder- 

hergestellt.   Zeichnungen  nach  Skizzen    des  Verfassers.     Rom.  Mitt. 
1896,  Taf.  L  II 340 

180.  Basis,  Kapitell   und  Gebälk   des  Portikus    am  Peristyl    des  Hauses  der 

Vettier.     Zeichnung.     Rom.  Mitt.  1896,  S.  31 343 

181.  Garten  im  Hause  der  Vettier.     Photographic 344 

182.  Schema  der  Wandteilung  in  dem  grollen  Saal  am  Peristyl  des  Hauses 

der  Vettier 346 

183.  Agamemnon  im  Heiligtum    der  Artemis.     Wandgemälde  im  Hause  der 

Vettier.     Photographie 348 

184.  Apollo   nach  Tütung    des  Drachen    Python.     Wandgemälde    im   Hause 

der  Vettier.     Photographie 349 

185.  Ölpresse.    Aus  einem  Wandgemälde  aus  Herculaneum,    Zeichnung  nach 

Pitt.  d'Ercol.  I  35 352 

186.  Amoren    die  Vestalia   feiernd.      Wandgemälde    im    Hause    der   \'ettier. 

Zeichnung.     Rum.  Mitt.  1896,  S.  80 354 

187.  Amoren  bei  der  Weinlese.    Wandgemälde  im  Hause  der  X'ettier.    Zeich- 

nung.   Rom.  Mitt.  1896,  S.  81 355 

188.  P>lumenpflückende  Psychen.  Wandgemälde  im  Hause  der  Vettier.  Photogr.  356 

189.  Bestrafung  Ixions.    Wandgemälde  im  Hause  der  Vettier.     Photographie  358 

190.  GrundriĂź  des  Hauses  des  Acceptus  und  der  l-Aihodia 360 

191.  Längenschnitt    des    Hauses    des    Acceptus    und    der    luihodia,    wieder- 

hergestellt.    Zeichnung  nach  Skizze  des  \  crfassers 361 


Verzeichnis  der  Abbildungen.  XIX 

Figur  Seite 

192.  GrandriĂź  eines  Hauses  ohne  Compluvium 362 

193.  Querschnitt  des  Hauses  ohne  Compluvium.    Zeichnung  nach  Skizze  des 

Verfassers.     Rom.  Mitt.  1895,  S.  148 ,  363 

194.  (IrandriĂź  des  Hauses  Kaiser  Josephs  II 364 

195.  Bäckerei  im  Hause  Kaiser  Josephs  IL     Mazois  II  34 366 

196.  Durchschnitt  eines  Teiles  des  Peristyls  im  Hause   des  Ankers,  wieder- 

hergestellt.    Zeichnung  nach  Skizze  des  \'erfassers 368 

197.  (irundril>  des  Hauses  des  I'ansa 369 

198.  l'ilasterkapitell  am  Eingange  der  C'asa  dei  capitelli  figurati.  I'hotographie  370 

199.  CrandriĂź  der  Casa  del  C'itarista 373 

200.  Orestes   und  Pylades    vor  König  Thoas.     Wandgemälde    aus    der  Casa 

del  Citarista.     Photographie 374 

201.  Schreibgerät  und  Brief.     Wandgemälde  aus  dem  Hause    des  Lucretius. 

Mus.  Horb.  XIV,  AB 375 

202.  CnindriĂź  der  Villa  des  Uiomedes 377 

203.  Längenschnitt    der  Villa    des  Diomedes,  wiederhergestellt.     Zeichnung 

nach  Skizze  des  Verfassers,  mit  Benutzung  von  Ivanoff,  .\rchitekton. 

Studien  II,  Taf.  5,  6 378 

204.  Wasserkessel   und    Rohrenleitung    des   Bades   in   der   \'illa    rustica   bei 

Boscoreale.     Zeichnung.     Rom.  Mitt.    1894,  S.  353 383 

205.  Ăślivenquetschmaschine.     Photographie 386 

206.  Speisebettt  mit  Bronzebeschlag.     Overbeck-Mau  Fig.  228 390 

207.  Runder  Marmortisch.     Mus.  Borb.   IV  56 390 

208.  TischfuĂź  aus  dem  Hause  des  Faun.      Mus.  Borb.   l.X  43 390 

209.  Bronzener  Dreiful\     Photographie 391 

210.  Einfache  einflammige  Lampen.      Overbeck-Mau  Fig.  231 392 

211.  Zweiflammige  Lampen.     Llbenda 392 

212.  Mehrllammige  Lampen.     Ebenda 392 

213.  Bronzelampen.     L^benda 392 

214.  Bronzelampen  mit  Figuren.     Ebenda      392 

215.  Drei  Hängelampen.     Ebenda 393 

216.  Biberon.     Ebenda 393 

217.  P)ronzekandelaber.     Mus.  Borb.  I\'  57 394 

218.  Lampenträger  für  eine  Handlampe 396 

219.  I.ampenträger  für  Hängelampen.     Mus.  Borb.  II   13     .    .        396 

220.  Lampenträger  in   Form  eines  Baumes 396 

221.  Kleiner  Lampenträger  mit  Lampe.     Photographie 396 

222.  Bronzenes  Küchengerät.      Overbeck-Mau  Fig.  241,   nach   Mus.  Borb.     .  397 

223.  Cefäi^  zum   Mischen   des  Weines    Krater.      Mus.  Borb.  II   32 39S 

224.  (Jefäß  um  Wasser  zu  wärmen,   .\uthcpsa.      Mus.  Borb.  III   63     ....  39S 

225.  Wasserwärmer  und  Kohlenbecken.      Mus.  Borb.  II  46 399 

226.  Wasserwärmer    und    Kohlenbecken     in     Form     einer    Festung.       Mus. 

Borb    II  46 399 

227.  Kämme.     Mus.  Borb.  IX   15 399 

228.  Badegerät.     Mus.  Borb.  VII    16 399 


XX  Pompeji. 

Figur  Seite 

229.  Elfenbeinerne  Haarnadeln.     Zwei    kleine    Elfenbeingefäße.     Overbeck- 

Mau  Fig.  252  nach  Mus.  Borb.  IX   14,   15 400 

230.  Gläserne  Schminkbiichse.     Mus.  Borb.  IX   15 400 

231.  Handspiegel.     Overbeck-Mau  Fig.  252  nach  Mus.  Borb.  IX   14     ...  400 

232.  Toilettengerät.     Overbeck-Mau  Fig.  252  nach  Mus.  Borb.  IX   15  .    .    .      400 

233.  Goldenes  Armband.     Mus.  Borb.  VII  46 401 

234.  Silberne  Becher.     Mus.  Borb.  X   14.    XIII  49 402 

235.  Bäckerei  mit  Mühlen.     Photographie 406 

236.  Grundriß  einer  Bäckerei 407 

237.  MĂĽhle,  ohne  das  Holzwerk.     Zeichnung 408 

238.  Durchschnitt   einer  MĂĽhle,  wiederhergestellt.     Zeichnung    nach  Skizze 

des  Verfassers 408 

239.  Eine  Mühle    in  Tätigkeit.     Relief   des    vatikanischen    Museums.     Jahn, 

Sachs.  Ber.   186 1,  Taf.  XII  2 409 

240.  Durchschnitt  eines  Backofens.     Mazois  II   18 409 

241.  Knetmaschine,    GrundriĂź    und    Durchschnitt.      Zeichnung    nach    Skizze 

des  Verfassers 410 

242.  Szene   aus    der   Fullonica :    das   Waschen   der   Stoffe.      Wandgemälde. 

Mus.  Borb.  IV  49 413 

243.  Szene  aus  der  Fullonica:  Ablieferung;  das  Rauhen  des  Stoffes;  GerĂĽst 

zum  Schwefeln,     Wandgemälde.     Mus.  Borb.  IV  49 413 

244.  Presse  der  Fullonica.     Wandgemälde.     Mus.  Borb.  IV  50 414 

245.  GrundriĂź  einer  Fullonica 415 

246.  GrundriĂź  der  Gerberei 416 

247.  Mosaik  auf  dem  Tische  im  Garten  der  Gerberei.     Photographie.    .    .  417 

248.  GrundriĂź  des  Wirtshauses  VII,   12,  35 420 

249.  GrundriĂź  der  Herberge  des  Hermes 420 

250.  GrundriĂź  einer  Schenke 421 

251.  Szene  in  einer  Schenke.     Wandgemälde.     Mus.  Borb.  IV,  A     .    .    .    .  422 

252.  Umfüllung  des  Weines.     Wandgemälde.     Mus.  Borb.  IV,  A 422 

253.  Gräber  des  Veius,   des  Porcius,   der  Mamia,   der  Istacidier.     Photogr.  .  429 

254.  CJrab    der   Istacidier,    wiederhergestellt.      Zeichnung    nach    Skizze    des 

Verfassers 43 1 

255.  Ansicht  der  Gräberstraße.     Photographie 433 

256.  (jlasgefäß  mit  Darstellung  der  Weinlese.     Photographie 435 

257.  BĂĽstenstein  der  Tyche,  Sklavin  der  Livia.     Mazois  I  S.  31 437 

258.  Grab  des  Umbricius  Scaurus.     Mazois  I  30 438 

259.  Rundes  Grab,  Durchschnitt.     Mazois  I  28 439 

260.  Grab  des  Calventius  Quietus  mit  Darstellung  des  Biselliums.    Photogr.  440 

261.  Grab  der  Naevoleja  Tyche  mit  dem  in  den  Hafen  einlaufenden  Schiff. 

l'hotographie 44I 

262.  Gläserne  Aschenurnc  in   IHcikapsel.     Mazois  1   22 442 

263.  Stuckrelief  am   runden   (Irab.      Mazois   I   29 442 

264.  Triclinium  funebre.     Mazois  I  20 443 

265.  (mmdriß  der  Gräber  an  der  Stral^e  nach  Nuceria .  450 


Verzeichnis  der  Abbildungen.  XXI 

Kiyur  Seite 

266.  Ansicht  zweier  Gräber  an  der  Strar''e  nach  Nuccria,  3  und  4  auf  dem 

Plan  Fig.  265.     Photographie 452 

267.  Ansicht  zweier  Gräber  an  der  Stral^e  nach  Nuceria,   5  und  6  auf  dem 

Plan  Fig.  265.     Photographie 453 

268.  \'ierseitiges  ionisches  Kapitell  an   der  Vorhalle  des  Forum  trianguläre. 

Overbecl<-Mau  Fig.  272 457 

269.  TĂĽrkapitell  an  der  Merkurstral^e 457 

270.  Altar  vor  dem  Tempel  des  Zeus  Meilichios.     Mazois  IV  6 458 

271.  Phantasiekapitelle  aus  farbigem  Stuck 460 

272.  Modifiziertes  korinthisches  Kapitell 461 

273.  Phantasiekapitelle  von  Pilastern 461 

274.  Statue  der  Priesterin  Eumachia.     Photographie 464 

275.  Porträtherme  des  Caecilius  Jucundus.     Photographie 465 

276.  Bacchus  und  Ariadne.    DoppelbĂĽste  aus  dem  Hause  der  \'ettier.    Photo- 

graphie    466 

277.  Tanzender  Satyr.     ]5ronzestatuette    aus   dem  Mause  des  Faun.      Photo- 

graphie   468 

278.  Bacchus,  sogen.  Narcissus.     Bronzestatuette.     Photographie 469 

279.  Wanddekoration  ersten  Stiles  im  Atrium  des  Hauses  des  Sallust.     Mau, 

Geschichte  der  dekorativen  Wandmalerei  in  Pompeji,  Taf.  II   .    .    .      476 

280.  Verteilung  der  Farben  auf  der  Wand  Fig.  279 477 

281.  Wanddekoration  dritten  Stiles  im  Hause  des  Spurius  Mesor.   Mau,  Wand- 

malerei, Taf.  XII 484 

282.  Detail  einer  Wandmalerei  vierten  Stiles.     Pitt,   d'   Frcol.  IV  58     .    .    .      486 

283.  Wanddekoration    vierten  Stiles.     Nach    einer    Zeichnung    des   Museums 

in  Neapel 487 

284.  Stilleben,  Xenion.     Wandgemälde.     Pitt,  d'  Ercol.  II  58 492 

285.  Landschaft.     Wandgemälde.     Pitt,  d'  Ercol.  V  S.  149 493 

286.  Hekuba  bei  der  Heimbringung  der  Leiche  Ilektors.    Aus  einem  Wand- 

gemälde.    Ann.  d.  Inst.   1877,  Taf.  P 495 

287.  Entführung  der  Europa.     Wandgemälde.     Photographie 496 

288.  Frauen,  deren  eine  zwei  Instrumente    stimmt.     Wandgemälde.     Photo- 

graphie     497 

289.  Porträt  des  Pacjuius  Proculus  und  seiner  Gattin.     Wandgemälde.     Photo- 

graphie     498 

290.  Athene    und    Marsyas.     Wandgemälde.     Zeichnung.     Rom.   Mitt.    1890, 

S.  267 500 

291.  Daedalus    und    Ikarus.     Wandgemälde.     Zeichnung.     Riim.   Mitt.    1890, 

S.  264 501 

292.  293.    Triptychon     des     Caecilius    Jucundus,     geöffnet    und     versiegelt. 

Overbeck->Lau,  Tafel  bei  S.  489 516.     517 

294.  Karte  von  Herculaneum  und  Umgegend.     Nach   La  \'ega  bei  J\osini  , 

Dissert.  isagogica  ad  Herculanensium  voluminum  explanationem  .    .      533 

295.  Grundril>    des  Forums    (sogen.  Basilika)    von  Herculaneum.     Cochin   u. 

Bellicard,   Observation  sur  les  antiquites  dllerculaneuni,  Taf.  5    .     .      535 


XXII  Pompeji. 

Figur  Seite 

296.  Herakles  und  Telephos.     Wandgemälde  der  sogen.  Basilika  in  Hercu- 

laneum.     Photographie 537 

297.  Gnmdriß  des  Theaters  von  Herculaneum  in  verschiedener  Höhe.    Nach 

Mazois,  Ruines  de  Pompei  IV,  Taf.   35   und  Ruggiero,   Storia   degli 
scavi  di  Ercolano,  Taf.  V,  VI 540 

298.  Längenschnitt  des  Theaters  von  Herculaneum.    Ruggiero.  Storia  degli 

scavi  di  Ercolano,  Taf.  VI 541 

299.  Grundrif^  des  Tempels    der  Göttermutter    in  Herculaneum.     Zeichnung 

des  Verfassers  nach    der  Skizze  Webers  bei  Ruggiero,  Storia   degli 
scavi  di  Ercolano,  S.  252 544 

300.  GrundriĂź  der  Villa  bei  Herculaneum.     Ruggiero,  Storia  degli  scavi   di 

Ercolano,  Taf.  IX 546 — 547 

301.  Kämpfende   Athene.      Marmorstatue    aus    der   Villa    bei   Herculaneum. 

Photographie      550 

302.  Tänzerin.    Bronzestatue  aus  der  Villa  bei  Herculaneum.    Photographie.     551 

303.  König  Pyrrhus.    Marmorbüste  aus  der  Villa  bei  Herculaneum.    Photo- 

graphie     552 

304.  GrundriĂź  eines  Grabes  bei  Herculaneum.     Cochin  u.  Bellicard,  Obser- 

vations  sur  les  antiquites  d'Herculanum,  Taf.  6 553 


EINLEITUNG. 

Kapitel  I. 
Die  Lrage  von  Pompeji. 

Von  Gaeta,  wo  die  Volskerberge  steil  ins  Meer  abfallen,  bis 
zur  Halbinsel  von  Sorrent  öffnete  sich  in  unvordenklicher  Zeit 
ein  weiter,  tief  in  das  Land  einschneidender  Meerbusen.  Seine 
Wellen  bespĂĽlten  den  FuĂź  der  Berge,  die  jetzt,  steil  ansteigend, 
die  campanische  Ebene  östlich  begrenzen:  der  Tifata  bei  Capua, 
der  Taburnus  bei  Nola,  der  mächtige  Querriegel  des  Monte 
Santangelo  und  der  sich  ihm  anschlieĂźenden  Sorrentiner  Berge. 
Vulkanische  Kräfte  verwandelten  die  Meeresbucht  in  eine  frucht- 
bare Ebene.  Zwei  Spalten  der  Erdrinde  kreuzen  sich  hier,  beide 
bezeichnet  durch  eine  Reihe  teils  noch  tätiger,  teils  erloschener 
Vulkane.  Die  eine  läuft  in  der  Längenrichtung  der  Halbinsel : 
Monti  Berici  bei  Vicenza,  Monte  Amiata  bei  Chiusi,  Kraterseen 
von  Bolsena  und  Bracciano,  Albanergebirge,  Stromboli,  Ă„tna,  die 
andere  von  Ost  nach  West:  Vultur  bei  Vcnosa,  Ischia,  Ponza- 
inseln.  Den  Kreuzpunkt  bezeichnet  der  Vesuv,  der  einzige  noch 
tätige  Vulkan  des  europäischen  Festlandes. 

An  drei  Stellen  der  alten  Meeresbucht  kam  das  unterirdische 
Feuer  zum  Durchbruch.  Nahe  dem  Nordufer  erhob  sich  der 
mächtige  Vulkan  von  Rocca  Monfina;  sich  den  Volskerbergen 
anschlieĂźend  bildet  er  mit  dem  von  seinen  Auswurfsmassen 
ĂĽberschĂĽtteten  Mons  Massicus,  einst  einer  Meeresinsel,  die  Nord- 
grenze der  Ebene.  In  der  Mitte  entstanden  aus  den  zahlreichen 
kleinen  Feuerschlünden  der  phlegräischen  Felder  die  niedrigen 
Höhen,  denen  jetzt  das  Nordufer  ■  des  Golfs  von  Neapel  —  Posi- 
lipo,  Bajae,  Misenum  —  seinen  unvergleichlichen  landschaftlichen 
Reiz  verdankt.  Endlich  der  mächtige  Kegel  des  Vesuv,  nahe 
dem   Südrande,    aber    völlig    isoliert;    sein   Südostfuß    wird    vom 

M.1U.  Pompeji.     2.  Aufl.  I 


2  Pompeji. 

Meere  bespĂĽlt,  sonst  trennt  ihn  ringsum  fruchtbare  Ebene  von 
den  die  alte  Meeresbucht  einrahmenden  Bergen.  Doch  tritt  er 
diesen  im  Nordosten,  bei  Ottajano  und  Palma,  so  nahe,  daĂź  wir 
wohl  sagen  dĂĽrfen,  er  teilt  die  campanische  Ebene  in  zwei  Teile, 
den  größeren,  nordwestlichen,  vom  Volturnus  durchflossenen,  und 
den  kleineren  SĂĽdostwinkel,  das  Tal  des  Sarno. 


CAPREAE              ^            ,        ,      .  .. 
''^T^l^  


Fig.  I.     Karte  des  alten  Campanien. 


Der  Sarno  hat,  hierin  dem  umbrischen  Clitumnus  ver- 
gleichbar, keinen  Oberlauf;  er  entsteht  aus  fĂĽnf  am  FuĂźe  des 
Taburnus  aufsprudelnden  Quellen,  die  sich  nach  kurzem  Laufe 
zu  dem  wasserreichen  Flusse  vereinigen,  der  jetzt,  seit  1843, 
trefflich  kanalisiert,  durch  wohlgeordnete  Bewässerung  diese 
Ebene  zu  einem  der  fruchtbarsten  Teile  Italiens  macht.  Im 
Altertum  floĂź  er  in  einem  einzigen  Bett:  wir  schlieĂźen  dies 
daraus,  daĂź  er,  wie  Strabo  bezeugt,  schiATaar  war. 

Drei  Städte   teilten  sich   in   römischer  Zeit   in   den  Besitz  der 


I.    Die  Lage  von  Pompeji.  -i 

Sarnoebene.  Im  innersten  Winkel,  wo  sich  der  an  den  Golf  von 
Salerno  hinüberführende  Gebirgspaß  öffnet,  lag  Nuceria,  jetzt 
Nocera;  am  Meeresufer,  wo  sich  sĂĽdlich  die  KĂĽstenstraĂźe  nach 
Sorrent  abzweigt,  Stabiae,  jetzt  Castellammare ;  nördlich  am  Ab- 
hänge des  Vesuv  Pompeji,  auf  einer  den  Sarno  überragenden 
Höhe,  dem  Ende  eines  in  unvordenklicher  Zeit  meerwärts  ge- 
flossenen Lavastromes.  Es  vereinigte  so  die  Vorteile  des  leicht 
zu  befestigenden  Hügels  mit  denen  der  Hafenstadt.  > Pompeji«, 
sagt  Strabo,  »liegt  am  Sarnus,  auf  dem  Waren  ein-  und  aus- 
gefĂĽhrt  werden;    es    ist   der  Hafenplatz   fĂĽr   Nola,    Nuceria    und 


Fig.  2.    Vesuv  von  Neapel  aus  gesehen. 

Acerrae«.  Ein  Blick  auf  die  Karte  zeigt,  wie  sehr  Pompeji  ge- 
eignet war,  den  Seeverkehr  Nolas  und  Nucerias  zu  vermitteln. 
Rätselhaft  und  unglaublich  scheint  es,  daß  Acerrae,  dem  Neapel 
viel  näher  lag,  seine  Waren  rings  um  den  Vesuv  herum  an  den 
Sarno  gefĂĽhrt  und  von  dort  aus  bezogen  haben  soll.  Wie  dem 
auch  sei,  sicher  war  Pompeji  die  wichtigste  Stadt  des  Sarnotales. 
Pompeji  lag  sowohl  dem  Meere  als  dem  Flusse  näher  als  jetzt. 
Das  Meeresufer  ist  durch  die  Anschwemmungen  des  Flusses  im 
Laufe  der  Jahrhunderte  immer  weiter  vorgeschoben  worden. 
Jetzt  ist  es  etwa  2000  m  von  dem  nächsten  Punkte  der  Stadt 
entfernt,  im  Altertum  trat  es  bis  auf  500  m  an  sie  heran.  — 
Noch  jetzt  ist  an  einer  starken  Terrainsenkung  die  alte  KĂĽstcnlinie 
kenntlich,  und  nur  bis  hierher  liegen,  wie  durch  Nachgrabungen 
festgestellt  ist,  in  regelmäßiger  Schichtung  die  im  Jahre  79  vom 


A  Pompeji. 

Vesuv  ausgeworfenen  Verschüttungsmassen.  —  Der  Sarno  fließt 
jetzt  etwa  looo  m  von  Pompeji.  Man  ist  aber  bei  Ausgrabungen 
im  Jahre  1880  auf  einen  5 — 600  m  von  der  Stadt  entfernten 
Gebäudekomplex  gestoßen,  in  dem  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit 
die  Hafen  Vorstadt  vermutet  wird.  Ist  dies  richtig,  so  floĂź  hier 
damals  der  FluĂź. 

Klimatisch  und  landschaftlich  konnte  der  Punkt  nicht  besser 
gewählt  werden.  Aus  reiner,  heller  Luft  sah  der  Pompejaner 
hinab  auf  die  Nebel,  die  in  der  feuchten  Jahreszeit  häufig,  aus 
dem  Flusse  aufsteigend,  die  Ebene  verhüllen.  Und  während  das 
gegenĂĽberliegende  Stabiae,  am  Nordwestabhange  hoher  Berge, 
im  Winter  nur  während  kurzer  Tagesstunden  das  Sonnenlicht 
genoĂź,  liegt  der  StadthĂĽgel  von  Pompeji,  nach  Osten  und  SĂĽden 
sanft  abgedacht,  nach  Westen  steil  abfallend,  den  ganzen  Tag 
im  vollen  Himmelslicht.  Milde  und  kurz  ist  der  Winter,  lang 
F"rĂĽhling  und  Herbst,  milde  auch  der  Sommer.  DrĂĽckend  ist 
wohl  manchmal  in  den  ersten  Morgenstunden  die  Hitze.  Kein 
LĂĽftchen  rĂĽhrt  sich;  sehnsĂĽchtig  blicken  wir  hinaus  auf  die 
spiegelnde  Meeresfläche,  wo  fern  am  Horizont,  bei  Capri,  ein 
dunkler  Streifen  bewegter  Wellen  sichtbar  wird.  Näher  kommt 
er  und  näher.  Etwa  um  10  Uhr  erreicht  er  das  Ufer;  die  Blätter 
beginnen  zu  rauschen,  und  bald  bläst  kräftig,  erfrischend  und 
kĂĽhlend  der  Meerwind  ĂĽber  die  Stadt  hin.  Erst  kurz  vor  Sonnen- 
untergang legt  er  sich:  windstill  sind  die  ersten  Abendstunden: 
das  Pflaster  der  Straßen,  die  Mauern  der  Häuser  verbreiten  aus- 
giebig die  im  Laufe  des  Tages  eingesogene  Sonnenglut.  Aber 
nicht  lange.  Wieder  rauscht  es  in  den  Wipfeln  —  es  mag  neun 
Uhr  sein  —  und  von  den  Bergen  des  Binnenlandes  herab  zieht 
die  Nacht  hindurch  ein  leiser,  kühler  Luftstrom  durch  die  Gärten, 
die  luftigen  Atrien  und  Portiken  der  Häuser,  die  stillen  Straßen 
und  die  Hallen  des  Forums.  Unvergleichlich  ist  der  Zauber 
einer  solchen  Sommernacht. 

Wie  soll  ich  es  versuchen,  dem  Leser  einen  Begriff  zu  geben 
von  dem  landschaftlichen  Reiz  der  Lage  Pompejis?  Zu  schwach 
sind  Worte  gegenüber  der  überwältigenden  Wirklichkeit.  Meer, 
Gebirge  und  Ebene,  ernste  und  freundliche  Motive,  groĂźe 
Formen  und  glĂĽhende,  aber  doch  harmonisch  gestimmte  Farben, 
mächtige  Nahwirkungen  und    duftige  Fernen,    unberührte   Natur 


I.  Die  I^age  von  Pompeji.  e 

und  blĂĽhende  menschliche  Ansiedelung:  alles  dies  vereinigt  sich 
zu  einem  Landschaftsbilde  groĂźen  Stils,  dem  sich  nicht  leicht 
ein  anderes  an  die  Seite  stellen  kann.  Blicken  wir  nach  SĂĽden, 
so  haben  wir  zu  unseren  Füßen  die  völlig  horizontale  Sarno- 
ebene,  belebt  wie  jetzt  so  vermutlich  schon  im  Altertum  durch 
zahlreiche,  von  Bäumen  umgebene  Gehöfte.  Jenseits  der  Ebene 
die  hohe  Bergwand  des  Monte  Santangelo,  fast  ganz  bewaldet, 
mit   schönem,    langgeschwungenem   Profil,    nur   an   einer   Stelle, 


P'ig.  3.     Blick  V(.ii   Fomiieji  nach  SĂĽden. 

mehr  nach  rechts,  in  kahlen,  schroffen  Zacken  aufragend.  Unten 
reiche  Gliederung:  in  tief  einschneidenden  Tälern,  auf  vorspringen- 
den HĂĽgeln  und  stufenartig  ansteigenden  Terrassen  winken  hier 
zwischen  Wein-  und  Ülpflanzungen  freundliche  Ortschaften  — 
Gragnano,  Lettere  —  so  nahe,  daß  wir  die  einzelnen  Häuser 
deutlich  unterscheiden.  Weiter  rechts,  westlich,  öffnet  sich  die 
Sarnoebene  auf  das  Meer;  die  flache  KĂĽste  ist  wirkungsvoll 
belebt  durch  die  zackige  kleine  Felseninsel  Revigliano;  die  die 
Ebene  begrenzenden  Berge  setzen  sich  fort   in  der  steilen  KĂĽste 


6  Pompeji, 

der  Sorrentiner  Halbinsel.  Auch  hier  reiche  Gliederung.  Eine 
Bergmasse  schiebt  sich  hinter  die  andere,  dazwischen  Ortschaften 
inmitten  ihrer  Ă–lpflanzungen:  bald  sind  die  stufenweise  zum  Meer 
absteigenden  HĂĽgel  bis  unten  hin  bewachsen,  bald  ist  von 
den  schroffen  Abhängen  das  Erdreich  abgestürzt  und  tritt  der 
nackte  Fels  zutage,  rötlich  schimmernd  im  Glanz  der  Abend- 
sonne, wunderbar  gestimmt  zu  dem  dunklen  Laub  und  der  tief- 
blau leuchtenden  Meerflut.  Matter,  duftiger  werden  weiterhin  die 
Farben;  es  bedarf  schon  schärferen  Hinblickens,  um  oberhalb 
der  steil  abfallenden  FelskĂĽste  Sorrent  zu  erkennen.  Und  wo 
die  Halbinsel  endet,  da  kommt,  teilweise  von  ihr  verdeckt,  Capri 
zum  Vorschein,  die  phantastisch  geformte,  hochaufragende  Felsen- 
insel, hell  beglänzt  von  der  scheidenden  Sonne.  Und  wenden 
wir  uns  nun  noch  weiter  rechts,  nach  Norden,  da  schwindet  all 
die  bunte  Herrlichkeit;  nichts  weiter  sehen  wir  als  den  mächtig 
die  Ebene  und  die  Stadt  ĂĽberragenden  Kegel  des  groĂźen  Zer- 
störers, des  Vesuv.  In  tiefes  Violett  hüllt  die  scheidende  Sonne 
den  kahlen  Aschenkegel,  goldig  glänzend  hebt  sich  die  Rauch- 
wolke von  seinem  Gipfel.  Weiter  unten  Rebengelände  und  weiße 
Häuser  zwischen  dem  grünen  Laub.  In  großartig  einfacher  Linie 
senkt  sich  das  Profil  des  Berges  zum  Meere;  kurz  ehe  es  die 
blaue  Flut  erreicht,  kommen  hinter  ihm  ferne,  in  Duft  gehĂĽllte 
Berge  zum  Vorschein,  erst  niedrig,  dann  weiter  ins  Meer  hinein 
höher  aufragend:  es  sind  die  die  Nordküste  des  Golfes  begleiten- 
den Höhen:  der  Gaurus,  jetzt  bekrönt  von  dem  wegen  seiner 
herrlichen  Aussicht  berühmten  Kloster  Camaldoli,  die  Höhen 
um  Bajae,  das  steil  abstĂĽrzende  Cap  Misenum  und  endlich,  den 
AbschluĂź  bildend,  der  gewaltige  Kegel  des  Epomeo  auf  Ischia. 
So  umfaĂźt  das  Auge  die  ganze  Ă–ffnung  des  weiten  Golfes. 
Zwischen  diesen  fernen  Höhen  und  dem  Abhänge  des  Vesuv 
verbirgt  sich  Neapel. 

Aber  unterdes  ist  die  Sonne  hinter  Misenum  versunken:  ihre 
letzten  Strahlen  treffen  die  Rauchwolke  des  Vesuv  und  die  Zacken 
des  Monte  Santangelo.  Verschwunden  ist  die  leuchtende  Farben- 
pracht, das  ermĂĽdete  Auge  ruht  in  der  sanften  Abendstimmung. 
Auch  wir  nehmen  Abschied  von  der  Naturschönheit  des  Vesuv- 
abhanges und  wenden  uns  zur  Betrachtung  der  Anfänge  der  hier 
gegrĂĽndeten  Stadt. 


Kapitel  11. 
Pompeji  vor  der  VerschĂĽttung. 

Wir  wissen  nicht,  wann  Pompeji  entstanden  ist.  DaĂź  ein  zur 
StadtgrĂĽndung  so  vorzĂĽglich  geeigneter  Platz  frĂĽhzeitig  besetzt 
wurde,  ist  mehr  als  wahrscheinlich.  Das  älteste  Gebäude,  der 
dorische  Tempel  auf  dem  Forum  trianguläre,  zeigt  den  Stil  des 
6.  Jahrh.  v.  Chr.:  wir  werden  annehmen  dĂĽrfen,  daĂź  damals  die 
Stadt  schon  bestand.  Die  GrĂĽnder  waren  Osker,  ein  weitverbrei- 
teter Zweig  des  italischen  Volksstammes,  dessen  der  lateinischen 
verwandte  Sprache  aus  einer  beträchtlichen  Anzahl  von  Inschriften 
mangelhaft  bekannt  ist,  so  mangelhaft,  daß  in  jeder  größeren 
Inschrift  Worte  vorkommen,  deren  Bedeutung  dunkel  oder  doch 
zweifelhaft  bleibt.  Aus  dieser  Sprache  stammt  auch  der  Name 
der  Stadt:  ponipe  heiĂźt  im  Oskischen  fĂĽnf.  Wenn  wir  annehmen 
dĂĽrften,  was  freilich  ungewiĂź  ist,  daĂź,  wie  der  lateinische,  so  auch 
der  einheimische  Name  —  überliefert  ist  nur  das  von  ihm  ab- 
geleitete Adjektiv  po7Hpaiians^  pompejanisch  —  pluralische  Form 
hatte,  so  wäre  wohl  von  dem  Zahlwort  zunächst  der  Geschlechts- 
name Pompeius  (lateinisch  wĂĽrde  er  Quinctius  heiĂźen)  und  erst 
von  diesem  der  Stadtname  abgeleitet,  Pompeji,  die  Stadt  des 
Geschlechts  der  Pompejer,  wie  Tarquinii  die  Stadt  der  Tarquinier, 
Veji  die  Stadt  der  Vejer.  Und  noch  bis  in  die  letzte  Zeit  war 
der  Name  Pompeius  in  Pompeji,  sowie  auch  sonst  in  Campanien. 
namentlich  in  Puteoli,  ein  sehr  häufiger. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  kurz  die  Hauptpunkte  der  Geschichte 
Campaniens.  Von  dem  ältesten,  oskischen  Pompeji  wissen  wir 
sehr  wenig.  Der  älteste  Tempel  der  Stadt  (s.  unten  Kap.  XX) 
ist  erbaut  in  dem  dorischen  Stil  der  unteritalisch -griechischen 
Tempel  des  6.  Jahrh.  v.  Chr.  Es  scheint  also,  daĂź  damals,  w  ie 
an  sich  wahrscheinlich,  Pompeji  unter  dem  EinfluĂź  der  frĂĽhzeitig 
in  Cumae,    Dicaearchia  (Puteoli),    Parthenope    Neapel)  ansässigen 


8  Pompeji. 

Griechen  stand.  Dann  ist  —  wir  wissen  nicht  recht  wann  — 
Campanien  von  den  Etruskern  unterworfen  worden.  DaĂź  ihre 
Herrschaft  sich  auch  ĂĽber  Pompeji  erstreckte,  bezeugt  Strabo, 
und  es  wird  bestätigt  durch  Gebäudereste  —  zwar  nur  sehr  ge- 
ringe —  etruskischen  Charakters,  von  denen  weiterhin  die  Rede 
sein  soll.  Die  etruskische  Herrschaft  in  Campanien  —  es  wird 
mehr  eine  Herrschaft  kriegerischer  Geschlechter  als  eine  eigent- 
liche Besiedelung  gewesen  sein  —  erlag  gegen  das  Ende  des 
5.  Jahrh.  den  aus  dem  Gebirge  in  die  KĂĽstenebene  vordringenden 
Samniten,  Stammverwandten  der  Osker.  Im  J.  424  fiel  Capua; 
420  erstĂĽrmten  sie  das  griechische  Cumae.  Auch  Pompeji  wird 
damals  in  ihre  Hand  gefallen  sein.  Aber  auch  sie  entzogen  sich 
nicht  dem  EinfluĂź  der  griechischen  Kultur.  Griechische  Gott- 
heiten —  Apollo,  Zeus  Meilichios  —  wurden  in  Pompeji  verehrt, 
mit  griechischen  Namen  sind  auf  dem  Eichtisch  die  NormalmaĂźe 
bezeichnet.  Schon  nach  weniger  als  hundert  Jahren  fĂĽhrte  der 
Gegensatz  zwischen  den  gebildeten,  ĂĽppigem  Wohlleben  ergebenen 
Campanern  und  den  rauheren  und  streitbareren,  im  Gebirge  zu- 
rückgebliebenen Stammesgenossen  zu  neuen  Kämpfen  und  damit 
zur  Einmischung  Roms,  welches  in  den  samnitischen  Kriegen 
(342 — 290)  beide  Teile  seiner  Herrschaft  unterwarf.  Herrschaft  in 
Form  eines  ewigen  Bündnisses,  mit  Selbstverwaltung  der  Städte. 
Erst  der  »Bundesgenossenkrieg«  (go — 88)  und  das  Unterliegen 
der  Samniten  in  ihrem  im  Bunde  mit  der  römischen  Volkspartei 
unternommenen  Verzweiflungskampf  fĂĽhrte  mit  dem  Siege  Sullas 
zur  vollständigen  Unterwerfung  und  Romanisierung  Campaniens. 
Pompeji  wird  bei  allen  diesen  Vorgängen  nicht  eben  häufig 
genannt.  Wir  hören  aus  dem  zweiten  Samniterkriege,  im  J.  310, 
von  der  Landung  einer  römischen  Flotte  unter  P.  Cornelius  in 
der  Sarnomündung  und  einem  Plünderungszug  stromaufwärts  bis 
Nuceria,  der  aber  unrĂĽhmlich  verlief,  da  das  Landvolk  die  PlĂĽn- 
derer ĂĽberfiel  und  ihnen  die  Beute  wieder  abnahm.  Es  fehlt  an 
einer  ausdrĂĽcklichen  Nachricht  ĂĽber  das  Verhalten  Pompejis  nach 
der  Schlacht  von  Cannae  (216);  wahrscheinlich  schloĂź  es  sich 
Hannibal  an,  der  aber  schon  im  folgenden  Jahre,  bei  Nola  von 
M.  Marcellus  besiegt,  Campanien  den  Römern  überlassen  mußte. 
Bestimmter  wissen  wir,  daĂź  im  Bundesgenossenkriege,  als  im 
Sommer  90  das  samnitische  Heer  in  Campanien  einrĂĽckte,   auch 


II.    Pompeji  vor  der  Verschattung.  q 

Pompeji  sich  den  Aufständischen  anschloß  und  im  Jahre  89  von 
Sulla  vergeblich  belagert  wurde.  Sulla  zog  dann  im  Jahre  87 
nach  Asien  gegen  Mithradates.  Im  FrĂĽhjahr  83  siegreich  zurĂĽck- 
gekehrt, rückte  er  zunächst  nach  Campanien  und  verbrachte  hier 
mit  seinem  Heere  den  Winter  83 — 82 ;  auch  für  Pompeji  mögen 
seine  durch  den  asiatischen  Krieg  verwilderten  Truppen  schlimme 
Gäste  gewesen  sein.  Den  Abschluß  dieser  Kämpfe  bildete  eine 
im  Jahre  80  v.  Chr.  nach  Pompeji  gesandte  Veteranenkolonie. 
P.  Sulla,  ein  Neffe  des  Diktators,  war  mit  ihrer  Ansiedelung  und 
der  Neuordnung  des  Gemeinwesens  beauftragt;  er  erledigte  sich 
seiner  Aufgabe  in  billiger  und  verständiger  Weise,  so  daß  auch 
die  Altbürger  dankbar  seiner  Tätigkeit  gedachten.  Wir  erfahren 
alles  dies  aus  einer  Rede  Ciceros,  in  der  er  den  P.  Sulla  gegen 
die  Beschuldigung  verteidigt,  als  sei  er  an  der  Verschwörung 
Catilinas  beteiligt  gewesen  und  habe  auch  die  AltbĂĽrger  von  Pom- 
peji zum  AnschluĂź  an  dieselbe  verleiten  wollen.  Wir  erfahren 
aus  eben  dieser  Rede,  daĂź  in  der  ersten  Zeit  nach  GrĂĽndung  der 
Kolonie  Streitigkeiten  stattfanden  zwischen  den  AltbĂĽrgern  und 
Kolonisten  über  die  öffentlichen  Spaziergänge  (ambiilationes)  und 
ĂĽber  die  Abstimmungen,  Letztere  werden  wohl  so  geordnet  ge- 
wesen sein,  daĂź  die  Entscheidung  immer  bei  den  Kolonisten  lag. 
Der  Streit  wurde  den  Patronen  der  Kolonie  vorgelegt  und  von 
ihnen  geschlichtet.  Damit  war  die  Geschichte  Pompejis  zum  Ab- 
schluĂź gekommen;  sein  Leben  ist  von  nun  an  nicht  verschieden 
von  dem  anderer  italischer  Kleinstädte. 

Da  der  Sarno,  der  Pompeji  als  Hafen  diente,  nicht  unmittel- 
bar bei  der  Stadt,  sondern  in  einiger  Entfernung  floĂź,  so  muĂźte 
notwendig  am  Landungsplatz  eine  kleine  Ansiedelung,  eine  Hafen- 
vorstadt entstehen.  Wahrscheinlich  ist  diese  in  einem  Gebäude- 
komplex zu  erkennen,  der  in  den  Jahren  1880  und  1881  etwa 
5 — 600  m  von  dem  Stabianer  Tor,  eben  jenseits  des  Sarnokanals 
(Canale  del  Bottaro)  teilweise  ausgegraben  wurde.  Man  fand  hier 
eine  groĂźe  Anzahl  von  Skeletten  und  bei  ihnen  eine  Menge  von 
Goldschmuck,  der  später  in  das  Neapeler  Museum  gelangt  ist. 
Die  Vermutung  liegt  nahe,  daĂź  hier  der  Hafen  war,  zu  dem  alle 
diese  Personen,  mit  ihren  Kostbarkeiten  beladen,  aus  Pompeji 
geflĂĽchtet  waren,  um  sich  entweder  einzuschiffen  oder  weiter  sĂĽd- 
wärts zu  fliehen.    Keines  von  beiden  eelane  ihnen.    W^enn  Schiffe 


lO  Pompeji. 

dort  waren,  so  waren  auch  sie  von  den  Auswurfsmassen  ĂĽber- 
schĂĽttet. Und  die  BrĂĽcke,  die  doch  vermutlich  eben  dort  ĂĽber 
den  FluĂź   fĂĽhrte,    mochte  durch   das  Erdbeben  eingestĂĽrzt  sein. 

Eine  zweite  Vorstadt  war  am  Meeresstrande  entstanden,  im 
Anschluß  an  die  dort  befindlichen  städtischen  Salinen.  Ihre  Be- 
wohner, die  Salinenses,  lernen  wir  kennen  aus  einigen  gemalten 
Wandinschriften,  in  denen  sie  Kandidaten  für  die  städtischen 
Ämter  empfehlen,  und  aus  einer  in  den  Stuck  einer  Säule  in 
einem  Privathause  eingekratzten  Inschrift,  in  der  ein  Tuchwalker, 
fullo^  namens  Crescens  ihnen  einen  GruĂź  zuruft:  Cresce[n)s  fullo 
Salme[n)sibus  salute[m).  Einer  anderen  Wandinschrift  entnehmen 
wir,  daĂź  dort  eine  Versammlung,  conventus,  stattfand,  vielleicht 
ein  Gerichtstag;  denn  eben  jene  Inschrift  spricht  auch  von  einer 
Geldstrafe  (multa)  von  20  Sesterzen  (3^/2  Mark):  VII  k.-dec.  sa- 
linis  in  conventu^  multa  IIS  XX.  Dies  war  am  25.  November. 
Von  dem  Besuch  einer  solchen  Versammlung  am  21.  November 
berichtet  eine  andere  Inschrift:  XIII  k.  dec.  in  conventu  veni. 
Vielleicht  sind  Reste  dieser  Vorstadt  zu  erkennen  in  Gebäuden, 
die  in  den  Jahren  1901  und  1902  in  der  Ausdehnung  von  mehr 
als  50  m  am  alten  Meeresstrande  entlang  (oben  S.  3),  etwa  i  km 
von  Pompeji  entfernt,  ausgegraben  wurden:  eine  Reihe  von  Ta- 
bernen  mit  dahinter  liegenden  Räumen  und  ein  großes,  offenbar 
zu  einer  Villa  gehöriges  Peristyl.  In  dieser  Gegend  dürfen  wir 
die  Salinen  vermuten. 

Eine  dritte  Vorstadt,  die  bekannteste  von  allen,  ist  der  Pagus 
Felix  Suburbanus,  später,  seit  der  Zeit  des  Augustus,  Pagus 
Augustus  Felix  Suburbanus  genannt.  Seine  Lage  ist  unbekannt. 
Da  er  seinen  Namen  Felix  wahrscheinlich  von  Sulla,  der  ihn  ja 
auch  fĂĽhrte,  erhalten  hat,  so  darf  vermutet  werden,  daĂź  seine 
Gründung  im  Zusammenhang  steht  mit  der  der  römischen  Kolonie 
und  er  entstanden  ist  durch  die  Ansiedelung  der  zu  Gunsten  der 
Kolonisten  aus  der  Stadt  vertriebenen  BĂĽrger. 

Eine  vierte  Vorstadt  ist  zu  erschlieĂźen  aus  zwei  gemalten 
Inschriften,  in  denen  Kandidaten  für  die  städtischen  Wahlen  em- 
pfohlen werden  von  den  Campanienses:  ein  Name  unter  dem 
nicht  gut  etwas  anderes  verstanden  werden  kann,  als  die  vermut- 
lich  aus  Capua   stammenden  Bewohner   eines  Pagus  Campanus. 

Von  der  städtischen  Verfassung  Pompejis  wissen  wir  aus  der 


II.   Pompeji  vor  der  Verschattung. 


ältesten  Zeit,  vor  der  Eroberung  durch  die  Samniten,  gar  nichts. 
Aus  der  samnitischen  Zeit  und  namentlich  wohl  aus  der  Zeit  der 
Bundesgenossenschaft  mit  Rom,  seit  290,  nennen  die  Inschriften 
verschiedene  Behörden:  einen  Stadtrat  {kombennioni^  conventus): 
ein  Stadtoberhaupt  (viediss^  vtediss  tovtiks]\  Quästoren,  die  wohl, 
wie  die  römischen,  das  Finanzwesen  unter  sich  hatten,  aber  auch 
Bauten  ausfĂĽhren  lieĂźen;  Ă„dilen,  denen  die  Sorge  fĂĽr  Wege  und 
Bauten,  auch  wohl  die  Marktpolizei  oblag.  Die  Namen  dieser 
letzteren  Behörden  sind  den  römischen  nachgebildet  und  stammen 
wohl  sicher  aus  der  Zeit  der  Abhängigkeit. 

Als  römische  Kolonie  hieß  Pompeji 
Colonia  Cornelia  Veneria  Pompcianornm^ 
so  genannt  nach  dem  Geschlechtsnamen 
des  Diktators  Sulla  (Lucius  Cornelius 
Sulla  Felix)  und  der  von  ihm  als  Venus 
Felix  verehrten  Göttin,  die  nun  als 
Venus  Pompeiana  Schutzgöttin  der  Stadt 
wurde.  Das  Aussehen  ihres  Kultbildes 
kennen  wir  aus  ziemlich  zahlreichen 
Wandgemälden.  Sie  ist  weniger  eine 
Liebesgöttin,  als  eine  Göttin  des  Glückes 
und  Gedeihens;  als  solche  bezeichnen 
sie  das  Steuerruder  —  sonst  Attribut 
der  Fortuna  —  und  der  Ölzweig  in 
ihrer  rechten  Hand.  Als  Stadtgöttin 
trägt  sie  die  Mauerkrone,  in  anderen 
Gemälden  deutlicher  als  in  unserer  Ab- 
bildung. Neben  ihr  steht  Amor  mit  dem 
Spiegel;  dieser  und  das  Zepter  sind  bekannte  Attribute  der  Venus. 

Die  oberste  Behörde  waren  in  römischer  Zeit,  wie  in  allen 
römischen  Kolonien,  die  Dekurionen,  der  Stadtrat.  Die  Verwaltung 
fĂĽhrten  zwei  Beamtenpaare:  die  rechtsprechenden  Duumvirn  {duo- 
viri  iuri  dicundo)  und  die  Adilcn,  denen  Marktpolizei  und  Sorge 
für  Straßen  und  öffentliche  Gebäude  oblag.  Wo  beide  Behörden 
gemeinsam  auftreten,  werden  sie  auch  zusammenfassend  Ouattuor- 
virn,  Viermänner  genannt.  Es  scheint,  daß  bis  in  die  Kaiserzeit 
hinein  die  Adilen  offiziell  nicht  diesen,  sondern  einen  anderen. 
uns  nur  in  AbkĂĽrzunsf  ĂĽberlieferten  Titel   fĂĽhrten:    Duoviri  :â– .  a. 


Venus  Pompejana.      Nach 
einem  Wandgemälde. 


1 2  Pompeji. 

sacr.  p.  proc.^  d.  h.  wahrscheinlich:  viis  acdibiis  sacris  publicis 
procurandis^  Duumvirn  zur  Besorgung  der  StraĂźen,  der  Tempel, 
der  öffentlichen  religiösen  Feiern.  Man  wollte  wohl  den  schon 
zur  Zeit  der  Autonomie  übHchen  Titel  »Ädilen«  vermeiden,  um 
jede  Erinnerung  an  diese  Zeit  zu  unterdrĂĽcken.  Doch  blieb  er 
im  nicht  offiziellen  Gebrauch,  z.  B.  in  den  auf  die  Wände  ge- 
malten Wahlempfehlungen,  und  drang  schlieĂźlich  auch  wieder  in 
den  offiziellen  Sprachgebrauch  ein.  Die  Duumvirn  jedes  fĂĽnften 
Jahres  hießen  Duoviri  quinquennales^  fünfjährige  Duumvirn.  Ihre 
Kompetenz  entsprach  der  des  römischen  Zensors:  Finanzgeschäfte, 
Revision  der  Rats-  und  BĂĽrgerliste. 

Alle  diese  Beamten  wurden  jährlich  vom  Volke  gewählt.  Von 
den  Wahlbezirken  (Kurien),  in  die  Pompeji  zu  diesem  Zweck  ge- 
teilt sein  muĂźte,  ist  nichts  ĂĽberliefert.  Die  Kandidaten  meldeten 
sich  vorher.  Meldeten  sich  keine,  oder  zu  wenige  —  die  Ämter 
waren  nicht  nur  unbesoldet,  sondern  auch  mit  der  Verpflichtung 
zu  kostspieligen  Leistungen  (Schauspielen  und  Bauten)  verbunden 
—  so  präsentierte  der  Vorsitzende  Beamte  die  fehlenden;  der  so 
präsentierte  durfte  einen  Gegenkandidaten,  dieser  einen  dritten 
Kandidaten  ernennen.  Der  Wahlmodus  war  schriftlich,  indem 
jeder  Wähler  sein  Stimmtäfelchen  in  die  Urne  seiner  Kurie  warf; 
zu  einer  gĂĽltigen  Wahl  war  die  absolute  Mehrheit  der  Kurien 
erforderlich.  Kam  nun  eine  gĂĽltige  Wahl  nicht,  oder  nicht  fĂĽr 
alle  Stellen  zustande,  so  ernannte  der  Dekurionenrat  einen  auĂźer- 
ordentlichen Beamten,  der  den  Titel  Präfekt  führte:  Praefectus 
iuri  dicundo.  Ein  solcher  wurde  auch  ernannt,  wenn  einmal 
besondere  Verhältnisse  eine  außerordentliche  Behörde,  eine  Art 
Diktatur,  nötig  machten,  endlich  auch  wenn  der  Kaiser  die  Wahl 
angenommen  hatte:  doch  stand  wohl  sicher  in  diesen  beiden 
Fällen  die  Ernennung  dem  Kaiser  zu.  So  war  in  den  Jahren  34 
und  40  n.  Chr.  Caligula  Duumvir  von  Pompeji;  die  Geschäfte 
aber  wurden  durch  einen  Präfekten  besorgt.  Ein  in  der  letzten 
Zeit  der  Republik  auf  Vorschlag  eines  Petronius  angenommenes 
Gesetz  enthielt  Bestimmungen  über  die  Ernennung  des  Präfekten; 
der  auf  Grund  desselben  ernannte  Präfekt  hieß  Praefectus  ex  lege 
Petronia. 

Natürlich  gab  es  in  Pompeji  auch  städtische  Priester;  aber 
nur  von  wenigen  derselben  melden  die  Inschriften.    Wir  erfahren 


II.    Pompeji  vor  der  Verschattung.  I  -i 

von  Augurn  und  Pontifices,  von  einem  Priester  des  Mars,  von 
Priestern  {fla7nen^  sacerdos)  des  Augustus  schon  bei  seinen  Leb- 
zeiten. In  späterer  Zeit  hatte  Nero  schon  als  Kronprinz  einen 
Priester.  Auch  von  städtischen  Priesterinnen  erfahren  wir:  Prie- 
sterinnen der  Ceres,  eine  der  Ceres  und  Venus,  wieder  andere, 
deren  Gottheiten  nicht  genannt  werden.  Sie  wurden  vom  Deku- 
rionenrat  aus  den  ersten  Familien  der  Stadt  gewählt. 

Die  Vorstädte  hatten  schwerlich  getrennte  Verwaltung,  sondern 
standen  unter  den  städtischen  Behörden.  Der  Pagus  Augustus 
Felix  hatte  Magistri,  Ministri  und  Pagani.  Aber  wahrscheinlich 
hatten  alle  diese  nur  gottesdienstliche  Funktionen  und  pflegten 
namentlich  den  Kaiserkultus.  Die  Magistri  und  Pagani  sind,  wenig- 
stens zum  Teil,  Freigelassene,  die  Ministri  (gestiftet  7  v.  Chr.)  sind 
vier  Sklaven. 

AuĂźer  dem  Seehandel  waren  fĂĽr  Pompeji  eine  wichtige  Nah- 
rungsquelle die  Produkte  seines  fruchtbaren  Bodens.  Auf  der 
gegen  den  Vesuv  zu  sich  fortsetzenden  Höhe  wurde,  wie  noch 
heute,  reichlicher  Weinbau  betrieben;  zahlreiche  Weinamphoren 
geben  Zeugnis  davon,  neuerdings  auch  zwei  in  Villen  oberhalb 
Pompejis,  bei  Boscoreale  und  eine  in  Pompeji  selbst  gefundene 
Kelter.  Plinius  erwähnt  öfter  den  pompejanischen  Wein,  sagt 
ihm  aber  nach,  daĂź  sein  GenuĂź  Kopfschmerz  bis  zum  Mittag 
des  folgenden  Tages  bewirke.  Auch  Ol  wurde  gebaut,  freilich 
wohl  in  geringerem  Umfange:  wir  schlieĂźen  dies  aus  den  kleinen 
Verhältnissen  der  Ölpresse  und  sonstigen  Vorrichtungen  zur  Öl- 
bereitung  in  der  größeren  Villa  von  Boscoreale.  Jetzt  wird  Öl 
bei  Pompeji  kaum  noch  gebaut.  Unten  in  der  Ebene  aber  wurde 
GemĂĽsebau  betrieben;  mehrfach  rĂĽhmen  alte  Schriftsteller  Kohl 
und  Zwiebeln  von  Pompeji. 

Eine  blĂĽhende  Industrie  knĂĽpfte  sich  an  die  Verwertung  der 
Produkte  des  Fischfanges:  die  in  der  antiken  Gastronomie  eine 
so  bedeutende  Rolle  spielenden  Fischsaucen,  ganmi  und  liquaincn, 
wurden  hier  in  vorzüglicher  Qualität  fabriziert.  Und  zwar  scheint 
es,  daĂź  diese  Industrie  fast  ganz  in  der  Hand  eines  gewissen 
Umbricius  Scaurus  konzentriert  war:  zahlreiche  TonkrĂĽge  sind 
erhalten,  die  nach  den  Aufschriften  seine  Fabrikate  enthielten. 

Endlich  wurden  auch  die  vulkanischen  Produkte  des  Vesuvs 
verwertet.    Pompejanischer  Bimstein  bildete  einen  Ausfuhrartikel. 


u 


Pompeji. 


Aus  der  Lava  wurden  Ă–l-  und  KornmĂĽhlen  verfertigt,  die  zur 
Zeit  des  älteren  Cato,  der  es  in  seiner  Schrift  über  den  Acker- 
bau bezeugt,    exportiert  wurden.     Auch   in   Pompeji  selbst  sind 


Fig.  5.     Amphoren. 


die  Mühlsteine  älterer  Zeit  aus  Vesuvlava;  später  fand  man  die 
Lava  des  Vulkans  von  Roccamonfina  fĂĽr  diesen  Zweck  geeig- 
neter und  bezog  von  dort  die  MĂĽhlsteine  auch  fĂĽr  den  eigenen 
Gebrauch.    Jene  älteren,  einheimischen  Mühlen  zeichnen  sich  aus 


II.   Pompeji  vor  der  VerschĂĽttung.  I  e 

durch  sorgfältigere  Arbeit  und  schöne  Form  gegenüber  den  grob 
gearbeiteten  und  häßlichen  Produkten  von  Roccamonfina.  Die 
VorzĂĽglichkeit  dieser  letzteren  beruht  auf  den  vielen  in  der  Lava 
enthaltenen  Leucitkrystallen,  die,  bei  der  Abnutzung  ausbrechend, 
dem  Steine  lange  die  nötige  Rauheit  erhielten.  Mühlsteine  aus 
Roccamonfina  sieht  man  mehrfach  auch  in  Rom,  z.  B.  im  Museum 
der  Diocletiansthermen. 

Zu  den  Nahrungsquellen  Pompejis  dĂĽrfen  wir  endlich  rechnen, 
daß  reiche  Römer,  angezogen  durch  das  herrliche  Klima,  hier 
ihre  Villen  anlegten.  So  Cicero,  der  sein  Pompeianum  öfter  er- 
wähnt. Daß  auch  die  kaiserliche  Familie  hier  eine  Villa  besaß, 
erfahren  wir  durch  das  seltsame  Ende  eines  Sohnes  des  Claudius, 
namens  Drusus,  der  in  Pompeji  an  einer  Birne  erstickte,  die  er 
in  die  Höhe  warf  und  mit  dem  Munde  auffing.  Diese  Villen 
lagen  wohl  z.  T.  am  Meeresstrande  —  wir  wissen  nicht,  wie  weit 
sich  hier,  gegen  Neapel  zu,  das  Gebiet  Pompejis  erstreckte  — 
z.  T.  auf  dem  Höhenrücken  gegen  den  Vesuv,  und  vorzugs- 
weise auf  der  dem  Meere  zugewandten  Seite  desselben.  Ganz 
willkĂĽrlich  aber  ist  es,  wenn  man  einer  im  vorigen  Jahrhundert 
ausgegrabenen  und  wieder  verschütteten  Villa  den  Namen  »Villa 
des  Cicero«  gegeben  hat. 

Salve  hierum^  Willkommen  Gewinn!  lautet  die  Inschrift,  die 
ein  Pompejaner  in  dem  FuĂźboden  seines  Hausflurs  anbringen 
lieĂź,  und:  Lucrum  gaudiiwi ^  der  Gewinn  ist  eine  Freude,  lesen 
wir  an  derselben  Stelle  in  einem  anderen  Hause,  Wir  sehen, 
daĂź  es  in  der  Tat  an  Gelegenheit  zu  Gewinn  nicht  fehlte. 

Die  Einwohnerzahl  Pompejis  zur  Zeit  der  Verschüttung  läßt 
sich  nicht  mit  einiger  Sicherheit  bestimmen.  Sorgfaltige  Schätzung 
aller  Häuser  und  Räume  würde  vielleicht  zu  einem  annähernd 
sicheren  Resultate  fuhren;  bis  jetzt  ist  ein  solches  nicht  erreicht. 
Fiorelli  schätzte  die  Stadt  auf  12000,  Nissen  auf  20000  Ein- 
wohner; letztere  Zahl  mag  der  Wahrheit  näher  kommen,  sie 
vielleicht  noch  nicht  ganz  erreichen. 

Diese  Bevölkerung ,  war  eine  stark  gemischte.  Daß  das 
oskische  Element  weder  ausgestorben  noch  ganz  assimiliert  war, 
beweisen  oskische  Wandinschriften  auf  Wänden  letzten  Stiles. 
Seit  der  Zeit  der  römischen  Kolonie  fand  ohne  Zweifel  Zufluß 
aus   verschiedenen  Teilen  Italiens   statt.     Die  Stärke  des  wriechi- 


i6 


Pompeji. 


sehen  Elements  erhellt  aus  den  vielen  griechischen  Namen  z.  B. 
in  den  Quittungstafeln  des  Caecilius  Jucundus  und  aus  zahlreichen 

griechischen  Inschriften  auf 
Wänden  und  Amphoren.  Die 
Griechen  mochten  zum  Teil 
aus  den  benachbarten  Städten 
stammen;  die  meisten  aber 
waren  wohl  Freigelassene.  DaĂź 
wir  auf  den  Tafeln  des  Jucun- 
dus auch  einen  Alexandriner 
finden,  kann  in  einer  Seestadt 
nicht  wunder  nehmen.  An 
Orientalen  fehlte  es  nicht,  und 
auch  ein  keltischer  Name  (Cis- 
sonius)  begegnet  in  den  Wand- 
inschriften. 

Von  Christen  in  Pompeji 
hat  sich  bis  jetzt  keine  sichere 
Spur  gefunden,  wohl  aber  von 
Juden.  Sodoma  ^  Gomora  war 
eingekratzt  in  eine  Wand  in 
einem  bescheidenen  Hause 
(IX,  I,  26);  nur  ein  Jude  oder 
ein  Christ  konnte  dies  schreiben ; 
es  klingt  wie  eine  Prophezeihung 
des  Endes  der  Stadt. 

Ein  merkwĂĽrdiges  Wand- 
gemälde (Fig.  6)  stellt  das  »Ur- 
teil Salomons«  dar.  Rechts 
auf  einem  Tribunal  der  recht- 
sprechende König  mit  zwei 
Beisitzern;  hinter  ihm  und  ne- 
ben dem  Tribunal  einige  Sol- 
daten. Einer  derselben  ist  im 
Begriffe,  ein  Kind  mit  einem 
groĂźen  Hackmesser  zu  zerteilen.  Von  den  zwei  Frauen  steht 
eine  neben  dem  Hackblock,  bereit  ihre  Hälfte  zu  nehmen,  die 
andere    kniet    bittend    vor    dem    Tribunal.     Die    Beziehung    auf 


mm 


II.   Pompeji  vor  der  VerschĂĽttung.  j  n 

Salomon  ist  nicht  ganz  sicher.  Derartige  Geschichten  wandern 
im  Orient  von  einem  Volke  zum  andern;  so  erzählte  man  ähn- 
liche weise  Urteile  von  dem  ägyptischen  Könige  Bocchoris.  Indes 
die  nächstliegende  und  wahrscheinlichste  Annahme  ist  doch  wohl 
die,  daĂź  hier  Salomon  gemeint  ist,  zumal  es  an  Spuren  des 
Judentums  auch  sonst  nicht  fehlt. 

Zu  diesen  rechnen  wir  die  in  Wandinschriften  vorkommenden 
Namen  Maria  und  Martha.  Es  ist  ein  Irrtum,  wenn  man  gemeint 
hat,  Maria  sei  ein  römischer  Name,  die  weibliche  Form  des  auch 
in  Pompeji  vorkommenden  Namens  Marius.  Maria  erscheint  hier 
in  einer  Liste  von  Sklavinnen,  die  in  einer  Weberei  arbeiten: 
Vitalis,  Florentina,  Amaryllis,  Januaria,  Heracia,  Maria,  Lalage, 
Damalis,  Doris.  Den  römischen  Namen  Maria  konnte  aber  eine 
Sklavin  nicht  fĂĽhren.  DaĂź  es  ein  jĂĽdischer  Name  ist,  wird  um 
so  glaublicher,  seit  auch  der  Name  Martha  in  einer  Inschrift  zum 
Vorschein  gekommen  ist.  So  finden  wir  auch  auf  Weinamphoren 
den  Namen  eines  Weinhändlers  oder  Weingutbesitzers  M.  Valerius 
Abinnerichus;  der  auch  bei  Josephus  vorkommende  Name  be- 
zeugt seine  jüdische  oder  doch  syrische  Nationalität. 

Erwähnung  verdienen  auch  die  auf  Tongefäßen  vorkommenden 
Inschriften  viu}\ia]  cast[d)  und  gar[iivi]  cast'jnn)^  oder  cast[h)ioniale]. 
Diese  Gefäße  enthielten  besondere,  als  Fastenspeisen  zubereitete 
Fischsaucen,  deren  sich,  wie  Plinius  bezeugt  (XXXI,  95)  die 
Juden  bedienten. 

In  einer  mit  Kohle  geschriebenen  Wandinschrift  hat  man 
christianos  zu  lesen  geglaubt  und  gemeint,  die  Inschrift  enthalte 
eine  Anspielung  auf  die  Christenverfolgung  Neros.  Kohlen- 
inschriften erhalten  sich  zwar  unter  der  Erde  jahrhundertelang, 
vergehen  aber  schnell  an  der  Luft;  es  ist  undenkbar,  daĂź  eine 
solche  Inschrift,  unter  Nero  geschrieben,  zur  Zeit  der  Ver- 
schüttung noch  hätte  lesbar  sein  sollen.  Diese  war  zur  Zeit  der 
Ausgrabung  schon  undeutlich  und  ist  jetzt  verschwunden;  die 
Lesung  ist  ganz  unsicher.  Wenn  das  Wort  »Christen«  wirklich 
in  ihr  vorkam,  so  wäre  damit  nur  bewiesen,  daß  man  in  Pompeji 
von  den  Christen  wuĂźte,  nicht  daĂź  solche  dort  lebten.  Nach 
Tertullian  (Apol.  40)  gab  es  in  Campanien  vor  79  keine  Christen. 


Mau,  Pompeji.     2.  Aufl. 


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Kapitel  III. 
Die  VerschĂĽttung. 

Der  Vesuv  galt  vor  dem  verhängriisvollen  Ausbruche  für 
einen  längst  erloschenen  Vulkan.  »Oberhalb  dieser  Orte«,  sagt 
Strabo,  »liegt  der  V^esuv.  ringsum  herrlich  bebaut,  bis  auf  den 
Gipfel.  Dieser  ist  zwar  eben,  aber  ganz  unfruchtbar,  von  aschigem 
Aussehen,  mit  durchlöchertem  rußfarbigen  Gestein,  als  hätte  diese 
Stelle  einmal  gebrannt  und  FeuerschlĂĽnde  gehabt,  sei  aber  er- 
loschen, da  das  Brennmaterial  erschöpft  war.«  Erdbeben  zwar 
waren  immer  häufig  in  Campanien.  Ein  besonders  heftiges,  dessen 
Zentrum  bei  Pompeji  war,  das  aber  einerseits  bis  Nuceria,  ander- 
seits bis  Neapel  Schaden  anrichtete,  kĂĽndigte  am  5.  Februar  63 
n.  Chr.  die  wiedererwachende  Tätigkeit  des  Vesuv  an;  Pompeji 
stürzte  zum  größten  Teile  zusammen.  Der  Wiederaufbau  wurde 
von  der  wohlhabenden  BĂĽrgerschaft  sofort  energisch  in  Angrift" 
genommen.  Die  meisten  Privathäuser  waren  wieder  in  mehr 
oder  weniger  wohnlichem  Zustande ,  wenigstens  zwei  Tempel, 
der  des  Apollo  und  der  der  Isis,  waren  vollständig  erneuert,  als 
am  24.  August  79  n.  Chr.  die  SchluĂźkatastrophe  eintrat.  Wir 
dĂĽrfen  auch  das  Erdbeben  des  Jahres  63  und  die  dadurch  be- 
wirkte Erneuerung  der  Stadt  als  eine  fĂĽr  unsere  Studien  gĂĽnstige 
FĂĽgung  betrachten. 

Unsere  Hauptquelle  für  die  Vorgänge  vom  24. — 26.  August  79 
sind  zwei  Briefe  des  jĂĽngeren  Plinius  an  Tacitus,  der  sie  fĂĽr  sein 
Geschichtswerk  benutzen  wollte.  Plinius  weilte  damals  in  Misenum 
mit  seinem  Oheim,  dem  älteren  Plinius,  Kommandanten  der 
Flotte.  Am  Nachmittage  des  24.  brach  dieser  mit  Schiffen  auf, 
um  die  bedrängten  Anwohner  des  Vesuv,  namentlich  bei  Hercu- 
laneum,  der  drohenden  Gefahr  zu  entreißen.  Er  kam  zu  spät: 
Landung  war  hier  nicht  mehr  möglich.  So  fuhr  er  nach  Stabiac, 
ĂĽbernachtete  dort  und  starb  am  folgenden  Morgen,  ehe  er  sich 


III.    Die  VerschĂĽttunt 


19 


wieder  einschiffen  konnte,  an  giftigen  AusdĂĽnstungen  des  Bodens. 
So  berichtet  der  Neffe  in  dem  ersten  der  beiden  Briefe;  der 
zweite  schildert  .seine  eigenen  Erlebnisse  in  Misenum.  Kaum 
etwas  neues  bietet  der  nur  im  Auszuge  erhaltene,  150  Jahre 
später  geschriebene  Bericht  des  Dio  Cassius:  er  gibt  mehr  nur 
den  erschĂĽtternden  Eindruck  wieder,  den  das  furchtbare  Natur- 
ereignis auf  die  Zeitgenossen  machte.  Aus  den  Briefen  des  Plinius 
aber  im  Verein  mit  den  noch  jetzt  zu  beobachtenden  Tatsachen 
ergibt  sich  ein  ziemlich  deutliches  Bild  des  Vorganges. 

Das  unterirdische  Feuer  kam  wieder  zum  Durchbruch.  Die 
durch  viel  frühere  Ausbrüche  aufgehäuften  Massen,  Asche  und 
Bimstein,  stĂĽrzten  in  den  Krater,  wurden  wieder  ausgeworfen  und 
verschütteten  die  Umgegend.  Nach  Westen  strömten  sie,  mit  reich- 
lichem Regengusse  schlammartig  gemischt,  ĂĽber  Herculancum. 
Ăśber  Pompeji  und  die  Sarnoebene  fĂĽhrte  sie  der  Nordwestwind 
als  mächtige  Wolke,  aus  der  zuerst  Bimsteine,  bis  zur  Höhe  von 
2 — 3  m,  dann  erst  Asche  fiel,  und  mit  dieser  zugleich  Regen- 
güsse, I  Va — 2  m  hoch.  Gleichzeitig  mit  dem  Beginn  des  Aschen- 
regens erfolgten  heftige  Erdstöße,  die  weiterhin  fortdauerten. 

Dies  ist,  kurz  gefaĂźt,  der  Hergang.  Schon  frĂĽh  am  Morgen 
des  24.  muß  der  Ausbruch  begonnen  und  sich  zunächst  der 
Schlammstrom  über  Herculaneum  und  Umgegend  herabgewälzt 
haben.  Denn  schon  bald  nach  i  Uhr  erhielt  Plinius  in  Misenum 
Briefe  von  dort,  daĂź  die  Gefahr  dringend  und  nur  zur  See  noch 
Rettung  möglich  sei.  Die  Massen,  unter  denen  Pompeji  ver- 
schwinden sollte,  sah  Plinius  damals  noch  als  pinienförmige  Wolke 
ĂĽber  dem  Vesuv  schweben.  Gegen  Abend  begegneten  bei  Her- 
culaneum die  Schiffe  dem  Bimsteinregen,  der  dann  während  der 
Nacht  auch  Stabiae  erreichte  und  so  zunahm,  daĂź  Plinius  sein 
Schlafzimmer  verlassen  mußte,  weil  die  sich  häufenden  Massen 
die  TĂĽr  zu  sperren  drohten.  Gegen  Morgen  starkes  Erdbeben. 
bis  nach  Misenum  hin.  Zugleich  begann  die  Asche  zu  fallen; 
als  furchtbare  schwarze  Wolke,  von  Blitzen  durchbrochen,  breitete 
sie  sich  aus  und  senkte  sich  herab  ĂĽber  Land  und  Meer,  so 
dicht  selbst  in  Misenum,  daß  es  finster  wurde,  »nicht*  (sagt 
Plinius\  »wie  in  mondloser  und  bewölkter  Nacht,  sondern  wie  in 
einem  vollständig  geschlossenen  Räume«.  Über  die  Dauer  des 
Aschenregens  erfahren  wir  nur.  daß,  als  er  aufhörte,   die  Sonne 


20  Pompeji. 

noch  am  Himmel  stand.  In  Misenum,  das  der  Bimsteinregen 
nicht  erreicht  hatte,  war  alles  hoch  mit  Asche  bedeckt;  doch 
kehrten  die  Bewohner,  obgleich  die  Erdstöße  fortdauerten,  in 
ihre  Wohnungen  zurĂĽck.  Pompeji  aber  und  Stabiae  waren  von 
den  Auswurfsmassen  derart  bedeckt,  daß  nur  noch  die  Dächer 
der  Häuser,  soweit  sie  nicht  eingestürzt  waren,  hervorragten. 
Herculaneum  war  spurlos  verschwunden. 

VerschĂĽttet  wurde  auch  die  ganze  Sarnoebene  und  die  Ab- 
hänge der  sie  südlich  begrenzenden  Berge.  Hier,  hinunter  bis 
an  den  Strand  bei  Castellammare ,  lag  Stabiae.  Die  Stadt  war 
im  Bundesgenossenkriege  von  Sulla  zerstört  und  die  Einwohner 
gezwungen  worden,  sich  zerstreut  in  der  Umgegend  anzusiedeln. 
Zahlreiche  Gebäude,  teils  reiche  Villen,  teils  einfache  Wirtschafts- 
höfe sind  hier  in  den  Jahren  1749 — 82  ausgegraben  und  wieder 
zugeschĂĽttet  worden.  Die  Art  der  VerschĂĽttung  ist  dieselbe  wie 
in  Pompeji,  nur  weniger  hoch.  Anders  in  Herculaneum,  das 
von  den  gleichen  Massen,  aber  nicht  regelmäßig  geschichtet, 
sondern  durcheinander  gemischt  und  unter  Zutritt  von  Wasser 
zu  einer  Art  Tuff  erhärtet,  bis  zur  Höhe  von  20  m  bedeckt  ist. 
Und  da  noch  dazu  über  dem  größten  Teil  von  Herculaneum 
eine  moderne  Stadt,  Resina,  gebaut  ist,  so  stoĂźen  die  Aus- 
grabungen hier  auf  die  größten  Schwierigkeiten  und  haben  zum 
weitaus  größten  Teile  nur  durch  unterirdische  Gänge  bewerk- 
stelligt werden  können.  Daß  über  Herculaneum  Lava  geflossen 
sei,  ist  ein  oft  wiederholter  Irrtum. 

Vielfach  ist  in  Pompeji  das  Holzwerk  erhalten,  stets  aber 
verkohlt.  Ferner  ist  manchmal,  wo  die  Wände  mit  gelbem  Ocker 
gemalt  sind,  dieser  rot  geworden,  namentlich  da,  wo  er  mit  der 
Aschenschicht  in  Kontakt  war:  eine  Veränderung,  die  diese  Farbe 
erleidet,  wenn  sie  erhitzt  wird.  Doch  hat  man  mit  Unrecht 
hieraus  geschlossen,  daĂź  die  VerschĂĽttungsmassen  glĂĽhend  ge- 
wesen wären  und  einen  allgemeinen  Brand  verursacht  hätten. 
Die  Bimsteine  konnten  unmöglich  heiß  sein,  nachdem  sie  sich 
so  lange  durch  die  Luft  bewegt  hatten,  und  daĂź  sie  es  nicht 
waren,  geht  auch  aus  Plinius'  Schilderung  hervor.  Die  Asche 
aber  fiel  zugleich  mit  reichlichem  Regen.  Das  beweisen  die 
gefundenen  Hohlformen  der  in  ihr  umgekommenen  Menschen, 
deren  nun  schon   ziemlich  zahlreiche  GipsausgĂĽsse   einen  Haupt- 


III.   Die  VerschĂĽttunw. 


21 


anziehungspunkt  des  kleinen  Museums  in  Pompeji  bilden:  die 
auĂźerordentliche  Frische  derselben,  ohne  jede  Spur  der  Ver- 
wesung, des  Todes,  ist  nur  erklärlich,  wenn  die  Asche  feucht 
war  und  sofort  zu  fester  Form  erhärtete.  Wäre  sie  trocken  ge- 
wesen und  erst  später  erhärtet,  so  müßte  die  beginnende  Ver- 
wesung in  der  Form  kenntlich  sein.  Also  auch  die  Asche  konnte 
keinen  Brand  veranlassen.  Das  Holzwerk  ist  auf  feuchtem  Wege 
verkohlt,  wie  die  Steinkohle,  und  auch  das  Rotwerden  des  Ockers 
muĂź  einen  anderen  Grund  haben,  den  nachzuweisen  freilich  der 
Wissenschaft  noch  nicht  gelungen  ist.  Dies  ist  um  so  evidenter, 
als  lokale  Brände  geringer  Ausdehnung  mehrfach  kenntlich  sind ; 


Fig.  7.     GipsabguĂź  eines  Mannes. 

sie  mochten  veranlaĂźt  sein  teils  durch  die  glĂĽhenden  Schlacken, 
die  mit  dem  Bimstein  zugleich  ausgeworfen  wurden,  teils  durch 
in  den  Häusern  vorhandenes  Feuer. 

Die  Zahl  der  in  Pompeji  selbst  umgekommenen  Menschen 
kann  auf  Grund  der  Skelettfunde  in  den  letzten  Jahrzehnten,  fĂĽr 
die  genaue  Aufzeichnungen  vorliegen,  auf  etwa  2000  geschätzt 
werden.  Die  meisten  waren  also  geflĂĽchtet.  Und  in  der  Tat. 
wenn  der  Ausbruch  schon  am  Morgen,  der  Bimsteinregen  aber 
erst  am  Nachmittag  begann,  so  hatte,  wer  rechtzeitig  den  Ernst 
der  Gefahr  begriff,  Zeit  sich  zu  retten.  Wie  viele  nun  freilich, 
zu  spät  geflohen,  außerhalb  der  Stadt  umgekommen  sein  mögen, 
das  entzieht  sich  jeder  Schätzung.  Von  den  zum  Hafen  Ge- 
flohenen und  dort  VerschĂĽtteten  war  schon  oben  (S.  9^  die  Rede. 


22  Pompeji. 

Andere,  früher  Gekommene,  mögen  ebendort  sich  gerettet  haben. 
Die  in  der  Stadt  Gebliebenen  wurden  zum  Teil  in  den  Häusern 
verschĂĽttet,  so  die  20  Personen,  deren  Reste  man  in  dem  Keller 
der  sogen.  Villa  des  Diomedes  fand.  Andere  hatten,  als  der 
Bimsteinregen  aufhörte,  sich  auf  die  Straße  gewagt  und  erlagen 
hier  dem  gleich  darauf  eintretenden  Aschenregen.  Sie  sind  es, 
von  deren  verwesten  Körpern  in  dem  erhärtenden  Aschenschlamm 
die  Hohlformen  geblieben  sind,  die  man  seit  dem  Jahre  1863 
mit  Gips  ausgießt  um  so  das  in  einigen  Fällen  recht  gute  und 
scharfe  Bild  dieser  UnglĂĽcklichen  zu  gewinnen. 

Kaiser  Titus  schickte  eine  aus  Senatoren  bestehende  Kom- 
mission nach  Campanien,  um  zu  sehen,  wie  in  dem  schrecklichen 
Unheil  zu  helfen  sei.  Es  bestand  auch  der  Plan  einer  Wieder- 
herstellung der  zerstörten  Städte ;  das  Vermögen  der  ohne  Erben 
Umgekommenen  wurde  zu  diesem  Zwecke  bestimmt.  Daraus  ist 
aber  allem  Anschein  nach  nichts  geworden.  Und  wenn  auf  der 
Peutingerschen  Tafel,  einer  im  3.  Jahrh.  n.  Chr.  verfaĂźten  Reise- 
karte, Pompeji  angegeben  ist,  so  kann  damit  wohl  nur  eine  nach 
der  einst  hier  bestandenen  Stadt  genannte  Poststation  gemeint 
sein;  gegen  ein  wiederhergestelltes  Pompeji  zeugt  zu  deutlich 
das  gänzliche  Fehlen  irgend  welcher  auf  dasselbe  bezüglichen 
Inschriften. 


Kapitel  IV. 
Die  Ausgrabung. 

Die  ersten  Ausgrabungen  wurden  gleich  nach  der  VerschĂĽt- 
tung von  den  Überlebenden  unternommen.  Die  höheren  Teile 
der  Häuser  ragten ,  soweit  sie  nicht  eingestürzt  waren ,  aus  der 
Asche  hervor  und  erleichterten  das  Auffinden  der  Punkte,  an 
denen  Wertgegenstände  vermutet  werden  konnten.  Man  stieg 
an  irgend  einem  von  oben  kenntlichen  Punkte  hinab  und  ge- 
langte dann ,  die  Wände  durchbrechend ,  aus  einem  Räume  in 
den  anderen,  unterstĂĽtzt  hierbei  durch  die  Beschaffenheit  der 
VerschĂĽttungsmasscn,  indem  unten  die  locker  liegenden  Bim- 
steine  leicht  entfernt  werden  konnten,  ĂĽber  ihnen  aber  die  Asche 
ein  ziemlich  haltbares  Dach  bildete.  Nur  selten  findet  man  ein 
unberührtes  Haus.  So  erklärt  sich  die  verhältnismäßig  geringe 
Menge  des  in  den  Wohnungen  gefundenen  Hausgerätes.  Aber 
nicht  nur  nach  diesem  grub  man.  Auch  irgend  wertvolle  Bau- 
materialien wurden  so  vollständig  fortgeholt,  daß  von  großen 
Marmorbauten,  deren  es  am  Forum  mehrere  gab,  nur  geringe 
Reste  ĂĽbrig  blieben. 

Im  Mittelalter  blieb  Pompeji  verschollen.  Wohl  waren  die 
TrĂĽmmer  zum  Teil  noch  sichtbar:  man  wuĂźte,  daĂź  hier  eine 
Stadt  verschĂĽttet  war,  und  nannte  deshalb  die  Ă–rtlichkeit  La 
Civita;  aber  an  Pompeji  dachte  niemand.  Auch  als  Domenico 
Fontana  in  den  Jahren  1594 — 1600  das  Wasser  einer  der  Ouellen 
des  Sarno  nach  Torre  Annunziata  leitete  und  zu  diesem  Zwecke 
einen  Kanal  durch  Pompeji  hindurchfĂĽhrte,  wurden  zwar  zwei 
Inschriften  gefunden,  aber  keine  weiteren  Nachforschungen  an- 
gestellt. Es  wird  dies  begreiflicher  durch  die  Beobachtung,  diili 
der  Kanal  nicht  von  oben  herab  gegraben,  sondern  als  Stollen 
durch  den  StadthĂĽgel  getrieben  wurde  und  nur  an  sehr  wenijj^en 
Punkten    —    in    den    bis   jetzt    ausgegrabenen    Teilen    nur    beim 


2A.  Pompeji. 

Tempel  des  Zeus  Meilichios,  woher  auch  wohl  die  Inschriften 
stammen  —  die  antike  Oberfläche  berührte. 

Die  Ausgrabung  der  verschütteten  Städte  begann  in  Hercu- 
laneum.  Nicht  freilich  >trinkbare  Quellen«  suchte  der  öster- 
reichische General  FĂĽrst  Elbeuf,  als  im  Jahre  1 709  seine  Arbeiter 
durch  einen  Schacht  hinter  die  BĂĽhne  des  Theaters  gelangten^ 
sondern  AltertĂĽmer.  Man  wuĂźte,  daĂź  hier  Herculaneum  lag. 
Der  durch  Schillers  Gedicht  verewigte  Irrtum  beruht  auf  dem 
Doppelsinn  des  italienischen  Wortes  pozzo:  Schacht  oder  Brunnen. 
Planmäßige  Ausgrabungen  ließ  erst  seit  1738  König  Karl  III. 
betreiben.  Der  Direktor  dieser  Ausgrabungen,  Roque  Joaquin  de 
Alcubierre,  erfuhr  im  März  1 748  bei  Gelegenheit  einer  Inspektion 
des  eben  erwähnten  Kanals,  daß  an  dem  La  Civita  genannten 
Orte  —  er  meinte  es  sei  Stabiae  —  man  mehrfach  auf  Alter- 
tĂĽmer gestoĂźen  sei,  und  kam  zu  der  Ansicht,  daĂź  hier  mehr 
Aussicht  auf  Erfolg  sei  als  in  Herculaneum,  wo  eben  damals  die 
Ausgrabungen  wenig  ausgiebig  waren.  Infolge  seines  Berichtes 
wurden  am  30.  März  1748  mit  zwölf  Arbeitern  die  Ausgrabungen 
begonnen,  nördlich  der  Nolaner  Straße,  etwa  bei  der  Casa  del 
Torello.  Dann  grub  man  an  der  Gräberstraße  vor  dem  Hercu- 
laner  Tor;  auch  ein  Teil  des  Amphitheaters  wurde  aufgedeckt. 
Doch  schon  1750  wurde  die  Arbeit  eingestellt,  weil  die  Resultate 
zu  gering  schienen. 

Von  neuem  wurde  die  Aufmerksamkeit  auf  Pompeji  gelenkt, 
als  im  Jahre  1754,  bei  den  Arbeiten  fĂĽr  die  sĂĽdlich  am  Stadt- 
hügel vorbeiführende  Landstraße,  eine  Anzahl  Gräber  gefunden 
wurden.  Gleichzeitig  grub  man  westlich  vom  Amphitheater  das 
große  villenartige  Besitztum  der  Julia  Felix  und  weiter  nördlich 
anliegende  Gebäude  aus.  Alles  dies  aber  wurde  sofort  wieder 
verschĂĽttet,  ebenso  die  1763  ausgegrabene  sogen.  Villa  des  Cicero. 
Erst  seit  T763,  und  nachdem  man  durch  die  an  der  Gräberstraße 
gefundene  Inschrift  des  Suedius  Clemens  erfahren  hatte,  daĂź  es 
sich  um  Pompeji  handelte,  begann  man  das  Ausgegrabene  offen 
zu  lassen.  Nun  folgten  wichtige  Entdeckungen.  Seit  1764  die 
Theater  und  die  sich  ihnen  anschließenden  Gebäude,  dann  die 
Gräberstraße  mit  der  sogen.  Villa  des  Diomedes.  Man  grub  lang- 
sam und  planlos,  aber  doch  mit  wissenschaftlichem  Interesse,  welches 
durch  die  1755  gestiftete  Accademia  r>colanesc   gepflegt  wurde. 


IV.  Die  Ausgrabung.  2  5 

Mit  größerem  Eifer  und  größeren  Mitteln  arbeitete  man 
1806 — 181 5,  unter  Joseph  Bonaparte  und  Murat,  in  der  Gegend 
zwischen  Herculaner  Tor  und  Forum.  Dieses  letztere  erreichte 
man  gleichzeitig  auch  von  SĂĽden.  Im  Jahre  1799,  zur  Zeit  der 
parthenopäischen  Republik,  hatte  der  französische  General  Cham- 
pionnet die  beiden  nach  ihm  benannten  Häuser  südlich  der  Ba- 
silika ausgraben  lassen.  Von  hier  aus  drang  man  1813  in  die 
Basilika  ein,  aus  der  man  dann  noch  im  November  desselben 
Jahres  auf  das  Forum  gelangte.  Das  Forum  selbst  aber  und 
die  es  umgebenden  Gebäude  waren  der  mit  viel  geringerem  Eifer 
und  geringeren  Mitteln  arbeitenden  Restaurationszeit  vorbehalten: 
erst  1825  waren  sie,  einschlieĂźlich  des  Fortunatempels  und  der 
kleineren  Thermen,  aufgedeckt.  Die  folgenden  Jahre,  bis  1832, 
brachten  die  schönen  Häuser  nördlich  der  Nolaner  Straße  — 
das  Haus  des  Pansa,  des  tragischen  Dichters,  des  Faun  —  und 
an  der  MerkurstraĂźe.  Weiter  folgten  Grabungen  sĂĽdlich  der 
Nolaner  StraĂźe  und  an  verschiedenen  Punkten  der  Stadt.  Die 
unruhigen  Zeiten  brachten  eine  zweijährige  Pause,  vom  3.  Juli 
1848  bis  27.  September  1850.  Hauptresultat  der  Jahre  1850  bis 
1859  ist  die  Stabianer  StraĂźe  und  namentlich  die  Stabianer  Thermen. 

Der  Sturz  der  bourbonischen  Monarchie,  der  Ăśbergang  Neapels 
an  das  Königreich  Italien  führten  zu  einer  einjährigen  Unterbre- 
chung, 5.  Dezember  185g  bis  20.  Dezember  1860.  An  letzterem 
Tage  wurden  die  Ausgrabungen  wieder  begonnen  unter  Leitung 
Giuseppe  Fiorellis,  des  Mannes,  der  dieser  letzten  Periode  den 
Stempel  seines  Geistes  aufgedrĂĽckt  hat.  Sein  Werk  ist  die  noch 
jetzt  bestehende  treffliche  technische  und  administrative  Organi- 
sation der  Ausgrabungen.  Ihm  ist  es  zu  danken,  daĂź  von  nun 
an  mehr  als  frĂĽher  fĂĽr  die  Erhaltung  und  Sicherung  des  Aus- 
gegrabenen gesorgt  wurde :  ein  Bestreben,  welches  freilich  immer 
noch  weiterer  Steigerung  fähig  war  und  von  der  jetzigen  Ver- 
waltung ganz  besonders  gepflegt  wird.  Vor  allem  aber  wurden 
nun  nicht  mehr  einzelne,  besonders  vielversprechende  Punkte 
in  Angriff  genommen,  sondern  es  wurden  zunächst  die  zwischen 
den  ausgegrabenen  Teilen  noch  unberĂĽhrt  gebliebenen  Strecken 
aufgedeckt,  und  dann  planmäßig  von  dem  nun  vollständig  vor- 
liegenden westlichen  Teil  aus  nach  Osten  vorgegangenen.  An 
öffentlichen  Gebäuden  .stammt  aus  dieser  Zeit  nur  die  am  Kreuz- 


26 


Pompeji. 


punkt  der  Nolaner  und  Stabianer  StraĂźe  liegende  Badeanstalt 
(Kap.  XXIX);  im  übrigen  fand  man  Privathäuser.  Fiorelli  leitete 
die  Ausgrabungen,  bis  er  im  Jahre  1875  als  Generaldirektor  der 
Museen  und  Ausgrabungen  nach  Rom  berufen  wurde;  i8q6  ist 
er,  7 2 jährig,  gestorben.  Aber  seine  Organisation  ist  geblieben 
und  seine  Nachfolger,  Michele  Ruggiero,  dann  Giulio  de  Petra 
und  Antonio  Sogliano  haben  nach  seinem  Plane  und  in  seinem 
Geiste  weiter  gearbeitet. 


Fig.  8.     Eine  Aus^'rabung.     Atrium  des  Hauses  der  »Silbernen  Hochzeit«.     Herbst  1892. 


Gegenwärtig  sind  etwa  drei  Fünftel  der  Stadt  ausgegraben. 
Wenn  Fiorelli  1872  die  Ausgrabung  auf  weitere  74  Jahre  schätzte, 
so  hat  er  wohl  den  immer  wachsenden  Erhaltungskostcn  nicht 
genĂĽgend  Rechnung  getragen.  Geht  es  in  dem  jetzigen  Schritt 
weiter,  so  wird  auch  das  20.  Jahrhundert  schwerlich  das  Ende 
der  Ausgrabung  sehen. 

Hausgerät  und  sonstige  bewegliche  Dinge,  wie  die  häufig  in 
den  Gärten  aufgestellten  kleinen  Statuen,  werden  im  aligemeinen 
in  das  Museum  in  Neapel  gebracht;  weniges  der  Art  ist  in  einem 


IV.   Die  Ausgrabung.  27 

kleinen  Museum  in  Pompeji  selbst  aufgestellt.  Nur  ganz  aus- 
nahmsweise hat  man  solche  kleine  Skulpturen  an  Ort  und  Stelle 
gelassen:  die  Notwendigkeit,  solche  Häuser  besonders  zu  ver- 
schlieĂźen und  zu  bewachen,  verbietet  die  Verallgemeinerung 
dieses  Verfahrens.  In  betreff  der  Wandgemälde  ist  das  Verfahren 
zu  verschiedenen  Zeiten  verschieden  gewesen.  Durchweg  aber 
hat  man  die  größeren  figürlichen  Darstellungen  von  den  Wänden 
abgelöst  und  in  das  Museum  gebracht,  die  ornamentale  Malerei 
aber  an  Ort  und  Stelle  gelassen.  Es  kann  nicht  genug  beklagt 
werden,  daĂź  auf  diese  Weise  die  ganze  Wanddekoration  und  das 
ihren  Mittelpunkt  bildende  Gemälde,  die  doch  ein  einheitlich 
komponiertes  kĂĽnstlerisches  Ganzes  bilden,  auseinander  gerissen 
werden,  noch  dazu  natürlich  unter  Zerstörung  der  das  Bild  zu- 
nächst umgebenden  Teile.  Dringend  wäre  zu  wünschen,  daß 
wenigstens  die  besseren,  auch  in  ihrem  ornamentalen  Teile  kĂĽnst- 
lerisch wertvollen  Wände  durchaus  unberührt  gelassen  und  an 
Ort  und  Stelle  gegen  die  zerstörenden  Einflüsse  der  Witterung 
geschĂĽtzt  wĂĽrden.  Einen  lobenswerten  Anfang  in  dieser  Rich- 
tung hat  die  gegenwärtige  Verwaltung  in  dem  1894  ausgegrabenen 
Hause  der  Vettier  gemacht,  dessen  schöne  und  gut  erhaltene 
Malereien  vollständig  an  ihrem  Platze  belassen  und  auf  das  sorg- 
fältigste geschützt  worden  sind. 

Anders  liegt  die  Sache  in  betreff  der  Mosaikfußböden.  Daß 
man  hier  die  ganzen  Fußböden  mit  ihren  ornamentalen  Motiven 
am  Orte  läßt,  dagegen  die  feineren  und  leichter  zerstörbaren 
figĂĽrlichen  Darstellungen  in  das  Museum  bringt,  ist  aus  nahe- 
liegenden praktischen  GrĂĽnden  nur  zu  billigen. 


Kapitel  V. 
Ăśbersicht. 

Form  und  StraĂźennetz  der  Stadt  zeigt  der  beistehende  Ăśber- 
sichtsplan. 

Auf  dem  äußersten  Ende  eines  nach  SO.  verlaufenden  vor- 
historischen Lavastromes  gelegen,  bildet  sie  ungefähr  ein  Oval 
von  etwa  1200  und  720  m  Durchmesser.  Die  Stadtmauer  läuft 
auf  drei  Seiten,  W.,  S.  und  O.,  am  Abhang  des  HĂĽgels,  im  Norden, 
vom  Herculaner  bis  zum  Capuaner  Tor,  quer  ĂĽber  seinen  RĂĽcken. 
Den  acht  Toren  hat  man  die  auf  unserem  Plan  ersichtlichen 
Namen  beigelegt.  Zwei  derselben,  das  Herculaner  und  Capuaner 
Tor,  liegen  da,  wo  die  den  HĂĽgel  ĂĽberquerende  Mauer  den  Ab- 
hang erreicht;  aus  ihnen  gelangte  man,  nach  Norden  absteigend, 
in  die  Ebene.  Und  zwar  mĂĽndet  in  das  Herculaner  Tor  die  von 
Neapel  ĂĽber  Herculaneum  herkommende  vielbefahrene  LandstraĂźe 
ein;  dem  Capuaner  Tor  scheint  keine  größere  Verkehrsstraße 
entsprochen  zu  haben.  Zwischen  ihnen  gelangte  man  aus  dem 
Vesuvtor  auf  die  Höhe  des  gegen  den  Vesuv  aufsteigenden 
HĂĽgelrĂĽckens  und  zu  den  dort  gelegenen  Villen.  Vom  Hercu- 
laner Tor  bis  in  die  Nähe  des  Stabianer  Tores  ist  der  Abhang 
sehr  steil.  Da  man  aber  doch  ein  dem  Meere  zugewandtes  Tor 
brauchte,  so  wurde  hier  das  Seetor,  Porta  Marina,  angelegt  und 
durch  dasselbe  ein  steil  ansteigender  Weg  auf  das  Forum  ge- 
fĂĽhrt, so  steil,  daĂź  Fuhrwerke  ihn  wohl  nur  selten  benutzt  haben 
mögen.  Hier  mochten  wohl  die  Fischer  ihre  Ware  auf  den 
Markt  bringen.  Aus  dem  einer  Einsenkung  des  StadthĂĽgels  ent- 
sprechenden und  bequem  zugänglichen  Stabianer  Tor  führte  die 
StraĂźe  zum  Landungsplatze  am  Sarno  und  weiter  nach  Stabiae. 
Von  ihr  zweigte  sich  wahrscheinlich  links  eine  nach  Nuceria 
fĂĽhrende  StraĂźe  ab,  auf  die  man  auch  aus  der  ebenfalls  am  sĂĽd- 
lichen Stadtrande  liegenden  Porta  die  Nocera  gelangte.  Auf  den 
etwas  steileren  Ost-  und  Nordostabhang  öffnen  sich  die  Porta  di 


Ăśbersicht. 


29 


Sarno  —  benannt  nicht  nach  dem  Flusse,  sondern  nach  der 
modernen  Stadt  Sarno  —  und  die  Porta  di  Nola;  es  ist  sehr  glaub- 
lich, daĂź  aus   letzterer  in   der  Tat  die  StraĂźe  nach  Nola  fĂĽhrte. 

Das  Straßennetz  ist  augenscheinlich  das  Resultat  planmäßiger 
Anlage,  nicht  allmählicher  und  zufälliger  Ansiedelung.  Zwei 
breite,  die  Stadt  in  gerader  Linie  ganz  durchschneidende  StraĂźen 
geben  die  Richtung  fĂĽr  die  NordsĂĽd-  und  die  OstweststraĂźen: 
die  MerkurstraĂźe  mit  ihren  Fortsetzungen  und  die  Nolaner  StraĂźe. 
Erstere  ist  als  Grundlinie  für  die  Stadtanlage  auch  dadurch  be-» 
zeichnet,  daĂź  sie  bei  ihrer  groĂźen  Breite  doch  keine  bedeutende 
Verkehrsader  ist;  keinem  ihren  Enden  entspricht  ein  Tor.  An 
ihr  liegt  das  Forum.  Die  Nolaner  StraĂźe  hat  ein  Tor  nur  an 
ihrem  Ostende.  Das  Westende  ist  durch  die  am  Rande  des 
Stadthügels  entlang  führende  »Strada  consolare«  mit  dem  in  der 
Nordwestecke  liegenden  Herculaner  Tor  in  Verbindung  gesetzt. 
DaĂź  nach  diesen  beiden  Grundlinien  das  ganze  StraĂźennetz 
orientiert  ist,  zeigt  besonders  deutlich  der  nordwestliche  Stadtteil ; 
es  ist  aber  ganz  klar,  daĂź  diese  beiden  Richtungen  auch  den 
östlichen  Teil  beherrschen;  wäre  er  ausgegraben,  so  würden  sie 
noch  viel  deutlicher  hervortreten. 

Dies  regelmäßige  Netz  wird  nun  aber  in  zweifacher  Weise 
durchbrochen.  Einmal  in  der  Gegend  um  das  Forum.  Aus 
GrĂĽnden,  die  sich  unserer  Kenntnis  entziehen,  hat  man  die  Porta 
Marina  nicht  in  die  Verlängerung  der  von  der  Porta  di  Sarno 
herkommenden  Hauptstraße,  sondern  etwas  weiter  nördlich  gelegt. 
Um  das  Tor  zu  erreichen,  macht  die  StraĂźe,  wie  der  Plan  zeigt, 
eine  Wendung  nach  Norden,  der  sich  auch  die  ParallelstraĂźen 
bis  zur  Nolaner  StraĂźe  anschlieĂźen.  Westlich  vom  Forum  aber 
hat  man  die  StraĂźen  auf  das  Tor  zu  konvergieren  lassen.  Die 
zweite  Durchbrechung  ist  die  vom  Stabianer  Tor  bis  zum  Vesuv- 
tor die  Stadt  durchschneidende  Stabianer  StraĂźe.  Abweichend 
von  der  Richtung  der  anderen  NordsĂĽdstraĂźen  ist  sie  angelegt 
aus  praktischen  GrĂĽnden,  um,  einer  natĂĽrlichen  Bodensenkung 
folgend,  möglichst  allmählich  die  Höhe  des  Stadthügels  zu  ge- 
winnen. Und  um  nicht  an  dieser  Hauptstraße  Häuserviertel  allzu 
unregelmäßiger  Form  zu  haben,  hat  man  auch  den  nächsten 
östlichen  Parallelstraßen  dieselbe  Richtung  gegeben.  ICrst  mit 
der    vom    Capuaner    Tor    südwärts    führenden    Straße    tritt,    mit 


30  Pompeji. 

geringer  Abweichung,  wieder  die  durch  die  MerkurstraĂźe  be- 
stimmte NordsĂĽdrichtung  ein. 

Die  öffentlichen  Gebäude  sind  in  zwei  großen  Gruppen  ver- 
einigt. Eine  um  das  Forum  (Plan  II),  zu  der  wir  auch  die 
kleineren  Thermen  und  den  Tempel  der  Fortuna  rechnen.  Den 
Kern  der  anderen,  beim  Stabianer  Tor,  bilden  die  beiden  Theater 
mit  der  großen  vierseitigen  Säulenhalle,  die,  ursprünglich  bestimmt, 
den  Zuschauern  bei  Regenwetter  Schutz  zu  bieten,  später  zur 
Gladiatorenkaserne  eingerichtet  wurde  (Plan  III).  Dazu  kommen, 
vereinzelt  Hegend,  zwei  Badeanstalten  —  die  Stabianer  Thermen 
und  die  groĂźe  Anstalt  am  Kreuzpunkt  der  Stabianer  und  Nolaner 
Straße  —  und  ein  kleines  Gebäude  in  der  Nähe  des  Herculaner 
Tors,  ein  auf  die  Straße  geöffneter  Saal  mit  einer  Statuenbasis 
an  der  RĂĽckwand,  in  dem  man  ohne  genĂĽgenden  Grund  ein 
Zollamt  hat  erkennen  wollen.  Endlich  das  Amphitheater  in  der 
Südostecke  der  Stadt.  Bei  der  Art,  wie  die  öffentlichen  Gebäude 
in  Gruppen  vereinigt  sind,  ist  es  nicht  wahrscheinlich,  daĂź  die 
nicht  ausgegrabenen  Stadtteile  ihrer  noch  viele  ergeben  werden. 
Nur  Badeanstalten  dĂĽrfen  wir  sicher  erwarten,  und  vielleicht  noch 
einen  oder  mehrere  Tempel. 

Wir  mĂĽssen  noch  ein  Wort  sagen  ĂĽber  die  moderne  Ein- 
teilung Pompejis  in  Regionen  und  Insulae.  Unter  Insula  versteht 
man,  antikem  Sprachgebrauche  entsprechend,  einen  von  StraĂźen 
umgebenen  Häuserkomplex.  Die  Einteilung  in  Regionen  rührt 
von  Fiorelli  her  und  beruhte  auf  der  Voraussetzung,  daĂź  das 
Capuaner  Tor  mit  dem  Nuceriner  Tor  durch  eine  StraĂźe  ver- 
bunden sei,  und  daĂź  also  vier  StraĂźen  die  Stadt  durchschnitten 
und  in  neun  Regionen  geteilt  hätten.  Nachdem  nun  durch  das 
Fortschreiten  der  Ausgrabungen  klar  geworden  ist,  daĂź  jene  StraĂźe 
nicht  existiert,  hat  man  die  Einteilung  geändert.  Drei  Straßen, 
Strada  Stabiana,  Strada  Nolana  und  Strada  dell'  Abondanza  (mit 
ihrer  Fortsetzung  nach  O.)  teilen  die  Stadt  in  sechs  Regionen; 
auf  unserem  Plan  sind  die  Nummern  der  alten  Einteilung  in 
Klammern  beigefĂĽgt.  Die  Einteilung  beansprucht  keine  wissen- 
schaftliche sondern  nur  praktische  Bedeutung.  Innerhalb  der 
Regionen  hat  jedes  Häuserviertel,  Insula,  und  innerhalb  der  Insula 
jede  StraĂźentĂĽr  ihre  Nummer;  ganz  praktisch,  da  man  nun  jedes 
Haus  kurz  mit  drei  Zahlen  bezeichnen  kann. 


Kapitel  VI. 
Baumaterial.     Bauart.     Bauperioden. 

Etwa  600  Jahre  trennen  die  ältesten  und  die  jüngsten  Bauten 
Pompejis  und  für  das  richtige  Verständnis  jedes  einzelnen  Ge- 
bäudes ist  es  notwendig,  vor  allen  Dingen  festzustellen,  welclier 
Zeit  es  angehört.  Nun  ist  zwar  eine  genaue  Zeitbestimmung 
namentlich  für  die  ältere  Zeit  selten  möglich.  Wohl  aber  heben 
sich  einige  groĂźe  Perioden  so  deutlich  voneinander  ab.  daĂź  es 
nicht  leicht  zweifelhaft  bleibt,  welcher  derselben  ein  Gebäude 
zuzuweisen  ir.t.  Ehe  wir  aber  diese  Perioden  zu  charakterisieren 
unternehmen,  mĂĽssen  wir  einige  Worte  vorausschicken  ĂĽber  die 
Baumaterialien.  Es  sind  dies,  abgesehen  von  dem  weit  mehr 
als  jetzt  in  Campanien  verwendeten  Holz,  Sarnokalkstein,  grauer 
Tuff,  gelber  Tuff.  Lava,  ein  Ăźilschlich  Travertin  genannter  Kalk- 
stein, Marmor  und  Ziegel. 

Der  Sarnokalkstein  [pietra  di  Sarno]  ist  ein  Kalksinter  mit 
vielen  Pflanzenabdrücken,  der  Niederschlag  des  Sarno,  ganz  ähn- 
lich dem  römischen  Travertin,  nur  von  gelblicherer  Farbe. 

Der  graue  Tuff  ist  vulkanische  Asche,  unter  Zutritt  von 
Wasser  zu  einem  weichen  und  leicht  zu  bearbeitenden  Stein  er- 
härtet; man  bricht  ihn  bei  Nocera  und  bei  Gragnano. 

Der  gelbe  Tuff  ist  vulkanische  Asche,  in  einer  älteren  Periode, 
als  die  Ebene  noch  ein  Meerbusen  war,  in  das  Meerwasser  ge- 
fallen und  dort  erhärtet.  Er  ist  weniger  widerstandsfähig  als  der 
graue  Tuff. 

Die  Lava  stammt  vom  Vesuv;  wir  unterscheiden,  je  nachdem 
der  Stein  in  tieferen  oder  oberflächlicheren  Schichten  gebrochen 
ist:  feste  Lava.  Lavaschlacke.  Lavaschaum  (Cruma;  letzterer  ein 
sehr  leichtes  und  poröses,  aber  doch  wegen  seiner  Härte  wider- 
standsfähiges Material. 


32 


Pompeji. 


Der  sogenannte  Travertin  ist  ein  feinerer  Kalksinter,  weiĂź- 
licher Farbe  und  kompakt,  ohne  PflanzenabdrĂĽcke,  gewissermaĂźen 
ein  Surrogat  des  Marmors.  Er  wird  nicht  bei  Pompeji  gebrochen, 
ist  daher  auch  weniger  verwendet  worden;  das  ausgedehnteste 
Beispiel  sind  die  jĂĽngeren  Forumsportiken. 

WeiĂźen  carrarischen  Marmor  verwendete  man  in  der  Kaiserzeit 
zu  Säulen,  Pilastern  und  Gebälken,  buntfarbigen  verschiedenster 
Art  in  Platten  für  Wandbekleidung  und  Fußböden. 

Ziegel  sind  nur  fĂĽr  Ecken,  TĂĽrpfosten  und  vereinzelt  fĂĽr 
Säulen  verwendet  worden.    Ziegelmauern  gibt  es  nicht,  und  auch 


Fig.  9.     Mauer  mit  Kalksteinfachwerk 

an  Ecken  und  Pfosten  verkleiden  die  Ziegel  nur  das  Bruchstein- 
werk. Doch  sind  die  in  späterer  Kaiserzeit  üblichen,  eigens  für 
diesen  Zweck  gebrannten  dreieckigen  Ziegel  in  Pompeji  nicht  zu 
finden.  Die  pompejanischen  Verkleidungsziegel  gewann  man 
durch  Zerschlagen  von  Dachziegeln  und  legte  sie  mit  der  ur- 
sprünglichen Seitenfläche  nach  außen,  den  Bruchflächen  nach 
innen.  Nur  ganz  vereinzelt  wurden  für  Säulen  und  simsartige 
Glieder  Ziegel  besonderer  Form  eigens  geformt  und  gebrannt. 
Das  bemerkenswerteste  Beispiel  sind  die  Säulen  der  Basilica.  — 
Die  älteren  Ziegel,  namentlich  aus  republikanischer  Zeit,  erhalten 
durch  einen  Zusatz  von  Meersand  ein  rauhes  und  körniges  Aus- 
sehen,   die    der  letzten  Zeit    sehen  weich    und    glatt  aus.      Die 


VI.   Baumaterial.     Bauart.     Bauperiodcn.  2  -3 

Dachziegel  [tcgulae]^  etwa  65  X  49  cm  groĂź,  haben  an  jeder 
Seite  eine  Erhöhung;  über  ihre  Fugen  wurden,  wie  noch  jetzt, 
halbzylinderförmige  Deckziegel  [tmbriccs]  gelegt. 

Wir  schlieĂźen  hieran  eine  kurze  Ăśbersicht  ĂĽber  die  in  Pompeji 
vorkommenden  Arten  von  Mauerwerk. 

Kalksteinfachwerk  nennen  wir  ein  nur  der  älteren  Zeit  eigenes 
Mauerwerk,  in  dem  als  Bindemittel  nicht  Kalkmörtel,  sondern 
Lehm  benutzt  ist.  Da  Lehm  wohl  die  Zwischenräume  verstopfen, 
nicht  aber  die  Steine  fest  zusammenhalten  konnte,  so  muĂźte 
man  diese  so  schichten,  daĂź  die  Mauer  allenfalls  auch  ohne 
Bindemittel  stehen  konnte.  Dies  wurde  erreicht,  indem  man 
Ecken  und  TĂĽrpfosten  aus  Quadern  bildete,  in  den  Mauern 
selbst  aber  eigentĂĽmliche,  aus  abwechselnd  vertikal  und  horizontal 
gestellten  Quadern  bestehende  Pfeiler  anbrachte,  die  nun  fach- 
werkartig  die  kleineren,  möglichst  horizontal  geschichteten  Steine 
zusammenhalten.  Das  Material  ist  durchweg  der  Sarnokalkstein, 
dazwischen  vereinzelt  Lavaschaum  und  Schlacke. 

Bruchsteinwerk,  Opus  incertum:  unregelmäßige,  faustgroße 
und  größere  Steinbrocken  in  Mörtel  gelegt.  Das  vorwiegende 
Material  ist  in  älterer  Zeit  Lava,  später  Sarnokalkstein.  Dies 
Mauerwerk  ist  in  Pompeji  so  sehr  das  vorherrschende,  daĂź  alles 
andere  daneben  als  Ausnahme  erscheint.  Ecken  und  TĂĽrpfosten 
sind  in  älterer  Zeit  aus  Quadern,  später  aus  Ziegeln  oder  ziegei- 
förmig behauenen  Steinen  gebildet,  oft  auch,  namentlich  in  der 
spätesten  Zeit,  so,  daß  je  zwei  Ziegel  mit  einem  ziegeiförmigen 
Stein  abwechseln. 

Auch  beim  Netzwerk,  Opus  reticuLatuvi,  besteht  das  Innere 
der  Mauer  aus  unregelmäßigen  Brocken,  die  Oberfläche  aber 
aus  Steinchen  mit  glatt  behauener,  quadratischer,  auf  die  Ecke 
gestellter  AuĂźenseite,  so  daĂź  hier  ein  netzartiges  Muster  entsteht. 
Das  Material  ist  grauer,  seltener  gelber  Tuff.  Diese  Bauart  wurde 
in  Rom  und  wie  es  scheint  auch  in  Pompeji  ĂĽblich  zur  Zeit  des 
Augustus.  Ecken  und  TĂĽrpfosten  machte  man  anfangs  aus 
ziegeiförmigen  Stücken  desselben  Steines,  später  aus  Ziegeln. 

Das  Quasireticulat  ist  ein  der  ersten  Zeit  der  römischen 
Kolonie  eigenes  Mauerwerk,  in  der  Mitte  stehend  zwischen  In- 
certum und  Reticulat,  von  letzterem  dadurch  verschieden,  dal.^ 
die  quadratische  Form   der   Steinchen    nicht   regelmäßig    durch- 

Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.  •? 


^A  Pompeji. 

geführt,  auch  die  Außenfläche  nur  unvollkommen  geglättet  ist. 
Das  Material  ist  vorwiegend  Lava,  aber  auch  Tuff  und  Kalkstein. 
Ecken  und  Türpfosten  sind  aus  Ziegeln  oder  ziegeiförmigen  Tuff- 
oder Kalksteinen. 

Quaderbau  zeigen  die  älteren  Teile  der  Stadtmauer  und  die 
Wände  des  griechischen  Tempels  auf  dem  Forum  trianguläre. 
Im  ĂĽbrigen  ist  er  nur  ĂĽblich  fĂĽr  Fassaden.  Das  Material  ist  fĂĽr 
diese  in  ältester  Zeit  Sarnokalkstein,  später  grauer  Tuff.  Seit  der 
Zeit  der  römischen  Kolonie  kommt  Quaderbau  überhaupt  nicht 
mehr  vor,  auch  nicht  fĂĽr  Ecken  und  TĂĽrpfosten. 

Für  Säulen  und  Gebälke  aus  großen  Blöcken  ist  das  Material 
bis  in  die  ersten  Zeiten  der  Kolonie  grauer  Tuff,  selten  Kalkstein, 
mit  weiĂźem  StuckĂĽberzug,  dann,  bis  in  die  frĂĽhere  Kaiserzeit, 
sog.  Travertin,  endlich,  seit  Anfang  der  Kaiserzeit,  carrarischer 
Marmor. 

Kehren  wir  nun  zur  Baugeschichte  Pompejis  zurück,  so  können 
wir  folgende  Perioden  deutlich  unterscheiden. 

I.  Älteste  Zeit.  Nur  zwei  Baureste  können  ihr  zugeschrieben 
werden.  Erstens  der  dorische  Tempel  auf  dem  sogen.  Forum 
trianguläre  (Kap.  XX).  Seinem  Stile  nach  datiert  man  ihn  in  das 
6.  Jahrh.  v.  Chr.  Da  er  ganz  isoliert  steht,  so  ist  nicht  direkt 
festzustellen,  ob  er  älter  ist  als  die  in  der  folgenden  Periode  vor- 
genommene NeugrĂĽndung  der  Stadt  und  Anlage  des  jetzigen 
StraĂźennetzes.  Indes  da  er  im  Stil  der  unteritalischen  Tempel 
erbaut  war,  die  NeugrĂĽndung  aber  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit 
den  Etruskern  zugeschrieben  wird,  so  ist  es  glaublicher,  daĂź  der 
Tempel  älter  war. 

Zweitens  eine  alte  Säule,  die  in  einem  Hause  der  Insula  VI,  5 
eingemauert  war,  seit  einigen  Jahren  aber  freigelegt  ist  (Fig.  10). 
Sie  ist  der  einzige  Rest  eines  Gebäudes,  vermutlich  eines  Tempels, 
das  zerstört  sein  muß  bis  auf  diesen  Rest  vor  dem  Bau  des  jetzt 
dort  stehenden  Häuserviertels  und  vor  Anlage  des  jetzigen  Straßen- 
netzes. Ăśber  den  stilistischen  Charakter  und  damit  ĂĽber  die 
Entstehungszeit  der  Säule  steht  das  Urteil  noch  nicht  fest.  Eine 
Besonderheit,  die  Hohlkehle  am  unteren  Rande  des  Abakus,  fand 
sich  nur  noch  an  einem  einst  auf  dem  Albanerberg  stehenden 
Tempel  etruskischen  Charakters;  man  hat  daraus  geschlossen, 
daĂź  auch  hier  in  Pompeji  ein  etruskisches  Bauwerk  stand.     Aber 


VI.   Baumaterial.     Bauart.     Bauperioden. 


35 


zwingend  ist  dieser  SchluĂź  wohl  nicht:  wenn  sich  diese  Form  an 
den  Bauten  der  unteritalischen  Griechen  bis  jetzt  nicht  gefunden 
hat,  so  ist  damit  noch  nicht  erwiesen,  daĂź  sie  ihnen  fremd  war. 
Andere  Besonderheiten:  der  tiefe  Einschnitt  zwischen  Abakus  und 
Echinus,  die  sehr  starke  VerjĂĽngung,  wie  an  der  sogen.  Basilika 
in  Paestum,  die  Schwellung  (Entasis) 
im  oberen  Teil  und  das  aus  ihr  sich 
ergebende  schön  geschwungene 
Profil,  die  Neigung  der  Säule  gegen 
das  Innere  des  Gebäudes  wie  am 
großen  Tempel  in  Paestum  — ;  alles 
dies  sind  altgriechische  Formen. 
Die  Säule  hat  auch  keine  Basis,  die 
sie  doch  nach  etruskischer  Regel 
haben  mĂĽĂźte.  Und  dann  ist  noch 
eins  zu  bedenken:  Wenn  dies  Ge- 
bäude —  doch  wohl  ein  Tempel 
—  etruskischen  Ursprungs  war,  und 
wenn  die  NeugrĂĽndung  der  Stadt 
in  der  folgenden  Periode,  nach  Zer- 
störung alles  Früheren,  mit  Recht 
den  Etruskern  zugeschrieben  wird, 
so  hätten  ja  diese  ihre  eigenen  Monu- 
mentalbauten zerstört.  Unmöglich 
ist  dies  freilich  nicht;  und  die  Neu- 
anlage könnte  ja  auch  veranlaßt 
worden  sein  durch  ein  Erdbeben, 
das  die  alte  Stadt  und  die  vielleicht 
noch  jungen  ersten  Etruskerbauten 

zerstört  hätte.   Aber  wahrscheinlicher         ''«■'°-  ^'''^Saule.  Photographie  Lindner. 

und  einfacher  erscheint  der  ganze  Vorgang  doch,  wenn  die  Er- 
oberer die  Bauten  ihrer  Vorgänger  zerstörten  und  nun  alles  in 
ihrer  Weise  neugrĂĽndeten.  Aber  hierĂĽber  muĂź  sich  das  Urteil 
noch  klären.  Sicher  handelt  es  sich  hier  um  ein  vor  der  etrus- 
kischen Neugründung  zerstörtes,  vielleicht  von  den  unter  griechi- 
schem Einfluß  stehenden  Oskern  errichtetes  Gebäude.  Ist  letzteres 
der  Fall,  so  dĂĽrfen  wir  diese  erste  Periode  als  die  voretruskische 
bezeichnen.     Ihr  Material  ist  Sarnokalkstein  und  grauer  Tufif 


3.6 


Pompeji. 


2.  Die  Zeit  der  Kalksteinatrien.  Wir  bezeichnen  mit  diesem 
Namen  eine  Anzahl  in  der  ganzen  Stadt  zerstreut  liegender  alter 
Häuser,  die  sich  durch  ihre  Bauart  von  allen  späteren  bestimmt 
unterscheiden:  Quaderfassaden  aus  Sarnokalkstein,  im  Innern 
Kalksteinfachwerk.  Kunstformen  fehlen  im  Innern  dieser  Häuser 
gänzlich.  In  einem  der  sehr  wenigen  vollständig  erhaltenen  ist 
zwar  vor  dem  Garten  ein  Portikus,  doch  wurde  dessen  Dach  von 

viereckigen  Pfeilern ,  deren 
Kapitell  nicht  erhalten  ist, 
nicht  von  Säulen  getragen. 
Nur  ein  kleiner  Vorbau  eines 
Hauses  in  der  Nähe  des  Sta- 
bianer  Tores  (I  5,  i ;  s.  Fig.  12) 
hat  zwei  groĂźe  und  schwere 
Pilasterkapitelle  aus  Tuff,  mit 
Resten  alter  Stuckverkleidung; 
sie  liegen  auf  Mauern  aus 
Tuffquadern  und  Kalkstein- 
fachwerk, gehören  also  dieser 
Periode  an;  ihre  Formen  sind 
zweifellos  etruskischen  Stiles: 
namentlich  das  unterste  Glied 
—  Wulst  und  Hohlkehle  — 
ist  charakteristisch.  Von  Ma- 
lerei haben  wir  aus  dieser  Zeit 
keine  Spur,  kaum  einige  Reste 
weiĂźen  Bewurfs. 

Nur  sehr  wenige  dieser 
Häuser  sind  soweit  erhalten, 
daß  wir  ihren  Grundriß  einigermaßen  feststellen  können.  Von 
ziemlich  vielen  sind  die  massiven  Quaderfassaden  erhalten  und 
für  jüngere  Bauten  benutzt  worden:  im  übrigen  sind  diese  Häuser 
eben  diesen  jĂĽngeren  Bauten  und  namentlich  der  intensiven  Bau- 
tätigkeit der  folgenden  Periode  zum  Opfer  gefallen.  Die  Gesamt- 
zahl der  ganz  oder  teilweise  oder  nur  in  Spuren  erhaltenen 
Häuser  mag  sich  kaum  auf  hundert  belaufen. 

Es  ist  nun  wichtig  fĂĽr  die  Baugeschichte  Pompejis,  daĂź  sich 
diese  ältesten  Häuser  überall  und  bis   in  alle  Einzelheiten   dem 


Fig.  II.     Fassade  aus  Sarnokalkstein, 
Haus  des  Chirurgen.     Photographie  Lindner. 


VI.    15aumaterial.     Hauart.     Bauperioden. 


37 


jetzigen  StraĂźennetz  anschlieĂźen,  das  wie  oben  (S.  29)  bemerkt, 
einmal  planmäßig  angelegt  worden  ist.  Und  auch  das  ist  wichtig, 
daĂź  in  der  mit  diesem  StraĂźennetz  erbauten  Stadt  sich  keine 
Reste  noch  älterer  Häuser  finden:  es  ist  klar,  daß  auf  die  Tra- 
cierung  des  StraĂźennetzes  gleich  der  Bau  der  Kalksteinatrien 
gefolgt  ist.  Wir  wĂĽrden  also  wohl,  wenn  sonst  nichts  in  Betracht 
käme,  schließen,  daß  die  Zeit  der  Kalksteinatrien  mit  der  Gründung 
Pompejis  begann.  Dem 
steht  aber  die  oben 
besprochene  alte  Säule 
entgegen:  sie  bezeugt 
uns  ein  monumentales 
Gebäude ,  vermutlich 
einen  Tempel,  das  älter 
als  das  jetzige  StraĂźen- 
netz und  ihm  zuliebe 
zerstört  worden  war. 
Es  war  also  die  Anlage 
dieses  StraĂźennetzes 
und  seine  Bebauung  mit 
Kalksteinatrien  nicht 
die  erste  GrĂĽndung, 
sondern  eine  Erneue- 
rung der  Stadt,  und  wir 
mĂĽssen  jetzt  fragen: 
wann  fand  diese  Er- 
neuerung statt  und  ist 
sie  nicht  in  Verbin- 
dung zu  bringen  mit 
einem  wichtigen  Ereignis,  einem  Abschnitt  in  der  Geschichte  der 
Stadt?  Und  wenn  wir  nun  bedenken,  daĂź  die  einzige  Kunstform 
dieser  Periode  etruskisch  ist,  so  drängt  sich  kaum  abweisbar  die 
Folgerung  auf,  daĂź  die  Zeit  der  Kalksteinatrien  die  Zeit  der 
etruskischen  Herrschaft  war,  die  Neuanlage  der  Stadt  mit  dem 
jetzigen  StraĂźennetz  das  Werk  der  Etrusker,  eine  Folge  der 
etruskischen  Eroberung.  Ob  nun  die  Neuanlage  bald  nach  der 
Eroberung  stattfand,  ob  erst  nach  längerer  Zwischenzeit,  das  hängt 
ab  von  dem  Urteil  über  jene  alte  Säule:    stammt   sie  von  einem 


Fig.  12.    Etruskisches  Pilasterkapitell.   Photographie  Esposito. 


38  Pompeji. 

etruskischen  Bau.  so  ist  letztere  Annahme  unvermeidlich.  Als 
sicher  aber  dĂĽrfen  wir  annehmen,  daĂź  man  auch  nach  dem  Sturz 
der  etruskischen  Herrschaft  noch  eine  Zeitlang  fortfuhr,  in  der- 
selben Weise  zu  bauen,  bis  allmählich  in  der  Samnitenzeit  die 
hellenistischen  Bauformen  der  folgenden  Periode  und  gleichzeitig 
eine  andere  Technik  Eingang  fanden. 

Wenn  nun  die  Neuanlage  der  Stadt  mit  dem  uns  vorliegenden 
StraĂźennetz  ein  Werk  der  Etrusker  ist,  so  liegt  die  Vermutung 
nahe,  daĂź  auch  die  Stadtmauer,  die  sich  der  in  dieser  Form  neu- 
gegrĂĽndeten Stadt  genau  anschlieĂźt,  mit  ihren  diesem  StraĂźennetz 
entsprechenden  Toren,  daĂź  auch  diese  in  eben  dieser  Zeit  ent- 
standen ist.  Aber  freilich,  mit  Sicherheit  kann  dies  nicht  be- 
hauptet werden. 

3.  Die  Tufifperiode.  So  nennen  wir  die  BlĂĽtezeit  der  vor- 
römischen Architektur  nach  der  von  ihr  mit  Vorliebe  verwen- 
deten Steinart,  dem  grauen  Tuff.  Es  zeigen  nämlich,  abgesehen 
von  dem  oben  erwähnten  griechischen  Tempel,  sämtliche  öffent- 
lichen Gebäude  Pompejis,  soweit  sie  nicht  der  Zeit  der  römischen 
Kolonie  angehören,  einen  durchaus  gleichartigen  Charakter:  die 
Portiken  des  Forums,  die  Basilika,  der  Tempel  des  Apollo,  das 
größere  Theater  nebst  den  Säulenhallen  des  Forum  trianguläre 
und  der  Gladiatorenkaserne,  die  Stabianer  Thermen,  die  Palästra, 
der  äußere  Teil  der  Porta  marina  und  die  inneren  Teile  der 
anderen  Tore.  Ihnen  schlieĂźen  sich  eine  groĂźe  Anzahl  Privat- 
häuser an;  wir  nennen  als  besonders  charakteristisches  Beispiel 
di  Casa  del  Fauno.  Alles  dies  gehört  nach  Stil  und  Bauart 
zweifellos  zusammen  und  bezeugt  eine  Zeit  lebhafter  Bautätigkeit, 
also  der  Ruhe  und  des  Wohlstandes,  in  der  die  ganze  Stadt  in 
monumentalem,  kĂĽnstlerischem  Sinne  umgestaltet  wurde.  Oskische 
Inschriften,  auch  eine  hoch  altertĂĽmliche  lateinische  Bauinschrift, 
eine  Wandkritzelei  aus  dem  Jahre  78  v.  Chr.  in  der  Stuckwand 
der  Basilika,  alles  dies  fĂĽhrt  mit  Sicherheit  in  die  Zeit  vor  der 
römi.schen  Kolonie.  Aber  doch  nicht  in  viel  ältere  Zeit:  denn 
die  nächst  jüngere  Gruppe  von  Gebäuden  ist  eben  die  der  ersten 
Zeit  der  Kolonie.  So  kann  also  die  Friedenszeit  der  Tuffperiode 
nicht  wohl  eine  andere  gewesen  sein  als  die  dem  Bundesgenossen- 
kriege unmittelbar  vorhergehende,  zwischen  diesem  und  dem 
hannibalischen  Kriege,  200  bis  go,  rund  das  2.  Jahrhundert  v.  Chr. 


VI.   Haumatcrial.     Hauart.     IJauperiodcn.  -in 

Und  wenn  damals  Stil  und  Bauweise  dieser  Periode  in  Pompeji 
allgemein  ĂĽblich  waren,  so  werden  sie  wohl  schon  etwas  frĂĽher, 
mit  der  allmählichen  Zivilisierung  und  Hellenisierung  der  Sam- 
niten,  im  3.  Jahrh.,  Eingang  gefunden  haben.  Höher  hinauf  zu 
gehen  verbietet  der  stilistische  Charakter  dieser  Bauten.  Ihr 
Stil  ist  ein  ganz  besonderer,  in  Italien  —  und  nur  in  Italien  — 
auch  sonst  nachweisbarer,  aber  er  gehört  seiner  Entwicklungs- 
stufe nach  entschieden  dem  Hellenismus,  der  Zeit  nach  Alexander 
d.  Gr.  an.  Die  Tuffperiode  ist  kunstgeschichtlich  der  Hellenismus 
in  Pompeji,  politisch  die  Zeit  der  Samniten  seit  ihrer  Helleni- 
sierung; sie  endet  mit  der  Gründung  der  römischen  Kolonie. 

Im  Gegensatz  zu  der  vorigen  zeigt  diese  Periode  einen  aus- 
gesprochenen kĂĽnstlerischen  Charakter.  Es  ist  die  BlĂĽtezeit  des 
Monumentalbaues.  Gebäude  und  Plätze  werden  belebt  durch 
Säulenhallen  dorischer,  ionischer  und  korinthischer  Ordnung,  in 
den  reinen,  einfach  schönen  Formen  der  griechischen  Architektur 
in  sparsamer  Verwendung,  ohne  kleinliches  Detail,  mit  offenbarer 
Scheu  vor  Überladung.  Säulen  und  Gebälke  sind  weiß,  mit  nur 
ganz  geringen  Erinnerungen  an  die  Vielfarbigkeit  frĂĽherer  Zeiten. 
Buntfarbig  hingegen  ist  der  Schmuck  der  Wände.  Denn  eben 
mit  dieser  Periode  beginnt  die  Geschichte  der  pompejanischen 
Wanddekorationen. 

Die  Tuffperiode  ist  die  Zeit  des  ersten  Dekorationsstiles;  wir 
nennen  ihn  den  Inkrustationsstil;  denn  sein  Hauptmotiv  ist  die 
Nachahmung  einer  buntfarbigen  marmornen  Wandbekleidung. 
Eigentliche  Wandmalerei  fehlt  ganz;  bildliche  Darstellungen,  zum 
Teil  von  großer  Schönheit,  zeigen  nur  die  Mosaiken  der  Fuß- 
böden Ohne  Zweifel  ist  diese  Zeit  der  Höhepunkt  der  pom- 
pejanischen Architektur;  mit  ihr  erlischt  die  direkte  griechische 
Tradition,  alle  späteren  Bauten  zeigen  römischen  Charakter  und 
auch  ihre  Kunstformen  griechischen  Ursprungs  sind  auf  dem 
Wege  ĂĽber  Rom  nach  Pompeji  gelangt. 

Leicht  kenntlich  sind  die  Bauten  dieser  Periode  an  ihrem 
bescheidenen  Material.  Das  Mauerwerk  ist  Bruchsteinbau.  meist 
aus  Lava,  mit  Kalkmörtel.  F"ür  Quaderfassaden  aber,  und  so  auch 
für  Säulen  und  Gebälke  ist  ausnahmslos  der  graue  Tuff  verwandt, 
dem  durch  einen  feinen  weiĂźen  StuckĂĽberzug  das  Aussehen  des 
Marmors    gegeben    wurde.      Marmorbau   kennt    diese   Zeit    nicht. 


40 


Pompeji. 


und  es  spricht  fĂĽr  die  Bildung  der  oskischen  Pompejaner,  daĂź 
sie  imstande  waren  sich  mehr  an  schönen  Formen  als  an  glän- 
zendem Material  zu  freuen. 

4.  Die  erste  Zeit  der  römischen  Kolonie  von  80  v.  Chr.  an. 
Laut  erhaltener  Inschriften  baute  bald  nach  dem  Jahre  80  ein 
schwer  reicher  Kolonist,  C.  Quinctius  Valgus,  als  Duumvir  mit 
seinem  Kollegen  M,  Porcius  das  kleine  Theater,  und  später  als 
Quinquennal  mit  demselben  Kollegen  das  Amphitheater.  Einige 
andere  Bauten  erweisen  sich  durch  ihre  ganz  gleiche  Bauart  — 
Quasireticulat  (Fig.   13)  —  als  derselben  Periode  angehörig:   die 

Badeanstalt  beim  Forum,  der 
Tempel  des  Zeus  Meilichios,  ein 
Bau  innerhalb  der  Porta  marina, 
und  wahrscheinlich  auch  das 
Gebäude  an  der  Südostecke  des 
Forums,  in  dem  wir  das  Comi- 
tium  erkennen  werden.  Auch 
der  ältere,  im  Jahre  63  zerstörte 
Isistempel  gehörte  dieser  Zeit  an. 
Keine  Wohnhäuser:  in  dieser 
Beziehung  hatte  die  vorher- 
gehende Periode  so  reichlich 
vorgesorgt,  daĂź  kein  BedĂĽrfnis 
vorhanden  war. 

KĂĽnstlerisch  betrachtet  steht 
diese  Periode  tief  unter  der 
vorigen;  unverkennbar  ist  der  durch  den  langen  und  schweren 
Krieg  bewirkte  Verfall.  Theater,  Amphitheater  und  Thermen 
sind  Nutzbauten  mit  wenigen,  dĂĽrftig  ausgefĂĽhrten  Kunstformen. 
Und  wo  diese  reichlicher  auftreten  muĂźten,  wie  am  Isistempel, 
da  können  sie  mit  der  Schönheit  und  feinen  Arbeit  gleichartiger 
Leistungen  der  vorigen  Periode  nicht  entfernt  verglichen  werden: 
es  sind  teils  verkĂĽmmerte  Formen  des  Tuffstils,  dĂĽrftig  ausgefĂĽhrt 
und  nicht  mehr  recht  empfunden,  teils  —  namentlich  in  einigen 
Privathäusern  —  gröbere  und  künstlerisch  minderwertige  Formen 
anderer  Herkunft,  wohl  von  den  Kolonisten  importiert. 

Die  Wandmalereien  dieser  Periode  zeigen  den  zweiten  pom- 
pejanischen   Stil,    dessen   Zeit    mit    der    GrĂĽndung    der   Kolonie 


Fig.  13.     Quasireticulat  mit  Ziegelecken,    am 
Eingatig  zum  kleinen  Theater. 


VI.   IJaumatcrial.     Hauart.     Baupcrioden. 


41 


beginnt.  Wir  nennen  ihn  den  Architekturstil;  er  ahmt  teils,  wie 
der  erste  Stil,  eine  marmorne  Wandbekleidung  nach,  aber  nicht 
durch  plastische  Stuckarbeit,  sondern  nur  durch  Malerei  auf  der 
glatten  Wand,  teils  fĂĽllt  er  die  Wand  mit  Architekturmalerei, 
in  richtigen  oder  doch  einigermaĂźen  der  Wirklichkeit  entspre- 
chenden Verhältnissen. 

5.  Es    folgt    eine  lange   Zeit,    von  den    späteren  Zeiten    dei 
römischen  Republik   bis   zum  Erdbeben   des  Jahres  63    n.  Chr., 


Fig.  14.     Netzwerk  mit  Ecken  aus  ziegeiförmigen  Steinen  und  Entlastungsbogen  über 
einem  .\bzugskanale. 


innerhalb  der  wir  keine  zeidich  zusammengehörigen  Gruppen 
von  Gebäuden  unterscheiden  können.  Wohl  mögen  wir  hie 
und  da  ein  Mauerwerk,  welches  mit  dem  der  ersten  Zeit  der 
Kolonie  Ă„hnlichkeit  zeigt,  der  republikanischen  Zeit  zuweisen; 
wir  mögen  an  einer  gewissen  Bauweise  —  Netzwerk  aus  Tuff, 
mit  Ecken  aus  ziegeiförmig  gehauenen  Stücken  desselben  Steines 
(Fig.  14)  —  die  Zeit  des  Augu.stus  erkennen,  in  einer  anderen 
—  Netzwerk  mit  Ziegelecken  —  eine  .spätere  Zeit;  aber  es  handelt 
sich  hier  nie  um  Kennzeichen,  die  allen  Bauten  einer  gewissen 
Periode  eigen  wären,  wir  sind  stets  darauf  angewiesen,  für  jedes 


42  Pompeji. 

einzelne  Gebäude,  mit  Berücksichtigung  aller  Umstände,  uns  ein 
Urteil  zu  bilden. 

In  der  Wandmalerei  folgen  innerhalb  dieser  Zeit  drei  ver- 
schiedene Stile  aufeinander.  Bis  in  die  Zeit  des  Augustus  bleibt 
der  zweite  oder  Architekturstil  in  Ăśbung.  Dann  wird  er  durch 
den  dritten,  einen  vermutlich  in  Ă„gypten  entstandenen,  mehrfach 
ägyptische  Motive  verwendenden  ornamentalen  Stil  verdrängt,  der 
etwa  um  das  Jahr  50  n.  Chr.  dem  vierten,  dem  Stil  der  letzten 
Zeit  Pompejis  Platz  macht,  dem  Stil,  den  man  gewöhnlich  im 
Auge  hat,  wenn  man  von  pompejanischer  Malerei  spricht.  Inner- 
halb dieser  Periode  begann  man  auch  mit  Marmor  zu  bauen :  das 
erste  datierbare  Beispiel  ist  der  um  das  Jahr  3  v.  Chr.  erbaute 
Tempel  der  Fortuna  Augusta. 

6.  Die  Zeit  nach  dem  Erdbeben  des  Jahres  63  n.  Chr.  Nicht 
sowohl  durch  einen  gemeinsamen  Charakter  in  Bauart  und  Kunst- 
formen, als  durch  mancherlei  äußere  Umstände  —  neues  Aus- 
sehen, offenbare  Unfertigkeit,  AnschluĂź  an  eingestĂĽrzte  Mauern 
—  sind  die  Bauten  dieser  letzten  Zeit  meist  mit  Sicherheit  .zu 
erkennen.  Der  einzige  bedeutende  Neubau  ist  die  groĂźe  Bade- 
anstalt (Centralthermen)  an  der  Kreuzung  der  Stabianer  und 
Nolaner  StraĂźe.  Im  ĂĽbrigen  scheint  es,  daĂź  man  die  einge- 
stürzten Gebäude  möglichst  in  ihrer  früheren  Gestalt  herzustellen 
bestrebt  war.  Die  Wandmalereien  sind  durchaus  im  letzten  Stil 
gehalten. 

Die  Bauten  der  römischen  Zeit  sind  durchaus  nach  dem 
römischen  Fuße  von  0,296  m  ausgeführt:  in  den  vorrömischen 
zeigt  sich  vielfach  der  oskische  oder  altitalische  FuĂź  von  0,275. 
Da  aber  der  römische  Fuß  griechischen  Ursprungs  ist,  so  ist 
die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  daß  schon  in  vorrömischer 
Zeit  griechische  Architekten  ihn  auch  in  Pompeji  ihren  Bauten 
zugrunde  legten. 


Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.     Tlan  Tl. 


5    m         '20        :i(>        'lO       .w 


Plan  des  Forum 


zu  S.  43. 
A.  Korum. 

1.  Basis  der  Statue  des  Augiistus. 

2.  »  »         »        des  Claudius. 

3.  »  »         •        der  Agrippina. 

4.  »  ...        des  Nero. 

5.  »  »         »        des  ("alii^ula? 

6.  liaseu  fĂĽr  Kciterstatuen. 

7.  »  »     Standbilder. 

8.  Basis  fĂĽr  drei  Reiterstatuen. 

9.  RednerbĂĽhnc. 
lo.  Eichtisch. 

I>.  Basilica. 

1.  Vorhalle  (Chalcidicum). 

2.  Hauptraum. 

3.  Tribunal. 

C.  Tempel  des  Apollo. 

D.  Markthallen. 

E.  BedĂĽrfnisanstalt. 

F.  Schatzkammer? 

G.  Bogen. 

H.  Tempe-I  des  Jupiter  (Capitolium). 

J.     Triumphbogen  des  Tiberius. 

K.  Maccllum  (Viktualienmarkthalle). 

1.  Vorhalle. 

2.  l'ortikus. 

3.  Läden. 

4.  Fleisch-   und  Fischhallc. 

5.  Kapelle  d.  Kaiserfamilie  (Claudius?). 

6.  Festsaal  fĂĽr  den  Kaiserkultus. 

7.  Kuppelbau  mit  Wasserbassin. 
L.    Heiliijtiim  der  stadtischen  Laren. 
M.  Tempel  des  Vcspasian. 

X.   Oebiiude    der   Eumachia    (Markthalle    fĂĽr 
Wollstoffe  I. 

1.  \'orhalle  iCludi.idicum). 

2.  l'ortikus. 

3.  Apsis  der  Concordia. 

4.  Bedeckter  C.an.;  (Krypta). 

5.  Statue   der  Eumachia. 
(>.   Cumitiuni. 

1'.    .Vmtsraum  ilor  l'uuunirn. 
ij.    Sitzungssaal   >\i-^  Stadtrates. 
K.     . Vmtsraum   der  .\edilen. 


roo.U. 


t  den  anstoßenden  Gebäuden. 


ERSTER  TEIL. 

Ă–FFENTLICHE  PLĂ„TZE  UND  GEBĂ„UDE. 

Kapitel  VII. 
Das  Forum. 

Uurch  den  gewöhnlichen  Eingang,  die  Porta  marina,  Pompeji 
betretend,  gelangen  wir  auf  kurzem,  steil  ansteigendem  Wege 
auf  das  Forum  (Plan  II).  Wir  stehen  auf  einem  langgestreckten 
Platze  von  mächtiger  Ausdehnung,  beherrscht  von  dem  an  seiner 
Nordseite  auf  hohem  Unterbau  aufragenden  Tempel  des  Jupiter, 
auf  den  anderen  drei  Seiten  von  Säulenhallen  umgeben;  mit 
diesen  miĂźt  er  151,60X47,66,  ohne  sie  142,50X38,50  m. 
Den  AbschluĂź  auf  der  Nordseite,  neben  dem  Tempel,  bildet 
links  eine  einfache  Mauer  mit  zwei  Durchgängen,  einem  aus  der 
Säulenhalle,  einem  aus  dem  offenen  Räume;  rechts,  dem  offenen 
Räume  entsprechend,  ein  stattlicher  Triumphbogen,  daneben  als 
Abschluß  der  Säulenhalle  eine  Mauer  mit  Durchgang.  Endlich 
links  vom  Tempel,  in  gleicher  Flucht  mit  seiner  Fassade,  ein 
viel  einfacherer  Bogen,  der  die  schmale  Fläche  neben  dem 
Tempel  von  dem  groĂźen  freien  Platze  trennt.  Rechts  vom  Tempel 
ist  ein  ebensolcher  Bogen  später  abgetragen  worden,  vermutlich 
als  man  den  oben  erwähnten  Triumphbogen  baute,  und  um  den 
Blick  auf  denselben  frei  zu  machen. 

Kein  Fahrweg  durchschneidet  die  Säulenhallen.  Auch  die 
Eingänge  der  Nordseitc  sind  nicht  fahrbar:  links  steigt  man  über 
mehrere  Stufen  auf  das  Forum  herab,  rechts  nur  ĂĽber  eine:  doch 
ist  hier  das  Fahren  noch  besonders  durch  drei  mitten  im  Durch- 
gange aufgerichtete  Steine  unmöglich  gemacht.  Nur  l^"u(.\gängcr 
betraten  den  Platz.  Und  auch  diesen  konnte  der  Eintritt  ver- 
wehrt   werden:    alle  Zugänge    waren   durch  Türen    verschlicI.Uxir, 


44  Pompeji. 

deren  Spuren  deutlich  im  Boden  zu  erkennen  sind.  Kein  Privat- 
haus stößt  an  das  Forum;  es  gehörte  ganz  dem  öffentlichen 
Leben:  Tempel,  Kaufhallen  und  städtische  Verwaltungsräume 
umsfeben  es  auf  allen  Seiten. 

Die  Portiken  erstrecken  sich  nicht  gleichmäßig  um  die  drei 
Seiten  des  Platzes.  Unser  Plan  zeigt,  daĂź  auf  der  SĂĽdseite  und 
dem  anstoĂźenden  StĂĽck  der  Ostseite,  bis  zur  Strada  dell'Abbon- 
danza,  die  Säulen  in  doppelter  Reihe  stehen,  die  Halle  also 
doppelte  Tiefe  hat.  Und  auf  der  Ostseite,  nördlich  der  ge- 
nannten StraĂźe,  finden  wir  statt  eines  einheitlich  fortlaufenden 
Portikus  die  Vorhallen  der  vier  hier  anliegenden  Gebäude.  Die 
Portiken  waren  zweistöckig,  unten  dorischer,  oben  ionischer  Ord- 
nung: der  obere  Umgang  war  zugänglich  durch  drei  Treppen 
in  der  SĂĽdost-  und  in  der  SĂĽdwestecke  und  in  der  Mitte  der 
Westseite.  Doch  mĂĽssen  wir  gleich  hinzufĂĽgen,  daĂź  der  obere 
Umgang  sich  nicht  auf  den  nördlich  der  Strada  dell'Abbondanza 
liegenden  Teil  der  Ostseite  erstreckte.  Vor  dem  ersten  der 
vier  Gebäude,  deren  Vorhallen  hier  die  Stelle  der  Forums- 
portiken vertreten,  standen  zwar  die  zwei  Säulenordnungen  über- 
einander, in  gleicher  Höhe  wie  sonst  am  Forum,  doch  ent- 
sprach dem  Zwischengebälk  kein  Zwischenboden.  Und  auch 
vor  dem  letzten  Gebäude,  dem  Macellum,  finden  wir  Spuren 
der  oberen  Säulenordnung,  aber  wieder  ohne  Zwischenboden. 
Vermutlich  also  war  es  ebenso  vor  den  beiden  dazwischen  liegen- 
den Gebäuden,  wo  nichts  erhalten  ist.  Das  Pflaster  bestand  aus 
rechteckigen  Travertinplatten :  eine  Stufe  aus  demselben  Stein 
vor  den  um  etwa  45  cm  über  den  unbedeckten  Raum  erhöhten 
Portiken  bedeckte  den  Abzugskanal  fĂĽr  das  Regenwasser,  welches 
ihm  durch  kleine  halbrunde  Ă–ffnungen  am  FuĂź  der  Stufe  zufloĂź. 

Von  den  zahlreichen  Statuen,  die  einst  das  Forum  schmĂĽck- 
ten, ist  keine  auf  uns  gekommen.  Sie  waren  von  dreierlei  ver- 
schiedener Art  und  Größe. 

Auf  der  eben  erwähnten  Stufe,  am  P'uße  der  Säulen,  standen 
Statuen  verdienter  BĂĽrger.  Nur  auf  der  Westseite  sind  vier  ihrer 
Basen  erhalten.  Vor  dieser  Stufe  standen  Reiterstatuen  in  Lebens- 
größe, dem  offenen  Platze  zugewandt,  auch  sie  Municipalgrößen 
darstellend  (Fig.  19).  An  einer  ist  die  bunte  Marmorbekleidung  mit 
der  Inschrift  erhalten ;  Q.  Sallustius,  Duumvir,  Quinquennal,  Patron 


VII.    Das  Forum. 


45 


der  Kolonie.  Auf  der  SĂĽdseite  sind  diese  ursprĂĽnglich  auch  hier 
gleichmäßig  gereihten  Reiterstatuen  zum  größten  Teil  beseitigt 
worden,  um  vier  weit  größeren  Basen  Platz  zu  machen,  die  auf 
unserer  Ansicht  der  SĂĽdseite  des  Forums  (Kap.  XVII)  sichtbar  sind. 
Sicher  standen  hier  Kaiser  und  Mitglieder  der  kaiserlichen  Familie. 
Die  mittlere  Basis,  in  Bogenform,  annähernd  quadratischen  Grund- 
risses, ist  weitaus  die  älteste :  sie  trug  ohne  Zweifel  ein  kolossales 
Standbild  des  Augustus:  es  wäre  unglaublich,  daß  dem  ersten 
Kaiser  während  seiner  langen  und  glücklichen  Regierung  hier 
kein  Denkmal  gesetzt  sein  sollte.  Die  drei  ĂĽbrigen  sind  unter 
sich  gleichartig  und  offenbar  zusammengehörig.  Sie  trugen  rechts 
eine  kolossale  Reiterstatue,  links  ein  kolossales  Standbild,  weiter 
vorwärts  eine  kleinere  Reiterstatue.  Also  Kaiser,  Kaiserin  und 
Kronprinz:  Claudius,  Agrippina,  Nero. 

Eine  fünfte  Basis,  für  eine  Reiterstatue  von  gleicher  Größe 
wie  die  des  Nero,  steht  weiter  nördlich  vor  dem  Jupitertempel. 
Zweifellos  jĂĽnger  als  die  Bogenbasis  des  Augustus  muĂź  sie 
andererseits  älter  sein  als  die  drei  Basen  der  Familie  des  Claudius. 
Denn  aus  der  Zeit  Neros  kommt  auĂźer  ihm  selbst  niemand  in 
Betracht,  und  nach  seinem  Tode  lag  das  Forum  infolge  des  Erd- 
bebens des  Jahres  63  in  TrĂĽmmern.  Wer  aber  hier  stand,  da- 
rĂĽber sind  nur  unsichere  Vermutungen  gestattet.  Es  brauchte 
ja  nicht  gerade  ein  Kaiser  zu  sein;  auch  z.  B.  an  den  jĂĽngeren 
Drusus  (Sohn  des  Tiberius)  oder  Germanicus  kann  gedacht  werden, 
wenn  diese  etwa  irgend  welche  Beziehungen  zu  Pompeji  hatten. 
War  es  aber  ein  Kaiser,  so  muĂźte  es  wohl  Caligula  sein.  Denn 
fĂĽr  Tiberius  ergiebt  sich  ein  anderer  Platz. 

Es  ist  wahrscheinlich,  daĂź  in  den  beiden  dem  F'orum  zu- 
gewandten Nischen  des  nordöstlichen  Eingangsbogens  (rechts  vom 
Jupitertempel:  s.  F'ig.  15  und  21)  die  beiden  ältesten  Söhne  des 
Germanicus  standen,  Nero  und  Drusus;  ein  auf  ersteren  bezĂĽg- 
liches Inschriftfragment  wurde  in  nächster  Nähe  gefunden.  Sie 
waren,  nachdem  Tiberius  23  n.  Chr.  seinen  Sohn  Drusus  verloren, 
die  präsumtiven  Thronerben,  fielen  aber  dann  (29  und  23  n.  Chr. 
dem  argwöhnischen  Sinne  des  Kaisers  und  den  Umtrieben  Sejans 
zum  Opfer.  Dann  aber  dĂĽrfen  wir  oben  auf  dem  Bogen  die 
Reiterstatue  des  Tiberius  vermuten. 

Daß  nämlich  hier  eine  Reiterstatue  stand,    ergiebt   sich  wohl 


46 


Pompeji. 


mit  Sicherheit  aus  der  Analogie  des  Bogens,  der  die  AusmĂĽn- 
dung der  MerkurstraĂźe  auf  die  Nolaner  StraĂźe  ĂĽberspannt.  Hier 
wurde  das  bronzene  Reiterbild  gefunden;  in  TrĂĽmmern,  doch  ist 
es  wieder  zusammengesetzt  worden  und  steht  jetzt  im  Museum 
zu  Neapel.  Man  hat  gestritten,  ob  es  Nero  oder  Caligula  dar- 
stellt. In  Wahrheit  gleicht  es  keinem  von  beiden;  es  wird  besser 
sein,  auf  Namengebung  zu  verzichten,  zumal  es  noch  nicht  ge- 
lungen ist,  die  Erbauungszeit  des  Bogens  zu  bestimmen. 


Fig.  15.     Nordseite  des  Forums  mit  dem  Jupitertempel,  wiederhergestellt. 

In  betreff  des  Forums  mĂĽssen  wir  noch  fragen,  ob  denn  hier 
keine  RednerbĂĽhne  war.  Ein  eigener  Bau,  wie  die  Rostra  des 
römischen  Forums,  war  nicht  vorhanden;  seine  Spuren  müßten 
kenntlich  sein.  Wer  aber  zum  Volke  sprach,  betrat  ohne  Zweifel 
die  breite,  einst  einen  Altar  tragende  Plattform  vor  dem  Jupiter- 
tempel: hier,  an  der  nicht  von  Portiken  eingefaĂźten  Seite  des 
Platzes  war  der  einzige  dafĂĽr  geeignete  Ort. 

Nur  geringer  Aufmerksamkeit  bedarf  es,  um  zu  bemerken, 
daĂź  das  Forum  keineswegs  einen  einheitlichen  Charakter  zeigte, 
vielmehr  seine  letzte  Gestalt  das  Resultat  einer  langen  Entwick- 
lung war.  Und  es  ist  eine  anziehende  und  lohnende  Aufgabe, 
der  Geschichte  des  Platzes  nachzugehen,  seine  Veränderungen 
die  Jahrhunderte  hindurch  zu  verfolgen. 


VII.  Das  Forum. 


47 


Vermutlich  war  das  Forum  in  ältester  Zeit  nichts  anderes 
als  ein  offener  Platz  zwischen  vier  StraĂźen,  ohne  Portiken.  Und 
es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daĂź  damals  die  Strada  dell'  Abbon- 
danza  mit  ihrer  P^ortsetzung,  der  Strada  della  Marina,  die  SĂĽd- 
grenze desselben  bildete.  Aus  dieser  ältesten  Zeit  des  Forums 
stammt  der  westlich  anliegende  Apollotempel:  seine  Längenachse 
folgt  der  Richtung  der  einst  hier  am  P'orum  entlang  fĂĽhrenden 
Straße,  in  Übereinstimmung  mit  der  Straßenrichtung  im  nörd- 
lichen Teil  der  Stadt.  Er  ist  also  älter  als  die  Säulenhallen  des 
Forums,  bei  deren  Erbauung  etwas  von  dieser  Richtung  abge- 
wichen wurde;  die  Divergenz  ist,  wie  auf  dem  Plane  ersichtlich, 
durch  Pfeiler  verschiedener  Dicke  ausgeglichen. 

V.  Popidius  Ep.  f.  q.  porticus  faciendas  coeravit^  so  lautet 
eine  in  der  Nähe  der  Südwestecke  gefundene  Inschrift.  Wann 
aber  ließ  der  Quästor  Vibius  Popidius,  Sohn  des  Epidius,  die 
Portiken  des  Forums  bauen?  Sicher  vor  der  Zeit  der  römischen 
Kolonie;  denn  in  dieser  gab  es  keinen  Quästor.  Auch  vor  der 
Zeit  des  Bundesgenossenkrieges;  denn  während  desselben  wird 
man  nicht  gerade  Säulenhallen  gebaut  haben;  auch  hätte  man 
sicher  in  dieser  Zeit  nationaler  Bestrebungen  die  Inschrift  in 
oskischer  Sprache  gesetzt.  Anderseits  deutet  doch  eben  die 
lateinische  Sprache  auf  die  späteren  Zeiten  der  Bundesgenossen- 
schaft mit  Rom.  Also  nicht  lange  vor  dem  Jahre  loo,  jedenfalls 
in  der  2.  Hälfte  des  2.  Jahrh.  v.  Chr. 

Reste  der  Säulenhallen  des  Popidius  sind  erhalten  auf  der 
SĂĽdseite  und  dem  anstoĂźenden  Teil  der  Ostseite  bis  ĂĽber  die 
Strada  dell'  Abbondanza.  Deutliche  Spuren  auch  auf  der  ganzen 
Westseite,  wo  sie  später  umgebaut  worden  sind,  nicht  aber  auf 
dem  durch  spätere  Bauten  gänzlich  umgestalteten  nördlichen  Teil 
der  Ostseite.  DaĂź  sie  sich  aber  auch  ĂĽber  diesen  erstreckten 
oder  doch  erstrecken  sollten,  ist  zweifellos  anzunehmen. 

Unsere  Figur  16  zeigt  die  untere,  dorische  Säulenstellung 
der  Portiken  des  Popidius;.  von  der  oberen,  ionischen,  sind  nur 
ganz  geringe  Reste  erhalten.  Wie  das  ganze  aussehen  mochte, 
zeigt  Figur  29.  Bauart  und  Stil  sind  die  der  Tuffperiode  (S.  38^, 
die  Formen  nicht  die  der  klassischen  Zeit,  aber  doch  von  feinem 
griechischen  Formgefühl  beherrscht.  Die  niedrigen  Verhältnisse 
—  Säulenhöhe  5  Durchmesser  —  während  sonst  im  vorrömischen 


48  Pompeji. 

Pompeji  auch  der  dorische  Stil  viel  schlankere  Formen  liebt, 
sind  dem  Unterstock  eines  Doppelportikus  durchaus  angemessen. 
Die  Säulen  sind  gut  geformt,  mit  sehr  geringer  Schwellung 
(Entasis),  im  unteren  Drittel,  um  Beschädigungen  vorzubeugen, 
nur  gekantet,  oben  kanneliert,  das  Kapitell  schwach  entwickelt. 
In  betreff  des  auffallend  niedrigen  Epistyls  ist  eine  Besonder- 
heit  der  Konstruktion   zu  beachten.     Da   die   geringe  Festigkeit 


Fig.  16.     Überrest  der  Säulenhalle  des  Popidius,  an  der  Südseite  des  Forums. 

des  Tuffsteines  nicht  gestattete,  die  Intercolumnien  durch  Stein- 
balken zu  überspannen,  hat  man  nach  altitalischer  Art  von  Säule 
zu  Säule  Holzbohlen  gelegt,  auf  denen  dann  die  viel  kürzeren 
Gebälkstücke  ruhen.  In  unserer  Figur  16  ist  also  von  den  zwei 
Gurten  des  Epistyls  der  untere  die  modern  ergänzte  Holzbohle. 
Daß  sie  in  der  Tat  nicht  höher  war  als  bei  der  Ergänzung  an- 
genommen worden,  beweist  unwiderleglich  die  jĂĽngere,  ganz  aus 
Stein  gebildete  Säulenhalle  der  Westseite,  die  sich  in  ihren 
Höhenverhältnissen  genau  der  älteren  anschließt  und  dasselbe 
niedrige  zweigeteilte  Epistyl  zeigt. 


VII.  Das  Forum. 


49 


Eine  weitere  Belehrung  ĂĽber  diese  Bauart  entnehmen  wir  der 
Stuckdekoration  auf  den  Gartenwänden  eines  eben  dieser  Periode 
angehörigen  Hauses  (Casa  del  Fauno).  Hier  sind  Pilastcr  und 
Gebälk  in  Stuckrelief  dargestellt;  im  übrigen  weiß,  nur  der  untere 
Gurt  des  zweigeteilten  Epistyls  ist  gelb,  d.  h.  als  Holzbohle  ge- 
dacht. Nichts  war  leichter,  als  das  ja  nur  aus  Stuck  gebildete 
Epistyl  als  aus  einem  StĂĽcke  bestehend  erscheinen  zu  lassen; 
man  hat  aber  doch  vorgezogen,  es  als  auf  einer  Holzbohle 
ruhend  zu  bezeichnen.     Wir  dĂĽrfen  hieraus  schlieĂźen,    daĂź  auch 


Fig.  17.     Teil  der  neuen  Kolonnade,  nahe  der  sĂĽdwestlichen  Ecke  des  Forums. 


an  wirklichen  Bauten  man  nicht  etwa  die  unvollkommene  Kon- 
struktion durch  eine  Stein  und  Holz  gleichmäßig  und  gleich- 
farbig bedeckende  StuckhĂĽlle  verbarg,  sondern  den  nun  einmal 
vorhandenen  Materialunterschied  auch  dekorativ  verwertete,  indem 
das  Holz,  sei  es  in  seiner  natĂĽrlichen  Farbe,  sei  es  mit  einer 
angemessenen  Bemalung,  sich  von  dem  weiĂźen  Stuck  des  Stein- 
gebälkes abhob.  Man  machte  eben  »aus  der  Nat  eine  Tugend«. 
Denn  da  diese  Periode  die  Polychromie  der  klassischen  Zeit  auf- 
gegeben hatte  —  nur  die  Metopen  waren,    nach    einigen  W'and- 

Mau,  Pompeji.     2.  Aull.  a 


CQ  Pompeji. 

dekorationen  zu  schließen,  rot  gemalt,  und  in  ionischen  Gebälken 
der  Fries  gefärbt  —  so  kam  in  der  Tat  durch  dieses  Verfahren 
eine  nicht  unerwünschte  Abwechslung   in   das   einförmige  Weiß. 

Der  gleichen  von  dem  alten  StraĂźenzuge  abweichenden  Rich- 
tung wie  die  Portiken  des  Popidius  folgt  auch  der  das  Forum 
ĂĽberragende  Jupitertempel  und  die  seiner  SĂĽdwestecke  anliegende 
Basilika.  Sie  gehören  also  derselben  Neugestaltung  des  Forums 
an.  Vielleicht  gab  die  Beschränkung  der  Forumsfläche  durch 
den  Bau  des  Tempels  den  AnlaĂź ,  sie  sĂĽdlich  ĂĽber  die  sie  hier 
einst  begrenzende  StraĂźe  (Strada  dell'  Abbondanza  und  della 
Marina)  auszudehnen. 

Der  Jupitertempel  stand  anfangs  isoliert,  so  daĂź  neben  ihm 
das  Forum  von  Norden  frei  zugänglich  blieb.  Erst  später,  aber 
noch  in  Republikanischer  Zeit,  wurde  es  hier  durch  eine  Mauer 
mit  Durchgängen  gesperrt.  Wieder  später  wurden  die  beiden 
Bögen  neben  der  Fassade  des  Tempels  gebaut,  noch  später, 
unter  Tiberius,  rechts  weiter  rückwärts  der  größere  Triumph- 
bogen an  der  Stelle  der  frĂĽher  hier  das  Forum  sperrenden 
Mauer.  Gleichzeitig,  und  um  den  Blick  auf  diesen  neuen  Bogen 
frei  zu  machen,  wurde  der  rechts  neben  der  Fassade  des  Tempels 
stehende  demoliert. 

Die  Portiken  des  Popidius  mögen  über  ein  Jahrhundert  ge- 
standen haben.  Als  sie  dann  schadhaft  wurden,  auch  wohl  nicht 
mehr  dem  Zeitgeschmack  entsprachen,  begann  man  sie  durch 
neue  Portiken  zu  ersetzen,  deren  Form  unsere  Fig.  17  zeigt,  aus 
besserem  Material  —  dem  sogen.  Travertin  —  und  mit  soliderer 
Konstruktion,  indenl  die  Gebälkstücke  in  horizontaler  Wölbung 
aneinander  gefĂĽgt  wurden.  In  den  MaĂźen  und  der  Gliederung 
im  groĂźen  schloĂź  man  sich  an  die  alten  Portiken  an,  aber  einzelne 
Details,  die  Kannelüren  der  Säulen,  die  Triglyphen  und  die 
Tropfenleisten  unter  denselben,  wurden  weggelassen,  die  dorischen 
Kapitelle  und  der  Ăśbergang  von  ihnen  zum  Schaft  anders  ge- 
staltet. Es  sind  eben  nicht  mehr  die  Formen  der  TufTperioden. 
Verschwunden  ist  der  feine  Formensinn  der  frĂĽheren  Zeit,  alles 
grob  und  unschön;  so  die  Säulen  mit  der  zu  weit  nach  oben 
verlegten  Schwellung. 

Auch  diese  neuen  Portiken  hatten  ein  ionisches  Obergeschoss, 
von  de.ssen  Säulen  (nicht  vom  Gebälk,    das  wohl  von  Holz  war) 


VII.    Das  Foram. 


51 


beträchtliche  Fragmente  erhalten  sind.  Auch  die  Stufe,  auf  der 
die  Säulen  stehen,  und  die  niedrige  ihr  vorliegende  Stufe  wurden 
in  Kalkstein  erneuert  und  mit  Platten  desselben  Steines  die  offene 
Fläche  des  Forums  gepfla.stert. 

Diese  zweite  vollständige  Umgestaltung  des  Forums  begann 
in  frĂĽher  Kaiserzeit,  vielleicht  noch  frĂĽher;  das  Travertinpflaster 
lag  schon  vor  dem  Bau  des  Augustusdcnkmals.  Zum  AbschluĂź 
gekommen  ist  sie  nie.  Nur  auf  der  Westseite  waren  die  neuen 
Portiken  ihrer  Vollendung  nahe,  als  das  Erdbeben  des  Jahres  63 
sie  umwarf.  Zur  Zeit  der  VerschĂĽttung  war  das  F'orum  ein 
TrĂĽmmerfeld;  auf  dem  offenen  Platze  arbeiteten  die  Steinmetzen 
an  den  WerkstĂĽcken  fĂĽr  den  Wiederaufbau.  Von  den  neuen 
Portiken  standen  nur  am  sĂĽdlichsten  Ende  der  Westseite  die,  auf 
unserer  Abbildung  P'ig.  17  sichtbaren,  im  Jahre  63  stehen  ge- 
bliebenen Säulen  mit  ihrem  Gebälke. 

Das  Forum  diente  vor  allen  Dingen  dem  Marktverkehr.  Hier 
boten  morgens  die  Landleute  ihre  Produkte,  den  ganzen  Tag 
über  mancherlei  Händler  ihre  Waren  aus.  Von  diesem  Verkehr 
wurde  es  freilich  mehr  und  mehr  entlastet  durch  die  ringsum  fĂĽr 
einzelne  Handelszweige  gebauten  Hallen.  Im  Macellum  verkaufte 
man  Viktualien  aller  Art,  im  Gebäude  der  Eumachia  Kleider, 
andere  Waren  in  der  Basilika  und  in  der  Halle  westlich  vom 
Jupitertempel,  Doch  blieb  wohl  fĂĽr  das  Forum  immer  noch 
genug  ĂĽbrig. 

Tagtäglich  diente  ferner  das  Forum  als  Spaziergang  und 
Zusammenkunftsort  der  Bürger:  hier  flanierten  die  Müßiggänger 
und  besprachen  ernste  Männer  die  Angelegenheiten  des  Gemein- 
wesens, gingen  junge  Leute  ihren  Liebesabenteuern  nach  und 
trafen  sich  Händler  und  Gewerbetreibende  um  Geschäfte  zu  be- 
reden und  abzuschlieĂźen.  Wer  weiĂź,  was  im  heutigen  italieni- 
schen Leben  die  Piazza  bedeutet  —  in  Rom  Piazza  Colonna  — 
und  dann  noch  bedenkt,  wieviel  jetzt  dem  Leben  derselben  durch 
Cafes  und  ähnliche  Räume  entzogen  wird,  während  anderseits  die 
geräumigen,  gegen  jedes  Wetter  Schutz  bietenden  Säulenhallen 
den  modernen  Plätzen  meist  fehlen,  der  kann  sich  eine  Vor- 
.stellung  machen  von  dem  lebhaften  Treiben. 

Das  Treiben  auf  dem  Forum   schien   einem  BĂĽrger  Pompeji 

4* 


52 


Pompeji. 


SO  interessant,  daß  er  es  auf  den  Wänden  eines  Zimmers  in  einer 
Reihe  von  Bildern  darstellen  lieĂź.  Von  sehr  geringem  Kunst- 
wert  und  mit  wenig  Sorgfalt  hergestellt,  geben  dieselben  doch 
ein  lebendiges  Bild  antiken  Kleinstadtlebens  (Fig.  i8,  ig).  Auf 
dem  offenen  Platz,  nahe  den  Portiken,  vor  den  Reiterstatuen 
sehen  wir  Händler  der  verschiedensten  Art.  Da  sitzt  ein  Ver- 
käufer kupferner  Gefäße  und  eiserner  Geräte,  in  Gedanken  ver- 
sunken; ein  Freund  muĂź  ihn  auf  einen  eben  herantretenden 
Käufer  aufmerksam  machen;  ein  anderer  Händler  mit  ebensolchen 
Gefäßen  ist  in  eifrigem  Handeln  begriffen,  während  sein  Knabe, 
am  Boden  kauernd,  ein  Gefäß  ausbessert.     Zwei  Schuster,   einer 


Fig.  i8.     Szene  auf  dem  J'oruni.     Im  Vordergrunde  links:  ein  Händler  mit  Geräten;    rechts:  ein 
Schuhmacher  bedient  vier  Frauen.     Wandgemälde. 

mit  Männern,  einer  mit  Frauen  verhandelnd;  zwei  Tuchhändler. 
Weiter  einer,  der  aus  einem  Kessel  eine  warme  Speise  verkauft, 
eine  Obst-  und  Gemüsehändlerin  und  ein  Brotverkäufer.  Daneben 
Szenen  anderer  Art.  Ein  sitzender  Mann  mit  Schreibtafel  und 
Griffel,  den  Worten  eines  neben  ihm  Stehenden  lauschend,  er- 
innert lebhaft  an  die  öffentlichen  Schreiber,  die  z.  B.  in  Neapel 
unter  dem  Portikus  des  Theaters  San  Carlo  den  des  Schreibens 
Unkundigen  ihre  Briefe  verfassen.  Männer  in  der  Tunika  ver- 
handeln, wie  es  scheint,  Geschäfte,  indem  sie  zugleich  den  Maschen, 
die  sie  in  der  Hand  halten,  zusprechen  —  handelt  es  sich  etwa 
um  Weinproben?  Spaziergänger;  eine  Frau  beschenkt  einen 
Bettler;  zwei  Kinder  spielen  an  einer  Säule  Versteck.  1^'erner 
eine    nicht    recht  verständliche,    vermutlich    eine   Rechtshandlung 


VII.    Das  l'orum. 


53 


darstellende  Szene :  eine  Frau  fĂĽhrt  zwei  sitzenden,  mit  der  Toga 
bekleideten  Männern  ein  kleines  Mädchen  vor,  das  ein  Täfelchen 
vor  der  Brust  trägt.  Vier  Männer  lesen  eine  Bekanntmachung, 
die  auf  einer  langen  Tafel  an  dreien  der  mehrfach  erwähnten 
Reiterbasen  befestigt  ist.  Eine  Schulszene:  ein  Zögling  wird 
gezüchtigt,  einer  seiner  Mitschüler  trägt  ihn  auf  den  Schultern, 
ein  anderer  hält  ihn 
an  den  Beinen,  ein 
Diener  vollzieht  das 

ZĂĽchtigungswerk, 
während  der  Lehrer 
ruhig  dabei  steht. 
Auch  dies  auf  dem 
Forum  ?  Doch  wohl 
nicht;  auch  sind  die 
Säulen  hier  von 
denen  der  anderen 
Bilder  verschieden 
und  weitläufiger  ge- 
stellt: vielleicht  war 
die  kleine,  später  in 
geschlossene  Räume 
verwandelte  Säulen- 
halle  nördlich   vom 

Tempelhofc   des 
Apollo  (S.  58)  ganz 
oder     teilweise     an 
einen    Schulmeister 
vermietet. 

Aber  das  Forum  war  nicht  nur  das  wichtigste  Verkehrszentrum, 
es  war  auch  der  große  Festsaal  und  die  Dingstätte  der  Bürger- 
schaft. Festsaal  schon  als  Tempelhof  des  höchsten  Gottes.  Aber 
auch  die  Feste  des  Apollo,  dessen  Tempel  neben  dem  h'oruni 
lag  und  mit  ihm,  wie  wir  weiterhin  sehen  werden,  frĂĽher  noch 
enger  verbunden  war  als  in  der  letzten  Zeit,  w  urden  hier  gefeiert. 
wie  eine  gleich  zu  erwähnende  hischrift  bezeugt. 

Vitruv  leitet  die  Verschiedenheit  der  griechischen  Agora  und 
des  italischen  1^'orum  daraus  ab.    tlaĂź  auf  let/tereni  auch  Ciladia- 


Fig.  19.     Szene   auf  dem   Forum.      BĂĽrger    lesen    eine    l'ekannt- 
machung.     Wandgemälde. 


c^  Pompeji. 

torenspiele  gegeben  wurden.  Und  es  unterliegt  ja  keinem  Zweifel, 
daĂź  dies  auch  in  Pompeji  oft  genug  der  Fall  war,  bevor  in  den 
ersten  Zeiten  der  römischen  Kolonie  das  Amphitheater  gebaut 
wurde.  Deshalb,  sagt  er,  seien  die  Säulen  weitläufiger  zu  stellen 
(damit  sie  den  Zuschauern  nicht  im  Wege  seien)  und  soll  auch 
der  Oberstock  der  Portiken  so  eingerichtet  werden,  wie  es  zur 
Benutzung  und  zur  Erhebung  des  Eintrittsgeldes  bequem  ist. 
Letztere  Bemerkung  ist  von  besonderem  hiteresse.  Es  steht 
durch  anderweitige  Nachrichten  fest,  daß  bei  öffentlichen  Spielen 
gewisse  Plätze  für  die  Behörden  und  für  die  Freunde  des  Spiel- 
gebers reserviert,  andere  dem  Volke  unentgeltlich,  wieder  andere 
gegen  Bezahlung  zugänglich  waren.  Fand  nun  das  Schauspiel 
auf  dem  Markte  mit  unteren  und  oberen  Portiken  statt^  so  waren 
jene  dem  Volke  ohne  weiteres  zugänglich,  diese  aber  teils  reser- 
viert, teils  zu  vermieten:  dies  liegt  in  der  Natur  der  Sache  und 
wird  durch  obige  Worte  Vitruvs  bestätigt. 

Ob  bei  solchen  Gelegenheiten  die  VerschlieĂźbarkeit  der  Zu- 
gänge zum  Forum  in  Anwendung  kam?  Vielleicht  in  älterer 
Zeit,  wenn  nämlich  damals  auch  in  Pompeji,  wie  in  Rom,  den 
Sklaven  das  Zuschauen  verboten  war.  Freilich  spricht  von  dieser 
alten  Sitte  schon  Cicero  als  von  etwas  Vergangenem,  und  so 
dürften  wohl  im  römischen  Pompeji  auch  an  Spieltagen  die  Türen 
zum  Forum  offen  geblieben  sein. 

Weiter  belehrt  uns  Vitruv,  daß  die  Griechen  ihre  Marktplätze 
quadratisch  anlegten  (was  freilich  neuere  Ausgrabungen  nicht 
bestätigen);  dagegen  in  italischen  Städten  sei,  mit  Rücksicht 
wieder  auf  die  Gladiatorenkämpfe,  dem  P^orum  eine  längliche 
P^orm  —  2:3  —  zu  geben.  Vermutlich  liegt  hier,  wie  auch  bei 
der  länglichen  Form  des  Amphitheaters,  die  Absicht  zugrunde, 
in  der  Mitte  der  Langfseiten  bevorzuo"te  Plätze,  zum  Zuschauen 
aus  größerer  Nähe ,  zu  schaffen.  Wie  dem  auch  sei ,  auch  das 
I'orum  von  Pompeji  ist  länglich,  noch  viel  mehr  als  Vitruv  vor- 
schreibt. 

Auch  noch  nach  ICrbauung  des  Amphitheaters  wurde  das 
P'orum  zu  Spielen  und  Kämpfen,  freilich  harmloserer  Art,  be- 
nutzt: die  jetzt  verlorene,  aber  von  einem  Gelehrten  des  17.  Jahr- 
hunderts abgeschriebene  Grabschrift  eines  A.  Clodius  Placcus 
berichtet  ausführlich,    wie    er  während    seines   ersten   und  wieder 


\'II.    Das   Forum. 


55 


während  seines  zweiten  Duumvirats  (er  bekleidete  das  Amt  zum 
drittenmal  im  Jahre  3  v.  Chr.)  am  Apollofeste  außer  den  Kämpfen 
im  Amphitheater,  auf  dem  Forum  Stierkämpfe  und  sonstige  Spiele, 
auch  Musikvorträge  und  Pantomimen  veranstaltete. 

Aber  auch  bei  Festen,  die  nicht  auf  dem  Forum  gefeiert 
wurden,  spielte  es  doch  eine  Rolle.  Es  ist  nicht  zu  bezweifeln, 
daß,  wenn  im  Amphitheater  Gladiatorenkämpfe  oder  im  Theater 
Schauspiele  gegeben  wurden,  die  städtischen  Behörden  und 
namentlich  der  das  Spiel  veranstaltende  Beamte  mit  seinem  Ge- 
folge sich  in  festlichem  Zuge  dahin  begaben:  wir  werden  bei 
Besprechung  der  Theater  den  Weg  eines  solchen  Zuges  verfolgen 
können.  Dieser  Zug  aber  konnte  doch  wohl  nur  auf  dem  Forum 
sich  ordnen  und  von  dort  ausgehen.  Und  wenn  wir  nun  sehen, 
daß  das  F^orum  für  Wagen  unzugänglich  war,  so  führt  uns  dies 
auf  einen  bemerkenswerten  Unterschied  zwischen  den  Festen  der 
Hauptstadt  und  denen  der  Munizipien  und  Kolonien.  Bei  den 
Festen  der  Hauptstadt  spielt  der  Wagen  eine  wichtige  Rolle :  zu 
Wagen  geschah  der  Einzug  der  spielgebenden  Beamten  in  den 
Zirkus,  die  berühmte  Pompa  circensis,  und  ähnlich  bei  anderen 
Festen.  Auch  Priester  und  Priesterinnen  erschienen  bei  manchen 
Gelegenheiten  zu  Wagen.  Daher  verbietet  das  Munizipalgesetz 
Caesars  zwar  das  F^ahren  auf  den  StraĂźen  Roms  von  Sonnen- 
aufgang bis  zur  zehnten  Stunde,  gestattet  es  aber  fĂĽr  die  bei 
religiösen  und  bürgerlichen  Festen  benutzten  Fuhrwerke.  Dagegen 
in  Pompeji,  wo  das  Forum,  der  Mittelpunkt  des  städtischen 
Lebens,  für  Wagen  unzugänglich  war,  und  so  ohne  Zweifel  auch 
in  anderen  Städten,  konnten  solche  Festzüge  nur  zu  Fuß  statt- 
finden. \n  der  Tat  erfahren  wir  nirgends,  daĂź  fĂĽr  die  Munizipien 
und  Kolonien  ähnliche  Ausnahmen  von  dem  Verbot  des  I-'ahrens 
statuiert  worden  wären.  Ohne  Zweifel  haben  wir  hier  eine  der 
MaĂźregeln  zu  erkennen,  durch  die  Rom  den  Munizipien  gegen- 
über seine  größere  Würde  behauptete.  So  wenig  die  Vorstände 
der  Munizipien  Konsuln,  ihre  Ratsversammlungen  Senat  heiĂźen 
durften,  so  wenig  durften  auch  ihre  Beamten  und  Priester  gleich 
den  römischen  zu  Wagen  erscheinen,  üb  dies  V^erbot  auch 
schon  vor  der  Gründung  der  römischen  Kolonie  bestand?  Oh 
Rom  .schon  seinen  sogen.  Bundesgenossen,  in  Wahrheit  Unter- 
tanen,   diese    erniedrigende   Beschränkung    ihrer   l"\^stfeicrn    auf- 


56  Pompeji, 

erlegte?  Es  scheint  so;  wenigstens  ist  es  sicher,  daĂź  schon  in 
dieser  frĂĽheren  Zeit  das  Forum  durch  die  Erbauung  der  es  ein- 
schlieĂźenden Portiken,  ohne  Durchfahrt  fĂĽr  Wagen,  in  einen  nur 
für  Fußgänger  zugänglichen  Festsaal  unter  freiem  Himmel  ver- 
wandelt wurde. 

Keine  Chronik  kommt  uns  zu  Hilfe,  wenn  wir  versuchen,  uns 
das  Forum  als  den  Schauplatz  des  politischen  Lebens,  als  die 
Dingstätte  der  Bürgerschaft  zu  vergegenwärtigen.  Und  doch, 
welche  Bilder  steigen  vor  unserer  Phantasie  auf!  Hier  traten  um 
das  Jahr  400  v.  Chr.,  nach  ErstĂĽrmung  der  Stadt,  die  streitbaren 
Männer  des  Gebirges  zusammen,  ihr  Gemeinwesen  zu  gründen; 
hier  haben  sie  es  dann  ohne  Zweifel  unter  ähnlichen  Kämpfen 
wie  in  Rom,  weiter  aus-  und  umgestaltet.  Und  heiĂź  genug  mag 
es  oft  hergegangen  sein,  wenn  die  zu  Rom  haltenden  Aristokraten 
und  die  nationale  Volkspartei  um  die  Herrschaft  rangen,  während 
der  Samnitenkriege  und  wieder  zur  Zeit  Hannibals,  nach  der 
Schlacht  von  Cannae. 

Hier,  auf  der  Plattform  vor  dem  Jupitertempel,  standen  im 
Jahre  90  v,  Chr.  die  FĂĽhrer  der  Nationalpartei  und  rissen  mit 
flammenden  Worten  die  BĂĽrgerschaft  hin  zur  Erhebung  gegen 
Rom,  zum  AnschluĂź  an  den  in  Asculum  ausgebrochenen  und 
mit  Blitzesschnelle  durch   ganz  SĂĽditalien  verbreiteten  Aufstand. 

Zehn  Jahre  blutigen  Kampfes;  Belagerung,  KriegszĂĽge.  Dann, 
welch  anderes  Bild!  Dicht  gereiht  stehen  auf  der  offenen  Fläche 
römische  Krieger,  die  Veteranen  Sullas.  Vor  dem  Tempel  des 
Jupiter  steht  der  Zivilkommissar,  der  Neffe  des  Diktators  und 
verkündet  die  Ordnungen  der  Kolonie.  Scheu  drängen  sich  in 
den  Portiken  die  BĂĽrger.  Viele  der  besten  sind  im  Kampfe  ge- 
fallen, die  Ăśberlebenden,  zum  Teil  von  Haus  und  Hof  vertrieben, 
werden  in  Zukunft  mit  den  übermächtigen  Eindringlingen  sich 
vertragen  mĂĽssen. 

Dies  war  der  letzte  ernste,  tragische  Akt,  der  sich  auf  dem 
Forum  Pompejis  abspielte.  Wenn  man  nun  noch  manchmal  stritt 
ĂĽber  die  Rechte  der  AltbĂĽrger  und  der  Kolonisten,  wenn  dann 
über  mancherlei  Gemeindesachen  verhandelt  und  alljährlich  Beamte 
gewählt  wurden,  so  mochte  wohl  bisweilen  die  südliche  Lebhaftig- 
keit zu  heftigen  Auftritten  fĂĽhren,  doch  war  das  nur  ein  Wcllen- 
kräuseln  an  der  Überfläche,   kein  die  Tiefen   aufregender  Sturm. 


Kapitel  VIII. 

Übersicht  der  Gebäude  um  das  Forum. 
Der  Jupitertempel. 

Das  Forum  ist  fĂĽr  die  Stadt,  was  das  Atrium  fĂĽr  das  alt- 
italische Haus.  WofĂĽr  es  sonst  keinen  besonderen  Ort  gab,  das 
geschah  im  Atrium  und  auf  dem  Forum.  Und  wie  um  das 
Atrium,  und  von  ihm  aus  zugänglich,  die  Schlaf-,  Speise-,  Vor- 
rats- und  sonstigen  Räume,  so  lagen  um  das  Forum  die  den 
verschiedenen  Bedürfnissen  des  öffentlichen  Lebens  dienenden 
Gebäude:  die  wichtigsten  Tempel,  die  Räume  der  städtischen 
Verwaltung,   Kaufhallen    fĂĽr   verschiedene  Zweige    des  Handels. 

Drei  Tempel  und  ein  kleines  Heiligtum  liegen  am  Forum: 
zwei  weitere  Tempel  in  geringer  Entfernung.  Sie  verkörpern 
uns  die  verschiedenen  Perioden  der  Stadtgeschichte. 

Schon  frĂĽhzeitig  nahmen  die  Osker  Pompejis  von  den  an  der 
Küste  ansässigen  Griechen  den  Kult  des  Apollo  an.  Dem  helle- 
nischen Gotte  wurde  ein  groĂźer  und  reicher  Tempel  westlich 
(links)  vom  Forum  erbaut  (C  in  Plan  II). 

Nördlich,  das  Forum  überragend,  thronten  erst  seit  späterer 
Zeit  die  Gottheiten  des  Kapitols:  Jupiter,  Juno,  Minerva;  ihr 
Tempel  (H)  ist  das  Symbol  der  Herrschaft  Roms. 

Und  als  nun  Pompeji  römische  Kolonie  geworden  war,  da 
wurde  der  neuen  Schutzgöttin,  Venus  Pompejana,  ihr  Tempel 
errichtet,  wenige  Schritte  vom  Forum  entfernt,  auf  der  sĂĽdwest- 
lichen PLcke  des  StadthĂĽgels. 

Weiter  folgen  östlich  (rechts)  am  Forum  die  Tempelbauten 
zu  Ehren  der  Kaiser.  Zuerst  das  weit  offene  Heiligtum  der 
städtischen  Laren  und  des  mit  ihnen  verehrten  Genius  des 
Augustus  (L).  Nördlich,  in  geringer  Entfernung,  stand  seit  3 
V.  Chr.  der  Tempel  der  Fortuna  Augusta,  der  den  iVugustus 
schützenden  Glücksgöttin.  Claudius  und  die  Seinen  erhielten 
eine  Kapelle  in  der  Viktualienmarkthalle,  dem  Macellum  (s.  unten  : 


eg  Pompeji. 

auch  fĂĽr  den  Kult  des  Nero  scheint  diese  genĂĽgt  zu  haben. 
Nach  seinem  Sturze  aber  und  nach  Beendigung  des  kurzen 
BĂĽrgerkrieges  erhob  sich  neben  dem  augusteischen  Larenheiligtum 
der  Tempel  Vespasians,  des  Herstellers  des  Friedens,  des  neuen 
Augustus  (M).  Dies  war  der  letzte  Tempelbau  Pompejis,  zur 
Zeit  der  VerschĂĽttung  noch  nicht  ganz  beendigt. 

Der  städtischen  Verwaltung  dienten  drei  untereinander  sehr 
ähnliche,  je  nur  einen  großen  Saal  enthaltende  Gebäude  auf  der 
südlichen  Schmalseite  (P — R),  erbaut  vermutlich  in  der  ersten 
Kaiserzeit,  erneuert  nach  dem  Erdbeben  des  Jahres  63.  Ferner 
ein  Raum  in  der  SĂĽdostecke,  an  der  Ecke  des  Forums  und  der 
Strada  dell'  Abbondanza  (O),  in  dem  wir  den  Wahlraum ,  das 
Comitium  erkennen  werden.  Endlich  an  der  Ecke  links  neben 
dem  Jupitertempel  vielleicht  die  städtische  Schatzkammer,  erbaut 
in  der  letzten  Zeit  Pompejis,  aber  doch  wohl  an  der  Stelle  eines 
älteren  gleichartigen  Baues  (F). 

FĂĽr  den  Handelsverkehr  hat  das  Forum  schon  frĂĽh  nicht 
genügt;  auch  mußte  sich  das  Verlangen  nach  bedeckten  Räumen 
geltend  machen.  Schon  in  vorrömischer  Zeit,  im  2.  Jahrh.  v.  Chr., 
errichtete  man  an  der  SĂĽdwestecke  den  Prachtbau  der  Basilika  (B) : 
eine  groĂźe,  zugleich  einen  Raum  fĂĽr  Gerichtsverhandlungen  ent- 
haltende Kaufhalle;  welcher  Art  Waren  hier  feilgeboten  wurden, 
entzieht  sich  unserer  Kenntnis. 

Auch  schon  frĂĽhzeitig  entstand  an  der  entgegengesetzten 
Ecke,  rechts  vom  Jupitertempel,  das  Macellum,  die  Markthalle 
fĂĽr  Viktualien  (K) ;  sie  wurde  in  der  Kaiserzeit ,  vielleicht  unter 
Claudius,  von  Grund  auf  erneuert.  Schon  vor  diesem  Wieder- 
aufbau hatte  auf  derselben  Seite  weiter  sĂĽdlich,  an  der  Ecke  der 
Strada  dell'  Abbondanza,  die  Priesterin  Eumachia  eine  Verkaufs- 
halle fĂĽr  die  Waren  der  Tuchwalker,  FuUonen,  erbaut  (N). 

Auf  der  gegenüberliegenden  Seite  lag  schon  seit  vorrömischer 
Zeit,  Rücken  an  Rücken  mit  der  nördlichen  Halle  des  Tempel- 
hofes des  Apollo,  nach  Norden  geöffnet,  eine  kleine  zweistöckige 
Säulenhalle;  nur  das  Erdgeschoß,  dorischer  Ordnung,  ist  erhalten. 
Vermutlich  diente  auch  sie  und  der  kleine  ihr  vorliegende  Platz  (D) 
dem  Handelsverkehr.  Sicher  ist,  daß  auf  dem  Platze  später,  in  der 
Kaiserzeit,  Kaufhallen  erbaut,  die  Halle  selbst  aber  in  geschlossene 
Räume  unbekannter  Bestimmung  verwandelt  wurde   6,  7,  7):  einer 


VIII.    Der  Jupitertempel. 


59 


dieser  Räume  wurde  mit  dem  Tempelhofe  in  Verbindung  gesetzt 
und  diente  wohl  als  Wohnung  des  KĂĽsters  (aedituus). 

Endlich  zwischen  diesem  kleinen  Platze  und  dem  Forum 
erhob  sich  in  der  letzten  Zeit  Pompejis  eine  geräumige  Kauf- 
halle (D),  in  einem  Gebäudekörper  mit  der  Stadtkasse  und  mit 
einem  öffentlichen  Abtritt  verbunden. 


Fig.  20. 
Plan    des  Jupitertempels. 
I.  RednerbĂĽhne.    2.  Vor- 
halle.   3.  Cella. 


Den  groĂźen  Tempel,  der  an  der  Nordseite  das  Forum  ĂĽber- 
ragt und  mehr  als  alles  andere  ihm  seinen  Charakter  gibt,  zeigt 
in  seinem  jetzigen  Zustande  unsere  Abbildung  (Fig.  21).     Er  war 
im    Jahre    63    eingestĂĽrzt    und    zur   Zeit    der 
VerschĂĽttung  war  mit  dem  Wiederaufbau  noch 
kein  Anfang  gemacht.     Einstweilen   diente  er 
als     Steinmetzwerkstätte:     die    Au.sgrabungs- 
berichte     melden     von     dem     Funde     eines 
Kolossaltorso,  aus  dem  man  begonnen  hatte, 
eine   kleinere   Statue    zu    machen.     Der    hier 
gepflegte  Kult  muĂź  also  provisorisch  anders- 
wo untergebracht  gewesen  sein. 

Der  Tempel  erhebt  sich  auf  einem  3  m 
hohen  und  (einschlieĂźlich  der  Treppe)  37  m 
langen,  17  m  breiten  Unterbau.  Von  der 
Gesamtlänge  entfällt  wenig  mehr  als  die  Hälfte  auf  die  Cella, 
von  der  anderen  Hälfte  reichlich  zwei  Drittel  auf  die  Vorhalle, 
ein  Drittel  auf  die  Treppen.  Sechs  gegen  8'/^  "^  hohe  korin- 
thische Säulen  trugen  das  Giebelfeld    s.  Fig.  15). 

Diese  Disposition  mit  der  weiten,  säulenumgebcncn  Vorhalle 
ist  etruskisch,  wenn  auch  Vitruvs  Vorschrift,  daĂź  die  Vorhalle 
eben  so  tief  sein  soll  wie  die  Cella,  nicht  eingehalten  ist.  Etrus- 
kischcr  oder  doch  italischer  Sitte  entspricht  auch  der  hohe  Unter- 
bau mit  dem  Treppenaufgang  auf  der  Vorderseite.  Dagegen  sind 
die  Architckturformen  des  Aufbaues  griechisch,  korinthischer  Ord- 
nung. Und  diese  Formen  haben  nun  auch  wieder  den  GrundriĂź 
beeinfluĂźt:  die  Intercolumnien  sind  nicht  die  weiten,  auf  Holz- 
architrave  berechneten  der  etruskischen,  sondern  die  engeren  der 
griechischen  Architektur.  Von  solchen  aus  etruskischen  und  grie- 
chischen Motiven  gemischten  Tempelbauten  spricht  auch  Vitruv  am 
Schlüsse  .seiner  Anweisungen:  wir  pflegen  sie  >römischec  zu  nennen. 


6o 


Pompeji. 


EigentĂĽmlich  ist  die  Treppenanlage:  zu  unterst  zwei  schmale 
Treppen,  getrennt  durch  die  schon  S.  46  erwähnte  Plattform,  die 
den  Altar  trug  und  zugleich  als  RednerbĂĽhne  diente.  DaĂź 
nämlich  hier  der  Altar  stand,  erfahren  wir  durch  ein  am  Unter- 
bau der  Larenkapelle  eines  Privathauses  angebrachtes  Relief 
(Fig.  23).  Sicher  ist  hier  die  Front  unseres  Tempels  gemeint. 
Der  links  anstoĂźende  Bogen,  das  ihn  mit  dem  Tempel  ver- 
bindende Mauerstück,  die  seitwärts  vorspringenden  Treppen- 
wangen, auf  denen,  wie  wir  hier  erfahren,  Reiterstatuen  standen. 


Ruinen  des  Jupitertempels.     Photographie  Brogi. 


endlich  eben  die  Plattform  in  der  Mitte  der  Treppe,  alles  dies 
stimmt  genau.  Die  abweichende  Zahl  und  Form  der  Front- 
säulen darf  uns  nicht  irre  machen;  solche  Ungenauigkeiten  sind 
auf  antiken  Darstellungen  von  Bauwerken  gewöhnlich.  Wir  haben 
diesem  Relief  fĂĽr  unsere  Restauration  (Fig.  15)  die  eigentĂĽmliche 
Form  des  Bogens  links  entnommen. 

Der  Dachstuhl  war  wohl  durch  eine  Kassettendecke  verhĂĽllt, 
sowohl  in  der  Vorhalle  wie  in  der  Cclla.  Vor  der  4,46  m 
breiten  Tür  erkennen  wir  die  großen  Steine  mit  den  Löchern, 
in    denen    die    Zapfen    der    mächtigen    Türflügel    sich    drehten. 


VIII.    Der  Jupitertcmpel. 


6i 


Eigentümlicherweise  lagen  diese  vor,  nicht  in  der  Türöffnung  und 
waren  nicht  unbeträchtlich  größer  als  diese:  es  sollte  dadurch 
ein  groĂźartigerer  Anblick   bei   geschlossener  TĂĽr  erzielt  werden. 

Besonders  reich  war  die  Architektur  der  Cella.  An  den 
Langwänden  entlang  je  eine  Reihe  von  ionischen  Säulen,  etwa 
4,50  m  hoch:  auf  ihrem  Gebälk  muß  eine  obere,  vermutlich 
korinthische  Säulenreihe  gestanden  und  mit  ihrem  Gebälk  die 
Decke  gestĂĽtzt  haben.  Auf  dem 
Zwischengebälk,  zwischen  den  oberen 
Säulen,  mochten  Statuen  und  Weih- 
geschenke aufgestellt  sein.  Der  FuĂź- 
boden bestand  in  der  Mitte,  innerhalb 
der  in  unserem  GrundriĂź  gezogenen 
Linie,  aus  Marmorplatten,  von  denen 
nichts,  im  ĂĽbrigen  aus  weiĂźem  Mosaik, 
von  dem  nur  wenig  erhalten  ist. 

Von  der  Bemalung  der  Wände 
im  zweiten  pompejanischen  Stil  gibt 
Fig.  22  eine  Probe :  es  sind  die  gewöhn- 
lichen Motive:  Marmorbekleidung  mit 
roten  Hauptfeldern :  darĂĽber  ein  Ge- 
sims. Der  Sockel  mit  seiner  einfachen 
Linienteilung  auf  schwarzem  Grunde 
ist  später  einmal  im  dritten  Stile 
restauriert  worden :  ursprĂĽnglich  hatte 
er  ohne  Zweifel  eine  mehr  architek- 
tonische Gestalt  und  war  oben  durch 
ein  gemaltes  Gesims  abgeschlossen. 

An  die  RĂĽckwand  angebaut  er- 
hebt sich  eine  groĂźe  3,45  m  hohe 
Basis,  fast  dreimal  so  lang  als  breit,  ursprĂĽnglich  durch  vier  Pilastcr 
in  drei  Teile  geteilt.  Später  sind  dann  die  Pilastcr  und  ihr  Gebälk 
entfernt  und  ist  das  Ganze  mit  Marmorplattcn  verkleidet  worden. 
Drei  enge,  aus  der  Cella  zugängliche  Kammern  waren  im  hincrn 
der  Basis  enthalten.  Kein  Zweifel,  da(.^  auf  dieser  einst  drei  Kult- 
bilder dreier  Götter  standen.  In  den  Kammern  mochte  der  ihnen 
bei  festlichen  Gelegenheiten  angelegte  Schmuck  bewahrt  werden. 

Sehr  alt    ist    der  Tempel   nicht.     Die   Richtung   seiner  Achse 


Fig.  22.     Teil    der   Wanddekoration   in 
der  Cella  des  Jupitertempels. 


62  Pompeji. 

setzt  die  durch  den  Portikenbau  des  Popidius  oben  (S.  47)  be- 
zeichnete Neugestaltung  des  Forums  voraus.  Und  er  ist  jĂĽnger 
als  die  Portiken,  die  wir  in  vorrömische  Zeit  datieren  mußten. 
Die  mit  Stuck  überzogenen  Säulen  der  Vorhalle  würden  wir  jetzt, 
wo  von  den  korinthischen  Kapitellen  nur  eins,  und  dieses  ganz 
verstümmelt,  erhalten  ist,  unbedenklich  der  vorrömischen  Zeit, 
der  Tufifperiode,  zuschreiben.  Aber  zur  Zeit  der  Ausgrabung 
war  von  den  Kapitellen  mehr  vorhanden ;  sie  wurden  damals  von 
Mazois  gezeichnet  und  in  seinem  groĂźen  Werk  ĂĽber  Pompeji 
veröffentlicht.  Und  hier  zeigt  sich,  daß  die  Akanthusblätter  der 
Kapitelle  nicht  die  ganz  eigentĂĽmliche  Form  der  Tuffperiode 
haben,  mit  weich  ĂĽberfallendem  oberen  Rande,  sondern  die  ge- 
wöhnliche griechisch-römische  mit  aufwärts  gerichteten  spitzen 
Zacken.  Besser  erhalten  sind  die  ionischen  Säulen  in  der  Cella, 
groĂźenteils  mit  ihren  Kapitellen;  es  fehlt  nur  der  StuckĂĽberzug. 
Und  auch  hier  könnten  wir  zwar  die  Schäfte  mit  ihren  tiefen, 
halbkreisförmigen  Kanneluren  der  Tuffperiode  zuschreiben;  aber 
die  Kapitelle  zeigen  ganz  abweichende  Formen.  Nicht  mehr  die 
in  der  Tuffperiode  fast  ausschlieĂźlich  herrschenden  Diagonal- 
voluten, mit  denen  alle  vier  Seiten  den  gleichen  Anblick  bieten 
(s.  Kap.  LH),  sondern  die  gewöhnliche  klassische  Form  des  zwei- 
seitigen Kapitells.  Und  unter  den  Voluten  der  Eierstab  nicht 
mehr  in  der  charakteristischen  Form  der  Tuffperiode,  mit  den 
ganz  kleinen  Kügelchen,  sondern  auch  hier  die  gewöhnliche 
griechische  und  griechisch-römische  Form  mit  dem  länglichen, 
den  Rahmen  ganz  füllenden  »Ei«.  Dagegen  haben  die  trotz  der 
späteren  Umgestaltung  zum  Teil  erhaltenen  korinthischen  Kapitelle 
der  Pilaster  an  der  groĂźen  Basis  die  Formen  der  Tuffperiode, 
mit  dem  ĂĽberfallenden  Akanthus:  ob  auch  die  Feinheit  der  Arbeit 
dieser  Periode  entspricht,  das  ist  bei  der  dĂĽrftigen  Erhaltung 
nicht  kenntlich.  Dazu  kommt  nun,  daĂź  fĂĽr  die  Pilaster,  sowohl 
fĂĽr  die  der  groĂźen  Basis  als  fĂĽr  die  an  den  Enden  der  inneren 
Säulenreihen,  ziegeiförmig  behauene  Steine  verwendet  sind:  ein 
in  der  vorrömischen  Zeit  nicht  übliches  Material. 

Nach  alledem  sind  wir  hier  nicht  mehr  in  der  Tuffperiode, 
aber  auch  noch  nicht  weit  von  ihr  entfernt:  in  der  ersten  Zeit 
der  römischen  Kolonie  muß  der  Tempel  erbaut  sein.  Und  so 
ist   denn  auch    die  Wandmalerei   im  zweiten  Stil   gehalten,   dem 


VIII.   Der  Jupitertcmpel. 

Stil  der  eben  seit  dieser  Zeit  ĂĽblich  war, 
ohne  den  geringsten  Rest  älterer  Dekoration, 
Und  eine  Bestätigung  dieser  Zeitbestimmung 
dĂĽrfen  wir  nun  wohl  auch  darin  finden,  daĂź 
der  ganze  Bau  125,  die  Treppe  20  römische 
FuĂź  lang  ist,  wenn  gleich  an  sich,  nach 
dem  oben  S.  42  ĂĽber  den  Gebrauch  des 
römischen  Fußes  gesagten,  dies  keine  Ent- 
scheidung geben  wĂĽrde. 

Ein  Jupiterkopf,  auf  den  wir  noch  zu- 
rĂĽckkommen, wurde  in  der  Cella  gefunden: 
auĂźerdem  eine  Inschrift,  enthaltend  eine 
Widmung  an  Jupiter  Optimus  Maximus, 
den  Gott  des  Kapitols,  zu  Ehren  Caligulas, 
aus  dem  Jahre  37  n.  Chr.  Welches  waren 
aber  die  beiden  neben  Jupiter  verehrten 
Gottheiten  ? 

Wie  die  römischen  Kolonien  überhaupt 
ein  verkleinertes  Bild  der  Hauptstadt  zu  sein 
strebten,  so  pflegten  sie  auch  als  Haupt- 
tempel ein  Capitolium,  einen  Tempel  der 
kapitolinischen  Gottheiten,  Jupiter,  Juno,  Mi- 
nerva, zu  haben.  Der  Kult  dieser  drei  Gott- 
heiten ist  uns  fĂĽr  Pompeji  noch  besonders 
bezeugt:  ihre  Kultbilder  standen  in  einem 
kleinen  Tempel,  den  wir  vermutungsweise 
fĂĽr  den  des  Zeus  Meilichios  halten.  Aber  es 
waren  dĂĽrftige  Tonbilder  und  das  Tempel- 
chen selbst  ist  zu  dürftig  für  die  Kultstätte 
der  herrschenden  Götter  Roms:  oflcnbar  war 
ihr  Kult  dort  nur  einstweilen  untergebracht, 
weil  das  Capitolium  mit  seinen  Statuen 
durch  das  Erdbeben  des  Jahres  63  zerstört 
war.  Nun  finden  wir  hier  als  Haupttempel 
der  Stadt  einen  Tempel  dreier  Götter,  von 
denen  einer  Jupiter  war,  einen  Tempel,  der, 
im  Jahre  63  eingestĂĽrzt,  zur  Zeit  der  Ver- 
schüttung nicht   als  Kultstätte   diente.      Da 


63 


fHMB 


64 


Pompeji. 


bleibt  wohl  kein  Zweifel :  dies  ist  das  von  den  römischen  Kolonisten 
gleich  nach  der  Besitzergreifung  erbaute  Capitolium;  Juno  und 
Minerva  standen  auf  der  großen  Basis  neben  dem  König  der  Götter. 
Damit  fällt  nun  vielleicht  auch  ein  neues  Licht  auf  die  eigen- 
tümliche Lage  des  Altars  auf  einer  erhöhten  Plattform  in  der 
Mitte  der  Treppe.     Denn  man  hätte  ihn  ja  auch  vor  die  Treppe, 

auf  die  Fläche  des 
Forums  stellen  kön- 
nen. Aber  wie  in  Rom 

der  kapitolinische 
Tempel  mit  seiner 
ganzenUmgebung  auf 
hohem  Berge  lag,  so 
wollte  man  vielleicht 
auch  hier  nicht  nur 
den  Tempel,  sondern 
auch  den  Altar  er- 
höhen, so  daß  nun 
auch  hier  wie  dort  zum 
Opfer  der  Priester 
hinaufsteigen  muĂźte. 
Der  Unterbau  ent- 
hält gewölbte  Räume, 
zugänglich  durch  eine 
TĂĽr  von  der  Ostseite. 
Ihre  Bestimmung  ist 
unbekannt.  Wir  kön- 
nen an  die  Schatz- 
kammer unter  dem 
römischen  Saturn- 
tempel denken:  es  konnten  aber  auch  Magazinräume,  favissae^ 
sein,  fĂĽr  beiseite  gelegte  alte  Weihgeschenke  und  sonstige  Dinge. 
Es  ist  nun  bemerkenswert,  daß  die  Anordnung  dieser  Räume, 
gewisse  jetzt  geschlcssene  obere  Lichtöfifnungen,  eine  große  ver- 
mauerte Öffnung  gegen  die  Frontseite,  —  wir  können  auf  einzelnes 
nicht  weiter  eingehen  —  daß  alles  dies  gar  nicht  recht  zu  dem 
jetzt  auf  diesem  Unterbau  stehenden  Tempel  paĂźt,  ja  zum  Teil 
mit  ihm  unverträoflich    ist.     Vielleicht   läßt   sich   hierfür   eine  Er- 


Fig.  24.     BĂĽste  des  Zeus  von  Otricoli,  im  Vatik.in.     Nach 
Brunn-Bruckmann,  Denkmäler,  Tafel  120. 


\'III.    Der  Jupitcrtenipel. 


65 


klärung  finden.  Die  Neugestaltung  des  Forums  mit  den  Portiken 
des  Popidius  fällt  in  das  2.  Jahrh.  v.  Chr.  Zwischen  ihr  und  dem 
Tempelbau  liegt  die  Zeit  des  Bundesgenossenkrieges.  Es  ist  aber 
kaum  denkbar,  daĂź  bei  der  Neugestaltung  nicht  auch  schon  der 
das  Forum  ĂĽberragende  Tempel  geplant  gewesen  sein  sollte, 
sehr  denkbar  dagegen,  daĂź  sein  Bau  schon  damals  begonnen, 
aber  durch  die  Kriegs- 
zeiten unterbrochen 
wurde,  und  daĂź  dann 
die  römischen  Kolo- 
nisten ihn  vollendeten, 
aber  nicht  nach  dem 
ursprĂĽnglichen  Plan, 
sondern  mit  den  Ver- 
änderungen, die  seine 
nunmehrige  Bestim- 
mung als  Capitolium 
erforderte.  So  wĂĽrde 
die  mangelnde  Ăśber- 
einstimmung zwi- 
schen Unter-  und 
Oberbau  sich  gut  er- 
klären. Indes  ist  über 
diesen  Punkt  die 
Untersuchung  noch 
nicht    abgeschlossen. 

Ehe  wir  den  Tem- 
pel verlassen,  werfen 
wir  noch  einen  Blick 

auf  den  schönen  hier  gefundenen  Jupiterkopf  (Fig.  25).  Wir 
werden  uns  seine  Eigenart  am  besten  klar  machen,  wenn  wir  ihn 
zusammenstellen  mit  dem  berĂĽhmten  Zeus  von  Otricoli,  dem  er 
nahe  verwandt  ist. 

Fern  sind  wir  hier  von  der  groĂźartigen  Einfachheit  und  Ruhe 
des  Phidias:  in  viel  höherem  Grade  hat  hier  der  Mensch  den 
Gott  nach  seinem  eigenen  Bilde  geformt,  ihm  menschliche  Indi- 
vidualität, menschliche  Leidenschaft  \erliehen.  Wir  können  liier 
nicht  auf  die  Frage  eingehen,  ob  der  Kopf  von  Otricoli  aus  der 

Mau,  Pompeji,     i.  Aull.  e 


Fig.  25.     BĂĽste  des  Jupiter  aus  Pompeji. 
Museum  zu  Neapel. 


66  Pompeji. 

Schule  des  Praxiteles  stammt,  oder  schon  mehr  den  EinfluĂź  des 
Lysippos  zeigt;  sicher  ist  der  Typus  in  der  zweiten  Hälfte  des 
vierten  Jahrhunderts,  des  Jahrhunderts  nach  Phidias,  entstanden. 
Die  Ähnlichkeit  der  beiden  Köpfe  ist  augenfällig.  Wesentlich 
gleich  ist  die  Gesamtform;  in  beiden  das  gleiche,  kraftvoll  sich 
aufbäumende  und  in  reicher  Fülle  auf  Nacken  und  Schultern 
herabfließende  Haar,  derselbe  mächtig  wallende  Bart.  Und  doch, 
bei  näherer  Betrachtung,  welcher  Unterschied!  —  Betrachten 
wir  zuerst  den  Zeus  von  Otricoli.  Die  eigentĂĽmliche  Form  der 
Stirn  —  vorspringend  in  der  Mitte  bis  hinauf  zu  den  Haarwurzeln, 
an  den  Seiten  zurückweichend  —  deutet  weniger  auf  klare,  all- 
umfassende Intelligenz,  als  auf  tiefe  wunderbare  Gedanken.  Un- 
bezwingliche  Willenskraft  prägt  sich  aus  in  den  massigen  Zügen, 
die  Fähigkeit  gewaltiger  Leidenschaft  in  den  Augenbrauen,  über 
denen  der  untere  Teil  der  Stirn  vorspringt,  drohend  wie  eine 
Gewitterwolke.  Aber  fĂĽr  jetzt  ist  alles  tiefe  Ruhe;  schwer  lasten 
die  Lider  über  den  ohne  bestimmtes  Ziel  abwärts  gerichteten 
Augen.  Der  Gott  ist  hier  gefaĂźt  als  die  geheimnisvolle,  un- 
bewuĂźte Naturkraft,  Urquell  und  Gesetz  aller  Dinge.  Oder  auch 
als  der  mit  schweren  Wetterwolken  bedeckte  Himmel. 

Dagegen  zeigt  uns  der  pompejanische  Kopf  eine  zwar  mäch- 
tige und  ungewöhnliche,  aber  durchaus  klare  und  verständliche 
Persönlichkeit.  Gewaltige  Kraft  auch  hier,  aber  beherrscht  von 
einem  lebhaften,  klaren  und  umfassenden  Geiste.  In  wunderbarer 
Weise  sind  hier  starker  Wille  und  hohe  Intelligenz  vereinigt. 
Breiter  und  freier  wölbt  sich  die  Stirn;  hell  und  weit  offen 
blicken  die  Augen  unter  den  scharf  geschnittenen  Brauen.  Kein 
in  sich  versunkenes  BrĂĽten;  mit  gespannter  Aufmerksamkeit,  die 
sich  auch  in  der  gehobenen  Oberlippe  malt,  verfolgt  der  Gott 
irgend  einen  fernen  Vorgang,  der  vielleicht  im  nächsten  Augen- 
blick sein  Eingreifen  erfordern  wird.  Es  ist  der  weise  und 
mächtige  König,  dessen  schützendes  Auge  weit  reicht  bis  an  die 
Grenzen  seiner  Herrschaft.  Wir  irren  wohl  nicht,  wenn  wir  an- 
nehmen, daĂź  diese  Umwandlung  des  Otricolitypus  stattfand  in 
einer  monarchischen  Zeit,  in  der  Zeit,  als  die  griechische  Welt 
von  den  Nachfolgern  Alexanders  beherrscht  wurde. 


Kapitel  IX. 
Die  Basilika. 

Die  Basilika,  an  der  SĂĽdvvestecke  des  Forums,  war  zweifellos 
das  groĂźartigste  und  architektonisch  interessanteste  Bauwerk 
Pompejis.  Bauart  und  Dekoration  ersten  Stils  weisen  auf  vor- 
römische Zeit.  Dazu  kommt  eine  in  den  Stuck  der  Wand  ein- 
gekratzte Inschrift:  C.  Pumidms  Dipiliis  heic  fuit  a.  d.  V  nonas 
Octobreis  M.  Lepid.  Q.  Catul.  cos]  das  Datum  ist  der  3.  Oktober 
78  V.  Chr. 

Bassilica:  dies  Wort  kratzte  ein  alter  Pompejaner  mehrmals 
in  den  Stuck  der  Außenseite  des  Gebäudes,  rechts  vom  Süd- 
eingang. Und  in  der  Tat,  der  GrundriĂź  und  alle  erhaltenen  Teile 
stimmen  zu  dem,  was  wir  von  den  Basiliken  der  Alten  wissen. 
Damit  aber  gewinnt  unser  Gebäude  ein  hohes  Interesse:  wir 
haben  hier  das  ohne  Zweifel  älteste  erhaltene  Beispiel  einer 
hochwichtigen  Gebäudeform,  deren  Anfänge  sich  im  Dunkel  der 
Vorzeit  verlieren,  deren  weitere,  reiche  Entwicklung  aber  noch 
heute  nicht  abgeschlossen  ist.  Was  die  von  den  Griechen  ge- 
schaffene Form  des  Tempels  fĂĽr  das  Altertum  gewesen  war,  das 
wurde  die  Basilika  als  Vorbild  der  christlichen  Kirche  fĂĽr  Mittel- 
alter und  Neuzeit. 

Unsere  Kenntnis  der  Geschichte  der  Basiliken  beginnt  mit 
dem  Baue  der  Basilica  Porcia  in  Rom  durch  den  älteren  Cato, 
184  V.  Chr.  Andere  folgten  und  schon  zur  Zeit  Caesars  lagen 
ihrer  am  römischen  Forum  eine  ganze  Anzahl.  Weiter  rückwärts 
haben  wir  nur  Vermutungen.  Den  griechischen  Ursprung  be- 
zeugt der  griechische  Name:  basilike  stoa.  die  königliche  Halle; 
die  Vorbilder  des  römischen  wie  des  pompejanischen  Baues  haben 
wir  in  den  Hauptstädten  der  alexandrinischen  Zeit  und  in  den 
griechischen  Kolonien  Italiens  zu  suchen.  Aber  keine  Ruine, 
keine  Erwähnung  in   der  Literatur  gibt  Kunde  von   ihnen.     Daß 


68 


Pompeji. 


1^^=-==  ^0=====  ==50=S====^P 


MSH^ 


Fig.  26.     GrundriĂź    der  Basilika,      a   Vorhalle. 

I.  Umgang.  2.  Hauptraum.  3.  Tribunal.  4.  Räume 

neben  dem  Tribunal. 


die  Königshalle,  basileios  stoa,  in  Athen,  das  Amtslokal  des 
Archon  Basileus,  Urbild  aller  Basiliken  gewesen  sei,  ist  eine  un- 
sichere Vermutung:  weder  ist  uns  die  Form  dieses  berĂĽhmten 
Gebäudes  hinlänglich  bekannt,  noch  gestattet  der  Name  einen 
sicheren  Schluß.     Wahrscheinlich  hat  die  Basilika  »Königshalle«, 

ihren  Namen    von    einem    der 
Nachfolger  Alexanders  erhalten. 
Basiliken     sind     geräumige 
Hallen ,      Erweiterungen      des 
Marktes    und    selbst    gewisser- 
maßen bedeckte  Märkte,  ohne 
bestimmten,  begrenzten  Zweck : 
was  sonst  auf  dem  Markte  vor- 
ging,  konnte   auch   in   die   bei 
jedem  Wetter  Schutz  bietenden  Basiliken  verlegt  werden.   Haupt- 
sächlich aber   dienten  sie  dem  Handelsverkehr  und  der  Rechts- 
pflege.    Ihre  Form  kennen  wir  teils  aus  den  freilich  nicht  zahl- 
reichen Resten  nament- 
lich in  Rom  —  Basilica 
Julia,   Ulpia^    des  Kon- 
stantin —  und  in  Afrika, 
mehr  noch  aber  aus  den 
Vorschriften  Vitruvs  so- 
wie aus  seiner  Beschrei- 
bung der  von  ihm  selbst 
gebauten     Basilika      in 
Fano. 

Danach  ist  der  nor- 
male GrundriĂź  wesent- 
lich der  unseres  Ge- 
bäudes: ein  längliches 
Viereck,  durch  Säulen 
in  einen  Mittelraum  und  einen  Umgang  geteilt,  nicht  zu  breit, 
um  den  Mittelraum  mit  einem  Dache  zu  überspannen.  Die  Säulen 
sind  in  der  Normalbasilika  so  hoch,  wie  der  Umgang  breit,  dieser 
mit  einer  auf  ihrem  Gebälk  ruhenden  Terrasse  gedeckt.  Der  Mittel- 
raum aber  ist  höher:  das  Gebälk  der  Säulen  trägt  eine  mäßig 
hohe  Mauer  und  weiter  eine  zweite  Säulenreihe,  die  das  Dach  des 


Fig.  27.     Kapitell  aus  der  Basilika.    Photographie  Lindner. 


IX.   Die  Basilika. 


69 


Mittelraumes  trägt  und  durch  ihre  Intercolumnicn  Licht  einläßt. 
Diese  Räume  dienten  vorwiegend  dem  Handelsverkehr:  im  Mittel- 
raume  mochten  die  Händler  ihren  Stand  haben,  im  Umgang  das 
kaufende  Publikum  zirkulieren.  Der  fĂĽr  die  Rechtsprechung  be- 
stimmte Raum,  das  Tribunal,  war  am  häufigsten  eine  auf  den  Um- 
gang geöffnete  Apsis;  doch  kommt  auch  —  und  nicht  nur  in 
unserem  Gebäude  —  die  Form  eines  in  ganzer  Breite  auf  den 
Umgang  geöffneten  erhöhten  Zimmers  vor. 

Im  wesentlichen  ist  dies  auch  die  Form  der  altchristlichen 
Basiliken,  nur  daĂź  hier  statt  des  ringsum  laufenden  Umganges 
zwei  Seitenschiffe  sind,  wie  ĂĽbrigens  auch  schon  in  einigen 
Marktbasiliken.  Sie  wĂĽrden  uns  von  Raum  und  Lichtwirkung 
ihrer  Vorbilder  eine  noch  treuere  Vorstellung  geben,  wenn  nicht 
meistens  die  ursprĂĽnglich  reichlicheren  Fenster  zum  Teil  ver- 
mauert und  so  das  stimmungsvolle  Dämmerlicht  des  Mittelalters 
hervorgebracht  worden  wäre. 

Diese  Normalform  ist  nun  aber  keineswegs  immer  ängstlich 
festgehalten  worden.  Vitruv  selbst,  in  Fano,  und  auch  die  Er- 
bauer anderer,  in  TrĂĽmmern  erhaltener  Basiliken  sind  stark  davon 
abgewichen.  So  liegt  auch  der  pompejanischen  Basilika  das 
ĂĽberlieferte  Schema  zwar  zugrunde,  ist  aber  in  einem  wesent- 
lichen Punkte  modifiziert  und  zwar  mit  viel  höherem  künstlerischen 
Sinn  als  ihn  Vitruv  in  seinem  Bau  bekundete. 

Wahrscheinlich  ist  unser  Gebäude  jünger  als  die  Basilica 
Porcia.  Aber  die  Pompejaner,  kĂĽnstlerisch  von  den  Griechen, 
nicht  von  Rom  abhängig,  haben  ihr  Vorbild  schwerlich  dort,  eher 
in  Neapel  oder  sonst  einer  Griechenstadt  gesucht. 

Fünf  Eingänge  zwischen  sechs  Tuffpfeilern  führen  vom  P^orum 
aus  zunächst  in  eine  unbedeckte  Vorhalle  (Chalcidicum,  a).  An 
den  Wänden,  hier  wie  auf  der  Außenseite  des  Gebäudes,  Reste 
einer  sehr  einfachen  Stuckdekoration:  gelber  Sockel,  ein  roter 
vorspringender  Gurt,  darüber  weiße  Fläche,  eine  auch  sonst  vor- 
kommende einfache  Form  des  ersten  Stiles.  Links  neben  der 
Vorhalle  ein  Brunnen  zur  Aufnahme  des  auf  das  Dach  gefallenen 
Wassers;  die  neben  demselben  angegebene  Treppe  hat  mit  der 
Basilika  nichts  zu  tun,  sondern  fĂĽhrte  auf  den  oberen  Umgang 
des  Forumsportikus. 

Weiter    über    vier  Lavastufen    in    das   Innere    des    Gcl^äudcs. 


70 


Pompeji. 


Vier  Säulen  teilen  den  Eingang;  die  drei  mittleren  Intercolumnien 
sind  ganz  offen,  die  beiden  rechts  und  links  geschlossen  durch 
eine  Mauer,  in  der  aber  je  eine  breite  TĂĽr  angebracht  ist.  Ein 
weiter  Innenraum,  55  m  (200  oskische  FuĂź)  lang  und  24  m  breit, 
nimmt  uns  auf:  28  mächtige  Ziegelsäulen  von  1,10  m  (4  oskische 
Fuß)  Durchmesser,  nur  in  geringer  Höhe  erhalten,  teilen  ihn  in 
Mittelraum  und  Umgang.  Halbsäulen  von  geringerem  Durch- 
messer (84  cm)  treten  vor  aus  den  Wänden,  deren  Stuckdekoration 
in  Reliefarbeit  eine  buntfarbige  Marmorbekleidung  nachahmt:  das 
bekannte  Motiv  des  ersten  Dekorationsstils.  Den  gleichen  Durch- 
messer wie   die  Halbsäulen   haben   die   schon   erwähnten  Säulen 


Fig.  28.     Innenansicht  der  Basilika;  Blick  auf  das  Tribunal. 

des  Eingangs  und  ähnliche  Säulen  an  der  Rückseite,  an  den 
Ecken  des  Tribunals  (sichtbar  Fig.  28);  die  ionischen  Tufifkapitelle 
sind  zum  Teil  erhalten  (Fig.  27),  spurlos  verschwunden  die  der 
28  großen  Säulen.  Auf  die  Rückseite  öffnet  sich  mit  einer 
Säulenstellung  das  von  einem  1,65  m  (6  oskische  Fuß)  hohen 
Unterbau  getragene  Tribunal. 

Ein  nur  in  geringen  Resten  erhaltener  FuĂźboden  aus  zer- 
stampften Ziegeln  und  Tonscherben  (Opus  Signinum)  erstreckte 
sich  in  gleicher  Höhe  durch  Umgang  und  Mittelraum;  er  ist  im 
folgenden  bei  Höhenangaben  als  Nullpunkt  genommen.  Eine 
Wasserrinne  von  quadratischem  Durchschnitt  (15  cm,  auf  unserm 
Plane  angedeutet)  lief  auf  drei  Seiten  des  Mittclraumes  unter  dem 


IX.  Die  Basilika. 


71 


Fußboden  am  Fuße  der  Säulen  entlang,  unterbrochen  durch  acht 
viereckige,  ohne  Zweifel  offene  Bassins.  Und  zwar  senkt  sich  die 
Rinne  von  einem  Bassin  zum  andern,  so  daĂź  das  Wasser  immer 
nahe  dem  oberen  Rande  ausfloß,  in  das  nächste  Bassin  aber  an 
einer  niedrigeren  Stelle  einfloĂź  und  so,  je  weiter  es  kam,  desto 
mehr  abgeklärt  wurde.  Es  ist  begreiflich,  daß  man  zu  mancherlei 
Gebrauch  Wasser  in  der  Basilika  zu  haben  wĂĽnschte.  Man 
möchte  annehmen,  daß  es  aus  dem  oben  (S.  70)  erwähnten 
Brunnen  links  der  Vorhalle  kam ;  doch  ist  sonderbarer  Weise  der 
Ausgangspunkt  dieses  Abklärungssystems  das  Bassin  an  der  Ecke 
rechts  vom  Eingang. 


Fig.  29.     AuĂźenseite  der  Basilika,  wiederhergestellt. 


Soweit  die  erhaltenen  Reste.  Versuchen  wir  nun,  aus  ihnen 
den  Aufbau  des  Ganzen  wiederherzustellen. 

Die  den  Umgang  vom  Mittelraum  trennenden  Säulen  konnten, 
bei  ĂĽber  i  m  Durchmesser,  kaum  unter  10  m  hoch  sein.  Da- 
gegen waren  die  Halbsäulen  und  die  mit  ihnen  zusammengehenden 
Säulen  des  Einganges  und  der  Rückseite  bei  84  cm  Durchmesser 
mit  ihrem  ionischen  Kapitell  nicht  höher  als  5,90  m  (20  röm.  Fuß). 
Da  nun  aber  die  Wände  doch  nicht  niedriger  sein  konnten  als 
die  Säulen  mit  ihrem  Gebälk,  so  mußte  über  dem  Gebälk  der 
Halbsäulen  noch  ein  oberer  W'andteil  folgen,  von  dem  in  der  Tat 
beträchtliche  Reste  erhalten  sind. 


72 


Pompeji. 


An  den  Wänden  entlang  stehen  zahlreiche  bei  der  Ausgrabung 
gefundene  Kapitelle,  SchaftstĂĽcke  und  auch  einige  Basen  einer 
kleineren  Säulenstellung  (Durchmesser  53  cm)  aus  Tuff  mit  weißer 
Stuckbekleidung,  die  nur  hier  ihren  Platz  finden  kann,  und  aus 
deren  Formen  —  Säulen,  Halbsäulen,  eigentümlich  geformte 
Dreiviertelsäulen  —  sich  dieser  obere  Wandteil  ziemlich  sicher 
herstellen  läßt  (Fig.  2g  und  30).  Auf  den  Langseiten  stand  hier 
eine  Säulenreihe,  doppelt  so  eng  gestellt  wie  die  unteren  Halb- 
säulen, stellenweise,  größerer  Festigkeit  halber,  unterbrochen  durch 


Fig.  30.     Inneres  der  Basilika,  Blick  auf  das  'J'ribunal,  wiederhergestellt. 


kurze  WandstĂĽcke  mit  je  einem  Fenster.  Dagegen  auf  der  Ein- 
gangsseite geschlossene  Wand,  gegliedert  durch  Halbsäulen,  deren 
zu  groĂźe  Distanzen  durch  Fenster  maskiert  waren.  Ahnlich  war 
es  auf  der  RĂĽckseite  (Fig.  31). 

Mit  diesem  Aufbau  der  Wände  ist  die  Rekonstruktion  des 
Innenraumes  im  wesentlichen  gegeben.  Zweifelhaft  bleibt,  ob 
der  Dachstuhl  sichtbar  oder,  wie  in  Fig.  30  angenommen,  durch 
eine  Feldcrdecke  verhüllt  war.  Im  übrigen  können  wir  uns  die 
schöne  und  großartige  Raumwirkung  des  Innern  vollständig  ver- 
gegenwärtigen. Umgang  und  Mittelraum  sind  fast  so  hoch  wie 
der  Mittelraum  breit,  zwischen   11  und  12  m;  das  Licht  in  breiten 


IX.   Die  Basilika. 


73 


Strömen  zwischen  den  Säulen  des  oberen  Teils  der  Langwände 
eindringend,  verbreitet  sich  gleichmäßig  durch  den  ganzen  weiten 
Raum.  Wir  dĂĽrfen  vermuten,  daĂź  man  auf  der  SĂĽdseite  die 
Sonne,  wenn  sie  zu  lästig  wurde,  durch  Vorhänge  ausschließen 
konnte. 

Das  Normalschema  der  Basilika  war  also  hier  stark  modifiziert: 
statt  der  Überhöhung  des  Mittelraumes  eine  größere  Höhe  des 
ganzen  Baues.  Und  die  Gliederung  der  Wände  in  einen  unteren 
und  oberen  Teil  wird  uns  besser  verständlich,  wenn  wir  sie  fassen 
als  eine  Erinnerung  an  die  Normalbasilika:  der  untere  Teil,  die 
Halbsäulen  mit  ihrem  Gebälk,  entspricht  der  gewöhnlichen  Höhe 
des  Umganges;  er  trägt  die  Fensterwand,  die  nur  von  ihrem 
gewöhnlichen  Platz 
über  den  Säulen  des 
Umganges  auf  die 
Außenwände  über- 
tragen ist. 

Das  Tribunal  (3) 
ist  der  vornehmste 
und  am  meisten  her- 
vorgehobene Teil  des 
ganzen  Baues.  Auf 
schön  und  kräftig 
profiliertem  Unterbau 

öffnet  es  sich  mit  einer  Säulenstellung  auf  den  Hauptraum;  die 
Säulen  zeigen  Spuren  eines  sie  verbindenden  Gitters;  die  Wände, 
durch  Halbsäulen  gegliedert,  ahmen,  ähnlich  denen  des  Haupt- 
raumes, eine  buntfarbige  Marmorbekleidung  nach.  Es  ist  ein 
Tribunal  im  eigentlichsten  Sinne:  der  erhöhte  Platz  für  den  Richter 
und  seine  Beisitzer,  während  das  apsisförmige  Tribunal  anderer 
Basiliken  eigentlich  nur  der  Ort  ist,  wo  das  Tribunal  aufgeschlagen 
wird.  Die  Parteien  standen  zu  ebener  Erde,  in  dem  hinteren  Arm 
des  Umganges,  und  dieser  muĂźte,  so  lange  hier  Recht  gesprochen 
wurde,  fĂĽr  die  Zirkulation  des  Publikums  gesperrt  werden.  Be- 
quem war  das  nicht,  die  praktische  Zweckmäßigkeit  hat  künstle- 
rischen RĂĽcksichten  weichen  mĂĽssen.  Denn  sicher  war  die  vor- 
springende Säulenfassade  des  Tribunals  eine  Hauptzierde  des 
Gebäudes. 


>W    I    I    I    I    I    I    I    I    I 


Fig.  31.    Fassade  des  Tribunals,  GrundriĂź  und  AufriĂź. 


74  Pompeji. 

Der  Unterbau  birgt  einen  halb  unterirdischen  gewölbten  Raum, 
der  durch  zwei  runde  Öffnungen  in  der  Wölbung  (im  Plan  an- 
gedeutet) mit  dem  Tribunal  selbst  in  Verbindung  steht. 

Schwerlich  ein  Gefängnis;  durch  zwei  Fenster  in  der  Rück- 
seite, die  augenscheinlich  nie  vergittert  waren,  wäre  es  leicht  ge- 
wesen zu  entweichen,  zumal  wenn  von  auĂźen  jemand  half.  Viel- 
leicht hielten  sich  hier  die  Gerichtsdiener  (Lictoren,  Apparitoren) 
auf;  auch  konnten  hier  irgend  welche  fĂĽr  die  Gerichtsverhandlung 
dienende  Gegenstände,  z.  B.  Schreibmaterialien,  aufbewahrt  und 
auf  Verlangen  durch  die  beiden  Ă–ffnungen  hinaufgereicht  werden. 

Der  Oberstock  des  Tribunals  war  nicht  so  frei  wie  dieses 
selbst  auf  den  Hauptraum  geöffnet;  seine  Front,  zum  großen 
Teil  erhalten,  war  gegliedert  durch  Halbsäulen,  die  von  schmalen 
Pilastern  flankiert  und  durch  eine  BrĂĽstung  verbunden  waren. 
Vielleicht  war  dieser  Oberstock  mehr  aus  kĂĽnstlerischen  RĂĽck- 
sichten, zur  Zierde  des  Raumes,  als  zu  praktischen  Zwecken  ge- 
baut worden  (Fig.  31). 

Rechts  und  links  vom  Tribunal  sind  Treppenräume.  Die 
oberen,  mit  dem  Innenraum  des  Tribunals  durch  TĂĽren  ver- 
bundenen Treppenabsätze  erreichte  man  über  hölzerne  (natürlich 
nicht  erhaltene)  Treppen.  In  denselben  Räumen  führen  nun  aber 
steinerne  Treppen  hinab  in  den  untersten  Raum,  so  daĂź  dieser 
nicht  zugänglich  war,  wenn  die  beiden  Holztreppen  an  ihrem 
Platze  standen.  Zur  Lösung  dieser  Schwierigkeit  hilft  uns  die 
Beobachtung,  daß  von  den  abwärts  führenden  Treppen  nur  die 
zur  Linken  stark  abgetreten  ist,  die  zur  Rechten  aber  merkwĂĽrdig 
neu  aussieht.  Offenbar  lag  nur  rechts  die  hinauf  in  das  Tribunal 
fĂĽhrende  Treppe.  Links  stieg  man  hinab  in  den  Kellerraum; 
der  Treppenabsatz  trug  hier  das  untere  Ende  einer  hinauf  in  den 
Oberstock  führenden  Holztreppe.  Später  einmal  ist  dann  auf 
dieser  linken  Seite  die  TĂĽr  zwischen  Tribunal  und  Treppenabsatz 
vermauert  worden,  vielleicht  weil  der  Oberstock  nicht  mehr  be- 
nutzt und,  wenn  es  doch  einmal  nötig  war,  auf  einer  Leiter  er- 
stiegen wurde. 

Die  beiden  nicht  verschließbaren  Räume  neben  dem  Tribunal 
stimmen  in  ihrer  Wanddekoration  mit  der  Vorhalle  (S.  69)  ĂĽber- 
ein, nur  sind  Sockel  und  Gurt  höher  und  ist  auf  der  weißen 
Fläche  in  Stuckrelief  eine  Bekleidung  mit  weißen  Marmorplatten 


IX.    Die  Basilika. 


75 


nachgeahmt.  Sie  waren  nicht  höher  als  der  untere  Teil  der 
Wände  des  Hauptraumes,  so  daß  das  Fenster  über  ihrem  Ein- 
gang ins  Freie  ging.  Vielleicht  warteten  hier  die  Parteien,  bis 
sie  an  die  Reihe  kamen. 

Dem  Nordeingange  gegenüber  stand  zwischen  zwei  Säulen 
eine  marmorne  BrunnenmĂĽndung;  erhalten  ist  nur  die  quadratische 
Unterlage  mit  kreisförmiger  Öffnung.  Sie  stand  aber  nicht  über 
einem  Brunnen;  dagegen  ist  der  Rest  eines  Bleirohres  erhalten, 
welches  Wasser  hinein  leitete.  Es  war  also  ein  Leitungsbrunnen, 
dem  man  die  Form  einer  ZisternenmĂĽndung  gegeben  hatte. 

Am  hinteren  Ende  des  Mittelraumes  steht  die  Basis  einer  Reiter- 
statue.    Von  dieser  selbst  ist  keine  Spur  gefunden  worden. 

Schwierig  ist  die  Frage  nach  der  Bedachung  des  Gebäudes. 
Ohne  den  Leser  durch  Erwägung  der  verschiedenen  Möglichkeiten 
zu  ermüden,  mag  hier  nur  kurz  die  wahrscheinlichste  Lösung 
angedeutet  werden,  wie  sie  in  unseren  Restaurationszeichnungen 
angenommen  ist.  Danach  hatte  der  Mittelraum  sein  besonderes, 
von  den  28  Säulen  getragenes  Dach.  Eine  flache  Terrasse  be- 
deckte den  Umgang  und  das  Tribunal ,  von  dessen  Oberstock 
aus  sie  bestiegen  werden  konnte.  .So  war  auch  in  der  Bedachung, 
wie  in  der  Anordnung  des  Innenraumes  eine  Erinnerung  an  das 
normale  Schema  festgehalten,  nur  daĂź  das  Mitteldach  sich  nicht, 
wie  dort,  durch  Vermittelung  einer  Säulenstellung  hoch  über  die 
Terrasse  des  Umganges  erhob.  Auf  dieser  letzteren,  c^er  doch 
auf  dem  sĂĽdlichen  Teil  derselben,  floĂź  das  Wasser  nach  der  SĂĽd- 
ostecke zusammen  und  ergoĂź  sich  hier  in  den  Brunnen  neben 
der  Vorhalle. 

Die  fünf  Eingänge  der  Vorhalle  waren  verschließbar  durch 
GittertĂĽren,  wie  sie  auch  an  den  holzverkleideten  Pfosten  der 
Seiteneingänge  des  Hauptraumes  hingen.  Auf  festen  Verschluß 
legte  man  keinen  Wert,  überließ  es  vielmehr  den  Händlern,  ent- 
weder ihre  Waren  nach  SchluĂź  der  Marktzeit  mitzunehmen  oder 
sie  in  den  Verkaufsständen  sicher  zu  verwahren.  Daß  übrigens 
nachts  ein  Wächter  dort  blieb,  ist  kaum  zu  bezweifeln. 


Kapitel  X. 
Der  Tempel  des  Apollo. 

Die  Betrachtung  des  groĂźen  Tempels  an  der  Westseite  des 
Forums  ist  eine  besonders  dankbare  Aufgabe.  Er  war  nach  dem 
Erdbeben  des  Jahres  63  vollständig  hergestellt  worden.  Antike 
Ausgrabungen  haben  zwar  manches,  darunter  das  Kultbild  des 
Tempels,  entfernt,  aber  doch  vieles,  und  so  namentlich  die  im 
Hofe  aufgestellten  Bildwerke,  am  Ort  gelassen.     Dazu  kommen 

reichliche  inschriftliche  Zeug- 
nisse. Alles  in  allem  sind  wir 
ĂĽber  kein  Heiligtum  Pompejis 
mit  seinen  Kulten  so  voll- 
ständig unterrichtet,  wie  über 
dieses. 

Unsere  Abbildung  Fig.  32 
gibt  eine  Probe  von  dem 
FuĂźboden  des  Tempels:  eine 
Ecke  des  auf  dem  Plane  mit 
3  bezeichneten  Rechteckes. 
Die  rautenförmigen  Platten 
sind  aus  weiĂźem  und  grĂĽnem 
Marmor  und  aus  Schiefer,  die  schmalen  Streifen  zwischen  ihnen 
und  dem  bunten  Mosaikmäander  aus  rotem  Marmor  und  Schiefer. 
In  dem  Schieferstreifen  war  eine  Inschrift  angebracht;  kleine, 
gebohrte  und  mit  Metall  ausgefüllte  Löcher  bildeten  je  sieben  eine 
senkrechte,  je  vier  eine  wagrechte  Linie.  Sie  besagt  in  oskischer 
Sprache,  daß  der  Quästor  O(ppius)  Camp[anius]  auf  Beschluß  des 
Rates,  mit  dem  Gelde  des  Apollo  etwas  (das  betreffende  Wort 
fehlt,  vermutlich  den  FuĂźboden)  hat  machen  lassen.  Ferner  liegt 
im  Tempel  ein  Tuffstein  in  Form  eines  halben  Eies  (hoch  0,50  m, 
Durchmesser  0,73  m):  es  ist  der  Omphalos,  das  bekannte  Symbol 


mm 


Fig.  32.    Ecke  des  MosaikfuĂźbodens  in  der  Cella 
des  Apollotempels. 


X.    Der  Tempel  des  Apollo. 


77 


des  Apollo.  Auf  dem  ersten  Pilaster  rechts  am  Hofe  ist  ein 
DreifuĂź  gemalt,  zu  groĂź  fĂĽr  ein  bloĂźes  Ornament  und  nur  ver- 
ständlich als  Symbol  des  Gottes.  Und  endlich  in  den  Stuck- 
ornamenten, mit  denen  man  nach  dem  Erdbeben  des  Jahres  63 
das  Gebälk  des  Portikus  verziert  hatte,  waren  das  Hauptmotiv 
Greife.  Der  Greif  ist  dem  Apollo  heilig,  und  wenngleich  er  sonst 
häufig  bloß  ornamental  verwendet  wird,  so  werden  wir  doch  in 
diesem  Falle  eine  Beziehung  auf  die  Gottheit  des  Tempels  nicht 
verkennen  dĂĽrfen. 

Die  Abweichung  der  Achse  des  Tempels  von  der  des  Forums 
beruht,  wie  schon  oben  (S.  47)  bemerkt,  darauf,  daĂź  er  der 
Richtung  einer  vor  dem  Bau  der  Forums- 
portiken hier  vorbeifĂĽhrenden  StraĂźe  folgt; 
sie  beweist  also  das  hohe  Alter  des  Tempels. 
Seine  Bauart  freilich  ist  von  der  der  Forums- 
portiken und  anderer  Bauten  der  Tuffperiode 
nicht  wesentlich  verschieden  und  deutet 
keineswegs  auf  höheres  Alter:  vermutlich  ist 
er  in  der  genannten  Periode  an  Stelle  eines 
älteren  Tempels  und  mit  Beibehaltung  der 
Orientierung  desselben  erbaut  worden.  Die 
Richtungsverschiedenheit  wird  ausgeglichen 
durch  eine  Reihe  von  Pfeilern  zwischen 
Tempelhof  und  Forum,  deren  Dicke  nach 
Norden  zunimmt.  Die,  Zwischenräume  zwi- 
schen den  Pfeilern  waren  ursprĂĽnglich  offen. 
Erst  später  —  der  Zeitpunkt  kann  nicht  be- 
stimmt werden  —  vermauerte  man  sie  bis  auf  die  drei  dem 
Tempel  selbst  gegenĂĽber  liegenden;  diese  sind  erst  nach  der 
Ausgrabung  vermauert  worden.  Neben  diesen  ursprĂĽnglich  zehn 
Ă–ffnungen  erschien  der  Zugang  von  SĂĽden,  von  der  Strada  della 
Marina,  weniger  wichtig;  sonst  wĂĽrde  man  es  wohl  vermieden 
haben,  dieser  Seite  des  Portikus  eine  ungerade  Zahl  von  Säulen 
zu  geben,  so  daĂź  nun  der  TĂĽr  des  Tempels  kein  Intercolumniuni 
entspricht  und  auch  der  Zugang  zum  Hofe,  um  einem  Intercolum- 
nium  zu  entsprechen,  seitwärts  gerückt  werden  mußte.  Inmitten 
des  54,  50  x3100  m  groĂźen,  von  4,50  m  breiteif,  ursprĂĽnglich 
zweistöckigen  Säulengängen   umgebenen  Hofes  liegt  der    Tempel 


Fig.  33.     GrundriĂź  des 
Apollotempels.       i.    Porti- 
kus, a.  Unterbau.   3.  Cella. 
4.    Altar,        5.    Sonnenuhr. 
6.     Zimmer     des     KĂĽsters. 


78 


Pompeji. 


auf  einem  2,50  m  hohen,  durch  eine  Freitreppe  zugänglichen 
Unterbau.  Um  die  kleine,  nur  fĂĽr  eine  Statue  bestimmte  Cella 
erweitert  sich  die  ohnehin  nach  etruskischer  Sitte  sehr  groĂźe  Vor- 
halle zu  einem  sie  rings  einschlieĂźenden  Umgange. 

Von  dem  Rücken  an  Rücken  mit  der  nördlichen  Säulenhalle 
liegenden  kleinen  Portikus  war  schon  S.  58  die  Rede.  Ein  in 
ihn  später  hineingebautes  Zimmer    (6  im  Grundriß)  wurde    mit 


Fig.  34.    Ansicht  des  Apollotempels.  —  Links  die  Säule  mit  der  Sonnenuhr,  vorne  der  Altar. 

Photographie  Brogi. 

dem  Tempelhofe   in  Verbindung  gesetzt  und  diente  als  Zimmer 
des  KĂĽsters  [aedituiis). 

Wir  geben  Taf.  II  und  Fig.  34  Ansichten  des  Tempels  und 
des  Portikus  in  ihrem  jetzigen  Zustande.  Eine  Rekonstruktion 
des  Zustandes  vor  dem  Erdbeben  des  Jahres  63  zeigt  Fig.  36. 
In  letzterer  hat  die  Höhe  aus  dem  Durchmesser  der  korinthischen 
Säulen  ungefähr  berechnet  werden  können;  von  Gebälk  und 
oberen  Teilen*  ist  nichts  erhalten  als  ein  großer  thönerner  Wasser- 
speier in  Form  eines  Löwenkopfes.     Die  Portiken  sind  aus  Tuff 


X.   Der  Tempel  des  Apollo. 


79 


gebaut  und  waren  mit  weiĂźem  Stuck  ĂĽberzogen.  Nach  einer 
auch  sonst  in  Pompeji  vorkommenden  Stilvermischung  trugen 
die  ionischen  Säulen  (das  Kapitell  ist  das  vierseitige,  sogenannte 
römisch-ionische)  ein  dorisches  Gebälk  mit  Triglyphen.  Auch 
hier  wie  am  Forum  (S.  48)  ruhen  die  Gebälkstücke  auf  Holzbohlen. 
Daß  die  Portiken  zweistöckig  waren,  erhellt  aus  den  in  den  Ge- 
bälkstücken sichtbaren  Balkenlöchern  des  Zwischenbodens  und 
aus  Spuren  der  oberen  Säulen  auf  den  Gesimsblöcken.  Auch  sind 
die  kurzen,  gedrungenen  Verhältnisse  der  ionischen  Säulen  nur 
verständlich  unter  der  Voraussetzung,  daß  diese  noch  ein  Ober- 


f'.?'   3S-      Ein   Stück   vom   Gebälk    des   Portikus    des   Apollotempels;    ursprüngliche   Form    und 
Erneuerung  nach  dem  Erdbeben. 


geschoĂź,  wahrscheinlich  korinthischer  Ordnung,  trugen.  Da  aber 
von  diesem  nichts  erhalten  ist,  dĂĽrfen  wir  vermuten,  daĂź  es  nach 
dem  Erdbeben  von  63  n.  Chr.  nicht  erneuert  wurde.  Zugänglich 
war  der  obere  Portikus  aus  dem  Oberstock  der  kleinen,  nördlich 
an  den  Tempelhof  anstoßenden  Säulenhalle,  in  den  vom  Forum 
eine  Treppe  fĂĽhrte. 

Als  man  nach  den  Zerstörungen  des  Jahres  63  daran  ging 
den  Tempel  und  seine  Portiken  herzustellen,  war  fĂĽr  die  reinen 
und  einfachen  Formen  der  griechischen  Architektur  kein  Ver- 
ständnis mehr  vorhanden.  Man  verlangte  buntere,  phantastischere 
Motive.  Und  zugleich  machte  sich  energisch  das  Verlangen  gel- 
tend nach  der  in  der  altgriechischen  Architektur  ĂĽblichen,  nachher 


8o  Pompeji. 

aber  verloren  gegangenen  Vielfarbigkeit.  So  nahm  man  die 
Gelegenheit  wahr,  den  Tempel  und  seine  Portiken  im  Geschmack 
der  Zeit  umzugestalten.  Von  den  ionischen  und  korinthischen 
Kapitellen  der  Portiken  und  des  Tempels  wurden  die  vorspringen- 
den Teile  abgeschlagen,  dann  die  Säulen,  Schaft  und  Kapitell, 
mit  dickem  Stuck  umhĂĽllt,  in  diesem  Phantasiekapitelle,  der 
korinthischen  Form  sich  anschlieĂźend,  modelliert  und  in  rot,  blau 
und  gelb  bemalt;  gelb  malte  man  auch  den  unteren,  nicht  kan- 
nellierten  Teil  des  Schaftes.  Auch  das  Gebälk  wurde  wenigstens 
in  den  Portiken  mit  einer  dicken  Stuckschicht  ĂĽberzogen  und 
ganz  mit  bunten  Reliefornamenten  in  denselben  Farben  bedeckt. 
Jetzt  ist  all  der  bunte  Stuck  wieder  abgefallen:  wir  geben  F'ig.  35 
Säulen  und  Gebälk  der  Portiken  nach  der  Publikation  Mazois', 
der  sie  bald  nach  der  Ausgrabung  zeichnete.  Von  den  jĂĽngeren 
Kapitellen  und  sonstigen  Verzierungen  des  Tempels  selbst  war 
schon  bei  der  Ausgrabung  nichts  mehr  erhalten. 

Die  Wände  sowohl  des  Tempels  als  der  Portiken,  waren  ur- 
sprĂĽnglich in  dem  ersten,  bunte  Marmorbekleidung  nachahmen- 
den Stil  dekoriert;  in  der  Cella  ist  ein  Rest  erhalten.  Aber  auch 
sie  wurden  nach  63  modernisiert:  die  Wände  des  Tempels,  innen 
und  auĂźen,  wurden  durch  weiĂźe  Stuckarbeit  in  quaderartige 
Felder  geteilt,  die  der  Portiken  im  letzten  pompejanischen  Stil 
auf  vorwiegend  weiĂźem  Grunde  bunt  bemalt.  Die  ornamentalen 
Motive  dieser  Malereien  waren,  nach  den  Resten  und  den  Ab- 
bildungen zu  urteilen,  ohne  besonderes  Interesse.  Eine  Reihe 
von  Bildern  —  Szenen  aus  dem  trojanischen  Kriege:  der  Streit 
des  Achilleus  und  Agamemnon,  die  Gesandtschaft  der  Griechen 
an  Achilleus,  dessen  Kampf  mit  Hektor(?),  die  Schleifung  Rektors, 
Priamos  um  Rektors  Leiche  bittend,  der  Raub  des  Palladiums 
—  sind  längst  zugrunde  gegangen  und  nur  durch  unzulängliche 
Zeichnungen  bekannt. 

Schon  lange  vor  dieser  letzten  Modernisierung  erfuhr  die  West- 
seite des  Tempelhofes  eine  durchgreifende  Umgestaltung.  Der 
seltsame  Straßenzug  an  der  Nordwesteckc  (s.  Plan  II),  die  schräge 
Linie,  mit  der  hier  die  kleine  Säulenhalle  abschließt,  der  ganz 
schmale,  unzugängliche  Raum  zwischen  dem  Tcmpelhof  und  den 
westlich  anliegenden  Räusern:  alles  dies  kann  nicht  auf  ursprüng- 
liche Anlage,  sondern  nur  auf  nachträgliche  Veränderungen  zurück- 


X.   Der  Tempel  des  Apollo.  g  j 

gehen  und  wird  erst  verständlich  durch  die  Beobachtung,  daß 
ii^  einer  frĂĽheren  Zeit  die  von  Norden  kommende  StraĂźe  fort- 
gesetzt wurde  durch  die  westliche  Säulenhalle  des  Tempelhofes, 
welche  damals  an  beiden  Enden  offen  und  ein  öffentlicher  Durch- 
gang war,  auf  den  die  anliegenden  Häuser  Fenster,  vielleicht  auch 
TĂĽren  hatten.  Erst  um  lo  v.  Chr.  erkaufte  die  Stadt  von  den 
Anwohnern  um  3000  Sesterzen  (652  ''^  Markj  das  Recht,  vor  ihren 
Häusern  und  Fenstern  eine  Mauer  zu  erbauen  [ins  himinimi  op- 
struendorimi);  so  entstand  jener  unzugängliche  Zwischenraum. 
Hiervon  berichtet  eine  im  Tempelhofe  gefundene  Inschrift:  M.  Hol- 
conius   Rufus   il[nuvi]  v[ir]   i[w-i]   d\icinido)  tert[ium),    C.  Egnatius 


Fig.  36.     Tempel  des  Apollo,  wiederhergestellt. 

Postumus  d.  V.  i.  d.  iter[Mn)  ex  d[cairionuni)  d[ecreto)  ius  lnuiinum 
opstmendoniDi  HS  00  00  00  rcdemcritnt^  parictemqtie  privattwi  Co- 
l[oniae)  Ven[eriae)  Cor[neliae]  usquc  ad  tegulas  faciiindtim  coerariint, 
—  »Marcus  Holconius  Rufus,  rechtsprechender  Duumvir  zum 
dritten  Mal,  (und)  Gaius  Egnatius  Postumus,  rechtsprechender 
Duumvir  zum  zweiten  Mal,  haben  nach  RatsbeschluĂź  das  Recht 
zur  Verbauung  des  Lichtes  um  3000  Sesterzen  erkauft  und  eine 
der  Kolonie  Pompeji  ausschließlich  gehörende  Mauer  bis  zur 
Höhe  der  Dachziegel    der  anliegenden  Häuser]  bauen  lassen.« 

Ohne  Zweifel  wurde  damals  auch  der  Säulengang  an  beiden 
Enden  geschlossen  und  hörte  auf  ein  öffentlicher  Durchgang  zu 
sein.  Da  M.  Holconius  Rufus  im  Jahre  3 — ::  v.  Chr.  zum  vierten 
Mal  Duumvir  war   und    zwischen    zwei   Duum.viraten    mindestens 

Mau.  Pompeji.     2.  Autl.  6 


82  Pompeji. 

fĂĽnf  Jahre  verstreichen  muĂźten,  so  wird  sein  drittes  Duumvirat, 
und  damit  der  Mauerbau,  um  das  Jahr  lo  v.  Chr.  fallen.  ^ 

Im  Tempel  steht  noch  die  Basis  der  Statue  des  Apollo ;  diese 
selbst  wurde  nicht  gefunden.  Im  Hofe,  vor  der  Treppe  des 
Tempels,  steht  ein  groĂźer  Altar  aus  Travertin,  mit  gleichlautender 
Inschrift  auf  beiden  Seiten:  M.  Porcius  M.f.,  L.  Sexiilius  L.  f.^ 
Cn.  Cornelius  Cn.f.^  A.  Cornelius  A.f.  IUI  v[iri)  d[e)  d[ecurionum) 
s[ententid)  /[aciundwn]  locar[unf]^  —  »Marcus  Porcius  Sohn  des 
Marcus,  Lucius  Sextilius  Sohn  des  Lucius,  Gnaeus  Cornelius 
Sohn  des  Gnaeus,  Aulus  Cornelius  Sohn  des  Aulus,  Viermänner, 
haben  nach  RatsbeschluĂź  die  Anfertigung  (des  Altars)  in  Kon- 
trakt gegeben.«  Das  von  den  Quattuorvirn  (Duumv'irn  und 
Ă„dilen:  s.  S.  ii)  keiner  den  dritten  Namen  [cognomen]  fĂĽhrt, 
deutet  auf  relativ  alte,  spätestens  augusteische  Zeit. 

Links  neben  der  Treppe  steht  eine  ionische  Säule  mit  der 
Inschrift:  L.  Sepunius  L.  f.  Sandilianus,  M.  Herennius  A.f.  Epi- 
dianus  diiovir[i)  i[uri)  d[icundo)  d[e]  s[ua)  p[ecunia)  f[aciimdmn) 
c{iirarunt) .,  —  »Lucius  Sepunius  Sandilianus,  Sohn  des  Lucius 
(und)  Marcus  Herennius  Epidianus,  Sohn  des  Aulus,  lieĂźen  (dies) 
auf  eigene  Kosten  machen.«  Ältere  Abbildungen,  aus  der  Zeit 
bald  nach  der  Ausgrabung,  zeigen  auf  dieser  Säule  eine  Sonnen- 
uhr. DaĂź  in  der  Tat  eine  Sonnenuhr  hier  gestanden  hat,  ist 
auch  deshalb  wahrscheinlich,  weil  dieselben  Männer  noch  an  einer 
anderen  Stelle,  auf  der  halbrunden  Bank  des  Forum  trianguläre, 
eine  Sonnenuhr  gestiftet  haben.  Sie  war  hier  vor  dem  Tempel 
des  Sonnengottes  ganz  an  ihrem  Platze.  —  Rechts  von  der 
Treppe  liegen  auf  dem  Boden  einige  Lavaplatten  mit  Löchern, 
in  denen  sicher  einst  ein  hier  aufgestelltes  Weihgeschenk  befestigt 
war;  doch  ist  es  nicht  gelungen  aus  den  Löchern  zu  erraten, 
welcher  Art  dieses  war. 

Außer  Apollo  wurden  in  diesem  Heiligtum  —  offenbar  in 
älterer  Zeit  dem  bedeutendsten  der  Stadt  —  auch  andere  Gott- 
heiten verehrt,  deren  Statuen  und  Altäre  im  Hofe  standen.  Die 
Statuen  —  auf  der  den  Portiken  vorgelegten  Stufe  —  sind  durch 
Nachbildungen  ersetzt,  die  Originale  nach  Neapel  gebracht  worden. 
Es  waren  drei  Paare. 

An  der  Vorderseite  standen  links  fĂĽr  den  Eintretenden  Venus, 
rechts  ein  Hermaphrodit,  beides  Marmorfiguren   in  etwa  halber 


X.    Der  Tempel  des  Apollo.  gi 

Lebensgröße,  von  i^f sprünglich  guter  Arbeit,  sicher  aus  vor- 
römischcr  Zeit,  aber  schon  im  Altertum  mehrfach  ergänzt  und 
ĂĽberarbeitet. 

Vor  der  Venusstatue  steht  ein  Altar;  vielleicht  war  dies  in 
vorrömischer  Zeit  die  einzige  Kultstätte  der  Herentas  (Göttin  des 
Verlangens);  denn  so  hieĂź  sie  in  der  einheimischen  Mundart. 
Den  Tempel  der  Venus  als  Schutzgöttin  der  römischen  Kolonie 
werden  wir  weiterhin  kennen  lernen. 

Obgleich  Venus  und  Hermaphrodit  hier  durch  Aufstellung  und 
Kunstcharakter  ein  Paar  bilden,  gehört  doch  der  Hermaphrodit 
nicht  zum  Kreise  der  Venus,  sondern  zu  dem  des  Bacchus;  und 
um  dies  noch  deutlicher  zu  machen,  hat  man  dem  unsrigen 
Satyrohren  gegeben.  Hatte  also  etwa  auch*  Bacchus  seinen  Kult 
bei  diesem  Tempel?  Ein  Wandgemälde  in  dem  Zimmer  des 
KĂĽsters  (6  im  GrundriĂź)  stellt  ihn  dar,  gestĂĽtzt  auf  den  leier- 
spielenden Silen  und  aus  seinem  Kelche  den  Panther  tränkend: 
auffallend  genug  in  einem  Apollotempel,  aber  doch  kein  ge- 
nĂĽgender Beweis  fĂĽr  einen  Kultus.  Kein  Zweifel,  daĂź  in  dem 
weinreichen  Pompeji  Bacchus  verehrt  wurde;  unzählige  Male  er- 
scheint er  auf  den  Wandgemälden.  Aber  der  Tempel  des  Wein- 
gottes harrt  noch  seiner  Entdeckung. 

An  der  dritten  Säule  der  Seitenhalle  rechts  stand  Apollo, 
links  Artemis,  lebensgroĂźe  Bronzestatuen;  vor  Artemis  ein  Altar; 
Apollo  hatte  den  seinigen  vor  dem  Tempel.  Beide  bogenschieĂźend; 
ursprĂĽnglich  offenbar  bestimmt,  nicht  wie  hier,  sich  gegenĂĽber, 
sondern  neben-  oder  hintereinander  zu  stehen;  vermutlich  wurden 
sie  fĂĽr  eine  Niobidengruppe  erfunden.  Der  Kunstwert  ist  nicht 
eben  bedeutend.  Eine  gewisse  Eleganz  und  Zierlichkeit  kann 
nicht  entschädigen  für  die  Oberflächlichkeit  in  der  Darstellung 
der  Körperformen,  den  Mangel  an  Ausdruck  in  den  Gesichtern, 
an  Energie  in  der  Bewegung.  — -  Vom  Kultus  der  Artemis  in 
Pompeji  ist  uns  sonst  nichts  ĂĽberliefert. 

Weiter  an  der  fünften  Säule  rechts  eine  Marmorherme  oder 
genauer,  eine  statt  der  Beine  in  einen  viereckigen  Pfeiler  aus- 
laufende Statue :  ein  JĂĽngling  mit  ĂĽber  den  Hinterkopf  gezogenem 
Gewände:  das  Gesicht,  mit  ruhigen,  ernsten  und  milden  Zügen, 
neigt  sich  etwas  vorwärts.  Vj»  ist  Hermes.  Wir  wissen.  da(.^  er 
in  dieser  Gestalt  als  Gott  der  Pahistra.    des  Turnplatzes,    verehrt 

6* 


84  Pompeji. 

wurde,  und  werden  ihm  genau  so  in  der  galästra  der  Stabianer 
Thermen  begegnen.  Wie  gerade  dieser  Typus  zu  solcher  Ver- 
wendung kam,  entzieht  sich  unserer  Kenntnis;  erfunden  wurde 
er  wohl  sicher  fĂĽr  den  ernsten  Todesgott,  den  Seelengeleiter 
(Psychopompos).  Und  wenn  wir  ihn  hier  finden  neben  dem 
bogenschieĂźenden,  also  auch  als  Todesgott  erscheinenden  Apollo, 
verehrt  zusammen  mit  der  Erdgöttin  Maja,  so  möchten  wir  wohl 
vermuten,  daĂź  hier  die  Pompejaner  ernstere  Vorstellungen  mit 
seinem  Bilde  verbanden. 

Sein  GegenĂĽber  links  ist  nicht  gefunden  worden;  nur  der  ihm 
einst  als  Unterlage  dienende  Stein  liegt  noch  am  Platze.  Zwar 
steht  im  Museum  zu  Neapel  eine  ganz  ähnliche  weibliche  Herme, 
doch  ist  neuerdings  'zweifellos  erwiesen  worden,  daĂź  diese  aus 
Rom  stammt,  wo  sie  schon  vor  Aufdeckung  unseres  Tempels 
vorhanden  war.  Dennoch  aber  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  daĂź 
hier  eine  weibliche  Herme  stand.  Maia,  Tochter  des  Atlas,  ist 
bei  den  Griechen  Mutter  des  Hermes.  Diese  Verwandtschaft  wurde 
von  den  Römern  übertragen  auf  die  altitalische  Erd-  und  Früh- 
lingsgöttin Maja,  nach  der  der  Monat  Mai  benannt  ist.  Auch  sie 
gilt  als  Mutter  des  Merkur  und  wurde  mit  ihm  zusammen  ver- 
ehrt; auch  fĂĽr  Pompeji  ist  dies  durch  eine  Reihe  Inschriften  be- 
zeugt. So  liegt  die  Vermutung  nahe  genug,  daĂź  eben  Maja 
hier  dem  Merkur  gegenĂĽber  stand.  Aus  denselben  Inschriften 
lernen  wir  auch,  daĂź  mit  dem  Kultus  dieser  beiden  Gottheiten 
der  des  Augustus  eng  verbunden  war;  sie  sind  eine  der  wert- 
vollsten Quellen  fĂĽr  die  Entwicklung  des  Kaiserkultus. 

Diese  Inschriften,  zerstreut  gefunden,  keine  am  Aufstellungs- 
ort, sind  Widmungen  von  Weihgeschenken,  die  ein  aus  Sklaven 
und  Freigelassenen  bestehendes  Kollegium  alljährlich  unter  Auf- 
sicht der  städtischen  Behörden  stiftete.  Dieses  Kollegium  nennt 
sich  anfangs,  mindestens  bis  1 4  v.  Chr. :  Ministri  Mercurii  Maiae^ 
Diener  des  Merkur  und  der  Maja.  Minister  ist  Bezeichnung 
eines  niederen  Priestertumes.  Dann  aber  wurde  ihrem  Kult  der 
des  Kaisers  hinzugefĂĽgt;  sie  nannten  sich  nun  ministri  Angusti 
Mercurii  Maiac^  Diener  des  Augustus,  des  Merkur  und  der 
Maja,  und  noch  später,  mindestens  seit  dem  Jahre  2  v.  Chr.,  ein- 
fach ministri  Augiisti.  Die  erhaltenen  Inschriften  reichen  bis  zum 
Jahre  40  n.  Chr.    Wir  geben  als  Beispiel  die  des  Jahres  2  v.  Chr., 


X.    Der  Tempel  des  Apollo.  ge 

in  der  zuerst  die  viinistri  Augusti  vorkommen :  A''.  Vcius  PJiylax., 
N.  Popidws  MoscJms^  T.  Mesciinns  Ampliio^  Prwms  Arriinti  M. 
s.  mm.  Aug.  ex  d.  d.  iiissu  M.  Holconi  Rufi  IV.,  A.  Clodi  Flacci  III 
d.  V.  i.  d..,  P.  Caeseti  Postiimi  N.  Tintiri  Rufi  d.  v.  a.  s.  p.  p.  Inip. 
Caesare  XIII.,  M.  Plautio  Silvmw  cos.  —  »Numerius  Veius  Phylax, 
Numerius  Popidius  Moschus,  Titus  Mescinius  Amphio  (Frei- 
gelassene, wie  die  griechischen  Beinamen  und  das  Fehlen  der 
Vaternamen  beweisen)  und  Primus,  Sklave  des  Marcus  Arruntius, 
Diener  des  Augustus  (stellten  dies  auf)  nach  RatsbeschluĂź,  auf 
Befehl  des  M,  Holconius  Rufus,  der  zum  vierten,  und  des  Aulus 
Clodius  Flaccus,  der  zum  drittenmal  rechtsprechender  Duumvir 
war,  und  des  Publius  Caesetius  Postumus  und  Numerius  Tintirius 
Rufus,  Duumvirn  fĂĽr  Wege,  Bauten  und  Festfeiern  (d.  h.  Ă„dilen: 
s.  S.  ii)  unter  dem  dreizehnten  Konsulat  des  Augustus  zusammen 
mit  Marcus  Plautius  Silvanus«. 

Es  ist  sehr  verständlich,  daß  gerade  bei  diesem  Tempel  der 
Kult  des  Augustus  eine  Stätte  fand.  Die  hier  verehrten  Gott- 
heiten standen  ihm  ja  besonders  nahe:  Apollo,  sein  Schutzgott, 
dem  er  den  Sieg  von  Actium  zu  verdanken  meinte,  dem  er  auf 
dem  Palatin  einen  prachtvollen  Tempel  erbaute,  Venus,  die 
Stammutter  des  Geschlechts  der  Julier.  Und  endlich,  Merkur 
ist  ja  Augustus  selbst.  Als  solcher  feiert  ihn  Horaz  in  einer 
berühmten,  im  Jahre  28  v.  Chr.  verfaßten  Ode  (I,  2).  »Schlimme 
Vorzeichen,«  sagt  er,  > drohen  Unheil;  ein  Blitz  hat  den  Tempel 
des  Jupiter  auf  dem  Kapitol  getroffen.  Welchen  Gott  sollen  wir 
zu  Hilfe  rufen?  Apollo  oder  Venus  oder  Mars?  oder  endlich 
dich,  geflĂĽgelter  Gott,  Sohn  der  Maja,  der  du  auf  Erden  wandelst 
in  Jünglingsgestalt  als  Rächer  des  Cäsar« : 

Sive  mutata  iuvenem  figura 

Ales  in  terris  imitaris,  almae 

Filius  Maiae,  patiens  vocari 

Caesaris  ultor. 

Ein  anderes  Zeugnis  fĂĽr  die  Verehrung  des  Augustus  als 
Merkur  bietet  eine  i.  J.  i8go  in  Rom  gefundene  Weihinschrift 
eines  Augustusaltares.  Er  wird  geweiht  Mercurio  aeterno  deo. 
jfovi^  Junoni  reginae.,  Minervae.,  Soli.,  Lunae  und  noch  anderen 
Gottheiten.  Wenn  hier  auf  einer  Ă„ra  Augusta  (so  in  der  Inschrift 
bezeichnet)  an  erster  Stelle,  vor  den  drei  Gottheiten  des  Kapitols, 


86  Pompeji. 

Merkur  »der  ewige  Gott«  genannt  wird,  so  kann,  nach  der  Denk- 
weise der  Zeit,  kein  Zweifel  sein,  daĂź  sich  unter  dieser  Bezeich- 
nung der  Kaiser  verbirgt,  der  nicht  offen  als  Gott  gefeiert  sein 
w'ollte. 

Nicht  so  sicher  ist  die  Deutung  einer  Hieroglypheninschrift 
aus  Denderah,  in  der  es  heißt:  -»Helmis  Kaisar ^  Liebling  des 
Ptah  und  der  Isis.«  Letzteres  ist  ein  auch  sonst  vorkommender 
Titel  des  Augustus,  und  wenn  Helmh  fĂĽr  Hermes  steht,  wie  ver- 
mutet worden  ist,  so  ist  auch  hier  Augustus  als  Hermes-Merkur 
bezeichnet.  Und  nach  ägyptischer  Vorstellung  ist  der  weise  König 
eine  Verkörperung  des  Toth,  den  die  Griechen  Hermes  nennen. 
Aber  freilich  ist  diese  Erklärung  unter  den  Ägyptologen  nicht 
unbestritten:  Helniis  oder  Harmais  wird  auch  aus  dem  Ă„gyp- 
tischen erklärt. 


Kapitel  XI. 
Nordwestecke  des  Forums.     Eichtisch. 


Das  große  Gebäude  an  der  Nordwestecke  des  Forums  (Fig.  37, 
I,  2,  3)  war  nach  dem  Erdbeben  des  Jahres  63  erbaut  worden. 
Wir  wissen  nicht,  ob  es  zur  Zeit  der  VerschĂĽttung  schon  unter 
Dach  war;  sicher  war  es  im  Innern  noch  ganz  unfertig,  die 
Wände  unverputzt. 

Es  zerfällt  in  drei  Teile,  von  denen  einer,  der  nördlichste  (1,1), 
obere  und  untere  Räume  enthält.  Unten,  im  Niveau  des  Forums, 
hintereinander  zwei  dunkle  Räume;  der 
vordere,  durch  einen  Schlitz  in  der 
Deckenwölbung  dürftig  erhellt,  ist  vom 
Forum  aus  zugänglich  durch  eine  enge 
TĂĽr  mit  Spuren  starkerEisenvergitterung. 
Nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  hat  man 
hier  die  städtische  Schatzkammer,  das 
Ararium,  erkennen  wollen.  Denn  wenn 
es  etwa  ein  Gefängnis  wäre,  so  hätte 
man  doch  wohl  jeder  der'  zwei  Zellen 
einen  besonderen  Eingang  gegeben. 
Ăśber  diesen  beiden  Kammern  liegen 
zwei  Räume,  die  nicht  auf  das  Forum, 
sondern  auf  die  nördlich  vorbeiführende 
Straße   weit   geöffnet  sind.     Ganz  wie 

Läden;  und  wir  würden  sie  ohne  weiteres  für  solche  halten,  wenn 
sie  nicht  um  etwa  1,50  m  ĂĽber  dem  Niveau  des  Gangsteiges 
lägen,  so  daß  sie  von  diesem  aus  nur  durch  Treppen  oder  Leitern 
zugänglich  sein  konnten.  Ist  jenes  untere  Lokal  in  der  Tat  die 
Schatzkammer,  so  könnte  man  vielleicht  hier  die  Amtsräumc 
städtischer  Kassenbeamten  erkennen,  die  hier  mit  dem  Publikum 
verkehrten,  ohne  daĂź  doch  dieses  den  Raum  betreten  konnte. 


Fig.  37.    Grundriß  der  Gebäude  an 

der  Nordwestecke   des   Forums.  — 

1.  Schatzkammer.     2.  Abtritt. 

^farkthallen. 


3.  4 


Pompeji. 


Der  mittlere  Raum  (2)  ist  ein  öffentlicher  Abtritt  mit  einem 
kleinen  Vorraum.  Da  der  Eingang  zu  diesem  dem  des  Haupt- 
raumes nicht  gegenĂĽber  liegt,  konnte  man  auch  bei  offenen  TĂĽren 
nicht  hineinsehen.  Die  Einrichtung  war  noch  ganz  unfertig;  doch 
erkennt  man  den  an  drei  Seiten  herumfĂĽhrenden  Kanal  und 
ĂĽber  ihm  die  Steine,  auf  denen  das  Holzwerk  ruhen  sollte,  ferner 
die  Zuleitung  fĂĽr  die  WasserspĂĽlung  und  die  Ableitung  in  eine 
Kloake. 

Endlich  der  dritte,    bei  weitem  größte  Teil  dieses  Gebäudes 

ist  eine  hohe  und 
geräumige  Halle, 
durch  sechs  Ein- 
gänge vom  Fo- 
rumsportikus aus 
zugänglich ,  durch 
zwei  kurze  Mauer- 
stĂĽcke in  zwei  Teile 
geteilt;  jedenfalls 
eine  Verkaufshalle, 
vielleicht  fĂĽr  Ge- 
mĂĽse und  sonstige 
ländliche  Produkte. 
—  Von  der  kleinen 
Säulenhalle  hinter 
dem  Apollotempel 

Fig.  38.     KichĂĽsch,  mt-nsa /'onderaria.  War      SChon     S.     58 

die  Rede.  Neben 
der  in  den  Oberstock  derselben  fĂĽhrenden  Treppe  Hegt  ein 
kleiner,  in  ganzer  Breite  auf  das  Forum  geöffneter  Raum. 
Und  in  geringer  Entfernung  von  demselben  enthält  der  erste  der 
den  Tempelhof  des  Apollo  vom  Forum  trennenden  Pfeiler  eine 
ebenfalls  auf  das  Forum  geöffnete  Nische. 

In  dieser  Nische  steht  der  Eichtisch,  die  lucnsa  ponderaj'ia 
(Fig-  38,  Plan  II,  lo),  leider  nicht  vollständig,  da  Teile  davon,  man 
weiĂź  nicht  wie,  abhanden  gekommen  sind.  Vorhanden  ist  jetzt 
nur  eine  2,55  m  lange,  0,55  m  (zwei  oskische  FuĂź)  breite  Kalk- 
steinplatte, mit  neun  größeren  und  kleineren,  die  verschiedenen 
Maßeinheiten  darstellenden  Aushöhlungen,   die  unten  durchbohrt 


XI.    Nordwestecke  des  P'orums.     Der  Eichtisch.  8q 

sind,  um  das  zur  PrĂĽfung  des  MaĂźes  hineingeschĂĽttete  wieder 
auslaufen  zu  lassen.  Diese  Platte  stand  auf  zwei  steinernen 
P'ĂĽĂźen,  und  zwei  andere  steinerne  FĂĽĂźe  trugen,  auf  ihren  Enden 
stehend,  eine  zweite  ähnliche  Platte,  mit  drei  ebensolchen  Aus- 
höhlungen. 

Dieser  Maßtisch  stammt  aus  vorrömischer  Zeit;  die  den  fünf 
größeren  Höhlungen  in  oskischer  Schrift  und  Sprache  beige- 
schriebenen Namen  der  einzelnen  Maße  sind  zwar  später  getilgt 
worden,  aber  doch  noch  zum  Teil  lesbar;  verständlich  ist  nur 
einer:  kuiniks  stand  neben  dem  nächstkleinsten  Maße,  offenbar 
das  griechische  Choinix.  Die  Pompejaner  bedienten  sich  also  in 
vorrömischer  Zeit  griechischen  Maßes. 

Zur  Zeit  des  Augustus,  gegen  20  v,  Chr.,  wurden  dann  die 
Höhlungen  erweitert,  so  daß  sie  nun  römischen  Maßen  ent- 
sprachen, deren  Namen  aber  nicht  beigeschrieben  wurden.  Auf 
diese  Veränderungen  bezieht  sich  die  in  die  Vorderseite  der  Platte 
eingehauene  Inschrift:  »Aulus  Clodius  P'laccus,  Sohn  des  Aulus, 
und  Numerius  Arcaeus  Arellianus  Caledus,  Sohn  des  Numerius, 
rechtsprechende  Duumvirn,  lieĂźen  auf  RatsbeschluĂź  die  MaĂźe 
gleich  machen  [mensuras  exaeqiiandas  ex  dec.  decr.)<^  nämlich  den 
römischen  Maßen.  Auf  einem  in  Minturnae  gefundenen  Eichtisch 
wird  die  Anpassung  an  das  römische  Maß  mit  metra  exaeguarunt 
bezeichnet.  Die  Durchführung  des  gleichen  Maßes  gehörte  zu 
den  MaĂźregeln,  durch  die  Augustus  die  Reichseinheit  zu  be- 
festigen suchte.  Ă„hnliche  Eichtische  sind  auch  sonst  in  ver- 
schiedenen Teilen  des  römischen  Reiches  gefunden  worden,  z.  B. 
in  Selinunt,  auf  den  griechischen  Inseln,  in  Bregenz  (Brigantio) 
am  Bodensee. 

Wir  können  vermuten,  daß  in  dem  kleinen  Raum  neben  der 
Treppe  ein  mit  der  Kontrolle  der  MaĂźe  beauftragter  Beamter 
seinen  Platz  hatte. 


Kapitel  XII. 
Das  Macellum. 


Daß  das  große  Gebäude  an  der  Nordostecke  des  Forums 
eine  Markthalle,  und  zwar  eine  Markthalle  fĂĽr  Viktualien,  ein 
Macellum,  war,  ergiebt  sich  mit  voller  Sicherheit  aus  der  ganzen 
Anlage,  aus  den  dort  gemachten  Funden  und  aus  den  Malereien 
der  Wände. 

Solche  Markthallen,  in  denen  man  Lebensmittel  jeder  Art, 
besonders  aber  feinere   und   teurere,    kaufen,    auch  wohl    einen 

Koch  mieten  konnte,  gab  es 
ohne  Zweifel  in  den  griechi- 
schen Städten  der  Zeit  nach 
Alexander.  Von  den  Grie- 
chen haben  dann  die  Römer, 
wie  die  Basilika,  so  auch  das 
Macellum  ĂĽbernommen:  denn 
mit  diesem  griechischen  Lehn- 
wort benennen  sie  ein  solches 

Fig.  39.     Grundriß  des   Macellums.     i.   Vorhalle.        Gcbäude.        In    Rom     entstand 

f •  f  "':"if '".  '■/^"''l ""  "fu  '■  TT'      das  erste  Macellum  1 79  v.  Chr. 

halle  fĂĽr  Fleisch  und  Fische.    5.  Kapelle.    6.  Kan-  '  ^ 

kettraum.  7.  Thoius.   8.  Schafstall.  durch  Erweiterung  cincsFisch- 

marktes.  Später  folgten  an- 
dere in  Rom  und  in  den  Munizipien,  wie  die  Inschriften  lehren. 
Auf  einer  MĂĽnze  Neros  ist  ein  von  ihm  erbautes  Macellum  dar- 
gestellt, es  stimmt  wesentlich  mit  unserem  Gebäude  überein: 
mehrstöckige  Läden  und  in  der  Mitte  ein  Kuppelbau,  Dieser 
letztere  [thoLus]  wird  auch  in  einem  Verse  Varros  als  Bestandteil 
des  Macellums  erwähnt;  seine  Bedeutung  aber  lernen  wir  nur  in 
Pompeji  kennen. 

Eine  vierseitige  Säulenhalle  umgab  einen  länglichen  terras- 
sierten  Hof     In  der  Mitte,  unter  einem  Kuppelbau,  dessen  Dach 


XII.   Das  Macellum. 


91 


zwölf  auf  Basen  gestellte  Säulen  trugen,  eine  Grube,  wir  dürfen 
sagen  ein  Brunnen,  von  dem  aus  ein  bedeckter  Wasserlauf  nach 
SĂĽdost  fĂĽhrte.  Hier  wurden  den  gekauften  Fischen  die  Schuppen 
abgestrichen  und  in  die  Grube  geworfen,  wo  sie  in  groĂźer  Menge 
gefunden  worden  sind.  Nur  auf  die  Südseite  der  Säulenhalle 
öffnet  sich  eine  Reihe  von  Kaufläden.  Zu  jedem  derselben  ge- 
hört ein  oberer  Raum.  Vor  diesen  Oberräumen  lief  eine  Holz- 
galerie entlang,  auf  die  aber  keine  Treppe  fĂĽhrte;  der  Laden- 
inhaber muĂźte  sie,  um  in  sein  Oberzimmer  zu  kommen,  auf  einer 
Leiter  ersteigren. 


Fig.  40.      Ansicht    des    Maccllums.    —    Im    Vordergrunde:    Teil    des    Stylobats.      In    der   Mitte: 
Lberreste   des  Tholus.     Im  Hintergrunde:    In  der  Mitte  Kaiserkapelle  mit  Basis;  rechts  Markt- 
halle, links  Bankettraum. 

Aul  der  Nordseite  sind  zwar  auch  Läden,  aber  sie  öffnen  sich 
nicht  auf  die  Säulenhalle,  sondern  auf  die  Straße,  nach  Norden: 
man  wollte  keine  nach  Süden  geöffneten  Läden,  weil  in  ihnen 
die  Eßwaren  durch  zu  große  Wärme  leiden  konnten.  In  den  auf 
die  Straßen  geöffneten  Läden  —  ob  in  denen  unseres  Gebäudes 
oder  in  den  gegenüberliegenden  wird  nicht  gesagt  —  fand  man 
Feigen,  Kastanien,  Pflaumen,  Trauben,  Früchte  in  Glasgefäl.^eii, 
Linsen,  Korn,  Brot  und  Kuchen.  Auch  an  der  Vorhalle,  auf 
die  wir  noch  zurückkommen,  liegen  einige  Läden. 


92 


Pompeji. 


Ein  größeres  Verkaufslokal  (4)  öffnet  sich  auf  die  Südostecke 
der  Säulenhalle;  zwei  Säulen  teilten  den  Eingang.  Unverkennbar 
ist  hier  die  hufeisenförmige  Fleischbank,  deren  Oberfläche  gegen 
die  Mitte  des  Raumes  geneigt  ist.  Fleisch-  und  Fischbank:  zwi- 
schen dem  fĂĽr  den  Eintretenden  linken  Arm  und  der  Wand  ist 
der  Fußboden  erhöht  und  stark  geneigt  gegen  das  hintere  (östliche) 
Ende,  wo  eine  Rinne  unter  der  Bank  durch  südwärts  auf  die 
Straße  führt.  Diese  besondere  Vorsorge  für  Wasserabfluß  erklärt 
sich  wohl  nur  durch  die  Annahme,  daĂź  hier,  links,  Fische  ver- 
kauft wurden. 


Fig.  41.     Das  Macellum,  wiederhergestellt. 


In  dem  kleinen  bedeckten  Räume  an  der  Nordostecke  der 
Säulenhalle  (8]  sollen  Knochen  von  kleinen  Tieren,  wie  Schafen 
(wohl  eher  Lämmern)  gefunden  worden  sein.  Es  wurden  also 
solche  Tiere  hier  lebendig  verkauft;  denn  mancher  kaufte  statt  des 
Fleisches  geschlachteter  Tiere  lieber  ein  Opfertier,  um  es  seinen 
Hausgöttern  darzubringen. 

Die  Bestimmung  des  Gebäudes  wird  noch  besonders  bestätigt 
durch  die  auf  den  Wänden  der  Säulenhalle  erhaltene  Malerei, 
eines  der  besten  Bei.spiele  des  letzten  pompejanischen  Stils.  Ober- 
halb des  Sockels  groĂźe  schwarze  F'elder  mit  breitem,  rotem  Rande 
und  zwischen   ihnen  Durchblicke  auf  phantastisch  leichte  Archi- 


XII.   Das  Macellum. 


93 


tekturen  —  gelb,  die  scheinbar  entfernteren  Teile  auch  grün  und 
rot,  auf  weißem  Grunde  —  die  sich  auch  in  den  roten  Rand  der 
Felder  erstrecken;  so  war  es  möglich,  eine  reichere  Entwicklung 
der  Architekturprospekte  mit  großen  zusammenhängenden  Flächen 
zu  vereinigen.  Die  großen  schwarzen  Felder,  umsäumt  mit 
stilisierten  Pflanzenmotiven,  enthalten  in  der  Mitte  abwechselnd 
je  eine  Gruppe  von  zwei  schwebenden  Figuren  oder  ein  einfach 
eingerahmtes  Bild  mythologischen  Inhalts:  Odysseus  vor  der  ihn 
noch  nicht  kennenden  Penelope,  lo  von  Argos  bewacht,  Medea 
ĂĽber  dem  Morde  ihrer  Kinder  brĂĽtend  u.  a.  Die  ganze  Anord- 
nung ist  fein  und  geschmackvoll,  die  Ausführung  sehr  sorgfältig 
und  zierlich.  Besonders  charakteristisch  aber  ist  der  obere  Wand- 
teil. Ihn  füllen  sonst  auf  Wänden  dieses  Stils  meistens  leichte 
Architekturen,  nach  Art  der  Durchblicke  zwischen  den  Haupt- 
feldern, oder  ähnliche  leichte  Motive  auf  hellem  Grunde.  Ganz 
anders  hier.  Zwar  ĂĽber  den  Durchblicken  erscheint  zwischen 
leichten,  bis  an  die  Decke  aufsteigenden  Architekturmotiven,  auf 
blauem  Grunde  je  eine  stehende  Figur:  ein  Mädchen  mit  Opfer- 
gerät, ein  flötenblasender  Satyr.  Über  den  großen  schwarzen 
Feldern  aber  ist  die  ganze  Fläche  ausgefüllt  mit  Darstellungen 
der  einst  hier  käuflichen  Dinge.  Leider  sind  nur  wenige  dieser 
Felder  erhalten.  Eines  enthält  Geflügel,  teils  lebendes,  teils  totes 
und  gerupftes,  das  folgende  Fische  verschiedenster  Art,  ein  anderes 
mancherlei  Gefäße,  in  denen  Wein  und  andere  flüssige  Waren 
enthalten  sein  mochten.  FĂĽr  eine  solche  Abweichung  von  der 
gewöhnlichen  Dekorationsart  —  eine  Abweichung,  die  doch  keine 
Verschönerung  ist  —  gibt  es  wohl  keine  andere  Erklärung  als 
eben  die,  daß  man  damit  die  Bestimmung  des  Gebäudes  zum 
Ausdruck  bringen  wollte. 

Zwei  Bildchen  in  den  großen  schwarzen  Feldern  des  nördlichen 
Einganges  zeigen  uns  die  Schar  der  Liebesgötter  in  verschiedenen 
Beschäftigungen.  Wie  so  oft,  hat  man  hier  den  Vorgängen  des 
Lebens  eine  poetische  Weihe  gegeben,  indem  man  sie  gewisser- 
maßen in  ein  Märchenland  entrückte.  Auf  dem  einen  Bilde  feiern 
sie  das  Fest  der  Vesta,  der  Schutzgöttin  der  Müller  und  Bäcker, 
die  an  diesem  Tage  ihre  MĂĽhlen  und  die  vielgeplagten,  an  diesem 
Tage  auch  feiernden  Esel  bekränzten,  wie  eben  auf  diesem  Bilde 
zu  sehen   ist.     Die  Beziehung  auf  den  Brot-  und  Mehlhandcl  ist 


94 


Pompeji. 


deutlich  genug.  Auf  dem  anderen  Bilde  flechten  und  verkaufen 
sie  Kränze;  wie  reichlich  diese  bei  den  Gastmählern  der  Alten 
verwendet  wurden,  ist  ja  bekannt;  ohne  Zweifel  waren  auch  sie 
hier  verkäuflich.  Und  wenn  wir  weiter  in  dem  Räume  mit  der 
Fleischbank  eine  Darstellung  pompejanischer  Lokalgottheiten 
finden;  Personifikationen  des  Sarnus,  der  KĂĽste,  der  Landschaft, 
so  wird  auch  damit  nichts  anderes  gesagt,  als  daĂź  hier  die  Pro- 
dukte des  Meeres,  des  Flusses 
und  des  Landes  käuflich  waren. 
AuĂźer  den  bisher  betrach- 
teten, dem  praktischen  Zweck 
dienenden  Räumen  finden  wir 
nun  aber  in  unserem  Gebäude 
noch  andere,  durch  die  dem- 
selben eine  religiöse  Weihe 
gegeben  und  es  zugleich  unter 
den  besonderen  Schutz  des 
kaiserlichen  Hauses  gestellt 
wird. 

Sehr  klar  ist  der  Charakter 
des  mittleren,  erhöhten  und 
über  fünf  Stufen  zugänglichen 
Raumes  (5)  auf  der  Ostseite 
der  Säulenhalle:  es  ist  eine 
dem  Kaiserkult  geweihte  Ka- 
pelle. Auf  einer  Basis  an  der 
RĂĽckwand  und  in  vier  Nischen 
in  den  Seitenwänden  standen 
fĂĽnf  Statuen,  von  denen  frei- 
lich nur  zwei,  in  den  beiden  Nischen  rechts,  gefunden  wurden: 
Octavia,  die  Schwester  des  Augustus  und  ihr  Sohn  Marcellus,  einst 
die  Hoffnung  des  Augustus  und  der  Römer,  nach  seinem  frühen 
Tode  von  Virgil  in  unsterblichen  Versen  beklagt.  AuĂźerdem  fand 
man  nur  noch  einen  die  Weltkugel  haltenden  Arm,  ohne  Zweifel 
von  einer  an  der  RĂĽckwand  stehenden  Kaiserstatue.  Ein  Altar 
ist  nicht  vorhanden,  man  wird  auf  einem  tragbaren  bronzenen 
dreifußförmigcn  Kohlenbecken  geopfert  haben,  wie  deren  manche 
erhalten  und  auch  aus  bildlichen  Darstellungen  bekannt  sind. 


Fig.  42.    Statue  des  Marcellus,  Sohnes  der  Octavia, 
gefunden  in  der  Kapelle  des  Macellums. 


XII.   Das  Macellum. 


95 


Das  Macellum  in  seiner  jetzigen  Gestalt  war  kein  altes  Ge- 
bäude; es  war  nicht  allzu  lange  vor  der  Verschüttung,  aber  doch 
vor  dem  Erdbeben  des  Jahres  63,  also  unter  Nero  oder  Claudius. 
an  der  Stelle  eines  älteren,  vielleicht  in  vorrömische  Zeit  zurück- 
reichenden Baues  von  Grund  auf  neu  gebaut  worden.  Von  dem 
älteren  Bau  sind  nur  geringe  aber  sichere  Reste  geblieben.  Daß 
schon  dieser  eine  Kaiserkapelle  gehabt  haben  sollte,  ist  nicht  wahr- 
scheinlich ;  vielmehr  möchte 
man  glauben,  daĂź  eben  die 
GrĂĽndung  derselben  den  An- 
laĂź zum  Neubau  gab.  Die 
glaublichste  Annahme  ist  wohl, 
daĂź  sie  zu  Ehren  des  Claudius 
erbaut  wurde  und  dieser  selbst 
mit  der  Weltkugel  in  der  Hand 
auf  der  Basis  der  RĂĽckwand 
stand. 

Zweifellos  wurde  Claudius 
schon  bei  Lebzeiten  in  Pom- 
peji göttlich  verehrt;  sogar 
sein  Adoptivsohn  Nero  hatte, 
wie  die  Inschriften  lehren, 
schon  als  Kronprinz  einen 
Priester  [flamcn].  In  den  Ni- 
schen links  standen  dann  seine 
Gemahlin  und  ihr  von  ihm 
adoptierter  Sohn:  Agrippina 
und  Nero.  Ihnen  gegenĂĽber 
eine  andere  Mutter  mit  ihrem 
Sohne,  Octavia  und  Marcellus. 

Claudius,  durch  seine  Mutter  Antonia  Octavias  Enkel,  legte  groĂźen 
Wert  auf  diese  Abstammung,  durch  die  allein  er  der  Familie  des 
Augustus  angehörte.  Von  Octavia  stammten  auch  Agrippina  und 
Nero:  sie  als  Tochter  des  Germanicus,  des  Bruders  des  Claudius, 
er  auch  von  väterlicher  Seite;  denn  sein  Vater  Cn.  Domitius  war 
ein  Sohn  der  älteren,  auch  Antonia  genannten  Tochter  der  Octavia. 
Wenn  man  nun  ihnen  Octavia  und  ihren  Sohn  gegenĂĽberstellte, 
so    lag  darin   eine    gewiĂź    gut  aufgenommene  Huldigung.     Nun 


Fig.  43.  Statue  der  Octavia,  Schwester  des  Augu- 
stus, gefunden  in  der  Kapelle  des  Macellums. 
Sie  ist  opfernd  dargestellt,  in  der  rechten  Hand 
die  Opferschale,  in  der  Linken  die  Weihrauch- 
schachtel. 


gö  Pompeji. 

hat  doch  —  dies  war  der  Gedanke  — ,  wie  einst  Augustus  ge- 
wollt, Octavias  Nachkommenschaft  den  Thron  bestiegen;  wie 
einst  MarcelluSj  so  ist  jetzt  Nero  die  Hoffnung  des  römischen 
Volkes. 

Dem  Kaiserkultus  diente  auch  der  links  anliegende  Raum  (6), 
mit  weitem,  durch  zwei  Säulen  geteiltem  Eingange.  Er  enthält 
einen  eigentĂĽmlich  geformten  niedrigen  Altar;  auf  zwei  Marmor- 
stufen liegt  eine  schwarze  Steinplatte  mit  erhöhtem,  an  einer 
Ecke  durchbohrtem  Rande :  offenbar  eine  Vorrichtung  fĂĽr  Trank- 
opfer. Es  wurden  also  in  diesem  Räume  Opfermahle  gehalten, 
bei  denen  die  marmorbekleidete,  82  cm  hohe  Estrade  gleich 
rechts  am  Eingange  vielleicht  als  Anrichtetisch  gedient  haben 
könnte,  wenngleich  sie  für  diesen  Zweck  reichlich  groß  ist. 
Welche  Rolle  diese  Opferschmäuse  in  den  römischen  Priester- 
kollegien spielten,  ist  ja  bekannt  genug.  Ein  solches  wird  also 
hier  seinen  Sitz  gehabt  haben:  ob  nun  das  aus  Freigelassenen 
bestehende  Kollegium  der  Seviri  Augustales,  ob  ein  vornehmeres, 
den  Sodales  Augustales  der  Hauptstadt  nachgebildetes  Kollegium, 
das  mĂĽssen  wir  dahingestellt  sein  lassen.  Dunkel  bleibt  der  Zweck 
der  überwölbten  Nische  an  der  Rückwand  und  der  über  fünf 
Stufen  zugänglichen  Estrade  vor  derselben. 

Auch  hier  (vgl.  oben  S.  93)  ist  durch  zwei  Bilder  mit  Amo- 
rettenszenen die  Bedeutung  des  Raumes  angedeutet:  auf  einem 
derselben  ergötzen  sie  sich  mit  Weintrinken  und  Leierspiel,  auf 
dem  andern  sind  sie  mit  Kultushandlungen  beschäftigt.  Ein 
Raum  für  Opferschmäuse  könnte  nicht  deutlicher  charakterisiert 
sein. 

Von  drei  Seiten  ist  das  Macellum  zugänglich.  Auf  das  Forum 
öffnet  sich  eine  Vorhalle;  ihr  Dach  trugen  zwei  Säulenordnungen 
ĂĽbereinander  aus  weiĂźem  Marmor;  erhalten  sind  Teile  der  unteren, 
ionischen  oder  korinthischen  Säulen  und  des  reich  profilierten 
Zwischengebälks.  Statuen  standen  am  Fuße  der  Säulen,  andere 
diesen  gegenĂĽber  auf  der  RĂĽckseite  der  Vorhalle,  zwischen  den 
Läden  und  an  den  beiden  Säulen  des  kleinen  Vestibulums,  an 
dessen  RĂĽckwand  zwischen  den  zwei  in  das  Innere  fĂĽhrenden 
Türen  ein  zweisäuliges  Tempelchen  steht;  sicher  enthielt  auch 
dieses  eine  Statue.  Vergeblich  wäre  das  Bemühen,  zu  erraten, 
wen  alle  diese  Statuen  darstellten. 


XII.   Das  Macellum. 


97 


Durch  die  nach  rechts  abnehmende  Tiefe  der  Läden  ist  die 
Schiefwinkeligkeit  zwischen  Forum  und  Macellum  ausgeglichen. 
Dabei  wurde  der  letzte  Raum  rechts  so  klein,  daĂź  er  als  Laden 
nicht  brauchbar  war;  seine  Wände  waren  mit  Marmor  bekleidet, 
an  seine  RĂĽckwand  war  auf  hohem  Unterbau  ein  Tempelchen 
angebaut,  so  klein,  daĂź  auch  die  in  demselben  aufgestellten  Kult- 
bilder nur  ganz  kleine  FigĂĽrchen  sein  konnten.  Welche  Gottheit 
oder  Gottheiten  hier  verehrt  wurden,  ob  etwa  die  StraĂźenlaren 
[Lares  coinpitales),  das  entzieht  sich  unserer  Kenntnis. 

Am  SĂĽdende  der  Vorhalle  ist  eine  kleine,  ĂĽber  eine  Treppe 
zugängliche  Tribüne  (im  Grundriß  angedeutet;  auch  4  in  Fig.  44) 
man  kann  vermuten,  daĂź  sie  zu  Auktionen  diente. 

Ein  anderer  Eingang  fĂĽhrt  von  Norden,  ein  dritter  in  der 
Südostecke  über  einige  Stufen  in  den  Säulenhof.  In  der  für  den 
Eintretenden  linken  Wand  dieses  letzteren  Einganges  ist  eine 
kleine  Nische  angebracht  und  unter  ihr  zwei  Schlangen  gemalt. 
Wir  werden  wohl  nicht  irren,  wenn  wir  annehmen,  daĂź  dieses 
bescheidene  Heiligtum  dem  Schutzgeist  des  Gebäudes,  Genius 
niacclli^  gewidmet  war. 

Das  Macellum  war,  wie  schon  bemerkt,  wahrscheinlich  zur 
Zeit  des  Claudius,  an  der  Stelle  eines  gleichartigen  älteren  Ge- 
bäudes neu  erbaut  und  ausgemalt  worden.  Es  ist  wahrscheinlich, 
daß  im  Jahre  63  die  Säulenhallen  einstürzten.  Da  aber  Säulen 
und  Gebälk  durch  antike  Ausgrabungen  spurlos  verschwunden 
sind,  ja  zum  großen  Teil  auch  die  Stufe,  auf  der  die  Säulen 
standen  und  die  Regenrinne,  so  können  wir  hierüber,  sowie  über 
etwa  begonnenen  Wiederaufbau  nichts  bestimmtes  wissen. 


Mau,  Pompeji.     2.  A\ifl. 


Kapitel  XIII. 
Der  Tempel  der  städtischen  Laren. 

Südlich  vom  Macellum  öffnet  sich  auf  das  Forum,  die  in 
früherer  Zeit  hier  ausmündende  Straße  sperrend,  ein  länglich 
viereckiger  Raum  (i8  X  ao'/z  m).  Reiche  architektonische  Gliede- 
rung und  kostbares  Material  —  Marmorbekleidung  an  Wänden 
und  Fußboden  —  machten  ihn  zu  einem  der  prachtvollsten 
Räume  Pompejis.  Von  alledem  liegt  freilich  jetzt  nur  der  nackte 
Mauerkern  vor  uns,  doch  mit  hinlänglichen  Spuren,  um  mit 
Sicherheit   das  ganze   zu  rekonstruieren,  wie   es  Fig.  45   und  46 

im  Quer-  und  Längsschnitt  zeigen. 

Auf  der  Rückseite  öffnet  sich,  das 
Ganze  beherrschend,  eine  mächtige  Apsis 
(Fig.  44,  2);  in  ihr  steht  auf  1,70  m  hohem 
Unterbau  eine  Kapelle  [aediculd]^  deren 
ganze  RĂĽckseite  von  einer  Basis  fĂĽr 
etwa  drei  nicht  ĂĽberlebensgroĂźe  Statuen 
eingenommen  wird.  In  gleicher  Höhe 
mit  dem  Unterbau  läuft  an  den  Wänden 
der  Apsis  ein  Sockel,  auf  dem  jederseits 
zwei  Säulen  und  zwei  Halbsäulen  standen, 
wie  aus  den  Fundamentsteinen  ersichtlich.  Rechts  und  links  (3)  je 
ein  breiter  Nebenraum,  ala^  mit  einer  Basis  an  der  RĂĽckwand, 
sei  es,  wie  in  unserer  Wiederherstellung  angenommen,  fĂĽr  eine 
ĂĽberlebensgroĂźe  Statue,  sei  es  fĂĽr  eine  kleinere  Ă„dicula;  je  zwei 
Säulen  und  zwei  etwa  60  cm  starke  Eckpilaster  trugen  das  Ein- 
gangsgebälk dieser  Räume  (Fig.  46).  Endlich  in  jeder  Seitenwand 
drei,  in  der  RĂĽckwand  zwei  Nischen  fĂĽr  Statuen,  1,70  m  ĂĽber  dem 
Boden;  es  ist  deutlich  kenntlich,  daĂź  sie  eingefaĂźt  waren  von  je 
zwei  schmalen,  auf  einem  vorspringenden  Sockel  stehenden  Pilastern. 
In  der  Mitte  des  Hauptraumes  stehen  die  Reste  eines  Altars. 


Fig.  44.  GrundriĂź  des  Tempels 
der  städtischen  Laren,  i.  Haupt- 
raum, unbedeckt,  mit  Altar  in  der 
Mitte.  2.  Apsis  mit  Kapelle. 
3.  Alae.     4.  TribĂĽne   am   Forum. 


XIII.    Der  Tempel  der  städtischen  Laren. 


99 


Sowohl  für  die  Rückseite  als  für  die  Seitenwände  läßt  sich 
die  Höhe  annähernd  berechnen.  Die  Rückwand  mit  ihrer  Halb- 
kreiswölbung von  5,50  m  Halbmesser,  die  auf  0,80  m  starken,  bis 
6,15m  erhaltenen  Pilastern  ansetzt,  muĂźte  bis  zu  ihrem  horizon- 
talen Abschluß  über  14  m  hoch  sein.  Die  Höhe  der  Seitenwände 
erschlieĂźen  wir  aus  dem  etwa  95  cm  starken  Eingangspilaster: 
er  konnte  unmöglich  mit  seinem  Gebälk  die  gleiche  Höhe  von 
14  m  erreichen,  muĂźte  aber  doch,  der  einzige  Pilaster  der  ganzen 
Wand,  das  sie  zu  oberst  abschließende  Gebälk  tragen.    Da  mit- 


Fig.  45.     Tempel  der  städtischen  Laren,  Ansicht  der  Rückseite    wiederhergestellt. 


hin  die  Seitenwände  niedriger  waren  als  die  Rückwand,  so  konnten 
sie  auch  nicht  mit  ihr  zusammen  eine  Decke  oder  ein  Dach  tragen: 
der  Hauptraum  war  ein  unbedeckter  Hof,  bedeckt  nur  die  Apsis 
und  die  Seitenräume. 

Zweifellos  haben  wir  hier  eine  Kultstätte  vor  uns,  aber  doch 
keinen  eigentlichen  vollgĂĽltigen  Tempel,  Die  Aedicula  in  der 
Apsis,  mit  der  breiten  Basis  für  mehrere,  verhältnismäßig  kleine 
Kultbilder,  erinnert  lebhaft  an  die  LarcnkapcUen  so  mancher 
Privathäuscr.  Auch  die  Stadt  hatte  ihre  Schutzgeister,  ihre  Laren. 
Ihren  Kult  reorganisierte  Augustus  und  ordnete  an,  daĂź,  wie  mit 
den  Hauslaren  der  Genius  des  Hausvaters,  so  mit  den  städtischen 

7* 


lOO 


Pompeji. 


sein  Genius  verehrt  werden  sollte;  der  Hausvater  der  Stadt  ist 
der  Kaiser.  Und  wie  das  Haus,  so  hatte  auch  die  Stadt  ihr 
Larentempelchen;  in  Rom  lag  es  unweit  der  Stelle,  wo  sich 
später  der  Titusbogen  erhob.  Und  so  dürfen  wir  wohl  hier  den 
städtischen  Larentempel  [sacelluni  Lariim  publicoruni)  erkennen. 
Auf  der  Basis  in  der  Aedicula  stand  dann  der  Genius  des  Augustus, 
d.  h.  sein  eigenes  Bild  mit  ĂĽber  den  Hinterkopf  gezogener  Toga, 
zwischen  den  beiden  Laren,  wie  sie  so  oft  in  den  Malereien  der 
Hauskapellen  erscheinen. 


Fig.  46.     Nordseite  des  Tempels  der  städtischen  Laren,  wiederhergestellt. 


Mit  den  Laren  zusammen  verehrten  die  Hausgenossen  noch 
andere  Götter,  deren  besonderem  Schutz  der  Hausherr  vertraute. 
Mehrfach  sind  ihre  Bronzefigürchen  —  Herkules,  Merkur,  For- 
tuna u.  a.  —  mit  denen  der  Laren  zusammen  in  den  Hauskapellen 
gefunden  worden.  Hier  mochte  es  ähnlich  sein:  wir  können  ver- 
muten, daĂź  in  den  beiden  Seitenkapellen  [alae]  etwa  Ceres  und 
Bacchus  standen  oder  je  ein  Tcmpelchen  mit  Statuetten  dieser 
und  vielleicht  noch  mehrerer  Gottheiten.  Ăśber  die  in  den  acht 
Nischen  stehenden  Statuen  wird  es  besser  sein,  uns  jeder  Ver- 
mutung zu  enthalten.  —  Über  die  kleine  Tribüne  4  s.  S.  97. 


XIII.    Der  Tempel  der  städtischen  I.aren.  I O I 

Acht  Lavaquadern,  mit  Spuren  von  Eisenklammern  zur  Be- 
festigung einer  Marmorbekleidung,  bezeichnen  die  Plätze  der 
Säulen  einer  auf  das  Forum  geöffneten  Vorhalle,  die  mit  den 
Vorhallen  der  anstoßenden  Gebäude  zusammen  hier  den  Forums- 
portikus vertrat,  aber  offenbar  kein  Dach  haben  konnte.  Denn 
mochte  der  Hauptraum  unseres  Gebäudes  unbedeckt  sein,  wie  wir 
angenommen  haben,  oder  bedeckt,  in  beiden  Fällen  hätte  der 
obere  Dachrand  des  Portikus  auf  einem  die  1 8  m  weite  Eingangs- 
öffnung überspannenden  Balken  ruhen  müssen,  was  technisch 
unglaublich  ist.  Um  den  Portikus  zu  bedecken,  hätte  man  in  der 
Eingangsöffnung  eine  zweite  Säulenreihe  stellen  müssen,  die,  den 
Forumsäulen  parallel,  den  oberen  Dachrand  getragen  hätte.  Aber 
es  ist  nur  zu  klar,  daß  eine  solche  Säulenreihe  nicht  vorhanden 
war:  da  ist  keine  Spur  eines  Fundaments,  und  so  spurlos  hätte 
dies  nicht  verschwinden  können.  Es  war  also  nur  die  Säulen- 
reihe —  doch  wohl  zweistöckig  —  als  Dekoration  am  Forum 
entlanggeführt:  höchstens  durch  ein  Segel  konnte  Schutz  gegen 
Sonne  und  Regen  bewirkt  werden. 


Kapitel  XIV. 
Der  Tempel  des  Vespasian. 

Südlich  vom  Larenheiligtum  treten  wir  durch  eine  mäßig 
breite  TĂĽr  in  einen  rings  von  hohen  Mauern  umschlossenen, 
viereckigen,  etwas  schiefwinkligen  Hof  (Fig.  47).  An  der  Vorder- 
seite eine  Säulenhalle,  an  die  Rückmauer  angebaut,  dem  Eingang 
gegenĂĽber,  ein  kleiner  Tempel  (3)  auf  hohem  Unterbau;  zwei 
Treppen  fĂĽhren  von  hinten  auf  die  kleine  Plattform  vor  der  Cella ; 
an  der  RĂĽckwand  der  Cella  die  Basis  fĂĽr  das  Tempelbild.  In 
der  Mitte  des  Hofes  ein  marmorbekleideter 
Altar,  auf  allen  vier  Seiten  mit  Reliefs  ge- 
I  ^  ,  I,  I.  ziert,  von  mäßiger  Arbeit.  Auf  der  Vorder- 

,  I  ll  -umal  — I  Seite  (Fig.  50)  eine  Opferszene:  der  Priester 
—  er  hat  nach  Opferbrauch  die  Toga  über 
den  Kopf  gezogen  —  libiert  aus  einer  Patera 
auf  einen  DreifuĂź,  der  als  Altar  dient;  um 
ihn  zwei  Liktoren  mit  den  RutenbĂĽndeln, 
der  Flötenbläser,  zwei  das  Opfergerät 
tragende  Knaben  [camilli]^  ein  Diener; 
rechts  wird  der  Opferstier  von  dem  Victimarius  mit  seinem  Ge- 
hülfen herbeigeführt.  Im  Hintergrunde  ein  viersäuliger  Tempel: 
zweifellos  eben  dieser  Tempel;  die  ganze  Szene  stellt  das  Ein- 
weihungsopfer dar.  Und  es  ist  ganz  in  der  Ordnung,  daĂź  das 
Opfer  auf  einem  DreifuĂź,  nicht  auf  dem  Altar  dargebracht  wird; 
denn  dieser  Altar,  dessen  Relief  das  Einweihungsopfer  darstellt, 
konnte  natĂĽrlich,  als  eben  dies  Opfer  gebracht  wurde,  noch  nicht 
vorhanden  sein.  Wir  lernen  hier  also,  daĂź  der  Tempel  eine  vier- 
säulige  Vorhalle  mit  weiterem  mittleren  Intercolumnium  hatte. 

Wem  war  der  Tempel  geweiht?  Die  Reliefs  des  Altars  zeigen 
auf  der  Seitenfläche  Opfergerät:  rechts  Handtuch  [mantele]^  Weih- 
rauchkästchen [accrra)   und  Augurstab  [lituus)^   links  Opferschale 


Fi?-  47-    GrundriĂź  des  Tempels 
des  Vespasian.    i.  Säulenhalle. 
2.  Altar.  3.  Tempel.  4.  Forums- 
portikus. 


XIV.    Der  Tempel  des  Vespasian.  lOi 

(patera),  Schöpflöffel  [simptiliim]  und  Kanne  {urceus).  Auf  der 
Rückseite  ein  Eichenkranz  zwischen  zwei  Lorbeerbäumen.  Am 
13.  Jan.  27  V.  Chr.  beschloĂź  der  Senat,  ĂĽber  der  HaustĂĽr  des 
Augustus  die  Bürgerkrone,  d.  h.  den  Eichenkranz,  aufzuhängen 
und  die  Pfosten  mit  Lorbeer  zu  bekränzen.  Seit  dieser  Zeit  sind 
Eichenkranz  und  Lorbeer  die  Insignien  des  kaiserlichen  Hauses: 
einem   Kaiser  also   war  der  Altar,  war  der  Tempel   gewidmet. 


Fig.  48.     Ansicht  des  Vespasiantempels. 

Einem  lebenden  Kaiser,  nicht  einem  Divus.  Dem  Divus  gebĂĽhrt 
als  Opfer  ein  Ochse,  dem  Genius  des  lebenden  Kaisers  ein  Stier : 
darĂĽber  belehren  uns  die  Akten  der  ArvalbrĂĽder.  Und  hier  ist 
das  Opfertier  zweifellos  ein  Stier.     Wer  war  dieser  Kaiser? 

Der  Tempel  ist  zweifellos  erst  nach  dem  Erdbeben  des  Jahres  63 
erbaut  worden  und  war  zur  Zeit  der  VerschĂĽttung  noch  nicht 
vollendet.  Zwar  am  Tempel  selbst  und  in  der  Eingangshalle 
waren  die  Wände  mit  Marmor  bekleidet:  hier  war  wohl  alles 
fertig.  Aber  die  Wände  des  Hofes,  eingeteilt  in  Felder  mit  ab- 
wechselnd gewölbtem  und  spitzem  Giebelfeld  (Fig.  49),  hatten  nur 
rohen  Stuckbewurf  und  warteten  noch  ihrer  X'ollendungr.     Dem- 


I04 


Pompeji. 


nach  wird  der  Tempel  wohl  zu  Ehren  Vespasians  (68 — 7g  n.  Chr.) 
erbaut  worden  sein.  Und  da  der  einfach  denkende  Kaiser  schwer- 
lich geduldet  hat,  daĂź  man  ihn  als  Gott  verehrte,  so  war  er  wohl 
seinem  Genius  gewidmet. 


Fig.  49.     Der  Tempel  des  Vespasian,  wiederhergestellt. 


BĂĽrgerkrone  und  Lorbeern  zeigen  die  MĂĽnzen  des  Augustus ; 
die  seiner  nächsten  Nachfolger  nur  erstere.  Die  Lorbeern  er- 
scheinen wieder  im  Jahre  74  auf  den  MĂĽnzen  des  Vespasian  und 
Titus:  man  möchte  vermuten,  daß  eben  damals  ihm  die  einst 
fĂĽr  Augustus  beschlossenen  Ehren  erneuert  wurden.  Nahe  genug 
lag  es,  Vespasian  mit  Augustus  zu  vergleichen.  Beide  [hatten 
nach  furchtbarem  BĂĽrgerkrieg  Frieden  und  Ordnung  hergestellt; 
beide  bekämpften  Luxus  und  Sittenlosigkeit;  beide  verschönerten 


XIV.   Der  Tempel  des  Vespasian. 


105 


Rom  durch  Bauten:  der  kapitolinische  Jupitertempcl,  von  Augustus 
ausgebessert  und  verschönert,  wurde  von  Vespasian,  nach  dem 
Brande  des  Jahres  6g,  neu  aufgebaut.  Und  besonders  der  von 
Nero  arg  miĂźhandelte  Senat  hatte  wohl  Grund  dem  Kaiser  dank- 
bar zu  sein,  der  ihn  —  auch  hierin  dem  Beispiel  des  Augustus 
folgend  —  mit  ausgesuchter  Achtung  behandelte.  Und  wenn 
unsere  Nachrichten  über  die  Zeit  derFlavier  weniger  dürftig  wären, 
so  wĂĽrden  wir  vielleicht  von  einem  Akte  des  Senats  wissen, 
durch  den  Vespasian  als  neuer  Augustus  gefeiert,  die  Ehre  der 


Fig.  50.     Altarrelief  des  Vespasiantempcls. 

Lorbeern  und  des  Eichenkranzes  ihm  aufs  neue  zuerkannt  wurde. 
Und  ein  solcher  Akt  könnte  auch  die  Anregung  gegeben  haben, 
wenn  nicht  zur  GrĂĽndung  unseres  Tempels,  so  doch  zur  An- 
bringung jener  Insignien  auf  dem  Altar. 

Zum  Tempel  gehören  noch  drei  Kammern,  zugänglich  durch 
eine  Tür  rechts  vom  Tempel  und  durch  eine  andere  aus  Räumen 
unbekannter  Bestimmung,  die  mit  dem  Larenheiligtum  in  Ver- 
bindung stehen.  Sie  mochten  als  Aufenthalt  des  Tempelhiiters, 
auch  wohl  zur  Aufbewahrung  von  Opfergerät  benutzt  werden. 


Kapitel  XV. 
Das  Gebäude  der  Eumachia. 

Der  Grundriß  des  großen  Gebäudes  an  der  nördlichen  Ecke 
der  AbbondanzastraĂźe  und  des  Forums  ist  klar  und  ĂĽbersichtlich. 
Am  Forum  eine  säulengetragene  Vorhalle  i.  Dann  als  Hauptraum 
eine  große,  vierseitige,  einen  offenen  Hof  einschließende  Säulen- 


iO 


10 


20M 


Fig.  51.  Grundriß  des  Gebäudes  der  Eumachia.  —  i.  Vorhalle.  2.  3.  Nischen  für  Statuen. 
4.  Apsisförmige  Nischen.  5.  Große  Nischen,  über  Treppen  zugänglich.  6.  Eingang.  7.  Durch- 
gang 2ur  Treppe.  8.  Bedürfnisanstalt.  9.  Säulenhallen.  10.  Basis  der  Statue  der  Concordia 
Augusta.  II.  Lichthöfe.  12.  Bedeckter  Gang  (Krypta).  13.  Statue  der  Eumachia.  14.  Eingang 
von  der  Abbondanzastraße.     15.  Stein  mit  Ring.     17.  Terrassierte  Flächen.     18.  Aufmauerungen. 

halle  9,  mit  drei  Apsiden  auf  der  RĂĽckseite.  Endlich  ein  bedeckter 
Gang  12,  auf  drei  Seiten  der  Säulenhalle  und  mit  Fenstern  auf 
diese,  zugänglich  durch  zwei  Türen  vorn  aus  der  Säulenhalle 
und  eine  dritte  hinten  rechts,  zu  der  von  der  niedriger  liegenden 
AbbondanzastraĂźe  eine  Rampe  herauffĂĽhrt. 

Eine  Inschrift  steht  in   großen  Buchstaben   auf  dem   Gebälk 


XV.   Das  Gebäude  der  Eumachia. 


107 


der  Vorhalle  und  noch  einmal  gleichlautend  auf  einer  Marmor- 
tafel  ĂĽber  dem  Seiteneingange  von  der  AbbondanzastraĂźe :  Euma- 
chia L.  f.  sacerd[os)  publ[icd)  nomine  suo  et  M.  Numistri  Fron- 
tonis fili  chalcidicum  cryptam  porticiis  Concordiae  Augustae  Pietati 
sua  pequnia  fecit  eademque  dedicavit^  —  >  Eumachia,  Tochter  des 
Lucius  Eumachius,  städtische  Priesterin,  hat  in  ihrem  und  im 
Namen  ihres  Sohnes  M.  Numistrius  Fronto  das  Chalcidicum,  die 
Krypta  und  die  Portiken  auf  eigene  Kosten  gebaut  und  sie  der 
Concordia  Augusta  und  der  Pietas  geweiht.«  Das  Chalcidicum 
ist  die  Vorhalle,  die  Portiken  der  innere  Säulenhof,  die  Krypta 
der  bedeckte  Gang  (12).    Mutter  und  Sohn  widmen  das  Gebäude 


Hmmpi^^^^^^T^^^^^^^^^^^^^^^^^^H 

Fig.  52.     Innenansicht  des  Gebäudes  der  Eumachia:  Rückseite  des  Hofes. 


der  im  Kaiserhause  herrschenden  Eintracht  und  Sohnesliebe,  das 
heiĂźt  dem  Kaiser  und  seiner  Mutter,  Tiberius  und  Livia.  Denn 
an  Nero  und  Agrippina  zu  denken  verbietet  die  im  dritten,  zu 
Neros  Zeit  nicht  mehr  ĂĽblichen  Stil  gehaltene  Bemalung  der 
Wände.  Als  im  Jahre  22  n.  Chr.  Livia  schwer  erkrankte,  be- 
schloĂź der  Senat,  der  Pietas  Augusta  einen  Altar  zu  weihen.  Im 
folgenden  Jahre  gab  Drusus,  der  Sohn  des  Tiberius,  seiner  Pietät 
Ausdruck,  indem  er  das  Bild  der  Livia  mit  der  Beischrift  Pietas 
auf  seine  MĂĽnzen  setzte.  Auch  auf  MĂĽnzen  von  Kolonien  Sara- 
gossa und  noch  einer  unbekannten)  erscheint,  vermutlicli  um 
dieselbe  Zeit,  die  Pietas  Augusta.     Bald  nachher  war  es  mit  der 


I08  Pompeji. 

Eintracht  zwischen  Tiberius  und  Livia  aus.  Also  etwa  in  dieser 
Zeit,  vielleicht  auch  frĂĽher,  jedenfalls  in  der  frĂĽheren  Zeit  des 
Tiberius,  ist  dieses  Gebäude  entstanden.  Die  Statue  der  Concordia 
Augusta,  eine  weibliche  Figur  mit  vergoldetem  FĂĽllhorn,  wurde 
in  dem  Gebäude  gefunden:  der  nicht  erhaltene  Kopf  trug  wahr- 
scheinlich die  ZĂĽge  der  Livia.  Vermutlich  stand  sie  auf  der  Basis 
in  der  groĂźen  Apsis  (lo).  Durch  diese  Widmung  hatte  man  auch 
dieses  Gebäude,  wie  das  Macellum,  unter  den  besonderen  Schutz 
der  Kaiserfamilie  gestellt. 

Die  Bauinschrift  nennt  wohl  die  Teile,  aber  weder  Gesamt- 
namen noch  Zweck  des  Gebäudes.  Eine  Andeutung  über  letz- 
teren gibt  eine  andere  Inschrift. 

Hinter  der  großen  Apsis  öffnet  sich  auf  die  Krypta  eine 
breite  Nische  (13);  hier  stand  die  Marmorstatue  einer  schönen 
Frau  (jetzt  durch  einen  GipsabguĂź  ersetzt);  auf  der  Basis  die 
Inschrift:  Eiimachiae  L,  f.  sacerd[oti)  publiicae)  fullones,  —  »der 
städtischen  Priesterin  Eumachia  die  Tuchwalker.«  Ein  Gebäude, 
in  dem  die  Tuchwalker  die  Statue  der  Stifterin  aufstellen,  muĂź 
irgendwie  ihrem  Geschäftsbetrieb  gedient  haben.  Eine  Tuch- 
walkerei nun  freilich  ist  es  offenbar  nicht;  dagegen  könnte  es 
wohl  eine  Verkaufshalle  fĂĽr  Tuchwaren,  vielleicht  ĂĽberhaupt  fĂĽr 
KleidungsstĂĽcke  gewesen  sein.  Tische  und  sonstige  Vorrichtungen 
für  die  Verkäufer  konnten  in  den  Portiken  und  der  Krypta  auf- 
gestellt werden;  in  der  Krypta  so,  daĂź  sie  sowohl  aus  der  Krypta 
selbst,  als  auch,  durch  die  Fenster,  aus  den  Portiken  zugänglich 
waren.  Ein  bloßer  Spaziergang  ist  das  Gebäude  gewiß  nicht. 
Was  sollte  in  diesem  die  Krypta?  Und  namentlich,  wie  erklärt 
sich  die  geringe  Zugänglichkeit  derselben?  Denn  die  beiden 
schmalen  TĂĽren  aus  den  Portiken  waren  doch  sicher  verschlieĂź- 
bar. Und  auch  aus  dem  Eingange  von  der  AbbondanzastraĂźe 
fĂĽhrte  nur  eine  enge,  verschlieĂźbare  TĂĽr  in  die  Krypta,  und 
neben  der  StraĂźentĂĽr  der  Rampe  liegt  eine  sowohl  auf  diese 
als  auf  die  Straße  geöffnete  Zelle  für  einen  Türhüter.  Ist 
unsere  Vermutung  über  die  Bestimmung  des  Gebäudes  richtig, 
so  waren  wohl  die  Portiken  immer  und  allgemein  zugänglich,  die 
Krypta  aber  nur  während  der  Marktstunden  geöffnet,  sonst  aber 
von  den  Fullonen^  die  ihre  Waren  dort  lieĂźen,  unter  VerschluĂź 
gehalten. 


XV.    Das  Gebäude  der  Eumachia. 


109 


Wir  mĂĽssen  dahingestellt  sein  lassen,  was  gewisse  niedrige 
Aufmauerungen  (18)  an  der  rechten  Seite  des  von  den  Portiken 
umgebenen  Hofes  bedeuteten.  Sie  waren  so  schwach  fundamen- 
tiert,  daĂź  sie  jetzt  spurlos  verschwunden  sind.  Auch  fĂĽr  die 
terrassierten  rechteckigen  Flächen  an  der  Rückseite  (17)  findet  sich 
keine  Erklärung,  und  ebensowenig  für  den  großen  Stein  in  der 
Mitte  (15),  an  dem  ein  beweglicher  eiserner  Ring  befestigt  ist. 
Es  ist  eben  schwer,  uns  vorzustellen,  fĂĽr  was  alles  in  einer  solchen 
Markthalle  gesorgt  sein  muĂźte. 

Zur  Zeit  der  VerschĂĽttung  war  man  mit  dem  Wiederaufbau 
nach  den  Zerstörungen  des  Erdbebens  vom  Jahre  63  beschäftigt. 
Die  RĂĽckwand  der  Vorhalle  war  fertig  und  mit  Marmor  bekleidet; 
sie  war,  wie  einige  Reste  des  älteren  Baues  beweisen,  ganz  in 
der  früheren  Form  wieder  aufgebaut  worden.  Säulen  und  Ge- 
bälk der  Vorhalle  waren  noch  in  Vorbereitung;  beträchtliche 
Teile  wurden  auf  dem  offenen  Platze  des  Forums  gefunden.  Im 
Innern  war  die  RĂĽckwand  mit  den  drei  Apsiden  neu  aufgebaut 
und  die  Marmorbekleidung  derselben  begonnen;  die  ĂĽbrigen 
Wände  waren  im  Jahre  63  stehen  geblieben.  Die  Säulenhallen 
waren  wohl  auch  hier  in  Vorbereitung;  mit  ihnen  haben  zwar 
antike  Ausgrabungen  gründlich  aufgeräumt,  doch  ist  es  möglich 
gewesen,  aus  den  geringen,  teils  dem  alten  Baue  angehörigen, 
teils  fĂĽr  den  Neubau  vorbereiteten  Resten  ihre  Gestalt  mit  Sicher- 
heit zu  ermitteln. 

Sowohl  die  Vorhalle  wie  die  inneren  Portiken  erhalten  ihren 
architektonischen  Charakter  durch  das  eigentĂĽmliche  Motiv  zweier 
übereinander  stehender  Säulenordnungen,  ohne  daß  doch  dem 
Zwischengebälk  auch  ein  Zwischenboden  entsprochen  hätte. 

Zunächst  die  Vorhalle.  Daß  sie  kein  Obergeschoß  hatte, 
beweisen  die  hohen  Motive  ihrer  RĂĽckwand.  Dem  Forum  aber 
zeigte  sie  eine  doppelte  Säulenstellung,  eine  untere  dorische  und 
eine  obere  ionische.  Es  wäre  ja  an  sich  einfacher  und  schöner 
gewesen,  die  ganze  Höhe  durch  eine  Reihe  großer  Säulen  zu 
erreichen;  aber  hier  war  das  Bestreben  maĂźgebend,  sich  den 
Portiken  des  Forums  anzuschlie(.kn,  in  denen  ja  die  doppelte 
Säulenstellung  auch  dem  praktischen  Zwecke  eines  oberen  Um- 
ganges diente.  In  der  Tat  sind  Säulen  und  Gebälk  aus  dem 
gleichen  Material  —  sogen.  Travertin  —  gearbeitet  wie  die  Forums- 


HO 


Pompeji. 


gJ^VÂŁjgMAVj^^^^ 


portiken,  unkannelliert  wie  diese;  auch  die 
Höhe  ist  die  gleiche.  Aber  durch  etwas 
abweichende  Formen,  etwas  schlankere 
Verhältnisse  und  dichtere  Stellung  hat  man 
doch  dieser  Säulenfront  ihren  besonderen 
Charakter  gegeben,  so  daĂź  sie  die  Ein- 
förmigkeit unterbrach  und  das  hinter  ihr 
liegende  Gebäude  markierte:  ein  Verfahren, 
für  welches  die  städtische  Bauleitung  Pom- 
pejis das  größte  Lob  verdient.  Am  Fuße 
einer  jeden  Säule  stand  auf  der  Innenseite 
eine  Statue;  die  Postamente  sind  erhalten 
und  nur  sie  ermöglichen  es,  die  Plätze 
der  Säulen,  von  denen  an  Ort  und  Stelle 
nichts  mehr  vorhanden  ist,  zu  erkennen. 
Die  Intercolumnien  waren  durch  Gitter- 
tĂĽren geschlossen,  deren  Spuren  an  der 
sĂĽdlichen  Schmalseite  in  dem  nur  dort 
erhaltenen  MarmorfuĂźboden  kenntlich  sind. 
Die  RĂĽckwand  der  Vorhalle  ist  einfach 
und  ĂĽbersichtlich  gegliedert.  In  der  Mitte 
der  nicht  gewölbte,  sondern  gradlinig 
abgeschlossene  Eingang  in  den  Portikus  (6) 
mit  schöner  Marmoreinfassung  (jetzt  in 
Neapel),  von  der  unsere  Abbildung  (Fig.  53) 
eine  Probe  gibt.  An  beiden  Enden  zwei 
Fig.  53.  Türeinfassung.  ^j^  1,36  m  übcr  den  Fußbodcn  erhöhte, 
geräumige,  durch  kleine  Treppen  zugäng- 
liche Nischen  (5),  eine  Art  Tribunalien,  ähnlich  dem  in  der 
Vorhalle  des  Macellums  (S.  97).     Wir  können  auch  hier  vermuten, 


XV.   Das  Gebäude  der  Eumachla.  j  I  I 

daĂź  sie  fĂĽr  Auktionen  dienten.  Zwischen  ihnen  und  dem  Eingange 
jederseits  eine  apsisartige,  bis  auf  den  Boden  herabreichende 
Nische,  Endlich  vier  kleinere  Nischen  fĂĽr  Statuen.  Alles  dies 
war  reich  mit  buntem  Marmor  bekleidet. 

Von  den  Statuen  ist  keine  erhalten,  wohl  aber  die  Inschriften 
der  beiden  links  vom  Eingange:  sie  enthalten  die  Namen  der 
dargestellten  Personen  —  Aeneas  und  Romulus  —  nebst  kurzer 
Aufzählung  ihrer  Taten.  Diese  mit  Inschrift  versehenen  Statuen 
sind  das  Abbild  eines  berĂĽhmten  Schmuckes  der  Stadt  Rom, 

Augustus  hatte  auf  dem  von  ihm  gebauten  Forum  die  Statuen 
berühmter  römischer  Feldherrn  aufgestellt,  mit  Unterschriften,  die 
ihre  Taten  berichteten,  damit,  so  sagte  er,  im  Vergleich  mit 
ihnen  man  ihn  selbst  und  seine  Nachfolger  beurteilen  möge.  Die 
Reihe  begann  mit  Aeneas,  den  Königen  von  Alba  Longa,  Romulus. 
Auch  dort  sind  keine  Statuen  gefunden  worden,  wohl  aber  einige 
der  Inschriften,  teils  in  Rom  selbst,  teils  Kopien  derselben,  die, 
natürlich  mit  den  zugehörigen  Statuen,  in  Arezzo  aufgestellt  waren: 
die  Kolonien  und  Munizipien  wollten  .auch  hierin  ein  Rom  im 
Kleinen  sein.  Es  scheint,  daĂź  Aeneas  und  Romulus  nur  zwei 
Statuen,  wohl  sicher  Cäsar  und  Augustus  zum  Gegenstück  hatten. 
Denn  daß  sie  den  Anfang  einer  größeren  Reihe  gebildet  haben 
sollten,  die  sich  etwa  auf  den  Postamenten  an  den  Säulen  der 
Vorhalle  oder  in  den  Nischen  der  Vorderwand  des  inneren  Portikus 
fortgesetzt  hätte,  ist  wenig  glaublich,  weil  hier  überall  wesentlich 
größere  Statuen  gestanden  haben  müssen. 

Das  gleiche  Motiv  der  doppelten  Säulenstellung  ohne  Zwischen- 
boden wiederholt  sich  in  den  marmornen  Portiken  des  inneren 
Hofes,  mit  der  Besonderheit,  daß  die  vordere  Halle,  zunächst  am 
Chalcidicum,  höher  war  als  die  drei  übrigen  (Fig.  54),  Sie  war 
der  bevorzugte,  prachtvollste  Teil  des  ganzen  Gebäudes,  Über 
9  m  hoch  öffnete  sie  sich  mit  ihren  beiden  korinthischen  Säulen- 
ordnungen auf  den  Hof  Ihre  Wände  waren  vollständig  mit 
Marmor  bekleidet  und  durch  Nischen,  wie  unser  Plan  zeigt,  ge- 
gliedert. Aus  ihr  gelangte  man  an  beiden  Enden  seitwärts  durch 
je  eine  schmale  Tür  in  die  Krypta,  vorwärts  in  die  viel  niedrigeren 
Seitenportiken.  Auch  diese  hatten  doppelte  Säulenstellung,  waren 
aber  wohl  nur  etwa  6,20  m  hoch.  Die  beiden  Ecken,  wo  der 
hohe    Portikus    mit    den    niedrigeren    zusammentraf,    waren     so 


112 


Pompeji. 


gebildet,  daĂź  hier  je  ein  viereckiger  Marmorpfeiler  stand,  an  den 
einerseits  eine  Dreiviertelsäule  des  höheren,  anderseits  eine  des 
niedrigen  Portikus   angelehnt   war,     Ihre   von   den   Fenstern   der 

Krypta  durchbroche- 
nen Wände  waren  nur 
am  Sockel  mit  buntem 
Marmor  bekleidet,ober- 
halb  desselben  einfach 
im  dritten  Stil  bemalt. 
Von  den  drei  Apsiden 
der  RĂĽckseite  blieben 
die  beiden  kleineren 
unter  dem  Dache  des 
Portikus.  Die  größere 
in  der  Mitte  ragte  ĂĽber 
dasselbe  empor  und 
Giebelfelde  bekrönt  (Fig.  55), 
dem    Gebäude    liegen.      Man 


Fig.  54- 


Gebäude   der  Eumachia:    Vorderseite   des  Hofes, 
wiederhergestellt. 


war  hier  mit  einem  marmornen 
dessen  Fragmente  noch  jetzt  in 
betrat  sie  durch  drei  gewölbte  Eingänge,  über  denen  sich  ver- 
mutlich noch  Fenster  öffneten.  Auf  der  Basis  in  der  Mitte  mag 
die  Concordia  mit  den  ZĂĽgen  der  Livia  gestanden  haben,  in  den 
beiden  kleineren  Nischen  etwa  Tiberius   und   sein  Sohn  Drusus. 

Weshalb  nun  diese  unverhältnismäßige  Höhe  der  Portiken, 
die  doch  bei  geringerer  Höhe  ihrem  nächsten  Zweck,  gegen 
Sonne  und  Regen  zu  schĂĽtzen,  besser  genĂĽgt  haben  wĂĽrden? 
Ohne  Zweifel  weil  bei  gewöhnlicher  Höhe  die  Krypta  nur  un- 
genügendes Licht  erhalten  hätte.  Und  wenn  man  statt  einer  Reihe 
großer  Säulen  das  ungewöhnliche  Motiv  der  doppelten  Säulen- 
stellung ohne  Zwischenboden  vorgezogen  hat,  so  wollte  man  da- 
durch wohl  teils  die  Beengung  der  Portiken  durch  groĂźe  und 
starke  Säulen  vermeiden,  teils  die  inneren  Portiken  mit  der  Vor- 
halle in  Einklang  bringen,  fĂĽr  die  ja  der  AnschluĂź  an  die  Forums- 
portiken maĂźgebend  gewesen  war. 

Die  unregelmäßigen  Räume  (11,  11)  neben  der  großen  Apsis 
waren  kleine  Lichthöfe  zur  Erhellung  des  hinteren,  nicht  an  die 
Portiken  stoĂźenden  Teils  der  Krypta. 

Diese  letztere  war,  wie  deutlich  zu  erkennen,  reichlich  4  m 
hoch.     Auch   an   ihren  Wänden   sind   Reste   der  Malerei   dritten 


XV.   Das  Gebäude  der  Eumachia. 


113 


Stils  erhalten.  Rechts  von  der  breiten  Nische  mit  der  Statue 
der  Eumachia  fĂĽhrte  eine  schmale  TĂĽr  zu  der  von  der  Abbon- 
danzastraĂźe  aufsteigenden  Rampe ;  links  hat  man,  der  Symmetrie 
halber,  eine  gleiche 
TĂĽr  auf  die  Wand  ge- 
malt. Sie  ist  von  der 
in  Pompeji  sehr  ĂĽb- 
lichen dreiflĂĽgeligen 
Art,  der  mittlere  FlĂĽ- 
gel mit  horizontalen 
Angeln,  wie  die  unserer 
TĂĽren,  an  einem  der 
SeitenflĂĽgel  befestigt; 
diese  drehten  sich  mit 
vertikalen  Zapfen  in 
den  in  Schwelle  und 
Sturz  angebrachten  Pfannen. 

Über  der  eben  erwähnten  Rampe  führte  eine  Treppe  aus  der 
Nordostecke  der  Krypta  in  einen  ĂĽber  dieser  gelegenen  oberen 
Raum.     Eben  dahin   fĂĽhrte  eine   zweite   Treppe   in   dem  letzten 


Fig.   55- 


Gebäude    der    Eumachia:    Rückseite    des   Hofes, 
wiederhergestellt. 


Fig.  56.     Brunnen  der  Concordia  Augusta,  vor  dem  Seiteneingang  des  Gebäudes  der  Kumachia. 


der  zwischen  Vorhalle  und  Portiken  eingeschobenen  Räume  links 
vom  Eingang.  Dem  allgemeinen  Verkehr  konnte  ein  so  wenig 
zugänglicher  Raum  nicht  dienen.    Er  war  auch  wohl  nicht  hoher 

Mau,  Pompeji.     2.  Autl.  S 


114  Pompeji. 

als  nötig"  war,  um  die  Höhendifferenz  zwischen  Portikus  und  Krypta 
auszugleichen,  und  diente  vielleicht  als  zeitweiliger  Lagerraum. 
In  der  AbbondanzastraĂźe  steht  vor  dem  Nebeneingang  unseres 
Gebäudes  einer  der  gewöhnlichen  Brunnen,  aus  Travertin  und 
schon  deshalb  vermutlich  jĂĽngeren  Ursprungs  als  die  sonst  ĂĽb- 
lichen Lavabrunnen  (Fig.  56).  Der  Pfeiler,  von  dem  der  Wasser- 
strahl in  das  Becken  fiel,  trägt  in  Relief  eine  weibliche  Büste  mit 
einem  FĂĽllhorn,  wohl  sicher  die  Concordia  Augusta.  Gleich 
nach  der  Ausgrabung  hat  man  sie  Abundantia  und  nach  ihr  die 
StraĂźe  benannt,  die  man  mit  mehr  Recht  Strada  della  Concordia 
nennen  könnte. 


Kapitel  XVI. 
Das  Comitium. 


Das  an  der  sĂĽdlichen  Ecke  des  Forums  und  der  Abbondanza- 
straße  liegende  Gebäude  war  in  früherer  Zeit  sowohl  vom  Forum 
als  von  der  StraĂźe  nur  durch  eine  Reihe  von  Pfeilern  getrennt- 
erst  kurz  vor  der  VerschĂĽttung  waren  die  Ă–ffnungen  zwischen 
diesen  Pfeilern  bis  auf  drei  zugemauert  worden.  Den  Pfeilern  ent- 
sprechend finden  wir  im  Rande  des  Gangsteiges  der  StraĂźe  sechs 
viereckige  Löcher  (im  Plan  angedeutet),  offenbar  bestimmt,  Pfähle 
hineinzustellen  zum  Zweck  einer  zeitweiligen 
Vergitterung.  Die  AusmĂĽndung  der  StraĂźe 
auf  das  Forum  konnte  durch  drei  Gitter- 
tĂĽren gesperrt  werden ,  entsprechend  dem 
Fahrweg  und  den  beiden  Trottoirs.  Stellte 
man  nun  die  Vergitterung  am  Trottoir 
auf  und  lieĂź  seine  AusmĂĽndung  auf  das 
Forum  offen,  während  die  beiden  anderen 
GittertĂĽren  geschlossen  waren,  so  war  mit 
dem  I'orum  auch  unser  Gebäude  gegen  die 
StraĂźe    gesperrt,   vom  Forum  aber    durch 

zehn  weite  Öffnungen  zugänglich.  Man  rechnete  offenbar  auf 
starken  Verkehr.  Augenfällig  ist  die  enge  Verbindung  mit  dem 
Forum. 

Es  ist  kaum  wahrscheinlich,  daĂź  ein  so  groĂźer,  an  zwei  Seiten 
nur  von  Pfeilern  umschlossener,  auch  nicht  einmal  rechtwinkliger 
Raum  bedeckt  gewesen  sein  sollte.  Es  war  wohl  mehr  ein  Platz 
als  ein  Gebäude,  eine  Erweiterung,  gewissermaßen  ein  Teil  des 
F"orums.  Und  zwar  ein  bevorzugter  Teil.  Die  Wände  waren 
mit  Marmor  bekleidet,  belebt  durch  Nischen,  in  denen  ohne 
Zweifel  Statuen  standen.  Auf  die  Südseite  öffnet  sich  in  einer 
groĂźen  Nische  (i)  eine  Art  Plattform  oder  TribĂĽne,    1,25  ni  ĂĽber 

s* 


Fig.  57.  GrundriĂź  des  Comi- 
tium. I.  TribĂĽne.  2.  TribĂĽne 
nach  auHen,  später  vermauert. 


1 1 6  Pompeji. 

dem  Boden  des  Hauptraumes,  zugänglich  durch  eine  Treppe.  Und 
von  eben  dieser  Treppe  gelangt  man  rechts  in  einen  Raum  (2), 
der  sich  mit  einer  ähnlichen  erhöhten  Tribüne  auf  die  Säulen- 
halle des  Forums  öffnete  und,  wie  es  scheint,  ursprünglich  von 
dieser  aus  durch  eine  Treppe  zugänglich  war;  später  sind  Treppe 
und  TribĂĽne  zugemauert  worden. 

Wozu  diese  TribĂĽnen,  wozu  der  ganze  Bau  gedient  hat,  wird 
wohl  mit  Sicherheit  nie  gesagt  werden  können.  Eine  Analogie 
aber  drängt  sich  auf.  Auch  in  Rom  schloß  sich  an  das  Ende 
der  einen  Langseite  des  Forums  ein  kleinerer  viereckiger  Platz 
an:  das  Comitium,  der  älteste,  in  späterer  Zeit  nicht  mehr  be- 
nutzte Abstimmungsraum.  Zwischen  Comitium  und  Forum  lag 
die  RednerbĂĽhne,  Rostra,  so  daĂź  man  von  ihr  sowohl  nach 
jenem  als  nach  diesem  hin  sprechen  konnte.  Wenn  wir  nun 
hier,  wie  es  scheint  —  denn  der  Sachverhalt  ist  durch  spätere 
Veränderungen  verdunkelt  —  eine  doppelte  Tribüne  finden,  die 
eine  auf  das  Forum,  die  andere  auf  den  kleineren  Platz  geöffnet, 
so  dĂĽrfen  wir  wenigstens  fragen:  sollten  etwa  hier  die  suUani- 
schen  Kolonisten,  um  ihr  Forum  dem  der  Hauptstadt  möglichst 
ähnlich  zu  machen,  ein  Comitium  angelegt  haben?  Zwar  für 
Abstimmungen  nach  römischer  Sitte  war  dieser  Raum  zu  klein. 
Aber  auch  auf  dem  römischen  Comitium  wurde  längst  nicht 
mehr  abgestimmt:  nur  noch  die  bedeutungslosen  Curiatcomitien, 
bei  denen  jede  Kurie  durch  einen  Liktor  vertreten  war,  fanden 
hier  statt;  auĂźerdem  wurde  der  Platz  zu  Gerichtsverhandlungen 
benutzt.  Zu  solchen,  und  etwa  zu  irgend  welchen  den  Wahlakt 
einleitenden  Förmlichkeiten  könnte  auch  unser  Raum  gedient 
haben. 


Kapitel  XVII. 
Munizipalgebäude. 

Die  SĂĽdseite  des  Forums  wird  von  drei  offenbar  zusammen- 
gehörigen, einander  sehr  ähnlichen  Gebäuden  eingenommen. 
Eine  gemeinsame  Fassade  verbindet  sie:  die  Zwischenräume  sind 
nur  durch  niedrige  Türen  zugänglich.  Der  Saal  rechts  (Fig.  58,  3) 
liegt  an  der  Ecke,  die  beiden  anderen  so,  daĂź  die  Axe  des 
Forums  in  ihren  Zwischenraum  fällt.  Alle  drei  waren  nach  dem 
Erdbeben  des  Jahres  63  an  der  Stelle  älterer  gleichartiger  Gebäude 
aufgebaut  worden:  die  Mauern  des  Saales 
links  (i)  enthalten  beträchtliche  Reste 
des  alten  Baues,  in  dem  zur  rechten  (3) 
liegt  noch  der  alte  FuĂźboden,  Reste  des- 
selben auch  in  dem  mittleren  (2).  Die 
zweite  Säulenreihe  des  Forumsportikus 
war  schon  vor  dem  Neubau  zum  Teil 
beseitigt  und  an  ihrer  Stelle  waren  "V^or- 
richtungen  zur  Absperrung  des  Raumes 
vor  dem  linken  und  mittleren  Saal  an- 
gebracht worden,  wie  auf  dem  GrundriĂź  angedeutet  ist.  Zur 
Zeit  der  VerschĂĽttung  war  nur  der  Saal  links  ganz  fertig,  ein- 
schließlich der  Marmorbekleidung  seiner  Wände.  Die  beiden 
anderen  standen  nur  im  Rohbau  und  harrten  ihrer  AusschmĂĽckung 
innen  und  auĂźen. 

Ohne  Zweifel  dienten  diese  Räume  der  städtischen  Verwal- 
tung. Und  da  die  beiden  Säle  rechts  und  links  insofern  gleich- 
artig sind,  als  in  beiden  die  Apsis  den  Platz  fĂĽr  eine  aus  einer 
oder  wenigen  Personen  bestehenden  Behörde  bietet,  so  vermuten 
wir  in  ihnen  die  Amtsräume  der  Duumvirn  und  Adilcn,  in  dem 
mittleren  den  Sitzungssaal  des  Stadtrats,  die  Kurie. 

Der    mittlere    Raum    war    bei    weitem    der    vornehmste    und 


i. — - 


-j  •  • 


Fig.  58.  GrundriĂź  der  sogen, 
drei  Kurien,  i.  Amtsraum  der 
Duumvirn.  2.  Sitzungssaal  des 
Stadtrates.  3.  Amtsraum  der 
Ă„dilen. 


ii8 


Pompeji. 


prachtvollste,  schon  dadurch  ausgezeichnet,  daĂź  sein  FuĂźboden 
um  0,70  m  über  den  des  Portikus  erhöht  ist.  Charakteristisch 
ist  auch  der  Eingang :  auf  eine  kleine  Plattform  vor  der  TĂĽr  fĂĽhrt 
von  jeder  Seite  eine  kaum  fĂĽr  zwei  Personen  Platz  bietende  Rampe; 
also  ein  vornehmer,  aber  nicht  auf  starken  Verkehr  berechneter 
Eingang.  Im  Innern  war  eine  1,60  m  hohe  Aufmauerung  an 
den  Seitenwänden  offenbar  bestimmt,  eine  untere  und  weiter  eine 
obere  Säulenstellung  zu  tragen,  als  erweiterte  Wanddekoration 
und  Stütze  einer  flachen  Decke,  ähnlich  wie  im  Jupitertempel. 
Denken  wir  uns  dazu  die  Wände  mit  Marmor  bekleidet,  so 
ergibt  sich  ein  Prachtbau,    der  uns    von   der   Leistungsfähigkeit 


Fig.  59.     Ansicht  der  Südseite  des  Forums.  —  Im  Hintcrgruiuic  die  Munizipalgcbäude;  vor  ihnen 
die  Reste  des  Forumsportikus ;  vor  diesen  die  Basen  der  Statuen  der  Kaiserfamilie. 


der  Stadt,  auch  nach  dem  schweren  UnglĂĽck  des  Jahres  63,  eine 
hohe  Vorstellung  giebt.  Auf  der  RĂĽckseite  des  Raumes  in  einer 
nischenartigen  Erweiterung,  das  Ganze  beherrschend,  ein  tempel- 
artiger Einbau,  nur  im  Rohbau  fertig;  das  Fehlende  ergänzen 
wir  uns  leicht  nach  dem  Vorbilde  der  Laren-  und  Penatenkapelle 
mancher  Privathäuser.  Die  Hausgötter  aber,  die  Penaten  der 
Stadt,  sind  vor  allem  der  Kaiser  und  seine  Familie;  ohne  Zweifel 
sollten  hier,  den  kapitolinischen  Göttern  gegenüber,  Vespasian, 
Titus  und  Domitian  thronen  und  unter  ihrem  Schutze  der  Stadt- 
rat tagen. 

In  dem  Saale  rechts  vermuten  wir  den  Amtsraum  der  Adilen. 
An    der  Ecke   der  Portiken,    nahe   der  Basilika   gelegen,    ohne 


XVII.   Munizipalgcbäude.  I  i  g 

Vorrichtungen  zur  Absperrung  vor  dem  Eingänge,  war  er  besonders 
geeignet  für  eine  Behörde,  der  unter  anderem  die  Marktpolizei 
oblag.  Wir  mögen  uns  vorstellen,  daß  in  der  reichlich  4'''^  m 
breiten  Apsis  ein  Adil  saĂź,  oder  auch  beide,  daĂź  der  (wie  unser 
Plan  andeutet)  um  zwei  Stufen  niedrigere  vordere  Teil  des  Saales 
als  Warteraum  diente,  während  in  dem  mittleren  Teil  die  mit 
der  Behörde  Verhandelnden  Platz  fanden.  In  den  Wänden  und 
im  Hintergrunde  der  Apsis  waren  Nischen  fĂĽr  Statuen  von  Mit- 
gliedern der  kaiserlichen  Familie  und  sonstiger  um  die  Stadt 
verdienter  Personen. 

So  bliebe  denn  der  Saal  zur  Linken  als  Amtsraum  der  Duum- 
virn.  Da  diese  nicht  nur  Recht  sprachen,  sondern  auch  die  Finanz- 
verwaltung in  Händen  hatten,  so  begreifen  wir,  daß  man  nach 
dem  Erdbeben  diesen  Raum  schneller  als  die  anderen  herstellte. 
Den  Platz  der  Behörde  erkennen  wir  auch  hier  in  der  geräumigen 
Apsis;  die  Aufmauerung  an  ihrer  RĂĽckwand  wird  Statuen  ge- 
tragen haben.  Der  besonders  starke  Türverschluß  —  vor  den 
TĂĽrflĂĽgeln  noch  ein  mit  starken  Eisenriegeln  versehener  Ver- 
schluĂź und,  wie  es  scheint,  eine  GittertĂĽr  auf  der  Stufe  vor  der 
Schwelle  —  läßt  vermuten,  daß  sich  hier  auch  das  Archiv  der 
Duumvirn  befand.  Die  Seitentür  ermöglichte  nötigenfalls  auch 
auĂźer  den  Amtsstunden  einzutreten,  ohne  alle  diese  VerschlĂĽsse 
zu  öffnen. 


Kapitel  XVIII. 
Der  Tempel  der  Venus  Pompejana. 

Der  Tempel  der  Schutzgöttin  der  römischen  Kolonie  war  bis 
vor  kurzem  unbekannt.  Erst  im  Jahre  1898  begann  man  den 
groĂźen  Platz  hinter  dem  Tribunal  der  Basilika  auszugraben,  und 
jetzt,  da  die  Ausgrabung  beendigt  ist,  liegen  dort  die  Reste 
eines  großen  Tempels  und  der  ihn  umgebenden  Säulenhallen  zu 
Tage.  Säulen,  Gebälk  und  Wände  des  Tempels  sind  vollständig 
verschwunden,  erhalten  nur  der  nackte  Unterbau,  mit  Resten  des 
Fußbodens  und  der  Schwelle.  Von  den  Säulenhallen  des  Tempel- 
hofes nur  die  Fundamente,  und  diese  nur  auf  drei  Seiten:  im 
Süden,  gegen  die  Sarnoebene,  sind  sie  durch  die  Erdstöße  der 
SchluĂźkatastrophe  abgestĂĽrzt.  Dazu,  im  Hofe  zerstreut,  einige 
wenige  Marmorkapitelle,  Säulen  und  Gebälkstücke. 

So  dĂĽrftig  diese  Reste  sind,  sie  setzen  uns  doch  in  den  Stand, 
die  Geschichte  der  ganzen  Anlage  —  Tempel  und  Säulenhof  — 
durch  anderthalb  Jahrhunderte  zu  verfolgen  und  uns  von  dem 
Tempel,  namentlich  wie  er  vor  dem  Erdbeben  des  Jahres  63 
war,  eine  Vorstellung  zu  machen. 

In  samnitischer  Zeit  fiel  hier  der  StadthĂĽgel  ziemlich  steil  ab, 
und  es  waren  am  Abhänge  hinab  mehrstöckige  Häuser  gebaut, 
wie  ihrer  am  West-  und  SĂĽdrande  der  Stadt  nicht  wenige  erhalten 
sind  (s.  Kap.  XXXIII,  1 1 :  XLII,  3).  Reste  dieser  Häuser  sind 
noch  jetzt  kenntlich,  ja  es  sind  unter  der  Nordostecke  des  Tempel- 
hofes große  gewölbte  Räume  derselben  erhalten.  Als  dann  die 
römischen  Kolonisten  ihr  Gemeinwesen  gegründet  hatten,  war  es 
ohne  Zweifel  eine  ihrer  ersten  Unternehmungen,  der  Schutzgöttin 
der  Kolonie,  der  neuen  Stadtgöttin,  einen  ihrer  würdigen  Tempel 
zu  grĂĽnden.  Und  sie  gingen  ans  Werk  mit  groĂźen  Mitteln,  ohne 
Sparsamkeit. 


XVIII.   Der  Tempel  der  Venus  Pompejana.  I  2  i 

Man  baute  die  Tempel  der  schaumgeborenen  Göttin  mit  Vor- 
liebe am  Meeresstrande,  auf  Höhen,  die  auf  das  Meer  hinaus- 
blickten und  vom  Meere  aus  weit  sichtbar  waren:  so  der  Venus- 
tempel von  Ancona  auf  der  Höhe  von  San  Ciriaco,  der  Tempel 
der  Aphrodite  Euploia,  der  BeschĂĽtzerin  der  Seefahrer,  auf  der 
Höhe  von  Pizzofalcone  in  Neapel.  So  wählte  man  auch  in 
Pompeji  fĂĽr  den  Venustempel  die  dem  Meere  zugewandte,  den 
schmalen  KĂĽstenstrich  hoch  ĂĽberragende  SĂĽdwestecke  des  Stadt- 
hĂĽgels. Und  da  hier  kein  geeigneter  Bauplatz  war,  so  schuf  man 
ihn  künstlich:  zwischen  Stützmauern  —  z.  T.  mochte  man  die 
Mauern  der  hier  stehenden  Häuser  benutzen  —  füllte  man  Schutt 
und  Erde  auf  bis  zur  Höhe  des  Forums  und  der  Basilika.  Die 
Geschichte  der  auf  der  so  geschaffenen  Fläche  errichteten  Tempel- 
anlage erstreckt  sich  durch  anderthalb  Jahrhunderte. 

In  der  Mitte  des  Platzes  liegt  der  Tempel,  orientiert  nach 
SĂĽd -SĂĽdost.  Nur  der  Unterbau.  Aber  auch  an  diesem  unter- 
scheiden wir  deutlich  die  Reste  eines  im  Jahre  63  eingestĂĽrzten 
Tempels  und  die  Anfänge  des  Wiederaufbaues.  Er  sollte  ver- 
größert werden,  und  man  war  zur  Zeit  der  Verschüttung  eben 
beschäftigt,  den  Unterbau  zu  erweitern,  indem  man  rings  um  den 
alten  Kern  mächtige  Lavaquadern  legte.  Und  zwar  verfuhr  man 
hierbei  so,  daĂź  man  die  alte  Fronttreppe  beseitigte,  von  dem 
alten  Unterbau  rechts  und  links  je  etwa  1,50  m,  hinten  nur  wenig, 
etwa  0,10  m,  abhackte,  dann  die  Lavaquadern  in  einiger  Ent- 
fernung legte  und  endlich  den  Zwischenraum  mit  Mauerwerk 
ausfĂĽllte.  Diese  Arbeit  war  noch  lange  nicht  beendigt;  groĂźe, 
noch  unbearbeitete  Lavablöcke  liegen  in  der  Nähe.  Der  ver- 
größerte Unterbau  ist  27X  15  m  groß,  ohne  die  Treppe,  deren 
Bau  noch  nicht  begonnen  war ;  es  wäre  also  dies  nächst  dem 
31  m  langen  Jupitertempel  der  größte  Tempel  Pompejis  geworden. 
Die  erwähnten  Lavaquadern  liegen  nicht  nur  rings  um  den  alten 
Unterbau,  sondern  es  ist  auch  quer  durch  denselben  eine  Art 
Graben  gezogen  und  auch  dieser  mit  den  gleichen  Quadern  aus- 
gefĂĽllt. In  unserm  Plan  (Fig.  60)  sind  die  Quadern  schwarz, 
die  alten  Teile  schraffiert.  Offenbar  bezeichnet  das  so  gebildete 
doppelte  Rechteck  den  GrundriĂź  des  beabsichtigten  Tempels :  er 
sollte,  wie  auch  der  alte  Tempel  gewesen  war,  ein  Prostylos 
werden,   mit   tiefer  Vorhalle,   vielleicht  so,    daĂź,  wie  am  Jupiter- 


122 


Pompeji. 


tempel,  Vorhalle  und  Treppe  zusammen  die  Länge  der  Cella 
gehabt,  also  die  Schwelle  den  ganzen  Bau,  einschlieĂźlich  der 
Treppe,  halbiert  hätte.  Zur  Zeit  der  Verschüttung  stand  auf 
dem  Unterbau  eine  Holzhütte,  deren  Wände  auf  drei  Seiten  (mit 
Ausnahme  der  Eingangsseite)  durch  eine  von  auĂźen  an  sie  an- 
gemauerte, nur  60  cm  hohe  Mauer  gestĂĽtzt  wurden:  vermutlich 
ein  provisorischer  Kultraum,  um  den  Kult  der  Stadtgöttin  nicht 
zu   unterbrechen.     Man  fand  hier    einen  Teil    einer    marmornen 


r 


I-!  II  1  I  I  I  I   ij- 


ifo  ~m. 


Fig.  60.     GrundriĂź  der  Ruinen  des  Tempels  der  Venus  Pompejana. 


Venusstatuette  —  es  ist  der  Typus  der  in  das  Bad  steigenden, 
ihr  Gewand  auf  ein  Gefäß  ablegenden  Göttin  —  und  dabei  eine 
kleine  Marmorbasis  mit  einer  Vertiefung  in  der  Oberfläche,  in 
der  die  Statuette  gestanden  haben  kann.  Es  war  wohl  ein  Weih- 
geschenk, dargebracht  nach  dem  Jahre  63,  nicht  etwa  ein  pro- 
visorisches Kultbild.  Als  solches  wird  wohl  auf  dem  stehen  ge- 
bliebenen Postament  des  alten  Tempels  eine  Nachbildung  des 
uns  aus  den  Malereien  gut  bekannten  alten  Kultbildes  (S.  11,  Fig.  4) 
gestanden  haben. 


XVIII.   Der  Tempel  der  Venus  Pompejana. 


123 


Es  fehlt  nicht  ganz  an  Resten  des  im  Jahre  63  eingestĂĽrzten 
Tempels.  Vollkommen  kenntlich  ist  die  Anordnung  des  FuĂź- 
bodens: in  der  Mitte  ein  von  weiĂźen  Marmorstreifen  eingefaĂźtes 
Rechteck,  dessen  FĂĽllung  uns  unbekannt  ist:  rings  um  dieses  ein 
breiter  Streif  aus  kleinen  quadratischen  Platten  verschiedenfarbigen 
Marmors;  endlich  an  den  drei  Innenwänden  entlang  weißes  Mosaik. 
Auch  von  dem  aus  weiĂźen  Kalksteinplatten  bestehenden  FuĂź- 
boden der  Vorhalle  ist  gleich  vor  der  Cella  ein  Teil  erhalten. 
Und  in  der  LĂĽcke  zwischen  beiden  sehen 
wir  genau  die  Stelle  und  die  Form  der 
vorderen  Cellawand  mit  der  TĂĽr.  Auch 
die  RĂĽckwand  ist  kenntlich;  an  ihr  steht 
noch  das  Postament  des  Kultbildes,  freilich 
verstĂĽmmelt  und  seiner  Marmorbekleidung 
beraubt.  Die  Seitenwände  sind  durch 
das  oben  erwähnte  Abhacken  vom  Unter- 
bau verschwunden,  doch  kann  die  Breite 
der  Cella  aus  den  gut  kenntlichen  IVIotiven 
der  Vorderwand  berechnet  werden:  sie 
war  quadratisch ,  und  quadratisch  war 
auch  die  ihr  an  Größe  gleiche  Vorhalle. 
So  ergibt  sich  mit  ziemlicher  Sicherheit 
der  beistehende  GrundriĂź  (Fig.  61). 

Es  war  ein  Marmortempel.  Zwar  von 
Säulen  und  Gebälk  ist  am  Orte  selbst 
nichts  erhalten.  Aber  es  existieren,  jetzt 
in  der  als  Magazin  benutzten  groĂźen 
Markthalle  am  Forum  (oben  S.  88),  Reste 
von  Marmorsäulen,  deren  unterer  Durchmesser  etwa  80  cm  be- 
tragen mußte  und  von  einem  schrägen  Giebelgesims  entspre- 
chender Größe.  Und  da  nun  in  Pompeji  kein  anderer  Tempel 
so  große  Marmorsäulen  gehabt  haben  kann,  ihre  Größe  aber  zu 
diesem  Tempel  trefflich  paĂźt,  so  mĂĽssen  sie  schon  von  ihm 
herrĂĽhren.  Auch  wird  es  sich  uns  weiterhin  zeigen,  daĂź  man 
um  diesen  Tempel  marmorne  Säulenhallen  baute;  es  ist  undenkbar, 
daß  diese  etwa  einen  Tufftempel  einschlössen. 

Die  einst  den  Tempelhof  umgebenden  Säulenhallen  —  sie  sind, 
wie  schon  gesagt,  auf  drei  Seiten  kenntlich,  am  SĂĽdabhange  aber 


Fig.  61.     GnindriĂź  des  im 

I.ihre  63  eingestĂĽrzten  Tempels 

der  Venus  Pompejana. 


124  Pompeji. 

abgestürzt  —  lassen  deutlich  eine  ältere  und  eine  jüngere  Anlage 
unterscheiden.  Auf  unserem  Plan  sind  die  Mauern  des  älteren 
Tempelhofes  schraffiert,  Stylobat  und  Regenrinne  mit  punktierten 
Linien  angedeutet.  Er  war,  wie  der  Plan  zeigt,  schiefwinklig, 
indem  seine  östliche  und  mit  ihr  die  westliche  Umfassungsmauer 
sich  der  Richtung  der  Westmauer  der  Basilika  anschlössen:  zwi- 
schen dieser  und  dem  Tempelhof  ging  damals  eine  StraĂźe,  deren 
Pflaster  noch  z.  T.  erhalten  ist.  Der  Eingang  war  an  der  Nordost- 
ecke. Auf  der  Ostseite  zeigt  unser  Plan  noch  andere  Mauerreste 
zwischen  Umfassungsmauer  und  Säulenhalle;  hier  öffnete  sich  auf 
diese  letztere  eine  Reihe  von  Räumen,  zwei  in  fast  ganzer  Breite, 
vier  mit  je  einer  schmalen  Tür;  die  Schwellen  der  drei  nördlichsten 
TĂĽren,  aus  weiĂźem  Kalkstein,  liegen  noch  am  Platz.  Wozu 
diese  Räume  dienten,  wissen  wir  nicht.  Im  Norden  und  Westen 
war  nichts  ähnliches;  die  im  Westen  sichtbaren  Quermauern 
rühren  von  früher  hier  stehenden  Häusern  her  und  haben  mit 
dem  Tempelhofe  nichts  zu  tun. 

Von  dem  Stylobat  dieses  ältesten  Tempelhofes  ist  nur  das 
Fundament  aus  unregelmäßigen  Steinbrocken  [opus  incertum)  er- 
halten. Doch  liegt  auf  diesem  stellenweise  eine  Mörtelschicht, 
in  der  zur  Zeit  der  Ausgrabung  die  EindrĂĽcke  der  Platten 
kenntlich  waren,  die  einst  hier  lagen  und  die  Säulen  trugen. 
Sie  mĂĽssen  nicht  allzu  lange  vor  der  VerschĂĽttung  entfernt 
worden  sein,  sonst  wären  diese  Spuren  verschwunden,  wie  sie 
jetzt  nach  der  Ausgrabung  verschwunden  sind.  Dagegen  liegt 
die  Regenrinne  noch  an  ihrem  Platze ;  sie  ist  aus  Tuff  und  sehr 
abgenĂĽtzt,  z.  T.  so  sehr,  daĂź  man  sie  hatte  vertiefen  mĂĽssen.  In 
der  Mitte  der  Nordseite  fehlen  Stylobat  und  Rinne;  sie  haben 
hier  der  Vergrößerung  des  Tempels  Platz  machen  müssen.  Und 
in  der  Südhälfte  der  Westseite  mußten  sie  beseitigt  werden,  als 
man  die  Fundamente  des  jüngeren  Säulenhofes  legte. 

Der  von  diesen  ältesten  Säulenhallen  eingeschlossene  Hof 
hatte  einen  terrassierten  FuĂźboden;  ein  in  Pompeji  einziger  Fall. 
Auf  diesem  stand  sĂĽdlich  vor  dem  Tempel  ein  groĂźer  Altar  aus 
weißem  Kalkstein;  beträchtliche  Reste  liegen  noch  jetzt  am  Platze. 
Auf  der  Ostseite  steht,  dicht  an  der  Regenrinne,  das  Postament 
einer  Reiterstatue  aus  demselben  Material:  aber  man  hat  später 
ringsum    abgehackt,   um  es   mit   Marmor  zu    bekleiden.     Gleich 


XVin.    Der  Tempel  der  Venus  Pompejana.  I  2  < 

nördlich  von  diesem  das  Postament  eines  Standbildes  aus  Mauer- 
werk und  mit  Stuck  bekleidet;  zwischen  diesem  und  der  Regen- 
rinne eine  ganz  kleine  Marmorbasis.  Die  Regenrinne  ist,  wie 
gewöhnlich,  durch  kleine  viereckige  Abklärungsbassins  aus  dem- 
selben Material  unterbrochen.  AuĂźerdem  aber  sind  hier,  in  dem 
unbedeckten  Raum,  unmittelbar  an  der  Rinne,  größere  und  tiefere 
Bassins  aus  Mauerwerk  und  mit  Stuck  ausgekleidet:  sie  sollten 
wohl  Wasser  enthalten  zur  Reinigung  des  FuĂźbodens.  Endlich 
nahe  der  Südostecke  eine  länglich  viereckige  ausgemauerte  Grube: 
in  ihr  eine  nach  Norden  hinabfĂĽhrende  Treppe,  der  sich,  nach 
SĂĽden  umbiegend,  ein  absteigender,  in  seinem  weiteren  Verlauf 
zerstörter  Gang  anschließt.  Dieser  führte  zu  tiefer  liegenden 
Räumen  :  vermutlich  waren  dies  Teile  der  früher  hier  am  Abhänge 
hinab  gebauten  Häuser,  die  man  bei  der  Herrichtung  des  Tempel- 
plateaus bestehen  lieĂź  und  benutzte,  namentlich  wohl  als  Wohnung 
fĂĽr  den  KĂĽster  [aedituus]  und  sonstige  Tempelbedienstete.  Hier, 
in  dem  Gange,  fand  man  ein  kleines  bronzenes  Steuerruder: 
sicher  ein  Weihgeschenk  an  die  Venus  Pompejana,  zu  deren 
Attributen  das  Steuerruder  gehört,  ihr  dargebracht  von  einem, 
der  ihr  seine  Rettung  aus  Mecresnot  zu  verdanken  glaubte. 

Aus  den  anspruchslosen  Materialien  des  Altars,  der  Posta- 
mente und  Wasserbassins  dĂĽrfen  wir  schlieĂźen,  daĂź  auch  der 
Tempel  und  sein  Säulenhof  nicht  aus  Marmor  waren.  Denn  bei 
einem  so  großen  Marmorbau  wären  so  viele  Abfälle  vorhanden 
gewesen,  daß  man  alles  dies  und  noch  vielmehr  daraus  hätte 
machen  können:  und  sicher  hätte  man  es  getan.  Also  nicht  der 
im  Jahre  63  eingestürzte  Marmorbau  stand  in  diesem  ältesten 
Tempelhof,  sondern  ein  älterer  Tempel  aus  geringerem  Material, 
d.  h.  aus  Tuff,  umgeben  von  Säulenhallen  desselben  Materials. 
Und  in  der  Tat,  wenn  dieses  der  Tempel  der  Venus  Pompejana 
ist,  so  muĂźte  er  in  der  ersten  Zeit  der  Kolonie  gegrĂĽndet  sein: 
und  damals  dachte  niemand  an  Marmorbauten. 

Neben  dieser  älteren  Hofanlage  erkennen  wir  aber  noch 
deutlicher  eine  jĂĽngere.  Auf  unserem  Plan  sind  ihre  ]\Iauern 
schwarz,  die  Säulenfundamente  durch  volle  Linien  angedeutet. 
Wie  der  Plan  zeigt,  wurde  der  Hof  durch  diese  zweite  Anlage 
nach  allen  drei  uns  kenntlichen  Seiten  beträchtlich  v^crgröl.<crt. 
Nach  Norden  wurde  der  Gangsteig  der  Strada  della  Marina   zum 


120  Pompeji. 

Tempelhofe  gezogen;  die  neue  Ostmauer  rĂĽckte  so  nahe  an  die 
Basilika,  daĂź  hier  nur  ein  schmaler,  nicht  mehr  passierbarer 
Zwischenraum  blieb.  Im  Westen,  wo  die  bisherige  kĂĽnstliche 
Fläche  keinen  Raum  zur  Vergrößerung  bot,  wurden  die  neue 
Umfassungsmauer  und  das  nächste  ihr  parallele  Säulenfundament 
auf  zwei  in  viel  tieferem  Niveau  gegrĂĽndete  Mauern  gestellt;  der 
Zwischenraum  dieser  beiden  Mauern  enthält  in  eben  diesem 
tieferen  Niveau  einen  langen  gewölbten  Raum,  der,  im  Altertum 
vielleicht  als  Magazin  benutzt,  jetzt  das  kleine  Museum  von  Pom- 
peji enthält. 

Der  Grundriß  des  neuen  Säulenhofes  ist  klar  und  einfach. 
Er  war  rechtwinklig.  Der  Haupteingang  war  auch  jetzt  an  der 
Nordostecke,  ein  schmaler  Nebeneingang  weiter  sĂĽdlich  bei  der 
Südwestecke  der  Basilika.  Räume  wie  auf  der  Ostseite  des  alten 
Hofes  waren  nicht  vorhanden;  dafĂĽr  aber  hatten  die  Hallen  hier 
und  ebenso  auf  der  Westseite  doppelte  Breite  und  zwei  Reihen 
Säulen  hintereinander:  im  Norden  und  vermutlich  auch  im  Süden 
war  nur  eine  einfache  Säulenhalle. 

Dieser  jüngere  Säulenhof  war  zur  Zeit  der  Verschüttung  noch 
nicht  fertig:  die  Regenrinne  war  noch  nicht  gelegt,  auch  hatte 
man  die.  Reste  der  frĂĽheren  Anlage  noch  nicht  beseitigt.  Doch 
war  der  Bau  schon  weit  fortgeschritten.  Im  Hofe  zerstreut  Hegen 
Reste  eines  Portikus  aus  w^eißem  Marmor:  Säulen,  Architrave, 
Gesimsblöcke;  ihre  Arbeit  erscheint  so  frisch,  als  kämen  sie  eben 
aus  der  Werkstatt  des  Steinmetzen.  Sie  waren  schon  aufgestellt 
gewesen:  auf  den  Kapitellen  sieht  man  die  Spuren  des  Archi- 
travs,  in  den  Gebälkstücken  die  bleivergossenen  Eisenklammern, 
durch  die  sie  miteinander  verbunden  waren.  Aber  zur  Zeit  der 
Verschüttung  standen  sie  nicht  mehr;  denn  dann  hätte  man  viel 
mehr  finden  müssen ;  auch  lagen  die  im  Verhältnis  zur  Größe 
der  Anlage  geringfügigen  Reste  nicht  bei  ihren  Plätzen,  sondern 
gruppenweise  beisammen,  wie  man  sie  hingelegt  hatte.  Und 
ferner:  auch  auf  diesem  Stylobat  war  vielfach  die  Mörtelschicht 
mit  den  Eindrücken  der  die  Säulen  tragenden  Platten  erhalten; 
doch  waren  diese,  und  mit  ihnen  selbstverständlich  das  auf  ihnen 
stehende,  vor  der  VerschĂĽttung  wieder  entfernt  worden:  statt 
ihrer  lag  auf  dem  Mörtel  eine  Schicht  von  Lavasplittern,  Abfälle 
von  der  Bearbeitung  der  Lavaquadern,   durch   die  der  Unterbau 


XVIII.    Der  Tempel  der  \'enus  I'ompejana.  12  7 

des  Tempels  vergrößert  wurde.  Also  während  dieser  Vergrüßc- 
rungsarbeit  —  nach  63  —  waren  Platten  und  Portiken  nicht 
mehr  am  Platze. 

Damit  ist  wohl  die  Geschichte  dieses  zweiten  Tempelhofes 
klar.  Die  Zerstörung  und  Beseitigung  des  schon  weit  vor- 
geschrittenen Baues  kann  nur  durch  das  Erdbeben  des  Jahres  63 
veranlaĂźt  worden  sein.  Also  vor  63  n.  Chr.  begann  man  die 
alten  TufTportiken  durch  Marmorportiken  zu  ersetzen;  diese  waren 
noch  unvollendet,  als  sie  im  Jahre  63  zugleich  mit  dem  oben 
besprochenen  Marmortempel  einstĂĽrzten.  Marmortempel  und 
Marmorportiken  gehören  zusammen;  nach  dem  Bau  des  Tempels 
hatte  man  begonnen,  ihn  mit  entsprechenden  Säulenhallen  zu 
umgeben;  jener  war  vermutlich  fertig  geworden,  diese  erlagen 
unvollendet  dem  Erdbeben. 

So  ergeben  sich  uns  also  fĂĽr  die  Geschichte  dieses  Baues 
drei  Perioden: 

1.  Die  republikanische  Zeit,  seit  bald  nach  80  v.  Chr.  Tufif- 
tempel  und  schiefwinklige  Tuffportiken.  Von  Säulen  und  Gebälk 
dieser  letzteren  ist  nichts  erhalten:  inbetreff  des  Tempels  ist  es 
wahrscheinlich,  daß  der  ältere  Teil  des  Unterbaues  ( s.  oben  S.  121) 
aus  dieser  Zeit  stammt. 

2.  Kaiserzeit  bis  63  n.  Chr.  Marmortempel  und  unvollendete 
]\Iarmorportiken  in  dem  vergrößerten,  jetzt  rechtwinkligen  Tempcl- 
hof.  Ăśber  diese  Periode  sind  wir  am  besten  unterrichtet.  Vom 
Tempel  kennen  wir  den  GrundriĂź  (S.  123)  und  haben  den  FuĂź- 
boden der  Cella,  auch  einige,  wenngleich  geringe  Reste  von 
Säulen  und  Gebälk;  von  den  Säulenhallen  ist  genug  geblieben, 
um  sie  in  unserer  Vorstellung  wieder  aufzubauen.  Im  Norden 
und  SĂĽden  (vor  und  hinter  dem  Tempel  einfache,  im  Osten  und 
Westen  (neben  ihm)  doppelte  Portiken,  mit  zwei  Reihen  Säulen 
hintereinander.  Alle  diese  aber  zweistöckig:  eine  untere  und 
eine  kleinere  obere  Säulenstellung,  beide  korinthischer  Ordnung, 
aber  ohne  Zwischenboden,  ganz  wie  im  Gebäude  der  Eumachia 
und  in  der  Vorhalle  des  MaccUum  (S.  log).  Die  Gesamtzahl  der 
Säulen  kann  auf  296  berechnet  werden;  dazu  an  den  Umfassungs- 
wänden, den  Säulen  entsprechend,  zu  ebener  Erde  Pilaster,  im 
Oberstock  Halbsäulen.  Von  allen  diesen  Gliedern  sind  Reste 
erhalten:  und  vermutlich  sollten  zwischen  den  Pilastern  und  Halb- 


128  Pompeji. 

Säulen  die  Wände  mit  Marmor  bekleidet  werden.  Das  Ganze 
wäre  ein  Prachtbau  geworden,  dem  sich  in  Pompeji  nichts  auch 
nur  annähernd  an  die  Seite  stellen  kann. 

3.  Die  Zeit  nach  dem  Erdbeben  des  Jahres  63.  Der  ganze 
Prachtbau  ist  zusammengestĂĽrzt.  Man  beseitigte  die  TrĂĽmmer, 
nur  einige  besser  erhaltene  StĂĽcke  der  Portiken  blieben  am  Platz. 
Der  Wiederaufbau  des  Tempels  in  größerem  Maßstabe  wurde 
begonnen,  doch  war  im  Jahre  79  noch  nicht  einmal  der  Unter- 
bau fertig;  die  Portiken  wĂĽrde  man  wohl  erst  nach  Vollendung 
des  Tempels  in  Angriff  genommen  haben. 

DaĂź  dies  der  Tempel  der  Venus  Pompejana  war,  ist  ganz 
sicher.  Es  ist  ja  selbstverständlich,  daß  die  Stadtgöttin  einen 
hervorragenden  Tempel  in  der  Nähe  des  Forums  hatte;  schon 
deshalb  mĂĽĂźten  wir  ihn  hier  vermuten;  denn  alle  anderen  Tempel 
sind  sicher  benannt.  Dazu  der  Fund  der  Venusstatuette  (S.  122) 
und  des  Steuerruders,  endlich  die  dem  Meere  zugewandte  Lage: 
es  bleibt  wohl  kein  Zweifel.  Und  es  mag  zum  SchluĂź  noch  be- 
merkt werden,  daß  die  den  Tempel  umgebenden  hohen  Säulen- 
hallen doch  den  Blick  auf  das  Meer  nicht  sperrten:  die  diesem 
zugewandte  Westmauer  war  von  Fenstern  durchbrochen,  deren 
eines  in  dem  kleinen  erhaltenen  StĂĽck  an  der  Nordwestecke 
kenntlich  ist. 


Kapitel  XIX. 
Der  Tempel  der  Fortuna  Augusta. 

Vom  Forum  gelangen  wir  durch  den  Bogen  an  der  Nordost- 
ecke in  die  breiteste  StraĂźe  Pompejis;  man  nennt  sie  Strada  del 
Foro.  Wo  sie  in  die  Nolaner  StraĂźe  einmĂĽndet,  liegt  an  der 
Ecke,  mit  der  Front  nach  West,  der  Tempel  der  Fortuna  Augusta. 
Bis  zu  ihm  ist  der  Gangsteig  rechts  mit  einer  Säulenhalle  be- 
deckt. Vermutlich  sollte  hierdurch  die  StraĂźe  als  eine  Fort- 
setzung des  Forums  bezeichnet  werden,  und  legte  man  Wert 
darauf,  daĂź  der  Tempel  nun  doch  gewissermaĂźen  am  Forum  lag. 


l    t    S     456789    10 


Fig.  62.     Grundriß  des  Tempels  der  Fortuna  Augusta.  —  A  Altar.     B  Vorhalle.     C  Cella. 
D  Aedicula  für  das  Kultbild,     i — 4  Nischen  für  Statuen. 


AL  Tidliiis  M.  f.  d.  v.  i.  d.  tcr[tiuni)  quinq[ucnnalis)^  aiigitr^ 
tr[ibumis)  mil[itum)  a  pop{ulo),  aedem  Fortjmae  August[ae)  solo  et 
pcq[iinia)  sua^  —  > Marcus  TuUius,  Sohn  des  Marcus,  zum  dritten 
Mal  Duumvir,  Quinquennal,  Augur,  vom  Volke  gewählter  Kriegs- 
tribun, (baute)  den  Tempel  der  Fortuna  Augusta  auf  seinem 
Grunde  und  auf  seine  Kosten.«  So  steht  auf  dem  Architrav  der 
Kapelle  an  der  RĂĽckseite  der  Cella.  Der  ĂĽbliche  (^rt  fĂĽr  eine 
solche  Inschrift  wäre  das  Gebälk  der  Vorhalle.  Vermutlich  aber 
war  diese   nach  dem  Erdbeben  des  Jahres  63   noch   nicht  wieder 

Mau,  Pompeji.     2.  Autl.  n 


I30 


Pompeji. 


aufgebaut  worden.  Man  hatte  zunächst,  um  den  Kult  nicht  zu 
unterbrechen,  die  Cella  mit  der  Kapelle  hergestellt  und  auf  dieser 
einstweilen  auch  die  Inschrift  angebracht. 

Wir  geben  eine  Abbildung  des  Tempels  in  seinem  jetzigen 
Zustande  und  eine  Restauration,  die  nach  den  vorhandenen 
Resten  der  Säulen  und  des  Gebälkes  mit  fast  vollständiger  Sicher- 
heit gemacht  werden  konnte.  FĂĽr  die  kleine  Plattform  mit  dem 
Altar  in  der  Mitte  des  unteren  Teils  der  Treppe  hat  der  Jupiter- 


Fig.  63.     Ruine  des  Tempels  der  Fortuna  Augusta.     Photographie  Brogi. 


tempel  als  Vorbild  gedient.  Die  Wände  der  Cella  waren  mit 
Marmor  verkleidet.  In  der  Aedicula  stand  ohne  Zweifel  die  Statue 
der  hier  als  Schutzgöttin  des  Kaiserhauses  verehrten  Fortuna. 

Andere  Statuen  standen  in  den  vier  Nischen  der  Seitenwände: 
man  fand  ihrer  zwei:  eine  weibliche  Statue,  der  man  das  Gesicht 
abgesägt  hatte,  um  es  durch  ein  anderes  zu  ersetzen,  und  eine 
männliche;  nach  den  Ausgrabungsberichten  hatte  diese  letztere 
Ă„hnlichkeit  mit  Cicero;  doch  war  dies  Urteil  wohl  nur  durch  den 


XIX.    Der  Tempel  der  Fortuna  Augusta. 


131 


Namen  des  TempelgrĂĽnders  eingegeben.  Also  Privatleute,  nicht, 
wie  man  erwarten  möchte,  die  Kaiserfamilie;  vermutlich  wurden 
deren  Statuen  eben  damals  an  einer  anderen  Stelle  aufgestellt  und 
hielt  man  es  deshalb  fĂĽr  ĂĽberflĂĽssig,  sie  auch  hier  anzubringen. 
Die  Apsis  mit  der  Aedicula  an  der  RĂĽckseite  war  nicht  von 
Anfang  an  vorhanden,  sondern  ist  ein  nachträglicher  Zusatz.  Sie 
steht  auch  nicht  auf  dem  Erdboden,  sondern  in  eigentĂĽmlicher 
Weise  auf  zwei  zwischen  den  Unterbau  des  Tempels  und  das 
Nachbarhaus  eingespannten  und  durch  Holzbalken  verbundenen 
Bögen.      Keinenfalls   ist  hier  an   den   Wiederaufbau    nach    dem 


Fig.  64.    Tempel  der  Fortuna  Augusta,  «iederhergestellt. 


Erdbeben  des  Jahres  63  zu  denken.  Die  Zutat  ist  älter  und 
beruht  vermutlich  auf  einer  Änderung  des  Planes  während  des 
ursprĂĽnglichen  Baues. 

Der  Erbauer  reservierte  sein  Eigentumsrecht  auf  den  schmalen 
unbebauten  Streifen  rechts  vom  Tempel  durch  einen  Lavastein 
mit  der  Inschrift:  I\f.  Tullii  M.  f.  area  frivata,  Privatbesitz  des 
M.  Tullius.» 

Den  Kult  der  Fortuna  Augusta,  der  Glücksgöttin  als  Be- 
schĂĽtzerin des  Kaisers,  besorgte  ein  aus  vier  Sklaven  und  I^Vei- 
gelassenen  bestehendes  Kollegium,  die  iniuistri  lortunac  Augustac. 


132 


Pompeji. 


FĂĽnf  Inschriften  geben  von  demselben  Kunde:  zwei  wurden  im 
Tempel,  die  anderen  zerstreut,  nicht  an  ihrem  Platz,  gefunden. 
Sie  beziehen   sich  auf  die  alljährliche  Aufstellung  einer  kleinen 


Fig.  65.     Querschnitt  des  Tempels  der  Fortuna  Augusta,  wiederhergestellt. 


Statue  [sigjium].  Eine  aus  dem  Jahre  3  n.  Chr.  nennt  die  inmistri 
primi  Fortimae  Aiigiistae :  damals  also  ist  das  Kollegium  gestiftet, 
vermutlich  kurz  vorher  der  Tempel  erbaut  worden. 


Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.     Plan  UI. 


zu  S.  133. 


S     10         20         30         ^0        so 


A.  Vorhalle  des  Forum  trianguläre. 

B.  Forum  trianguläre. 

1.  Portiken. 

2.  Unbedeckte  Wandelbahn. 

3.  Dorischer  Tempel. 

4.  Halbrunde  Bank  (schola)  mit  Sonnen- 

uhr. 

5.  Grab? 

6.  Altlire. 

7.  l'runnenhaus. 

8.  Basis  der  Statue  des  Marcellus. 
t".    Halaestra  (Turnplatz). 

D.   Wasserbehälter. 


K.    ('â– rolies  Theater. 

1.  Anklciderauni. 

2.  BĂĽhne. 

3.  Ăśrchestra. 

4.  Ima  Cavea  (Plätze  des  Stadtrates). 

5.  Media  Cavea. 

6.  Summa  Cavea  und  Krvpta  (bedeckter 

Ganj;). 

7.  Tribunalien. 

F.     Kleineres  (bedecktes)  Theater. 

(â– .    Gladiatorenkaserne. 

H.    Tempel  des  Zeus  MeiĂĽchios. 

I.  .  der   Isis. 

K.    Stadtmauer. 


Die  Theater  und  ihre  Umeebuno-. 


Kapitel  XX. 

Ăśbersicht  ĂĽber  die  Bauten  beim  Stabianer  Tor. 
Das  Forum  trianguläre  und  der  dorische  Tempel. 

Der  uralte  Lavastrom,  auf  dem  Pompeji  Hegt,  läuft  in  zwei 
Spitzen  aus;  der  Einsenkung  zwischen  denselben  entspricht  das 
Stabianer  Tor.  Auf  der  Höhe  westlich  dieser  Einsenkung,  am 
SĂĽdrande  der  Stadt,  lag  seit  alter  Zeit  ein  Tempel  dorischen 
Stils.  So  steil  und  hoch  war  hier  der  SĂĽdabhang  des  Stadt- 
hügels, daß  es  nicht  nötig  war,  ihn  noch  durch  eine  Mauer  zu 
überhöhen.  Auf  hohem  Unterbau,  nahe  dem  befestigten  Abhang 
und  ihm  seine  Seitenfront  zuwendend,  ĂĽberragte  der  Tempel 
weithin  sichtbar  die  Stadtflur,  und  auch  der  Schiffer  konnte  von 
weitem  schon  die  hier  thronenden  Götter  begrüßen. 

Schon  vor  dem  zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  wählte  man  als 
Bauplatz  fĂĽr  das  Theater  (E  auf  Plan  III)  die  Nordwestecke  der 
Einsenkung  am  Stabianer  Tor:  hier  konnte  der  größte  Teil  des 
halbtrichterförmigen  Zuschauerraumes  in  den  natürlichen  Abhang 
eingeschnitten  werden;  nur  fĂĽr  die  obersten  Sitzreihen  war  Hoch- 
bau nötig.  Solche  Wahl  des  Platzes  entsprach  griechischer  Sitte; 
aus  griechischer  Schule  waren,  wenn  sie  nicht  selbst  Griechen 
waren,  die  Architekten  des  Theaters  hervorgegangen. 

Diesem  schloß  sich  zwischen  dem  Bühnengebäude  und  der 
Stadtmauer  eine  große  vierseitige  Säulenhalle  (G)  an,  später  zur 
Gladiatorenkaserne  eingerichtet,  ursprĂĽnglich  aber  bestimmt,  den 
Theaterbesuchern  bei  plötzlich  eintretendem  Regen  Schutz  zu 
bieten. 

Zu  demselben  Zwecke  ward  auch  die  Oberfläche  der  Tempel- 
höhe (P^orum  trianguläre,  B)  eingefaßt  durch  zwei  nach  Norden 
konvergierende  dorische  Säulenhallen;  am  Nordende,  wo  sie  zu- 
sammentreffen, öffnete  sich  auf  die  Straße  eine  hohe  ionische 
Vorhalle  (A),   zugleich   der  monumentale  Eingang  zum    Theater. 


134  Pompeji. 

Die  dem  Abhang-  zugewandte  SĂĽdseite  blieb  frei.  So  erhielt  der 
Platz  die  annähernd  dreieckige  Gestalt,  wegen  der  man  ihn  »Forum 
trianguläre«  zu  nennen  pflegt. 

Für  den  Bau  des  Theaters  hatte  man  bis  an  die  nördlich 
vorbeifĂĽhrende  StraĂźe  expropriiert  und  demoliert,  so  daĂź  hier 
noch  Platz  verfĂĽgbar  blieb.  Eine  Summe,  die  ein  BĂĽrger  zu 
gemeinnĂĽtzigen  Zwecken  hinterlassen  hatte,  wurde  benutzt,  um 
hier  neben  dem  Eingange  des  Forum  trianguläre  eine  Palästra, 
einen  Platz  für  gymnastische  Übungen  zu  erbauen  (C).  Später, 
vielleicht  erst  in  römischer  Zeit,  entstand  weiter  östlich  der  Tempel 
der  Isis  (I). 

Gleichfalls  in  römischer  Zeit,  bald  nach  80  v.  Chr.,  baute 
man  östlich  von  dem  Bühnengebäude  des  großen  Theaters  und 
dem  Platze  hinter  demselben  das  kleine  bedeckte  Theater  (F), 
Nördlich  und  südlich  von  diesem  standen  bis  zuletzt  Privathäuser. 

An  der  Nordostecke  des  ganzen  Gebäudeviertels  lag  vielleicht 
schon  seit  frĂĽher  Zeit  der  kleine  Tempel  des  Zeus  Meilichios  (H), 
doch  wurde  er  ziemlich  gleichzeitig  mit  dem  Baue  des  kleinen 
Theaters  ganz  neu  aufgebaut. 

Die  schöne  hohe  ionische  Eingangshalle  des  Forum  triangu- 
läre, seit  kurzem  zum  Teil  wieder  aufgebaut,  zeigt  unsere  Ab- 
bildung (Fig.  66).  Die  Konsolen  in  der  RĂĽckwand  mochten  etwa 
Statuetten  oder  Gefäße  oder  Ahnliches  tragen.  Die  Rückwand 
ist  nach  dem  Erdbeben  des  Jahres  63  neu  aufgebaut  worden,  nicht 
ganz  in  ihrer  frĂĽheren  Gestalt.  Der  kleinere  Eingang  in  der 
Mitte,  jetzt  rechtwinklig,  ging  früher  schräg  durch  die  Mauer 
und  fĂĽhrte  gerade  auf  den  schmalen  Streifen  zu,  der  an  der  linken 
Säulenhalle  entlang  durch  eine  niedrige  Mauer  von  dem  Platze 
abgetrennt  ist:  offenbar  eine  Wandelbahn  fĂĽr  sonnige  Wintertage. 
Dieser  Eingang  war  nur  durch  eine  leichte,  an  den  holzverkleideten 
Pfosten  hängende  Gitterpforte  geschlossen.  Dagegen  hatte  der 
größere,  der  linken  Säulenhalle  entsprechende  eine  schwere  Flügel- 
tĂĽr mit  starken  Riegeln,  der  innen  noch  eine  zweite  TĂĽr  vorgelegt 
war:  scheinbar  sinnlos,  bei  so  geringer  Festigkeit  des  anderen 
Einganges.  Ohne  Zweifel  blieb  aber  diese  Tür  gewöhnlich  ge- 
schlossen; man  öffnete  sie  nur,  wenn  im  Theater  gespielt  wurde, 
wenn  der  spielgebende  Beamte  mit  seinem  Gefolge  in  festlichem 


XX.    Das  Forum  trianguläre  und  der  dorische  Tempel. 


135 


Zuge  vom  Forum  aus  durch  diesen  Eingang  ins  Theater  zog. 
Welchen  Weg  er  dann  weiter  einschlug,  werden  wir  weiterhin 
sehen. 

Die  Säulenhallen  mit  ihren  95  Säulen  dorischer  Ordnung, 
waren  einstöckig  und  deshalb  schlanker  geformt  als  am  Forum. 
Ihr  Gebälk  weicht  von  der  dorischen  Regel  nur  durch  das  in  zwei 
Streifen  geteilte  Epistyl  ab.  Sie  auch  an  der  dritten  Seite  ent- 
lang zu  führen  war  nicht  möglich:  hier  stand  der  Tempel  zu 
nahe  am  Abhang.    So  blieb  die  herrliche  Aussicht  auf  die  Ebene, 


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Fig.  66.     Vorhalle  des  Forum  trianguläre. 


die  gegenĂĽberliegenden  Berge,  das  Meer  und  die  KĂĽste  von  Sorrent 
frei;  zum  GenuĂź  derselben  erbauten  an  der  Westeckc  des  Tempels 
in  früherer  Kaiserzeit  zwei  Duumvirn  —  dieselben,  welche  die 
Sonnenuhr  beim  Apollotempel  stifteten  —  eine  halbrunde  Bank, 
scJiola  (4  auf  Plan  III]  von  derselben  Form  wie  wir  sie  später 
als  Grabmonument  kennen  lernen  werden.  Auf  der  Lehne  stellten 
sie  auch  hier  eine  Sonnenuhr  auf  mit  der  Inschrift;  L.  Sepun'uis 
L.  f.  Saiidilianiis ,  M.  Hcrcnnius  A.  f.  lipidiainis  dito  vir  i  i.  d. 
scol[ain)  et  Jiorol[oghiin)  d.  s.  p.  f.  c.  [de  sua  picmiia  faciioiduiii 
ciiraruiit),   —  ;> Lucius    Scpunius    Sandilianus,    Solin    des    Lucius, 


136 


Pompeji. 


und  Marcus  Herennius  Epidianus,   Sohn  des  Aulus,    lieĂźen   Sitz 
und  Sonnenuhr  auf  ihre  Kosten  machen.« 

Am  Fuß  der  mittleren  Säule  der  kurzen  Nordhalle  stand  ein 
Marmorbecken,  das  erst  jetzt  (1900)  wieder  auf  den  schön  und 
kräftig  geformten  kannellierten  Fuß  gesetzt  worden  ist;  ein  die 
Säule  durchbohrendes  Leitungsrohr  ließ  einen  Wasserstrahl  hinein- 
fallen. Etwas  weiter  vorwärts,  bei  8,  eine  marmorbekleidete 
Statuenbasis  mit  der  Inschrift:  M.  Claudio  C.  f.  Marcello patrono. 


Fig.  67.     Ansicht   des  Forum  trianguläre,    gegen    den  Vesuv.  —  Links    die  Reste   des   dorischen 
Tempels,  der  Altäre  und  des  Brunnenhauses  vor   demselben;   rechts   die  Außenseite  des  großen 

Theaters. 


Eine  Statue  des  frĂĽh  verstorbenen  Neffen  des  Augustus  fanden 
wir  schon  in  der  Kaiserkapelle  des  Macellums:  daĂź  ihm  die 
Pompejaner  deren  mehrere  errichteten,  erklärt  sich  eben  da- 
raus, daĂź  er,  wie  wir  aus  dieser  Inschrift  lernen,  Patron  der 
Kolonie  war. 

Die  Fläche  des  Forum  trianguläre  liegt  beträchtlich  höher  als 
die  Oberfläche  der  Stadtmauer  (K)  südlich  der  Gladiatorenkaserne. 
Es  ist  wahrscheinlich,  daß  eine  Treppe  aus  der  östlichen  Säulen- 
halle auf  die  schmale  Terrasse  zwischen  dieser  und  der  Kaserne 
und  von  der  Terrasse  auf  die  Stadtmauer  hinabfĂĽhrte,  wie  die 
Restauration  von  C.  Weichardt  fTaf  IIP  zei?t. 


Mau^  Pompeji.    2.  Aufl.     Taf.  III. 


zu  S.  136. 


Siidccke  des  I-\irum  trian<jularc. 
wiederhergfstellt  von  C.  Weich  ardt. 


XX.    Das   Forum  trianguläre  und  der  dorische  Tempel. 


13: 


i 


a 


© 


Von  dem  dorischen  Tempel  sind  nur  dĂĽrftige  Reste  erhalten: 
der  stufenförmige  Unterbau  mit  der  Treppe  auf  der  Vorderseite, 
zwei  Säulenstümpfe  und  Spuren  eines  dritten,  vier  Kapitelle, 
Teile  der  rechten  Mauer  der  Cella.  Doch  sind  die  Fundamente 
der  Cella,  wie  sie  unser  Plan  angibt, 
durch  Nachgrabungen  erforscht  worden. 
Die  Säulenzahl,  elf  an  den  Seiten, 
sieben,  wie  am  Zeustempel  von  Agri- 
gent,  in  der  Front,  ergibt  sich  aus 
der  Distanz  der  erhaltenen  StĂĽmpfe; 
in  der  Front  entsprachen  ihrer  zwei 
den  Ecken  der  Cella  und  den  Rändern 
der  Treppe.  Man  brauchte  nur  einen 
kleinen  Innenraum,  legte  aber  Wert  auf 
stattlichen  Anblick  von   auĂźen;   daher 

die  weite  Entfernung  der  Säulen  von  der  Cella.      Der  Umgang 
ist   so   breit,   daß  noch   eine  zweite,   innere  Säulenstellung  Platz 


J 


cST- 


Flg.  68.  GrundriĂź  des  dorischen 
Tempels.  —  i.  Säulenhalle.  2.  Vor- 
raum der  Cella.  3.  Innenraum. 
4.  Halbkreisförmige  Bank  mit 
Sonnenuhr.  5.  Grab?  6.  Altare. 
7.  Brunnenhaus. 


Fiij.  69.     Säulenreste  vom  dorischen  Tempel.     Photographie  Lindner. 


hätte.  Pseudodipteros  nennt  Vitruv  dies  Schema.  So  war  auch 
die  ungerade  Zahl  der  Frontsäulcn,  deren  eine  vor  der  Tür  stand, 
erträglicher. 

Die  Bauart  war  eine  gemischte,  teils  Stein,  teils  Holz.  Da.s 
Gebälk  war  sicher  aus  Stein-,  nur  so  erklärt  sich  das  aul.kr- 
ordentlich   enee   Intercolumnium.      Dagcoen   konnte    das   Gebälk 


138  Pompeji. 

mit  der  Cella  nur  durch  Holzbalken  verbunden  sein.  Das  Bau- 
material ist  grauer  Tuff;  nur  die  Kapitelle  waren  aus  dem  dauer- 
hafteren Sarnokalkstein.  Eine  StuckhĂĽlle,  wohl  sicher  zum  Teil 
bunt  bemalt,  verdeckte  den  geringen  Stein.  Mit  Stuck  verkleidet 
und  rot,  gelb  und  schwarz  bemalt  war  auch  der  aufragende  Trauf- 
rand des  Daches,  an  dem  Wasserspeier  in  Form  altertĂĽmlicher 
Löwenköpfe  mit  Rosetten  wechselten. 

Der  Tempel  wird,  wie  die  ältesten  Tempel  von  Selinunt,  in  das 
6.  Jahrh.  v.  Chr.  gesetzt.  Von  hohem  Alter  zeugen  die  massigen 
Verhältnisse  der  dicht  stehenden  Säulen  (Durchmesser  unten 
1,85  m,  oben  0,95  m)  und  die  weitausladende  geschweifte  Form 
des  Kapitells;  lehrreich  ist  der  Vergleich  mit  den  steil  profilierten 
Kapitellen  der  Säulenhallen. 


}^<m^ 


Fig.  70.     Der  dorische  Tempel,  wiederhergestellt. 


Die  Teilung  in  Vor-  und  Innenraum  zeigt  der  Plan.  In 
letzterem  liegt  im  Boden  eine  mächtige  quadratische  Tuffplatte, 
neben  der  Axe  des  Tempels,  so  daĂź  also  neben  ihr  eine  zweite 
(im  Plan  punktiert)  gelegen  haben  muĂź.  Vielleicht  war  dies  das 
Fundament  eines  vor  dem  Kultbilde  stehenden  steinernen  Tisches; 
vielleicht,  wenn  rückwärts  noch  zwei  solche  Platten  lagen,  also 
im  Ganzen  vier,  ein  Quadrat  bildend,  stand  auf  diesem  ein  groĂźes 
Sitzbild  der  hier  verehrten  Gottheit,  vielleicht  auch  die  Statuen 
mehrerer  Gottheiten.  Auf  der  länglichen  Basis  rechts  neben 
der  Cella  (s.  den  Plan)  stand  wahrscheinlich  ein  ĂĽberlebens- 
großer tönerner  Hirsch,  von  dem  geringe  F'ragmente  gefunden 
wurden. 

Ein  eigentĂĽmliches  Monument  liegt  gerade  vor  dem  Tempel, 
am  FuĂźe  der  Treppe  '^5);  welch  hohe  Bedeutung  man  ihm  bei- 
maĂź, zeigt  schon  die  Lage  an  der  Stelle,  wo  wir  den  Hauptaltar 


'  XX.    Das  Forum  trianguläre  und  der  dorische  Tempel.  j^q 

ZU  finden  erwarten.  Es  ist  eine,  wie  unser  Plan  zeigt,  durch  eine 
äußere  i,8o  m  und  eine  innere  nur  0,35  m  hohe  Mauer  ge- 
bildete Einfriedigung,  ihrer  Form  nach  kaum  etwas  anderes  als 
ein  Grab:  ein  ganz  ähnlich  angelegtes  werden  wir  weiterhin  ken- 
nen lernen  (Plan  V  rechts  2).  Auch  wird  berichtet,  daĂź  dort 
menschliche  Gebeine  gefunden  wurden.  Sicher  sind  nun  zwar 
diese  Mauern  ihrer  Bauart  nach  nicht  älter  als  die  Kaiserzeit; 
ebenso  sicher  aber  sind  sie  nur  eine  Erneuerung  eines  älteren 
Baues.  Denn  die  zweifellos  viel  älteren  Altäre  (6)  sind  doch  nur 
deshalb  seitwärts  gelegt  worden,  weil  der  ihnen  eigentlich  ge- 
bĂĽhrende Platz  schon  besetzt  war.  Also  ein  Grab  an  heiligster 
Stelle  vor  dem  Tempel,  der  gewiĂź  seiner  Zeit  der  Haupttempel 
der  Stadt  war.  Barg  es  etwa  den  oder  die  als  Heroen  verehrten 
GrĂĽnder  der  Stadt? 

Der  erwähnten  Altäre  sind  drei,  alle  aus  Tufifquadern ,  zwei 
auf  einer  gemeinsamen  Unterlage,  auch  aus  Tuffquadern,  der 
dritte  auf  der  bloßen  Erde;  dieser  also  wohl  späteren  Ursprunges. 
Die  Oberfläche  des  einen  jener  ersteren  ist  in  drei  Teile  geteilt. 

Nicht  weit  entfernt,  bei  7,  liegen  die  Reste  eines  kleinen 
Rundbaues  (Durchmesser  3,70  m):  ein  von  acht  dorischen  Säulen 
getragenes  rundes  Dach  bedeckte  die  MĂĽndung  eines  Brunnens; 
man  hatte  den  Lavafels  durchbohrt  und  Quellwasser  gefunden: 
die  heilige  Quelle,  aus  der  das  Wasser  zum  Reinigen  des  Tempels 
und  zu  Kultbräuchen  geschöpft  wurde.  Nach  einer  oskischen  In- 
schrift am  Architrav  war  dieser  Bau  von  dem  Stadtoberhaupt, 
Mcddix  tiiticus^  N.  Trebius  errichtet  worden. 

Eine  gemalte  oskische  Inschrift  auf  der  SĂĽdseite  der  Abbon- 
danzastraße  —  erst  1897  entdeckt,  bis  dahin  unter  einer  Stuck- 
schicht verborgen  —  ist  zwar  im  einzelnen  nicht  zweifellos 
erklärt,  sagt  aber  doch  ziemlich  deutlich:  »auf  diesem  Wege 
kommt  man  zu  dem  städtischen  Hause  und  zur  Minerva.«  Wo 
das  städtische  Haus  zu  suchen  ist,  wissen  wir  nicht;  sicher  aber 
weist  die  Inschrift  den  Weg  zu  einem  Tempel  der  Minerva.  Sic 
steht  gleich  östlich  der  Sackgasse,  die  jetzt  in  die  Insula  VII,  5 
hineinfĂĽhrt,  vermutlich  aber  frĂĽher  durch  sie  hindurchfĂĽhrte,  und 
bezieht  sich  ohne  Zweifel  auf  diese  Gasse.  Und  da  man  auf  diesem 
Wege  zu  keinem  anderen  Tempel  als  eben  zu  dem  dorischen 
gelangt,  so  mĂĽssen  wir  in  ihm  den  Tempel  der  Minerva  erkennen. 


140  Pompeji. 

Aber  freilich  beweisen  die  Altäre  —  drei,  darunter  ein  drei- 
teiliger —  daß  hier  mehrere  Gottheiten  ihren  Sitz  hatten,  darunter 
drei  zusammengehörige.  In  Betracht  kommt  ferner  der  tönerne 
Hirsch.  Der  Hirsch  war  mehreren  Göttern  heilig,  besonders  aber 
Apollo  und  Artemis.  Und  für  den  Rest  einer  Apollostatue  hält 
man,  wohl  mit  Recht,  einen  am  Abhänge  des  Hügels  gefundenen 
halblebensgroĂźen  Marmortorso.  Vielleicht  also  wurden  auĂźer 
Minerva  hier  Apollo,  Artemis  und  Leto  verehrt. 

Zur  Zeit  der  VerschĂĽttung  lag  der  Tempel  in  TrĂĽmmern; 
vielleicht  seit  dem  Erdbeben  des  Jahres  63,  vielleicht  schon  länger. 
Sicher  ist,  daĂź  in  den  TrĂĽmmern,  um  den  Kultus  nicht  zu  unter- 
brechen, ein  dĂĽrftiges  Heiligtum  errichtet  war,  kleiner  als  die 
alte  Cella,  nicht  ganz  in  der  Mitte  des  Unterbaues,  sondern 
mehr  rechts.  Als  Basis  des  Götterbildes  diente  eine  auf  die 
schon  erwähnte  quadratische  Steinplatte  gestellte  Säulentrommel 
des  alten  Baues. 


Kapitel  XXI. 
Das  groĂźe  Theater. 

Im  Jahre  364  v.  Chr.  sah  Rom  zum  ersten  Male  BĂĽhnenspiele; 
es  galt  bei  einer  schweren  Pest  die  Götter  durch  eine  Feier  neuer 
Art  zu  versöhnen.  Die  Schauspieler  verschrieb  man  aus  Etrurien; 
doch  beschränkte  sich  die  Darstellung  auf  Tanz  mit  Flöten- 
begleitung. Denn  ein  lateinisches  Drama  gab  es  nicht.  Ein 
wirkliches  Drama  brachte  zum  ersten  Male  im  Jahre  240  v.  Chr. 
ein  gefangener  Tarentiner,  Livius  Andronicus  zur  AuffĂĽhrung; 
ein  Campanier,  Naevius,  folgte  seit  235  seinen  Spuren.  Aber 
von  da  zum  Baue  eines  Theaters  war  es  noch  weit.  Auf  einem 
zeitweilig  errichteten  HolzgerĂĽste  agierten  die  Schauspieler;  auf 
dem  grĂĽnen  Rasen  eines  HĂĽgelabhanges  lagerten  oder  standen, 
wo  jeder  Platz  fand,  die  Zuschauer. 

Als  im  Jahre  154  der  Censor  Cassius  Longinus  auf  dem 
Palatin,  bei  dem  Tempel  der  phrygischen  Göttermutter,  an  deren 
Festen  Schauspiele  gegeben  wurden,  ein  Theater  zu  bauen  be- 
gann, erhob  sich  im  Senat  der  gewesene  Konsul  Scipio  Nasica 
und  warnte  in  eindringlicher  Rede,  der  fremdländischen  Lust- 
barkeit keinen  Vorschub  zu  leisten,  da  sie  die  männlichen  Sitten 
der  Heimat  verderbe.  Und  so  groĂź  war  die  Wirkung  seiner 
Worte,  daĂź  der  Senat  nicht  nur  beschloĂź  den  Bau  des  Longinus 
niederzureiĂźen  und  fĂĽr  die  Zukunft  nichts  der  Art  zu  gestatten, 
sondern  auch  die  mittlerweile  aufgekommene  Industrie  des  Sessel- 
vermietens  untersagte.  Diese  strenge  Denkungsart  hielt  nun 
freilich  nicht  lange  an.  Als  145  v.  Chr.  der  Zerstörer  Korinths, 
Mummius,  seinen  Triumph  auch  durch  BĂĽhnenspiele  feierte,  lieĂź 
er  hölzerne  Sitzstufen  für  die  Zuschauer  errichten.  Dabei  aber 
blieb  es  fĂĽr  lange  Zeit:  erst  Pompejus  erbaute  ein  steinernes 
Theater  und  eröffnete  es  55  v.  Chr. 


142  Pompeji. 

Bei  dem  gänzlichen  Untergange  der  oskischen  Kultur  ist 
keine  Kunde  von  der  Geschichte  des  einheimischen  Dramas  ĂĽbrig 
geblieben.  Wohl  wissen  wir  von  einer  gewiĂź  sehr  alten  Volks- 
komödie, in  der,  ähnlich  wie  in  der  italienischen  Commedia 
deir  arte,  stehende  Masken  auftraten:  Maccus  der  SpaĂźmacher, 
Bucco  der  Tölpel,  Pappus  der  geprellte  Alte,  Dossennus  der 
Charlatan.  Atellana  nannte  man  sie;  denn  ihr  fingierter  Schau- 
platz war  Atella,  das  campanische  Schildburg.  Aber  fĂĽr  diese 
improvisierte  Volksposse  ist  das  groĂźe  Theater  Pompejis  gewiĂź 
nicht  gebaut  worden.  Es  beweist  uns,  daĂź  schon  vor  dem 
zweiten  Jahrh.  v.  Chr.  —  denn  so  alt  sind  seine  ältesten  Teile  — 
wirkliche  dramatische  Kunst  in  Pompeji  gepflegt  wurde.  Ver- 
mutlich, wie  in  Athen,  im  AnschluĂź  an  den  Kult  des  Dionysos: 
denn  der  Kopf  eines  Satyrn,  eines  Begleiters  des  Gottes,  aus 
Tuff  gehauen  und  einst  mit  Stuck  bekleidet,  bildet  noch  heute 
den  Schlußstein  des  westlichen  gewölbten  Zuganges  zur  Orchestra. 
Wenn  also  Pompeji  vielleicht  hundert  Jahre  frĂĽher  als  Rom  ein 
groĂźes  Theater  erbaute,  so  muĂź  wohl,  wie  griechische  Kunst, 
so  auch  griechische  und  der  griechischen  nachgeahmte  Poesie 
frĂĽher  und  in  breiterem  Strome  als  in  Rom  hier  Eingang  ge- 
funden, müssen  die  Werke  oskischer  Dichter  —  keine  Zeile  der- 
selben ist  auf  uns  gekommen  —  hier  die  Herzen  der  Pompejaner 
bewegt  haben,  bevor  in  Rom  Livius  Andronicus  und  Naevius  — 
der  wohl  sicher  aus  seiner  campanischen  Heimat  Anregungen 
mitbrachte  —  ihre  Dramen  aufführten. 

Wir  betrachten  nun  nacheinander  die  drei  Hauptteile  des 
Theaters:  den  halbtrichterförmigen  Zuschauerraum,  cavca ^  mit 
den  Sitzstufen,  die  Orchestra,  den  von  der  Cavea  eingeschlosse- 
nen Halbkreis  mit  jederseits  einem  Zugang,  parodos^  und  die 
scena,  das  ihnen  quer  vorliegende  Bühnengebäude.  Wir  geben 
in  Fig.  71  den  GrundriĂź,  in  Fig.  72  die  Innenansicht;  die  AuĂźen- 
ansicht zeigt  Fig.  67. 

Die  Cavea  faĂźte  etwa  5000  Personen.  Ihr  unterer  Teil  bis 
an  den  bedeckten  Korridor  [crypta.,  4)  lehnt  sich  an  den  Abhang; 
der  Korridor  selbst  liegt  im  Niveau  des  Forum  trianguläre.  Die 
Sitzstufen  zerfallen  in  drei  Ränge. 

Der  unterste  Rang,  iina  cavea  (4),  enthält  vier  breite  und 
niedrige  Stufen,    auf  denen,    sowie   auch   in   der  Orchestra,    die 


XXI.   Das  groĂźe  Theater. 


143 


Mitglieder  des  Stadtrates,  Dekurionen,  ihre  Sessel  [biselliuvi^ 
Sessel  doppelter  Breite)  aufstellten. 

Der  mittlere  Rang,  media  cavea^  bis  an  die  Krypta,  hatte 
zwanzig  Marmorstufen  einfach  rechtwinkligen  Profils,  von  denen 
nur  ein  kleiner  Teil  erhalten  ist.  Nur  auf  einer  dieser  Stufen, 
und  wohl  nur  auf  einem  Teile  derselben,  waren  die  einzelnen 
Plätze,  0,39  cm  breit,  durch  in  die  Vorderfläche  eingehauene 
Linien  abgeteilt  und  numeriert;  vermutlich  war  dieser  Platz  irgend 
einer  Korporation  zugewiesen,  die 
es  nötig  gefunden  hatte,  die  Be- 
nutzung desselben  durch  die  ein- 
zelnen Mitglieder  auf  diese  Weise 
zu  regeln.  Ebenso  ist  es  im  Amphi- 
theater, nur  ohne  Numerierung. 
Auffallend  ist  die  geringe  Breite, 
hier  wie  dort ;  sie  erklärt  sich  wohl 
nur,  wenn  es  Knaben  waren,  die 
hier  ihre  Plätze  hatten.  In  Rom 
waren  die  14  untersten  Stufen  den 
Rittern  vorbehalten.  Ob  auch  fĂĽr 
die  Munizipien  und  Kolonien  ähn- 
liche Bestimmungen  galten,  ist  un- 
bekannt, jedenfalls  aber  muĂźte  die 

Zahl  der  reservierten  Stufen  hier  eine  geringere  sein.  Der  oberste 
Rang,  siininia  cavea^  getragen  von  dem  Gewölbe  des  Korridors  (6), 
hatte  höchstens  vier  Stufen. 

Zugänglich  war  der  unterste  Rang  von  der  Orchestra  aus,  der 
mittlere  unten  von  dem  Umgange  [diazoma^  praecinctio)  zwischen 
den  beiden  untersten  Rängen,  auf  den  man  jederseits  aus  der 
Parodos  ĂĽber  eine  kleine  Treppe  gelangte,  oben  aus  der  Krypta 
durch  sechs  TĂĽren,  denen  entsprechend  sechs  Treppen  diesen 
Rang  durchschneiden  und  in  fĂĽnf  Keile,  cunei^  teilen,  neben  denen 
jederseits  noch  ein  schmales  rechtwinkliges  StĂĽck  ĂĽbrig  bleibt. 
Die  Krypta  selbst  ist  zugänglich  durch  vier  Türen,  eine  vom 
Forum  trianguläre,  die  zweite  in  dem  Winkel  zwischen  diesem 
und  der  Theaterrundung,  die  dritte  am  Ende  einer  Sackgasse 
östlich  vom  Isistempel,  die  vierte,  am  Ostflügel,  durch  einen 
schmalen  von  der  Stabianer  StraĂźe  aufsteigenden  Gang. 


Fig.  71.  GrundriĂź  des  groĂźen  Theaters. 
I.  Ankleideraum.  2.  BĂĽhne.  3.  Orchestra. 
4.  Ima  cavea.  5.  Media  cavea.  6.  Summa 
cavea.     7.  Tribunalia.    8.  Wasserbehälter. 


1 44  Pompeji. 

Der  oberste  Rang  endlich  hatte  seine  Zugänge  von  einem 
ihn  auf  der  AuĂźenseite  umkreisenden ,  von  Bogen  getragenen 
Gange,  der  aber  nicht  den  ganzen  Halbkreis  umfaĂźte:  er  endete 
da  wo  die  Rundung  an  das  Forum  trianguläre  stößt.  Hier,  im 
Winkel,  fĂĽhrte  eine  Treppe  auf  ihn;  eine  zweite  an  der  RĂĽck- 
seite der  Palästra  (beide  auf  dem  Grundriß  Fig.  71),  eine  dritte  an 
der  Sackgasse  östlich  vom  Isistempel.  Vom  Forum  trianguläre, 
wo  der  Umgang  fehlt,  fĂĽhrte  in  der  dicken  Umfassungsmauer 
eine  schmale  Treppe  direkt  auf  den  obersten  Rang. 

Die  Umfassungsmauer  des  Zuschauerraumes  erhob  sich  noch 
beträchtlich  über  die  obersten  Sitzreihen.  An  ihrer  Innenseite 
standen,  von  Steinringen  (s.  Fig.  72)  gehalten,  starke  Holzpfähle; 
an  ihnen  und  am  Dache  der  BĂĽhne  war  das  Segel,  veliim^  be- 
festigt, welches  die  Zuschauer  gegen  den  Sonnenbrand  schĂĽtzte, 
eine  campanische  Erfindung  und  in  diesem  Falle,  wo  sich  das 
Halbrund  gegen  Süden  öffnete,  besonders  notwendig.  Das  Colos- 
seum  und  das  gut  erhaltene  Theater  von  Orange  haben  diese 
Vorrichtungen  an  der  AuĂźenseite  der  Mauer.  An  unserem 
Theater  ist  der  ganze  obere  Teil  modern  aufgebaut,  und  man 
könnte  zweifeln,  ob  die  Steinringe  und  das  oberste  Tuffgesims 
der  Mauer  mit  ihnen  entsprechenden  Einschnitten  antik  sind. 
Die  Gesimsblöcke  sind  aber  sicher  antik,  und  ihre  etwas  keil- 
förmige Gestalt  bestätigt  auch  die  Lage  an  der  Innenseite. 

Neben  der  Orchestra  ist  rechts  und  links  ĂĽber  dem  Seiten- 
eingange je  eine  kleine  viereckige  Plattform  angebracht,  zugäng- 
lich durch  eine  Treppe,  die  sich  von  der  Parodos  an  der  der 
BĂĽhne  zugewandten  Seite  abzweigt.  Von  diesen  Plattformen, 
Tribunalien  genannt,  war  die  eine  der  Platz  des  spielgebenden 
Beamten.  Die  andere  wies  in  Rom  Augustus  den  Vestalinnen 
an;  die  Vermutung  liegt  nahe,  daĂź  in  Pompeji  hier  die  Stadt- 
priesterinnen  ihren  Sitz  hatten. 

Die  Orchestra  hat  die  Form  eines  Halbkreises,  dessen  Peri- 
pherie in  der  Richtung  der  Tangente  so  weit  verlängert  ist,  daß 
in  den  so  entstehenden  Raum  der  volle  Kreis  eingeschrieben 
werden  könnte.  Schwerlich  sind  jemals,  wie  im  griechischen 
Theater,  Chöre  in  ihr  aufgetreten;  sie  wurde  benutzt  um  die 
Sessel  der  vornehmsten  Zuschauer,  also  namentlich  der  Rats- 
herren   aufzustellen.     Zugänglich    ist    sie    auf  jeder  Seite    durch 


XXI.   Das  groĂźe  Theater. 


145 


gewölbte  Gänge  unter  den  Tribunalien.  Die  beiden  kleinen 
Treppen,  die  aus  der  Orchestra  auf  die  nur  etwa  i  m  hohe 
Bühne  führen,  lassen  kaum  eine  andere  Erklärung  zu,  als  daß 
noch  in  römischer  Zeit  (denn  aus  dieser  stammen  die  Treppen) 
Schauspieler,  welche  aus  größerer  Ferne  kommende  Personen 
darstellten,  durch  die  Orchestra  auf  die  BĂĽhne  gelangten.  Vor 
der  BĂĽhne,  den  Zuschauern  zugewandt,  saĂźen  die  mit  der 
Theaterpolizei  betrauten  Beamten,  wie  sie  uns  ein  pompejanisches 


Fig.  72.     Innenansicht  des  groĂźen  Theaters.     Photographie  Brogi. 


Bild   zeigt:   entweder  zwei  in   den  beiden   rechteckigen   Nischen 
oder  einer  in  der  halbrunden  Nische  in  der  Mitte. 

Die  BĂĽhne  (2),  lang  und  schmal  (33X6,60  m,  120X24 
osk.  FuĂź),  erhebt  sich  nur  um  etwa  i  m  ĂĽber  die  Orchestra. 
Die  Rückwand  stellte,  wie  gewöhnlich,  eine  Palastfassade  dar, 
reich  gegliedert  durch  vortretende  Säulen  und  Nischen  für  Sta- 
tuen, mit  den  üblichen  drei  Türen.  Die  schmalen  Seitenwände 
sind  je  von  einer  groLkn,  fast  ihre  ganze  Breite  einnehmenden 
TĂĽr  durchbrochen.  Der  fĂĽr  die  Toilette  der  Schauspieler  be- 
stimmte  Raum    hinter    der    BĂĽhne,   postscaeninni    (i),    hatte    in 

Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.  lO 


1 46  Pompeji. 

seiner  Rückwand  eine  über  eine  Rampe  zugängliche  Tür.  Von 
dem  Dach  der  BĂĽhne  fehlt  jede  Spur;  besser  erhaltene  Theater, 
in  Orange,  in  Aspendos  in  Kleinasien,  lehren  uns,  daĂź  es  gegen 
die  RĂĽckwand  geneigt  war.  Der  FuĂźboden  war  von  Holz.  Der 
Hohlraum  unter  demselben  zerfällt  in  mehrere  Abteilungen. 
Von  diesen  war  die  vorderste,  zwischen  der  Vordermauer  und 
der  ihr  parallelen  niedrigen  Mauer  (sichtbar  Fig.  72),  zur  Aufnahme 
des  Vorhanges  bestimmt,  der  im  römischen  Theater  (von  dem 
des  griechischen  wissen  wir  nichts)  bei  Beginn  der  Vorstellung 
niedergelassen,  am  SchluĂź  aufgezogen  wurde.  Es  ist  klar,  daĂź 
während  des  Spieles  dieser  Raum  bedeckt  sein  mußte,  sonst 
hätte  man  nicht  über  die  beiden  kleinen  Treppen  aus  der  Or- 
chestra  auf  die  Bühne  steigen  können. 

Unter  dem  Raum  für  den  Vorhang  läuft  ein  Gang-,  zueängr- 
lieh  durch  eine  Treppe  am  Westende,  dessen  Wölbung  durch- 
brochen wird  von  zwei  Reihen  quadratischer  (36 — 37  cm),  mit 
Lavasteinen  eingefaßter  Löcher,  in  denen  offenbar  Balken  standen. 
Erst  vor  wenigen  Jahren  ist  dieser  Gang  ganz  ausgeräumt  worden. 
In  seinem  Fußboden,  unter  den  Löchern  in  der  Wölbung,  sind 
viereckige,  ausgemauerte  Vertiefungen;  die  der  Orchestra  zu- 
nächstliegende Reihe  enthält  Reste  von  Holzbalken  und  von  dem 
viereckigen  Eisenbeschlag  derselben,  jedesmal  ein  größeres  und 
ein  kleineres  Eisenquadrat.  Mazois  vermutete,  daĂź  hier  hohle 
Balken  standen,  in  denen  sich  je  ein  kleinerer  Hohlbalken,  und 
in  diesem  ein  noch  dĂĽnnerer  oder  etwa  eine  Eisenstange  bewegte, 
und  daĂź  durch  das  Auseinanderschieben  und  Zusammenziehen 
dieser  Balken  die  Hebung  und  Senkung  des  Vorhanges  bewirkt 
wurde.  Offenbar  ist  obiger  Tatbestand  dieser  Vermutung  gĂĽnstig. 
Freilich  für  die  zweite  Reihe  von  Löchern  in  Wölbung  und  Boden 
ergibt  sich  auch  so  keine  befriedigende  Erklärung. 

Weiter  rückwärts  ist  der  Raum  unter  der  Bühne  in  der 
rechten  Hälfte  so  niedrig  (0,95  m),  daß  er  schwerlich  irgendwie 
benutzt  werden  konnte.  Der  linke  Teil  ist  beträchtlich  tiefer 
(1,80)  und  scheint  eine  Art  Maschinenraum  gewesen  zu  sein. 
Freilich,  was  hier  von  Maschinen  ĂĽbrig  geblieben  ist,  reizt  mehr 
die  Neugier  als  es  sie  befriedigt.  Wir  finden  da  im  Boden 
zwei  länglich  viereckige  Travertinblöcke,  die  in  ihrer  Oberfläche 
(1,20  x0,50  m)  je   ein    mindestens    7  cm   tiefes,   rundes,    eisen- 


XXI.   Das  groĂźe  Theater.  I^^ 

gefĂĽttertes  Loch  haben,  in  dem  auch  noch  der  Eisenbeschlag 
des  einst  in  ihm  sich  drehenden  Holzzapfens  erhalten  ist.  Es 
ist  klar,  daĂź  dieser  Zapfen  das  EndstĂĽck  einer  Welle  war,  deren 
anderes  Ende  in  eine  ähnliche  Pfanne  eingreifen  mußte.  Ein 
dritter  solcher  Stein  ist  nahe  dem  Ostende  des  Raumes  in  seine 
SĂĽdwand  eingelassen,  und  ihm  gegenĂĽber  in  der  Nordwand  sieht 
man  die  Spur  eines  vierten.  Endlich  standen  zwei  solche  Steine 
sich  gegenüber  in  den  Wänden  des  Vorhangraumes,  nahe  seinem 
Ostende;  auch  hier  ist  nur  der  in  der  Nordwand  erhalten.  Wahr- 
scheinlich sind  die  in  den  Südwänden  fehlenden  eben  die  beiden 
im  Boden  liegenden.  Hier  also  drehten  sich  zwei  wagerechte 
Wellen.  Der  Zweck  dieser  Windevorrichtungen  bleibt  dunkel. 
Die  des  Vorhangraumes  hatte  vielleicht  mit  dem  Vorhang  zu  tun ; 
für  die  andere  könnte  man  an  die  krahnartige  Maschine  denken, 
durch  die  schwebende  Gestalten  auf  die  BĂĽhne  gebracht  wurden, 
wie  die  Medea  des  Euripides  in  ihrem  Drachenwagen  oder  der 
Deus  ex  machina;  nach  Pollux  befand  sich  diese  Maschine  an 
der  linken  Seite  der  BĂĽhne. 

Die  Palastfassade  der  RĂĽckwand  war  bei  AuffĂĽhrungen  durch 
eine  gemalte  Dekoration  verdeckt.  Szenenwechsel  war  immer 
nötig,  da  ja  mehrere  Stücke  hinter  einander  gegeben  wurden. 
An  der  RĂĽckwand  wurde  er  so  bewirkt,  daĂź  durch  seitliches 
Fortziehen  (daher  scacna  ductilis  der  ersten  Dekoration  die  fol- 
gende zum  Vorschein  kam,  an  den  Schmalseiten  durch  Drehung 
der  Periakten,  dreiseitiger  Holzprismen,  auf  deren  Seiten  drei 
verschiedene  Dekorationen  angebracht  waren  [scaena  versiUs). 

Die  einzige  Erinnerung  an  Theaterspiele  in  Pompeji  bieten 
einige  Inschriften.  Im  Isistempel  werden  wir  die  BĂĽste  des  Schau- 
spielers C.  Norbanus  Sorex  finden.  Sehr  beliebt  war  der  uns  aus 
einer  Anzahl  Wandinschriften  bekannte  Actius  Anicetus,  Panto- 
mimenspieler und  Haupt  einer  Truppe.  Seinen  vollen  Namen, 
C.  Ummidius  Actius  Anicetus,  gibt  eine  Inschrift  von  Puteoli. 
Acti^  a[inor  populi^  cito  rcdi ^  —  »Actius,  Liebling  des  Volks, 
komm  bald  wieder*,  so  lautet  eine  der  Wandinschriften. 

Das  Theater  diente  im  Altertum  keineswegs  nur  fĂĽr  Schau- 
spiele, sondern  auch  für  öffentliche  Akte  der  verschiedensten  Art. 
Im  Theater  von  Tarent  fand  die  denkwĂĽrdige  Volksversammlung 
statt,  in  der  die  Gesandten  der  Römer  empfangen  und  der  Krieg 


1 48  Pompeji. 

mit  Rom  entschieden  wurde.  Im  Theater  von  Pergamon  sollte 
König  Mithradates  durch  eine  von  oben  herabgelassene  Sieges- 
göttin ein  Kranz  aufgesetzt  werden,  was  freilich  mißlang,  so  daß 
der  Kranz  mit  ĂĽbler  Vorbedeutung  auf  den  Boden  fiel.  Im  Theater 
versammelten  sich  auch  die  gegen  Paulus  aufgehetzten  Epheser. 
Bei  solchen  Gelegenheiten  blieb  die  BĂĽhne  ohne  Dekoration: 
Grund  genug,  auch  die  bei  dramatischen  Vorstellungen  nicht 
sichtbaren  Teile  kĂĽnstlerisch  auszubilden. 

Von  dem  ursprĂĽnglichen  Bau  des  Theaters  haben  wir  keine 
Kunde;  daĂź  es  schon  im  2.  Jahrh,  v.  Chr.  bestand  und  damals 
vergrößert  wurde,  wird  sich  uns  weiterhin  ergeben.  Wohl  aber 
berichtet  eine  Inschrift  von  einer  Erneuerung  des  Baues: 
M.  M.  Holconii  Rufus  et  Celer  cryptmn^  tribiinalia,  theatrum^  — 
»M.  Holconius  Rufus  und  M.  Holconius  Celer  (bauten)  die  Krypta 
(den  bedeckten  Gang),  die  Tribunalien  (über  den  Eingängen  der 
Orchestra)  und  den  Zuschauerraum.« 

Die  beiden  Holconier  lebten  zur  Zeit  des  Augustus;  der 
ältere,  Rufus,  war  3 — 2  v.  Chr.  zum  vierten  Mal  Duumvir;  viel- 
leicht fand  eben  damals  der  Bau  statt;  denn  bald  nachher,  noch 
vor  seiner  fĂĽnften  AmtsfĂĽhrung,  wurde  ihm,  wie  eine  andere  In- 
schrift lehrt,  im  Theater  selbst  eine  Statue  gesetzt;  dem  jĂĽngeren, 
Celer,  erst  später,  13  — 14  n.  Chr.,  als  er  eben  zum  Duumvir 
quinquennalis  gewählt  war.  Zu  der  Zeit  des  Augustus  paßt  auch 
die  Bauart  der  Krypta  und  namentlich  der  an  sie  angelehnten 
Bögen,  sowie  der  Tribunalien :  ziegeiförmige  Tuffsteine  und  Netz- 
werk. Ebenso  auch  die  Marmorstufen  des  Sitzraumes:  in  dem 
ursprĂĽnglichen  Bau  waren  sie  sicher  aus  Tuff.  Sicher  ist  ferner, 
daß  ungefähr  um  dieselbe  Zeit  auch  die  Rückwand  der  Bühne 
an  Stelle  einer  älteren,  viel  einfacheren  gebaut  ist;  freilich  nicht 
von  den  Holconiern,  da  sie  in  der  Inschrift  nicht  erwähnt 
wird. 

Es  ist  möglich,  daß  die  Tribunalien  erst  den  Holconiern  ihr 
Dasein  verdanken.  In  betreff  der  Krypta  aber  war  ihre  Tätig- 
keit nur  eine  Erneuerung  des  schon  frĂĽher  vorhandenen;  denn 
die  an  ihre  AuĂźenseite  angesetzten  Pfeiler  stehen  auf  Funda- 
menten, die  den  älteren  Teilen  des  Gebäudes  gleichartig  sind. 
Und  da  diese  Pfeiler  keinen  anderen  Zweck  haben  als  den  Um- 
gang  zu   tragen,   der   den  Zutritt  zu    den   auf  der  Wölbung  der 


XXI.   Das  groĂźe  Theater.  I^g 

Krypta  ruhenden  Sitzen  vermittelte,  so  muĂź  auch  die  Krypta 
schon  frĂĽher  vorhanden  gewesen  sein. 

Die  Statuen  der  beiden  Holconier,  deren  Inschriften  erhalten 
sind,  standen  vermutlich  in  Nischen  der  BĂĽhnenrĂĽckwand.  Dem 
älteren  derselben,  Rufus,  war  aber  noch  ein  anderes  Monument 
gesetzt  worden.  Die  unterste  Stufe  des  mittleren  Ranges  hat  in 
der  Mitte,  der  BĂĽhne  gegenĂĽber,  auf  einer  Strecke  von  1,50  m 
doppelte  Breite,  indem  hier  die  folgende  Stufe  unterbrochen  ist. 
Und  hier  stand  in  Erzbuchstaben  die  Inschrift:  M.  Holconio  M. 
f.  Rufo  IL  V.  i.  d.  gtänquies,  iter[uni)  quinq[uennali)  ^  trib[uno) 
7nil{itutn)  a  p{opulo),  flamini  Aug[usti)^  patr{onö)  colo[niae)  d[ecu- 
rionum)  d[ecreto)^  »dem  M.  Holconius  Rufus,  Sohn  des  Marcus, 
fĂĽnfmal  Duumvirn,  zum  zweiten  Mal  Quinquennal,  vom  Volk  ge- 
wähltem Kriegstribun,  Priester  des  Augustus,  Patron  der  Kolonie, 
auf  Ratsbeschluß.«  Dabei  war  ein  Gegenstand  aus  Bronze  auf- 
gestellt und  in  zwölf  Löchern  befestigt.  Bekannt  ist  die  Sitte, 
verdienten  Männern  zum  Andenken  nach  ihrem  Tode  einen  Sessel 
im  Theater  aufzustellen;  hier  wĂĽrden  wir  gern  an  das  Bisellium, 
den  breiten  Sitz  der  Ratsherren  denken;  freilich  aber  will  die  An- 
ordnung der  zwölf  Löcher  dazu  nicht  recht  passen. 

Dem  Architekten  der  Holconier,  einem  Freigelassenen,  wurde 
zwar  keine  Statue  errichtet,  doch  gestattete  man  ihm,  seinen 
Namen  auf  die  Nachwelt  zu  bringen  durch  eine  in  die  AuĂźen- 
wand des  Zuschauerraumes,  in  der  Nähe  der  östlichen  Parodos 
eingelassene  Inschrift:  M.  Artoriiis  M{arci)  l[ibertiis)  P7'hnus 
architectus. 

Der  Grundriß  unseres  Theaters  ist  griechisch,  nicht  römisch. 
Im  römischen  Theater  ist  die  Orchestra  halbkreisförmig,  so  daß 
die  Front  der  BĂĽhne  auf  dem  Kreisdurchmesser  liegt.  Im  griechi- 
schen soll  sie  nach  Vitruv  auf  der  Seite  eines  eingeschriebenen 
Quadrates  liegen;  die  Ruinen  zeigen,  daĂź  sie  meistens  entweder 
einen  vollen  Kreis  bildet,  oder  durch  Tangenten  so  weit  verlängert 
ist,  daĂź  ein  Kreis  in  sie  eingeschrieben  werden  kann.  Letzteres 
ist  nun  auch  hier  der  Fall;  die  Orchestra  gleicht  wesentlich  der 
des  Dionysostheaters  in  Athen. 

Dagegen  bleibt  die  Höhe  der  Bühne  noch  unter  den  für  das 
römische  Theater  vorgeschriebenen  fünf  Fuß,  während  für  das 
griechische    gar    zwölf  verlangt    werden.     Nach  Vitruv    soll    die 


150  Pompeji. 

römische  Bühne  so  niedrig  sein,  weil  sonst  die  in  der  Orchestra 
sitzenden  Zuschauer  —  hier  war  der  Platz  der  Senatoren  — ■  nicht 
sehen  könnten.  Offenbar  war  also  auch  hier  die  Orchestra  für 
Zuschauer,  nicht  fĂĽr  den  Chor  bestimmt. 

Wir  haben  bis  jetzt  das  Theater  beschrieben  und  besprochen 
in  seiner  letzten  Gestalt.  Auf  ältere  Formen  des  Baues,  auf  seine 
Geschichte  weiter  einzugehen,  schien  bis  vor  kurzem  nicht  tun- 
lich; allzuwenig  war  darĂĽber  zu  ermitteln.  Seit  einigen  Jahren 
aber  ist  dies  anders  geworden. 

Bekanntlich  wird  ĂĽber  das  antike  Theater  und  ĂĽber  die  Art, 
wie  in  ihm  gespielt  wurde,  seit  etwa  zwanzig  Jahren  ein  lebhafter 
Streit  geführt,  angeregt  durch  die  genialen  Forschungen  W.  Dörp- 
felds.  Um  aber  die  Kontroverse  verständlich  zu  machen,  wird 
es  nötig  sein,  in  der  Kürze  zu  sagen,  wie  sich  uns  die  griechischen 
Theater  in  ihren  Ruinen  darstellen. 

Mittelpunkt  ist  die  Orchestra,  entweder  kreisrund  oder  ein 
Halbkreis  (auch  wohl  ein  noch  größeres  Kreissegment)  der  durch 
Tangenten  so  weit  verlängert  wird ,  daß  man  den  vollen  Kreis 
in  die  Fläche  einschreiben  kann.  An  der  von  den  Sitzstufen 
freigelassenen  Seite  die  Skene,  das  Schauspielhaus,  zum  Ankleiden 
der  Schauspieler  und  sonstigen  Vorbereitungen,  zugleich  archi- 
tektonischer AbschluĂź  des  Raumes.  Es  hat  an  seiner  Vorder- 
seite, gegen  die  Orchestra,  einen  Vorbau,  das  Proskenion:  eine 
Reihe  von  Säulen  oder  säulenartigen  Gliedern,  deren  Zwischen- 
räume durch  Tafeln  geschlossen  waren,  aber  auch  alle  oder  teil- 
weise geöffnet  werden  konnten,  und  deren  Gebälk  mit  dem  Haupt- 
gebäude durch  einen  horizontalen  Boden  verbunden  war.  Nach 
der  herkömmlichen  Auffassung  nun  müßte  dies  der  Spielboden, 
das  Proskenion  die  BĂĽhne  sein. 

Aber  war  es  hierzu  geeignet?  Bot  seine  geringe  Breite  — 
bis  zu  3  m  —  genügenden  Raum  für  die  Bewegungen  der  Schau- 
spieler? Und  gestattete  es  bei  seiner  großen  Höhe  —  12  Fuß 
nach  Vitruv,  und  so  z.  B.  in  Epidaurus  —  den  lebhaften  V^erkehr 
zwischen  den  Schauspielern  und  dem  in  der  Orchestra  befindlichen 
Chor,  wie  er  sich  aus  den  erhaltenen  Dramen  ergiebt?  Dazu 
kommt,  daĂź  auf  einer  so  hohen  BĂĽhne  die  Schauspieler  gerade 
für  die  Zuschauer  der  untersten,  d.  h.  der  bevorzugten  Plätze 
nur  sehr  unvollkommen   sichtbar  waren.     So  hat  man  denn  ge- 


XXI.   Das  groĂźe  Theater,  I  c  j 

schlössen  (Dörpfeld),  daß  in  der  Blütezeit  des  griechischen  Dramas 
Spielplatz  fĂĽr  Schauspieler  und  Chor  die  Orchestra  war,  das 
Proskenion  nicht  BĂĽhne,  sondern  Hintergrund  des  Spielplatzes 
und  zugleich  »Theologeion«,  der  Ort  für  das  Auftreten  der  Götter 
und  anderer  Personen,  die  in  größerer  Höhe  erschienen.  Erst 
später,  in  Italien,  und  namentlich  in  römischer  Zeit,  als  keine 
Chöre  mehr  auftraten,  wäre  die  eigentliche  Bühne  entstanden, 
indem  man  vor  dem  Proskenion  ein  5  FuĂź  hohes  GerĂĽst  fĂĽr  die 
Schauspieler  errichtete,  welches  bis  in  die  Mitte  der  Orchestra 
reichte,  so  daĂź  von  dieser  nur  ein  Halbkreis  ĂĽbrig  blieb,  der  nun 
als  Zuschauerraum  benutzt  wurde.  Es  war  wichtig  fĂĽr  diese  Auf- 
fassung, daĂź  nach  dem  bisherigen  Stande  unserer  Kenntnis  be- 
hauptet werden  konnte,  bei  Umgestaltung  älterer  Theater  sei  die 
Bühne  der  römischen  Zeit  stets  in  der  Orchestra,  vor  dem  Pro- 
skenion errichtet  worden,  nie  sei  sie  aus  dem  ĂĽber  und  hinter 
dem  Proskenion  liegenden  »Theologeion -^^  entstanden.  Wir  werden 
weiterhin  sehen,  daĂź  nun  dieses  in  dem  pompejanischen  Theater 
doch  der  Fall  war. 

Diese  Auffassung  hat  Beifall  und  Widerspruch  gefunden.  Es 
fehlt  nicht  an  Gelehrten  —  hier  ist  namentlich  O.  Puchstein  zu 
nennen  —  die  an  der  alten,  schon  von  Vitruv  vertretenen  An- 
schauung festhalten,  in  der  Höhe  und  Schmalheit  der  Bühne  kein 
Hindernis  sehen  und  auch  daran  keinen  AnstoĂź  nehmen,  daĂź  der 
Verkehr  zwischen  Schauspielern  und  Chor  auf  Umwegen,  ĂĽber 
seitliche  oder  rückwärtige  Rampen  oder  Treppen  stattfinden 
muĂźte.  Man  hat  auch  Mittelwege  gesucht  und  unterschieden 
zwischen  der  klassischen  und  der  hellenistischen  Zeit;  es  wĂĽrde 
zu  weit  fĂĽhren,  hier  die  ganze  Diskussion  zu  rekapitulieren. 
Adhuc  sub  iiidice  lis  est.  Es  wäre  verwegen,  ein  so  weit  greifen- 
des Problem  von  Pompeji  aus  lösen  zu  wollen;  aber  fragen  müssen 
wir  doch:  wie  stellt  sich  unser  Theater  zu  dieser  Kontroverse? 
Gibt  es  irgendwelche  Aufklärung?  Wie  würden  wir  uns  ent- 
scheiden, wenn  es  sich  nur  um  Pompeji  handelte? 

Es  war  Dörpfeld  selbst,  der  Anlaß  gab,  dieser  Frage  näher 
zu  treten.  Auf  seine  Veranlassung  und  unter  seiner  Mitwirkung 
wurde  die  Erforschung  des  Theaters  auf  seine  älteren  F"ormen 
im  Sommer  1902  begonnen  und  dann,  mit  Unterbrechungen, 
in    den    folgenden   Jahren    bis    1905    fortgesetzt:    Ausgrabungen 


152  Pompeji. 

unterhalb  der  Oberfläche  der  letzten  Zeit  Pompejis,  Freilegung 
älterer,  in  dem  späteren  Mauerwerk  verborgener  Reste,  endlich 
ein  sorgfältiges  Studium  des  ganzen  Baues  führten  zu  überraschen- 
den und  wichtigen  Resultaten.  Eine  sich  durch  mindestens  zwei 
Jahrhunderte  erstreckende  Geschichte  des  Baues,  mit  mehreren 
durchgreifenden  Umgestaltungen,  liegt  jetzt  in  fast  vollständiger 
Klarheit  vor  uns.  Nur  in  aller  Kürze  können  wir  hier  das  wich- 
tigste zusammenfassen. 

Die  GrĂĽndungszeit  des  Theaters  haben  unsere  Untersuchungen 
uns  nicht  enthĂĽllt;  wir  wissen  nur,  daĂź  seine  erste  uns  kenntliche 
Umgestaltung  in  die  Tuffperiode,  das  2.  Jahrh.  v.  Chr.  fällt.  Da- 
mals wurde  der  Zuschauerraum  vergrößert.  Dieser  war  früher 
—  in  der  ersten  uns  kenntlichen  Periode  des  Theaters  —  ein  nur 
wenig  verlängerter  Halbkreis;  er  umfaßte  die  auf  unserem  Plan 
(Fig.  71)  sichtbaren  fünf  keilförmigen  Abteilungen  [ciinei]\  die 
Tribunalien  {7)  und  die  oberhalb  ihrer  aufsteigenden  rechtwink- 
ligen Abschnitte  waren  noch  nicht  vorhanden :  hier  waren  damals, 
wie  in  den  griechischen  Theatern,  unbedeckte  Seiteneingänge 
(Parodoi)  zur  Orchestra,  zwischen  dem  Zuschauerbau  und  der 
Skene,  die  ziemlich  an  der  Stelle  des  jetzigen  BĂĽhnenhauses 
liegen  mußte.  Die  Vergrößerung  des  Zuschauerraumes  bestand 
darin,  daß  man  die  Parodoi  überwölbte  und  über  ihnen  Sitzstufen 
anlegte.  Nur  Sitzstufen:  die  Tribunalien  sind  späteren  Ursprunges. 
Von  dem  Skenenbau  dieser  ältesten  Zeit  ist  nichts  erhalten;  wir 
kennen  aus  ihr  nur  die  AbschluĂźmauern,  mit  denen  jederseits 
das  Halbrund  des  Zuschauerraumes  endete  und  dessen  sich  hieraus 
ergebende  Ausdehnung.  Der  den  Zuschauerraum  umkreisende 
bedeckte  Umgang  [crypta^  6)  und  die  von  ihm  getragenen  obersten 
Sitzreihen  waren  damals  noch  nicht  vorhanden. 

Auch  aus  der  zweiten  Periode  des  Theaters,  der  Zeit  des 
vergrößerten  Zuschauerbaues,  haben  wir  nichts  weiter  als  eben 
diesen  vergrößerten  Zuschauerbau  mit  den  überwölbten  Seiten- 
eingängen zur  Orchestra.  Und  eben  diese  letzteren  beweisen,  daß 
unbedeckte  Parodoi,  nach  griechischer  Art,  zwischen  Zuschauer- 
bau und  Skene,  schon  damals  nicht  mehr  vorhanden  waren, 
sondern  daĂź  die  Skene  da  lag,  wo  sie  vermutlich  schon  frĂĽher 
gelegen  hatte,  jetzt  aber  in  unmittelbarer  I^erĂĽhrung  mit  dem 
Zuschauerbau,  wie  das  BĂĽhnenhaus   der  letzten  Zeit.     Doch  ist 


XXI.   Das  groĂźe  Theater. 


153 


von  dem  Skenenbau  auch  dieser  zweiten  Periode  nichts  erhalten. 
—  Gleichzeitig  mit  der  Überbauung  der  Orchestraeingänge  wurden 
die  den  Zuschauerraum  umkreisende  Krypta  und  die  von  ihr  ge- 
tragenen obersten  Sitzreihen  angelegt.  Die  Tribunalien  (7)  waren, 
wie  schon  gesagt,  damals  noch  nicht  vorhanden. 

Die  Zeit  dieser  zweiten  Form  des  Theaters  kann  annähernd 
bestimmt  werden:  der  ihr  zweifellos  angehörige  Parodoseingang 
mit  dem  Satyrkopf  als  Schlußstein  der  Wölbung  (S.  142)  stammt 
ebenso  zweifellos  aus  der  Tufifperiode,  der  BlĂĽtezeit  des  Hellenis- 
mus in  Pompeji,  dem   2.  Jahrh.  v.  Chr. 

Die  dritte  Periode  des  Theaters  ist  bezeichnet  durch  den  Bau 
des  noch  jetzt  erhaltenen  Bühnengebäudes  in  seiner  ältesten  Form: 


Fig.  73.     Plan  des  Bühnengebäudes  in  seiner  ersten  Form. 


ob  noch  in  der  Tufifperiode,  ob  in  der  ersten  Zeit  der  römischen 
Kolonie,  das  hat  sich  nicht  mit  Sicherheit  ermitteln  lassen.  Und 
hier  beginnt  der  interessanteste,  auf  der  Untersuchung  und  voll- 
ständigeren Ausgrabung  eben  dieses  Baues  beruhende  Teil  der 
Geschichte  des  Theaters.  Es  hat  sich  nämlich  herausgestellt,  da(.^ 
dieser  Bau,  bevor  er  seine  letzte,  oben  (S.  145)  beschriebene  Gestalt 
erhielt,  eine  lange  Geschichte  gehabt  und  mehrfache  Veränderungen 
erfahren  hat. 

Obiger  Grundriß  zeigt  die  älteste  Form  des  Gebäudes  nebst 
den  anstoĂźenden  Teilen  des  Zuschauerbaues.  Alle  hier  sicht- 
baren Teilungen  und  TĂĽren  liegen  zu  ebener  Erde,  im  Niveau 
der  Orchestra  der  letzten   Zeit:   und  es  folsft  eben  hieraus,   daĂź 


154  Pompeji. 

dies  Niveau  damals  das  gleiche  war.  Wir  erkennen  den  groĂźen 
Ankleideraum,  von  hinten  durch  fünf  Türen  zugänglich.  Der 
Raum  vor  der  den  Zuschauern  zugewandten  Front  wird  eingeengt 
durch  zwei  kleine  schiefwinklige  Vorbauten  (Paraskenien) ;  daĂź 
diese  mit  dem  Raum  zwischen  ihnen  und  mit  dem  Ankleidesaal 
durch  TĂĽren  verbunden  waren,  ist  vermutungsweise  angenommen 
worden;  sichtbar  dagegen  sind  die  fĂĽnf  TĂĽren  der  RĂĽckwand  und 
die  drei  mittleren  der  Vorderwand  des  Hauptraumes.  Um  das 
Bild  des  Theaters  dieser  Periode  zu  vervollständigen,  müssen  wir 
noch  hinzufĂĽgen,  daĂź  damals  der  innerste,  von  der  Skene  ent- 
fernteste Teil  der  Orchestra  von  einem  kreisrunden  Wasserbassin 
eingenommen  war  (Durchm,  7,10,  Tiefe  0,75  m),  das  von  der  Linie 
der  Paraskenienfronten  etwa  6  m  entfernt  blieb. 

Es  gibt  kein  zweites  Skenengebäude  ganz  der  gleichen  Form, 
wohl  aber  mehrere  ähnliche;  es  schließt  sich  einem  Typus  an, 
den  man  als  den  altattisch-westlichen  bezeichnet  hat.  Am  ähn- 
lichsten ist  wohl  das  Theater  von  Segesta  in  Sizilien,  aber  auch 
die  älteste  Form  des  Dionysostheaters  in  Athen  kann  verglichen 
werden.  Wie  ist  es  nun  zu  ergänzen  und  wie  ist  es  benutzt 
worden?  Es  ist  unmöglich  hier  alles  Für  und  Wider  zu  erwägen, 
und  eine  zweifellose  Entscheidung  ist  wohl  kaum  möglich.  So 
mögen  einige  Worte  genügen. 

Keine  der  beiden  in  betreff  des  griechischen  Theaters  sich 
gegenĂĽber  stehenden  Auffassungen  fĂĽhrt  hier  zu  einer  recht  be- 
friedigenden Lösung.  Auf  Grund  der  einen  wie  der  anderen 
mĂĽĂźten  wir  zwischen  den  Fronten  der  Paraskenien,  da  wo  der 
Raum  vor  der  Skenenfront  am  breitesten  ist,  eine  Reihe  von 
Säulen  oder  ähnlichen  Gliedern  (Proskenion)  annehmen,  auf  deren 
Gebälk  eine  den  großen  schiefwinkligen  Raum  überspannende, 
oberhalb  der  drei  TĂĽren  in  die  Frontwand  eingelassene  Decke 
geruht  hätte.  Und  der  Streit  ist  nur,  ob  diese  Decke  als  Bühne, 
als  Spielboden  gedient,  oder  ob  man  vielmehr  vor  dem  Pro- 
skenion, in  der  Orchestra  gespielt  habe.  Aber  jede  dieser  An- 
nahmen stößt  auf  große  Schwierigkeiten,  keine  ist  recht  an- 
nehmbar. 

Spiel  in  der  Orchestra  (Dörpfeld)?  Wozu  dann  der  große, 
5  m  breite  Raum  zwischen  den  Paraskenien?  Nur  um  hinter  dem 
Proskenion  zu  verschwinden?    Und  scheint  nicht  auch  die  eigen- 


XXI.    Das  grof-e  Theater.  I  c  c 

tümliche  Form  dieses  Raumes  —  gegen  die  Zuschauer  sich  er- 
weiternd, so  daß  man  von  allen  Seiten  gut  hineinsehen  konnte  — 
darauf  zu  deuten,  daĂź  eben  hier  der  Spielplatz  war?  Und  dies 
wird  doch  auch  dadurch  bestätigt,  daß  eben  hier  in  der  folgenden 
Periode  und  bis  auf  die  letzte  Zeit  die  BĂĽhne  war.  Die  Ver- 
treter des  Spiels  in  der  Orchestra  finden  eine  besondere  StĂĽtze 
darin,  daß  bei  allen  Umgestaltungen  in  römischer  Zeit  eben  hier, 
in  der  Orchestra,  nicht  in  dem  Raum  hinter  dem  Proskenion,  die 
BĂĽhne  errichtet  worden  sei.  Und  wenn  sie  nun  hier  zweifellos  in 
dem  Raum  zwischen  den  Paraskenien  entstand,  dĂĽrfen  wir  nicht 
darin  mit  demselben  Recht  eine  StĂĽtze  finden  fĂĽr  die  Vermutung, 
daĂź  eben  hier  von  Anfang  an  gespielt  wurde?  Endlich  das  groĂźe 
runde  Bassin  in  der  Orchestra.  Es  blieb  ja  zwischen  ihm  und 
dem  Proskenion  —  wenn  ein  solches  da  war  —  ein  etwa  6  m 
breiter  Bodenstreif,  der  fiir  die  Bewegung  der  Schauspieler  allen- 
falls ausreichen  konnte,  vorausgesetzt  —  was  wir  nicht  wissen  — 
daß  keine  Chöre  auftraten.  Aber  natürlich  wäre  es  doch  ge- 
wesen, die  Orchestra,  wenn  sie  einmal  Spielplatz  war,  grund- 
sätzlich freizulassen,  statt  sie  durch  dies  in  keinem  anderen  Theater 
vorkommende  Bassin  einzuengen  und  die  Schauspieler  in  die  Ge- 
fahr zu  bringen,  bei  etwas  lebhafterer  Bewegung  ins  Wasser  zu 
fallen. 

Sollen  wir  nun  also  annehmen,  daĂź  in  dem  Raum  zwischen 
den  Paraskenien  auf  einer  von  dem  Proskenion  getragenen  Decke 
gespielt  wurde?  Die  1,75  m  breiten  TĂĽren  der  Frontmauer 
können  wir  uns  nicht  gut  niedriger  als  3  m  denken,  und  da  sie 
unter  dem  Spielboden  bleiben  muĂźten,  so  konnte  dieser  nicht 
viel  niedriger  sein  als  4  m.  Aber  in  solcher  Höhe  eine  so  breite 
BĂĽhne?  Das  ganze  Altertum  hindurch  galten  die  untersten  Sitze 
als  die  besten;  sie  waren  den  Behörden,  Priestern,  im  römischen 
Pompeji  den  Decurionen  vorbehalten.  FĂĽr  diese  also  lag  eine 
solche  Bühne  —  um  die  Sache  geläufigen  Vorstellungen  nahe 
zu  bringen  —  in  der  Höhe  der  Decke  eines  ziemlich  hohen 
Zimmers  unserer  Zeit  (gewöhnliche  Zimmerhöhe  ist  3,50  m).  So 
mußten  also  diese  bevorzugten  Zuschauer  stets  den  Kopf  aufwärts 
richten;  und  es  gab  keine  LehnstĂĽhle.  Und  wenn  der  Schau- 
spieler sich  auch  nur  um  2  m  vom  Rande  der  BĂĽhne  entfernte, 
so  sahen  die  in  der  Axe  des  Theaters,  also  am  weitesten  entfernt 


156  Pompeji. 

sitzenden  Inhaber  der  untersten  Stufen  vielleicht  noch  die  obere 
Hälfte  seines  Körpers,  die  übrigen,  und  sie  waren  die  Mehrzahl, 
sahen  gar  nichts.  Wenn  aber  die  Schauspieler  sich  immer  vorn 
am  Rande  halten  sollten,  wozu  dann  eine  5  m  tiefe  BĂĽhne? 

Was  ist  nun  das  Resultat  dieser  Betrachtungen?  Unwahr- 
scheinlich das  Spiel  in  der  Orchestra,  wahrscheinlich  das  Spiel 
in  dem  schiefwinkligen  Raum  zwischen  den  Paraskenien,  unwahr- 
scheinlich das  Spiel  ebenda  auf  einer  von  einem  Proskenion  ge- 
tragenen BĂĽhne:  was  bleibt  da  anderes  ĂĽbrig  als  das  Spiel  in  eben 
diesem  schiefwinkligen  Raum,  aber  zu  ebener  Erde?  Ein  Pro- 
skenion war  dann  nicht  vorhanden,  sondern  dieser  Raum  öffnete 
sich  frei  gegen  die  Zuschauer. 

Zu  diesem  Resultat  gelangen  wir,  wenn  wir  das  pompejanische 
Theater  isoliert  betrachten,  ohne  RĂĽcksicht  auf  andere  Theater: 
vielleicht  werden  ja  Erwägungen  auf  breiterer  Grundlage  zu  anderen 
Ergebnissen  führen.  Es  kann  auch  die  hier  vorgeschlagene  Lö- 
sung nicht  beanspruchen,  eine  allgemeine  Lösung  der  »Theater- 
frage« zu  sein;  sie  ist  ausgeschlossen  für  alle  diejenigen  Theater, 
an  denen  das  Proskenion  erhalten  ist,  und  auch  noch  fĂĽr  einige 
andere.  Aber  es  ist  doch  auch  keineswegs  sicher,  daĂź  die  vor- 
römischen Theater  zu  allen  Zeiten  und  an  allen  Orten  in  gleicher 
Weise  benutzt  wurden.  Wie  dem  auch  sei,  hier  sollte  nur  das 
pompejanische  Theater  in  seiner  älteren  Form  möglichst  genau 
geprĂĽft  und  festgestellt  werden,  was  sich  aus  ihm,  fĂĽr  sich  be- 
trachtet, als  das  wahrscheinlichste  ergiebt:  nicht  eine  Lösung, 
sondern  nur  ein  Beitrag  zur  Lösung  der  Theaterfrage. 

Wir  haben  uns  lange  bei  dieser  ersten  Form  des  BĂĽhnenhauses 
aufgehalten,  weil  sie  weitaus  die  wichtigste  ist  und  weil  durch  sie 
unser  Theater  in  Beziehung  tritt  zu  einer  wichtigen  und  viel  dis- 
kutierten Kontroverse.  In  betreff  der  folgenden  können  wir  uns 
kĂĽrzer  fassen. 

Die  nächste  Umgestaltung  des  Skenenbaues,  mit  der  die 
vierte  Periode  des  ganzen  Theaters  beginnt,  fällt  zwischen  die 
erste  Zeit  der  römischen  Kolonie  und  den  Beginn  unserer  Zeit- 
rechnung; nähere  Bestimmung  ist  nicht  möglich.  Beistehend  der 
Grundriß.  Zu  seinem  Verständnis  muß  hinzugefügt  werden  — 
was  in  der  Zeichnung  nicht  ausgedrückt  werden  konnte  —  daß 
der  Raum  vor  der  Front  jetzt  eine  wirkliche   erhöhte  Bühne  ist; 


XXI.    Das  groĂźe  Theater. 


157 


das  Spiel  zu  ebener  Erde,  wenn  es  frĂĽher  stattfand,  ist  jetzt  vorbei. 
Die  BĂĽhne  erhob  sich  vermudich  um  nur  etwa  0,75  m  ĂĽber  die 
Orchestra:  genau  können  wir  es  nicht  sagen;  denn  auch  die 
Orchestra  war  in  dieser  Periode  etwas  —  wieviel,  wissen  wir  nicht 
—  über  ihr  früheres  Niveau  erhöht.  Verschwunden  sind  die 
Paraskenien;  die  Bühne  erstreckt  sich  über  die  ganze  Länge  des 
Baues,  hat  in  ihrem  Hintergrund  eine  Fassade  mit  mindestens 
drei,  vielleicht  fünf  von  Säulen  eingefaßten  Türen  und  ist  außer- 
dem an  ihren  Schmalseiten  durch  zwei  große  Türen  —  die  noch 
jetzt  erhaltenen  —  zugänglich;  um  von  außen  an  diese  Türen  zu 
gelangen,  war  hier  der  Boden  aufgehöht.    In  dem  großen  Hinter- 


0  )  !  3  a  S 


Fig.  74.     Bühnengebäude  in  seiner  zweiten  Form. 


räume  lag,  etwas  höher  als  die  Bühne  selbst,  ein  Bretterboden, 
den  man  auf  einer  inneren  Treppe,  von  der  allein  noch  offen 
gebliebenen  MitteltĂĽr  der  RĂĽckseite  aus,  erstieg. 

Eine  fĂĽnfte  Periode  des  Theaters  beginnt  mit  dem  durch- 
greifenden, auch  durch  Inschriften  bezeugten  Umbau  um  den 
Beginn  unserer  Zeitrechnung.  Die  beiden  Holconier,  Rufus  und 
Celcr,  ersetzten  die  alten  Sitzstufen  aus  Tuff  durch  Marmorstufen, 
bauten  die  Tribunalien  über  den  Seiteneingängen  der  Orchestra 
und  erneuerten  die  den  Zuschauerraum  umkreisende  Krypta,  die 
entweder  baufällig  geworden  war  oder  irgendwie  verändert  werden 
sollte.  Gleichzeitig  wurde  die  RĂĽckwand  der  BĂĽhne  eingerissen 
und  ganz  neu  aufgebaut  als  reich  entwickelte  Palastfassade,  mit 
vor-  und  zurĂĽcktretenden  Teilen,  deren  stattliche  Reste  wir  noch 


158 


Pompeji. 


jetzt  vor  uns  sehen.  In  dem  Hinterraum  wurde  der  Bretterboden 
beseitigt  und  dafür  der  Raum  bis  etwas  über  die  Höhe  der  Bühne 
mit  allerlei  Schutt  aufgehöht.  Dadurch  wurde  auch  die  innere 
Treppe  unmöglich;  man  öffnete  eine  Tür  in  der  Höhe  des  nun- 
mehrigen Hinterraumes  und  machte  sie  durch  eine  Rampe  von 
außen  zugänglich.  Die  Orchestra  wurde  wieder  auf  ihr  ur- 
sprĂĽngliches Niveau  vertieft.  Das  ganze  Theater  erhielt  damals 
im  wesentlichen  die  F"orm,  in  der  es  auf  uns  gekommen  und  oben 
beschrieben  worden  ist;  einige  kleine  Veränderungen  späterer  Zeit 
können  wir  übergehen. 

Aber  eins  müssen  wir  doch  noch  erwähnen.     Daß   in  älterer 

Zeit  der  innerste  Teil  der 
Orchestra  von  einem  groĂźen, 
kreisrunden  Wasserbassin  ein- 
genommen war,  wurde  schon 
oben  (S.  154)  gesagt.  Aber 
auch  später,  und  noch  nach 
dem  Umbau  der  Holconier 
waren  Wasserbassins  in  der 
Orchestra:  wir  fanden  im  ganzen 
die  Reste  von  sechs  Bassins, 
die  hier  nacheinander,  nur  zu 
sehr  geringem  Teil  vielleicht 
gleichzeitig  bestanden.  In  bei- 
stehender Zeichnung  sind  die 
erhaltenen  Umrisse  mit  vollen, 
die  beim  Bau  der  späteren 
Bassins  verschwundenen  Teile  derselben  mit  punktierten  Linien 
angegeben.  Auf  das  schon  erwähnte  große  runde  (i;  unsere 
Figur  deutet  auch  zwei  Rinnen  an,  durch  die  das  Wasser  aus 
ihm  abfloĂź)  folgte  (2)  ein  ihm  konzentrisches,  etwas  kleineres, 
dessen  Boden,  wie  auch  der  der  folgenden,  höher  liegt  als  der 
des  ersten  und  ein  höheres  Niveau  auch  der  Orchestra  voraus- 
setzt. Sodann  (3)  ein  langes  und  schmales  ungefähr  in  der  Linie, 
mit  der  die  untersten  Sitzstufen  gegen  den  Seiteneingang  der 
Orchestra  abschneiden;  dies  konnte  vielleicht  dem  zweiten  gleich- 
zeitig sein.  Das  folgende  (4),  kürzer  und  breiter,  und  näher  der 
BĂĽhne,  setzt  die  Beseitigung  des  dritten,  und  wieder  das  folgende 


Fig.  75.     Bassins  in  der  Orchestra. 


XXI.   Das  grof^e  Theater.  j  eg 

(5),  beträchtlich  größer,  unmittelbar  an  der  Bühne,  die  des  vierten 
voraus.  Dagegen  konnte  auch  neben  diesen  beiden  das  kleinere 
runde  (2)  fortbestehen.  Da  alle  diese  Bassins  (2 — 5)  ein  höheres 
Niveau  der  Orchestra  voraussetzen,  so  können  sie  weder  der 
ersten  Form  des  Skenenhauses  (Fig.  73,  3.  Periode  des  Theaters) 
noch  dem  Umbau  der  Holconier  gleichzeitig  sein,  sondern  mĂĽssen 
alle  in  die  Zeit  der  zweiten  Form  des  Skenenhauses  (Fig.  74, 
4.  Periode  des  Theaters)  fallen.  MerkwĂĽrdig  genug  ist  die  drei- 
malige Veränderung  in  dieser  nicht  sehr  langen  Zeit. 

Aber  mit  dem  Umbau  der  Holconier  ist  die  Geschichte  dieser 
Bassins  noch  nicht  zu  Ende.  Auch  damals  wurde  wieder,  in  der 
Mitte  der  Orchestra,  ein  groĂźes  und  tiefes  Bassin  (6)  angelegt, 
dessen  Umriß  die  aller  früheren  durchschneidet.  Erst  noch  später, 
wohl  nicht  lange  vor  dem  Untergang  Pompejis,  wurde  auch 
dieses  zugeschĂĽttet;  ein  ganz  kleines  Bassin  (7)  nahm  jetzt  das 
in  den  Zuschauerraum  und  die  Orchestra  fallende  Regenwasser 
auf;  durch  eine  Rinne  floĂź  es  in  einen  unter  der  BĂĽhne  hindurch- 
fĂĽhrenden Abzugskanal.  Ohne  Zweifel  wollte  man  nun  einen 
neuen  FuĂźboden  legen,  aber  dazu  kam  es  nicht;  entweder  das 
Erdbeben  des  Jahres  63  oder  die  SchluĂźkatastrophe  hat  es  ver- 
hindert: man  behalf  sich  mit  einem  Sandboden.  Also  erst  in  der 
allerletzten  Zeit  konnte  die  Orchestra  fĂĽr  die  Sitze  bevorzugter 
Zuschauer  (in  Rom  saĂźen  hier  die  Senatoren)  benutzt  werden. 

Wir  fĂĽgen  noch  hinzu,  daĂź  Wasserbassins  in  der  Orchestra 
in  keinem  anderen  Theater  gefunden  worden  sind.  Und  wohl 
in  keinem  anderen  antiken  Theater  können  die  im  Lauf  der  Zeit 
erfolgten  Umgestaltungen  so  deutlich  verfolgt  werden  wie  hier. 
Zweifellos  wird  unser  Theater  in  der  weiteren  Erörterung  des 
vielumstrittenen  Theaterproblems  eine  wichtige  Rolle  spielen. 

Wir  erwähnen  noch  kurz  das  große,  au/.kn  viereckige,  innen 
runde  Wasserreserv^oir  [D]  in  dem  Winkel  zwischen  Theater, 
Forum  trianguläre  und  Palästra.  Es  diente  wohl  für  die  Spren- 
gungen [spaj-siones]  mit  safrangefärbtem  Wasser,  die  im  Theater 
und  Amphitheater  zur  Milderung  der  Hitze  vorgenommen  wurden 
und  auch  für  Pompeji  bezeugt  sind  durch  mehrere  an  die  Wände 
gemalte  AnkĂĽndigungen  von  Gladiatorenspielen,  in  denen  es  heiĂźt; 
sparsiones^  vcla  eriint. 


Kapitel  XXII. 
Das  kleine  Theater. 


C.  Quinctius  C.f.  Valgus^  M.PorciusM.f.  duovir{i)  dec[urionuni) 
decr[eto)  theatrum  tectum  fac[iundum)  loc[arunt)  eidemq[ue]  pro- 
b[arunt)^  —  >Gaius  Quinctius  Valgus,  Sohn  des  Gaius,  Marcus 
Porcius,  Sohn  des  Marcus,  Duumvirn,  haben  nach  RatsbeschluĂź 
den  Bau  des  bedeckten  Theaters  verdungen  und  approbiert«. 
So  die  in  zwei  Exemplaren  angebrachte  Inschrift.  Dieselben 
Männer  haben  später,  als  Quinquennalen,  das  Amphitheater  ge- 
baut, auf  eigene  Kosten,  de  sua  pequnia^ 
wie  dort  die  Inschrift  meldet. 

Wenn  zwei  Beamte  eine  Inschrift  in 
mehreren  Exemplaren  setzen,  so  ist  Regel, 
daĂź  einmal  der  eine,  einmal  der  andere 
Name  voransteht.  Hier  aber  hat  beide 
Male  Valgus  den  ersten  Platz.  Und  ebenso 
ist  es  im  Amphitheater,  wo  der  Grund 
leicht  zu  erraten  ist :  Valgus  war  der  reiche 
Mann,  der  das  Geld  hergab,  seinen  Kol- 
legen und  Freund  aber  an  der  Ehre  teil- 
wir  dĂĽrfen  vermuten,  daĂź  auch  bei  dem 
aussfefĂĽhrten  Theaterbau  er  der  Stadtkasse 


Fig.  76.  GrundriĂź  des  kleinen 

Theaters,     i.   Ankleideraura. 

2.  BĂĽhne.     3.  Tribunalia. 


nehmen  lieĂź.      Und 

»nach  Ratsbeschluß« 

aus  eigenen  Mitteln  zu  Hilfe  kam  und   deshalb  auch  hier  seinen 

Namen  voranstellen  durfte. 

Der  Schwiegersohn  des  Quinctius  Valgus,  P.  Servilius  Rullus, 
ist  unverdienter  Weise  unsterblich  geworden  durch  Ciceros  Reden 
gegen  das  von  ihm  vorgeschlagene  Landverteilungsgesetz.  Und 
aus  diesen  Reden  erfahren  wir  auch,  daĂź  Valgus,  skrupelfrei  wie 
er  war,  die  suUanische  Schreckenszeit  benutzt  hatte,  um  ein 
großes  Vermögen,  namentlich  in  Grundbesitz,  zu  erwerben,  unter 
anderem  im  Hirpinerlande,  um  die  Stadt  Aeclanum   (sĂĽdlich  von 


XXII.    Das  kleine  Theater. 


l6l 


Benevent),  die  ihn  zu  ihrem  Patron  machte,  und  der  er,  wie  eine 
Inschrift  bezeugt,  die  im  Bundesgenossenkriege  zerstörten  Stadt- 
mauern herstellte.  Ohne  Zweifel  war  er  eines  der  Häupter  der 
suUanischen  Kolonie  in  Pompeji  und  suchte  durch  groĂźe  Lei- 
stungen fĂĽr  das  Gemeinwesen  sein  Vorleben  in  Vergessenheit  zu 
bringen.  Der  Bau  des  Theaters  wird  demnach  in  die  erste  Zeit 
der  Kolonie,  bald  nach  80  v.  Chr.  fallen. 


^  r'nitmwur-rr"'^ 


r^ 


Fig.  77.     Innenansicht  des  kleinen  Theaters. 


Ein  bedecktes  Theater  neben  einem  offenen  war  nichts  unge- 
wöhnliches. Etwa  um  die  Zeit  der  Verschüttung  Pompejis  rühmte 
der  Dichter  Statius  unter  den  Herrlichkeiten  seiner  Vaterstadt 
Neapel  den  >Doppelbau  des  offenen  und  des  bedeckten  Theaters < 
gemitiatn  violem  midi  tectique  tJicatri  (Silv.  III,  5).  Wozu  letzteres 
diente,  dafĂĽr  gibt  den  einzigen  Anhaltspunkt  der  Name  des  von 
Herodes  Atticus  unter  Hadrian  in  seiner  Vaterstadt  Athen  er- 
bauten bedeckten  Theaters:  es  hieß  Odeum,  »Singhalle*;  es 
scheint  also,  daĂź  man  hier  musikalische  AuffĂĽhrungen  veranstaltete, 

Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.  IÂŁ 


102 


Pompeji. 


namentlich  musikalische  Wettkämpfe,  die  ja  bei  den  Festen  der 
Alten  eine  groĂźe  Rolle  spielten.  Der  Zweck  des  Daches  war 
zweifellos  ein  akustischer. 

Um  die  Bedachung  zu  ermöglichen,  ist  unter  Verkürzung  der 
oberen  Sitzreihen  —  nur  die  unteren  bilden  einen  vollen  Halb- 
kreis —  der  ganze  Bau  —  Zuschauerraum,  Bühne  und  Ankleide- 
raum —  in  ein  längliches  Viereck  zusammengefaßt.  Ohne  Zweifel 
überspannte  das  Ganze  ein  pyramidenförmiges  Dach,  getragen  von 
den  noch  beträchtlich  über  die  oberen  Sitzreihen  aufsteisrenden 
und  hier  vielleicht  von  Fenstern  durchbrochenen  Umfassungs- 
mauern. 

Der  Zuschauerraum  mochte  etwa  1500  Personen  fassen. 
Zu  Unterst  vier  breite  und  niedrige  Stufen  fĂĽr  die  Sessel  der 
Ratsherren;  ĂĽber  diesen  eine  BrĂĽstung; 
hinter  dieser  der  an  jedem  Ende  durch 
eine  halbrunde  Treppe  zugängliche  Um- 
gang und  weiter  die  ĂĽbrigen  Sitzstufen. 
Diese  bestehen  aus  etwa  18  cm  dicken, 
auf  dem  Mauerwerk  liegenden  Tufifplatten 
und  haben  beistehendes  Profil;  durch  die 
Erhöhung  und  das  Vorspringen  der  eigent- 
lichen Sitzfläche  wurde  nicht  nur  ein  etwas  bequemerer  Sitz 
erzielt,  und  geringere  Belästigung  durch  die  Füße  des  Hinter- 
mannes, sondern  auch  eine  bei  der  Kleinheit  des  Theaters  be- 
sonders erwĂĽnschte  Raumersparnis.  Von  den  sechs  die  Stufen 
durchschneidenden  Treppen  sind  nur  die  beiden  mittleren  auch 
aus  dem  oberen  Umgange  zugänglich,  in  den  man  aus  dem  hinter 
dem  Theater  vorbeifĂĽhrenden  Gange  ĂĽber  zwei  Treppen  gelangte. 
Die  Tribunalien  (3)  sind,  abweichend  vom  groĂźen  Theater, 
durch  eine  schräg  absteigende  Mauer  von  dem  übrigen  Zuschauer- 
räume getrennt  und  nur  von  der  Bühne  aus  über  eine  kleine 
Treppe  zugänglich:  der  bevorzugte  Charakter  dieser  Plätze  tritt 
dadurch  noch  deutlicher  hervor.  Ihren  Inhabern  waren,  auĂźer 
der  Plattform  (3,25  X  2,50  m),  noch  drei  ĂĽber  derselben  liegende 
Sitzstufen  für  Gefolge  und  Freunde  eingeräumt. 

Die  zwischen  den  Tribunalien  und  den  übrigen  Sitzen  schräg 
absteigende  Mauer  endet  unten  mit  der  knienden  Figur  eines 
sogenannten  Atlanten   iFig.  79);  auf  der  von    seinen  erhobenen 


Fig.   78.       Durchschnitt    einer 
Sitzstufe    im    kleinen    Theater. 


XXII.   Das  kleine  Theater. 


163 


Armen  getragenen  Platte  mochte  ein  schön  geformtes  Gefäß 
stehen.  Gerade  vor  dieser  Figur  wird  auf  jeder  Seite  die  ober- 
halb der  Dekurionenplätze  umlaufende  Brüstung  durch  einen  ge- 
flügelten Löwenfuß  (Fig.  80)  abgeschlossen :  ein  beliebtes  Motiv, 
dem  wir  noch  an  den  halbrunden  Bänken  der  Gräberstraße 
begegnen  werden.  Der  etwas  derbe  Charakter  dieser  Skulpturen 
gehört  wohl  der  mit  der  römischen  Kolonie  in  Pompeji  einge- 
zogenen Kunstrichtung  an.  Die  Arbeit  ist  nicht  eben  fein,  bringt 
aber  die  Kraft  der  schwellenden  Muskeln  in  wirkungsvoller  Weise 
zum  Ausdruck. 

Der  FuĂźboden  der  Orchestra  (Fig.  77)  besteht  aus  bunt- 
farbigen Marmorplatten.  Eine  mit  Bronzebuchstaben  eingelegte 
Inschrift  besagt,  daĂź  ihn  der  Duumvir 
M.  Oculatius  Verus  machen  lieĂź,  pro 
ludis,  d.  h.  statt,  wie  ihm  sonst  ob- 
gelegen hätte,  Spiele  zu  geben.  Die 
BĂĽhne  hat,  wie  im  groĂźen  Theater, 
zwei  große  Seiteneingänge.  In  der 
ursprĂĽnglich  im  zweiten  Stil  (S.  40] 
bemalten ,  später  marmorbekleideten 
RĂĽckwand  die  ĂĽblichen  drei  TĂĽren 
und  noch  zwei  kleinere  nahe  den 
Ecken ;  doch  waren  diese  letzteren  später  zugemauert.  Auch  der 
Raum  hinter  der  Bühne  hat  ähnliche  große  Seiteneingänge, 
auĂźerdem  vier  TĂĽren  in  der  RĂĽckwand.  Vermutlich  waren  die 
kleinen  TĂĽren  in  der  RĂĽckwand  der  BĂĽhne  fĂĽr  die  Inhaber  der 
Tribunalien  bestimmt.  Hier  konnten  sie  auf  ihre  Plätze  und 
wieder  ins  Freie  gelangen,  auch  wenn  die  Seiteneingänge  der 
BĂĽhne  geschlossen  waren,  was  ohne  Zweifel  der  Fall  war,  sobald 
der  Festzug  (S.  134,   165)  ĂĽber  die  BĂĽhne  gezogen  war. 

Obgleich  jĂĽnger  als  das  groĂźe  macht  doch  dies  Theater  mit 
seinen  Tufifsitzen,  mit  seiner  einfach  geradlinigen  BĂĽhnenfront 
einen  altertĂĽmlicheren  Eindruck.  NatĂĽrlich:  es  ist  nicht  wie  jenes 
in  augusteischer  Zeit  modernisiert  worden,  sondern  hat  —  abgesehen 
von  dem  Marmorbelag  der  BĂĽhnenfront  und  des  FuĂźbodens  der 
Orchestra  —  den  einfachen  Charakter  der  sullanischen  Zeit  bis 
zuletzt  bewahrt. 


Kapitel  XXIII. 
Der  Theaterportikus,  später  Gladiatorenkaseme. 

»Hinter  der  Bühne  sind  Säulenhallen  anzulegen,  um  bei  Regen- 
wetter den  Zuschauern  Schutz  zu  bieten,  und  auch  um  Platz  zu 
haben  für  die  Vorbereitung  des  Bühnenapparates.«  Dieser  Vor- 
schrift Vitruvs  war  auch  hier   in  ausgiebiger  Weise  genĂĽgt;   ein 


Fig.  8i.  Grundriß  des  Theaterportikus,  später  Gladiatorenkaseme.  i.  Zugang  von  der  Stabianer 
StraĂźe.  2.  Eingangshalle.  3.  Kammer  des  TĂĽrhĂĽters.  4.  Vermauerter  Durchgang  zum  groĂźen 
Theater.  5.  Treppe  vom  Forum  trianguläre.  6.  Exedra.  7.  Raum,  in  dem  Kostümreste  gefunden 
wurden.    8.  Gefängnis.     9.  Treppe  zur  Wohnung  des  Vorstehers,     10.  Küche.    11.  Speisezimmer. 

ganzes  System  von  Portiken  umgab  die  Theater.  Freilich  mĂĽssen 
wir,  um  dies  ganz  zu  übersehen,  auf  eine  ältere  Zeit  zurück- 
greifen und  einige  spätere  Zusätze  fortdenken. 

Wenn   ein  RegenguĂź   die  Vorstellung  unterbrach,   so  fanden 
die  Inhaber  der  oberen  Plätze  des  Gfroßen  Theaters  Schutz  unter 


ts 


XXIII.   Der  Theaterportikus,  später  (iladiatorenkaserne.  165 

den  Hallen  des  Forum  trianguläre,  die  der  unteren  unter  einem 
großen  vierseitigen,  von  74  dorischen  Säulen  getragenen  Portikus 
(Fig.  81).  Auf  ihn  öffnete  sich,  als  Eingangsraum,  eine  kleine 
Halle  (2),  mit  drei  ionischen  Säulen,  in  die  von  Norden  der  Säulen- 
gang an  der  Ostseite  des  Hofes  hinter  der  BĂĽhne  frei  einmĂĽndete; 
erst  später  wurde  diese  Verbindung  durch  eine  Mauer  (4)  gesperrt. 
So  fĂĽhrte  also  hier  ein  bedeckter  Weg  aus  der  Parodos  in  den 
groĂźen  Portikus.  NatĂĽrlich  diente  dieser  nicht  bloĂź  an  Theater- 
tagen, sondern  auch  sonst  als  Spaziergang.  Ein  zweiter  Zugang  (i) 
fĂĽhrte  von  der  Stabianer  StraĂźe  in  dieselbe  Eingangshalle. 

FĂĽr  die  Vorbereitung  des  BĂĽhnenapparates  war  nun  freilich 
der  groĂźe  Portikus  etwas  weit  entfernt.  Aber  auch  hierfĂĽr  war 
gesorgt.  Vom  Forum  trianguläre  führt  eine  breite  Treppe  herab 
(5;  sichtbar  Fig.  72);  sie  war,  wenigstens  in  älterer  Zeit,  bedeckt; 
ihr  Dach  wurde  auf  der  Nordseite  (gegen  das  Theater)  getragen 
von  einer  aufsteigenden  Reihe  von  Pfeilern  und  Bogen,  von  denen 
zu  Unterst  einige  Reste,  in  eine  spätere  Mauer  eingeschlossen, 
erhalten  sind;  ob  ebenso  auch  auf  der  SĂĽdseite,  oder  ob  hier 
eine  geschlossene  Mauer  war,  das  können  wir  nicht  wissen.  Von 
ihrem  unteren  Ende  gelangt  man  jetzt  ĂĽber  einige  schmale  und 
unbequeme  Stufen  in  den  Hof  hinter  der  BĂĽhne;  in  ihrer  Fort- 
setzung liegt  eine  Reihe  kleiner,  auf  die  Nordhalle  des  Portikus 
geöffneter  Zimmer.  Diese  Zimmer  aber  sind  ein  späterer  Zusatz; 
an  ihrer  Stelle  stand  einst  ein  die  Treppe  fortsetzender  Portikus, 
der  in  Verbindung  mit  dem  Portikus  auf  der  Ostseite  des  Hofes 
hinter  der  BĂĽhne,  wie  unser  GrundriĂź  zeigt,  einen  zweimal  recht- 
winklig umbiegenden  Weg  vom  FuĂź  der  Treppe  bis  an  die 
Parodos  und  die  SeitentĂĽr  der  BĂĽhne  des  groĂźen  Theaters  bildete. 
Es  ist  klar,  daß  diese  Hallen,  der  Vitruvschen  Vorschrift  gemäß, 
zur  Vorbereitung  des  BĂĽhnenapparates  dienen  konnten.  Sie  hatten 
aber  noch  eine  andere  Bedeutung. 

Wir  bemerkten  schon  oben  (S.  133),  daĂź  die  Vorhaflc  des 
Forum  trianguläre  zugleich  der  einzige  monumentale  und  daher 
gewiĂź  der  offizielle  und  festliche  Zugang  zum  Theater  war,  daĂź 
besonders  die  linke  Tür  sich  nur  öffnete  für  die  vom  Forum  zur 
Eröffnung  der  Spiele  ins  Theater  ziehenden  Behörden.  Der  weitere 
Weg  dieses  Festzuges  —  vergleichbar  der  Ponipa  circciisis^  mit 
der  in  Rom  die  Liidi  roniani     eröffnet  wurden  —  ist  jetzt  voll- 


1 66  Pompeji. 

kommen  klar.  Man  zog  durch  die  Säulenhalle  vorbei  an  den 
Eingängen  der  Krypta  und  des  obersten  Ranges,  dann  links 
hinab  ĂĽber  die  groĂźe  bedeckte  Treppe  und  weiter  durch  die  sie 
fortsetzenden  Portiken  an  der  SĂĽd-  und  Ostseite  des  Hofes  hinter 
der  Bühne.  Aus  dem  Ostportikus  ging  es  dann  in  älterer  Zeit, 
als  es  noch  keine  BĂĽhne  mit  SeitentĂĽren  gab  (S.  153,  Fig.  73), 
gradeaus  in  die  östliche  Parodos  und  weiter  durch  die  Orchestra 
und  die  westliche  Parodos  in  den  Hof  hinter  dem  Theater;  hier 
löste  sich  der  Zug  auf  und  jeder  ging  an  seinen  Platz.  Einer 
späteren  Zeit  aber  schien  es  wirkungsvoller,  den  Zug  über  die 
BĂĽhne  zu  fĂĽhren,  und  wohl  nur  deshalb  gab  man  um  das  Jahr 
80  V.  Chr.  (S.  157,  Fig.  74)  der  BĂĽhne  zwei  groĂźe  Seitentore. 
Gleichzeitig  erhielt  der  Hof  hinter  dem  Theater  den  kleinen  Säulen- 
gang am  Ostende  seiner  Nordseite,  parallel  der  östlichen  Parodos, 
der  grade  auf  das  groĂźe  BĂĽhnentor  zufĂĽhrt.  So  schwenkte  denn 
jetzt  der  Zug  aus  dem  Ostportikus,  statt  in  die  Parodos  einzutreten, 
vorher  links  ab ,  zog  durch  den  neuen  kleinen  Portikus  und  das 
neue  BĂĽhnentor  auf  und  ĂĽber  die  BĂĽhne,  verlieĂź  sie  durch  die 
entgegengesetzte  Tür  und  löste  sich  wie  früher  in  dem  Hofe  auf. 
Freilich  muĂźten  dann  die  Seitenkulissen,  die  Periakten,  erst  nach 
Beendigung  dieses  Eröfifnungsaktes  aufgestellt  werden;  wir  haben 
aber  auch  keinen  Grund,  dies  für  unmöglich  zu  halten. 

Durch  die  Erbauung  der  Gladiatorenkammern  in  der  Fort- 
setzung der  groĂźen  Treppe  wurde  dem  Festzug  sein  Weg  ge- 
sperrt. Zwar  konnte  er  noch  am  Isistempel  vorbei  und  durch 
die  Stabianer  Straße  den  östlichen  Eingang,  hinter  dem  kleinen 
Theater,  erreichen.  Doch  ist  dies  schon  deshalb  wenig  wahr- 
scheinlich, weil  vor  diesem  Eingange  drei  der  bekannten,  von 
einem  Gangsteig  zum  anderen  fĂĽhrenden  Trittsteine  das  Ein- 
schwenken behindern  muĂźten:  diese  wĂĽrde  man  doch  wohl  ent- 
fernt haben.  Und  es  ist  ja  eigentlich  selbstverständlich;  bevor 
man  dem  Zuge  seinen  Weg,  seine  Via  sacra,  verbauen  konnte, 
muĂźte  er  auĂźer  Ăśbung  gekommen  sein. 

Sicher  war  der  Festzug  noch  ĂĽblich,  als  bald  nach  80  v.  Chr. 
das  kleine  Theater  gebaut  wurde.  Die  groĂźen  SeitentĂĽren  nicht 
nur  der  BĂĽhne,  sondern  auch  des  Raumes  hinter  derselben,  ferner 
der  eigentĂĽmlich  verbreiterte,  vielleicht  mit  einem  Portikus  be- 
deckte Gangsteig  an  der  Stabianer  StraĂźe  vor  diesen  TĂĽren,  alles 


XXIII.    Der  Theaterportikus,  später  Gladiatorenkaserne.  167 

dies  läßt  kaum  eine  andere  Erklärung  zu,  als  daß  der  Festzug 
von  den  Portiken  aus  ĂĽber  die  BĂĽhne  zog,  dann,  da  er  sich  auf 
der  Straße  nicht  wohl  auflösen  konnte,  auf  dem  verbreiterten 
Gangsteig  umwendete,  durch  den  Hinterraum  in  die  Portiken 
zurückging  und  hier  sich  auflöste.  Ist  dies  richtig,  so  fällt  das 
Aufhören  der  Pompa  zwischen  die  Erbauung  des  kleinen  Theaters 
und  die  Einrichtung  der  Gladiatorenkaserne,  welch  letztere  wir, 
nach  dem  Charakter  des  Mauerwerkes  und  den  Resten  der 
Malerei,  keinen  Grund  haben  für  älter  als  die  Zeit  Neros  zu  halten. 
Es  scheint  also,  daĂź  die  alte  Sitte  entweder  in  den  schlimmen 
Zeiten  der  BĂĽrgerkriege  in  Vergessenheit  geriet,  oder  bei  der 
Neuordnung  des  Reiches  durch  Augustus  sei  es  geradezu  unter- 
sagt, sei  es  durch  andere  Festlichkeiten  verdunkelt  und  schlieĂźlich 
verdrängt  wurde. 

Die  große  Säulenhalle  ist,  wohl  nicht  vor  der  Zeit  Neros,  wie 
man  jetzt  ziemlich  allgemein  annimmt,  in  eine  Gladiatorenkaseme 
verwandelt  worden.  Strenge  erwiesen  ist  dies  nicht,  doch  er- 
klären sich  durch  diese  Annahme  am  besten  sowohl  die  ganze 
Anlage  in  ihrer  letzten  Gestalt  als  auch  die  bezeichnendsten  der 
dort  gemachten  Funde. 

Charakteristisch  für  diese  letzte  Form  des  Gebäudes  sind  die 
es  ringsum  —  auf  der  Nordseite  an  der  Stelle  des  einst  die 
große  Treppe  fortsetzenden  Säulenganges  ■ — ■  umgebenden  Kam- 
mern, zwei  Reihen  übereinander.  Nicht  etwa  Läden:  mit  ihren 
schmalen  Türen  und  kleinen  Dimensionen  —  etwa  4  m  im  Qua- 
drat —  können  sie  kaum  etwas  anderes  als  Schlafzimmer  sein. 
Keine  TĂĽren  von  einer  Kammer  zur  anderen;  zu  den  oberen 
gelangte  man  durch  eine  vor  ihnen  hinlaufende,  ĂĽber  drei  Treppen 
zugängliche  Holzgalerie. 

In  der  Mitte  der  SĂĽdseite  ein  weit  ofienes  Zimmer,  Exedra  (6); 
in  der  Mitte  der  Ostseite  ein  noch  größerer  Raum(ii),  dessen 
Eingang  durch  vier  Pfeiler  geteilt  ist;  seitwärts  und  rückwärts 
schließen  sich  ihm  andere  Räume  an,  darunter  eine  durch  mehrere 
Herde  kenntliche  KĂĽche  (10).  Die  breite  Treppe  bezeugt  obere 
Räume  über  diesem  Komplex. 

Die  frĂĽher  freie  Verbindung  der  Eingangshalle  (2)  mit  der 
Halle  des  Hofes  hinter  der  BĂĽhne  wurde  jetzt  durch  eine  Mauer 
(4)  gesperrt;   statt  dessen  lieĂź   man  gleich  daneben  in  der  Ecke 


i68 


Pompeji. 


eine  enge  verschlieĂźbare  TĂĽr.  Auch  der  Zugang  von  der  Sta- 
bianer  StraĂźe  (i)  war  verschlieĂźbar  und  durch  einen  in  der 
Zelle  3  postierten  Wächter  kontrolliert.  Ein  dritter  enger  und 
jedenfalls  verschlieĂźbarer  Eingang  fĂĽhrte  von  der  groĂźen  Treppe 
(5)  ĂĽber  den  Absatz  der  auf  die  Holzgalerie  fĂĽhrenden  Treppe  in 
den  nördlichen  Arm  der  Säulenhalle. 

Also  eine  durchaus  kasernenartige  Anlage.  Freilich  nicht  fĂĽr 
Soldaten;  denn  die  Städte  Italiens  hatten  keine  Garnison.  Daß 
aber  die  Stadt  zur  zeitweiligen  Aufnahme 
von  Gladiatorenbanden  ein  eigenes  Gebäude 
eingerichtet  hatte  und  den  Spielgebern  zur 
VerfĂĽgung  stellte,  ist  bei  der  steigenden 
Häufigkeit  und  Großartigkeit  dieser  Spiele 
wohl  denkbar.  Schon  zur  Zeit  des  Augustus 
ließ,  nach  der  S.  54  erwähnten  Inschrift, 
A.  Clodius  Flaccus  40  Paare  Gladiatoren 
auftreten;  je  30  Paare  werden  in  Inschriften 
aus  verschiedenen  Zeiten  angekĂĽndigt.  Der 
freie  Platz  konnte  zu  Ăśbungen,  der  groĂźe 
Raum  bei  der  KĂĽche  (11)  als  Speisezimmer, 
die  Exedra  als  Sitz  eines  oder  mehrerer 
Aufseher,  auch  als  Aufenthalt  von  Amateurs 
dienen;  die  breite  Treppe  (9)  mochte  zur 
Wohnung  des  Vorstehers  der  Truppe 
[lanistä)  und  seiner  Gehilfen  führen. 

Die  Wände  der  Zellen  waren  sehr  dürf- 
tig im  letzten  Stil  angestrichen.  Bessere 
Malereien  fanden  sich  nur  in  der  Exedra: 
auf  der  RĂĽckwand  die  oft  wiederholte  Gruppe  von  Mars  und 
Venus,  auf  den  Seitenwänden  Gladiatorenwaffen,  trophäenartig 
etwa  2  "2  m  hoch  aufgetürmt:  ein  durchaus  ungewöhnliches 
Motiv;  der  SchluĂź  auf  die  Bedeutung  des  Baues  ist  hier  ebenso 
berechtigt  wie  bei  den  Malereien  im  Macellum  (S.  93).  An  den 
ursprünglich  ganz  weißen  Säulen  wurde  nach  dem  Umbau  der 
untere,  glatte  Teil  rot,  der  obere,  kanneliierte,  gelb,  nur  an  vier 
Säulen,  den  beiden  mittelsten  der  Ost-  und  der  Westseite,  blau 
angestrichen.  Durch  diese  sonst  schwer  erklärbare  Verschiedenheit 
konnte  bei  den  Ăśbungen  eine  Teilung  des  Platzes  markiert  werden. 


Fig.  82  a. 
Eine  Gladiatorenbeinschienc 


XXIII.    Der  Theaterportikus,  später  (iladiatorenkaserne. 


169 


Über  die  Funde  in  dem  Gebäude  sind  wir  durch  die  Aus- 
grabungsberichte ziemlich  gut  unterrichtet.  Sie  beweisen  zunächst 
daĂź  zur  Zeit  der  VerschĂĽttung  die  Kammern  bewohnt  waren. 
Zwar  auf  der  Nordseite  waren  sie  schon  durch  die  Nachgrabungen 
der  Ăśberlebenden  ausgeleert  worden.  Dagegen  wurden  in  denen 
der  Südhälfte  mancherlei  Gegenstände  gefunden;  darunter  in  zehn 
Kammern  eine  groĂźe  Zahl  von  Waffen  und  zwar  zweifellos  Gladia- 
torenwaffen: fĂĽnfzehn  Helme,  vierzehn  Beinschienen  (Fig.  82  a  u.  b), 
vier  oder  fĂĽnf  breite,  mit  Metall  beschlagene  GĂĽrtel  [haltet]^  zwei 
Armringe,  sechs  Exemplare  eines  eigentĂĽmlichen  RĂĽstungsstĂĽckes 
[galcnis],  welches  die  linke  Schulter  des  mit  Netz  und  Dreizack, 
ohne  Schild,  kämpfenden  Retiarius  deckte,  ein  kleiner  runder 
Schild ,  hundertundzwölf  hörnerne 
Panzerschuppen.  Wenig  Angriffs- 
waffen :  in  einer  Kammer  eine  Lanzen- 
spitze, in  einer  anderen  (vielleicht  7) 
ein  Schwert  und  zwei  Dolche.  Ebenda 
in  zwei  Holzkisten  Stoffe  mit  Gold- 
fäden; auch  diese  konnten  im  Gladia- 
torenkostĂĽm Verwendung  finden.  Als 
Gladiatorenwaffen  geben  sich,  auĂźer 
dem  Galerus,  besonders  deutlich  die 
mit  Visier,  zum  Teil  auch  mit  breitem 
Rande  und  reichem  Reliefschmuck 
versehenen  Helme  (Fig.  82  b)  zu  er- 
kennen; ihre  Form  stimmt  mit  Abbildungen  von  Gladiatoren  voll- 
kommen ĂĽberein.  Auch  der  kleine  runde  Schild  von  nur  etwa 
40  cm  Durchmesser  war  für  militärische  Zwecke  unbrauchbar. 
In  einem  Raum  unter  der  Treppe  (5)  fand  man  das  Gerippe  eines 
Pferdes,  dessen  Geschirr  reich  mit  Bronze  beschlagen  war;  daĂź 
Gladiatoren  auch  zu  Pferde  kämpften  [equitcs]^  ist  bekannt  genug. 

Eine  Kammer  der  Westseite  (8)  war  ein  Gefängnis:  man  fand 
hier,  auf  einer  Holztafel  befestigt,  das  umstehend  (Fig.  83)  ab- 
gebildete FuĂźeisen  An  dem  einen  Ende  des  unteren  Eisens  wurde 
durch  ein  SchloĂź  die  durch  die  Ringe  geschobene  Stange  befestigt; 
so  gefesselte  Personen  konnten  nur  liegen  oder  sehr  unbequem 
sitzen.  Doch  waren  die  vier  Gefangenen,  deren  Gebeine  man 
hier  fand,  nicht  in  dies  Eisen  gelegt.    DaĂź  derartige  disziplinarische 


Fig.  82  b.     Gladiatorenhelm. 


IJO 


Pompeji. 


Mittel  in    einer   Gladiatorentruppe  Verwendung   fanden,    ist   sehr 
glaublich. 

Wir  dĂĽrfen  nicht  verschweigen,  daĂź  fĂĽr  einige  andere  Funde 
sich  keine  genügende  Erklärung  bietet.  In  derselben  Kammer 
mit  den  Angriffs wafFen  und  den  Goldstoffen  fanden  sich  achtzehn 
Skelette,  darunter  das  einer  Frau  mit  reichem  Goldschmuck: 
einem  Halsbande  mit  Smaragden,  Ohrgehängen,  zwei  Armbändern 
und  Ringen;   auĂźerdem   noch  weiterer  Goldschmuck  und   ein  in 


Fig.  83.     Fußeisen  aus  dem  Gefängnis  der  Gladiatorenkaserne. 


einem  Kasten  aufbewahrter  Cammeo  mit  den  Resten  reicher 
Fassung.  In  einer  Kammer  nahe  der  SĂĽdwestecke  fand  man  gar 
in  einem  Tongefäß  die  Gebeine  eines  neugeborenen  Kindes. 
Auch  von  mancherlei  anderen  Gegenständen,  z,  B.  Gewichten, 
Gefäßen  aus  Ton  und  Glas  (in  einer  Kammer  zweiundzwanzig, 
in  zwei  anderen  zweiundfĂĽnfzig  kleine  Tonschalen)  ist  schwer  zu 
sagen,  wie  sie  hierherkamen.  Ob  ausschlieĂźlich  Gladiatoren,  ob 
ĂĽberhaupt  zur  Zeit  des  Unterganges  solche  hier  wohnten?  Waren 
vielleicht  noch  infolge  des  Erdbebens  des  Jahres  63  Obdachlose 
hier  untersrebracht? 


Kapitel  XXIV. 
Die  Palästra. 

Die  kleine  dorische  Säulenhalle  neben  der  Vorhalle  des  Forum 

trianguläre  umgab  ursprünglich  alle  vier  Seiten     

des  unbedeckten  Mittelraumes,  mit  zehn  Säulen 
auf  den  Langseiten,  fĂĽnf  auf  den  Schmalseiten; 
später,  wohl  nach  dem  Jahre  63,  ist  die  Osthalle 
beseitigt   und  der  so   gewonnene  Raum   zum        '  '""  * 

T    .    .  ,  ,  T-\-        C--     1  •     J         ^'S-  ^<-       Grundriß     der 

Isistempel  gezogen  worden.     Die  Säulen  sind      Paiästra.  i.  säuienhaiien 
von  außerordentlich   schlanken  Verhältnissen :      ^-  statuenbasis.    3-  An- 

kleideräume. 


Fi^.  85.     Ansicht  der  Paliistra,  mit  Hasis,  Tisch  und  Treppe 


172 


Pompeji. 


wohl  selten  hat  sich  der  dorische  Stil  so  weit  von  seinem 
ursprünglichen  Charakter  entfernt:  Durchmesser  0,3g  m,  Höhe 
3,15  m,  Distanz  2,70  m.  Von  ihrem  Gebälk  haben  wir  nur  die 
Spur  an  der  Stelle,  wo  es  am  Ostende  der  SĂĽdseite  in  die  Ost- 
wand eingelassen  war;  man  erkennt  dort,  daĂź  es  auf  einem  Holz- 
architrav  aufgemauert  und  bis  zum  Dachrande  etwa  1,20  m  hoch 
war.    Die  Erbauung  in  vorrömischer  Zeit  ist  zweifellos :  die  Arbeit 

der  einst  mit  weiĂźem  Stuck  bekleideten 
Tuffsäulen,  die  Maße  der  Säulenreihen 
(90  und  36  oskische  FuĂź),  dazu  eine 
hier  gefundene  oskische  Inschrift,  sind 
vollgĂĽltige  Beweise.  Diese  Inschrift  be- 
sagt, daĂź  aus  dem  Gelde,  welches 
Vibius  Adiranus  der  pompejanischen 
Jugend  testamentarisch  hinterlassen  hat, 
der  Quästor  Vibius  Vinicius  dies  Ge- 
bäude hat  errichten  lassen.  Die  an  sich 
nicht  ganz  zweifellose  Ăśbersetzung  des 
Wortes  vereiiai^  »der  Jugend«,  wird 
bestätigt  durch  andere  Umstände,  welche 
darauf  hindeuten,  daß  das  Gebäude 
eine  kleine  Palästra,  ein  Turnplatz  für 
Knaben  war. 

Der  Eingang  lag,  als  das  Gebäude 
noch  vollständig  war,  in  der  Mitte  der 
Langseite.  Ihm  gegenĂĽber  steht  (Fig.  85) 
eine  Basis,  vor  ihr  etwas  wie  ein  Tisch, 
hinter  ihr  eine  sie  ĂĽberragende  Treppe ; 
alles  dies  aus  Tuff.  Die  einst  auf  der 
Basis  stehende  Statue  ist  nicht  gefunden 
worden.  Sie  stellte  ohne  Zweifel  den  Gott  dar,  unter  dessen 
Schutz  die  Palästra  stand,  vermutlich  Hermes.  Wir  mögen  uns 
vorstellen,  daß,  wenn  hier  gymnastische  Wettkämpfe  stattfanden, 
der  dem  Sieger  bestimmte  Kranz  auf  dem  Steintische  zu  den 
FĂĽĂźen  des  Gottes  lag,  daĂź  dann  der  Sieger  den  gewonnenen 
Kranz  dem  Gotte  weihte,  indem  er,  auf  die  Treppe  steigend,  ihm 
denselben  auf  das  Haupt  setzte. 

Eine    andere    Statue    stand    ohne   Basis   am   FuĂźe    einer    der 


Fig.  it.  Doryphoros,  Statue  aus  der 
Palästra. 


^ 


XXIV.   Die  Palästra. 


173 


Säulen  der  Südseite.  Es  ist  eine  gute  Kopie  einer  berühmten 
Statue  des  Polyklet,  die  einen  JĂĽngling  mit  einem  Speer  ĂĽber 
der  Schulter,  Doryphoros  (Fig.  86),  darstellte.  Plinius  berichtet 
uns  (34,  18),  daĂź  grade  in  Gymnasien  Statuen  speertragender 
JĂĽnglinge  zu  stehen  pflegten. 

In  den  Räumen  an  der  Westseite  mochten  sich  die  Knaben 
aus-  und  ankleiden,  sich  salben  und  nach  den  Ăśbungen  Ol  und 
Staub  mit  dem  Schabeisen  abstreichen  [destringere)\  wir  werden 
weiterhin  fĂĽr  einen  solchen  Raum  den  Namen  Destrictarium 
kennen  lernen.  Wundern  mĂĽssen  wir  uns,  daĂź  kein  Schwimm- 
bassin vorhanden  ist,  sondern  nur  eine  Gelegenheit  zum  Ab- 
waschen: durch  eine  der  Säulen,  gleich  rechts  vom  Eingang", 
ging  ein  Bleirohr  der  Wasserleitung  und  lieĂź  einen  Strahl  viel- 
leicht in  ein  Becken,  vielleicht  auch  einfach  in  die  an  den  Säulen 
entlang  laufende  Rinne  fallen. 


Kapitel  XXV. 
Der  Tempel  der  Isis. 

Isis,  die  Himmelsgöttin,  Osiris,  der  Sonnengott,  ihr  Gatte 
und  Bruder,  der  am  Abend  von  seinem  Bruder  Set  (bei  den 
Griechen  Typhon),  dem  Herrscher  der  Finsternis,  getötet  wird, 
Horus  (oder  Harpokrates) ,  die  junge  Sonne  des  neuen  Tages, 
der  nach  dem  Tode  des  Vaters  geborene  Sohn  der  beiden,  des 
Vaters  Rächer  und  Nachfolger,  Besieger  des  Set,  ein  neuer  Osiris, 
während  dieser  selbst  im  Totenreich,  im  Reiche  des  Westens, 
selig  herrscht :  an  diesen  Mythus  schlössen  sich  schon  im  dritten 
Jahrtausend  v.  Chr.  die  höchsten  und  reinsten  Religionsbegrifife 
des  alten  Ägypten:  die  dem  Monotheismus  sich  nähernde  Vor- 
stellung der  alles  umfassenden  Gottheit,  eine  hochstehende  Moral, 
Hoffnung  auf  ein  seliges  Leben  nach  dem  Tode.  Der  Mensch, 
so  wurde  gelehrt,  ist  eine  Verkörperung  der  Gottheit,  deren 
Schicksal  auch  das  seine  ist;  er  ist  selbst  ein  Osiris;  auch  seiner 
wartet  im  Jenseits  ein  besseres  Dasein,  wenn  er  im  Totengericht 
besteht. 

Der  erste  Ptolemäer  ließ  durch  den  ägyptischen  Priester 
Manetho  und  den  eleusinischen  Mysterienpriester  Timotheus 
diesen,  schon  längst  mit  Mysterien  verbundenen  Kultus  neu 
ordnen,  um  in  ihm  seine  ägyptischen  und  griechischen  Unter- 
tanen zu  vereinigen  Mit  bestem  Erfolge:  in  seiner  neuen, 
alexandrinischen  Gestalt  verbreitete  sich  der  Kult  der  Isis  und 
des  Osiris  (oder,  wie  man  jetzt  sagte,  Serapis)  nicht  nur  ĂĽber 
ganz  Ägypten,  sondern  auch  über  die  Länder  griechischer  Kultur 
und  bald  nach  Italien  und  nach  dem  Westen.  Verschiedenes 
wirkte  hier  zusammen:  der  Reiz  des  Fremdartigen  und  Geheim- 
nisvollen, die  Sicherheit,  mit  der  diese  Lehre,  auf  ihr  un- 
vordenkliches Alter  gestĂĽtzt,  den  sich  widerstreitenden  Meinungen 
der    Philosophen    gegenüber    stand,    der    geläuterte,    mit    philo- 


XX\'.    Der  Tempel  der  Isis,  jyc 

sophischen  Anschauungen  nicht  unverträgliche  Gottesbegrifif,  vor 
allem  aber  die  dem  Eingeweihten  eröffnete  Aussicht  auf  ein 
seliges  Dasein  nach  dem  Tode,  der  ja  auch  die  hochgefeierten 
eleusinischen  Mysterien  den  größten  Teil  ihrer  Anziehungskraft 
verdankten.  Der  ascetischen  Seite  des  Kultes,  der  durch  Fasten 
und  Enthaltung  von  sinnlichen  GenĂĽssen  unterstĂĽtzten  mystischen 
Versenkung  in  die  Betrachtung  der  Gottheit  kamen  empfängliche 
Gemüter  in  großer  Zahl  entgegen.  Mächtig  wirkte  auf  die  Phan- 
tasie die  Mysterienfeier,  die  pantomimische,  von  Musik  begleitete 
Darstellung  des  Mythos.  Auch  der  Aberglaube  des  groĂźen 
Haufens  fand  ausgiebige  Nahrung.  Denn  die  Macht  der  Gott- 
heiten beschränkte  sich  nicht  auf  das  Jenseits;  auch  in  den  Nöten 
dieses  Lebens  suchte  man  Hilfe  bei  ihnen  wie  bei  anderen 
Göttern.  Selbst  einem  hochgebildeten  Manne  wie  Apuleius  konnte 
der  Oberpriester  sagen,  Isis  berufe  ihre  Auserwählten  erst  dann 
zu  den  Weihen,  wenn  die  ihnen  zugemessene  Lebensfrist  eigent- 
lich abgelaufen  sei,  und  wisse  ihnen  diese  dann  zu  verlängern, 
so  daĂź  das  ganze  weitere  Leben  ein  Geschenk  der  Gottheit  sei. 
Aber  auch  Astrologie,  Traumdeutung,  Geisterbeschwörung  wurden 
von  den  Isispriestern  mit  vielem  Erfolg  betrieben. 

In  Rom  war  das  Kollegium  der  Isisdiener,  Pastophoren,  in 
welches  zur  Zeit  der  Antonine  Apuleius  aufgenommen  wurde, 
um  die  Zeit  Sullas,  etwa  80  v.  Chr.,  gestiftet  worden.  Umsonst 
wurden  die  fremden  Götter  von  den  Behörden  bekämpft :  drei- 
mal, in  den  Jahren  58,  50  und  48,  wurden  ihre  Tempel  im  Innern 
der  Stadt  auf  Anordnung  der  Konsuln  zerstört;  aber  nach  Caesars 
Tode,  43  V.  Chr.,  erbauten  ihnen  die  Triumvirn  einen  Tempel, 
und  vielleicht  schon  unter  Caligula  wurden  ihre  Feste  als  Staats- 
feste anerkannt. 

Auch  in  Campanien  war  der  alexandrinische  Kult  schon  frĂĽh 
eingedrungen.  Eine  Inschrift  von  Puteoli  bezeugt,  daĂź  in  dieser, 
mit  dem  Orient  und  Ă„gypten  lebhaft  verkehrenden  Handelsstadt 
schon  105  V.  Chr.  ein  Tempel  des  Serapis  bestand.  Der  pom- 
pejanische  Tempel  mag  etwa  dreißig  Jahre  später  entstanden  sein. 

Die  Inschrift  einer  Marmortafel  auĂźen  ĂĽber  dem  Eingange 
des  Tempelhofes  belehrt  uns,  daĂź  Numerius  Popidius  Cclsinus 
den  durch  das  Erdbeben  eingestĂĽrzten  Tempel  der  Isis  auf  seine 
Kosten  von    den  Fundamenten  auf  herstellen  lieĂź,   und  daĂź  fĂĽr 


176 


Pompeji. 


diese  Liberalität  die  Stadträte  ihn,  obgleich  er  erst  sechs  Jahre 
alt  war,  kostenfrei  in  ihren  Stand  aufnahmen :  A'".  Popidiiis  N.  f. 
Celsinus  aedem  Isidis  terrae  motu  conlapsam  a  fundamento  p[ecii- 
nid)  s{tm)  restituit;  hunc  decurioties  ob  liberalitatem  ^  cum  esset 
annormn  sexs^  ordini  suo  gratis  adlegerunt.  Der  Tempel  war 
also  ein  städtischer;  und  dies  geht  auch  daraus  hervor,  daß  im 
Hofe  die  Plätze  für  Statuen,  laut  den  Inschriften,  vom  Stadtrat 
bewilligt  wurden. 

Durch  einige  andere  Inschriften  lernen  wir  die  Familie  des 
Knaben  Celsinus  kennen.     Seine  Eltern  waren  N.  Popidius  Am- 

pliatus  und  Corelia  Celsa;  ein 
Bruder  hieĂź  wie  der  Vater. 
Die  wahren  Wiedererbauer 
waren  natĂĽrlich  die  Eltern; 
indem  sie  diese  Munifizenz 
im  Namen  des  Sohnes  ĂĽbten, 
öffneten  sie  ihm  den  Weg 
zu  den  städtischen  Würden, 
die  dem  Vater,  einem  Frei- 
gelassenen, unzugänglich  blie- 
ben. Dieser  selbst  verewigte 
seinen  Namen,  indem  er  in 
einer  Nische  auf  der  RĂĽck- 
seite des  Tempels  [c]  eine 
Bacchusstatuette  aufstellte,  mit 
der  Inschrift :  N.  Popidius  Am- 
pliatus  pater  piecunia)  s{ua), 
—  »N.  Popidius  Ampliatus 
der  Vater  auf  eigene  Kosten«.  Im  Namen  der  Mutter  und  der 
beiden  Söhne  wurde  der  Fußboden  eines  zum  Tempel  gehörigen 
Zimmers  (6)  gemacht  und  in  ihm  ihre  Namen  angebracht: 
A''.  Popidi  Ampliati^  N.  Popidi  Celsitti,    Corelia   Celsa. 

Der  Neubau  des  Celsinus  geschah  »von  den  Fundamenten 
auf«;  doch  wurden  Reste  des  alten  Tempels  —  Säulen  und  ko- 
rinthische Kapitelle  aus  Tuff  mit  weißem  Stucküberzug  —  benutzt; 
offenbar  hatte  dieser  die  gleiche  oder  doch  eine  ähnliche  Form. 
Auch  der  Stylobat  des  Portikus  ist  der  alte;  die  Säulen  standen 
damals  etwas  enger  als  jetzt,  acht  auf  den  kĂĽrzeren,  zehn  auf  den 


Fig.  87.  Grundriß  des  Isistempels.  —  i.  Vorhalle. 
2.  Cella.  3.  Nische  des  Harpokrates.  4.  Ein- 
friedigung des  Wasserbehälters.  5.  Einweihungs- 
raum. 6.  Mysteriensaal.  7,  8,  9.  Priesterwohnung. 
a  Säulenhalle,  i  Grube  für  Opferreste,  c  Nische 
der  Bacchusstatuette.  ti,  d  Nischen  neben  der 
Cella.     e  Hauptaltar. 


XXV.    Der  Tempel  der    sis.  I  y  y 

längeren  Seiten.  Arbeit  und  Formen  dieser  Reste  deuten  auf 
die  Zeit  kurz  nach  der  GrĂĽndung  der  sullanischen  Kolonie. 
Zwar  die  korinthischen  Säulen-  und  Pilasterkapitelle  zeigen  die 
Formen  der  Tuffperiode,  mit  der  ihr  eigentĂĽmlichen  Bildung  des 
Akanthusblattes ;  ob  auch  die  sorgfältige  Arbeit  dieser  Zeit,  das 
kann  bei  der  schlechten  Erhaltung  nicht  festgestellt  werden. 
Die  Basen  aber  der  Säulen  gehören  sicher  der  ersten  Zeit  der 
Kolonie  an,  nicht  nur  wegen  der  groben  und  nachlässigen 
Arbeit,  sondern  auch  weil  sie  zu  unterst  den  der  Tufifperiode 
fremden  viereckigen  Plinthus  haben.  DemgegenĂĽber  kann  nicht 
in  Betracht  kommen,  daß  die  Länge  der  Säulenreihen  des  Portikus 
die  runden  MaĂźe  von  50  und  60  FuĂź  oskisch  nur  um  weniges 
ĂĽberschreitet,  wir  mĂĽssen  vielmehr  daraus  schlieĂźen,  daĂź  man  auch 
in  öffentlichen  Bauten  der  ersten  römischen  Zeit  nicht  ängstlich 
auf  Anwendung  des  römischen  Fußes  hielt.  Umgekehrt  fanden 
wir  den  römischen  Fuß  in  der  zweifellos  vorrömischen  Basilika. 
Später  führte  die  zunehmende  Zahl  der  Isisverehrer  zu  einer 
Erweiterung  des  Heiligtums  auf  Kosten  der  Palästra  (S.  171), 
vermutlich  gleichzeitig  mit  dem  Neubau  des  Celsinus.  Ihr  ver- 
danken die  Räume  im  Westen  (5,  6)  ihre  Entstehung. 

In  der  Mitte  des  von  Säulenhallen  umgebenen  Hofes  steht 
der  Tempel:  eine  mehr  breite  als  tiefe  Cella  (2)  mit  sechssäuliger 
Vorhalle  (i).  In  der  Ecke  gleich  beim  Eingang  eine  ummauerte 
Grube  fĂĽr  Opferreste  {d);  in  der  Ecke  gegenĂĽber  ein  kleiner 
tempeiförmiger  Bau  (4).  Dicht  bei  diesem  zwei  Altäre;  ein  dritter 
stand  einst  rechts  vor  dem  Tempel  bei  d,  fünf  kleinere  Altäre 
stehen  zwischen  den  Säulen.  Zwischen  Tempelhof  und  Theater 
ein  kleiner  Hof  unregelmäßiger  Form  und  östlich  von  diesem 
eine  kleine  Wohnung  von  fünf  Räumen  (7,  8,  9]. 

Den  Tempel  selbst  zeigen  Fig.  88  und  89  in  seinem  jetzigen 
Zustande  und  restauriert.  Er  hat  nichts  Ă„gyptisches;  doch  scheint 
es,  daß  man  bei  diesem,  ausländischen  Göttern  geweihten  Bau 
mit  einer  gewissen  Absichtlichkeit  von  dem  Herkömmlichen  ab- 
wich und  ein  fremdartiges,  barockes  Aussehen  eher  suchte  als 
vermied.  Dasselbe  beruht  auf  den  beiden  seitwärts  an  die  Front 
der  Cella  angefĂĽgten  Nischen  und  auf  der  unorganischen  Art, 
wie  sie  durch  Vermittlung  eines  Pilasters,  in  dessen  Schaft  ihr 
Kapitell    und    Giebelfeld    eingreifen,    mit    dem   Hauptkörper   des 

Mau,   Pompeji.     2.  Aufl.  12 


178  Pompeji. 

Gebäudes  in  Verbindung  gesetzt  sind.  Die  Ersetzung  der  ehr- 
wĂĽrdigen Formen  des  griechischen  Tempelbaues  durch  eine 
phantastische  Stuckdekoration  lag  im  Geschmack  der  Zeit;  wir 
begegneten  ihr  schon  am  Apollotempel. 

AuĂźer  der  Treppe  in  der  Front  fĂĽhrt  noch  eine  kleine  Treppe 
links  von  hinten  zu  einer  NebentĂĽr  der  Cella.  Die  ganze  RĂĽck- 
seite dieser  letzteren  nimmt  eine  1,75  m  hohe  gemauerte  Basis 
ein,  auf  der  zwei  kleine  Tufifbasen,  0,40  im  Geviert,  kleine  Bilder 


Fig.  88.     Ansicht  des  Isistempels.     Photographie  l'rogi. 

der  Isis  und  des  Osiris  trugen.  Der  Hohlraum  unter  der  groĂźen 
Basis,  durch  zwei  Öffnungen  zugänglich,  mochte  zur  Aufbewahrung 
von  Tempelgerät  dienen.  Andere  Götterbilder  —  etwa  Harpo- 
krates  und  Anubis  —  standen  in  den  beiden  schon  erwähnten 
Nischen.  Harpokrates  verehrte  man,  wie  es  scheint,  auĂźerdem 
noch  in  der  tempeiförmigen  Nische  in  der  Wand  des  Portikus 
dem  Eingange  des  Tempels  gegenĂĽber  (3):  die  Malerei  derselben 
(jetzt  in  Neapel)  zeigt  eine  Statue  des  Harpokrates  —  einen 
Knaben  mit  dem  Fineer  im  Munde,   dem  FĂĽllhorn  im  Arm  und 


XXV.    Der  Tempel  der  Isis. 


179 


dem  Lotos  über  der  Stirn  —  und  vor  ihr  einen  Priester  in 
langem  weißen  Gewände  mit  zwei  Kandelabern  in  den  Händen; 
im  Hintergrunde  ein  Tempel  zwischen  Säulenhallen,  wohl  eine 
freie  Wiedergabe  eben  dieses  Tempels.  Unter  der  Nische  stand 
am  Bogen  eine  Holzbank. 

Weder  in  der  Cella  noch  in  den  Nischen  neben  ihr  fand  man 
Götterbilder;  sie  waren  wohl  nur  klein  und  wurden  von  den 
Priestern  auf  ihrer  Flucht  mitgenommen.    Dagegen  fand  man  in 


F'ig.  89.     Der  Isistempel,  wiederhergestellt.     Im  Hintergrunde  das  groĂźe  Theater. 


der  Cella  zwei  menschliche  Schädel  —  sie  mochten  bei  den  Cere- 
monien  der  Einweihung  in  die  Mysterien  Verwendung  finden  — 
und  eine  1 1  cm  lange  Marmorhand.  Die  Berichte  sagen  nicht,  ob 
eine  rechte  oder  linke  Hand:  in  der  von  Apuleius  beschriebenen 
Isisprozession  wurde  auch  eine  linke  Hand  getragen;  als  die 
schwächere,  zum  Unrecht  tun  weniger  geeignete,  symbolisierte 
sie  die  Gerechtigkeit  [aeqtiitas ,  mit  der  die  Gottheit  die  Welt 
regiert.  Ferner  fand  man  zwei  hölzerne  Kasten:  der  eine  ent- 
hielt eine  ganz  kleine  goldene  Schale  von  2  cm  Durchmesser, 
ein  2  cm  hohes  Götterbild  mit  Basis,  ein  4  cm  hohes  Glasgefäß; 


1 8o  Pompeji. 

der  andere  eine  Bronzelampe  fĂĽr  zwei  Flammen  und  zwei  Bronze- 
kandelaber, etwa  26  cm  hoch:  ihre  Verwendung-  beim  Kultus 
zeigt  die  Malerei  der  Harpokratesnische. 

Die  Wände  der  Säulenhallen  waren  in  lebhaften  Farben,  auf 
vorwiegend  rotem  Grunde  bemalt,  die  Säulen  in  ihrem  untersten 
Drittel  rot,  im  ĂĽbrigen  weiĂź,  der  Tempel  ganz  weiĂź:  hier  sollte 
wenigstens  die  Fiktion  festgehalten  werden,  als  sei  es  ein  Mar- 
morbau. Doch  erscheinen  dieselben  Motive  in  der  weiĂźen  Stuck- 
dekoration des  Tempels  und  der  farbigen  des  Portikus:  Teilung 
in  Felder,  über  denen  sich  mäanderartig  ein  stilisiertes  Pflanzen- 
gewinde hinzieht.  Im  Portikus  zu  unterst  ein  gelber,  als  vor- 
springendes Architekturglied  gestalteter  Sockel;  dann  groĂźe  rote 
Felder,  wechselnd  mit  leichten,  phantastischen  Architekturpro- 
spekten, gelb  auf  rotem  Grunde;  ĂĽber  ihnen  der  schwarze  Fries 
mit  dem  in  GrĂĽn,  Blau  und  Gelb  schimmernden,  durch  allerlei 
Tiergestalten  belebten  Pflanzengewinde.  In  der  Mitte  der  groĂźen 
Felder  je  ein  Isispriester,  in  jedem  der  Architekturprospekte  zu 
unterst  ein  Marinebild:  Kriegsschiffe  manövrierend  und  zum  Teil 
zusammenstoĂźend.  Zwar  finden  sich  ebensolche  Darstellungen 
auch  z.  B.  im  Macellum  und  im  Hause  der  Vettier;  doch  dĂĽrfen 
wir  immerhin  daran  erinnern,  daß  Isis  auch  die  Schutzgöttin  der 
Seefahrer  war.  Apuleius  schildert  lebendig  das  Fest,  durch  das 
im  FrĂĽhjahr  die  wieder  beginnende  Schiffahrt  unter  ihren  Schutz 
gestellt  wurde. 

Dem  Eingange  des  Tempels  gegenüber  ist  die  regelmäßige 
Säulenstellung  des  Portikus  unterbrochen:  statt  der  drei  mittleren 
Säulen  zwei  beträchtlich  höhere  Pfeiler,  an  die  je  eine  Halbsäule 
angelehnt  ist:  ein  in  der  letzten  Zeit  Pompejis  beliebtes  Motiv, 
dem  wir  auch  z.  B.  in  den  Stabianer  Thermen  begegnen  werden. 
So  standen  der  Tempel  und  die  Harpokratesnische  freier  einander 
gegenĂĽber. 

Der  Hauptaltar  [e)  steht  links  vor  dem  Tempel,  den  der 
Opfernde  zur  Rechten  hatte.  Auf  dem  Altar  wurden  Knochen- 
reste und  Asche  gefunden.  Auf  den  beiden  kleineren  Altären 
opferte  man  den  in  den  Nischen  stehenden  Gottheiten.  Zur  Auf- 
nahme der  Reste  des  Opfers  dienten  zwei  viereckige  Gruben.  Eine 
kleinere,  jetzt  nicht  mehr  sichtbare,  war  neben  dem  Hauptaltar; 
man  fand  hier  Reste  von  verbrannten  Feigen,  Pinienkernen   und 


XXV.    Der  Tempel  der  Isis.  l3i 

Pinienzapfen,  Nüssen  und  Datteln,  auch  zwei  zerbrochene  Götter- 
bildchen. Die  größere  [b)  ist  noch  sichtbar.  Ihre  Ummauerung  war 
zur  Zeit  der  Ausgrabung  auf  den  Schmalseiten  giebelförmig  und 
es  war  kenntlich,  daß  ein  dachförmiger  Holzdeckel  darauf  lag. 
Auch  hier  fand  man  Reste  verbrannter  FrĂĽchte.  FĂĽnf  kleinere 
Altäre  stehen  zwischen  den  Säulen  des  Portikus.  Das  an  die 
Ecksäule  beim  Eingang  angemauerte  (Fig.  88,  89)  ist  wohl  eher 
die  Basis  einer  Statue. 

Zwischen  dem  Hauptaltar  und  dem  Tempel,  links  von  der 
Treppe,  steht  ein  gemauerter  Pfeiler,  nur  0,38  m  im  Geviert  und 
0,73  m  hoch.  Ein  gleicher  Pfeiler  rechts  von  der  Treppe — jetzt 
verschwunden  —  war  auf  drei  Seiten  mit  Steinplatten  bekleidet, 
von  denen  die  vordere  (jetzt  in  Neapel)  mit  Hieroglyphen  be- 
deckt war.  Es  ist  ein  Grabdenkmal,  welches  der  »Schreiber  des 
göttlichen  Wortes«  (Hierogrammateus)  Hat  seinen  Eltern  und 
GroĂźeltern  gesetzt  hat:  bildliche  Darstellungen  mit  Beischriften, 
in  drei  Abteilungen  ĂĽbereinander.  In  der  obersten  Hat,  sein 
Bruder  und  Kollege  Meran,  ihr  Vater  und  GroĂźvater  anbetend 
vor  >Osiris  dem  Herren  des  Totenreiches« ;  in  der  zweiten  bringt 
Hat  seinen  Eltern  und  GroĂźeltern  Totenopfer:  in  der  dritten 
beten  Hat,  Meran  und  noch  zwei  Schwestern  Osiris  an.  Sicher 
ist  dieser  Stein  nicht  flir  einen  Tempel  gearbeitet,  aber  doch 
vielleicht  mit  RĂĽcksicht  auf  seinen  Inhalt  zur  Aufstellung  an 
diesem  Orte  gewählt  worden.  Ohne  Zweifel  sollte  auch  der  Pfeiler 
links  in  gleicher  Weise  verkleidet  werden,  aber  es  war  wohl 
keine  geeignete  Hieroglyphentafel  zur  Hand.  Vermutlich  standen 
auf  diesen  Pfeilern  kleine  Götterbilder. 

Die  Bacchusstatuette  in  einer  Nische  der  RĂĽckwand  des  Tem- 
pels wurde  schon  erwähnt  (S.  156);  es  ist  ja  bekannt,  daß  Bacchus 
mit  Osiris  identifiziert  wurde.  Neben  der  Nische  sind  zwei  mensch- 
liche Ohren  in  Stuck  gebildet:  eine  Andeutung  des  Hörens  des 
Gottes  auf  die  Bitten  seiner  Verehrer. 

Eine  größere,  2,96  m  breite,  2,55  hohe  Nische  ist  in  der  Süd- 
wand des  Hofes.  Ihrer  Form  nach  war  sie  sicher  zur  Aufstellung 
von  Statuen  —  mindestens  vier  —  bestimmt. 

An  der  Westwand  der  Säulenhalle  standen,  nahe  den  Ecken, 
auf  Basen,  zwei  halblebensgroĂźe  Statuen  weiblicher  Gottheiten. 
Rechts  Isis,   in  griechisch -archaistischem  Stil,    mit   der  Inschrift: 


l82  Pompeji. 

L.  Caecilius  Phoebus  posiiit\  l[oco)  d\atd)  d[ecurionum)  d[ecreto)^  — 
»Aufgestellt  von  L.  Caecilius  Phoebus;  der  Platz  durch  Rats- 
beschluß bewilligt«.  Der  Stifter  war,  nach  seinem  Namen,  ein 
Freigelassener.  Links  Venus,  ohne  Inschrift,  in  der  bekannten 
Stellung  des  Haartrocknens  nach  dem  Bade,  von  geringem  Kunst- 
wert, aber  bemerkenswert  durch  die  wohlerhaltene  Bemalung  und 
Vergoldung.  Wie  so  viele  andere  Gottheiten  wurde  auch  Venus 
mit  Isis  identifiziert. 

Dicht  bei  der  Venus  stand  an  der  Südwand  die  Herme  — ■ 
Marmorpfeiler  mit  Bronzekopf  —  des  C.  Norbanus  Sorex :  er  war 
Schauspieler,  und  zwar  Darsteller  der  zweiten  Rollen  [secundarum]^ 
und  Magister  der  Vorstadt.  Auch  hier  bewilligte  der  Stadtrat 
den  Platz.  Die  Inschrift  lautet:  C.  Norbani  Soricis ^  secundarum 
[sc.  partium  actoris)^  mag[istri)  pagi  Aug[usti)  Felicis  suburbani., 
ex  d[ecurionum)  d[ecret6)  l[oco)  d[atd).  Ohne  Zweifel  war  er  ein 
Wohltäter  des  Tempels.  Seine  Herme  stand  auch,  mit  gleicher 
Inschrift,  im  Gebäude  der  Eumachia ;  auch  um  dieses  hat  er  sich 
also  Verdienste  erworben.  Charakteristisch  ist  diese  ganze  Reihe 
von  Wohltätern  geringen  Standes;  sie  zeigt,  in  welchen  Kreisen 
die  ägyptischen  Götter  ihre  Verehrer  fanden.  Ein  vornehmer  Kult, 
wie  namentlich  seit  Hadrian,  war  es  damals  noch  nicht. 

Während  die  griechischen  und  römischen  Götter  wesentlich 
nur  an  ihren  Festen  gefeiert  wurden,  beanspruchten  die  ägyp- 
tischen Gottheiten  einen  täglichen,  ja  täglich  einen  mehrmaligen 
Dienst.  Die  erste  Feier,  die  »Öffnung  des  Tempels«,  beschreibt 
uns  Apuleius  (um  i6o  n.  Chr.).  Vor  Tagesanbruch  betrat  der 
Priester  den  Tempel  durch  den  Nebeneingang  und  öffnete  die 
von  innen  verschlossene  HaupttĂĽr;  ein  weiĂźer,  leinener  Vorhang 
wehrte  noch  den  Blick  in  das  Innere  des  Tempels.  Nun  wurde 
das  Tor  des  Hofes  geöffnet;  die  harrende  Menge  der  Gläubigen 
strömte  herein  und  nahm  vor  dem  Tempel  Aufstellung ;  der  Vor- 
hang wurde  auseinander  gezogen,  das  Bild  der  Göttin  erschien 
den  Blicken  ihrer  Verehrer  und  wurde  von  ihnen  mit  Gebeten 
und  SchĂĽtteln  des  Sistrum  begrĂĽĂźt.  Dann  blieb  man  in  Gebet 
und  Betrachtung  der  Gottheit  beisammen,  sitzend;  eine  Stunde 
nach  Tagesanbruch  endete  die  Feier  mit  einer  Anrufung  der 
mittlerweile  aufgestiegenen  Sonne. 

Ăśber  den  zweiten,   zwei  Stunden  nach  Mittag   stattfindenden 


XXV.    Der  Tempel  der  Isis. 


183 


Tagesdienst  haben  wir  keine  so  genaue  Nachricht.  Vielleicht 
kommt  uns  hier  ein  Freskobild  aus  Herculaneum  zu  Hilfe  (Fig.  90), 
das  einen  wichtigen  Akt  des  Isiskultus  darstellt:  die  Anbetung 
des  heiligen  Wassers.  In  der  Vorhalle  des  Tempels,  ĂĽber  der 
Treppe,  stehen  zwei  Priester  und  eine  Priesterin.    Der  Priester  in 


Fig.  go.     Szene  aus  dem  Isiskult:  Anbetung  des  heiligen  Wassers 
Wandgemälde  aus  Herculaneum. 


der  Mitte  hält  vor  seiner  Brust,  in  den  Falten  seines  Gewandes, 
das  Gefäß  mit  dem  heiligen  Wasser;  seine  beiden  Gefährten 
schĂĽtteln  das  Sistrum.  Am  FuĂź  der  Treppe  der  Altar,  dessen 
Feuer  ein  Priester  anfacht,  rechts  und  links  die  Gläubigen,  auch 
einige  Priester,  zum  Teil  das  Sistrum  schĂĽttelnd;  rechts  vorne  ein 
Flötenbläser. 


i84 


Pompeji. 


Ein  anderes  Bild,  das  GegenstĂĽck  zu  dem  eben  beschriebenen, 
zeigt  ebenfalls  eine  Festfeier.  Die  Szenerie  entspricht  auch  hier 
so  ziemlich  unserem  Tempel.  Ein  brauner,  bekränzter  Mann  tanzt 
unter  dem  Tor  des  Tempels;  hinter  ihm  die  Musik:  man  unter- 
scheidet eine  Beckenschlägerin  und  eine  Frau,  die  das  Tamburin 
rührt.  Um  die  Freitreppe  Priester  und  Gläubige,  das  Sistrum 
schĂĽttelnd  und  betend;  auch  hier  vor  der  Treppe  der  brennende 

Altar.  Ein  Hauptfest  des  Isis- 
kult fand  im  November  statt: 
man  feierte  mit  leidenschaft- 
lichen Klagen  den  Tod  des  Osiris 
und  das  Suchen  nach  seiner 
Leiche,  dann,  am  dritten  Tage, 
dem  1 2.  November,  mit  lebhaften 
Freudenbezeugungen  die  Auf- 
findung derselben  durch  Isis: 
vielleicht  ist  der  Tanz  des 
braunen  Mannes  ein  Ausdruck 
dieser  Freude,  das  Ganze  eine 
Darstellung  des  ägyptischen 
Osterfestes. 

Bei  solchen  Feiern  mochte 
auch,     zur    Darbringung     von 
Rauchopfern,  das  kleine  bron- 
zene   Kohlenbecken    zur    Ver- 
wendung kommen,  das  im  Hofe, 
vor     dem     Tempel     gefunden 
wurde.     FĂĽr  die  Waschungen, 
die  im  ägyptischen  Gottesdienst 
eine   so    groĂźe   Rolle   spielten, 
stand  an  der  rechten  hinteren  Ecksäule  ein  zylinderförmiges,  mit 
ägyptischen  Relieffiguren  verziertes  Bleigefäß,   in  das  aus   einer 
Bleiröhre  der  städtischen  Leitung  ein  Wasserstrahl  fiel. 

Der  kleine  Bau  in  der  SĂĽdostecke  des  Hofes  (4)  war  un- 
bedeckt, eine  Einfriedigung,  der  man  durch  Giebelfelder  vorn 
und  hinten  den  Anschein  eines  bedeckten  Baues  gegeben  hatte. 
Drinnen,  an  der  Rückseite,  führt  eine  Treppe  rechts  abwärts  in 
eine  2,0  x1,50  m  große  unterirdische  gewölbte  Kammer,  deren 


Fig.  91.    Fassade  der  Einfriedigung  des  Wasser- 
behälters. 


XXV.   Der  Tempel  der  Isis.  185 

innerster  Teil,  durch  eine  niedrige  Mauer  abgetrennt^  oftenbar  ein 
Wasserbehälter  ist.  Eine  niedrige  Aufmauerung  in  der  rechten 
Ecke  des  vorderen  Teiles  mochte  zum  Aufstellen  eines  Gefäßes 
dienen,  in  welches  das  dort  geschöpfte  Wasser  gefüllt  wurde. 
Wir  dĂĽrfen  wohl  nicht  zweifeln,  daĂź  hier  das  zum  Kultus  ge- 
brauchte heilige  Wasser  aufbewahrt  wurde. 

Diese  Bestimmung  des  Gebäudes  wird  auch  durch  einen  Teil 
der  Stuckreliefs  seiner  AuĂźenseite  (Fig.  91)  angedeutet.  Im  Giebel- 
feld steht  über  dem  Eingang  auf  blauem  Grunde  ein  Gefäß;  zu 
jeder  Seite  desselben  eine  knieende,  anbetende  Gestalt.  Ă„gyptische 


Fig.  92.     Stuckreliefs   auf  der  Ostseite   der   Einfriedigung   des   Wasserbehälters  —  Perseus    und 
Andromeda.     Rechts  und  links  schwebende  Amoren,  links  mit  Weihrauchkästchen. 


Priester  und  Priesterinnen,  alle  der  Mitte  und  dem  Gefäß  zu- 
gewandt, enthält  auch  auf  blauem  Grunde  der  nach  ägyptischer 
Art  als  Hohlkehle  gebildete  Fries.  Offenbar  beten  alle  diese 
Figuren  das  in  dem  Gefäß  enthaltene  heilige  Wasser  an.  Auf  den 
anderen  drei  Seiten  enthält  der  Fries  in  weißem  Stuckrelief  Delphine 
und  —  so  scheint  es  —  schwimmende  und  auf  Seetieren  reitende 
Amoren.     Also  auch  hier  Andeutung  des  Wassers. 

Von  dem  ĂĽbrigen  Reliefschmuck  haben  noch  die  beiden  weib- 
lichen Gestalten  in  den  F'eldern  neben  dem  Eingange  ägyptischen 
Charakter:  die  eine,  links,  ist  deutlich  Isis.  Unter  jeder  derselben 
stand,  an  die  VV^and  gelehnt,  ein  kleiner  Tuffaltar.  Auch  das 
Stuckrelief  an  der  Vorderseite   des  Eckpilasters  enthält   in  einem 


l86  Pompeji. 

Laubgewinde  ägyptische  Symbole:  Uräusschlange ,  Nilpferd, 
Sistrum,  Situla  (Eimer)  u.  A.  Die  Reliefs  der  Seitenwände  sind 
griechisch-römischen  Stils:  im  Mittelfeld  links  (Fig.  92)  Perseus 
und  Andromeda,  rechts  Mars  und  Venus. 

Die  kleine  Wohnung  auf  der  SĂĽdseite  des  Hofes  besteht  aus 
einem  Schlafzimmer  (9),  einem  Speisezimmer  (7),  einer  KĂĽche  (8) 
und  zwei  kleinen  Räumen  unter  der  auf  den  obersten  Rang  des 
Theaters  führenden  Treppe.  Bei  der  beständigen  Fürsorge  und 
den  zahlreichen  Kulthandlungen,  welche  die  ägyptischen  Götter 
verlangten,  war  es  nötig,  daß  ein  oder  mehrere  Priester  im  Tempel 
wohnten.  Sicher  dürfen  wir  in  diesen  Räumen  eine  Priester- 
wohnung erkennen;  auch  das  Speizezimmer  wird  nachts  zum 
Schlafen  benutzt  worden  sein. 

Von  den  beiden  auf  Kosten  der  Palästra  gewonnenen  Räumen 
der  Westseite  ist  der  eine  (6)  regelmäßig  geformt,  mit  fünf  über- 
wölbten Zugängen.  Die  Wände  waren  reich  im  letzten  pompeja- 
nischen  Stil  bemalt,  mit  sieben  groĂźen  Bildern ;  fĂĽnf  groĂźe  Land- 
schaften mit  Heiligtümern  zum  Teil  ägyptischen  Charakters,  ferner 
lo  von  Argos  bewacht  und  der  zu  ihrer  Befreiung  gekommene 
Hermes,  endlich  lo,  wie  sie,  vom  Nil  getragen,  in  Ă„gypten  an- 
kommt und  von  Isis  empfangen  wird.  An  der  RĂĽckwand  eine 
Basis;  vermutlich  stand  hier  die  ĂĽberlebensgroĂźe  weibliche  Statue, 
deren  Reste  in  einem  der  Eingänge  gefunden  wurden;  nur  Kopf, 
Hände  und  die  vorderen  Teile  der  Füße  waren  aus  Marmor,  das 
ĂĽbrige  aus  Holz  und  ohne  Zweifel  bekleidet;  die  Priester  hatten 
sie  mitnehmen  wollen,  aber  schon  im  Ausgange  des  Zimmers  den 
Versuch  aufgegeben.  Man  fand  in  diesem  Zimmer  einen  Marmor- 
tisch, ein  Sistrum,  zwei  tönerne  Töpfe,  drei  Glasflaschen  und 
einen  Glasbecher;  es  liegt  nahe,  an  die  gemeinsamen  Mahlzeiten 
der  Kultgenossen  zu  denken,  von  denen  wir  aus  Apuleius  wissen. 
Und  auch  fĂĽr  die  Mysterienfeiern,  die  pantomimische  Darstellung 
des  Mythos  von  Isis  und  Osiris,  bot  dieser  geräumige  Saal  den 
geeignetsten  Raum. 

Der  links  anliegende  unregelmäßige  Raum  (5)  war,  wie  es 
scheint,  von  größerer  Heiligkeit,  der  Schauplatz  geheimnisvollerer 
Zeremonien;  hierauf  deutet  der  engere,  verschlieĂźbare  Eingang. 
Die  Wände  waren  auf  einfach  weißem  Grunde  bedeckt  mit  grob 
gemalten  großen  Gestalten  von  Göttern  —  Isis,  Osiris,  Typhon 


XXV.    Der  Tempel  der  Isis.  187 

—  heiligen  Tieren  und  anderen  uns  unverständlichen,  auf  den 
Mythos  bezĂĽglichen  Darstellungen.  Man  fand  hier  die  Reste  von 
vier  Statuen  —  drei  weiblichen  und  einer  männlichen  —  aus 
Holz  mit  marmornen  Köpfen  und  Extremitäten;  außerdem  ein 
kleines  ägyptisches  Götterbild  aus  grünem  Stein  mit  einer  Hiero- 
glypheninschrift, ein  anderes  aus  weiĂźer,  grĂĽnglasierter  Tonmasse, 
eine  tönerne  Sphinx  und  Fragmente  kleiner  Tonfiguren  ägyp- 
tischen Charakters,  allerlei  Gefäße  aus  Ton,  Glas  und  Blei,  und 
ein  bronzenes,  also  zu  sakralen  Zwecken  bestimmtes  Messer.  In 
der  Nordwand  eine  kapellenartige  Nische.  Der  kleine  Raum  an 
der  SĂĽdwestseite  (s.  Plan,  Taf.  IV)  konnte  leicht  durch  einen 
Vorhang  von  dem  Hauptraume  getrennt  werden.  Von  hier  aus 
wieder  gelangte  man  ĂĽber  vier  Stufen  und  durch  eine  TĂĽr  in 
einen  Vorratsraum,  in  dem  35  TongefaĂźe  verschiedener  Form, 
ein  eiserner  DreifuĂź  und  58  Tonlampen  gefunden  wurden.  Und 
zwar  waren  diese  letzteren  zum  Teil  mit  eisernen  Ringen  zum 
Aufhängen  versehen;  es  fanden  sich  auch  eiserne  Stangen,  die 
den  Entdeckern  den  Eindruck  machten,  als  hätten  sie  eben 
diesem  Zweck  gedient.  Eine  HintertĂĽr  fĂĽhrte  von  hier  in  den 
unregelmäßigen  Raum  zwischen  dem  Theater  und  der  Palästra. 
Alles  dies  deutet  auf  geheimnisvolle  Nachtfeiern.  Hier  mochten 
die  geheimnisvollen  Bräuche  der  Aufnahme  unter  die  Isisdiener 
geĂĽbt  werden,  von  denen  Apuleius  nur  kurze,  dunkle  Andeu- 
tungen gibt.  »Die  Einweihung  wird  gefeiert«,  so  sagt  ihm  der 
Priester,  > unter  dem  Bilde  freiwilligen  Todes  und  eines  von  der 
Gottheit  leihweise  wiedergegebenen  Lebens.«  Und  von  seiner 
eigenen  Einweihung  sagt  Apuleius:  »Ich  kam  an  die  Grenze  des 
Todes,  ich  betrat  die  Schwelle  der  Proserpina,  und  kehrte  dann 
durch  alle  Elemente  hindurch  zum  Leben  zurĂĽck;  ich  sah  mitten 
in  der  Nacht  die  Sonne  hell  glänzen;  ich  trat  vor  das  Angesicht 
der  oberen  und  unteren  Götter  und  betete  sie  an  aus  nächster 
Nähe.«  Verzicht  auf  das  bisher  geführte  Leben,  Wiedergeburt 
zu  einem  neuen  geläuterten  Leben  durch  die  Gnade  der  Gott- 
heit :  dies  sind  die  Grundgedanken  der  Zeremonien,  die  in  diesem 
engen,  winkeligen  Räume  wohl  etwas  weniger  großartig  als  in 
Rom  gefeiert  werden  mochten. 


r\ 


Kapitel  XXVI. 
Der  Tempel  des  Zeus  Meilichios. 

Ein  kleiner  Tempel  liegt  an  der  Nordostecke  des  Theater- 
komplexes, mit  Eingang  von  der  Stabianer  StraĂźe.  Der  Hof 
hatte,  wie  der  des  Vespasianstempels,  nur  an  der  Vorderseite  eine 
Säulenhalle  (i);  erhalten  sind  die  Fundamente  und  ein  dorisches 
Lavakapitell;  rechts  an  derselben  die  Kammer  des  KĂĽsters  (4). 
Im  Hofe  (2)  der  große  Altar  aus  Tuff;  seine  Motive  —  Quadern 

mit  Saumschlag  und  Triglyphenfries 
—  sind  die  des  ersten  Dekorations- 
^— p^1"W|w^^"^    ■■        Stiles.      Weiter    die    zum    Tempel 
b|  3   '      •       ra     *i  hinaufführende  Treppe ;  seine  soviel 

^^il    •  •  •      I        höhere  Lage  ist  durch  die   natür- 

liche Terrainbildung  bedingt.  Von 
den  sechs  Säulen  der  Vorhalle  ist 
nichts  erhalten;  wohl  aber  zwei 
Pilasterkapitelle  aus  Tuff,  einst  mit 
weißem  Stuck  überzogen,  ein  größeres,  von  einem  Eckpilaster 
der  Cella,  und  ein  kleineres  von  einem  TĂĽrpfosten  (Fig.  94).  Die 
fein  empfundenen  Formen  und  die  gute  Arbeit  deuten  auf  die 
Zeit  des  ersten  Dekorationsstils;  und  ein  Rest  einer  Dekoration 
dieses  Stils  wurde  vor  1837  von  Gau  (bei  Mazois  IV,  4)  auf  der 
rechten  Wand  der  Cella  gezeichnet.  Dagegen  gehört  das  dem 
Netzwerk  ähnliche  Lavamauerwerk  zweifellos  der  ersten  Zeit  der 
Kolonie  an.  In  dieser  Zeit  also  wurde  der  Tempel  erbaut,  viel- 
leicht unter  Mitwirkung  alteinheimischer  Bauhandwerker. 

Auf  einer  Basis  an  der  RĂĽckwand  der  Cella  standen  zwei 
Tonstatuen,  Jupiter  und  Juno,  und  eine  TonbĂĽste  der  Minerva; 
es  ist  zunächst  schwer,  sich  des  Gedankens  zu  erwehren,  daß 
wir  hier  das  von  den  Kolonisten  gleich  nach  ihrer  Ankunft 
erbaute  Kapitol  von  Pompeji  vor  uns  haben.     Dennoch  aber  ist 


Fig.  93.  GrundriĂź  des  Tempels  des  Zeus 
Meilichios.  i.  Säulenhalle.  2.  Hof  mit 
Altar.    3.  Cella.    4.  Kammer  des  KĂĽsters. 


XXVI.   Der  Tempel  des  Zeus  Meilichios. 


189 


dies  schwerlich  richtig.  Selbstverständlich  sind  diese  dürftigen 
Tonfiguren  nur  ein  zeitweiliger  Ersatz  der  durch  das  Erdbeben 
des  Jahres  63  zerstörten  Kultbilder.  Nun  war  aber  die  Basis 
unseres  Tempels  so  unsolid  gebaut  —  aus  kleinen  Steinen  ge- 
wölbt, jetzt  spurlos  verschwunden  —  auch  so  klein,  daß  auf 
ihr  drei  einigermaĂźen  groĂźe  Marmorstatuen  nie  gestanden  haben 
können.  Und  es  ist  doch  auch  nicht  recht  glaublich,  daß  die 
Kolonisten,  denen  es  an  Mitteln  nicht  fehlte,  den  Reichsgöttern 
ein  so  bescheidenes  Heiligtum  und  an  so  wenig  hervorragender 
Stelle  erbaut  haben  sollten.  Allem  Anschein  nach  haben  die 
kapitolinischen  Gottheiten  hier  nur  ein  zeitweiliges  Unterkommen 
gefunden,  weil  das  eigentliche 
Kapitol,  der  Jupitertempel  auf 
dem  Forum,  im  Jahre  63  einge- 
stĂĽrzt war. 

Bei  welcher  Gottheit  waren 
aber  hier  die  kapitolinischen  Götter 
zu  Gaste?  Im  Stabianer  Tor  steht 
eine  oskische  Inschrift,  bezĂĽglich 
auf  Wegearbeiten  zweier  Adilen, 
M.  Sittius  und  N.  Pontius.  Und 
zwar  handelt  es  sich  um  die  aus 
dem  Tor  fĂĽhrende  StraĂźe  bis  zur 
Stabianer  BrĂĽcke  (ĂĽber  den  Sarno) 

und  die  Via  Pompeiana  bis  zum  Tempel  des  Zeus  Meilichios ;  diese 
Straßen,  sowie  auch  die  Via  Jovia  und  noch  eine  (unverständlichen 
Namens)  haben  sie  von  Grund  auf  ausgebessert.  Es  liegt  sehr  nahe, 
zu  vermuten,  daĂź  die  mit  der  aus  dem  Tor  fĂĽhrenden  zusammen 
genannte  Via  Pompeiana  keine  andere  ist,  als  die  vom  Tor  in 
die  Stadt  fĂĽhrende ,  die  jetzt  sogenannte  Stabianer  StraĂźe :  vom 
Tor  bis  zum  Tempel  des  Zeus  Meilichios.  Und  da  an  der  StraĂźe 
kein  anderer  Tempel  liegt  als  eben  dieser,  so  wäre  dies  der 
Tempel  des  Zeus  Meilichios. 

Freilich  aber  kann  der  uns  vorliegende  Tempel  nicht  alt  ge- 
nug sein,  um  in  der  oskischen  Inschrift  erwähnt  zu  werden.  Aber 
vielleicht  stand  an  seiner  Stelle  schon  früher  ein  älterer  Tempel. 
Zwar  die  Bauart  des  Tempels  selbst  ist  deutlich  die  der  ersten 
Zeit  der  Kolonie;   aber   die  linke  Mauer   des  Tempelhofes   sieht 


Fig.  94- 


TĂĽrpfostenkapitell   mit  dem  Kopf 
des  Zeus  Meilichios. 


igo  Pompeji. 

ganz  anders  und  älter  aus  und  muß,  da  sie  keinerlei  Ansätze 
von  Quermauern  zeigt,  auch  frĂĽher  schon  an  einem  Platze  wie 
dieser  Tempelhof  gelegen  haben.  Und  sollten  nicht  auch  jene 
durchaus  vorrömisch  aussehenden  Kapitelle  —  sie  gehören  zu  den 
allerbesten  Beispielen  des  Stiles  der  Tufifperiode  —  ein  Rest 
des  älteren  Baues  sein? 

Ist  diese  Vermutung  richtig,  so  wird  wohl  der  in  dem  Kapitell 
angebrachte  Kopf  ein  Bild  jenes  an  vielen  Orten  Griechenlands 
namentlich  als  Schutzgott  des  Ackerbaues  verehrten  »gnädigen 
Zeus«  sein.  Bärtig,  mit  langen  Locken,  ernsten  Ausdrucks,  ist 
er  gewiĂź  kein  bloĂź  ornamentaler  Schmuck,  wahrscheinlich  viel- 
mehr eben  der  hier  verehrte  Gott,  und  es  ist  durchaus  glaublich, 
daĂź  er  einen  altertĂĽmlichen  Zeustypus  wiedergibt. 


Kapitel  XXVII. 
Die   Bäder  in  Pompeji.     Die   Stabianer  Thermen. 

Eine  wie  groĂźe  Rolle  im  Leben  der  Alten,  und  namentlich 
der  Römer  der  Kaiserzeit,  das  Baden  spielte,  wie  die  großen 
Badeanstalten  auch  alles  das  boten,  was  man  heutzutage  im  Klub, 
im  Cafe,  auf  der  Promenade  findet,  das  ist  bekannt  genug  und 
braucht  hier  nicht  wiederholt  zu  werden. 

Pompejis  Badeanstalten  sind  von  mäßiger  Größe;  ihr  Inter- 
esse beruht  auf  der  guten  Erhaltung,  der  vollkommenen  Klarheit 
der  Bestimmung  aller  einzelnen  Räume  und  auch  darauf,  daß 
wir  an  ihnen  eine  fast  zvveihundertjährige  Entwicklung  verfolgen 
können.  Wesentlich  aus  ihnen  stammt  unsere  Kenntnis  dieser 
Seite  des  antiken  Lebens  und  unser  Verständnis  der  großen 
römischen  Anlagen. 

Die  Räume  eines  römischen  Bades  sind,  nur  mehr  oder  weniger 
\  ollständig,  stets  dieselben.  Zunächst  die  Palästra,  der  von  Säulen- 
hallen umgebene  Platz  fĂĽr  gymnastische  Ăśbungen,  und  an  ihm 
das  Schwimmbad.  Sodann  die  eigentlichen  Baderäume.  Mit  dem 
ungeheizten  Auskleideraum,  Apodyterium,  ist  verbunden  das  kalte 
Bad,  entweder  in  einem  anstoßenden  Räume,  Frigidarium,  oder 
als  gemauerte  Wanne  im  Apodyterium  selbst.  Weiter  gelangt 
man  durch  ein  zur  Vermeidung  schroffen  Temperaturwechsels 
mäßig  erwärmtes  Durchgangszimmer,  Tepidarium,  in  den  Raum 
des  warmen  Bades,  das  Caldarium.  Dies  hat  an  einem  Ende  die 
gemauerte  Wanne,  Alveus,  am  anderen,  meistens  in  einer  halb- 
runden Nische,  Schola,  das  Labrum,  ein  groĂźes  Waschbecken  auf 
gemauertem  Untersatz,  in  dem  lauwarmes  Wasser  aufsprudelte. 
Dazu  kommt  in  größeren  Anstalten  —  so  auch  in  einer  der 
pompejanischen  —  ein  runder  Raum  zum  Schwitzen  in  trockener 
Luft,  Laconicum,  assa  sudatio.  In  kleineren  Anstalten  muĂźte 
das  Caldarium  auch  hierfĂĽr  ausreichen. 


ig2  Pompeji. 

Man  heizte  in  älterer  Zeit  durch  Kohlenbecken;  so  im  Tepi- 
darium  einer  der  pompejanischen  Anstalten  bis  zuletzt.  Eine  voll- 
kommenere Methode  erfand  zu  Anfang  des  letzten  Jahrh.  v.  Chr. 
Sergius  Orata,  ein  bekannter  Lebemann  jener  Zeit;  seinen  Bei- 
namen erhielt  er  wegen  seiner  Vorliebe  fĂĽr  die  Goldforelle,  mirata. 
Er  verdiente  viel  Geld  mit  Austerbänken  im  Lucrinersee;  wir 
dürfen  ihm  zutrauen,  daß  er  auch  seine  Erfindung  der  »schweben- 
den Bäder  <,  balneae  pensiles^  industriell  verwertet  haben  wird. 
Diese  bestand  darin,  daĂź  er  den  FuĂźboden  des  Baderaumes  mittels 
Ziegelplatten  von  2  FuĂź  im  Quadrat  auf  kleine  Pfeiler  legte,  so 
daĂź  unter  ihm  ein  Hohlraum  entstand;  indem  dieser  von  einer 
Feuerstelle  aus  mit  heiĂźer  Luft  gefĂĽllt  wurde,  diente  der  erhitzte 
FuĂźboden  als  Ofen.  Doch  war  dies  nur  der  erste  Schritt.  Noch 
in  republikanischer  Zeit  dehnte  man  den  Hohlraum  auch  auf  die 
Wände  aus,  entweder  mittels  viereckiger  Tonröhren  oder  durch 
sogenannte  Warzenziegel,  tegulae  mammatae^  viereckige  Ton- 
platten, die,  nur  mit  einem  kegelförmigen  Vorsprung  an  jeder 
Ecke  die  Wand  berĂĽhrend,  zwischen  sich  und  ihr  einen  Zwischen- 
raum lieĂźen. 

In  Doppelanstalten,  für  Männer  und  Frauen,  legte  man  die 
beiden  Caldarien  dicht  aneinander.  Von  der  gemeinsamen  Feuer- 
stelle [hypocausis)y  wo  auch  das  Badewasser  gewärmt  wurde,  ge- 
langte die  heiße  Luft  jederseits  durch  einen  mäßig  breiten  Heiz- 
kanal unter  den  Fußboden  und  von  hier  aus  in  die  Hohlwände 
der  Caldarien,  und  weiter,  durch  ähnliche  Öffnungen,  schon  be- 
trächtlich abgekühlt,  in  die  gleichen  Hohlräume  der  Tepidarien. 
Um  den  nötigen  Zug  herzustellen  und  die  heiße  Luft  von  der 
Feuerstelle  aus  horizontal  unter  die  Fußböden  zu  leiten,  mußten 
die  Hohlräume  der  Wände  zu  oberst  Luftlöcher  haben,  die  in  der 
Tat  meistens  noch  deutlich  kennbar  sind.  Und  dies  mochte  ge- 
nügen, wenn  einmal  der  Raum  erwärmt  war.  Zum  Anheizen  aber 
bedurfte  man  eines  Lockfeuers :  ein ,  mäßiges  Feuer  unter  dem 
Fußboden,  von  dem  Hauptfeuer  möglichst  entfernt,  den  Zuglöchern 
möglichst  nahe,  bewirkte  zunächst  hier  das  Entweichen  der  er- 
wärmten Luft  und  weiter  das  Nachströmen  vom  Hauptfeuer  aus. 
Wir  werden  zweimal  in  Pompeji  die  Stelle  des  Lockfeuers  finden ; 
mehrfach  ist  sie  auch  in  den  in  Deutschland  gefundenen  Bädern 
konstatiert  worden. 


XXVII.   Die  Bäder  in  Pompeji.     Die  Stabiauer  Tliermen.  ig? 

Nach  persönlicher  Neigung  und  ärztlicher  Vorschrift  badete 
man  in  vielfach  verschiedener  Weise.  Doch  sind  es  wesentlich 
drei  Methoden. 

Die  gewöhnlichste  und  vollständigste  war  die,  daß  man  nach 
Übungen  in  der  Palästra  —  das  Ballspiel  war  sehr  beliebt  — 
sich  im  Apodyterium,  auch  wohl  im  Tepidarium  —  wo  man  ge- 
salbt wurde  —  entkleidete  und  im  Caldarium  erst  schwitzte, 
dann  warm  badete.  ZurĂĽckgekehrt  in  das  Apodyterium  nahm 
man  ein  kaltes  Bad,  ging  dann  in  das  Laconicum  oder,  wo  dieses 
fehlte,  wieder  in  das  Caldarium,  schwitzte  nochmals  und  lieĂź  sich 
endlich  abreiben  und  wiederum  salben,  wodurch  man  sich  gegen 
Erkältung  zu  schützen  glaubte. 

Andere  enthielten  sich  des  warmen  Bades ;  sie  gingen  gleich 
durch  das  Tepidarium  in  das  Laconicum  oder  Caldarium,  schwitzten 
dort  und  nahmen  dann  im  Apodyterium  oder  Frigidarium  ein 
kaltes  Bad  oder  lieĂźen  sich  kalt  ĂĽbergieĂźen.  Abreibung  und 
Salbung  werden  auch  hier  nicht  gefehlt  haben. 

Die  dritte  und  einfachste  Art  war  die,  daĂź  man  sich  durch 
Übungen  in  der  Palästra  erwärmte,  dann  Staub  und  Ol  mit  dem 
Schabeisen  [strigilis]  abstrich  und  im  Schwimmbassin  badete. 

Bis  jetzt  sind  in  Pompeji  drei  städtische  Badeanstalten  aus- 
gegraben, zwei  Doppelanstalten,  für  Männer  und  Frauen,  eine  nur 
für  Männer.  Außerdem  (VIII  2,  17  und  23)  zwei  Privatanstalten, 
vielleicht  zusammengehörig,  die  eine  für  Männer,  die  andere  für 
Frauen.  Eine  weitere,  einem  groĂźen  villenartigen  Privathause 
(»Villa  der  Julia  Felix«)  angehörige  Anstalt,  wie  es  scheint  nur 
für  Männer,  wurde  1755 — 1757  in  der  Nähe  des  Amphitheaters 
ausgegraben  und  wieder  verschüttet.  Mindestens  zwei  mögen 
noch  unter  der  Vesuvasche  liegen.  Eine  mit  einer  warmen  Quelle 
verbundene,  nur  durch  eine  Inschrift  bekannte  Anstalt  werden 
wir  bei  Gelegenheit  der  Gräberstraße  zu  erwähnen  haben.  End- 
lich enthalten  zwölf  Privathäuser  kleine,  für  nur  eine  Person  be- 
rechnete Bäder. 

»Stabianer  Thermen«  nennt  man  die  größte  und  älteste  Bade- 
anstalt Pompejis  wegen  ihrer  Lage  an  der  Ecke  der  Stabianer 
und  der  AbbondanzastraĂźe.  Etwa  im  2.  Jahrh.  v.  Chr.  erbaut, 
erfuhr  sie  einen  Umbau  in  der  ersten  Zeit  der  römischen  Kolonie, 

Mau,   Pompeji.     2.  Aufl.  I  •; 


1 94  Pompeji. 

bald  nach  80  v.  Chr.  Auf  diesen  bezieht  sich  eine  nicht  an  ihrem 
Platze,  sondern  beiseite  gestellt,  in  einem  Nebenraume  gefundene 
Inschrift:  C.  Uulius  C.  f.  P.  Aninius  C.  f.  II  v.  i.  d.  Laconicum 
et  destrictarium  faciund.  et  porticus  et  palaestr.  reficiunda  locarunt 
ex  d.  d.  ex  ea  pequnia  quod  eos  e  lege  in  ludos  aut  in  monumento 
consumere  oportuit  faciun.  coerarunt  eidemque  probaru. 

Schriftcharakter  und  Orthographie  fĂĽhren  auf  sullanische  Zeit; 
die  Syntax  ist  mangelhaft,  der  Sinn  aber  klar:  >Die  Duumvirn 
Ulius  und  Aninius  haben  den  Bau  des  Laconicum  und  des  De- 
strictarium (eines  Raumes  zum  Abstreichen,  destringere,  des  Staubes 
und  Öles)  und  die  Ausbesserung  der  Portiken  und  der  Palästra 
auf  RatsbeschluĂź  verdungen  und  approbiert,  in  ErfĂĽllung  der 
mit  ihrem  Amte  verknĂĽpften  Pflicht,  eine  gewisse  Summe  ent- 
weder für  Spiele  oder  für  ein  Bauwerk  aufzuwenden«.  Portiken 
und  Palästra  sind  sofort  kenntlich;  auf  das  Destrictarium  und 
Laconicum  kommen  wir  weiterhin  zurĂĽck. 

Das  Gebäude  liegt  frei  nach  drei  Seiten;  im  Norden  stößt  es 
an  ein  Privathaus.  Auf  die  Straßen  öffnen  sich  Läden,  die  mit 
dem  Bade  nichts  zu  tun  haben.  Von  SĂĽden  fĂĽhrt  der  Haupt- 
eingang A  in  die  Palästra  C.  Sie  hat  Säulenhallen  (B)  auf  drei 
Seiten;  links  statt  derselben  eine  2,48  m  breite  Bahn  aus  Tuff- 
steinen, auf  der  zwei  schwere  Steinkugeln  gefunden  wurden,  be- 
stimmt von  K  aus  auf  der  Bahn  entlang  gerollt  zu  werden:  eine 
unserem  Kegelspiel  ähnliche  Übung.  An  dieser  Bahn  liegt  das 
Schwimmbad  F,  mit  zugehörigen  Räumen  DKG.  Nördlich  von 
diesen  ein  Seiteneingang  L.  In  J,  mit  einem  Fenster  auf  die 
Palästra  und  einem  auf  den  Stand  der  Kugelspieler,  vermuten 
wir  den  Platz  eines  oder  mehrerer  Aufseher  der  Palästra.  Rechts 
von  der  Palästra,  und  auf  die  Rückseite  übergreifend,  die  doppelte 
Badeanstalt  für  Männer  {IV — VIII)  und  Frauen  (2 — 4).  Dazwischen 
der  Heizraum  IX. 

Links  hinten,  an  dem  auch  von  der  Straße  zugänglichen  Korri- 
dor a,  liegen  vier  Kammern  für  Einzelbäder,  jede  mit  einer  ge- 
mauerten Wanne,  in  ganz  vernachlässigtem  Zustande.  An  den 
Wänden  roher  Stuck,  von  den  Wannen  ist  auch  dieser  fast  ganz 
verschwunden.  Offenbar  waren  sie  schon  lange  vor  der  Ver- 
schĂĽttung nicht  mehr  in  Gebrauch.  Kein  Heizapparat.  In  Einzel- 
zellen zu  baden,  galt  frĂĽher  fĂĽr  vornehm.    Es  kam  ab,  seitdem  die 


1^: 


^ 


XXVII.    Die  Stabianer  Thermen. 


195 


gemeinsamen,  heizbaren  Räume  ganz  anderen  Komfort  boten  als 
er  hier  möglich  war. 

Der  größere  Raum  k,  mit  vollständig  erhaltener  Wölbung, 
ist  der  Abtritt.  An  den  Wänden  entlang  der  Kanal  für  Wasser- 
spĂĽlung, ĂĽber  diesem  die  einst  das  Holzwerk  tragenden  Steine. 

Im  Männerbad  ist  IV,  mit  reich  und  buntfarbig  ornamentiertem 
Tonnengewölbe,  ein  Durchgangsraum  aus  der  Säulenhalle  zum 
Apodyterium  (VI)  und  zum  Frigidarium  (V).  Er  hat  noch  einen 
zweiten  Eingang  aus 
dem  in  älterer  Zeit  auch 
von  der  Straße  zugäng- 
lichen Vorraum  I,  mit 
einer  gemauerten  Bank 
fĂĽr  die  auf  ihre  baden- 
den Herren  wartenden 
Sklaven. 

Mit  eben  solchen 
Bänken  ist  auch  ,  wie 
der  Plan  andeutet,  das 
Apodyterium  selbst  ver- 
sehen. An  den  Wänden 
ĂĽber  denselben,  unter 
dem  Ansatz  des  Tonnen- 
gewölbes ,  eine  Reihe 
kleiner  Nischen  zur  Auf- 
nahme   der  Kleider  (Taf.  ^  Einzelbäder.    k  Abtritt. 

V).    Diese  Nischen  sind 

hier  1,75  m,  in  dem  Apodyterium  der  anderen  Abteilung  (2)  nur 
1,50  m  vom  Boden  entfernt:  man  hat  hieraus  mit  Recht  ge- 
schlossen, daĂź  jene  kleinere  und  einfachere  Abteilung  das  Frauen- 
bad ist.  Der  Fußboden  ist  mit  grauem  Marmor,  an  den  Wänden 
entlang  mit  Lava  gepflastert,  die  Wände  einfach  weiß  mit  rotem 
Sockel.  Der  einzige  reichere  Schmuck  sind  die  weiĂźen  Stuck- 
reliefs der  Wölbung,  aus  der  Zeit  des  letzten  Stils,  wie  auch  die 
ähnlichen  Reste  im  Tepidarium.  In  vier-,  sechs-  und  achteckigen 
Feldern  sehen  wir  hier  Rosetten,  Amoren,  Waffentrophäen, 
Figuren  des  bacchischen  Kreises;  an  den  Seitenflächen  der  beiden 
Gurtbögen    'Taf.  V)    weibliche    Figuren    auf   in  Arabesken    aus- 

13* 


Fig.  95.     GrundriĂź    der    Stabianer  Thermen.      A    Haupt- 


eingang.  B  Säulenhallen. 
I— VIII.  Männerbad  (IV. 
rium.  VI.  Apodyterium. 
darium).  IX.  Heizraum, 
gange.     2.  Apodyterium. 


C  Palästra.     F  Schwimmbad. 

Durchgangsraum.  V.  Frigida- 
VII.  Tepidarium.  VIII.  Cal- 
I  —  6.   Frauenbad    (i,    5.  Ein- 

3.  Tepidarium.     4.  Caldarium). 


igö 


Pompeji. 


laufenden  Delphinen;  in  den  LĂĽnetten  leichte  phantastische 
Architekturen,  belebt  durch  bacchische  Figuren  und  von  Del- 
phinen getragene  Amoren :  ĂĽberall  Hindeutungen  auf  das  Wasser, 
auf  die  Bestimmung  des  Raumes. 

In  reizvoller  Weise  hat  man  dem  kleinen  runden  Frigidarium 
einen  seiner  Bestimmung  angemessenen  Charakter  gegeben.  Wie 
im  Pantheon  läßt  eine  runde  Öffnung  in  der  Spitze  der  kegel- 
förmigen Kuppel  das  Tageslicht  ein.  Rings  um  das  runde,  mar- 
morbekleidete Bassin  ein  schmaler  Rundgang,  auch  dieser  mit 
weiĂźem  MarmorfuĂźboden,  erweitert  durch  vier  halbrunde  Nischen. 

Bunt  bemalt  sind 
diese  wie  die  Wände: 
Bäume  und  Sträucher, 
Statuen  und  in  kelch- 
förmigen  Becken  auf- 
sprudelndes Wasser; 
darĂĽber  blauer  Him- 
mel :  es  sollte  die 
Vorstellung  erweckt 
werden,  als  sei  man 
im  Freien,  in  einem 
reich  geschmĂĽckten 
Garten,  durch  dichtes 
GebĂĽsch  neugierigen 
Blicken  entzogen. 
Auch  die  Kuppel  zeigt  blauen  Grund  mit  Sternen.  Aus  einer 
kleinen  Nische  dem  Eingang  gegenĂĽber  sprang  der  Strahl  des 
Wassers;  auch  die  Stelle,  wo  es  oben  am  Rande  in  dem  MaĂźe 
des  Zuflusses  abfloĂź,  ist  kenntlich. 

Tepidarium  (VII)  und  Caldarium  (VIII)  wurden  von  der 
Feuerstelle  (IX)  aus  durch  hohle  Fußböden  und  hohle  Wände 
geheizt.  Das  Tepidarium  (12,52X6,86  m  inkl.  Hohlwände)  ist, 
wie  in  der  Regel,  der  kleinste  Raum:  es  war  eben  ein  Durch- 
gangsraum, in  dem  man  sich  nicht  lange  aufhielt.  Ausnahms- 
weise hat  es  hier  eine  Badewanne;  sie  ist  nachträgliche  Zutat 
und  mochte  benutzt  werden  von  solchen,  die  in  der  kälteren 
Jahreszeit  das  Frigidarium  scheuten  und  doch  ein  mäßig  kaltes 
Bad   nehmen  wollten.     Unter   ihr  ist   die  Wand  gegen  X  durch- 


Fig.  96.     Frigidarium   der  Stabianer  Thermen,    Durchschnitt. 


XX VII.   Die  Stabiancr  Thermen. 


197 


brochen,  so  daĂź  man  hier  ein  Feuer  anzĂĽnden  konnte,  nicht 
zur  Erwärmung  der  Wanne,  der  man  warmes  Wasser  nach  Bedarf 
zuleiten  konnte,  sondern  als  Lockfeuer,  zur  Herstellung  des  Zuges 
beim  Beginn  der  Heizung.  Oben  in  derselben  Wand  entwich  die 
heiße  Luft  durch  zwei  Zuglöcher  aus  dem  Hohlraum.  Die  gleiche 
Vorrichtung  war  auch  unter  dem  Frauencaldarium.  An  Wölbung 
und  Lünetten  weißes  Stuckrelief:  im  Fries  am  Ansatz  der  Wöl- 
bung Schiffe,  also  auch  hier  ein  Wassermotiv;  in  den  LĂĽnetten 
leichte  Architekturen,  belebt  durch  Figuren:  ein  Mann,'  der  in 
einer  Schriftrolle  liest,  erinnert  an  die  Klagen  der  Alten  ĂĽber  die 
Plage  der  Poeten,  die  in  den  Bädern,  wo  man  nicht  fliehen  konnte, 
ihr  Neuestes  vortrugen. 

Das  Caldarium  VIII  hat  an  dem  einen  Ende  die  Badewanne, 
Alveus,  am  anderen,  in  einer  halbrunden  Nische,  den  gemauerten 
Untersatz  des  Labrums;  dieses  selbst  fehlt.  Wand-  und  Decken- 
schmuck sind  verloren.  In  der  Nische  des  Labrums  zwei  Zug- 
löcher. 

Tafel  V  zeigt  das  kleine  runde  Fenster  des  Vorraumes  IV. 
Zwei  eben  solche  waren  in  der  sich  ĂĽber  IV  erhebenden  LĂĽnette 
des  Apodyteriums  VI,  vermutlich  auch  im  Tepidarium  ĂĽber  der 
Kuppel  des  Frigidariums,  ein  etwas  größeres  im  Caldarium  über 
dem  Labrum.  Und  wenn  auch,  wie  im  Frauenapodyterium,  kleine 
runde  Öffnungen  im  Scheitel  der  Wölbung  zu  Hilfe  kamen,  so 
konnte  doch  nur  ein  mattes  Dämmerlicht  in  diesen  Räumen 
herrschen. 

Durch  einen  bedeckten  Vorraum  (6)  betreten  wir  das  Frauen- 
bad. Die  TĂĽr,  durch  die  wir  eintreten,  ist  antik,  aber  erst 
nachträglich  durchgebrochen ;  ursprünglich  hatte  das  Frauenbad 
keine  Verbindung  mit  der  Palästra  und  war  nur  durch  zwei 
Korridore  (1,  5}  von  zwei  Straßen  aus  zugänglich. 

Wir  .stehen  im  Apodyterium  (2).  Fast  spurlos  ist  die  Kata- 
strophe vorüber  gegangen  an  diesem  Räume,  dem  best  erhal- 
tenen und  auch  dem  altertĂĽmlichsten  der  ganzen  Anlage.  Un- 
versehrt ist  das  Tonnengewölbe.  Sein  glatter  weißer  Stuck, 
das  einfache  Randgesims  der  LĂĽnetten  stammen  aus  der  Zeit 
der  ersten  Erbauer.  Wie  damals  lassen  noch  heute  nur  zwei 
kleine  runde  Öffnungen  im  Scheitel  der  Wölbung  und  ein  mäßig 
großes  Fenster  in  der  westlichen  Lünette  in  schwachen  Strömen 


igS  Pompeji. 

das  Tageslicht  eindringen.  Aus  derselben  alten  Zeit  stammt  der 
Fußboden,  rautenförmige  rötlich  glasierte  Ziegel.  Eine  schmale 
Bahn  aus  Lavasteinen  verbindet  die  TĂĽr  des  einen  Korridors  (i) 
mit  der  des  Tepidariums  (3);  sie  beweist,  daĂź  dies  ein  viel  be- 
gangener Weg  war,  daĂź  also  manche  Frauen,  namentlich  wohl 
im  Winter,  ohne  sich  im  kalten  Apodyterium  aufzuhalten,  gleich 
in  das  mäßig  gewärmte  Tepidarium  gingen.  An  den  Wänden 
entlang  gemauerte  Bänke;  über  diesen  Nischen  für  die  Kleider, 
hier,  wie  schon  bemerkt,  niedriger  als  im  Männerbad. 

Ein  Frigidarium  hatten  die  Frauen  nicht;  ihnen  muĂźte  eine 
in  der  Ecke  des  Apodyteriums  aufgemauerte  Wanne  genĂĽgen. 
Und  auch  diese  ist  nachträgliche  Zutat;  in  älterer  Zeit  müssen 
sich  die  Frauen  tragbarer  Wannen  bedient  haben. 

Tepidarium  (3)  und  Caldarium  (4),  durch  kleine  Fenster  in 
den  westlichen  Lünetten  spärlich  erleuchtet,  ergänzen  sich  glück- 
lich mit  denen  des  Männerbades.  Dort  gestattet  weitgehende 
Zerstörung  einen  Einblick  in  die  Heizvorrichtungen;  hier  ist  die 
Erhaltung  besser,  und  leichter  vergegenwärtigen  wir  uns  den 
Eindruck  dieser  Räume.  So  altertümlich  freilich  wie  das  Apo- 
dyterium sind  sie  nicht;  ihre  ziemlich  einfache  Dekoration 
stammt  aus  der  Kaiserzeit.  Das  Labrum  —  hier  nicht  in  einer 
Apsis  —  ist  völlig  intakt:  ein  rundes,  flaches  Marmorbecken  auf 
gemauertem  Untersatz;  in  der  Mitte  die  Ă–ffnung,  aus  der  das 
Wasser  aufsprudelte. 

Ebenso  intakt  ist  der  mit  weiĂźem  Marmor  bekleidete  Alveus. 
Rechts  vorne  oben  die  bronzene  Ă–ffnung  des  AbfluĂźrohres,  links 
unten  eine  Ă–ffnung  zum  Ausleeren;  das  Wasser  floĂź  dann  auf 
den  FuĂźboden  und  diente  zur  Reinigung.  Das  ZufluĂźrohr  ist 
nicht  erhalten.  Der  Alveus  ist  nur  0,62  m  tief;  man  badete 
sitzend,  gelehnt  an  die  schräge  Rückwand,  die  Vitruv  deshalb 
das  Polster,  pulvinus^  nennt.  Es  war  Platz  für  höchstens  acht 
Personen,  im  Männerbade  etwa  für  zehn.  Vermutlich  wurden 
Nummern  ausgegeben  und  man  wartete ,  bis  man  an  die  Reihe 
kam.  FĂĽr  solche,  die  nicht  warten  wollten  oder  es  vorzogen, 
allein  zu  baden,  gab  es  bronzene  Wannen;  Reste  einer  solchen, 
sowie  auch  von  bronzenen  Bänken,  wurden  in  diesem  Caldarium 
gefunden. 

Die  erste  Kaiserzeit  liebte   eine  hohe  Temperatur  des  Bade- 


XXVII.    Die  Stabiancr  Thi-rmen. 


199 


Wassers;  man  wollte,  wie  Seneca  sagt,  abgebrĂĽht  werden  [deco- 
qui\  während  doch  die  Marmorwanne  zur  Konservierung  der 
Hitze  wenig  geeignet  war.  Unsere  Fig.  97  zeigt  die  sinnreiche 
Vorrichtung,  durch  die  hier  dieser  Schwierigkeit  begegnet  ist. 
Ăśber  dem  Heizkanal  D,  durch  den  die  heiĂźe  Luft  in  den  Hohl- 
raum (C)  unter  dem  Fußboden  einströmt,  liegt  ein  halbzylinder- 
förmiger  Bronzekessel  B,  dessen  eines  Ende  sich  in  den  Alveus 
A  öfifnet.  Indem  nun  das  Wasser  zugleich  mit  der  Wanne  auch 
den  Kessel  fĂĽllte,  wurde  es  hier,  in  direkter  BerĂĽhrung  mit  dem 
Feuer,  stets  von  neuem  erwärmt.  Und  da  der  Boden  des  Kessels 
etwa  15  cm  tiefer  liegt  als  der  der  Wanne,  so  war  durch  be- 
ständige Zirkulation   für  gleichmäßig   hohe  Temperatur  gesorgt. 


Fig.  97.    Badewanne  im  Frauencaldarium  mit  Vorrichtung  zum  Warmhalten  des  Wassers,  Längen- 
und  Querschnitt.     A  Wanne.     B  Heizkessel.     C  Hohlraum  unter  dem  FuĂźboden.     D  Heizkanal. 


Dieselbe  Vorrichtung  [testiido  alvei  nennt  sie  Vitruv)  war  auch 
am  Alveus  des  Männerbades  vorhanden,  wo  der  Kessel  fehlt, 
aber  die  gewölbte  Öffnung  kenntlich  ist.  Sie  war  sehr  verbreitet. 
Erhalten  ist  der  Kessel  nur  noch  in  der  Villa  bei  Boscoreale 
(Kap.  XLV).  Aber  die  für  ihn  gelassene  halbkreisförmige  Öffnung 
ĂĽber  dem  Heizkanal  finden  wir  noch  in  den  Centralthermen,  ferner 
in  einer  Privatbadeanstalt  in  Pompeji,  und  wo  immer  in  einst 
römischem  Gebiet  Badeanlagen  gefunden  werden.  Nicht  in  den 
Thermen  beim  Forum,  weil  hier  alles  geblieben  ist,  wie  es  in 
republikanischer  Zeit  war.  Auch  in  den  Stabianer  Thermen  ist  die 
Testudo  sicher  eine  spätere,  aus  der  Kaiserzeit  stammende  Zutat. 

Zwischen  den  beiden  Caldarien  liegt  der  Heizraum ,  praefnr- 
niuDi  (IX).  Hier  standen,  Vitruvs  Vorschrift  entsprechend,  drei 
mächtige  zylindrische  Wasserkessel;  sie  sind  nicht  erhalten,  doch 


2  00  Pompeji. 

ist  ihre  Form  kenntlich  in  dem  sie  einst  einschlieĂźenden  Mauer- 
werk. Der  östlichste  enthielt  das  heiße  Wasser;  unter  ihm  war 
die  Feuerstelle,  hypocausis.  Der  nächste,  für  lauwarmes  Wasser, 
stand  ĂĽber  einem  mit  der  Feuerstelle  in  Verbindung  stehenden 
Hohlraum,  der  dritte,  fĂĽr  kaltes,  auf  massivem  Mauerwerk.  Er- 
halten ist  die  Bleiröhre,  welche  aus  dem  mittleren,  lauwarmen 
Kessel  zum  Labrum  des  Frauenbades  fĂĽhrte. 

Wo  ist  denn  nun  aber  das  von  Ulius  und  Aninius  gebaute 
Laconicum,  der  trockene  Schwitzraum? 

Wir  haben  bei  Besprechung  dieser  Räume  einen  Punkt  bei- 
seite gelassen:  die  allmähliche  Vervollkommnung  des  Heiz- 
apparats. Es  ist  ja  klar,  daĂź  die  im  2.  Jahrh.  v.  Chr.  erbaute 
Anstalt  nicht  von  Anfang  an  die  von  Sergius  Orata  erfundenen, 
noch  weniger  die  späteren  vollkommeneren  Einrichtungen  haben 
konnte.  Ich  darf  dem  Leser  nicht  zumuten,  mir  zu  folgen  in 
der  minutiösen  Untersuchung  der  Geschichte  dieses  Apparats. 
Die  Resultate  aber  sind  in  der  Kürze,  zunächst  für  das  Männer- 
bad, folgende: 

Anfangs  gab  es  weder  Hohlwände,  noch  hohle  Fußböden. 
Rings  an  den  Wänden  die  in  den  Apodyterien  noch  jetzt  erhal- 
tenen Nischen,  in  zwei  Reihen,  oben  größer,  unten  kleiner.  Man 
heizte  durch  Kohlenbecken. 

Später  erhielt  zuerst  das  Caldarium  den  hohlen  Fußboden, 
noch  später  die  Hohlwände,  auch  an  Wölbung  und  Lünetten, 
während  das  Tepidarium  nach  wie  vor  durch  Kohlenbecken  ge- 
heizt wurde:  ein  Zustand,  der  in  den  Thermen  beim  Forum  bis 
zuletzt  geblieben  ist. 

Endlich  wurde  auch  das  Tepidarium  mit  den  Hohlräumen  ver- 
sehen, und  zwar  gleichzeitig  in  Fußboden  und  Wänden,  jedoch 
mit  Ausschluß  der  Wölbung  und  der  Lünetten. 

Im  Frauenbade  wird  der  Verlauf  wesentlich  derselbe  gewesen 
sein.  Nur  kam  hier  noch  hinzu  die  nachträgliche  Ausdehnung 
der  Hohlwände  auf  Wölbung  und  Lünetten  auch  im  Tepidarium. 
Die  Frauen  beanspruchten  —  so  scheint  es  —  größere  Wärme 
als  die  Männer;  auch  in  den  Thermen  am  Forum,  wo  bis  zuletzt 
das  Männertepidarium  nur  durch  ein  Kohlenbecken  geheizt  wurde, 
finden  wir  in  dem  der  Frauen  die  Hohlräume  in  Fußboden  und 
Wänden,  freilich  nicht  am  Gewölbe. 


XXVII.    Die  Stabianer  Thermen.  201 

Sind  nun  um  loo  v.  Chr.  die  hohlen  Fußböden  erfunden 
worden,  und  fällt  die  Tätigkeit  des  Ulius  und  Aninius  bald  nach 
80,  so  werden  wohl  sie  in  den  Caldarien  die  neue  Erfindung  zur 
Anwendung  gebracht  haben.  Dann  aber  muĂź  eben  dies  in  der 
Inschrift  ausgedrĂĽckt  sein.  Und  daĂź  sie  in  der  Tat  so  verstanden 
werden  kann,  dafĂĽr  bietet  eine  Stelle  des  Dio  Cassius  (LIII,  27,  i) 
wenigstens  einen  Anhalt.  Dort  heißt  es  von  Agrippa:  »er  baute 
das  lakonische  Schwitzbad«  (xo  Trupiatripiov  t6  Aaxtovixdv).  Nun 
aber  baute  Agrippa  nicht  ein  Laconicum  im  gewöhnlichen  Sinne, 
sondern  eine  ganze  groĂźe  Badeanlage.  Ist  darnach  hier  das 
Wort  gebraucht  in  dem  weiteren  Sinne  einer  durch  Hohlböden 
und  Hohlwände  geheizten  Badeanstalt,  und  stammt,  wie  wir 
vermuten  dĂĽrfen,  dieser  Ausdruck  nicht  vom  Dio,  sondern  aus 
seiner  Quelle,  so  können  auch  wohl  obige  Worte  der  Inschrift 
—  Laconicum  facimid.  —  besagen,  daß  jene  beiden  das  alte  Bad 
in  ein  nach  neuer  Methode  geheiztes  verwandelten.  Eine  bessere 
Erklärung  ist  wenigstens  bisher  nicht  gefunden  worden. 

Es  wird  sich  uns  weiterhin  (S.  203)  ergeben,  daĂź  wahrscheinlich 
das  Tepidarium  nicht  frĂĽher  als  etwa  20  n.  Chr.  heizbar  gemacht 
wurde.  Seine  letzte  Gestalt  und  Dekoration  erhielt  das  Gebäude, 
nach  dem  Stil  zu  urteilen,  wenige  Jahrzehnte  vor  der  VerschĂĽttung. 

Wir  wenden  uns  jetzt  aus  den  geschlossenen  Räumen  in  die 
weite  Palästra. 

Das  unbedeckte  Schwimmbassin  F  (12,7  x8  m,  tief  1,50  m) 
ist  von  der  Palästra  getrennt  durch  eine  0,67  m  hohe  Brüstungs- 
mauer; vor  dieser  eine,  wie  der  Plan  zeigt,  sich  auch  vor  die 
anstoßenden  Räume  EG  erstreckende  Stufe.  Auch  die  inneren 
Stufen,  zum  Hineinsteigen,  sind  im  Plan  angedeutet:  alles  dies 
war,  wie  das  Bassin  selbst,  mit  weiĂźen  Marmorplatten  bekleidet. 
Ein  starkes  Bleirohr  fĂĽhrte  von  Nordost  das  Wasser  zu;  das 
AbfluĂźrohr  in  der  SĂĽdostecke  ist  im  Plan  angedeutet. 

Die  beiden  anliegenden  Räume  E  G  (5,03  X  7,85  m),  mit  hohen 
gewölbten  Durchgängen  auf  das  Bassin  und  auf  die  Palästra  ge- 
öffnet, waren  bedeckte,  flache  Bassins,  Vorräume  des  Schwimm- 
bassins zum  Zweck  einer  vorläufigen  Reinigung;  hohe  Schwellen 
(0,65  m)  sperrten  die  Eingänge.  Die  Wände  waren  2  m  hoch 
mit  Marmor  bekleidet,  weiter  oben  bemalt:  Pflanzen  und  Vögel, 
Statuen    von   Nymphen,    eine   Muschel    haltend,    in    der  Wasser 


202  Pompeji. 

aufsprudelt,  und  andere  Statuen;  darĂĽber  blauer  Himmel.  Es 
sollte  auch  hier  (vgl.  S.  196)  die  Vorstellung  erweckt  werden,  als 
sei  man  im  Freien,  in  einem  statuengeschmĂĽckten  Garten.  Das 
Wasser  fiel  von  der  RĂĽckwand,  gleich  oberhalb  des  Marmor- 
sockels, in  einem  Strahl  herab.  Eben  dort,  etwas  höher,  eine 
Nische  fĂĽr  eine  Statue. 

In  G  ist  dann  später  das  Bassin  ausgefüllt  worden,  indem 
man  den  Fußboden  bis  zur  Höhe  der  erwähnten  hohen  Schwellen 
erhöhte ;  mehr  als  ein  Vorbassin  schien  überflüssig,  und  man  kon- 
servierte das  aus  dem  Auskleideraum  zugängliche.  Auskleide- 
raum war  D ;  an  den  weißen  Wänden  erkennt  man  die  Spuren 
hölzerner,  1,60  m  hoher  Schränke,  zum  Aufbewahren  der  Kleider. 
Hier  entkleidete  und  salbte  man  sich  vor  den  gymnastischen 
Ăśbungen,  hierher  kehrte  man  nach  denselben  zurĂĽck,  strich  mit 
dem  Schabeisen  [strigilis]  Staub  und  Ol  ab  [destringere  se)  und 
ging  dann  durch  das  Vorbassin  E  in  das  Schwimmbad.  Sicher 
ist  dieser  Auskleideraum  das  in  der  Inschrift  (S.  194)  erwähnte 
Destrictarium ,  der  »Abstreicheraum«,  zwar  nicht  das  von  Ulius 
und  Aninius  erbaute  —  denn  alle  diese  Räume  sind,  ihrer  Bau- 
art nach,  jüngeren  Datums  —  aber  ein  an  die  Stelle  desselben 
getretenes. 

Von  den  in  der  Palästra  betriebenen  Übungen  ist  nur  eine 
einzige  Spur  geblieben:  die  schon  oben  (S.  194)  besprochene 
Bahn  aus  Tuffsteinen  mit  den  Steinkugeln. 

In  dem  kleinen  Zimmer  J,  mit  Fenstern  auf  die  Palästra  und 
auf  den  Platz  der  Kugelspieler,  hatte  vielleicht  ein  Aufseher  der 
Palästra  (oder  ihrer  mehrere)  seinen  Platz.  Man  fand  hier  ein 
groĂźes  bronzenes  Kohlenbecken,  gestiftet,  nach  der  darauf  an- 
gebrachten Inschrift,  von  M.  Nigidius  Vaccula,  dessen  Name  auch 
noch  durch  eine  Kuh  [vaccd]  in  Relief  angedeutet  ist.  Da  Vaccula 
ein  ebensolches  Kohlenbecken  nebst  Bänken  in  das  sonst  nicht 
heizbare  Tepidarium  der  Badeanstalt  beim  Forum  stiftete,  so 
liegt  die  Vermutung  nahe,  daĂź  die  Schenkung  auch  hier  dem 
Tepidarium  galt  und  stattfand,  bevor  dieses  seinen  Heizapparat 
erhielt.  Wir  wissen  aus  den  Quittungstafeln  des  Caecilius  Jucundus 
von  einem  kurz  vor  54  n.  Chr.  gestorbenen  Nasennius  Nigidius 
Vaccula.  Vielleicht  ist  dies  der  Schenker.  Freilich  konnte  er 
die  Schenkung    lange   vor    seinem   Tode  gemacht    haben,    aber 


XXVII.   Die  Stabianer  Thermen. 


203 


doch  kaum  vor  20  n.  Chr.  Erst  nach  dieser  Zeit  wäre  also  das 
Tepidarium  heizbar  gemacht  worden. 

Die  Portiken  umgaben  ursprünglich  gleichmäßig  drei  Seiten 
der  Palästra:  dorische  Säulen,  aus  Tuff,  mit  feinem  weißen  Stuck 
überzogen,  nicht  hoch,  aber  von  schlanken  Verhältnissen  (Höhe 
2,78  m,  Durchmesser  0,40  m.  Abstand  1,50  m),  gekantet,  nicht 
kannelliert,  ohne  Zweifel  mit  Triglyphengebälk,  von  dem  freilich 
nichts  erhalten  ist.  Einige  Trommeln  gröberer  Arbeit  gehören 
wohl  der  Ausbesserung  des  Ulius  und  Aninius  an.  In  der  Kaiser- 
zeit, wahrscheinlich  schon 
vor  dem  Erdbeben  des 
Jahres  63 ,  fand  eine 
grĂĽndlicheUmgestaltung 
im  Sinne  des  mittler- 
weile ganz  veränderten 
Geschmackes  statt.  Die 
Säulen,  Schaft  und  Ka- 
pitell, erhielten  eine 
dicke  StuckhĂĽlle;  das 
unterste  Drittel  wurde 
rot  angestrichen ;  im 
ĂĽbrigen  blieb  der  Schaft, 
an  dem  eingedrĂĽckte 
Linien    die    KannelĂĽren 

andeuten,  weiĂź;  ebenso  das  in  Stuck  modellierte  Rankenkapitell. 
Das  auf  einer  Holzbohle  aufgemauerte  Gebälk  wurde  mit  buntem 
Stuckrelief  verziert  (Fig.  98).  Gleichzeitig  wurde  die  gleichmäßige 
Säulenstellung  unterbrochen  durch  ein  besonderes  Eingangsmotiv, 
dem  ein  gleiches  Motiv  auf  der  RĂĽckseite  entspricht :  an  der  Stelle 
von  je  vier  Säulen  zwei  längliche,  jederseits  in  eine  Halbsäule 
auslaufende  Pfeiler. 

Von  der  namentlich  auf  der  AuĂźenwand  von  D  und  E  er- 
haltenen phantastisch -anmutigen  Dekoration  der  Palästra  geben 
Fig.  99  und  Taf.  XIII  eine  Vorstellung.  Es  sind  Motive  des  letzten 
Dekorationsstils:  leichte,  laubenartig  in  zwei  Stockwerken  sich 
aufbauende  Architekturen  in  weiĂźem  Stuckrelief.  Die  zwischen 
ihnen  von  reich  und  kraus  verzierten  Säulchen  und  ihren  Ge- 
bälken  eingfeschlossenen  Flächen  sind  g-roßenteils  ausgefüllt  mit 


Fig.  98. 


Säulenhalle    der   Stabianer   Thermen:    Kapitell 
und  Gebälk. 


204  Pompeji. 

lebhaft  rotem  oder  blauem  Grunde,  vou  dem  sich  allerlei  figĂĽr- 
liche Darstellungen  teils  in  Stuckrelief,  teils  gemalt  abheben. 
Über  dem  gewölbten  Durchgange  zu  E  sitzt  Jupiter,  auf  das 
Szepter  gestĂĽtzt;  neben  ihm  auf  einem  Pfeiler  der  Adler.  Weiter 
links  Herakles,  dem  ein  kleiner  Satyr  ein  Trinkhorn  reicht.  Deut- 
liche Beziehung  auf  die  Bestimmung  dieser  Räume  zeigt  ein  jetzt 
kaum    kenntliches    Stuckrelief:    Hylas,    bei  der  Quelle    von  den 


Fig.  99.     Sildwestecke  der  Palästra  der  Stabianer  Thermen.     Siiulenhalle  und  Wand  mit 

Stuckreliet. 

Nymphen  geraubt  (Taf  XIII).  Anderes  deutet  auf  die  Ăśbungen 
der  Palästra;  so  im  Eingange  von  E  links  ein  Faustkämpfer, 
rechts  ein  Mann,  der  sich  mit  dem  Schabeisen  die  linke  Seite 
abstreicht.  An  der  Außenwand  von  G  Daedalus,  beschäftigt  die 
FlĂĽgel  fĂĽr  sich  und  Icarus  anzufertigen. 

An  der  Wand  der  hinteren  (nördlichen)  Säulenhalle  steht  noch 
jetzt  eine  Herme,  darstellend  einen  jungen  Mann  mit  ĂĽber  den 
Kopf  gezogenem  und  den  Oberkörper  einhüllendem  Gewände. 
»Im   Gymnasium   zu  Phigalia«,    sagt  Pausanias,   »steht    das   Bild 


XXVII.   Die  Stabianer  Thermen. 


205 


des  Hermes;  es  gleicht  einem,  der  in  ein  Gewand  gehĂĽllt  ist, 
und  läuft  statt  der  Füße  in  einen  viereckigen  Pfeiler  aus.«  Es 
ist  Hermes,  der  Gott  der  Palästra,  merkwürdigerweise  freilich,  hier 
und  in  Phigalia,  in  einer  Gestalt,  die  fĂĽr  ihn  als  Psychopompos^ 
als  Todesgott,  erfunden  sein  muĂź  (vgl.  S.  83). 

Auf  dem  Dachrande  des  Frigidariums  der  Männer  (V)  stand 
eine  Sonnenuhr,  deren  oskische  Inschrift  besagt,  daß  der  Quästor 
Maras  Atinius  sie  machen  lieĂź,  auf  RatsbeschluĂź,  aus  Strafgeldern. 
Wir  mögen  denken,  daß  diese  erhoben  wurden  durch  den  in  J 
sitzenden  Aufsichtsbeamten.  Sonnenuhren  hatten  auch  die  anderen 
Badeanstalten  Pompejis  und  muĂźten  sie  haben,  da  sicher  ihre 
Tätigkeit  an  bestimmte  Stunden  gebunden  war.  Für  Rom  ver- 
ordnete Hadrian,  daß  die  öffentlichen  Bäder  von  der  achten 
Stunde,  2  Uhr  Nachmittags  an  geöffnet  sein  sollten;  wahrschein- 
lich galt  diese  oder  eine  ähnliche  Stunde  auch  in  Pompeji. 

Laut  genug  mochte  es  einst  in  diesem  Hofe  hergehen.  »Die 
Ruhe«,  sagt  Seneca,  »ist  zum  Studium  nicht  so  notwendig,  wie 
man  wohl  denkt.  Ich  wohne  an  einem  Bade.  Denke  dir  jede 
Art  von  Geräusch,  die  das  Ohr  verletzen  kann.  Stärkere  Leute 
machen  Übungen  und  schwenken  die  bleibeschwerten  Hände; 
ich  höre  ihr  Stöhnen,  wenn  sie  sich  anstrengen  oder  doch  so 
tun,  ihren  pfeifenden  und  schweren  Atem,  wenn  sie  die  ange- 
haltene Luft  loslassen.  Ist  aber  einer  plebejisch  träge  und  läßt 
sich  blos  salben,  so  höre  ich  den  Ton  der  seine  Schultern  tref- 
fenden Hand,  verschieden,  je  nachdem  sie  flach  oder  hohl  auf- 
schlägt. Kommt  nun  gar  ein  Ballspieler  und  beginnt  die  Würfe 
zu  zählen,  dann  ist  alles  aus.  Dazwischen  wird  gezankt,  oder 
ein  Dieb  ertappt,  oder  einer  freut  sich  im  Bade  seiner  Stimme. 
Andere  springen  mit  groĂźem  Geplatsch  in  das  Schwimmbad. 
Und  auĂźer  denen,  die  doch  wenigstens  eine  richtige  Stimme 
haben,  läßt  von  Zeit  zu  Zeit  der  Haarrupfer,  um  sich  bemerk- 
lich zu  machen,  seine  dünnen  und  schrillen  Töne  hören;  er 
schweigt  nur,  wenn  er  einem  anderen,  den  er  unter  den  Achseln 
rupft,  Schmerzensschreie  entlockt.  Dazu  die  Rufe  der  Verkäufer 
von  Kuchen,  Würsten  und  Süßigkeiten. «  So  buntes  und  tobendes 
Leben  erfüllte  einst  die  jetzt  so  stillen  Räume. 


Kapitel  XXVIII. 
Die  Thermen  beim  Forum. 


Kleiner  und  einfacher  als  die  eben  besprochene  ist  die  Bade- 
anstalt nördlich  vom  Forum;  doch  sind  die  Räume  der  Anlage 
wesentlich  dieselben:   der  Hof  (C)   mit  den  Portiken  (B),  Apody- 

terium,  Frigidarium, 
Tepidarium,  Caldarium 
der  Männer  (I — IV), 
dieselben  Räume  des 
Frauenbades  ( i  —  4), 
zwischen  beiden,  zu- 
nächst den  Caldarien, 
die  Feuerstelle  (V).  Da- 
zu ringsum  auf  die 
Straßen  geöffnete  Lä- 
den mit  Nebenräumen. 
Die  Anstalt  ist  er- 
baut worden  um  die- 
selbe Zeit,  wo  Ulius 
und  Aninius  die  Sta- 
bianer  Thermen  er- 
neuerten; ihr  Mauer- 
werk ist  das  fĂĽr  die 
erste  Zeit  der  Kolonie 
charakteristische  Qua- 
sireticulat,  gleichartig 
dem  des  kleinen  Theaters  und  des  Amphitheaters.  Eine  in  zwei 
Exemplaren  gefundene  Inschrift  nennt  die  Erbauer:  L.  Caesius 
C.  F.  d{tium)v[ir]  i[iiri)  d{icnndo\  C.  OccĂĽis  M.  F.^  L.  Niracmiiis 
A.  F.  II  v[iri)  d[e)  d[eciirioniim]  s[entcntid)  ex  pequnia  publ[icä) 
fac[mndum]  airar[unt)  prob[ariiiit]  (/[uc]. 


Fig.  100.  GrundriĂź  der  Thermen  beim  Forum.  A,  A'  Ein- 
gänge von  der  Straße  zum  Hofe.  B  Säulenhalle.  C  Garten. 
D  Hof  beim  Frauenbad.  I— IV.  Männerbad.  (I.  Apodyterium. 
II.  Frigidarium.  III.  Tepidarium.  IV.  Caldarium).  V.  Heiz- 
raum. I — 4.  Frauenbad  (i.  Apodyterium.  2.  Bassin  für  kalte 
Bäder.  3.  Tepidarium.  4.  Caldarium).  c  Abtritt,  ti  Sonnen- 
uhr.    _^'  Brunnen. 


XXVIII.   Die  Thermen  beim  Forum. 


207 


Also  ein  Rechtsduumvir  L.  Caesius  und  zwei  »Duumvirn<  — 
es  sind  zweifellos  die  Adilen:  s.  S.  11  —  C.  Occius  und  L.  Nirae- 
mius,  haben  auf  Stadtkosten  den  Bau  errichten  lassen  und  ap- 
probiert. Der  Kollege  des  Caesius  war  wohl  während  des  Amtes 
gestorben. 

C  ist  ein  Garten,  keine  Palästra;  er  ist  dafür  zu  klein,  auch 
fehlen  Auskleideräume  und  Schwimmbad;  die  Portiken  (B)  waren 
mit  Absicht,  zu  Gunsten  malerischer  Wirkung,  unsymmetrisch 
angelegt:  im  Westen  und  Norden  weitläufig  stehende  schlanke 
Säulen  mit  vermutlich  sehr  einfachem  und  niedrigem  Gebälk; 
im  Osten  breite  Pfeiler,  verbunden  durch  niedrige  Bögen.  Über 
diesen  ein  oberer,  auch  auf  den  Garten  geöffneter  Gang,  zugäng- 
lich aus  den  Oberzimmern  einiger  auf  die  östlich  vorbeiführende 
Straße  geöffneten  Schankwirtschaften,  deren  Gäste  also  den  Vor- 
zug genossen,  das  Treiben  im  Garten  beobachten  zu  können. 
Die  städtische  Verwaltung  wird  nicht  versäumt  haben,  mit  Rück- 
sicht hierauf  die  Miete  zu  steigern.  Auf  die  Nordseite  öffnet  sich 
eine  Exedra  (^),  in  die  man  sich  zu  ruhigerem  Gespräch  aus  dem 
lebhaften  Treiben  der  Portiken  zurĂĽckziehen  konnte.  Alles  dies 
höchst  einfach;  die  dorischen  Säulen  unkanneliert,  Säulen  und 
Wände  unbemalt :  zu  unterst  rötlicher  Ziegelstuck,  darüber  weißer 
Bewurf;  an  der  Nordwand  gemauerte  Bänke.  Zwei  Eingänge  von 
zwei  StraĂźen;  der  eine  (A),  von  der  frequenteren  StraĂźe,  ist 
rechtwinkelig  gebrochen,  um  das  Hereinsehen  zu  hindern;  an 
dem  anderen  (A')  liegt  der  Abtritt  [c). 

Ein  dritter  Gang  {a)  führt  in  das  auch  von  der  nördlichen 
Straße  (bei  e)  zugängliche  Männerapodyterium  (I).  Es  hat  an 
den  Wänden  gemauerte  Bänke,  aber  keine  Wandnischen,  wie  in 
den  Stabianer  Thermen;  hölzerne  Regale  dienten  zum  Auflegen 
der  Kleider.  Die  kleine  dunkle  Kammer  {/]  diente  vielleicht 
zur  Aufbewahrung  des  Salböls  ;Elaeothesium).  Unklar  bleibt, 
weshalb  man  das  Apodyterium  durch  einen  Gang  mit  dem  Heiz- 
raum (V)  verbunden  hat.  Das  Licht  trat  ein  durch  ein  Fenster 
in  der  SĂĽdlĂĽnette,  verschlieĂźbar  durch  vier  13  mm  dicke,  in 
einem  Bronzerahmen  um  zwei  Zapfen  drehbare  Glasscheiben, 
Ahnlich  fand  man  es  auch  im  Tepidarium.  Schön  und  großartig 
komponiert  ist  das  Stuckrelief  der  Lünette:  mächtige  Tritoncn 
mit  Gefäßen  auf  den  Schultern;   dazwischen   unter  dem  Fenster 


208 


Pompeji. 


eine  Oceanusmaske.  Unter  dieser  eine  von  Ruß  geschwärzte 
Nische  fĂĽr  eine  Lampe,  wohl  mit  mehreren  Flammen.  Eben- 
solche Nischen  sind  auch  im  Frigidarium,  Tepidarium  (Fig.  loi) 
und  Caldarium.     Man  badete  also  auch  abends. 

Das  Frigidarium  (II)  gleicht  fast  genau  dem  der  Stabianer 
Thermen,  ist  aber  besser  erhalten.  Die  runde  Lichtöfifnung  in 
der  Spitze  der  kegelförmigen  Kuppel  hat  eine  rechtwinkelige 
Erweiterung  nach  Süden,   um  möglichst  viel  Sonne   einzulassen. 


I  i^;.  IUI.     Maniicrtcpidariuni   der  Thermen  beim  Forum. 


Auf  den  Wänden  Gartenmalerei,  wie  in  den  Stabianer  Thermen 
(S.  iq6),  aber  auf  gelbem  Grunde,  also  weniger  realistisch  und 
wohl  weniger  wirkungsvoll. 

Das  Tepidarium  III  (Fig.  loi)  ist  geblieben,  wie  die  Räume  der 
Stabianer  Thermen  waren,  bevor  sie  ihren  Heizapparat  erhielten : 
kein  hohler  Fußboden,  keine  Hohlwände,  Heizung  durch  ein 
großes  Kohlenbecken,  geschenkt  nebst  drei  zugehörigen  Bänken 
von  M.  Nigidius  Vaccula  (S.  202),  dessen  Name  hier  auch  durch 
die  Füße  der  Bänke  —  Kuhfüße,  oben  je  mit  einem  Kuhkopf  — 


XXVIII.   Die  Thermen  beim  Forum. 


209 


angedeutet  ist.  An  den  Wänden  die  Nischen,  von  denen  wir 
dort  nur  Spuren  fanden;  einige  derselben  sind  später,  wir  wissen 
nicht  weshalb,  zugemauert  worden.  Vor  die  Zwischenwände  der 
Nischen  treten  Tonfiguren  vor:  robuste,  wild  aussehende,  nackte 
oder  nur  mit  einem  Schurz  bekleidete  Männer  (Atlanten),  die,  auf 
einer  unten  vorspringenden  Platte  stehend,  mit  ihren  erhobenen 
Unterarmen  das  Kämpfergesims  tragen. 

Am  Tonnengewölbe  sind  beträchtliche  Reste  reicher  Stuck- 
reliefs erhalten.  Ringsum  gleich  über  dem  Kämpfergesims  ein 
Arabeskengewinde,  weiĂź  auf  weiĂźem  Grunde ;  darĂĽber  in  Feldern 
verschiedener  Größe  auf  weißem,  hellblauem  und  violettem  Grunde 
Figuren  und  Ornamente   in  weiĂźem  Stuckrelief:   Amor   auf  den 


Fig.  102.     Längenschnitt  des  Männercaldariums. 


Bogen  gestĂĽtzt,  Apollo  auf  dem  Greif,  Ganymed  mit  dem  Adler, 
Amoren  auf  Seepferden,  u.  a.  m.  Diskret  und  vornehm  wirken  die 
farbigen  GrĂĽnde,  gut  gestimmt  und  ohne  grelle  Kontraste. 

Das  Caldarium  (IV)  ist  trefflich  erhalten,  nur  ein  Teil  der 
Wölbung  zerstört.  Unser  restaurierter  Längenschnitt  (Fig.  102) 
zeigt  die  Hohlräume  unter  dem  Fußboden  und  in  den  Wänden. 
Rechts  die  marmorbekleidete  Wanne  mit  den  Stufen  zum  Ein- 
steigen und  der  schrägen  Rückwand  [piilvinus\  links  das  Labrum 
in  seiner  Apsis  (Schola),  unter  einem  Fenster,  entsprechend  der 
Vorschrift  Vitruvs:  der  Schatten  der  Umstehenden  durfte  nicht 
auf  das  Labrum  fallen.  Dieses  trägt  eine  Bronzeinschrift,  nach 
der  Cn.  Melissaeus  Aper  und  M.  Staius  Rufus,  Duumvirn  3 — 4 
n.  Chr.,  es  auf  RatsbeschluĂź  fĂĽr  5250  Ses*-erzen  (etwa  1 140  Mark) 
machen  lieĂźen. 


Mau.   Pompeji.     2.  Aufl. 


14 


210 


Pompeji, 


Die  in  den  Stabianer  Thermen  (S.  199)  beobachtete  Vor- 
richtung zum  Warmhalten  des  Wassers  im  Alveus  war  hier  nicht 
vorhanden:  sie  war  wohl  noch  nicht  erfunden,  als  dieser  Raum 
seine  letzte  Gestalt  erhielt. 


Fig.  103.     Apodytcri'. 


Die  Stuckdekoration  ist  einfach :  ĂĽber  einem  niedrigen  Marmor- 
sockel gelbe  Wände,  geteilt  durch  dunkelrote  Pilaster,  die  einen 
Karnies  mit  reich  in  Stuck  ornamentierter  roter  Vorderfläche 
tragen;  quer  kanneliiertes  Tonnengewölbe;  nur  in  der  Nische 
des  Labrums  reicherer,  auch  figĂĽrlicher  Deckenschmuck.  Drei 
nach  Süden  gerichtete  Fenster  mochten  nur  ein  mäßiges  Licht 
in  dem  langgestreckten  Räume  verbreiten. 


XXVIII.    Die  Thermen  beim  Fonim.  211 

Das  Frauenbad  (i — 4)  ist  kleiner,  einfacher  und  von  unregel- 
mäßigem Grundriß,  die  Heizeinrichtungen  aber  vollkommener, 
indem  hier  auch  das  Tepidarium  (3)  durch  den  hohlen  F'uĂźboden 
und  Hohlwände  geheizt  wurde.  In  allen  diesen  Räumen  sind  die 
Wölbungen  unversehrt,  im  Apodyterium  (i,  mit  Frigidarium  in 
der  Nische  2)  und  Tepidarium  auch  die  Wände,  in  jenem  weiß, 
in  diesem  sehr  einfach  im  letzten  Stil  auf  gelbem  Grunde  bemalt. 
Dagegen  sind  im  Caldarium  (4)  der  hohle  FuĂźboden  und  die 
Hohlwände  gänzlich  zerstört,  die  Wanne  —  sie  stand  in  der  großen 
Nische  für  den  Eintretenden  rechts,  zunächst  der  Feuerstelle  — 
ganz  verschwunden,  vom  Labrum  nur  der  Untersatz  erhalten. 
Vermutlich  waren  diese  Teile  durch  das  Erdbeben  des  Jahres  63 
beschädigt  worden  und  sollten  erneuert  werden. 

o 

Mit  dem  Garten  C  hat  das  Frauenbad  keine  Verbindung. 
Vor  dem  Eingang  von  der  Nolaner  StraĂźe  ist  ein  Warteraum 
fĂĽr  die  Dienerinnen  [k),  bedeckt  und  von  der  StraĂźe  durch  eine 
dĂĽnne  Mauer  getrennt. 

In  dem  von  der  Straße  zugänglichen  Heizraum  (V)  erkennen 
wir  die  Plätze  der  drei  großen  zylinderförmigen  Kessel  für  heißes, 
laues  und  kaltes  Wasser.  Größeren  Wasservorrat  enthielt  der 
teils  durch  den  auf  die  flachen  Dächer  fallenden  Regen,  teils  aus 
der  Leitung  gespeiste  Brunnen  (g).  Durch  den  erhöhten  Gang 
neben  den  Kesseln  und  weiter  durch  den  engen  gewölbten  Gang  // 
gelangen  wir  in  den  auch  von  der  Straße  zugänglichen  kleinen 
Hof  oder  Garten  D,  aus  dem  eine  Treppe  auf  die  flachen 
Dächer  des  Männerbades  führt.  Ferner  stehen  hier  zwei  Säulen, 
unsymmetrisch  und  verschieden  gestaltet.  Die  eine  [d],  5,60  m 
hoch,  bis  zur  Höhe  von  1,48  m  mit  einem  Ziegelmantel  von 
1,20  Durchmesser  umgeben,  trug  wohl  sicher  eine  Sonnenuhr 
(vgl.  S.  205),  die  andere  vielleicht  eine  Statuette  oder  sonst  einen 
Ziergegenstand,  wie  dergleichen  oft  in  Wandgemälden  erscheint. 
z   ist  ein  kleiner  unterirdischer   Raum   unbekannter  Bestimmuno-. 


14" 


Kapitel  XXIX. 
Die  Centralthermen. 

Um  60  n.  Chr.  besuchte  Seneca  die  Villa  bei  Liternum,  in 
der  der  ältere  Scipio  seine  letzten  Jahre  (bis  183  v.  Chr.)  ver- 
lebte, und  berichtete  ĂĽber  diesen  Besuch  in  einem  uns  erhaltenen 
Briefe  (Ep.  86).     Besonders  ausfĂĽhrlich   spricht  er  ĂĽber  das  Bad, 

dessen  Einfachheit  er 
vergleicht  mit  den  ge- 
steigerten AnsprĂĽchen 
seiner  eigenen  Zeit. 
Wir  können  hier  nicht 
die  ganze  Auslassung 
des  wortreichen  Philo- 
sophen wiederholen; 
er  spricht  auch  von 
mancherlei  Luxus,  der 
in  Pompeji  nicht  vor- 
kommt. Besonderen 
Eindruck  aber  machte 
ihm  die  Dunkelheit 
des  alten  Bades,  dem 
nur  kleine  Ă–ffnungen, 
»mehr  Ritzen  als  Fen- 
ster«, ein  schwaches  Licht  gaben,  im  Vergleich  mit  den  durch 
große  Glasfenster  erhellten  Baderäumen  seiner  Zeit.  Jetzt  verlangt 
man,  sagt  er,  in  hellem  Lichte  abgebrĂĽht  zu  werden  [in  viulta 
litce  decoqui)  und  wo  möglich  auch  noch  eine  schöne  Aussicht 
zu  genießen.  Einen  ähnlichen  Eindruck  erhalten  wir,  wenn  wir 
nun,  nach  den  Bädern  aus  vorrömischer  und  sullanischer  Zeit 
eine  Anstalt  betreten,  die  zur  Zeit  des  Unterganges  noch  im  Bau 
begriffen  war.     Wir  nennen  sie  die  Centralthermen,  wegen  ihrer 


Fig.  104.  Grundriß  der  Centralthermen.  d  Palästra. 
h  Schwimmbad,  k,  jii,  n,  o  Läden.  /  Apodyterium.  q  Te- 
pidarium.     r  Laconicum.     i  Caldarium.     jt,  y  Heizräume. 


XXIX.    Die  Centralthcrniea. 


213 


Lage    am  Kreuzpunkt  der   beiden   HauptstraĂźen,    der   Stabianer 
und  Nolaner  StraĂźe. 

Drei  Eingänge  {a,  «',  a")  führen  von  drei  Straßen  in  die 
weite  Palästra,  in  der  mancherlei  Reste  demolierter  Häuser  kennt- 
lich sind.  Um  beim  Bau  Wasser  zur  Hand  zu  haben,  hatte  man 
ein  altes  Impluvium  (auf  dem  Plan  angegeben)  mit  einer  niedrigen 
Mauer  umgeben  und  ein  Leitungsrohr  hineingefĂĽhrt.  Nur  auf 
einem  Teil  der  Nordseite  war  die  Stufe  für  die  Säulen  des 
Portikus  gelegt,  etwas  weiter  die  Rinne  zur  Aufnahme  des  Regen- 
wassers, im  ĂĽbrigen  nur  die  Fundamente.  An  der  Ostseite  das 
groĂźe  Schwimmbad  (//),  nur  erst  gegraben,  noch  ganz  ohne  Ver- 
kleidung; so  auch  der  Kanal,  der  von  dort  aus  zur  SpĂĽlung  des 
Abtritts  {e)  dienen  sollte.  In  ÂŁâ–   und  /,  letzteres  mit  zwei  Fenstern, 
mögen  wir  Auskleideräume  erkennen. 

Von  den  zwei  kleinen  Räumen  neben  dem  Nordeingang  {d,  c) 
war  vielleicht  einer  die  Kasse,  an  der  EinlaĂźmarken  zu  den 
Baderäumen  ausgegeben  wurden;  in  dem  andern  nahm  vielleicht 
der  Capsarius  die  Wertsachen  der  Badenden  in  Verwahrung. 

Die  Anstalt  ist  kein  Doppelbad;  alle  Räume  sind  nur  einmal 
vorhanden.  An  die,  wie  es  scheint,  seit  Nero  verbreitete,  v^on 
Hadrian,  Marc  Aurel  und  später  von  Severus  Alexander  verbotene 
Unsitte  des  gemeinsamen  Badens  beider  Geschlechter  ist  hier 
nicht  zu  denken ;  denn  wenn  auch  sittenlose  Frauen  die  Männer- 
bäder besuchten,  so  gab  es  doch  sicher  keine  hierauf  berechneten 
städtischen  Anstalten.  Sondern  entweder  waren  hier  den  Frauen 
besondere  Stunden  vorbehalten,  oder  es  war,  wahrscheinlicher,  auf 
sie  ĂĽberhaupt  nicht  gerechnet,  da  ihnen  die  anderen  Anstalten 
genĂĽgten. 

Aus  der  Palästra  treten  wir  durch  zwei  Türen  zunächst  in 
einen  bedeckten,  durch  mindestens  vier  Fenster  erleuchteten 
Vorraum  (z),  auf  den  sich  vier  Räume  teils  [n  o)  mit  weiten  Ein- 
gängen ,  teils  [k  in)  mit  breiten  Fenstern  öffnen :  wohl  sicher 
Läden,  in  denen  Badegeräte,  auch  wohl  Speisen  und  Getränke 
zu  haben  waren. 

Die  Baderäume  waren  noch  in  Arbeit.  Die  Hohlräume  der 
Fußböden  und  Wände  im  Tepidarium,  Caldarium  nnd  Laconicuni 
[(]  r  s)  waren  fertig;  es  fehlten  aber  die  Heizöfen  'bei  x  y]. 
Wölbungen  und  Lünetten  hatten  ihr  weißes  Stuckrelief.  \'on  dem 


214 


Pompeji. 


freilich  sehr  wenig  erhalten  ist;  die  Wände  aber  waren  noch 
unbemalt,  nur  mit  rötlichem  Ziegelstuck  bekleidet.  So  warteten 
auch  die  Bassins  und  Wannen  noch  ihrer  Marmorbekleidung. 

Apodyterium,  Tepidarium  und  Caldarium  [p  q  s]  haben  je 
drei  große  Fenster  nach  Südwest  auf  die  Palästra,  das  Calda- 
rium auĂźerdem  noch  fĂĽnf  kleinere  nach  SĂĽdost  auf  einen  kleinen 
Garten  (Ăź);  die  Mauer,  mit  der  man  diesen  einzufassen  begonnen 
hatte,  sollte,  mit  Pflanzen  und  ähnlichen  Motiven  bemalt  (wie  in 


Fig.  105.     Centralthermen:  Blick  von  der  Palästra  auf  das  Tepidarium. 

den  Frigidarien  der  anderen  Bäder),  den  Augen  der  Badenden 
das  Treiben  der  bei  der  Feuerstelle  beschäftigten  Heizknechte 
entziehen.  Also  viel  Sonne,  namentlich  am  Nachmittag,  der 
Hauptbadezeit;  wie  ja  auch  Vitruv  vorschreibt,  die  Fenster  der 
Bäder  möglichst  nach  Südwest,  sonst  nach  Süden  zu  richten. 
Dazu  die  Gelegenheit,  aus  den  Fenstern  das  Treiben  in  der 
Palästra  und  namentlich  im  Schwimmbadc  zu  beobachten;  ganz 
anders  als  in  den  älteren  Bädern,  die  nur  durch  kleine,  hoch- 
gelegene Fenster  und  Öffnungen  im  Gewölbe  das  notwendigste 
Licht  erhielten.  Selbstverständlich  mußten  alle  diese  großen 
Fenster  durch  Glasscheiben  geschlossen  sein. 


XXIX.   Die  Centralthermen. 


215 


Alles  groĂź  und  einfach.  FĂĽr  das  kalte  Bad  kein  besonderer 
Raum,  nur  im  Apodyterium,  den  Fenstern  gegenĂĽber,  die  groĂźe, 
1,40  m  tiefe  Wanne.  Durch  drei  Wasserstrahlen  aus  kleinen 
Nischen,  einer  in  jeder  Wand,  sollte  sie  gespeist  werden;  der 
AbfluĂź,  oben  am  Rande  im  MaĂźe  des  Zuflusses,  unten  am  Boden 
zu  gänzlicher  Ausleerung,  erfolgte  durch  zwei  Röhren,  durch  die 
Wand  hindurch  in  ein  AbfluĂźbassin  [w)  und  weiter  auf  die  StraĂźe. 

Das  Tepidarium  (^)  ist,  wie  gewöhnlich,  der  kleinste  der  drei 
Säle.  Das  Caldarium  hat  zwei  Wannen  der  gewöhnlichen  Form, 
in  denen  etwa  26,  allenfalls  28  Personen  gleichzeitig  baden 
konnten.  Eine  dritte,  kleinere,  an  der  SĂĽdostseite  vertrat  die 
Stelle  des  Labrum.  Zwei  Feuerstellen,  bei  x  und  jj',  waren  be- 
absichtigt, aber  noch  nicht  gebaut;  nur  die  Heizkanäle  sind  vor- 
handen und  über  jedem  derselben  die  gewölbte  Öffnung  für  den 
halbzylinderförmigen  Kessel  [teshidd]  zum  Warmhalten  des  Wassers 
(S.  199).  Von  X  aus  sollte  auch  das  Laconicum,  der  trockene 
Schwitzraum  fr),  geheizt  werden:  ein  runder,  durch  vier  halb- 
runde Nischen  erweiterter,  von  einer  Kuppel  bedeckter  Raum, 
mit  hohlem  Fußboden  und  Hohlwänden,  erhellt  durch  drei  kleine 
runde  Fenster  gleich  ĂĽber  dem  Ansatz  der  Kuppel.  Eine  weitere 
runde  Öffnung  in  dem  (nicht  erhaltenen]  Scheitelpunkt  der  Wöl- 
bung konnte  man,  nach  Vitruv,  durch  eine  in  Ketten  hängende 
Bronzescheibe  mehr  oder  weniger  schlieĂźen  und  so  die  Temperatur 
regulieren.  Zugänglich  ist  das  Laconicum  aus  dem  Tepidarium 
und  aus  dem  Caldarium;  es  mochten  wohl  manche  auch  vor  dem 
warmen  Bade  hier  schwitzen  und  also  aus  dem  Tepidarium  durch 
das  Laconicum  ins  Caldarium  gelangen;  manche  mochten  auch, 
um  einen  allzu  schroffen  Temperaturwechsel  zu  vermeiden,  aus 
dem  Laconicum  kommend  den  Weg  durch  das  Caldarium  nehmen. 

In  dem  Raum  zwischen  den  Baderäumen  und  der  östlich 
vorbeifĂĽhrenden  StraĂźe  wollte  man  offenbar  bei  z  einen  kleinen 
Pfeilerportikus  und  vor  demselben  vielleicht  einen  kleinen  Garten 
anlegen.  Nahe  der  SĂĽdostecke  steht  ein  massiver  Pfeiler,  nach 
SĂĽden  orientiert,  wohl  sicher  bestimmt  eine  Sonnenuhr  zu  tragen. 


Kapitel  XXX. 
Das  Amphitheater. 

Fern  von  den  übrigen  Ausgrabungen  liegt  im  südöstlichen 
Winkel  der  Stadt  der  Schauplatz  der  Tierhetzen  und  Gladiatoren- 
kämpfe, das  Amphitheater.  Die  Pompejaner  nannten  es  den 
> Schauplatz*  schlechthin,  spectacula.  Von  seiner  Erbauung  gibt 
eine  in  zwei  Exemplaren  erhaltene  Inschrift  Kunde:  C.  Qiihictins 
C.  f.  Valgus^  M.  Porcius  M.  f.  diio  vir{i)  quinq[uennales)  coloniai 
honoris  caiissa  spectacula  de  siia  peq[unia)  fac[iunda)  coer.  et  colo- 
neis  locum  in  perpetuom  deder[unt]. 

Es  sind  die  Erbauer  des  kleinen  Theaters,  die  aus  AnlaĂź 
ihrer  Amtsführung  [honoris  caussa)  das  Gebäude  auf  eigene  Kosten 
errichten  ließen.  Es  mag  etwa  fünf  Jahre  später  als  jenes  fertig 
geworden  sein.  Auf  die  erste  Zeit  der  römischen  Kolonie  weist 
auch  die  altertĂĽmliche  Ortographie  der  Inschrift  und  das  Mauer- 
werk, ähnlich  dem  des  kleinen  Theaters  und  der  Thermen  beim 
Forum. 

Aber  nicht  von  Rom  ist  den  Kolonisten  die  Anregung  zu 
diesem  Bau  gekommen.  Früher  und  stärker  als  in  Rom  war  in 
Campanien  die  Leidenschaft  für  die  Gladiatorenkämpfe  entwickelt. 
Strabos  Bericht,  daß  dort  bei  Gastmählern  Gladiatoren  auftraten, 
in  größerer  oder  geringerer  Zahl,  je  nach  dem  Range  der  Gäste, 
bezieht  sich  auf  die  Zeit  vor  dem  hannibalischen  Kriege,  während 
fĂĽr  Rom  es  ein  Ereignis  war,  daĂź  im  Jahre  263  bei  einem  Be- 
gräbnis drei  Paare,  im  Jahre  216  bei  einer  gleichen  Gelegenheit 
22  Paare  auf  dem  Forum  kämpften.  So  hatte  man  auch  in 
Campanien  viel  früher  eigene  Gebäude  für  solche  Schauspiele 
als  in  Rom,  wo  noch  bei  den  Kampfspielen  Caesars  46  v.  Chr. 
die  Zuschauer  auf  HolzgerĂĽsten  saĂźen  und  erst  unter  Augustus, 
29  V.  Chr.,  fast  50  Jahre  nach  der  Zeit  des  Valgus  und  Porcius, 
Statilius  Taurus   das  erste   steinerne    Amphitheater   baute.     Man 


s 


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XXX.   Das  Amphitheater. 


217 


nimmt  an,  daĂź  in  Capua  schon  frĂĽher  als  in  Pompeji  ein  Amphi- 
theater war;  das  noch  jetzt  dort  erhaltene  ist  viel  jĂĽnger.  Im 
übrigen  ist  unser  Gebäude  das  älteste  aller  erhaltenen  oder  durch 
schriftliche  Nachrichten  bezeugten  Amphitheater. 

Mit  Durchmessern  —  ohne  die  ringsum  laufende  Terrasse  (10; 
vgl.  Fig.  106)  —  von  etwa  140  m  und  105  m,  gegen  188  m  und 
156  m  beim  Colosseum,  190  m  und  144  m  in  Puteoli,  170  m  und 
140  m  in  Capua,  Raum  bietend  fĂĽr  20000  Personen,  ist  es  ein 
Amphitheater  mittlerer  Größe,  etwa  wie  die  in  Arles  und  Nismes. 
Ohne  Zweifel  aber  war  bei  Anlegung  der  erwähnten  Terrasse  die 
Absicht  vorhanden,  sie  gegebenen  Falls  zu  ĂĽberbauen  und  ĂĽber 


Fig.  106.     Das  Amphitheater  von  Westen  gesehen.     Photogr.  Brogi. 


ihr  die  Sitzreihen  bis  an  ihren  äußeren  Rand  zu  erweitern,  mit 
einem  gewölbten  Rundgang  unter  dem  obersten  Rang.  Dann 
wären  die  Durchmesser  auf  154  m  und  120  m  gestiegen,  etwa 
wie  in  Verona  und  Sevilla.  Indes  scheint  sich  hierfĂĽr  kein  Be- 
dĂĽrfnis herausgestellt  zu  haben.  Teils  deshalb,  teils  weil  die  Arena 
und  die  untersten  Stufen  unter  das  äußere  Niveau  vertieft  sind 
(siehe  Durchschnitt  Fig.  109),  erscheint  der  Bau  von  auĂźen 
(Fig.  106)  sehr  niedrig  und  bescheiden. 

Von  unterirdischen  Räumen,  wie  im  Colosseum,  in  Capua,  in 
Puteoli,  ist  hier  keine  Spur;  der  groĂźartige  Dekorationsapparat, 
dem  sie  dienten,  ging  ĂĽber  die  Mittel  der  kleinen  Stadt. 

Der  Kampfplatz,  die  Arena  (Taf.  VI),  ist  umgeben  von  einer 
2  m  hohen  Mauer,  deren  zur  Zeit  der  Ausgrabung  wohl  erhaltene 
Malereien  jetzt  nur  noch  durch  die  im  Museum  zu  Neapel  auf- 
bewahrten Kopien  bekannt  sind:    schmale   und   breite  Felder,  in 


2l8 


Pompeji. 


jenen  je  eine  Herme  zwischen  zwei  Säulen,  in  diesen  abwechselnd 
ein  schuppenartiges  Muster  und  eine  Szene  aus  den  Kampfspielen. 
Eine  dieser  Szenen  (Fig.  107)  zeigt  die  Vorbereitungen  zum 
Kampfe.  Die  beiden  Gegner,  von  denen  der  eine  ein  groĂźes 
Hörn  bläst  (mehrere  solcher  Hörner  sind  in  Pompeji  gefunden 
worden),  sind  noch  nicht  vollständig  gerüstet.  Je  zwei  Diener 
halten  fĂĽr  den  einen  Helm  und  Schwert,  fĂĽr  den  andern  Helm 
und  Schild  bereit.  Ein  Aufseher  zieht  im  Sande  den  Kampf- 
ring. Rechts  und  links  im  Hintergrunde  eine  Viktoria  mit  Kranz 
und  Palme. 


Fig.  107.     Vorbereitungen  zum  Kampfe.     Wandgemälde  aus  dem  Amphitheater. 


Zwischen  den  Steinen  der  Travertinbekrönung  dieser  Um- 
fassungsmauer finden  sich  stellenweise  Eisenspuren,  wohl  Reste 
einer  Vergitterung,  um  die  Zuschauer  gegen  die  SprĂĽnge  der 
wilden  Tiere  zu  schĂĽtzen.  DaĂź  sie  nicht  ringsum  vorhanden 
sind,  beruht  wohl  auf  einer  zur  Zeit  der  VerschĂĽttung  im  Gange 
befindlichen  Ausbesserung. 

Zwei  5  m  weite  Eingänge  (3,  3A)  führen  an  den  Enden  der 
größeren  Achse  in  die  Arena,  der  eine,  von  Nordwesten,  in 
grader  Linie,  der  andere  rechtwinkelig  umbiegend,  weil  dort  in 
der  Fortsetzung  der  Achse  die  Stadtmauer  liegt.  Durch  sie  zogen 
die  Gladiatoren  ein;  anfangs  alle  in  festlichem  Zuge,  dann  einzeln 
die  zum  Kampfe  bestimmten  Paare.  Ein  dritter  Gang  (5,  ^),  eng 
und  dunkel,  fĂĽhrt  in  der  Mitte  der  Westseite  ins  Freie:  es  ist 
die  Porta  Libitinensis,  das  Totentor,  durch  das  die  Gefallenen 
entfernt  wurden.     An  jedem  dieser  drei   Gänge  Hegt,   nahe  der 


XXX.   Das  Amphitheater. 


219 


Arena,  eine  kleine  dunkle  Kammer  (/).  Man  hat  wohl  gesagt, 
hier  seien  die  wilden  Tiere  eingesperrt  gewesen;  aber  dazu  hätte 
es  größerer  und  zugänglicherer  Räume  bedurft.  Eher  mochten 
hier  irgend  welche  Geräte  aufbewahrt  werden.  Die  Tiere  wird 
man  in  Käfigen  in  die  Arena  gebracht  haben. 


Fig.  108.  Clrundriß  des  Amphitheaters  in  verschiedener  Höhe.  Oben  die  Sitze,  unten  die  ge- 
wölbten Gänge  unter  den  Sitzen,  i.  Podium.  2.  G.-ilerie.  3,  3  A.  Einlange  zur  Aren.i.  4.  Ge- 
wölbter Umgang  (Krypta).  5.  Porta  Libitinensis.  6.  Ima  cavea.  7.  Media  cavea.  8.  Summa 
cavea.  9.  Treppen  zur  Galerie.  10.  Terrasse.  11,  11.  Doppcltreppcn  zur  Terrasse.  12,  12.  Ein- 
fache Treppen  zur  Terrasse.  13.  Turm  der  Stadtmauer.  14.  Stadtmauer,  a  Erste  Praecinctio. 
b  Zweite  Praecinctio.   c,  d  Eingänge  zur  Krypta,    e  Eingang  zur  Perta  Libitinensis.  f,  /Kammern 


Die  35  Sitzstufen,  derselben  Form  wie  im  kleinen  Theater 
und,  wie  dort,  aus  Tuff,  erheben  sich  in  drei  Rängen  [caveae]^ 
von  5,  12  und  18  Stufen  (Fig.  108,  109).  Die  Stufen  des  untersten 
Ranges  sind  in  der  Mitte  jeder  Langseite  unterbrochen  durch 
eine  breite  Loge  mit  nur  vier  niedrigen  und  breiten  Stufen  fĂĽr 
die  Sessel  (Bisellien)  des  Stadtrats.  Auf  der  Ostseite  (im  Westen 
ist  die  entsprechende  Stelle  zerstört)  ist  die  zweite  dieser  vier 
Stufen    in    der  Mitte    auf  eine  Strecke   von    3   m    unterbrochen; 


2  20  Pompeji. 

SO  daĂź  hier  auf  der  untersten  Stufe  ein  noch  besonders  aus- 
gezeichneter Platz  von  doppelter  Breite  (sichtbar  Taf.  VI)  fĂĽr  den 
spielgebenden  und  Vorsitzenden  Beamten  entsteht.  Ferner  ist, 
auch  auf  der  Ostseite,  diese  Loge  nachträglich  nach  Süden  zu 
erweitert  worden  (auch  dies  sichtbar  Taf.  VI).  Vielleicht  saĂźen 
hier,  durch  eine  ganz  niedrige  Mauer  von  den  Dekurionen  ge- 
trennt, die  Freigelassenen,  namentlich  die  Augustalen,  die  nicht 
Stadträte  werden  konnten,  denen  aber  doch  für  irgend  welche 
Verdienste  die  »Ehre  des  Bisellium«  verliehen  wurde. 

Dieser  untere  und  der  mittlere  Rang  waren  zugänglich  aus 
einem  unter  den  ersten  Stufen  des  zweiten  Ranges  umlaufenden 
Gang  (4),  Krypta  werden  ihn  die  Alten  genannt  haben,  aus  dem 
Treppen  in  radialer  Richtung  auf  den  untersten,  in  der  Richtung 
der  Peripherie  auf  den  zweiten  Rang  fĂĽhren.  In  die  Krypta  selbst 
gelangte  man  teils  aus  den  beiden  schon  erwähnten  Eingängen  der 
Arena,  teils  durch  zwei  von  der  Westseite  direkt  hineinfĂĽhrende 
Gänge  {c,  d).  Sie  ist  in  der  Mitte  der  Langseiten  unterbrochen. 
Auf  der  Westseite  war  dies  notwendig  wegen  des  zur  Porta 
Libitinensis  fĂĽhrenden  Ganges.  Da  aber  diese  Unterbrechung 
sich  ebenso  auch  auf  der  Ostseite  findet,  so  muĂź  sie  noch  einen 
anderen  Grund  haben:  vermutlich  sollten  so  die  Zuschauer  der 
südlichen  Hälfte  des  ersten  und  zweiten  Ranges  gezwungen 
werden,  ihren  Weg  durch  die  etwas  unbequem  in  einem  Winkel 
an  der  Stadtmauer  gelegenen  Südeingänge  zu  nehmen.  Sonst 
hätte  sich  der  ganze  Verkehr  auf  die  der  Stadt  und  den  Haupt- 
straßen zugewandten  Nordeingänge  konzentriert  und  wäre  hier 
ein  lästiges  Gedränge  entstanden. 

Im  Nordeingange  sind,  wie  auch  im  Plan  angedeutet,  in  das 
Pflaster  nahe  der  linken  Wand  Steine  mit  viereckigen  Löchern 
eingelassen:  offenbar  sollte  hier  durch  eingesetzte  und  durch 
Stricke  verbundene  Pfähle  ein  schmaler  Gang  an  der  Wand  ent- 
lang abgeteilt  werden.  Der  Zweck  ist  leicht  zu  erraten.  Hier 
zogen  die  Gladiatoren  aus  und  ein  und  wurden  auch  die  zu  er- 
legenden Tiere  in  die  Arena  gebracht.  Daher  mochte  zwar  vor 
Beginn  des  Schauspieles  der  ganze  Eingang  dem  Publikum  offen 
sein;  nachher  aber  war  es  aötig,  den  Weg  der  Zuschauer  von 
dem  der  Gladiatoren  zu  trennen.  So  wurde  also  dieser  schmale 
Gang  an  der  linken  Wand  fĂĽr    die  Zuschauer  der    linken  Seite 


XXX.   Das  Amphitheater. 


221 


PN 


vorbehalten;  die  rechte,  westliche  Krypta  war  wohl  nach  Beginn 
des   Schauspieles  von  hier   aus    ĂĽberhaupt  nicht   mehr,   sondern 
nur  noch  durch   den   anderen  Eingang  [c] 
zugänglich. 

Eine  niedrige  BrĂĽstung  und  hinter  die- 
ser ein  Umgang  [praecinctio^  b)  trennen  den 
mittleren  Rang  von  dem  obersten.  Dieser 
ist  zwar  auch  von  der  Krypta  aus  zu- 
gänglich, durch  die  den  zweiten  Rang 
durchschneidenden  und  in  keilförmige 
Sektoren  [ciinei)  teilenden  Treppen.  Seine 
eigentlichen  Zugänge  aber  hat  er  von  oben, 
von  der  breiten  Terrasse  (lo),  die  in  der 
Höhe  der  obersten  Stufen  umlaufend  im 
Osten  und  Süden  mit  der  Oberfläche  der 
Stadtmauer  zusammenfällt,  im  Westen  aber 
erstiegen  wird  auf  zwei  groĂźen  Doppel- 
treppen (ii)  und  zwei  einfachen  (12)  in  den 
Winkeln  zwischen  der  Rundung  des  Amphi- 
theaters und  der  Stadtmauer. 

Ăśber  diese  Terrasse  erhebt  sich  noch 
eine  Art  Galerie.  Zwei  Mauern,  reichlich 
2  m  hoch,  durchbrochen  von  den  Zu- 
gängen (Vomitoriehj  des  obersten  Ranges, 
tragen  kleine  viereckige  Logen  von  1,30  m 
Tiefe,  hinter  denen  ein  1,40  m  breiter, 
durch  Treppen  (9)  zugänglicher  Korridor 
umläuft.  Nur  jede  dritte  Loge  hat  eine 
TĂĽr  aus  dem  Korridor;  in  die  ĂĽbrigen 
gelangte  man  durch  V^ermittelung  eines 
an  der  offenen  Seite  der  Logen  umlaufen- 
den, nur  80  cm  breiten  Ganges  (2),  wie 
GrundriĂź  Fig.  iio  zeigt. 

Zweifellos  sind  dies  die  Plätze  der 
Frauen,  die  nach  einer  Verordnung  des 
Augustus   nur  in  den  obersten  Teilen   des 

Amphitheaters  zugelassen  waren.    In  betreff  der  Sitzstufen  dĂĽrfen 
wir  vermuten,  daß  der  untere  Rans:  den  Behörden  und  sonstigen 


i;^l 


22  2  Ponapeji. 

bevorzugten  Personen,  auch  Freunden  des  Spielgebers  vorbehalten, 
der  zweite  gegen  Bezahlung,  der  dritte  aber  unentgeltlich  dem 
Volke  zugänglich  war. 

Die  Bauinschrift  des  Valgus  und  Porcius  wurde  schon  oben 
(S.  216)  erwähnt.  Weitere  Inschriften  sind  eingehauen  in  die 
Travertinbekrönung  der  Umfassungsmauer  der  Arena.  Eine  der- 
selben lautet :  L.  Saginiiis  II  vir  i[uri)  d[icundo)  pr[o)  lu{dis  et)  lii- 
[minibus)  ex  d{ecnrionum]  d[ecreto)  cun[euni).  Ebenso  besagen  sechs 
weitere  Inschriften,  daĂź  ein  Duumvir  statt  der  Spiele  und  der 
Illumination  einen  Cuneus,  eine  der  keilförmigen  Sitzabteilungen, 
einer  sogar  ihrer  drei  hat  machen  lassen.  Eine  achte  Inschrift 
lautet:  Mag[istri]  pag{i]  Aug[usti)  F[elicis)  S[jiburbani)  pro  lud[is) 
ex  d[ecurionum)  d[ecreto).  Hier  wird  nicht  gesagt,  was  die  Magistri 
der  Vorstadt  (S.  13),  statt  Spiele  zu  geben, 
haben  machen  lassen;  zweifellos  aber  war  es 
auch  ein  Cuneus.  Wir  erinnern  uns  aus  der 
, .    ,        Inschrift  der  Stabianer  Thermen  (S.   igi)  des 

Flg.  110.      GrundriĂź    der  ^  ^     ' 

Galerie.  Gcldcs,  das  die  Duumvirn  entweder  fĂĽr  Spiele 

I.  Treppen.  2.  Logen.       ^j^j.    f--j.    ^jj^    Bauwcrk    aufzuwcndcn    hatten. 

Es  scheint  also,  daĂź  das  Amphitheater  nicht 
gleich  bei  der  Erbauung,  sondern  erst  allmählich  mit  Sitzstufen 
versehen  wurde,  und  es  bis  dahin  jedem  ĂĽberlassen  blieb,  es  sich 
auf  dem  Abhang  so  gut  er  konnte  bequem  zu  machen.  Und  da 
die  Organisation  des  Pagus  Augustus  Felix  in  das  Jahr  7  v.  Chr. 
fällt  (oben  S.  13),  so  müssen  damals  die  Sitzreihen  noch  nicht 
fertig  gewesen  sein.  Zur  Zeit  der  VerschĂĽttung  waren  sie  voll- 
ständig. 

Im  nördlichen  Eingange  zur  Arena  standen  sich  gegenüber, 
in  gemauerten  Nischen,  die  Statuen  der  beiden  C.  Cuspius  Pansa, 
Vater  und  Sohn;  die  Statuen  selbst  sind  nicht  gefunden  worden, 
die  Inschriften  aber  noch  am  Platze.  Welche  Verdienste  sie  um 
das  Amphitheater  hatten,  ist  unbekannt.  Der  Vater  war  Prae- 
fectus  ex  lege  Petronia^  d.  h.  er  war  zur  Verwaltung  des  Duum- 
virats  vom  Stadtrat  ernannt  worden,  da  keine  gĂĽltige  Wahl  zu- 
stande gekommen  war  (S.  12).  IrrtĂĽmlich  denkt  Bulwer  in  seinem 
bekannten  Roman  an  eine  andere  Lex  Petronia,  nach  der  es 
verboten  war,  Sklaven  ohne  Richterspruch  den  wilden  Tieren 
vorzuwerfen. 


XXX.    Das  Amphitheater.  223 

Nach  seiner  Größe  war  das  Amphitheater  nicht  nur  für  die 
BĂĽrgerschaft  berechnet,  sondern  auch  fĂĽr  Besuch  aus  den  Nach- 
barstädten, der  denn  auch  nicht  ausblieb.  Im  Jahre  59  n.  Chr. 
hatte  ein  gewisser  Livineius  Regulus,  in  Rom  aus  dem  Senat 
gestoĂźen,  sich,  wie  es  scheint,  nach  Pompeji  zurĂĽckgezogen,  und 
gab  hier  Gladiatorenkämpfe.  Zahlreich  kamen  auch  die  Bewohner 
des  benachbarten  Nuceria.  Besonders  gutes  Einvernehmen  scheint 
zwischen  den  beiden  Städten  nicht  geherrscht  zu  haben ;  es  kam 
im  Amphitheater  zu  Sticheleien,  weiter  zu  SteinwĂĽrfen  und  end- 
lich zum  Kampf  mit  bewaffneter  Hand,  in  dem  begreiflicherweise 
die  Nuceriner  den  kĂĽrzeren  zogen;  die  Zahl  der  Toten  und 
Verwundeten  war  beträchtlich.  Die  Sache  kam  auf  Klage  der 
Nuceriner  in  Rom  zur  Verhandlung.  Nero  ĂĽberlieĂź  das  Urteil 
dem  Senat,  und  dieser  entschied,  daĂź  den  Pompejanern  auf 
10  Jahre  die  Gladiatorenspiele  zu  untersagen,  ihre  gesetzwidrigen 
Vereine  —  von  denen  wir  leider  nichts  Näheres  erfahren  — 
aufzulösen  seien.  Livineius  Regulus  und  die  Hauptanstifter  der 
Schlägerei  wurden  in  die  Verbannung  geschickt.  Soweit  be- 
richtet Tacitus.  Aus  den  Ouittungstafeln  des  Caecilius  Jucundus 
entnehmen  wir  des  weiteren,  daĂź  die  Duumvirn  des  laufenden 
Jahres  ihres  Amtes  enthoben,  Neuwahlen  veranstaltet,  und  den 
Gewählten  ein  außerordentlicher  Kommissar  [praefechis  iuri 
dicundo)  beigegeben  wurde:  MaĂźregeln,  die  zeigen,  wie  tief  die 
öffentliche  Ordnung  erschüttert  war. 

Diese  blutige  Schlägerei  zeigt  ein  im  Jahre  1869  in  einem 
Hause  in  der  Nähe  der  Theater  gefundenes,  jetzt  in  Neapel  be- 
findliches Gemälde  (Fig.  iii),  das  uns  auch  von  dem  Aussehen 
des  Platzes  um  das  Amphitheater  eine  Vorstellung  gibt. 

Es  sah  ländlich  aus  in  diesem  abgelegenen  Winkel  der  Stadt. 
Rechts  ein  einzelnes  Haus,  im  Vordergrunde  Bäume  und  allerlei 
Verkaufsstände.  Wir  lernen  ferner  aus  diesem  Bilde,  daß  die 
Logen  der  Frauen  gewölbt  waren.  Und  endlich  zeigt  es.  wie 
auf  der  SĂĽdseite,  mit  Benutzung  der  Stadtmauer  und  ihrer 
TĂĽrme,  das  Segel  [velum)  zum  Schutz  gegen  die  Sonne  auf- 
gespannt wurde.  Die  Pfähle  zur  Stütze  desselben  standen  in 
dem  hinter  den  Frauenlogen  umlaufenden  Korridor,  wo  im  FuĂź- 
boden noch  einer  der  durchlöcherten  Steine  erhalten  ist,  in  die 
sie  einsresetzt  wurden. 


224 


Pompeji. 


Wir  können  das  Amphitheater  nicht  verlassen,  ohne  der  zahl- 
reichen Ankündigungen  von  Gladiatorenkämpfen  zu  gedenken, 
die  meist  an  den  StraĂźen,  aber  auch  in  dem  Hofe  der  kleineren 
Thermen,  mehrfach  auch  auf  Gräbern,  mit  roter  Farbe  aufgemalt 
sind.  So  lesen  wir  auf  einem  im  Jahre  1886  vor  dem  Nuceriner 
Tor    ausgegrabenen    Grabmonument:    Glad{iatorum)  par[iä)  XX 


Fig.  III.     Schlägerei  zwischen  Pompejanern  und  Nucerinern. 
Wandgemälde. 


Q.  Monni  Rufi  pug[nabunt)  Nola  k[alendis)  Mais  VI.  V.  Nonas 
Maias^  et  venatio^  erit^  —  »Zwanzig  Gladiatorenpaare  des  Q.  Mon- 
nius  Rufus  werden  am  i.,  2.  und  3.  Mai  in  Nola  kämpfen;  es 
wird  auch  Tierhetze  sein,<  Der  Schriftcharakter,  mit  vielen  Li- 
gaturen, deutet  auf  relativ  frĂĽhe,  vielleicht  noch  republikanische 
Zeit.  Dicht  dabei  auf  einem  anderen  Grabe  las  man  die  An- 
kĂĽndigung eines  in  Nuceria  stattfindenden  Kampfspieles. 

Eine    andere    AnkĂĽndigung    lautet:     Cn.  Ă„llci    Nigidi    Mai 


XXX.   Das  Amphitheater.  2  2^^ 

quinq[uennalis)  gl{adiatorum)  par[ia)  XXX  et  eor[iim)  snpp[ositicii] 
pugn[abiint]  Pompeis  VII I.  VII.  VI  K[alendas]  Dec[embres)  .  .  . 
ven{atio)  erit;  Maio  quinq[ueniiali)  feliciter.  Paris  va[le)  —  »Dreißig 
Gladiatorenpaare  des  Quinquennalen  Cn.  AUeius  Nigidius  Maius, 
und  deren  Ersatzmänner  (die  für  die  Getöteten  eintraten)  werden 
kämpfen  in  Pompeji  am  24. — 26.  Nov.  Auch  Tierhetze.  Hoch 
Maius  der  Quinquennal!  Paris  sei  gegrüßt!«  Paris  wird  wohl 
ein  beliebter  Gladiator  gewesen  sein.  Cn.  AUeius  Nigidius  Maius 
war,  wie  es  scheint  zur  Zeit  des  Claudius,  ein  reicher  und  mäch- 
tiger Mann  in  Pompeji.  In  einer  anderen  gemalten  Inschrift 
bietet  er  ein  großes  Anwesen  —  Wohnungen  und  Läden  —  zur 
Miete  an  (Kap.  LVI).  Seine  Tochter  war,  wie  wir  aus  der  In- 
schrift einer  ihr  gesetzten  Statue  wissen,  Priesterin  der  Venus 
und  Ceres. 

Nicht  nur  Duumvirn,  auch  andere  Beamte  gaben  Spiele: 
A.  Suetti  Certi  aedilis  faniilia  gladiatoria  pugnab[it)  Pompeis 
pr[idie)  k[alendas)  lunias;  venatio  et  vela  erimt  —  >Die  Gladia- 
torenbande des  Ädilen  A.  Suettius  Certus  wird  kämpfen  in  Pom- 
peji am  31.  Mai;  Tierhetze  und  Schutzdach.«  Die  Zeit  des 
Suettius  Certus  ist  unbekannt. 

Folgende  AnkĂĽndigung  kann  ziemlich  genau  datiert  werden: 
D.  Lucreti  Satri  Valentis  flaminis  Neronis  Caesaris  Aug[iisti)  fili 
perpetui  gladiatormn  paria  XX^  et  D.  Lucreti  Valentis  fili  glad. 
paria  X  piig[nabimt)  Pompeis  VI.  V.  IV.  III.  pr.  Idiis  Apr. 
venatio  legitima  et  vela  ermit.  Scr{ipsit)  Aemilius  Celer  sing[uliis] 
ad  luna[m)^  —  >  Zwanzig  Paare  Gladiatoren  des  Decimus  Lu- 
cretius  Satrius  Valens,  ständigen  Priesters  des  Nero,  Sohnes  des 
Kaisers  (also  nach  seiner  Adoption  durch  Claudius,  50,  und  vor 
dessen  Tod,  54  n.  Chr.)  und  zehn  Paare  des  D.  Lucretius  Valens 
des  Sohnes  werden  kämpfen  in  Pompeji  am  8.,  g.,  10.,  11.  und 
12.  April.  Vollständige  Tierhetze  und  Schutzdach.  Dies  schrieb 
Aemilius  Celer,  allein,  beim  Mondlicht.«  Aemilius  Celer  kommt 
als  Schreiber  solcher  gemalten  Inschriften  auch  sonst  vor. 

AuĂźer  diesen  allgemein  gehaltenen  Anzeigen  wurde  aber  auch 
noch  ein  eingehenderes  Programm  [libelliis)  bekannt  gemacht 
und  in  Abschriften  verkauft.  Zu  einer  ungefähren  V^orstellung 
von  einem  solchen  Libellus  hat  uns  ein  mĂĽĂźiger  Pompejaner 
verholfen,   indem   er  zwei   derselben  —  bezüglich   auf  zwei  kurz 

Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.  i- 


2  26  Pompeji. 

hintereinander,  Anfang  Mai,  stattfindende  Schauspiele  —  in  eine 
Wand  einkratzte,  wobei  er  noch  Notizen  ĂĽber  den  Ausgang  der 
einzelnen  Kämpfe  hinzufügte.  Die  Inschrift  ist  leider  zum  großen 
Teil  unlesbar  geworden.  Wir  geben  als  Probe  die  Ăśberschrift 
und  drei  der  neun  Paare  des  zweiten,  besser  erhaltenen  Pro- 
grammes. 

Munus  N .  .  .  (der  Name  des  Spielgebers  fehlt)  .  .  .  IV.  III. 
prid.  idus^  idibus  Mais  (12.  — 15.  Mai). 


T.  M. 

V. 

Pitgnax       Ner. 

III 

p- 

Murranus  Ner. 

III 

0.  T. 

V. 

Cycnus  lul. 

Villi 

in. 

Atticus  lul. 
Ess. 

XIV 

m. 

P.  Ostorius 

LI 

V. 

Scylax  lul. 

XXVI 

Munus  ist  die  Leistung  des  Spielgebers.  Die  ĂĽber  den  ein- 
zelnen Paaren  stehenden  Buchstaben  bezeichnen  die  Waffengat- 
tung. Das  erste  Paar  ist  ein  Thraex  (Thracier)  und  ein  Myrmillo 
(gallischen  KostĂĽms),  das  zweite  ein  Oplomachus  (Schwerbewaff- 
neter) und  ein  Thracier,  das  dritte  zwei  Essedarii,  Wagenkämpfer 
britannischen  KostĂĽms.  Pugnax  und  Murranus  werden  bezeichnet 
als  Neroniani,  Cycnus,  Atticus  und  Scylax  als  Juliani,  d.  h.  sie 
sind  hervorgegangen  aus  den  von  Nero  und  Julius  Caesar  be- 
grĂĽndeten Gladiatorenschulen  (wohl  in  Capua);  es  ist  bekannt, 
daĂź  solche  Schulen  ihre  Gladiatoren  an  die  Spielgeber  vermie- 
teten und  auf  diesem  Wege  bedeutende  Einnahmen  erzielten. 
Dagegen  ist  P.  Ostorius,  wie  der  Name  beweist,  ein  freier  Mann, 
vermutlich  ein  Libertus,  ein  ausgedienter  und  freigelassener  Gla- 
diator, der  auf  eigene  Rechnung  weiter  kämpft.  Die  Zahl  ist 
die  der  vorher  bestandenen  Kämpfe:  Ostorius  zählt  ihrer  51. 
Ein  Neuling,  tiro.^  wurde  statt  der  Zahl  durch  ein  T  bezeichnet, 
rundlich   die  vor   dem  Namen   stehenden  Buchstaben   bezeichnen 


XXX.   Das  Amphitheater.  22  7 

den  Ausgang  des  Kampfes;  den  Sieg  [vicit],  den  Tod  [periit)^  die 
Begnadigung  [inissns)\  sie  sind  von  dem  Schreiber  der  Wand- 
inschrift zu  dem  ihm  vorliegenden  Programm  hinzugesetzt  worden. 

Neben  den  offenbar  sehr  beliebten  und  meist  siegreichen 
Julianern  und  Neronianern  erscheinen  in  den  Wandinschriften  auch 
Gladiatoren  anderer  Besitzer.  So  z.  B.  in  den  gleich  zu  erwäh- 
nenden Inschriften  eines  Hauses  an  der  Nolaner  StraĂźe  teils  Freie 
teils  Sklaven  verschiedener  Herren,  unter  denen  nur  ein  bekannter 
Name  auftaucht.  Wir  lesen  dort :  Essed.  Auriolus  Siscn.  Der  Besitzer 
des  Essedarius  Auriolus  ist  höchst  wahrscheinlich  entweder  Sisenna 
Statilius  Taurus,  Konsul  i6  n.  Chr.,  oder  sein  gleichnamiger  Sohn. 
Ein  Statuier  war  es,  der  29  v.  Chr.  in  Rom  das  erste  Amphi- 
theater baute.  Die  Verwaltung  desselben  blieb  in  den  Händen 
der  Familie;  wir  wissen  dies  durch  die  in  dem  Columbarium 
ihrer  Sklaven  und  Freigelassenen  gefundenen  Grabschriften  eines 
Custos  de  amphitJieatro  und  eines  Ostiarins  (TĂĽrhĂĽter)  ab  avipJii- 
tJieatro.  Um  so  mehr  ist  es  glaublich,  daß  diese  Familie  —  die 
erste  Roms  nach  der  kaiserlichen  —  auch  eine  Gladiatoren- 
schule besaĂź  und  durch  Vermieten  an  Spielgeber  verwertete. 

Nach  alle  dem  ist  klar,  daĂź  unter  der  Truppe  [faniilia 
gladiatorid)  des  Nigidius  Malus,  des  Suettius  Certus  und  anderer 
nur  die  von  ihnen  fĂĽr  ein  bestimmtes  Schauspiel  gemieteten 
Kämpfer  zu  verstehen  sind.  Nach  Beendigung  des  Schauspiels 
wurden  die  Ăśberlebenden  zurĂĽckgegeben,  die  Freien  entlassen, 
die  Toten  bezahlt,  und  die  > Truppe«  hatte  aufgehört  zu  existieren. 
Gelegentlich  setzte  wohl  auch  ein  Spielgeber,  um  das  Andenken 
seiner  Leistung  zu  verewigen,  den  Gefallenen  ein  Denkmal.  Von 
einem  solchen,  das  ein  gewisser  C.  Salvius  Capito  in  Venosa  er- 
richtete, ist  die  Inschrift  erhalten;  sie  nennt  die  Namen  der  Ge- 
fallenen, mit  Angabe  der  Zahl  ihrer  früheren  Kämpfe  und  Siege: 
es  sind  Freie  und  Sklaven  verschiedener  Herren,  nur  einer, 
Optatus,  des  Capito  selbst.  Dieser  fiel  in  seinem  ersten  Kampf, 
als  Tiro;  vielleicht  hatte  ihn  sein  Herr  wegen  irgend  eines  Ver- 
gehens zum  Gladiatorenkampfe  verurteilt. 

Noch  zahllose  andere  Wandkritzeleien  zeugen  von  dem  un- 
geheuren Interesse,  das  die  Gladiatorenkämpfe  erregten.  Bald 
ist  es  nur  ein  Name  mit  denselben  Zusätzen  wie  in  den  Pro- 
grammen (z.  B.  Auctus  lul.  XXXXX)^  bald  eine  rohe  Zeichnung 


22\ 


Pompeji. 


eines  Gladiators  mit  rühmender  Beischrift,  wie  z.  B.  Hermäiscus 
invictus  hac,  —  hier  ist  der  unbesiegte  Hermäiscus.  Oder  es  sind 
Notizen  über  Kämpfe,  die  dann  auch  wohl  in  rohen  Zeichnungen 
dargestellt  sind.  So  z.  B.  auf  einer  Wand  der  Casa  del  Cente- 
nario  ein  fliehender  Gladiator  von  einem  andern  verfolgt,  mit 
der  Beischrift:  Officiosus  fugit  VIII  idus  Nov.  Druso  Caesar e 
M.  Jwiio  Silano  cos.,  —  »Officiosus  floh  am  6.  November  15  n.  Chr.« 
Und  in  einem  anderen  Hause  bei  einer  ganz  ähnlichen  Zeich- 
nung   neben    dem     fliehenden     die    Beischrift:       Q.    P[e)tromus 


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Fig.  112.     Ende  eines  Gladiatorenkampfes.    Wandgemälde  aus  einem  Privathause. 


0{c)ta[v)us  XXXIII  m[issus),  neben  dem  Verfolger;  Severiis 
lib[ertus)  XXXXXV  v[icit).  Severus  also  war  ein  ausgedienter 
Gladiator,  der  55  Kämpfe  bestanden  hatte,  Petronius  Octavus 
vielleicht  ein  Freier,  der  von  Anfang  an  auf  eigene  Rechnung 
arbeitete.  Auch  Malereien  geben  Kunde  von  dem  lebhaften  In- 
teresse für  diese  Kämpfe;  namentlich  für  Schenkwirtschaften  war 
ein  auf  die  Wand  gemalter  Gladiator,  auch  wohl  mit  Beischrift 
nach  Art  des  Libellus,  eine  beliebte  Zierde.  Obiges  Bild,  aus 
einem  Privathause,  zeigt  das  Ende  eines  Kampfes.  Der  Thracier 
—  kenntlich  an  dem  gekrümmten  Schwert  [sica)  —  ist  durch  eine 
Wunde   im  linken  Arm  kampfunfähig  geworden:  mit  erhobenem 


XXX.   Das  Amphitheater.  220 

Daumen   bittet  er  um  Begnadigung.     Umsonst,  wie  es  scheint; 
der  Gegner  ist  im  Begriff,  ihm  den  TodesstoĂź  zu  versetzen. 

Der  Enthusiasmus  des  weiblichen  Geschlechts  fĂĽr  die  Gla- 
diatoren ist  aus  der  Literatur  bekannt  genug,  und  es  wäre  wohl 
merkwĂĽrdig,  wenn  sich  in  den  zahlreichen  auf  Gladiatoren  be- 
züglichen Wandkritzeleien  davon  keine  Spur  fände.  In  einem 
i88q  an  der  Nolaner  StraĂźe  ausgegrabenen  Hause  sind  die 
Peristylsäulen  bedeckt  mit  fast  ausschließlich  auf  Gladiatoren  be- 
zĂĽglichen eingekratzten  Inschriften.  Es  sind  Namen  von  etwa 
30  Gladiatoren,  mit  Angabe  der  Waffengattung,  des  Besitzers, 
der  Zahl  früherer  Kämpfe.  Zusätze  wie  v{icit],  p[criit)^  m[issus] 
fehlen  ganz ;  vielleicht  hat  hier  die  Erwartung  eines  bevorstehen- 
den Schauspieles  ihren  Ausdruck  gefunden.  In  einem  Zimmer 
am  Peristyl  lesen  wir:  Sainus  ID I  m{ur7nillo)  idem  cq[ucs]  hie 
hab[itat)^  —  »Samus,  der  einmal  gekämpft  und  einmal  gesiegt 
hat  [J  bedeutet  cor 071a ^  Sieg),  Myrmillo  und  zugleich  Reiter, 
wohnt  hier.«  Danach  müssen  wir  wohl  annehmen,  daß  hier 
einmal  (vor  63  n,  Chr.)  Gladiatoren  wohnten  und  daĂź  die  In- 
schriften teils  von  ihnen  selbst,  teils  von  bewundernden  Besuchern 
herrĂĽhren.  Den  Namen  zweier  Gladiatoren,  des  Thraciers  Celadus 
und  des  Retiarius  (Netzkämpfers)  Crescens  sind  allerlei  Zurufe 
beigefĂĽgt,  die  sehr  lebhaft  das  ihnen  von  dem  weiblichen  Teil 
der  Bevölkerung  gewidmete  Interesse  ausdrücken.  Celadus  heißt 
suspirimn puellarimi^  »Sehnsucht  der  Mädchen«,  pm Ilarum  dccus^ 
»Zierde  der  Mädchen«,  Crescens  puparmn  dominus,  »Herr  der 
Mädchen«,  puparmn  7ncdicus,  »Arzt  der  Mädchen«.  Wir  müssen 
dahingestellt  sein  lassen,  ob  hier  Celadus  und  Crescens  selbst  als 
milites  gloriosi  sich  ihrer  Siege  auĂźerhalb  der  Arena  rĂĽhmen, 
oder  ein  sie  besuchender  Bewunderer,  vielleicht  gar  ein  spotten- 
der Kamerad  dies  geschrieben  hat. 


Kapitel  XXXI. 
Straßen.    Wasserleitung.     Straßenaltäre. 

Die  StraĂźen  Pompejis  sind  von  sehr  verschiedener  Breite. 
Am  breitesten  wohl  der  sĂĽdliche  Teil  der  MerkurstraĂźe;  bis  zu 
9,58  m;  demnächst  die  Abbondanzastraße  (8,53  südlich  der  Insula 


Fig.  113.    Ansicht  der  AbbondanzastraĂźe,  nach  Osten  lli   'kciuI.    Links  der  lirunnen  der  Concordia 
Augusta.     Im  Pflaster  drei  Trittsteine. 

IV  (VII),  14)  und  die  Nolaner  StraĂźe,  bis  zu  8,  36.  Die  ĂĽbrigen 
variieren  zwischen  6  und  3  m.  Pflasterung  fast  ĂĽberall,  ebenso 
Teilung  in  Fahrdamm  und  Gangsteig.  Nur  in  den  HauptstraĂźen 
konnten  zwei  Wagen  sich  begegnen;  im  ĂĽbrigen  muĂźten  die 
StraĂźenkreuzung-en    zum    Ausweichen    benutzt    werden.      In    der 


XXXI.   Straßen.    Wasserleitung.     Straßenaltäre.  2  3 1 

Pflasterung  der  HauptstraĂźen  sieht  man  ĂĽberall  die  Furchen  der 
Räder,  mehr  oder  weniger  tief,  je  nachdem  die  vieleckigen  Lava- 
blöcke aus  tieferen  und  härteren  oder  aus  oberflächlicheren  und 
weicheren  Schichten  stammen,  an  manchen  Stellen  so  tief  und 
so  massenhaft,  daĂź  Personenverkehr  zu  Wagen,  zumal  die  antiken 
Wagen  keine  Federn  hatten,  fast  unmöglich  war.  Es  wird  hier 
sehr  anschaulich,  daß  solcher  Verkehr  in  den  Städten  verboten  war; 
die  Stelle  der  Equipage  vertrat  die  Sänfte,  das  getragene  Ruhebett. 

Sicher  war  das  StraĂźenpflaster  nicht  von  Anfang  an  vorhanden. 
Ăśber  sein  Alter  geben  die  einzige  Auskunft  zwei  Inschriften, 
deren  eine,  EX-KQVI,  in  den  Rand  des  Gangsteiges  westlich 
der  Insula  III  (IX),  4,  die  andere,  KQ,  in  das  Pflaster  zwischen 
IV  (VII),  2  und  4  eingehauen  ist.  Sie  besagen:  ex  kalendis 
Quinctilibus,  vom  i.  Juli  an,  und  kalendis  Quinctilibus^  am  i.  Juli. 
Wahrscheinlich  beziehen  sie  sich  irgendwie  auf  die  Pflasterung, 
sicher  war,  als  sie  eingehauen  wurden,  das  Pflaster  vorhanden, 
auch  in  der  letztgenannten  unbedeutenden  NebenstraĂźe;  sicher 
ist  ferner,  daß  sie  älter  sind  als  das  Jahr"44':v.  Chr.,  in  dem  der 
Monat  Quinctilis  den  Namen  Julius  erhielt.  Also  schon  vor 
diesem  Jahr  war  Pompeji  gepflastert. 

Der  Gangsteig  ist  eingefaĂźt  von  Lava-  oder  Tufiquadern,  im 
ĂĽbrigen  bald  mit  kleinen  Steinen  gepflastert,  bald  mit  einer 
meist  sehr  zerstörten  Fußbodenmasse  belegt.  Und  zwar  wechselt 
die  Behandlung  des  Gangsteiges  mit  den  anliegenden  Häusern: 
offenbar  lag  die  Unterhaltung  desselben  den  Anwohnern  ob.  Oft- 
mals bezeichnen  auch  noch  in  die  Oberfläche  des  Gangsteiges  ein- 
gelegte Steine  die  Grenze  der  einzelnen  GrundstĂĽcke. 

Um  von  einem  Gangsteig  auf  den  andern  zu  gelangen, 
dienten  namentlich  an  den  Kreuzwegen,  wo  es  am  nötigsten  war, 
große,  länglich  runde,  sich  über  das  Pflaster  des  Fahrweges  bis 
zu  dem  Niveau  des  Gangsteiges  erhebende  Steine  (Fig.  113),  bis 
zu  fĂĽnfen,  je  nach  der  Breite  der  StraĂźe.  Sie  sind  stets  so  gelegt, 
daß  für  die  Wagenräder  der  Weg  frei  blieb.  Daß  es  den  Zug- 
tieren möglich  war,  zwischen  ihnen  hindurch  zu  kommen,  erklärt 
sich  aus  der  Art  der  antiken  Bespannung;  die  Tiere  waren  nur 
mittels  des  Joches  an  der  Spitze  der  Deichsel  befestigt,  so  daĂź 
sie  ihr  Hinterteil  viel  freier  bewegen  konnten  als  bei  moderner 
Anschirrung. 


232  Pompeji. 

Besonders  notwendig  waren  diese  Trittsteine,  wenn  es  regnete. 
Denn  dann  floß  das  Wasser  in  Strömen  auf  dem  Fahrwege, 
Unterirdischer  AbfluĂź  war  nur  am  Forum  (S.  44) ;  im  ĂĽbrigen 
flieĂźt  das  Wasser  einfach  auf  der  StraĂźe  ab  und  wird  erst  in 
der  Nähe  der  Stadtmauern  von  gpoßen  unterirdischen  Abzugs- 
kanälen aufgenommen,  die  noch  heute  vorzüglich  ihre  Aufgabe 
erfĂĽllen.  Vom  Forum  fĂĽhrt  einer  derselben  unter  der  Via  delle 
Scuole  nach  SĂĽden,  ein  anderer  unter  der  Strada  della  Marina  nach 
Westen ;  nach  Westen  auch  ein  dritter  am  Westende  der  nördlich 
am  Forum  vorbeifĂĽhrenden  Via  degli  Augustali  und  ein  vierter 
vom  Westende  der  Nolaner  StraĂźe  aus;  ein  fĂĽnfter  fĂĽhrt  von 
der  AbbondanzastraĂźe,  gegenĂĽber  dem  Eingang  der  Stabianer 
Thermen,  nach  SĂĽden.  Auch  im  Innern  der  Stadt  sind  Kloaken 
vorhanden,  aber  von  viel  geringeren  Dimensionen.  Diese  sind 
noch  nicht  erforscht  worden;  es  scheint,  daĂź  sie  meist  unter 
den  Gangsteigen  laufen.  Doch  dienten  sie  nicht  zur  Aufnahme 
des  Regenwassers,  sondern  fĂĽhrten  nur  den  Unrat  aus  den 
Häusern  ab.  Und  auch  dies  nur  in  beschränktem  Maße;  denn 
die  Abtritte  stehen  größtenteils  nicht  mit  ihnen  in  Verbindung, 
sondern  fĂĽhren  in  Senkgruben  ohne  AbfluĂź. 

VerkehrsstraĂźen  und  stille  StraĂźen  unterscheidet  der  Besucher 
Pompejis  auf  den  ersten  Blick:  dort  Laden  an  Laden;  hier  ge- 
schlossene Mauern,  nur  unterbrochen,  in  größeren  Zwischen- 
räumen, durch  die  Hauseingänge;  dazu  wenige,  kleine,  meist 
hoch  gelegene  Fenster.  Hauptverkehrsadern  sind  vor  allem  die 
beiden  groĂźen,  die  Stadt  durchkreuzenden  StraĂźen :  die  Stabianer 
und  Nolaner  StraĂźe.  An  letztere  schlieĂźt  sich  die  ihr  Westende 
mit  dem  Herculaner  Tor  verbindende  sogenannte  Strada  consolare. 
Femer  die  vom  Forum  zum  Sarnotor  fĂĽhrende  AbbondanzastraĂźe, 
und  endlich  die  vom  Nordende  des  Forums  östlich  verlaufende 
AugustalenstraĂźe  mit  ihrer  Fortsetzung:  wohin  diese  fĂĽhrt  und 
worauf  ihre  Bedeutung  als  Verkehrsader  beruht,  müssen  spätere 
Ausgrabungen  zeigen.  Zu  den  stillen  Straßen  gehört  auch  die 
breite,  von  reichen  Leuten  bewohnte  MerkurstraĂźe;  da  sie  an 
der  Stadtmauer  endet,  hatte  sie  fĂĽr  den  Verkehr  keine  Be- 
deutung. 

Zahlreich  sind  namentlich  an  den  HauptstraĂźen,  und  mit  Vor- 
liebe an  den  Wegkreuzungen,   öffentliche,  von    der    städtischen 


XXXI.   Straßen,    Wasserleitung.     Straßenaltäre.  233 

Wasserleitung  gespeiste  Brunnen  einfachster  Form:  ein  aus  vier 
mächtigen,  durch  Eisenklammern  verbundenen  Lavaquadern  be- 
stehendes Bassin;  in  der  Mitte  der  einen  Langseite  ein  pfeiler- 
artig aufstehender  Lavastein,  durchbohrt,  um  die  Bleiröhre  durch- 
zulassen, aus  der  der  Wasserstrahl  in  das  Bassin  fiel;  im  Rande 
des  letzteren  eine  Einkerbung,  durch  die  das  ĂĽberflĂĽssige  Wasser 
im  MaĂźe  des  Zuflusses  auf  die  StraĂźe  ablief  Den  Pfeiler  ziert 
meist  ein,  wie  es  die  Art  des  Steines  bedingt,  roh  ausgefĂĽhrtes 
Relief:  ein  Adler,  der  einen  Hasen  im  Schnabel  trägt,  ein  Stier- 
kopf, eine  MerkurbĂĽste,  ein  Medusenhaupt,  ein  ruhender  Silen 
(Fig.  114),  so  daĂź  das  Wasser  aus  dem  Munde  oder  etwa  aus 
einem  Gefäße  fließt.  Selten  sind  Brunnen  aus  anderem  Stein. 
Gleich  innerhalb  des  Stabianer  Tores  steht  ein  Brunnen  aus 
Tufl".  Schon  erwähnt  wurde  der  Travertinbrunnen  der  Concordia 
Augusta  (S.  113,  Fig.  56).  Aus  weiĂźem  Marmor  ist  einer  in  der 
Nähe  des  Seetores,  an  der  Südwestecke  der  Insula  III  (VII),  1 5 :  sein 
Relief  zeigt  einen  Hahn,  der  ein  Gefäß  umgeworfen  hat,  aus 
dem  das  Wasser  flieĂźt.  Wir  dĂĽrfen  annehmen,  daĂź  diese  beiden 
Brunnen  von  Privatleuten  gestiftet  sind:  jener  von  der  Eumachia, 
dieser  von  dem  Besitzer  des  anliegenden  Hauses  III  (VII),  15,  i — 2. 
Ferner  stehen  an  den  Straßen  gemauerte  Pfeiler,  i — 1,50  m 
im  Quadrat,  erhalten  bis  zur  Höhe  von  über  6  m,  vielfach  be- 
deckt mit  den  Kalkniederschlägen  des  Leitungswassers,  in  denen 
die  Eindrücke  zahlreicher  Bleiröhren  sichtbar  sind.  An  einem 
derselben,  an  der  Nordostecke  der  Insula  VI,  13,  sind  diese 
Röhren  selbst  in  großer  Zahl  erhalten.  Meist  ist  an  einer  Seite 
eine  Einkerbung,  in  der  ein  stärkeres  Rohr  von  etwa  0,15  m 
Durchmesser  lag.  Diese  Pfeiler  dienten  der  Verteilung  des 
Leitungswassers.  Sie  trugen  je  einen  ofienen,  vermutlich  blei- 
ernen Behälter  [castelhini  pluvibeimi)^  in  den  das  Wasser  durch 
eine  starke  Röhre  hinaufgetrieben  wurde,  um  von  da  aus  durch 
viele  kleine  Röhren  an  die  öffentlichen  Brunnen  und  in  die  Privat- 
häuser verteilt  zu  werden.  Ein  solches  Bassin  stand  auch  auf  dem 
Triumphbogen  der  Merkurstraße  (S.  46) ;  die  Spuren  der  Röhren 
sind  hier  sehr  deutlich.  Dieselbe  Art  der  Wasserverteilung  be- 
steht noch  heute  in  Konstantinopel  und  in  Palermo,  hier  von  den 
Arabern  eingefĂĽhrt,  die  sie  ohne  Zweifel  in  Konstantinopel  kennen 
gelernt  hatten. 


234 


Pompeji. 


Pompeji  war  eine  wasserreiche  Stadt;  in  allen  nicht  ganz  ge- 
ringen Häusern  sprang  das  Wasser,  zum  Teil  in  größtem  Über- 
fluĂź: nicht  weniger  als  sechzehn  Strahlen  im  Hause  der  Vettier, 
sieben  im  Hause  der  silbernen  Hochzeit  und  ähnlich  in  anderen. 
Große  Massen  verbrauchten  die  öffentlichen  Bäder.  Es  floß  in 
starken,  aus  einer  Platte  zusammengebogenen  Bleiröhren  birnen- 
förmigen Durchschnitts  und  sehr  verschiedenen  Durchmessers. 
Mit  bronzenen  Hähnen  konnten  die  einzelnen  Läufe  gesperrt 
werden. 


Fig.  114.     Brunnen,  Wasserleitungspfeiler  und  StraĂźenaltar  an  der  Ecke  der  Stabianer  und 

Nolaner  StraĂźe. 


Westlich  der  Badeanstalt  beim  Forum,  von  ihr  durch  die 
StraĂźe  getrennt,  ist  ein  groĂźes  Wasserbassin  (Plan  Fig.  115).  Sein 
Boden  liegt  beträchtlich  unter  dem  Niveau  der  Straße,  so  daß 
es  fĂĽr  das  Bad  nicht  benutzt  werden  konnte.  Es  ist  innen  15  m 
lang,  4  m  breit;  gefĂĽllt  bis  zur  Schwelle  des  Fensters  in  der 
Westwand  faĂźte  es  etwa  430000  1.  Zwei  Treppen  fĂĽhren  in  je 
zwei  Absätzen  die  eine  zu  Räumen  unbekannter  Bestimmung  über 
der  Wölbung  des  Bassins,  die  andere  hinab  zum  Niveau  seines 
Bodens.  Hier  sind  zwei  Abflußöffnungen  kenntlich:  eine  ganz 
unten,  zu  gänzlicher  Ausleerung  und  Reinigung,  verschließbar 
durch  einen  bronzenen  Schieber  (erhalten  der  Rahmen  in  dem 
er  sich  bewegte),  die  andere  etwa  i  m  ĂĽber  dem  Boden,  um 
reines  Wasser,  ohne  den  Bodensatz,  ausflieĂźen  zu  lassen. 


} 


0     12^4 


XXXI.   Straßen.    Wasserleitung.     Straßenaltäre.  235 

Ähnliche  Wasserbehälter  gibt  es  in  Konstantinopel,  wo  ihre 
Bestimmung  ist,  im  Falle  einer  Belagerung  einen  Wasservorrat 
aufzunehmen.  Vielleicht  war  dies  auch  hier  der  Zweck.  Das 
Mauerwerk  kann  der  ersten  Zeit  der  römischen  Kolonie  ange- 
hören; es  ist  sehr  wohl  denkbar,  daß  die  Kolonisten,  im  feind- 
lichen Lande  angesiedelt,  solche  Möglichkeiten  in  Betracht  zogen. 

Woher  bekam  Pompeji  sein  Wasser?  GewiĂź  nicht  vom 
Sarno.  Der  aus  der  höchstgelegenen  Sarnoquelle  abgeleitete 
Kanal  Fontanas  (S.  23)  durchflieĂźt  die  Stadt  etwa  17  m  ĂĽber 
dem  Meeresspiegel.  Die  antike  Leitung  aber  hatte  auch  in  den 
höchsten  Stadtteilen,  40  m  über  dem  Meer,  noch  Druck  genug,  um 
das  Wasser  auf  die  ĂĽber  6  m  hohen  Pfeiler  zu  treiben.  Sie  muĂźte 
aus  viel  höheren  Gegenden,  also,  da  am  Vesuv  so  ausgiebige 
Quellen  nie  vorhanden  waren, 
aus  den  die  campanische 
Ebene  einschlieĂźenden  Ge- 
birgen kommen.  Hier  aber 
die    Quellen    zu    fassen    und 

nach    Pompeji    zu    leiten,    ging         Fig.  113.      Grundriß    des    Wasserbehälters    west- 
v  1  •      1  »v    -i.     --L  j-  lieh   der  Thermen   beim  Forum,     a.  b,  c  Fenster. 

wohl  zu  jeder  Zeit  ĂĽber  die  ,    ^ 

â– >  a,  e  Treppen. 

Mittel  einer  so  kleinen  Stadt. 

Es  sind  nun  vielfache  Reste  erhalten  einer  groĂźen  Leitung, 
die  aus  der  Gegend  von  Avellino,  am  Nordabhange  des  Vesuvs 
entlang,  nach  Neapel  und  weiter  nach  Puteoli,  Bajae,  Misenum 
fĂĽhrte;  sie  faĂźte  dieselben  Quellen  und  nahm  wesentlich  den- 
selben Weg  wie  die,  welche  seit  1885  Neapel  versorgt.  Keine 
Inschrift,  kein  alter  Schriftseiler  gibt  Kunde  von  ihr.  Die  Ruinen 
—  das  bedeutendste  Stück  sind  die  sogenannten  Ponti  rossi,  die 
roten  Brücken,  bei  Neapel  —  zeigen  ältere  und  jüngere,  nach 
teilweiser  Zerstörung  wiederhergestellte  Teile.  Es  hat  aber  bisher 
niemand  aus  diesen  Resten  das  Alter  des  Baues  zu  bestimmen 
gewuĂźt.  DarĂĽber  aber  kann  kaum  ein  Zweifel  sein,  daĂź  die 
Wasserleitung  von  Pompeji  eine  Abzweigung  jener  groĂźen  Lei- 
tung war:  es  ist  schwer  zu  denken,  wie  Pompeji  sonst  zu  einer 
so  bedeutenden  Leitung  gekommen  sein  sollte. 

Die  Wasserleitung  Pompejis  geht,  wie  es  scheint,  zurĂĽck  auf 
die  Zeit  vor  der  römischen  Kolonie:  wir  schließen  dies  aus  drei 
marmornen    Untersätzen    von    Springbrunnenschalen,    die    durch 


236 


Pompeji. 


ihren  Stil,  durch  Steinmetzzeichen  in  Form  oskischer  Buch- 
staben, durch  ihre  Aufstellung  in  vorrömischen  Gebäuden  — 
Apollotempel ,  Forum  trianguläre ,  Casa  del  Fauno  —  mit 
einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  dieser  frĂĽhen  Zeit  zugewiesen 
werden.  So  weit  bis  jetzt  ersichtlich,  steht  nichts  im  Wege, 
auch  die  groĂźe  Wasserleitung  fĂĽr  ebenso  alt  zu  halten.  Wir 
dĂĽrfen  also  wohl  annehmen,  daĂź  sie  in  der  Friedenszeit  zwischen 
dem  zweiten  punischen  und  dem  Bundesgenossenkriege  von  den 
campanischen  Städten  gemeinsam  angelegt  wurde. 

Ein  wichtiges  Wasserleitungsgebäude  wurde  im  Jahre  1902 
ausgegraben:  ein  »Kastell«,  d.  h.  ein  bedecktes  Bassin  zur  Ver- 
teilung und  Abklä- 
rung des  in  die 
Stadt  eintretenden 
Wassers.  Es  ist  nicht 
sehr  alt:  etwa  in  der 
Zeit  des  Augustus 
wurde  es  angebaut 
an  die  Westwand 
des  damals  schon 
sehr  zerstörten  Ve- 
suvtores, gegenĂĽber 
dem  Nordende  der 
Insula  VI  16,  der  es 
eine  Front  mit  vier 
Pilastern  zuwendet. 
Unsere  Fig.  1 1 6 
zeigt  den  GrundriĂź. 
Der  runde  Innenraum  ist  bedeckt  von  einem  niedrigen  Kuppel- 
gewölbe: sein  Scheitelpunkt  liegt  nur  4  m,  der  durch  keinerlei 
Gesims  bezeichnete  Gewölbeansatz  nur  2,30  über  dem  Boden 
des  Bassins;  die  Wände  sind  mit  weißem  Stuck  bekleidet,  zwei 
kleine,  nach  SĂĽden,  nach  der  Stadtseite  gerichtete  Fenster  (//) 
gaben,  wenn  die  TĂĽr  (a)  geschlossen  war,  ein  dĂĽrftiges  Licht. 
Durch  die  Tür  {a)  eintretend  stehen  wir  in  dem  segmentförmigen 
Raum  c;  ihm  gegenĂĽber  ein  gleicher  Raum,  dem  sich  im  SĂĽden 
ein  schmaler  Gang  anschlieĂźt.  Alles  dies  {c,  im  Plan  hell 
schraffiert),  durch  eine  niedrige  BrĂĽstung  (dunkel  schraffiert,  hoch 


Fig.  116.     GrundriĂź  des  Kastells  der  Wasserleitung. 


XXXI.   Straßen.    Wasserleitung.     Straßenaltäre.  237 

0,35 — 0,40  m)  von  dem  um  etwa  0,50  m  tiefer  liegenden  eigent- 
lichen Bassin  {d,  im  Plan  weiß)  getrennt,  können  wir  als  einen 
Umgang  bezeichnen,  der  nur  an  zwei  Stellen  unterbrochen  ist: 
bei  der  EinmĂĽndung  der  Leitung  [d]  und  gleich  rechts  vom  Ein- 
gang. Diese  letztere  Unterbrechung  sollte  vielleicht,  wenn  die 
TĂĽr  offen  war,  Unberufenen  den  Zutritt  zu  den  unter  dem  Um- 
gang durchgehenden  Ausflußöffnungen  {^)  erschweren. 

Das  von  diesem  Umgang  umschlossene  Bassin  hat  die  Form 
eines  Dreiecks,  dessen  sĂĽdliche  Seite  ein  Kreisbogen  ist.  In  den 
nördlichen  Winkel  mündet  die  Wasserleitung  {d)  ein.  Sie  ist  ge- 
wölbt, hoch  1,39,  breit  0,55  m,  aber  zu  unterst,  bis  zur  Höhe 
von  0,33  m,  verengt  durch  Aufmauerung  auf  beiden  Seiten,  so 
daĂź  hier  nur  eine  Breite  von  0,22  m  ĂĽbrig  bleibt.  Dieser  untere, 
engere  Teil  ist  der  Wasserlauf;  die  Höhe  und  Weite  der  ganzen 
Ă–ffnung  diente  um  in  die  Leitung  hineingehen  und  sie  reinigen 
zu  können.  Über  ihr  sind  auf  dem  weißen  Wandstuck  in  ziemlich 
dürftiger  Malerei  ein  sitzender  Flußgott  —  wir  dürfen  ihn  wohl 
den  Genius  des  Aquädukts  nennen  —  und  vor*  ihm  stehend  drei 
Nymphen  dargestellt:  die  eine  läßt  aus  einer  Amphora  Wasser 
auslaufen,  die  zweite  trocknet  ihr  Haar,  die  dritte  hält  vor  dem 
SchoĂź  ein  Wasserbecken,  wie  bekannte  Brunnenfiguren. 

Im  sĂĽdlichen  Teil  des  Bassins  wurde  durch  einen  Einba,u  (/, 
hell  schraffiert)  in  der  Höhe  des  Umganges  das  Wasser  in  drei 
Ströme  {d\  d",  d'")  geteilt,  die  jeder  zu  einer  der  drei  unter 
dem  Umgang  durchgehenden  Ausflußröhren  [g\  g'\  g'")  führen. 
Das  Wasser  floß  ab  durch  Metallröhren,  die  nicht  mehr  vor- 
handen, deren  Spuren  aber  in  dem  Mauerwerk  sichtbar  sind 
(s.  die  Abbildung  Fig.  117);  die  drei  Leitungen  verschwinden 
dann  unter  dem  Straßenpflaster  und  können  nicht  weiter  verfolgt 
werden. 

Das  durch  die  Zuleitung  eingeflossene  Wasser  fiel  zunächst 
ĂĽber  eine  niedrige  Stufe  (im  Plan  durch  einfachen  Strich  be- 
zeichnet); dann  fand  es  den  Weg  versperrt  durch  eine  20  cm 
hohe  Bleiplatte  (^,  im  Plan  Doppelstrich),  die  vermutlich  durch- 
löchert war  und  als  eine  Art  Sieb  zur  Reinigung  des  Wassers 
diente.  Weiterhin  muĂźte  es  eine  zweite  ebensolche  Bleiplatte 
passieren,  jenseits  deren  es  gleich  in  die  drei  getrennten  Wege 
d'    d".  d'"   eintrat.     Und  zwar  ^clanofte   es  in  d'  und  d'"  ĂĽber 


238 


Pompeji. 


je  drei  niedrige  Stufen  (im  Plan  einfache  Striche)  an  das  AusfluĂź- 
rohr; der  mittlere  Strom  floĂź  erst  in  sanfter  Neigung  und  fiel 
dann  in  einer  kleinen  Kaskade  (einfacher  Strich)  zum  AusfluĂź 
hinab. 

Der  Bau  ist  im  höchsten  Grade  interessant  als  Beispiel  römi- 
scher Wasserbautechnik;  das  in  engem  Strom  herankommende 
Wasser  sollte,  hier  auf  eine  weitere  Fläche  ausgebreitet,  sich  ab- 
klären und  wurde  zugleich  durchgesiebt.  Aber  die  Hauptwasser- 
leitung der  Stadt  haben  wir  hier  nicht  vor   uns;   es  ist  ja  klar, 


Fig.  117.     Siidfassade  des  Kastells  der  Wasserleitung. 

daĂź  ein  Wasserlauf  von  nur  33X22  cm  Durchschnitt  nicht  fĂĽr 
die  Versorgung  von  Pompeji  ausreichen  konnte.  Auch  konnte 
das  von  hier  ausfließende  Wasser  nicht  hinlänglichen  Druck  haben, 
um  auf  die  oben  (S.  233)  erwähnten  Verteilungspfeiler  hinauf- 
zusteigen :  der  von  diesen  getragene  Behälter  lag  mindestens  etwa 
2,50  m  höher  als  die  Ausflüsse  des  Kastells.  Es  ist  eine  Hilfs- 
leitung, die  man  anlegte,  als  die  Hauptleitung  den  steigenden 
BedĂĽrfnissen  nicht  mehr  genĂĽgte. 

Den    Kult    der  Straßengötter,    der    die   Straßen  behütenden, 
namentlich  an  den  Kreuzwegen  [coinpita)  verehrten  Laren,  Lares 


XXXI.    Straßen.    Wasserleitung.     Straßenaltäre. 


239 


compitales,  hatte  in  Rom  Augustus  reorganisiert  und  den  »Viertels- 
meistem«,  vicorum  magistri^  übertragen,  auch  angeordnet,  daß 
mit  den  beiden  Laren  zusammen  sein  eigener  Schutzgeist,  Genius, 
verehrt  werden  sollte.  NatĂĽrlich  fand  alles  dies  in  den  Kolonien 
und  Munizipien  Nachahmung. 

Verschiedener  Art  sind  die  Denkmäler  dieses  Kultus  in  Pom- 
peji. Häufig  ist  an  ein  Haus  ein  kleiner  Altar  angemauert,  neben 
dem  bisweilen  zwei  Schlangen,  Personifikationen  des  Ortsgenius, 
auf  die  Wand  gemalt  sind;  statt  des  Altars  begegnet  wohl  auch 
eine  kleine  Nische,  in  die  man  die  Opfergabe  legen  konnte. 
Unsere  Abbildung  (Fig.  118)   zeigt  einen  alten  StraĂźenaltar,   der 


Fig.  118.     Alter  Altar  in  einer  jĂĽngeren  Mauer,  SĂĽdostecke  der  Centralthermen. 


beim  Bau  der  Centralthermen  sorgfältig  erhalten  wurde,  indem 
man  in  der  neuen  Mauer  eine  Nische  lieĂź.  Bisweilen  ist  der 
Altar  größer  und  sind  über  ihm  die  Laren  und  das  ihnen  ge- 
brachte Opfer  auf  die  Wand  gemalt.  So  ist  auf  dem  kleinen 
Platze  am  Kreuzpunkte  der  Stabianer  und  Nolaner  StraĂźe 
(Fig.  114)  an  eine  freistehende,  oben  giebelförmig  gestaltete  Wand 
ein  Altar  angemauert  und  ĂĽber  diesem  die  Malerei  ausgefĂĽhrt: 
neben  einem  Altar  stehen  vier  Magistri  in  der  Toga  und  der 
beim  Opfer  nie  fehlende  Flötenspieler;  weiter  seitwärts  die  beiden 
Laren,  in  ihrer  gewöhnlichen  Gestalt,  als  Jünglinge  in  kurzem 
gegürteten  Gewände,  in  der  einen,  hoch  erhobenen  Hand  das 
Trinkhorn  [rJiyton\  aus  dem  ein  Weinstrahl  in  den  mit  der  anderen 


240  Pompeji. 

Hand  gehaltenen  kleinen  Eimer  [situla]  fällt.  Merkwürdig  ist, 
daĂź  weder  hier  noch,  wie  es  scheint,  auf  andern  gleichartigen 
Bildern  der  Genius  des  Kaisers  erscheint,  während  ähnliche 
Malereien  in  den  Häusern  häufig  den  des  Hausherrn  zeigen,  der 
fĂĽr  das  Haus  das  ist,  was  der  Kaiser  fĂĽr  die  Stadt,  bisweilen, 
wie  es  scheint,  auch  den  des  Kaisers. 

Der  größte  derartige  Altar,  aus  Tuff,  steht  frei,  nicht  an- 
gemauert, in  einer  Wandnische  an  der  Nordseite  der  Insula  II 
(VIII),  2  (Fig.  120);  Malerei  scheint  hier  nicht  gewesen  zu  sein. 
Endlich  finden  wir  einmal,  vielleicht  zweimal,  ein  kleines 
Heiligtum  in  Gestalt  eines  an  der  StraĂźe  liegenden  und  auf  sie 
geöffneten  Zimmerchens.  Beistehend  (Fig.  1 1 9)  der  Grundriß  des 
einen,  an  der  Stabianer  StraĂźe,  II  (VIII),  4,  24: 
nahe  der  RĂĽckwand  der  Altar  (2),  links  eine 
gemauerte  Bank  (i),  rechts  eine  Nische  fĂĽr 
die  Bronze-  oder  Tonfiguren  der  Laren  und 
des  Genius.  Die  Oberfläche  des  Altars  ist  in 
zwei  Teile  geteilt;  vielleicht  wurde  auf  dem 
0  1  ^  3  *  ^■»  einen  den  Laren,  auf  dem  anderen  dem  Genius 
Fig.  119.  Grundriß  einer  gcopfert.  Ein  schr  ähnlicher  Raum  liegt  an 
Kapelle  der  Lares  Com-      ^^^  McrkurstraĂźc  (VI,  8,  14);  auch  hier  rcchts 

pitales.  ^        )      J      -t;  5 

die  gemauerte  Bank  und  ĂĽber  ihr  zwei  Nischen ; 
in  der  Mitte  ein  Travertinstein,  der  allenfalls  ein  Altar  sein  konnte. 
Eine  TĂĽr  in  der  RĂĽckwand  fĂĽhrt  in  ein  kleines  Hinterzimmer. 
Diese  Kapelle  galt  frĂĽher  fĂĽr  eine  Barbierstube. 

Man  pflegt  alle  die  kleinen  Straßenheiligtümer  den  städtischen 
Laren  zuzuschreiben,  und  im  allgemeinen  gewiĂź  mit  Recht.  In- 
des wurden  auch  andere  Gottheiten  auf  diese  Weise  geehrt,  und 
der  einzige  mit  einer  Inschrift  versehene  StraĂźenaltar  war  einer 
anderen  Gottheit  geweiht.  Dieser  ist  an  der  Ostseite  der  Insula 
III  (IX),  7 ;  über  ihm  an  der  Wand  eine  einfache  Malerei  —  zwei 
Füllhörner  —  mit  der  Beischrift  Salutei  sacniin.  Also  der  Salus, 
der  Göttin  der  Gesundheit,  wurde  hier  geopfert.  Und  wenn  wir  an 
der  hinter  dem  Jupitertempel  vorbeifĂĽhrenden  StraĂźe,  an  der  Nord- 
seite der  Insula  IV  (VII),  7,  einen  solchen  Altar  finden,  und  ĂĽber 
ihm  in  Stuckrelief  eine  Opferszene,  eingefaĂźt  von  zwei  Pilastern 
und  einem  Giebelfeld,  und  in  diesem  letzteren  einen  Adler,  so  ist 
es  doch  sehr  wahrscheinlich,  daĂź  hier  Jupiter  verehrt  wurde. 


XXXI.   Straßen,    Wasserleitung.     Straßenaltäre. 


241 


Wir  erwähnen  noch  die  häufig  auf  die  Außenseite  der  Häuser 
gemalten  Göttergestalten.  Das  größte  Bild  der  Art,  das  einzige 
einigermaĂźen  kĂĽnstlerisch  ausgefĂĽhrte,  auf  der  Ostseite  der 
Insula  II  (VIII),  3,  an  der  Ecke  gegen  die  AbbondanzastraĂźe,  zeigt 
die  zwölf*  Götter:  Vesta,  Diana,  Apollo,  Ceres,  Minerva,  Jupiter, 
Juno,  Vulkan,  Venus  Pompejana,  Mars,  Neptun,  Merkur.  Darunter 
die  zwei  Schlangen,  zwischen  ihnen  (auch  nur  gemalt)  ein  Altar, 
und  einige  unkenntliche 
Figuren ,  wohl  Opfernde. 
Ein  Heiligtum  ist  dies  nicht, 
da  es  an  einer  Vorrichtung 
fehlt,  ein  Opfer  zu  bringen. 
Aber  der  Besitzer  des 
Hauses  (»Haus  des  Ebers«) 
wollte  dasselbe  unter  den 
Schutz  der  Götter  stellen, 
vielleicht  namentlich  diese 
Ecke  in  besonders  wirk- 
samer Weise  gegen  Ver- 
unreinigung schützen.  Häu- 
figer finden  wir,  in  dĂĽrftiger 
AusfĂĽhrung,  einzelne  Gott- 
heiten, deren  Schutze  der 
Hausherr  sich  anvertraute. 
Weitaus  am  häufigsten 
Merkur,demnächstBacchus, 
die  BeschĂĽtzer  des  Handels 
und  des  Weinbaues;  ein- 
zeln Jupiter,  Minerva,  Her- 
kules. 

Endlich  sind  bisweilen  bloĂź  zwei  Schlangen  auf  die  W^and 
gemalt;  wir  wissen  aus  Persius  (i,  113),  daĂź  man  hierdurch  einem 
Ort  eine  gewisse  religiöse  W^eihe  zu  geben  und  ihn  vor  Ver- 
unreinigung zu  schĂĽtzen  pflegte.  In  einem  Falle,  auf  der  Ostseite 
der  Insula  IV  (VII),  11,  ist  noch  eine  Beischrift  hinzugefĂĽgt:  Otiosis 
locus  hie  non  est^  discede  morator^  —  »hier  ist  kein  Ort  für 
Müßiggänger,  gehe  weiter!« 


Fig.  120.     Größerer  Straßenaltar. 


Mau,   Pompeji.     2.  Aufl. 


i6 


Kapitel  XXXII. 
Die  Befestigungswerke. 

Die  Befestigung  Pompejis  entsprach  zu  keiner  Zeit  den  For- 
derungen einer  entwickelten  Kriegskunst.  Die  mäßig  starke 
Mauer  wurde,  nach  teilweisem  Verfall,  beim  Herannahen  des 
Bundesgenossenkrieges  hergestellt  und  durch  einige  TĂĽrme  ver- 
stärkt. Schon  früher  hatten  die  Tore  einen  Umbau  erfahren, 
durch  den  eines  derselben  zur  Verteidigung  ganz  ungeeignet 
wurde;  in  demselben  Sinne  wurde  später  ein  zweites  Tor  um- 
gestaltet. Zur  Zeit  der  Verschüttung  war  Pompeji  militärisch 
betrachtet  eine  offene  Stadt.  Mauern  und  Tore  lieĂź  man  bestehen 
zu  Polizeizwecken. 

Der  Mauerzug,  die  Lage  der  Tore  und  ihr  Verhältnis  zum 
StraĂźennetz,  alles  dies  ist  schon  oben  (S.  28)  dargelegt  worden 
und  wird  auch  aus  unserem  Ăśbersichtsplan  (Plan  I)  leicht  klar. 
Die  von  Natur  am  wenigsten  feste  Nordseite,  wo  die  Mauer  vom 
Herculaner  bis  zum  Capuaner  Tor  den  zum  Vesuv  aufsteigenden 
RĂĽcken  des  StadthĂĽgels  ĂĽberquert,  ist  zwischen  Herculaner  und 
Vesuvtor  durch  drei  Türme,  dicht  bei  einander,  verstärkt.  Die 
demnächst  schwächste  Strecke  war  der  östliche  Teil  der  Südseite, 
wo  der  Hügel  flach  in  die  Ebene  verläuft.  Auch  hier  stehen 
von  der  Ecke  beim  Amphitheater  bis  westlich  vom  Nuceriner 
Tor  vier  TĂĽrme  dicht  beisammen,  ein  fĂĽnfter  an  der  Ostseite 
gleich  beim  Amphitheater.  Dazu  je  ein  Turm  zwischen  Capuaner 
und  Nolaner  und  zwischen  Nolaner  und  Sarnotor;  hier  war,  bei 
dem  ziemlich  steilen  Abhang,  die  Gefahr  geringer.  Also  im 
ganzen  zehn  Türme.  Die  Südwestseite,  vom  Forum  trianguläre 
bis  zum  Herculaner  Tor,  war  zur  Zeit  der  VerschĂĽttung  ohne 
Mauer.  Hier,  wo  der  Abhang  hoch  und  steil  ist,  war  sie  ver- 
mutlich schon  in  der  Friedenszeit  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr. 
abgetragen  und  der  Platz  von  den  Anwohnern  ĂĽberbaut  worden. 


XXXn.   Die  Befestigungswerke,  243 

Und  auch  als  man  später  die  Mauer  erneuerte,  hat  man  es  hier 
nicht  für  nötig  gehalten.  Doch  läßt  sich  auch  hier  der  Mauer- 
zug einigermaĂźen  verfolgen. 

Weitere  zwei  Türme  erschließen  wir  aus  einigen  höchst 
merkwĂĽrdigen  oskischen  Inschriften,  die  mit  roter  Farbe  auf  die 
Tuffassaden  alter,  vorrömischer  Häuser  aufgemalt  sind.  Eine, 
auf  der  SĂĽdwestecke  der  Casa  del  Fauno,  sagt:  >Auf  diesem 
Wege  (zwischen  Insula  VI,  10  und  VI,  12)  geht  man  zwischen 
den  zehnten  und  elften  Turm,  wo  Titus  Fisanius  kommandiert.« 
Nicht  ganz  sicher  ist  hier  die  Erklärung  des  Wortes  faantat^ 
»kommandiert« ;  zweifellos  aber  sind  die  beiden  Türme  der  zweite 
und  dritte  vom  Herculaner  Tor,  Wahrscheinlich  stammen  diese 
und  die  folgenden  In- 
schriften aus  der  Zeit 
der  Belagerung  durch 
Sulla  und  sollten  den 
damals  in  der  Stadt 
weilenden      bundesge- 

nOSStSChen  KnegSVOl-  Fjg.  ,2,.  GrundriĂź  eines  Teiles  der  Stadtmauer.  ^  innen- 
kern den  Weg  weisen.  wand  mit  Strebepfeilern.  B  AuĂźenwand.  C  FĂĽllung  zwi- 
<-7  •  .,  1  •  U  sehen  den  beiden  Wänden.  D  Turm.  E  Treppe  zum  Be- 
Z,Wei      weitere,     gleiCn-  steigen  der  Mauer. 

lautende,    näher    dem 

Herculaner  Tor,  weisen  den  Weg  zwischen  den  zwölften  Turm 
und  vem  sarinu.  Letzteres  ist  sprachlich  rätselhaft,  bezeichnet 
aber  sicher  das  Herculaner  Tor;  der  zwölfte  Turm  ist  der  ihm 
zunächst  liegende.  Damals  also  gab  es  mindestens  zwölf  Türme; 
die  zwei  jetzt  fehlenden  mögen  wir  zwischen  der  Porta  Marina 
und  dem  Stabianer  Tor  vermuten. 

Die  vierte  Inschrift,  auf  der  SĂĽdostecke  der  Insula  VII,  6, 
weist  westlich  an  den  Stadtrand:  »Dieser  Weg  führt  zwischen 
die  Häuser  des  Maras  Castricius  und  des  Maras  Spurnius,  wo 
Vibius  Seximbrius  kommandiert«.  Von  einer  fünften,  die  den 
Weg  zu  einem  städtischen  Gebäude  und  zum  Tempel  der  Minerva 
weist,  war  schon  die  Rede  (S.  139). 

Die  Mauer,  8 — 8  7^  m  hoch  und  reichlich  6  m  breit,  besteht, 
wie  unser  Grundriß  (Fig.  121)  zeigt,  aus  einer  äußeren  und  einer 
inneren    Steinwand,   je   70  cm    stark,    deren    Zwischenraum    mit 

16* 


244 


Pompeji. 


Erde  ausgefĂĽllt  ist.    Beide  sind  nach  der  Stadtseite  durch  Strebe- 
pfeiler (Fig.  122)  verstärkt,  die  Innenwand  außerdem  noch  durch 


Fig.  122.     Innenansicht   der  Stadtmauer   nach  Entfernung   der  Erdböschung,    deren  Höhe   durch 
die  TĂĽr  in  dem  Turm  links  bezeichnet  ist. 


sporenartig  in  die  Erdmasse  eingreifende  MauerstĂĽcke.  Auf  dem 
AuĂźenrande  stehen  zinnenartige  Brustwehren.  Die  Innenwand 
erhebt  sich   noch  etwa  3  m  über  die  Oberfläche  der  Mauer;  so 


XXXn.  Die  Befestigungswerke.  245 

konnten  feindliche  Geschosse  nicht  in  die  Stadt  fliegen,  sondern 
fielen  auf  die  Mauer  zurĂĽck,  wo  sie  von  den  Verteidigern  be- 
nutzt werden  konnten.  Durch  steinerne  Wasserspeier  floĂź  das 
Regenwasser  nach  auĂźen  ab. 

Von  innen  ist  die  Mauer  verstärkt  durch  eine  Erdböschung, 
die  auf  der  Nordseite  vom  zehnten  bis  zum  zwölften  Turm  kennt- 
lich ist.  Die  Stelle  der  inneren  Steinwand  und  der  Böschung 
vertrat  östlich  vom  Herculaner  Tor  eine  auf  die  Mauer  führende 
steinerne  Treppe  (E),  ursprĂĽnglich  auf  einer  Strecke  von  ĂĽber 
80  m;  später  wurde  sie  unterbrochen,  indem  die  Häuser  der 
ersten  Insula  bis  an  die  Mauer  hinan  erweitert  wurden.  Eine 
ähnliche,  aber  viel  kleinere  Treppe  ist  östlich  vom  Stabianer  Tor 
erhalten. 

AuĂźen-  und  Innenwand  der  Mauer  bestanden  ursprĂĽnglich 
aus  Tuff-  und  Kalksteinquadern.  Daneben  aber  unterscheiden 
wir  in  der  AuĂźenwand  jĂĽngere  Teile  aus  Lavabruchstein,  zu 
denen  sämtliche  Türme  gehören.  Da  nun  diese,  wie  die  eben 
besprochenen  Inschriften  beweisen,  zur  Zeit  des  Bundesgenossen- 
krieges schon  standen,  so  mĂĽssen  wir  wohl  annehmen,  daĂź  man 
in  der  Friedenszeit  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.  die  Mauer 
in  Verfall  geraten  lieĂź  und  stellenweise  wohl  gar  als  Steinbruch 
benutzte.  Beim  Herannnahen  des  Bundesgenossenkrieges,  der  ja 
gewiĂź  seinen  Schatten  vor  sich  warf,  hat  man  sie  dann  aus- 
gebessert und  zugleich  durch  Türme  verstärkt.  Für  die  West- 
seite, wo  die  Mauer  abgetragen  und  der  Platz  ĂĽberbaut  worden 
war,  verlieĂź  man  sich  auf  die  natĂĽrliche  Festigkeit  des  hier  steil 
aufragenden  Stadthygels. 

Die  TĂĽrme  (Fig.  123),  9,50X7,60  m  stark,  enthalten  ĂĽber- 
einander zwei  stark  gewölbte  Räume,  verbunden  durch  eine 
Treppe  auf  der  Innenseite,  in  die  da,  wo  sie  nach  auĂźen  umbiegt, 
von  der  Stadt  her  eine  über  die  Erdböschung  zugängliche  Tür 
(Fig.  122)  einmündet.  Beide  Gewölbe  haben  Schießscharten  in 
den  vor  die  Mauer  vorspringenden  Seiten.  Aus  dem  oberen  Ge- 
wölbe, im  Niveau  der  Oberfläche  der  Mauer,  führte  eine  Treppe 
aufwärts  auf  eine  mit  Zinnen  bewehrte  Terrasse,  die  nirgends 
erhalten,  aber  doch  sicher  anzunehmen  ist;  die  Giebeldächer  in 
dem  Gemälde  Fig.  iii    sind  wohl   ein   späterer  Zusatz,   aus  der 


246 


Pompeji. 


Zeit,    wo    die    Befestigung    militärisch    nicht    mehr    in    Betracht 
kam.     Aus  dem  unteren  Gewölbe  führt   ein    absteigender  Gang 

zu  einer  Ausfalls- 
pforte, die  stets 
nach  rechts  gewandt 
ist,  so  daĂź  die 
Ausfallenden  dem 
Feinde  die  linke, 
vom  Schild  gedeckte 
Seite  zeigten.  Bei 
der  RĂĽckkehr  frei- 
lich war  es  umge- 
kehrt; man  kehrte 
daher  wo  möglich 
nicht  zu  derselben 
Pforte  zurĂĽck,  son- 
dern suchte  den 
nächsten  Turm  zu 
erreichen. 

Im  zehnten  Turm  lesen  wir  neben  der  östlichen  Schießscharte 
des  Unterstockes  in  dem  weiĂźen  Stuck:  L-  SV  LA.  Ohne  Zweifel 
schrieb  hier  während  der  Belagerung  durch  Sulla  ein  Verteidiger 
den  Namen  des  feindlichen  Feldherrn  an  die  Wand. 


Fig.  123.     Turm  der  Stadtmauer,  wiederhergestellt. 


Von  den  Toren  sind  fünf  vollständig  ausgegraben:  das  Hercu- 
laner  Tor,  das  Seetor,  das  Stabianer,  das  Nolaner  und  das  schon 
im  Altertum  fast  ganz  zerstörte  Vesuvtor.  Teilweise  sichtbar  ist 
das  Sarnotor,  ganz  verschĂĽttet  das  Capuaner  und  Nuceriner  Tor. 
Alle  haben  im  Lauf  der  Zeit  Veränderungen  erfahren;  mit  Aus- 
nahme des  erst  später  ganz  neu  aufgebauten  Herculaner  Tores 
haben  sie  ihre  letzte  Gestalt  in  der  Tufifperiode  erhalten. 

Als  typisches  Beispiel  betrachten  wir  das  Stabianer  Tor  (Fig.  124). 
Von  auĂźen  (A)  gelangen  wir  durch  einen  3,60  m  breiten,  ohne 
Zweifel  einst  überwölbten  Durchgang  (B)  in  einen  etwas  breiteren 
unbedeckten  Raum,  einen  kleinen  Hof  (C),  mit  Wänden  aus 
Kalksteinquadern,  in  dem  der  das  Tor  bestĂĽrmende  Feind  den 
Geschossen  der  Verteidiger  ausgesetzt  war.  Endlich  ein  zweiter, 
noch  jetzt  überwölbter  Durchgang  (D)    mit    dem  Torverschluß; 


XXXn.  Die  Befestigungswerke. 


247 


zwischen  den  Pfosten  ist  im  Pflaster  der  Stein  erhalten,  an  den 
die  TorflĂĽgel  anschlugen.  Dieser  innere  Durchgang  ist  nach 
Bauart  und  Stuckdekoration  in  der  Tuflperiode,  dem  zweiten 
Jahrhundert  v.  Chr.  erbaut  worden,  vermutlich  an  der  Stelle  eines 
älteren,  gleichartigen  Baues. 

Eine  kleine  Nische  in  der  fĂĽr  den  Eintretenden  rechten  Wand 
des  mittleren  Raumes  enthielt  vermutlich  eine  Statuette  der 
Minerva,  der  Schutzgöttin  der  Tore.  Bei  d  steht  die  schon  S.  1 89 
besprochene  oskische  Wegebauinschrift  des  Sittius  und  Pontius, 
drauĂźen  rechts  bei  e  eine  viel  jĂĽngere  lateinische  Wegebauinschrift: 
L.  Ă„vianiiis  L.  f.  Men. 
Flaccus  Pontianus^  Q. 
Spedius  Q.  f.  Men.  Fir- 
7nus,  II  vir.  i.  d.^  viam 
a  milliario  ad  cisiarios^ 
qua  territoriuvi  est  Pom- 
peianorum,  siia  pec.  mu- 
nicrunt.  Es  haben  also 
jene  beiden  Duumvirn 
die  StraĂźe  vom  Meilen- 
stein bis  zu  den  Cisiarii, 
d.  h.  bis  zur  Station  der 
Mietkutscher  [cisium^  ein 
leichter  Reisewagen),  so- 
weit das  pompejanische 
Gebiet  reicht,  auf  eigene 

Kosten  pflastern  lassen.  Der  Meilenstein  wird  wohl  in  der  Nähe 
des  Tores  gestanden  haben.  DaĂź  die  Station  der  Mietkutscher 
an  der  Grenze  des  Stadtgebietes  liegt,  ist  wohl  so  zu  erklären, 
daĂź  die  Gemeine  innerhalb  ihres  Gebietes  fremdes  Mietfuhrwerk 
nicht  ohne  Einschränkung  duldete  und  die  Reisenden  in  gewissen 
Fällen  an  der  Stadtgrenze  einheimisches  Fuhrwerk  nehmen 
muĂźten. 

Innen  am  Tor  steht  bei  a  ein  Brunnen,  dessen  Reliefschmuck, 
das  Gorgonenhaupt,  an  die  Schutzgöttin  des  Tores  erinnert.  Die 
Treppe  bei  b  wurde  schon  S.  245  erwähnt.  Gleich  neben  ihr, 
bei  <:,  steht  ein  kleines  Gebäude,  ohne  Zweifel  die  Hütte  des 
Torwächters. 


Fig.   124.      GrundriĂź    des    Stabianer   Tores.      B    Ă„uĂźerer 

Durchgang.      C    Hof.      D    TĂĽr.      a   Brunnen.      f>   Treppe 

auf  die  Mauer,     c  Hütte    des   Torwächters,     d  Oskische 

Inschrift,    e  Lateinische  Inschrift. 


248 


Pompeji. 


Wesentlich  dieselbe  Gestalt  haben  das  Nolaner,  Sarno-  und 
Vesuvtor.  An  dem  inneren  Durchgang  des  Nolaner  Tors  trägt 
der  Schlußstein  der  Wölbung  nach  der  Stadtseite,  aus  Tuff,  in 
Hochrelief  den  behelmten  Kopf  der  Minerva,  der  Schutzgöttin 
der  Tore.  Daneben  besagte  eine  oskische  Inschrift  (jetzt  fehlend), 
daĂź  das  Stadtoberhaupt  [Meddiss  tovtiks)  Vibius  Popidius  diesen 
Bau  verdungen  und  approbiert  hat. 

Die  Porta  marina  ist  in  der  Tuffperiode  ganz  neu  gebaut 
worden,  nach  vollständiger  Beseitigung  des  alten  Baues.  Hier 
haben  wir  keinen  äußeren  und  inneren  Torweg  mit  mittlerem 
Hof,  sondern  nur  einen  turmartig  vor  die  äußere  Mauerflucht 
vorspringenden  Torbau  mit  zwei  gewölbten  und  verschließbaren 

Durchgängen,  einem  brei- 

I         ■— .      hW>^^  I  teren  rechts  für  Wagen, 

^^■■fe  ii^^H  ^^^.  einem    schmäleren     links 

m    \  ■  W^^W  "^^^^^  für  Fußgänger.   Rechts  an 

m  â–         ^^       ^.  S  ersterem    stand    in    einer 

m        '     I   ■  ^^  ■  ^^^^^B  tempeiförmigen      Nische 

JF         ^     ■        ^§       ^^^^^§  ^^'^^      tönerne     Minerva- 

^^^^^       ft  M^§M  ■  ^^^^  Statue,  deren  unterer  Teil 

M     ^%Ă„  Ă„^^Ă„  il    ^   ^^  gefunden  wurde.    An  die 

M         Ji~     ^^^^  Innenseite      dieses     Tor- 

Fig.  125.     GrundriĂź    des  Herculaner    Tores.     A  Treppe         DaUCS      ist       dann      iu      der 
auf  die  Mauer.    B  Raum  des  links  anstoĂźenden  Hauses.        erStcn  Zeit   der  rĂ–mischen 

Kolonie  ein  reichlich  23  m 
langer  gewölbter  Gang  angesetzt  worden.  Der  Zweck  dieses 
Baues  ist  dunkel;  man  gelangt  aus  ihm  rechts  in  einen  langen, 
engen,  jetzt  als  Museum  benutzten  Raum. 

FĂĽr  den  Charakter  der  Torbauten  der  Tuffperiode  ist  die 
Porta  Marina  besonders  lehrreich  Es  ist  ja  ganz  klar,  daĂź  dieser 
vor  die  Mauer  vorspringende  Bau,  mit  seinen  zwei  Durchgängen, 
mit  dem  Bilde  der  Torgöttin  außerhalb  des  Verschlusses,  wohl 
zu  Polizeizwecken  dienen  konnte,  nicht  aber  auf  Verteidigung 
berechnet  war.  Er  trägt  eben  den  Stempel  seiner  Entstehungs- 
zeit, der  Friedenszeit  des  zweiten  Jahrhunderts,  wo  niemand  an 
die  Möglichkeit  eines  Krieges  in  Italien  dachte. 

Diesen  friedlichen  Charakter  trägt  in  noch  höherem  Grade 
das   Herculaner    Tor    (Fig.  125,    126).     Nach    seiner    Bauart    — 


XXXn.   Die  Befestigungswerke. 


249 


Opus  inccrtmn^  mit  Ecken,  in  denen  ziegeiförmige  Steine  mit  je 
drei  Ziegeln  wechseln  —  gehört  es  eher  der  letzten  Zeit  der  Re- 
publik, als  der  ersten  Kaiserzeit  an.  Zwei  FuĂźwege  begleiten  die 
Fahrstraße.  Das  Schema  des  äußeren  und  inneren  Durchganges 
war,  wie  es  scheint,  festgehalten.  Denn  wenn  auch  vielleicht  die 
Fußwege  in  ihrer  ganzen  Länge  bedeckt  waren,  so  werden 
wir  uns  doch  den  Fahrweg  nur  an  beiden  Enden,  zwischen  den 
größeren   Pfeilern,    überwölbt    denken    dürfen.     Die    drei  Türen 


i' ig.  120.     Das  Hcrculaner  'J"or  mit  dem  Blick  in  die  iTnibcrstralJc  riinab. 

lagen  an  dem  äußeren  Ende  des  inneren  Durchganges.  Doch 
hatte,  wie  es  scheint,  auch  der  äußere  Durchgang  einen  Ver- 
schluß. Es  findet  sich  nämlich  dort,  etwa  1,80  m  von  der  Außen- 
front, jederseits  ein  mit  weiĂźem  Stuck,  gleichartig  dem  der  Wand, 
sorgfältig  ausgestrichener  Falz,  für  den  man  sich  nicht  gut  einen 
anderen  Zweck  denken  kann,  als  daĂź  sich  hier  ein  Fallgitter  be- 
wegte. Es  kann  freilich  nicht  eben  häufig  zur  Anwendung  ge- 
kommen sein;  denn  der  Stuck  ist  fast  ganz  unbeschädigt.  Man 
sieht  auch  keinen  rechten  Zweck  einer  solchen  Vorrichtung,  da 
die  Fußwege   des  äußeren  Durchganges  ohne  Verschlul.^  waren. 


ZWEITER  TEIL. 

WOHNHĂ„USER. 

Kapitel  XXXIII. 
Das  pompejanische  Haus. 

Das  italische  Haus,  wie  wir  es  aus  den  Vorschriften  Vitruvs 
und  den  mit  ihnen  nicht  genau,  aber  doch  im  wesentlichen 
übereinstimmenden  Ruinen  Pompejis  kennen,  zerfällt  in  zwei 
Teile.  Mittelpunkt  des  vorderen  ist  das  Atrium,  ein  hoher,  meist 
durch  eine  Deckenöffnung  erleuchteter  Saal,  Mittelpunkt  des 
hinteren  das  Peristyl,  ein  ganz  oder  teilweise  mit  Säulenhallen 
umgebener  Garten.  Die  Entwicklung  dieses  Haustypus  durch 
annähernd  vierhundert  Jahre  liegt  in  Pompeji  vor  unseren  Augen. 
Sie  läßt  sich  in  wenig  Worten  zusammenfassen. 

Das  alteinheimische  italische  Haus  bestand  nur  aus  dem 
Atrium  mit  den  umliegenden  Räumen,  an  die  sich  rückwärts 
ein  Garten  anschloß.  So  das  am  vollständigsten  erhaltene  der 
ältesten  Häuser  Pompejis,  das  »Haus  des  Chirurgen«  (S.  36). 
Später,  unter  griechischem  Einfluß,  wurde  das  Peristyl  mit  den 
umliegenden  Räumen  hinzugefügt;  es  ist  nichts  anderes  als  der 
prachtvollere,  den  Männern  vorbehaltene  Teil,  die  Andronitis, 
des  griechischen  Hauses.  Das  Haus  mit  Peristyl  finden  wir  voll 
entwickelt  in  der  Tufifperiode,  dem  2.  Jahrh.  v.  Chr.  Sowohl 
Atrium  als  Peristyl  können  auch  verdoppelt  werden;  so  in  der 
Casa  del  Fauno,  dem  klassischen  Hause  dieser  Periode.  Den- 
selben Typus  hat  die  römische  Zeit  im  wesentlichen  beibehalten. 

Dieser  Entwicklung  entsprechend  fĂĽhren  die  vorderen,  alt- 
italischen Teile  des  Hauses  römische  Namen:  Atrium,  Fauces, 
Ala,  Tablinum;    die  hinteren,   den  Griechen  entlehnten,    werden 


XXXin.  Das  pompejanische  Haus. 


251 


mit    griechischen    Worten    bezeichnet :    Peristylium ,    Triclinium, 
Oecus,  Exedra. 

Das  pompejanische  und  ĂĽberhaupt  das  antike  Haus  ist,  wie 
noch  heute  das  orientalische  Haus,  Innenbau.  Von  den  groĂźen 
Mittelräumen,  Atrium  und  Peristyl,  erhalten  die  umliegenden 
Schlaf-,  Speise-  und  sonstigen  Wohnzimmer  Licht  und  Luft;  der 


Fig.  127.     Altpompejanisches  Haus,  wiederhergestellt. 


StraĂźe  zeigen  sie  geschlossene  Mauern,  nur  hie  und  da  von 
kleinen,  unregelmäßig  verteilten  Fenstern  durchbrochen.  Fenster- 
fassaden sind  dem  antiken  Hause  fremd.  Auf  die  Straße  öffnet 
es  sich  —  wenn  nicht  die  Vorderräume  als  Läden  benutzt  sind 
—  nur  durch  die  meist  geschlossene  Haustür,  deren  Pfosten  und 
Gebälk  auch  an  reicheren  Häusern  so  ziemlich  den  einzigen 
Fassadenschmuck   bilden.     Ein    gutes   Beispiel    fĂĽr    den   AuĂźen- 


252 


Pompeji. 


anblick  eines  im  Innern  kĂĽnstlerisch  ausgestalteten  Hauses  bietet 
unsere  restaurierte  Ansicht  des  Hauses  des  Epidius  Rufus 
(Kap.  XXXIX). 

Die  Häuser  Pompejis  sind,  mit  unserem  Maße  gemessen, 
Sommerwohnungen,  berechnet  auf  viel  Aufenthalt  im  Freien, 
auf  Schutz  gegen  Hitze,  nicht  gegen  Kälte.  Der  größte  Teil 
des  Areals  ist  eingenommen  von  offenen  Säulenhallen,  Gärten 
und  Höfen;  denn  auch  das  Atrium  mit  seiner  weiten  Dach- 
öffnung war  von  einem  Hofe  kaum  noch  verschieden.  Die 
eigentlichen  Wohnräume  sind  hoch,  daher  im  Sommer  kühl  und 


im      Fauces    J.npluria.n       Tahlinum       %reristylium      ^  ÂŁ'xedfa 


'(n 


^p^    ^  \Jndron. 

T 1-  rn  r  T  T 1 


I'ost'cum 
Fig.  128.     GrundriĂź  eines  pompejanischen  Hauses. 


luftig,  im  Winter  schwer  zu  erwärmen,  dunkel  wenn  die  Tür 
geschlossen  war,  kalt  wenn  sie  offen  stand.  Heizeinrichtungen, 
wie  sie  in  den  nördlichen  Provinzen  des  Römerreiches  so  häufig 
gefunden  werden,  begegnen  hier  mit  einer  einzigen  Ausnahme 
nur  in  den  Baderäumen.  Nur  durch  Kohlenbecken  wurde  die 
Kälte  bekämpft.  Man  hat  durchaus  den  Eindruck,  daß  die  Be- 
wohner dieser  Häuser  gegen  Hitze  sehr  empfindlich  waren,  da- 
gegen Kälte  mit  vieler  Geduld  ertrugen.  Wer  Italien  kennt, 
wird  an  den  Wohnungen  der  heutigen  Italiener,  wenn  auch  in 
geringerem  Grade,  die  gleiche  Beobachtung  gemacht  haben. 

Beistehender  GrundriĂź  (Fig.  128)  zeigt  in  einfachster  Form 
und  Anordnung  die  gewöhnlichen  Teile  des  pompejanischen 
Hauses. 


XXXIII.   Das  pompejanische  Haus.  253 


I.  Vestibulum,  Fauces,  HaustĂĽr. 

Das  Vestibulum,  der  äußere  Hausflur,  ist  nicht  immer  vor- 
handen. Nur  wo  die  HaustĂĽr  nicht  unmittelbar  an  der  StraĂźe, 
sondern  etwas  einwärts  liegt,  heißt  so  der  unverschlossene  Raum 
zwischen  ihr  und  der  StraĂźe.  Der  Name  (von  ve-stare^  abseits 
stehen)  ist  sehr  bezeichnend:  ein  Ort,  in  den  man  (aus  dem  Ge- 
tĂĽmmel der  StraĂźe)  auf  die  Seite  treten  kann.  Sehr  verschieden 
von  diesem  einfachen  Vorraum  sind  die  bei  alten  Schriftstellern 
öfter  erwähnten  prachtvollen  Vestibüle  römischer  Paläste :  Säulen- 
hallen, geschmĂĽckt  mit  Statuen  und  anderen  Ruhmeszeichen  der 
Familie.  Von  einem  solchen,  als  Portikus  gestalteten  Vestibulum 
findet  sich  in  Pompeji  nur  ein  einziges  Beispiel.  Ein  Haus  in 
der  Nähe  des  Herculaner  Tores  (Casa  delle  Vestali)  hatte  vor 
dem  Atrium  und  in  gleicher  Breite  mit  ihm,  statt  des  Flurs  und 
der  zwei  anliegenden  Zimmer,  eine  auf  die  Straße  geöffnete 
Säulenhalle.  Lange  hat  diese  nicht  bestanden.  Sie  entstand 
durch  einen  Umbau  um  das  Ende  der  Republik  und  wurde 
später  —  wir  können  die  Zeit  nicht  näher  bestimmen  —  in  zwei 
Läden  und  einen  Hauseingang  der  gewöhnlichen  Art  verwandelt. 

Fauces,  auch  Prothyron,  heiĂźt  der  innere  Hausflur,  zwischen 
Tür  und  Atrium.  Seine  Breite  soll  nach  Vitruv  bei  größeren 
Atrien  die  Hälfte,  bei  kleineren  zwei  Drittel  der  Breite  des 
Tablinums  betragen,  bleibt  aber  in  Pompeji  meist  noch  unter 
der  Hälfte.  Die  Ecken  gegen  das  Atrium  sind  in  der  Tuflperiodc 
stets  als  Pilaster  gebildet;  das  Gebälk  derselben  ist  nirgends  er- 
halten. 

In  der  Regel  sind  Vestibulum  und  Fauces  gleich  breit  und 
einfach  durch  die  groĂźe  HaustĂĽr  getrennt  (Fig.  129).  Nicht 
selten  ist  aber  auch  eine  Anordnung,  wie  wir  sie  z.  B.  im  Hause 
des  Epidius  Rufus  (Kap.  XXXIX,  s.  den  Plan  ebendort)  finden. 
Zwei  TĂĽren  fĂĽhren  hier  aus  dem  Vestibulum  in  den  inneren 
Flur:  geradeaus  die  große  zweiflügelige,  seitwärts  eine  kleine 
einflügelige.  Erstere  zu  öffnen  mochte  bei  ihrer  Größe  und  bei 
der  Art,  wie  sie  in  ihren  Angeln  hing,  einigermaĂźen  mĂĽhsam 
sein.  Es  geschah  wohl  nur,  wenn  es  galt  zu  repräsentieren:  der 
vornehme  Mann  empfing   seine   zum  MorgengruĂź   erscheinenden 


254 


Pompeji. 


Klienten  bei  offener  FlĂĽgeltĂĽr  [valvis  apertis  Ovid  met.  I  172); 
für  gewöhnlich  genügte  der  kleine,  leicht  zu  öffnende  Seiten- 
eingang. 

Die  Haupttür  hat  in  einigen  Fällen  den  Abdruck  des 
unteren  Teils  ihrer  Innenseite  in  der  erhärteten  Vesuvasche 
hinterlassen;  von  mehreren  solcher  Formen  stehen  GipsabgĂĽsse 
in  dem  kleinen  Museum  bei  der  Porta  marina.  Weiteres  er- 
schlieĂźen wir   aus    den   vollkommen  erhaltenen  Schwellen.     Die 


Fig.  129.     GrundriĂź  und  Durchschnitt  des  Vestibulum,    c 

des  Pansa. 


m  Hause 


Pfosten  waren  stets  mit  Holzverkleidungen  [antepagmcnta)  versehen, 
die  in  Löcher  der  Schwelle  («)  eingezapft  waren.  Die  Türflügel 
drehten  sich  um  vertikale,  in  die  Schwelle  und  in  den  Sturz 
eingreifende  Zapfen.  Diese  Zapfen  waren  aus  Holz,  aber  ver- 
kleidet mit  zylinderförmigen  Hülsen  aus  Eisen,  in  besseren 
Häusern  aus  Bronze,  und  drehten  sich  in  eisernen  resp.  bronzenen 
auf  der  Schwelle  und  am  Sturz  befestigten  Pfannen  (/i).  HĂĽlsen 
und  Pfannen  sind  auf  der  Schwelle  häufig,  namentlich  wo  sie 
aus  Bronze  sind,  vollkommen  erhalten.     Es  ist  merkwĂĽrdig,  daĂź 


XXXIII.   Das  pompejanische  Haus.  255 

man  nicht  darauf  verfallen  ist,  massive  Metallzapfen  viel  geringeren 
Durchmessers  zu  verwenden,  um  die  sich  die  TĂĽr  viel  leichter 
gedreht  haben  wĂĽrde.  Offenbar  ist  hier  eine  alte  Technik 
traditionell  beibehalten  worden. 

Jeder  FlĂĽgel  hatte  einen  senkrechten,  in  die  Schwelle  und 
gewiĂź  auch  oben  einen  ebensolchen  in  den  Sturz  eingreifenden 
Riegel  (7).  Die  ĂĽbrigen  VerschluĂźvorrichtungen  zeigt  in  groĂźer 
Vollständigkeit  einer  der  erwähnten  Abgüsse:  das  große  eiserne 
SchloĂź;  ferner  ein  eiserner  Querriegel  und  zwei  Haken,  jeder 
in  eine  Ă–se  des  anderen  FlĂĽgels  eingreifend,  endlich  zwei  henkel- 
artige, in  Ösen  hängende  Handgriffe  zum  Aufziehen.  Sehr  häufig 
sind  in  den  Wänden  des  Flurs,  gleich  hinter  der  Tür,  die  Löcher, 
in  die  der  Querbalken  [sera)  eingriff.  Und  kaum  minder  häufig 
finden  wir  im  FuĂźboden  des  Flurs,  in  einiger  Entfernung  von 
der  TĂĽr,  ein  Loch,  in  das  ein  Balken  eingreifen  sollte,  der,  mit 
seinem  anderen  Ende  schräg  gegen  die  Tür  gestemmt,  auch 
seinerseits  das  Ă–ffnen  derselben  verhinderte.  Das  Vertrauen  auf 
die  nächtliche  Sicherheit  war  offenbar  nicht  groß. 

II.  Das  Atrium. 

Ganz  bedeckte  Atrien  sind  in  Pompeji  selten.  Fast  immer 
hatte  es  in  der  Mitte  eine  große  Lichtöffnung,  gegen  die  sich  von 
allen  vier  Seiten  das  Dach  senkte,  so  daĂź  hier  das  Regenwasser 
zusammenströmte  (Fig.  130,  131).  Daher  heißt  die  Öffnung 
Compluvium.  Unter  ihr  im  FuĂźboden  ein  flaches  Bassin  zur 
Aufnahme  des  Regenwassers,  das  Impluvium  {/t  Fig.  131),  mit 
doppeltem  AbfluĂź.  Erstens  in  die  Cisterne,  deren  mit  einer 
zylinderförmigen  Einfassung,  Puteal,  versehene  Öffnung  sich  meist 
an  der  RĂĽckseite  des  Impluviums  befindet;  zweitens  nach  vorn 
auf  die  StraĂźe,  durch  eine  bedeckte  Rinne,  die  natĂĽrlich  auch 
zur  Entfernung  schmutzigen  Wassers  diente.  In  besseren  Häusern 
ist  es  Regel,  daĂź  aus  der  Mitte  des  Impluviums  ein  Spring- 
brunnen aufstieg. 

Vitruv  unterscheidet  nach  der  Dachkonstruktion  fĂĽnf  Arten 
von  Atrien:  das  tuscanische,  das  viersäulige,  das  korinthische, 
das  displuviatiini  und  das  ganz  bedeckte  [testiidinatum). 

Das  tuscanische  Atrium,    nach  der  Meinung  der  Römer   aus 


256 


Pompeji. 


Etrurien  stammend,  ist  die  ältere,  einheimische  Form.  Zwei 
mächtige  Balken  sind,  dem  vorderen  und  hinteren  Rande  des 
Impluviums  entsprechend,  quer  ĂĽber  das  Atrium  gespannt 
(Fig.  130,  b).  Kürzere  Balken,  über  den  Seitenrändern  des  Im- 
pluviums (<:),  verbinden  sie.  Die  Ecken  des  so  gebildeten  Vier- 
ecks sind  mit  den  Ecken  des  Atriums  durch  ansteigende  Balken  [e) 
verbunden;  geneigte  Latten  {/),  mit  ihren  unteren  Enden  auf 
dem  Viereck  und  auf  den  Eckbalken  aufliegend,  tragen  die  Ziegel. 

Diese  Form  des  Atriums  ĂĽber- 
wiegt in  Pompeji  so  sehr,  daĂź 
ihr  gegenĂĽber  alle  anderen  als 
Ausnahmen  gelten  können. 

Der  aufstehende  Dachrand 
am  Compluvium  ist  in  der  Tufif- 
periode  einfach  architektonisch 
gestaltet,  mit  Zahnschnittgesims, 
später  mehr  noramental,  mit 
Palmetten,  immer  mit  Wasser- 
speiern in  Form  von  Löwen-  oder 
Hundeköpfen.  Als  unterer  Ab- 
schluĂź der  Deckziegel  ragten  ĂĽber 
den  Dachrand  Stirnziegel  (Ante- 
fixe)  auf,  meist  palmettenförmig, 
aber  auch  in  Form  menschlicher 
Köpfe.  Unsere  Fig.  132  zeigt 
den  in  einem  Hause  bei  Porta 
marina  gefundenen  Dachrand. 
Als  Wasserspeier  erscheinen  hier  statt  der  Köpfe  die  ganzen 
Vorderteile  von  Hunden,  an  den  Ecken,  wo  der  Abfluß  stärker 
war,  von  Löwen;  der  untere  Teil  ist  als  Akanthusblatt  gebildet. 
Im  viersäuHgen  Atrium  {atrium  ietrastyliim]  ruht  das  Balken- 
viereck des  Compluviums  auf  vier  an  den  Ecken  des  Impluviums 
stehenden  Säulen.  Im  übrigen  ist  die  Dachkonstruktion  die 
gleiche.  Schwerlich  war  mit  den  vier  Säulen  eine  Verschönerung 
beabsichtigt.  In  der  Casa  del  Fauno,  dem  Musterhause  der  vor- 
römischen Zeit,  hat  man  das  Nebenatrium  viersäulig,  das  Haupt- 
atrium tuscanisch  gemacht,  letztere  Form  also  fĂĽr  die  vorzĂĽg- 
lichere gehalten.     Und   mit  Recht.     Die  vier  Säulen  stören   die 


Fig.  130.  Tuscanisches  Atrium:  Oberansicht 
des  Daches,  a  Mauern,  b  Einer  der  das 
Dach  tragenden  Hauptbalken,  c  Querbalken, 
auf  dem  Hauptbalken  aufliegend,  d  Kurze 
Balken,  auf  dem  Hauptbalken  aufliegend,  in 
der  Höhe  von  c.  e  Eckbalken,  f  Dach- 
sparren, nach  Innen  geneigt,  g  Compluvium. 
I.  Flachziegel ,  tegulae.  2.  Halbzylinderför- 
mige  Deckziegel  ĂĽber  den  P'ugen.   3.  Eckziegel. 


XXXIII.   Das  pompejanische  Haus. 


257 


groĂźartige  Raumwirkung  und  vor  allem  die  Wirkung  des  Haupt- 
motivs der  Rückseite,  der  Tablinumsöffuung,  Dagegen  empfahl 
sich  das  viersäulige  Atrium  durch  die  größere  Festigkeit  der 
Dachkonstruktion  und  dadurch,  daĂź  es  die  groĂźen  und  teueren 
Querbalken  ĂĽberflĂĽssig  machte. 

Im  korinthischen  Atrium  ist  die  Lichtöfifnung  viel  größer  als 
bei  den  vorigen  Formen ;  das  Dach  ruht  auf  einer  größeren  An- 
zahl um  das  Impluvium  stehender  Säulen,  Pompeji  hat  drei 
solche  Atrien:  im  Hause  des  Epidius  Rufus  (Kap.  XXXIX)  mit 
sechzehn,  im  Hause  des  Kastor  und  Pollux  mit  zwölf  und  in 
dem  Hause  der  FuUonica 
an  der  MerkurstraĂźe  mit 
sechs  Säulen. 

Im  Atrium  displuviatum 
lag  die  Lichtöfifnung  hoch 
oben,  so  daĂź  sich  das  Dach 
von  ihr  aus  gegen  die  Wände 
neigte,  an  denen  entlang  das 
Regenwasser  durch  Bleiröh- 
ren abfloĂź.  Pompeji  bietet 
kein  sicheres  Beispiel. 

Das  Atrium  testudinatum 
hatte  ein  pyramidenförmiges 
Zeltdach  ohne  Dachöflhung. 
Nur  kleine  Atrien  wurden  so 

gedeckt.  In  Pompeji  erweisen  sich  einige  wenige  kleine  Atrien 
durch  das  Fehlen  des  Impluviums  als  ganz  bedeckt;  doch  waren 
sie,  soweit  kenntlich,  mit  einem  nach  einer  Seite  gesenkten  Dache 
bedeckt  (Kap.  XLII). 

Nach  Vitruv  soll  sich  die  Breite  des  Atriums  zur  Länge  ver- 
halten wie  3  :  5  oder  wie  2:3,  oder  endlich  wie  die  Seite  des 
Quadrats  zur  Diagonale.  Die  längliche  Form  sollte  im  tusca- 
nischen  Atrium  die  Ăśberspannung  durch  die  groĂźen  Querbalken 
erleichtern;  das  von  diesem  Zwang  freie  viersäulige  Atrium  nähert 
sich  in  Pompeji  stets  der  quadratischen  Form.  Für  die  Höhe 
schreibt  Vitruv  drei  Viertel  der  Breite  vor.  Es  scheint,  daĂź  man 
in  Pompeji  noch  größere  Höhen  liebte. 

Wer  ein  pompejanisches  Atrium  in  seinem  jetzigen  Zustande 

Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.  I  y 


Fig.  131.     Tuscanisches  Atrium:  Durchschnitt. 

b  Hauptbalken,     e  Eckbalken,      h  Impluvium 

I.  Flachziegel.    2.  Deckziegel. 


258 


Pompeji. 


betritt  (Taf.  VII;  Fig.  134),  erhält  leicht  den  Eindruck,  als  sei 
es  ein  Hof  mit  bedecktem  Umgange.  Wohl  unter  diesem 
Eindruck  ist  in  älteren  Restaurationen  pompejanischer  Häuser 
das  Atrium  meist  zu  niedrig  geraten  und  erscheint  als  von  den 
umliegenden  Räumen  überragt.  Diese  Auffassung  wird  weder 
der  historischen  Bedeutung  noch  dem  architektonischen  Charakter 
des  Atriums  gerecht.  Seinem  Ursprung  nach  ist  es  nicht  ein 
Hof,  sondern  die  groĂźe  Halle,  der  Hauptraum  des  Hauses.  In 
ältester  Zeit  stand  hier  der  Herd;  sein  Rauch  schwärzte  die 
Decke,  daher  der  Name,  von  ater^  schwarz.  Hier  vereinigten 
sich    die    Hausgenossen    zu    den   Mahlzeiten,    zu    gemeinsamem 


Fig.  132.     Ecke  eines  Compluviums  mit  Wasserspeiern  nnci  Stirnzicgeln. 


Aufenthalt,  zur  Arbeit.  Im  Atrium  saĂź,  Wolle  spinnend,  in 
später  Nachtstunde  Lucretia  mit  ihren  Mägden,  als  sie  von  ihrem 
Manne  und  seinen  Freunden  ĂĽberrascht  wurde.  So  blieb  es  auf 
dem  Lande  bis  in  späte  Zeit.  Zwar  der  Name  Atrium  war  hier 
außer  Gebrauch  gekommen,  weil  man  mit  ihm  den  gänzlich  um- 
gestalteten Mittelraum  des  Stadthauses  bezeichnete.  Culina, 
KĂĽche,  nannte  man  die  Halle  des  Landhauses;  sie  ist  aber 
nichts  anderes  als  das  Atrium  des  altitalischen  Hauses.  Schon 
der  Name  besagt,  daĂź  hier  der  Herd  seinen  alten  Platz  be- 
hauptete. Hier  vereinigten  sich  immer  noch  die  Hausgenossen 
zu    gemeinsamer    Arbeit    und    zu    den    Mahlzeiten.      Herr    und 


XXXni.  Das  pompejanische  Haus.  25Q 

Knecht:  wer  erinnert  sich  nicht  der  freundlichen  Schilderung 
des  Horaz,  wie  er  auf  seinem  Landgut  vor  dem  Herd  mit  seinen 
Nachbarn  und  Sklaven  —  diese  natürlich  an  gesondertem  Tische 
—  zwanglos  speist  und  zecht.  Erhalten  ist  eine  solche  ländliche 
Halle,  mit  dem  Herd  und  der  Nische  für  die  Hausgötter,  in  der 
Villa  rustica  bei  Boscoreale  (Kap.  XLV). 

Ohne  Zweifel  hatten  sich  auch  in  den  Städten,  auch  in  Rom, 
einzelne  Häuser  der  alten  Art  bis  in  spätere  Zeit  erhalten.  Wir 
erfahren  aus  der  Zeit  Ciceros  von  einem  Hause,  in  dessen  Atrium 
gewebt  wurde.  In  Pompeji  aber  finden  wir  keine  Spuren  der' 
alten  Sitte.  Wenn  es  zur  Zeit  der  Kalksteinatrien  noch  Häuser 
der  alten  Art  gab,  so  sind  sie  durch  die  Bautätigkeit  der  Tuff- 
periode verschwunden.  Vom  Herd  im  Atrium  keine  Spur;  und 
mit  seiner  weiten  Dachöffnung  war  dieses  für  den  größten  Teil 
des  Jahres  als  Wohnraum  unbenutzbar.  Die  alte  Wohnhalle  mĂĽssen 
wir  uns  als  bedeckten  Raum  denken ;  das  tuscanische  Atrium  war, 
was  seine  Benutzbarkeit  betrifft,   einem  Hofe   ähnlich   geworden. 

Nicht  aber  in  seiner  architektonischen  Form.  In  dieser  kam 
die  ursprĂĽngliche  Bedeutung  als  Mittel-  und  Hauptbau  der 
ganzen  Anlage  zu  unzweideutigem  Ausdruck  durch  die  groĂźe 
Höhe,  mit  der  es  die  umliegenden  Räume  weit  überragte.  In 
dieser  Beziehung  ist  sein  Verhältnis  zu  den  anliegenden  Zimmern 
vergleichbar  dem  einer  Kirche  zu  den  sich  in  sie  öffnenden 
Kapellen.  Sein  Eindruck  als  Innenraum  wurde  noch  verstärkt, 
wenn  der  Dachstuhl  verhĂĽllt  war  durch  eine  Felderdecke  in  der 
Höhe  des  Compluviums.  Daß  dies  üblich  war,  bezeugt  Vitruv. 
In  Pompeji  freilich  sind  hiervon  keine  ganz  sicheren  Spuren; 
wahrscheinlich  begnügte  man  sich  in  einfacheren  Häusern  meist 
mit  dem  offenen  Dachstuhl. 

Stark  modifiziert  wurde  nun  freilich  dieser  ursprĂĽngliche 
Charakter  im  korinthischen  Atrium.  Durch  die  Größe  der  Licht- 
öffnung, durch  die  Länge  der  Säulenreihen  wird  hier  in  der  Tat 
das  Ganze  einem  von  Säulenhallen  umgebenen  Hofe  sehr  ähnlich, 
namentlich  wenn,  wie  im  Hause  des  Epidius  Rufus,  die  Säulen 
nur  von  mäßiger  Höhe  sind,  so  daß  das  Atrium  die  umliegen- 
den Räume  nicht  überragt.  So  wird  auch  verständlich,  wie  ein 
solches  Atrium  ein  korinthisches  heiĂźen  konnte;  denn  eigentliche 
Atrien  gab  es  natĂĽrlich  in  Korinth  nicht.    Das  korinthische  Atrium 

17* 


26o 


Pompeji. 


ist  nahe  verwandt  einem  griechischen  Haustypus,  wie  ihn  die 
Ausgrabungen  auf  Delos  in  zahlreichen  Exemplaren  zutage  ge- 
fördert haben.  Auch  dort  sind  die  Wohnräume  um  einen  kleinen 
Säulenhof  gruppiert. 

Von  dem  Herd  im  Atrium,  sagten  wir,  ist  keine  Spur  ge- 
blieben. Aber  doch  vielleicht  eine  Erinnerung.  In  vielen  Häusern 
steht  an  der  RĂĽckseite  des  Impluviums  ein  viereckiger  marmorner 
Tisch.  Varro,  der  Zeitgenosse  Ciceros,  spricht  von  diesem  Tisch 
—  gartibulum^  ein  Wort  unklarer  Bedeutung  —  als  von  einer 
"Erinnerung  aus  seiner  Jugend  und  sagt,  man  habe  eherne  Gefäße 

auf    ihn    zu    stellen    gepflegt. 


Fig.  J33.     Eine  Geldkiste,  arca. 


In  Pompeji  hat  sich  die  Sitte 
offenbar  länger  erhalten.  Es 
ist  recht  wahrscheinlich,  daĂź 
dieser  Tisch  eine  Erinnerung 
an  den  Herd  war;  sei  es  nun, 
daß  er  diesen  selbst,  die  Gefäße 
das  Kochgerät  symbolisierten, 
sei  es,  daĂź  er  ursprĂĽnglich 
der  zum  Reinigen  der  Gefäße 
dienende  KĂĽchentisch  war,  den 
man  als  Erinnerung  an  die  alte 
Sitte  auch  nach  Entfernung 
des  Herdes  an  seinem  Platze  belieĂź.  Und  daĂź  er  diesem  prak- 
tischen Zwecke  auch  später  noch  diente,  darauf  deutet  eine  nicht 
selten  zwischen  ihm  und  dem  Impluvium  stehende  marmor- 
bekleidete Basis,  von  der  aus  eine  Statuette  einen  Wasserstrahl 
in  ein  im  Impluvium  stehendes  Marmorgefäß  entsandte.  Diese 
Gruppe  von  Tisch,  Brunnenfigur  und  Becken  war  ein  besonders 
beliebter  Schmuck  des  Atriums.  Taf.  VII  zeigt  den  Tisch  und 
die  FĂĽĂźe  des  Marmorbeckens;  die  Basis  der  Brunnenfigur  fehlt  hier. 
Häufig  stand  ferner  im  Atrium  die  schwere,  eisenbeschlagene 
Geldkiste,  arca  (Fig.  133),  meist  auf  einem  schweren  Stein  oder 
einer  niedrigen  Aufmauerung  mittels  einer  durch  ihren  Boden 
gehenden  Eisenstange  befestigt.  Ihr  Platz  ist  meist  an  einer  der 
Seitenwände;  nicht  selten  waren  ihrer  auch  mehrere. 

In  drei  Häusern  steht  an  der  Rückseite  des  Atriums,  zwischen 
den  dort  sich  öffnenden  Türen,  das  Hermenporträt  des  Hausherrn 


XXXIII.   Das  pompejanische  Haus. 


261 


(Fig.  134),  gestiftet  in  einem  Falle  von  einem  seiner  Freigelassenen, 
in  einem  anderen  von  einem  Sklaven. 

In  großen  Häusern  baute  man  auch  wohl  zwei  Atrien  neben- 
einander, eines  als  Zentrum  der  vorderen  Wohnräume,  als  Staats- 
und Repräsentationsatrium,  das  andere  als  Vorraum  der  Wirt- 
schaftsräume. Klassische  Beispiele  sind  die  Casa  del  Fauno  und 
die  Casa  del  Laberinto.  In  ersterem  ist  das  Hauptatrium  tusca- 
nisch,  das  Nebenatrium  viersäulig,  in  letzterem  umgekehrt. 

III.  Das  Tablinum. 

Das  Tablinum  ist  ein  in  ganzer  Breite  auf  die  RĂĽckseite  des 
Atriums  geöffnetes  Zimmer,  gut  sichtbar  in  Taf.  VII  und  Fig.  134. 
Wenn  das  Atrium,  wie  in  den  größeren  Häusern  Pompejis, 
30  bis  40  FuĂź  breit  ist,  so  soll  nach  Vitruv  das  Tablinum  die 
halbe  Breite  haben;  bei  geringerer  Breite  soll  das  Verhältnis 
3  :  2,  bei  größerer  5  :  2  sein.    Die  Höhe  des  Eingangs  soll  neun 


Fig.  134.     Atrium    im    Hause    des  Cornelius   Rufus ,    mit  Blick    durch   Tablinum    und  Andr.m    in 

das  Peristyl.  —  Vorn  das  Impluvium  mit  marmornen  TischfüDen;  links,  zwischen  Tablinum  und 

Andron,  die  Herme  des  Kufus.     Photographie  lirogi. 


202 


Pompeji. 


Achtel,  die  innere  Höhe  vier  Drittel  der  Breite  betragen.  In 
Pompeji  aber  sind  diese  Verhältnisse  nicht  innegehalten.  In  den 
Häusern  der  Tufifperiode  ist  das  Tablinum  durchweg  schmäler 
und,  so  oft  die  Höhe  kenntlich,  höher.  In  römischer  Zeit  aber 
machte  man  es  weit  niedriger. 

Die  Ă–ffnung  des  Tablinums,  mit  ihren  als  Pilaster  gebildeten, 
durch  ein  stattliches  Gebälk  verbundenen  Pfosten,  war  zweifellos 
das  beherrschende  Hauptmotiv  des  Atriums.  Sie  war  nie  durch 
eine  TĂĽr,  sondern  nur  durch  einen  Vorhang  verschlieĂźbar.  In 
zwei  Häusern  hat  man  die  Halter  gefunden,  auf  die  der  Vorhang, 
wenn  er  zurĂĽckgeschlagen  war,  aufgelegt  wurde.    Es  sind  kleine 


Fig.  135.     Bronzene  Halter  des  Vorhangs  am  Tablinum.     Photogr.  Esposito. 

Bronzescheiben  (Durchm.  0,116  bis  0,16  m)  aus  denen  das  Vorder- 
teil eines  Schiffes  vortritt.  Im  Hause  »der  silbernen  Hochzeit« 
(Kap.  XXXVIII)  fand  sich  an  jedem  der  beiden  Eingangspilaster 
des  Tablinums  ein  solcher  Halter,  nicht  in  der  Mitte  des  Pilasters, 
sondern  näher  dem  Eingang.  In  einem  anderen,  noch  nicht 
ganz  ausgegrabenen  Hause  waren  ihrer  gar  zwei  an  jedem 
Pilaster,  verschiedener  Form  und  der  eine  näher  dem  Eingang, 
der  andere  etwas  weiter  entfernt,  so  daĂź  man  den  Vorhang  mehr 
oder  weniger  öffnen  konnte;  die  Schiffschnäbcl  sind  hier  mit  dem 
Vorderteil  eines  Stieres  verziert  (Fig.  135).  Spuren  solcher  Plalter, 
aber  nicht  diese  selbst,  sieht  man  noch  in  dem  Hause  des 
M.  Lucretius  Fronto  (Reg.  V,  Ins.  4). 


XXXin.   Das  pompejanische  Haus.  263 

In  älterer  Zeit  war  in  der  Regel  das  Tablinuni  auch  nach 
hinten  in  ganzer  oder  fast  ganzer  Breite  geöffnet;  doch  war  die 
Ă–ffnung  hier  weniger  hoch  und  konnte  durch  zwei  groĂźe,  zu- 
sammenklappbare TĂĽrflĂĽgel  geschlossen  werden.  Ohne  Zweifel 
standen  aber  diese  im  Sommer  offen,  und  diente  das  Tablinum 
dann  als  kĂĽhles,  luftiges  Zimmer,  namentlich  wohl  als  Speise- 
zimmer. Dieser  Gebrauch  stimmt  trefflich  mit  dem  historischen 
Ursprung  des  Namens. 

Tablinum,  tabuliniim^  von  tabula^  Brett,  ist  eigentlich  eine 
Holzlaube.  »In  alter  Zeit«,  berichtet  Varro,  »speiste  man  Winters 
am  Herd,  Sommers  im  Freien,  und  zwar  auf  dem  Lande  im 
Hofe,  in  der  Stadt  im  tabiilimim^  worunter  wir  eine  aus  Brettern 
gezimmerte  Laube  [viaenianum]  verstehen  können.«  Varro  ver- 
setzt uns  hier  in  eine  Zeit  jenseits  der  Entstehung  auch  der 
ältesten  pompejanischen  Häuser.  Der  Raum,  den  wir  jetzt  Ta- 
blinum nennen,  war  wohl  auch  damals  schon  auf  das  Atrium  ge- 
öffnet, rückwärts  aber  geschlossen;  und  hinter  ihm,  an  seine  Rück- 
wand angelehnt,  stand,  in  den  Garten  hinaus,  eine  Veranda,  in 
der  man  im  Sommer  zu  speisen  pflegte.  Diese  hieĂź  damals 
Tablinum.  In  dem  Zimmer  auf  der  RĂĽckseite  des  Atriums, 
dem  späteren  Tablinum  —  es  hatte  vielleicht  keinen  besonderen 
Namen,  sondern  galt  als  Teil  des  Atriums  —  stand  damals  das 
Ehebett  des  Hausherrn:  lectus  advcrsiis^  das  (dem  Eintretenden) 
gegenĂĽberstehende  Bett,  ist  alte  Bezeichnung  desselben,  und 
noch  zur  Zeit  des  Augustus  nannte  man  so,  oder  auch  lectiis 
gciiialis^  ein  Ruhebett,  welches  dem  Eingange  gegenĂĽber  im 
Atrium  oder  Tablinum  stand,  als  symbolische  Andeutung  des 
Ehebettes  und  Sitz  der  Hausfrau,  zu  vergleichen  etwa  dem  an 
die  Stelle  des  Herdes  getretenen  Marmortische.  Die  alte  Sitte 
mußte  abkommen,  als  das  Atrium  die  große  Deckenöffnung  er- 
hielt; und  nachdem  nun,  wie  der  Herd  in  die  KĂĽche,  so  das 
Ehebett  in  eine  geschlossene  Kammer  gewandert  war,  erhielt  der 
alte  Schlafraum  eine  neue  Bestimmung:  man  entfernte  seine 
RĂĽckwand  und  fand  in  ihm  den  kĂĽhlen  Sommeraufenthalt,  den 
einst  die  an  ihn  angebaute  Veranda  geboten  hatte,  deren  Name 
nun  auf  ihn  ĂĽberging. 

x'\uch  später,  als  um  das  Peristyl  dem  Hause  Räume  jeder 
Art  anwuchsen,  mochte  das  Tablinum  noch  vielfach  als  Sommer- 


204  Pompeji. 

Speisezimmer  dienen;  freilich  aber  umsoweniger,  je  mehr  sich 
das  Leben  in  die  hinteren  Räume  zurückzog.  Es  liegt  nahe  zu 
denken,  daĂź  es  jetzt,  auf  der  Grenze  des  vorderen  und  hinteren 
Teiles  des  Hauses  liegend,  als  Empfangszimmer  diente  fĂĽr  solche 
Gäste,  die  keinen  Zutritt  hatten  in  die  reservierten  Räume,  daß 
hier  z.  B.  der  Hausherr  unter  die  zu  seiner  BegrĂĽĂźung  er- 
schienenen Klienten  trat. 

Wo  das  Tablinum  aus  Platzmangel  weggefallen  ist  (so  im 
Hause  der  Vettier,  Kap.  XLI),  pflegt  an  der  Stelle  desselben  eine 
weite,  aber  verschlieĂźbare  Ă–ffnung  in  der  RĂĽckwand  des  Atriums 
zu  sein. 

IV.  Die  Alae. 

A/a,  FlĂĽgel,  nannte  man  die  beiden  in  ganzer  Breite  ge- 
öffneten Räume  auf  beiden  Seiten  des  Atriums  (Fig.  128).  Ihr 
regelmäßiger  Platz  ist  an  den  hinteren  Ecken,  doch  öffnen  sie 
sich  auch  nicht  selten  auf  die  Mitte  der  Seitenwände;  so  im 
Hause  des  Epidius  Rufus  (Kap.  XXXIX).  Ihre  Breite  soll  nach 
Vitruv,  wenn,  das  Atrium  30  bis  40  FuĂź  lang  ist,  ein  Drittel,  ist 
es  40  bis  50  Fuß  lang,  zwei  Siebentel  der  Länge  des  Atriums 
betragen;  sie  sinkt  auf  ein  Viertel,  zwei  Neuntel  und  ein  FĂĽnftel 
bei  Atrien  von  50  bis  60,  60  bis  80  und  80  bis  100  Fuß  Länge. 
Die  Eingangshöhe  soll  gleich  der  Breite  sein.  In  Pompeji  aber 
sind  sie,  wie  das  Tablinum,  durchweg  schmäler  und,  wo  die  Höhe 
kenntlich,  beträchtlich  höher.  In  der  Tuffperiode  wurden  die 
Eingangspfosten  als  Pilaster  gebildet,  die,  durch  ein  Gebälk  ver- 
bunden, in  kleinerem  Maße  das  Motiv  der  Tablinumsöffnung 
wiederholten. 

Es  fehlt  an  Nachrichten  ĂĽber  Zweck  und  Benutzung  der  Alen. 
Vitruv  weist  hier  den  Ahnenbildern  ihren  Platz  an;  aber  das  ist 
ja  eine  nur  fĂĽr  wenige  vornehme  Familien  in  Betracht  kommende 
Sitte.  Auch  Pompeji  gibt  keine  rechte  Auskunft;  wir  erhalten 
vielmehr  den  Eindruck,  daĂź  man  die  Alcn  nur  baute,  weil  sie 
nun  einmal  ĂĽblich  und  ein  Schmuck  des  Atriums  waren.  In 
einzelnen  Fällen  dienten  sie  als  Speiseräume;  häufig  hat  man 
eine  Ala  nachträglich  in  einen  großen  Schrank  verwandelt. 

Eine  Ähnlichkeit  drängt  sich  unabweisbar  auf:  die  des  nieder- 
sächsischen Bauernhauses.     Ganz  wie  im  italischen  Hause  führt 


XXXIII.   Das  pompejanische  Haus.  265 

auch  dort  der  Haupteingang  in  einen  groĂźen  und  hohen  Mittel- 
raum, die  groĂźe  Diele;  neben  diesem,  so  wie  neben  dem  Ein- 
gang, liegen  Ställe  und  Wirtschaftsräume.  An  seinem  hinteren 
Ende  aber  erweitert  sich  der  Hauptraum,  ganz  wie  in  den  Alen, 
beiderseits  bis  an  die  Außenwände;  »Fleet«  nennt  man  diesen 
hinteren,  breiteren  Teil  der  Diele,  mit  dem  Herd  an  der  RĂĽck- 
wand. Aber  hier  ist  der  Zweck  ersichtlich:  diese  deutschen  Alae 
haben  in  ihrer  AuĂźenwand  je  eine  TĂĽr  und  ein  Fenster,  beide 
gleich  notwendig,  um  den  Verkehr  mit  Hof  und  Garten  zu  ver- 
mitteln und  der  sonst  fensterlosen  Diele  Licht  zuzufĂĽhren.  Auch 
das  italische  Haus  war  doch  wohl  ursprĂĽnglich  ein  isoliertes 
Bauernhaus.  Sein  Atrium  war  ganz  bedeckt ;  so  mochte  wohl 
auch  hier  das  gleiche  BedĂĽrfnis  nach  Licht  und  Kommunikation 
dazu  geführt  haben,  es  an  einer  Stelle  bis  an  die  Seitenwände 
des  Hauses  auszudehnen  und  hier  Fenster  und  Nebeneingänge 
anzubringen.  Als  dann  das  Bauernhaus  zum  Stadthaus  wurde, 
war  letzteres  in  der  Regel  unmöglich;  aber  der  konservative  Sinn 
der  italischen  Bevölkerung  behielt  doch  die  nun  zwecklos  ge- 
wordenen Räume  bei,  wo  der  Platz  es  erlaubte. 

Und  es  ist  doch  wohl  ein  Ăśberlebsel  aus  alter  Zeit,  wenn  in 
drei  Häusern  aus  der  Tuffperiode,  wo  es  ausnahmsweise  möglich 
war  in  der  RĂĽckwand  der  Ala  ein  Fenster  anzubringen ,  dies 
Fenster  in  der  Tat  sich  findet,  ganz  unnötiger  Weise,  da  doch 
bei  der  großen  Deckenöffnung  des  Atriums  ein  weiteres  Licht- 
bedĂĽrfnis nicht  vorhanden  war.  Im  Hause  des  Sallust  (Kap.  XXXV) 
stößt  an  die  rechte  Ala  die  Säulenhalle  eines  kleinen  Peristyls; 
an  die  linke  stieß  in  älterer  Zeit  —  später  wurde  hier  ein  ge- 
schlossener Raum  angelegt  —  die  Säulenhalle  vor  dem  Garten. 
Und  in  der  RĂĽckwand  jeder  Ala  war  ein  groĂźes  Fenster;  in  der 
linken  bis  zuletzt;  in  der  rechten  war  es  später  zugemauert 
worden.  Im  Hause  »der  silbernen  Hochzeit«  (Kap.  XXXVIII) 
stößt  die  linke  Ala  an  die  einen  großen  Garten  einfassende 
Säulenhalle ;  und  auch  sie  hatte  in  älterer  Zeit  —  später  ward  es 
zugemauert  —  ein  großes  Fenster  in  ihrer  Rückwand.  In  der 
Casa  del  Fauno  (Kap.  XXXVIi  liegen  zwei  Atrien  mit  ihren 
Alen  neben  einander;  und  auch  hier  ist  die  rechte  Ala  des 
groĂźen  Hauptatriums  mit  dem  Nebenatrium  durch  ein  groĂźes 
Fenster,   die    linke  Ala    des  Nebenatriums  —  in    der   Mitte    der 


2  06  Pompeji. 

Langseite  —  mit  dem  Hauptatrium  durch  eine  Tür  verbunden. 
Man  kehrte  eben,  wo  es  irgend  anging,  zu  der  alten  Gewohnheit 
zurück,  die  vielleicht  damals  in  Landhäusern  noch  lebendig  war. 

V.  Räume  um  das  Atrium.     Der  Andron. 

Die  Vorderzimmer  neben  dem  Eingange  sind  an  den  Haupt- 
straßen meist  als  Läden  nach  Außen  geöffnet.  Wo  dies  nicht 
der  Fall  war,  wurden  sie  als  Speise-  oder  Schlafzimmer  oder  zu 
wirtschaftlichen  Zwecken  benutzt. 

An  jeder  Seite  des  Atriums  liegen  zwei  oder  drei  kleine 
Schlafzimmer.  Wo  die  Grundfläche  zu  schmal  ist,  fehlen  sie,  wie 
auch  die  Alae,  auf  einer  oder  auch  auf  beiden  Seiten. 

Auf  der  RĂĽckseite  liegen  neben  dem  Tablinum  zwei  ihm  an 
Tiefe  gleiche  Speisezimmer,  die  sich  häufig,  aber  nicht  immer 
mit  einem  weiten  Eingang  rückwärts  auf  das  Peristyl  oder  den 
Gartenportikus  öffnen.  Seltener  sind  sie  auch  vom  Atrium  aus 
durch  je  eine  Tür  zugänglich;  es  war  aber  Regel,  daß  beim 
Bau  diese  Türen  auf  alle  Fälle  angebracht  wurden;  wollte  dann 
der  Hausherr  sich  ihrer  nicht  bedienen,  so  wurden  sie  vermauert 
und  blieben  als  blinde  TĂĽren  ein  Schmuck  des  Atriums. 

Alle  diese  Zimmer  waren  in  der  vorrömischen  Zeit  sehr  hoch, 
die  Vorder-  und  Seitenzimmer  bis  ĂĽber  4,50  m  bis  zum  Ansatz 
der  kreuzgewölbförmigen  Verschalung,  die  Hinterzimmer  noch 
höher,  so  daß  sie  mit  ihrer  Verschalung  dem  flach  gedeckten 
Tablinum  an  Höhe  gleich  kamen.  Auch  die  Türen  waren  sehr 
hoch  (im  Hause  des  Faun  4,10  m),  teils  um  zu  der  mächtigen 
Höhe  des  Atriums  in  richtigem  Verhältnis  zu  stehen,  teils  auch 
weil  manche  Zimmer  nur  durch  sie  Licht  erhielten.  Vermutlich 
war  eben  deshalb  häufig  der  obere  Teil  der  Tür  durchbrochen, 
wie  es  oft  in  Wandgemälden  dargestellt  ist. 

Andron  nannten  die  Römer  einen  Korridor,  indem  sie  einem 
griechischen  Worte  eine  ihm  ursprĂĽnglich  fremde  Bedeutung 
gaben;  denn  bei  den  Griechen  heißt  Andron  der  Männersaal. 
Wir  nennen  so  —  in  Ermangelung  einer  besser  bezeugten  Be- 
nennung —  den  Gang,  der  in  vielen  Häusern  neben  dem  Tablinum 
aus  dem  Atrium  in  das  Peristyl  fĂĽhrt.  Es  scheint,  daĂź  dieser  Gang 
nicht  zu  dem  ursprünglichen  Bestände  des  altitalischen  Hauses  ge- 


XXXni.   Das  pompejanische  Haus.  267 

hörte.  Er  kommt  zwar,  wie  es  scheint,  schon  in  der  Zeit  der 
Kalksteinatrien  vor,  fehlt  aber  in  den  besterhaltenen  Häusern 
dieser  Periode;  so  in  dem  Hause  des  Chirurgen  (Kap.  XXXIV), 
wo  man  durch  das  Tablinum  oder  auf  einem  Umwege  durch  die 
Wirtschaftsräume  aus  dem  Atrium  in  den  Garten  gelangte.  Auch 
im  Hause  des  Sallust,  einem  der  stattlichsten  und  vermutlich  der 
ältesten  Häuser  der  Tufifperiode  fehlte  er  ursprünglich,  obgleich 
hier  das  Tablinum  nach  hinten  nur  ein  Fenster,  keine  TĂĽr  hat; 
man  kam  in  den  Garten  nur  durch  die  Zimmer  neben  dem 
Tablinum;  erst  später  hat  man  ihn  von  dem  rechten  dieser 
Zimmer  abgetrennt.  So  fĂĽhrt  auch  aus  dem  Hauptatrium  im 
Hause  des  Faun  kein  Gang  ins  Peristyl:  man  ging  durch  das 
Zimmer  links  vom  Tablinum.  Auch  sonst  ist  er  von  der  Tuff- 
periode an  keineswegs  immer  vorhanden;  doch  fehlt  er  meist 
nur  in  kleineren  Häusern  oder  da,  wo  ein  Nebenatrium  oder 
sonstige  Nebenräume  eine  andere  Verbindung  bieten.  In  der 
Regel  war  er  an  beiden  Enden  durch  eine  TĂĽr  verschlieĂźbar. 
Vitruv,  wo  er  das  Atrium  bespricht,  nennt  ihn  nicht;  es  scheint 
auch,  daĂź  es  keinen  altitalischen  Namen  fĂĽr  ihn  gab. 

VI.  Gärten,  Peristyl,  Räume  um  das  Peristyl. 

Wenn  nach  alter  Art  hinter  dem  Atrium  kein  Peristyl,  son- 
dern nur  ein  Garten  liegt,  so  erstreckt  sich  meistens  vor  dem- 
selben, an  der  RĂĽckseite  des  Hauses  entlang,  ein  auf  diesen  ge- 
öffneter Portikus.  So  in  den  Häusern  des  Chirurgen,  des  Sallust, 
des  Epidius  Rufus.  In  dem  groĂźen  Hause  des  Pansa  folgt 
hinter  dem  Peristyl  noch  ein  Garten. 

Das  Peristyl  ist  ein  bald  auf  allen  vier,  bald  auf  zwei  oder 
drei  Seiten  von  Säulenhallen  eingefaßter  Garten.  War  von  diesen 
Hallen  die  nach  Süden  geöffnete  höher  als  die  anderen  —  es 
war  dann  wohl  meist  die  vordere,  wie  im  Hause  der  silbernen 
Hochzeit  —  so  nannte  man  dies  ein  rhodisches  Peristyl.  Häufig 
waren,  namentlich  in  der  Tufifperiode,  die  Säulenhallen  zwei- 
stöckig, entweder  ringsum  oder  nur  auf  der  Vorderseite,  wie  im 
Hause  des  Faun  und  in  der  Casa  dcl  Centenario.  Reste  der 
kleineren,  oberen  Säulenstellung  sind  in  vielen  Häusern  erhalten. 

In  betreff  der  Zimmer  um  das  Peristyl   ist  AllgemeingĂĽltiges 


268 


Pompeji. 


kaum  zu  sagen.  Häufig  Hegt  in  der  Mitte  der  Rückseite  ein 
großes,  in  ganzer  Breite  geöffnetes  Zimmer,  Exedra,  gewisser- 
maĂźen das  Motiv  des  Tablinums  wiederholend.  Im  ĂĽbrigen  sind 
Speisezimmer,  Gesellschaftsräume,  Schlaf kammern  in  verschie- 
dener Weise,  wie  es  die  Raumverhältnisse  mit  sich  brachten, 
angeordnet. 

VII.  Schlafzimmer. 

Als  Schlafräume  dienten  im  Atriumhause  die  Kammern  neben 
dem  Atrium,    und   dabei   ist  es  in  manchen,    auch   groĂźen  und 


'â– AIM.L, ' 

Fig.  136.     Durchschnitt   eines  Schlafzimmers   im   Hause    des   Centauren.     Links   die   Bettnischc ; 

oben  zwei  Fenster. 

reichen  Häusern  bis  zuletzt  geblieben;  z.  B.  in  der  Casa  del  Fauno. 
Es  sind  enge  und  hohe  Räume  mit  hohen  Türen.  Anders  ge- 
staltet sind  die  Schlaf  kammern  an  den  Peristylien:  weit  niedriger, 
in  ganzer  oder  fast  ganzer  Breite  auf  die  Portiken  geöffnet,  häufig 
auĂźerdem  durch  eine  kleine  SeitentĂĽr  mit  einem  anliegenden 
Speisezimmer  oder  auch  mit  einer  nischenartigen  Erweiterung 
des  Portikus  verbunden.  Der  Zweck  dieser  Anordnung  ist  klar 
genug;  es  war  unbequem,  die  große  und  schwere  Tür  oft  öffnen 
und  schlieĂźen  zu  mĂĽssen;  so  lieĂź  man  sie  im  Sommer  Tag  und 


XXXin.  Das  pompejanische  Haus.  269 

Nacht  offen  stehen  und  schloĂź  den  weiten  Eingang  nur  durch 
einen  Vorhang;  im  Winter  aber  öffnete  man  sie  etwa  täglich 
einmal,  um  zu  lĂĽften  und  zu  reinigen,  ging  aber  im  ĂĽbrigen 
durch  die  kleine  TĂĽr  aus  und  ein. 

Häufig  ist  der  Platz  des  Bettes  besonders  charakterisiert  und 
von  dem  übrigen  Räume  unterschieden.  Manchmal  durch  die 
Form  des  Zimmers  selbst,  indem  das  Bett  in  einer  besonderen 
Nische  stand.  So  in  einem  Schlafzimmer  der  Casa  del  Centauro 
(VI,  9,  3)  mit  schöner  Wanddekoration  ersten  Stils  (Durchschnitt 
Fig.  136).  Nicht  selten  finden  sich  auch  zwei  Nischen  fĂĽr  zwei 
Betten.  In  den  Mosaikfußböden  der  Schlafzimmer  ist  der  Platz 
des  Bettes  weiß  und  von  dem  übrigen  Räume  durch  einen 
schwellenartigen  Ornamentstreifen  getrennt.  Ganz  besonders 
häufig  aber  ist  er  durch  die  Malerei,  namentlich  zweiten  Stiles 
bezeichnet:  die  dem  Bette  entsprechenden  Teile  sind  etwas  ab- 
weichend behandelt  in  Farben  und  Einteilung.  Häufig  endlich 
war  auch  die  Decke  der  beiden  Teile  verschieden:  ĂĽber  dem 
Bett  ein  Tonnengewölbe,  im  übrigen  entweder  flache  Decke  in 
der  Scheitelhöhe  desselben  oder  ein  Tonnengewölbe  in  größerer 
Höhe  als  das  der  Bettnische.  Zwei  vorzüglich  erhaltene  Beispiele 
bietet  das  Haus  der  silbernen  Hochzeit:  in  beiden  ist  der  Platz 
des  Bettes  durch  den  MosaikfuĂźboden,  die  Malerei  zweiten  Stiles 
und  die  Decke  bezeichnet. 

VIII.  Speisezimmer. 

Speiseräume  waren  im  altitalischcn  Hause,  nachdem  man  auf- 
gehört hatte  im  Atrium  zu  speisen,  die  beiden  quadratischen 
Zimmer  neben  dem  Tablinum  und  im  Sommer  das  Tablinum 
selbst;  so  lange  man  nach  alter  Sitte  zu  Tische  saĂź,  genĂĽgte  dem 
Zweck  jedes  einigermaßen  geräumige  Zimmer.  Als  man  aber 
dem  Atriumhause  das  Peristyl  anfĂĽgte,  war  mittlerweile  die  grie- 
chische Sitte  des  Liegens  bei  Tisch  aufgekommen  und  mit  ihr 
eine  besondere  P'orm  des  Speisezimmers,  das  Triclinium,  Dreibett. 
Die  um  den  Tisch  stehenden  drei  Speisebetten,  lecti^  nahmen 
ein  Quadrat  von  etwa  4  m  ein.  Dem  Zimmer  eine  größere 
Breite  zu  geben  war  meistens  untunlich;  so  standen  denn  die 
Lecti  an  den  Wänden,  den  innersten  Teil  des  Zimmers  ganz 
ausfĂĽllend.     Um  auch    fĂĽr   die  Bewesfunsr   der  Dienerschaft   hin- 


B 

A 

c 

270  Pompeji. 

länglichen  Raum  zu  bieten,  soll  nach  Vitruv  das  Speisezimmer 
doppelt  so  lang  als  breit  sein.  In  Pompeji  ist  es  meist  etwas 
kĂĽrzer:  bei  3,50  bis  4  m  Breite  nicht  leicht  ĂĽber  6  m  lang.  Die 
Speisezimmer  am  Peristyl  sind  meist  in  ganzer  Breite  auf  dieses 
geöfifnet,  konnten  aber  durch  große,  zusammenklappbare  Türen 
verschlossen  werden. 

Die  gewöhnliche  Aufstellung  der  drei  Speisebetten  zeigt 
Fig-  137;  man  bezeichnete  sie  als  das  oberste,  mittlere  und 
unterste.  Auf  jedem  derselben  lagen  der  Regel  nach  drei  Per- 
sonen, indem  sie  den  linken  Arm  auf  ein  nach  dem  Tische  zu 
liegendes  Polster  stĂĽtzten  und  die  Beine  nach  rechts  streckten. 
Daher  hieĂź  der  erste  Platz  des  rechten 
Lectus  der  oberste,  sitmmiis\  der  folgende 
lag  »unter  ihm«,  d.  h.  auf  der  Seite,  wo- 
hin er  die  FĂĽĂźe  streckte,  der  dritte  auf 
jedem  Bette  war  der  unterste,  iunis.  Wenn 
es  im  Evangelium  heiĂźt,  daĂź  Johannes 
am  Busen  Jesu  lag,  so  wĂĽrde  das  nach 
^.         p     ^  n  -     c   ■         römischer  Ausdrucksweise  heißen:   er  lag 

Flg.  137.  GrundriĂź  eines  Speise-  o 

Zimmers  mit  den  drei  Betten.  UUtCr  ihm.  AuS  dicSCr  Art  ZU  Hegen  Cr- 
A    Lectus   s-uvimiis.     B  Lectus        ifa.       -i       i-ij.j-         a^  •         J-       Tt    ll 

,.      n  T   t     â–   klart  sich  leicht   die  Art,   wie  die  Betten 

meaius.     C  Lectus  ivnis.  ' 

D  TischfuĂź.  gestellt    sind,    und    daĂź    das    linke   Ende 

des  Hufeisens  länger  sein  mußte  als   das 

rechte,  weil  nach  dieser  Seite   die  Beine   gestreckt  waren.     Die 

drei  so  aufgestellten  Betten  nannte  man,   wie  das  Speisezimmer, 

Triclinium,  Dreibett. 

Die  Pompejaner  liebten  es,  an  Sommerabenden  im  Garten  zu 
speisen.  Um  aber  nicht  die  Betten  aus  und  eintragen  zu  mĂĽssen, 
wurde  hier  häufig  das  »Triclinium«  aus  Mauerwerk  hergestellt. 
Solche  gemauerte  Triklinien  sind  in  ziemlicher  Zahl  erhalten  und 
haben  fast  immer  genau  die  durch  unsere  Zeichnung  angedeutete 
Form  mit  dem  weiter  vorgestreckten  linken  Ende;  in  der  Mitte 
steht  stets  der  ebenfalls  gemauerte  FuĂź  fĂĽr  die  Tischplatte,  in 
der  Nähe  ein  kleiner  Altar  für  die  bei  jedem  Mahl  dargebrachten 
Opfer.  Den  Anblick  zeigt  das  in  Kap.  L  abzubildende  Triclinium 
funebre  an  der  Gräberstraße. 

Wir  dĂĽrfen  sicher  annehmen,  daĂź,  wenn  im  Hause  gespeist 
wurde,   stets  ein  kleiner  tragbarer  Altar  zur  Stelle  war,   wie  sie 


XXXIII.   Das  pompejanlsche  Haus.  271 

aus  Ton  oder  Bronze,  oft  gefunden  werden.  Nur  in  einem  Falle 
—  II  (VIII),  5 — 6,  i6,  Fig.  138  —  ist  mit  einem  kleinen  Speise- 
zimmer ein  Vorzimmer  verbunden,  in  dessen  Mitte  ein  kleiner 
Altar  aus  Tuff  steht. 

Lehnen  hatten  die  Speisebetten  in  der  Regel  nicht;  oft  aber 
hatten  das  oberste  und  unterste  an  der  der  Ă–ffnung  des  Huf- 
eisens zugewandten  Schmalseite  eine  ziemlich  hoch  aufstehende 
Schranke  (in  Fig.  137  angedeutet),  die  wohl  das  Herabgleiten 
der  Polster  verhindern  sollte.  Ihre  Form  war  die  der  Lehne  am 
Kopfende  eines  Bettes;  man  nannte  sie  daher  Lehne  [fulcrmii^ 
auch  pluteus\  und  der  Platz  an  der  offenen  Seite  des  Hufeisens 
hieß  »bei  den  Lehnen  der  Betten«  [ad  fiilcra  lectoriim).  Hier 
saĂźen  nach  alter,  auch  in  der  kaiserlichen  Familie  beobachteter 
Sitte  die  Kinder  auf  StĂĽhlen  an  einem  be- 
sonderen Tische.  In  einem  pompejanischen 
Hause  —  III  (IX),  5,  11,  Taf.  VII  —  ist  der 
Sitz  der  Kinder  erhalten:  eine  niedrige,  etwa 
1,50  m  lange,  an  den  linken,  längeren  Arm 
des  Gartentricliniums  angemauerte  Bank. 

,  _,..  r       ■i  •  •  1  Fig.  138.    Grundriß  eines 

In  manchen  Garten  finden  wir  vier  oder  Speisezimmers  mit  vor- 
sechs  Säulen;  sie  bildeten,  durch  Balken  und      nimmer,  in  dem  ein  Aitar 

,  ,  .       1 1 7-    •  1  Steht.    A  Raum  für  Tisch 

Latten  verbunden,    mit   Weinreben  oder    an-     und  speisebetten,  h  Vor- 
deren Gewächsen   umrankt,   eine   Laube,    die  räum  mit  Aitar. 
auch  als  sommerlicher  Speiseraum  diente. 

Wie  in  den  Schlafzimmern  der  Platz  des  Bettes,  so  ist  häufig 
in  den  Speisezimmern  der  innere,  fĂĽr  Tisch  und  Speisebetten 
bestimmte  Teil  von  dem  vorderen  unterschieden,  bisweilen  durch 
das  Muster  des  Mosaikfußbodens,  öfter  durch  Wandmalerei  und 
die  Form  der  Decke.  Es  ist  wohl  Zufall,  daĂź  sich  kein  Bei- 
spiel ersten  Stiles  findet;  besonders  häufig  sind  im  zweiten  Stil 
die  beiden  Teile  genau  so  charakterisiert  wie  in  den  Schlaf- 
zimmern. Im  dritten  und  vierten  ist,  dem  mehr  ornamentalen 
Charakter  dieser  Dekorationsweisen  entsprechend,  die  Trennung 
eine  weniger  kräftige.  Sie  zeigt  sich  aber  häufig  genug  darin, 
daĂź  die  innere  Schmalwand  und  die  inneren  Teile  der  Lang- 
wände  je  in  ein  durch  Größe  und  Ornamentierunor  hervor- 
gehobenes  Mittelfeld  und  zwei  Seitenfelder,  die  vorderen  Teile 
der  Langwände  aber  in  zwei  den  Seitenfeldern  gleichartige  holder 


272  Pompeji. 

geteilt    sind;    ein    pilasterartiger    Ornamentstreif   bezeichnet    die 
Trennung. 

Bequem  waren  diese  engen  Speiseräume  nicht;  wer  weiter 
einwärts  lag,  konnte  seinen  Platz  weder  erreichen  noch  verlassen, 
ohne  über  einige  Tischgenossen  hinwegzusteigen.  Große  Säle, 
in  denen  rings  um  die  Speisebetten  ein  Raum  frei  blieb  oder 
gar  mehrere  >Triklinien«  aufgestellt  werden  konnten,  kennt  die 
Architektur  der  vorrömischen  Zeit  nicht.  Erst  in  der  Kaiserzeit 
sind  sie  in  einigen  wenigen  Häusern  nachträglich  eingerichtet 
worden.  So  der  7  X  1 1  m  groĂźe  Saal  der  Casa  del  citarista 
(i,  4,  5);  ferner  im  Hause  des  Pansa  (772  X  10  m),  im  Hause 
des  Kastor  und  Pollux  (7X9  m). 

Oecus  nannte  man  ein  solches  groĂźes  Zimmer,  mit  einem 
griechischen  Worte,  welches  auch  »Haus«  bedeuten  kann.     Eine 

^     besondere  Art   ist  der 

korinthische        Oecus, 
ffl  ffl    â–         dessen     EigentĂĽmlich- 

keit darin  besteht,  daĂź 
an  den  Wänden  entlang 
Säulen  stehen,  die  das 
ffl  B     B        Zimmer  in  einen  ĂĽber- 

wölbten Mittelraum  und 


""-^ — ^ — ^ — t- — I '"'"  einen   flach  gedeckten 

Fig.  13g.     GrundriĂź  eines  Speisezimmers  im  Hause  der  TJmP'ano'      teilen  Wir 

silbernen  Hochzeit.  o       fc> 

dĂĽrfen  annehmen,  daĂź 
auch  diese  Säle  als  Speisezimmer  dienten:  im  Mittelraum  stand 
das  Triclinium;  der  Umgang  bot  einen  doppelten  Vorteil.  Erstens 
konnten  durch  ihn  die  Gäste  jederzeit  ihre  Plätze  erreichen  und 
verlassen;  zweitens  konnten  hier  die  Sklaven  stehen,  die  bei  vor- 
nehmen Gastmählern  die  Gäste  mitbrachten.  Ein  solcher  Sklave 
hieĂź,  weil  er  bei  den  FĂĽĂźen  des  Herrn  stand,  {serinis)  a  pedibus^ 
oder  ad  pede^.  Die  Casa  del  Laberinto  und  die  Casa  di  Meleagro 
haben  je  einen  solchen  korinthischen  Oecus  ziemlich  quadrati- 
schen Grundrisses;  der  Raum  zwischen  den  Säulen  wurde  wohl 
durch  Tisch  und  Speisebetten  ziemlich  ausgefĂĽllt;  fĂĽr  die  Be- 
wegung der  Dienerschaft  muĂźte  der  Portikus  des  Peristyls  ge- 
nügen, auf  den  sich  diese  Säle,  durchaus  Sommerräume,  in  ganzer 
Breite    öffnen.      Anders    und    besonders    charakteristisch    ang^e- 


XXXIII.   Das  pompejanische  Haus.  273 

ordnet  ist  ein  erst  kĂĽrzlich  ganz  ausgegrabenes  und  auf  Grund 
der  gefundenen  Spuren  und  Fragmente  musterhaft  restauriertes 
Zimmer  des  Hauses  der  silbernen  Hochzeit  (Kap.  XXXVII, 
Fig.  139).  Es  ist  ein  langgestreckter  Raum,  durch  das  Muster 
des  FuĂźbodens,  durch  die  Wandmalerei  zweiten  Stils,  durch 
die  Decke  und  durch  eine  innere  Säulenstellung  in  einen  inneren 
Teil  und  einen  Vorraum  (cj  geteilt.  Der  innere  Teil  hat  statt  der 
an  drei  Seiten  umlaufenden  Säulenreihen  der  korinthischen  Oeci 
nur  vier  auf  Postamenten  stehende  achteckige  Säulen.  Der  von 
den  vier  Säulen  eingeschlossene  Mittelraum  (a)^  der  eigentliche 
Speiseraum,  war  bedeckt  von  einem  auf  ihrem  Gebälk  ruhenden 
Tonnengewölbe,  mit  der  Axe  in  der  Längenrichtung,  der 
zwischen  den  Säulen  und  der  Wand  übrig  bleibende  Umgang  (b) 
von  einer  flachen  Decke  in  der  Höhe  des  Gewölbeansatzes,  der 
Vorderraum  (c)^  wo  sich  die  Dienerschaft  bewegte,  von  einer 
ebensolchen  in  der  Scheitelhöhe  des  Gewölbes. 

In  großen  und  reichen  Häusern  hatte  man  verschiedene  Speise- 
zimmer fĂĽr  die  verschiedenen  Jahreszeiten;  und  so  ist  es  sicher 
zu  verstehen,  wenn  Petrons  Trimalchio  sich  rĂĽhmt,  ihrer  vier  zu 
haben.  Nach  Vitruv  sollen  die  Wintertriklinien  gegen  SĂĽden,  die 
Sommertriklinien  gegen  Norden,  die  P>ĂĽhlings-  und  Herbst- 
triklinien  gegen  Osten  gerichtet  sein.  So  mögen  wir  auch  für 
Pompeji  annehmen,  daß  die  nach  Süden  geöffneten  vorzugsweise 
im  Winter,  die  nach  Norden  geöftheten  vorzugsweise  im  Sommer 
benutzt  wurden.  Wir  mögen  ferner  besonders  luftige  Räume, 
solche,  die  auĂźer  der  groĂźen  TĂĽr  noch  ein  groĂźes  F'enster 
haben,  fĂĽr  den  Sommergebrauch  in  Anspruch  nehmen.  Im 
ĂĽbrigen  sind  Unterschiede  in  Form  und  Bauart  je  nach  der  Be- 
stimmung fĂĽr  die  eine  oder  andere  Jahreszeit  nicht  zu  konstatieren. 

IX.  Küche,  Bad,  Vorratsräume. 

Küche  und  Wirtschaftsräume  haben  im  pompejanischen  Hause 
keinen  festen  Platz;  sie  werden  angebracht,  wo  es  nach  den  Raum- 
verhältnissen am  bequemsten  ist.  Die  Küche  ist  einfach  und 
enthält  nichts  Bemerkenswertes  außer  dem  Herd.  Auch  dieser 
ist  sehr  kunstlos:  eine  einfache  rechtwinklisfe  Aufmaueruansf  und 
auf  derselben   bisweilen    kleine   gemauerte    hufeisenförmige  Vor- 

Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.  jg 


274 


Pompeji 


richtungen,  um  Gefäße  über  Feuer  zu  stellen.  Doch  waren  diese 
keineswegs  immer  vorhanden;  im  Hause  der  Vcttier,  wo  der 
Herd  unversehrt  mit  den  Kochgefäßen  gefunden  wurde  (Fig.  140), 
standen  diese  auf  eisernen  DreifĂĽĂźen.  In  einem  anderen  Hause 
dienten  demselben  Zweck  die  spitzen  unteren  Enden  dreier  zer- 
brochenen Tonamphoren.  Unter  dem  Herde  ist  häufig  ein  Raum 
fĂĽr  die  Feuerung. 

Nicht  selten  findet  sich  neben  dem  Herd  ein  kleiner  Back- 
ofen, so  klein,  daĂź  nicht  an  Brot-,  sondern  nur  an  Kuchen- 
bäckerei gedacht  werden  kann.  Einen  größeren  Backofen,  viel- 
leicht zur  Herstellung  groben  Brotes  fĂĽr  die  Sklaven,  finden  wir 


Fig.  140.     Herd  in  der  Küche  des  Hauses  der  Vettier.     Der  gewölbte  Raum  dient  zum 
Aufbewahren  der  Feuerung. 

im  Keller  der  Casa  del  Centenario,  wo  seine  Wärme  auch  dem 
ĂĽber  ihm  liegenden  Bade  zu  gute  kam.  Im  allgemeinen  aber 
wurde  das  Brot  vom  Bäcker  bezogen. 

Die  KĂĽche  war  meist  sehr  hoch.  Der  Rauch  zog  durch  ein 
Fenster  ĂĽber  dem  Herd  ab,  vielleicht  bisweilen  auch  durch  Decken- 
öffnungen; doch  kann  dies  bei  der  durchgängigen  Zerstörung  der 
oberen  Teile  nicht  recht  sicher  festgestellt  werden.  Aus  der 
Kleinheit  der  KĂĽchen  und  namentlich  der  Herde  auch  in  groĂźen 
und  reichen  Häusern  dürfen  wir  schließen,  daß  der  Speiseluxus 
der  ersten  Kaiserzeit  nur  in  sehr  bescheidenem  MaĂźe  nach  Pom- 
peji gedrungen  war. 


XXXIII.   Das  pompejanische  Haus.  275 

Dicht  bei  der  KĂĽche,  oft  auch  in  derselben,  bisweilen  un- 
mittelbar neben  dem  Herd,  ist  meistens  der  Abtritt;  in  eigenen, 
geräumigen  Zimmern  finden  wir  ihn  in  der  Casa  del  Fauno  und 
in  dem  Hause  des  Kastor  und  Pollux. 

Manche  größere  Häuser  haben  ein  kleines  Bad,  so  klein, 
daĂź  es  nicht  wohl  von  mehr  als  einer  Person  zur  Zeit  benutzt 
werden  konnte.  Meistens  besteht  es  aus  Tepidarium  und  Cal- 
darium;  bisweilen  kommt  noch  ein  Apodyterium  hinzu,  selten 
eine  Kammer  mit  Bassin  fĂĽr  das  kalte  Bad;  zweimal  (Casa  del 
Centenario,  Villa  des  Diomed)  ist  dieses  in  einem  kleinen  Hofe; 
in  der  Regel  genĂĽgte  fĂĽr  das  kalte  Bad  eine  im  Apodyterium 
oder  Tepidarium  aufgestellte  Wanne.  Die  Heizvorrichtungen  sind 
dieselben  wie  in  den  öffentlichen  Bädern,  mehr  oder  weniger 
vollständig,  je  nach  der  Entstehungszeit,  so  daß  wir  die  in  den 
Stabianer  Thermen  beobachtete  allmähliche  Steigerung  der  Hei- 
zung auch  hier  verfolgen  können.  Die  Heizung  geschah  von 
der  Küche  aus ;  so  in  den  Häusern  des  Faun  und  der  silbernen 
Hochzeit  und  in  der  Villa  des  Diomedes. 

Vorratskammern,  in  verschiedenen  Teilen  des  Hauses,  sind 
kenntlich  durch  die  Spuren  der  an  den  Wänden  angebrachten 
Regale.  Keller  sind  nicht  häufig.  Die  Casa  del  Centenario  hat 
ihrer  zwei.  Der  eine,  zugänglich  durch  eine  Treppe  aus  dem 
Atrium,  erstreckt  sich  unter  das  Tablinum  und  die  Vorderhalle 
des  Peristyls;  in  den  anderen  gelangt  man  aus  einem  Neben- 
atrium; er  ist  in  mehrere  Räume  geteilt,  deren  einer  den  schon 
erwähnten  Backofen  (S.  274)  enthält.  Im  Hause  des  Caecilius 
Jucundus  liegt  der  Keller  unter  dem  Garten.  Von  dem  der  Villa 
des  Diomedes  wird  weiterhin  die  Rede  sein. 


X.  Kapellen  der  Hausgötter. 

Jedes  Haus  verehrte  seine  Schutzgeister  und  Schutzgötter: 
die  Laren  und  Penaten  und  den  Genius  des  Hausherrn.  Zahl- 
reich sind  in  Pompeji  die  bald  einfacheren,  bald  reicheren  Denk- 
mäler dieses  Kultus. 

In  manchen  Häusern  ist  es  nur  eine  Wandmalerei:  die  Laren 
und  der  Genius,  auch  wohl  das  ihnen  gebrachte  Opfer,  darunter 
ein  Altar  mit  FrĂĽchten,  dem  sich  von  jeder  Seite  eine  Schlange 

18* 


276 


Pompeji. 


nähert.    Besonders  häufig  finden  sich  solche  Bilder  in  der  Küche, 
in  der  Nähe  des  Herdes. 

In  anderen  Häusern  standen  kleine  Bronzefiguren  in  einer  bald 
einfachen,  bald  tempelartig  eingerahmten  Wandnische  (Fig.  143), 
neben  oder  in  der  auch  wohl  wieder  die  Schutzgeister  und  Götter 

gemalt  waren.  So  in 
der  KĂĽche  der  Casa  di 
Apollo  (Fig.  141);  die 
Bilder  der  Götter  sind 
fast  ganz  verblichen, 
die  Schlange  —  es  ist 
hier  nur  eine  —  ist 
deutlich  sichtbar.  Da- 
vor ein  kleiner  ge- 
mauerter Altar. 

Häufig  ist  es  ein 
auf  hohem  Unterbau  an 
die  Wand  des  Atriums 
oder  des  Gartens  an- 
gelehntes Tempelchen 
(Fig.  142),  in  dem  meist 
auf  einer  niedrigenStufe 

die  BronzefigĂĽrchen 
standen. 

Ganz  vereinzelt  dient 
ein  besonderes  Zimmer 
dem  Kult  der  Haus- 
götter. In  einem  Falle 
—  III  (IX),  8,  7  —  ist  es 
ein  Gartenhäuschen,  in 
dem  eine  Wandnische 
die  Götterbilder  ent- 
hielt. 
Die  Laren  —  ursprünglich  ist  es  nur  einer,  erst  seit  der  Zeit 
Ciceros  erscheinen  sie  in  der  Mehrzahl,  in  Pompeji  sind  es  stets 
zwei  —  sind  die  Schutzgeister  des  Hauses;  sie  werden  dargestellt 
als  JĂĽnglinge  in  tanzender  Stellung,  in  kurzem,  gegĂĽrtetem  Ge- 
wände; in  der  einen  Hand  halten  sie,  hoch  erhoben,  das  Trink- 


Fig.  141.    Nische  für  die  Hausgötter  in  der  Küche  der  Casa 

di  Apollo.    Unten,  gemalt,  eine  Schlange  an  einem  runden 

Altar  mit  Opfergaben.    Davor  ein  viereckiger  Altar  fĂĽr  den 

Hausgottesdienst. 


XXXIII.   Das  pompejanische  Haus. 


277 


horn,  r/iytoji,  aus  dessen  Spitze  ein  Weinstrahl  bogenförmig 
herabfällt  in  ein  in  der  anderen  Hand  gehaltenes  Gefäß,  entweder 
eine  Opferschale,  patera^  oder  einen  kleinen  Eimer,  situla.  Man 
brachte  ihnen  einfache  Gaben  dar  —  Früchte,  Opferkuchen, 
Kränze  und  Weihrauch  —  und  bei  jeder  Mahlzeit  setzte  man  ihnen 
in  kleinen  SchĂĽsseln  ihren  Anteil  vor.  Wurde  ihnen  ein  Tier 
geopfert,  so  war  es  ein  Schwein. 

Mit  ihnen  verehrte  man  den 
Genius,  den  Schutzgeist  des  Haus- 
herrn. Auch  er  hat  seinen  festen 
Typus  bildlicher  Darstellung:  es 
ist  das  Porträt  des  Hausherrn,  mit 
ĂĽber  den  Kopf  gezogener  Toga, 
wie  es  beim  Opfer  ĂĽblich  war, 
aus  einer  Schale  das  Trankopfer 
ausgießend ;  in  der  Linken  hält  er 
manchmal  ein  FĂĽllhorn,  bisweilen 
das  Weihrauchkästchen,  acerra. 
Nur  selten  begegnet  der  Genius 
der  Hausfrau;  einmal,  wie  es 
scheint,  gemalt  in  Gestalt  der 
Juno;  denn  »Juno*  nannte  man 
den  Genius  der  Frau:  wie  der 
Mann  bei  seinem  Genius,  so 
schwört  die  Frau  >bei  meiner 
Juno«.  In  der  S.  276  erwähnten 
Gartenkapelle  fand  sich  eine  Ton- 
statuette,     die     den     weiblichen 

Genius  darstellt,  wie  er  auf  einem  Ruhelager  liegend  das  Trank- 
opfer ausgieĂźt. 

DaĂź  man  unter  dem  mit  den  Laren  zusammen  verehrten  und 
dargestellten  Genius  in  der  Regel  den  des  Hausherrn  verstanden 
habe,  hat  man  mit  Recht  geschlossen  aus  der  Inschrift  an  dem 
Larentempelchen  des  Hauses  des  Epidius  Rufus:  Gcnio  Miarci) 
7i[ostri)  et  Laribus  duo  Diadtnucni  liberti^  »dem  Genius  unseres 
Marcus  (des  Hausherrn)  und  den  Laren  seine  beiden  Freigelassenen 
mit  Namen  Diadumenus«.  Dennoch  aber  dürfen  wir  fragen,  ob 
nicht    bisweilen    vielmehr  der  Genius    des  Kaisers  gemeint  war. 


Fig.  142.     Larentempel  im  Hause  des 
Epidius  Sabinus,  III  (IX),  i,  22. 


278  Pompeji. 

von  dem  wir  ja  wissen  - —  Horaz  (Od.  IV,  5,  33)  sagt  es  besonders 
ausdrücklich:  Laribtis  tuum  miscet  numen  —  daß  er  mit  den 
Laren  zusammen  verehrt  wurde.  Auf  der  RĂĽckwand  einer  Haus- 
kapelle, in  einem  Garten  —  IV  (VII),  11,  14  —  ist  ein  Altar  gemalt, 
an  dem  rechts  Jupiter  steht,  links  der  Genius,  beide  das  Trankopfer 
ausgieĂźend.  Es  ist  schwer  zu  glauben,  daĂź  man  den  Genius  des 
Hausherrn  so  dem  höchsten  Gotte  gleichberechtigt  gegenüber- 
gestellt haben  sollte,  wahrscheinlicher,  daĂź  der  Genius  des  Kaisers 
gemeint  ist.  Er  gleicht  am  ehesten  Claudius,  womit  es  gut  stimmt, 
daĂź  das  Bild  zur  Zeit  des  dritten  Stiles  gemalt  ist.  In  einem 
anderen  Hause  —  III  (IX),  8,  13  —  sind  zwei  opfernde  Genien  auf 
die  Wand  gemalt  und  unter  einem  derselben  mit  groĂźen  Buchstaben 
in  die  Wand  gekratzt  EX  SC,  d.  h.  ex  senatiis  consitlto^  nach 
SenatsbeschluĂź;  es  liegt  nahe  zu  denken,  daĂź  hier  der  Genius 
des  Augustus  und  der  SenatsbeschluĂź  gemeint  ist,  durch  den,  wie 
Dio  Cassius  (LI,  19,  7)  berichtet,  der  häusliche  Kult  desselben 
angeordnet  wurde.  So  dĂĽrfte  doch  wohl  auch,  wo  solche  be- 
stimmte Anzeichen  fehlen,  bisweilen  der  Genius  des  Kaisers  gemeint 
sein.  Z.  B.  in  dem  Genius  der  beistehend  (Fig.  143)  abgebildeten 
Kapelle  des  Hauses  der  Vettier  ist  eine  gewisse  Ă„hnlichkeit  mit 
Nero  nicht  zu  verkennen. 

Die  Penaten  sind  ursprünglich  die  Schutzgötter  der  häuslichen 
Vorräte  [pemis]  und  der  Vorratskammer.  Es  konnten  dies  nach 
Wahl  des  Hausherrn  verschiedene  Götter  sein :  penates  ist  nicht 
Eigenname,  wie  Lares^  sondern  adjectivische  Bezeichnung  dieser 
Götter,  der  di  penates.  Aber  diese  ursprüngliche  Bedeutung  war 
schon  den  Zeitgenossen  Ciceros  dunkel;  man  verstand  unter  den 
Penaten  verschiedene  Götter,  denen  der  Hausherr  oder  die  Fa- 
milie besonderen  Kult  widmete,  Ihre  Bilder  finden  wir  in  Pom- 
peji sowohl  in  den  erwähnten  Malereien  als  unter  den  Bronze- 
figĂĽrchen.  So  enthielt  das  Tempelchen  im  Hause  des  Lucretius 
fĂĽnf  Bronzestatuetten:  den  Genius,  Jupiter,  Herkules,  Fortuna 
und  eine  unbestimmbare.  Im  einem  anderen  Hause  waren  es 
Apollo,  Aeskulap,  Herkules,  Merkur  und  zwei  Laren,  wieder  in 
«inem  anderen  Fortuna  und  die  Laren.  Auch  in  den  Malereien 
begegnen  häufig  Jupiter  und  Fortuna;  ferner  Venus  Pompejana, 
Herkules,  Mars,  auch  Vulkan  als  Personifikation  des  Herdfeuers  und 
in  den  Bäckereien  regelmäßig  Vesta,  die  Schutzgöttin  der  Bäcker. 


XXXIII.  Das  pompejanische  Haus. 


279 


Fig.  143.     Larenheiligtum  im  Hause  der  Vettier. 
In  der  Mitte   der  Genius    mit  Opferschale   und  Weihrauchschachtel.     Neben    ihm    die  I.aren   mit 
Trinkhorn    und    Eimer.      Unten    eine    Schlange    mit    Kamm,     sich    dem    Altar    mit    OiifcrL;abcn 

nähernd. 


2  8o'  Pompeji. 

Häufig,  fast  regelmäßig,  sind  unterhalb  der  Laren  und  Penaten 
zwei  Schlangen  auf  die  Wand  gemalt,  die  sich  von  zwei  Seiten 
auf  einen  Altar  zu  ringeln,  auf  dem  FrĂĽchte  und  zwischen  diesen 
meist  ein  Ei  und  ein  Pinienzapfen  kenntlich  sind.  Die  Bedeutung 
solcher  Schlangen  war  schon  den  Alten  nicht  recht  klar.  Bei 
Virgil  zweifelt  Aeneas,  als  er  aus  dem  Grabe  des  Anchises  eine 
Schlange  hervorkommen  sieht,  ob  dies  der  Genius  des  Ortes  oder 
ein  dienender  Geist  seines  Vaters  sei;  offenbar  war  also  dies  dem 
gelehrten  Dichter  selbst  zweifelhaft.  Da  aber  in  Pompeji  regel- 
mäßig eine  dieser  Schlangen  durch  den  Kamm  als  männlich 
bezeichnet  ist,  so  werden  wohl  die  Pompejaner  in  ihnen  Erschei- 
nungsformen oder  Symbole  der  Genien  des  Hausherrn  und  der 
Hausfrau,  wo  nur  eine  männliche  Schlange  erscheint,  des  unver- 
heirateten Hausherrn  gesehen  haben.  Deutlich  tritt  auch  diese 
Auffassung  hervor  in  der  Erzählung  von  dem  Schlangenpaar,  das 
im  Ehebett  des  Vaters  der  beiden  Gracchen  gefangen  wurde. 
Die  Haruspices  rieten,  eine  von  beiden  zu  töten;  wenn  die  männ- 
liche, so  mĂĽsse  Gracchus  selbst,  wenn  die  weibliche,  so  mĂĽsse 
seine  Gattin  sterben.  Gracchus  ließ  die  männliche  töten  und 
starb  bald  darauf  Offenbar  ist  hier  die  Schlange  gedacht  als 
Erscheinung  des  Genius,  dessen  Tod  den  seines  SchĂĽtzlings 
nach  sich  zieht.  Das  Erscheinen  der  beiden  Genien  bedeutet 
Unheil,  Tod,  fĂĽr  beide  Gatten;  aber  durch  das  Opfer  des  einen 
wird  der  andere  lossfekauft. 


XI.  Obere  Räume. 

Die  vorrömischen  Häuser  Pompejis  waren  vorwiegend  Parterre- 
bauten. Namentlich  deutlich  ist  dies  fĂĽr  den  vorderen  Teil,  um 
das  Atrium.  Doch  kamen  obere  Räume  auch  damals  vor.  Z,  B. 
wo  das  Peristyl  zweistöckig  war,  müssen  sich  auch  auf  seinen 
oberen  Portikus  irgend  welche  Zimmer  geöffnet  haben.  Aber 
erst  in  römischer  Zeit,  da  bei  steigender  Bevölkerung  der  Platz 
knapp  wurde,  ward  es  ĂĽblich,  auch  den  Parterrezimmern  um  das 
Atrium  geringere  Höhe  zu  geben  und  dafür  über  ihnen  obere 
Räume  zu  schaffen.  Nur  sehr  selten  war  es  ein  vollständiger 
Oberstock,  meist  dĂĽrftige  Kammern,  hier  ĂĽber  einem,  dort  ĂĽber 
einisfen  Zimmern,    oft  in  verschiedenem  Niveau  und    durch  ver- 


XXXin.   Das  pompejanische  Haus. 


2«I 


schiedene  Treppen  zugänglich.  Mehr  als  zwei  Räume  über- 
einander kommen  nur  ausnahmsweise  und  in  ganz  geringer  Aus- 
dehnung vor.  Bisweilen  traten  die  oberen  Räume  erkerartig 
über  die  Straße  vor;  in  einem  Hause  —  Casa  del  balcone  pensile, 
IV  (VII),  12,  28,  s.  Fig.  144  —  ist  ein  solcher  Erker  durch  sorg-: 
faltige  Erneuerung  des  antiken  Holzwerkes  erhalten  worden. 

Nicht  zu  ver^vechseln  mit  dem  Oberstock  sind  die  am  West- 
und  Südwestabhange  des  Stadthügels  erbauten  mehrstöckigen 
Häuser.     Hier  liegt  der  oberste  Stock  im  Niveau  der  Straße,  die 


Fig.  144.     Haus  mit  Erker. 

anderen  unter  und  hinter  ihm ,  stufenweise  vorspringend ,  am 
Abhänge  hinunter.  Wir  werden  weiterhin  eines  dieser  Häuser 
betrachten. 

Schon  bei  Plautus  und  bis  in  die  späteste  Zeit  heißen  die 
oberen  Räume  »Speisezimmer«,  cenaada.  Varro  erklärt:  >seit 
es  Sitte  geworden  war,  oben  im  Hause  zu  speisen,  nannte  man 
alle  oberen  Räume  Speisezimmer«.  Von  dieser  Sitte  ist  sonst 
nichts  bekannt.  Aber  etwas  Wahres  muĂź  doch  der  Angabe 
Varros  zu  Grunde  liegen;  wie  hätte  sonst  jene  Bezeichnung  ent- 
stehen können?  In  einer  frühen  Zeit,  wohl  bald  nachdem  das 
Atrium  durch  die  große  Dachöfifnung  seine  alte  Bedeutung  als 
Wohnraum  verloren  hatte  (oben  S.  259;,  muĂź  es  ĂĽblich  geworden 


282 


Pompeji. 


sein,  im  Oberstock  einen  Speiseraum  anzulegen;  und  zwar  muĂź 
dies,  wenn  auch  nicht  der  einzige,  so  doch  der  hauptsächlichste 
obere  Raum  gewesen  sein,  so  daĂź  sein  Name  auf  den  ganzen 
Oberstock  ĂĽbertragen  werden  konnte. 

Vielleicht  sind  nun  Spuren  dieses  oberen  Speiseraumes,  an 
dem  ursprĂĽnglich  der  Name  cenaculum  haftete,  in  einigen  pom- 
pejanischen   Häusern   erhalten.     Nur  in   sehr  wenigen,   aber  die 


F'ig.  145.     Das  Innere  eines  Hauses  mit  oberem,  auf  das  Atrium  geöffneten  Speiseraum. 


oberen  Teile  der  Häuser  sind  ja  durchweg  zerstört,  und  so  mag 
er  noch  in  manchen  anderen  vorhanden  gewesen  sein.  Eines 
derselben,  in  der  Insula  V,  2,  neben  dem  Hause  der  silbernen 
Hochzeit,  hat  im  ErdgeschoĂź  Wanddekorationen  ersten  Stils 
und  stammt  sicher  aus  vorrömischer  Zeit.  Das  zweite,  in  der 
Insula  IV  (VII ,  15,  in  der  Nähe  des  Apollotcmpels,  ist  im  zweiten 
Stil  gemalt  und   stammt  wohl  aus  spätrepublikanischer  Zeit.     In 


XXXin.   Das  pompejanische  Haus. 


283 


beiden  öffnen  sich  zu  ebener  Erde  auf  die  Rückseite  des  Atriums 
drei  Räume:  zwei  Zimmer  und  ein  Gang,  der  in  die  hinteren 
Teile  des  Hauses  führt.  Oberhalb  dieser  drei  Räume  aber  liegt, 
dem  Atrium  an  Breite  gleich,  ein  einziger  Raum:  eine  Loggia, 
seitwärts  und  rückwärts  geschlossen,  nach  vorn  mit  einer  Säulen- 
stellung, im  letztgenannten  Hause  mit  einer  Pfeilerstellung  auf 
das  Atrium  geöffnet.  Wir  geben  von  diesem  letzteren  Hause 
die  Innenansicht  des  Atriums  (Fig.  145)  und  den  Längenschnitt 
(Fig.  146),  beide  restauriert.  Aus  der  linken  Hinterecke  des 
Atriums  fĂĽhrte  eine  Treppe  in  die  Loggia.  Aus  dieser  gelangte 
man,  wie  der  Längenschnitt  zeigt,  auf  einer  Galerie  an  der  rechten 
Wand  des  Atriums  in  die  oberen  Räume  auf  der  Vorderseite  des 


UJ I I L 


Fig.  146.  Längenschnttt  des  Hauses  mit  oberem  Speiseraum.  Rechts  Vestibulum,  Tür,  Fauces 
mit  Oberzimraern  an  der  StraĂźe.  Dann  das  Atrium  mit  der  Galerie,  die  diese  Oberzimmer 
mit    dem  Speiseraum    verbindet.     Weiter   hintere  Räume    und    kleiner  Garten   mit  Larenkapelle. 


Atriums.  Offenbar  war  diese  Loggia  sehr  geeignet,  namentlich 
im  Sommer,  als  Speiseraum  zu  dienen;  es  ist  schwer  glaublich, 
daß  man  sie  nicht  hierzu  benutzt  haben  sollte,  sehr  möglich,  daß 
man  sie  Speiseraum,  Cenaculum,  genannt  hat.  Dazu  kommt, 
daĂź  dies  Haus  zu  ebener  Erde  keine  KĂĽche  hatte,  diese  also  im 
Oberstock,  gleich  hinter  dem  Cenaculum,  sein  muĂźte.  Ferner 
nimmt  dieses  zwar  hier  nicht  den  ganzen  Oberstock  ein,  aber 
doch  den  vorzĂĽglichsten  Teil  desselben;  es  ist  sein  Frontraum. 
In  dem  Hause  der  Insula  V,  2  ist  es  auf  der  RĂĽckseite  des  Atriums 
der  einzige  obere  Raum.  Sehr  denkbar  ist  es  also ,  daĂź  sein 
Name  auf  den  ganzen  Oberstock  übertragen  wurde.  So  mögen 
wir  denn  wenigstens  vermuten,  daĂź  man  Cenaculum  ursprĂĽnglich 
eben  diese  Loggia  nannte  und  von  ihr  aus  der  Name  auf  Ober- 
zimmer jeder  Art  ĂĽberging. 


284  Pompeji. 

Es  ist  klar,  daĂź  das  Cenaculum  auf  der  RĂĽckseite  des  Atriums 
unvereinbar  ist  mit  einem  hohen,  monumentalen  Tablinum.  Es 
konnte  aber  auch  auf  der  Vorderseite  sein.  So  in  der  sogenannten 
Casa  dell'  Amore  punito  —  IV  (VII),  2,  23  — ,  wo  oben  auf  der 
Vorderwand  des  Atriums  die  gesimsartig  profilierten  Steine,  auf 
denen  die  Säulen  standen,  zum  Teil  erhalten  sind.  Reste  kleiner 
TufTsäulen,  die  zum  Teil  hierher  gehören  können,  liegen  im 
Atrium;  doch  sind  sie  nicht  gleichartig  und  reichen  zur  Re- 
konstruktion nicht  aus. 

Wir  können  nun  noch  eine  jüngere  Entwicklung  dieses  Bau- 
motivs verfolgen:  an  die  Stelle  der  offenen  Loggia  tritt  ein  ge- 
schlossenes Zimmer,  von  den  Dimensionen  der  gewöhnlichen 
Speisezimmer.  Bis  jetzt  haben  wir  hierfĂĽr  nur  ein  einziges  Bei- 
spiel; aber  es  ist  hier  wie  mit  der  Loggia:  wir  wĂĽrden  ihrer 
vermutlich  mehrere  kennen,  wenn  nicht  durchweg  die  oberen 
Teile  der  Häuser  zerstört  wären.  Das  im  Jahre  igoo  ausgegrabene 
Haus  des  M.  Lucretius  Fronto,  in  der  Insula  V,  4,  ist  von  Grund 
auf  neu  gebaut  worden  in  der  ersten  Kaiserzeit;  ein  nicht  allzu 
häufiger  Fall,  da  meistens  die  dauerhaft  gebauten  Atrien  der 
Tuffperiode  beibehalten  wurden.  Der  gänzlich  verschiedene 
Charakter  der  beiden  Perioden  wird  hier  sehr  klar.  Nichts  mehr 
von  den  großen  und  hohen  Verhältnissen  der  Samnitenzeit ;  kleine, 
wohnliche  Räume  mit  niedrigen  Türen  (2,14 — 2,38).  Man  hatte 
gelernt,  mehr  auf  behagliches  Wohnen  als  auf  monumentalen 
Anblick  zu  geben  und  auch  auf  den  Winter  zu  rechnen.  Auf 
der  Rückseite  des  Atriums  drei  Räume:  in  der  Mitte  das  Tablinum, 
rechts  ein  kleines  Schlafzimmer  mit  Fenster  auf  den  Garten, 
links  ein  Gang,  der  in  den  Garten  fĂĽhrt.  Das  Tablinum  ist  klein 
und  niedrig,  wie  in  den  beiden  eben  besprochenen  Häusern;  seine 
Eingangspfosten  nicht  als  Pilaster  gebildet,  sondern  es  ist  hier 
die  Holzbekleidung  der  Ecken  in  Stuck  nachgeahmt,  mit  ihrer 
bunten  Bemalung  auf  weiĂźem  Grunde.  Ăśber  dem  Tablinum 
aber  und  dem  ihm  rechts  anliegenden  Schlafzimmer  war  ein 
geräumiges  Speisezimmer;  sein  Fußboden  lag  etwa  3,50  m  über 
dem  des  Atriums  und  des  Tablinums;  wie  hoch  es  war,  ist  nicht 
kenntlich.  Links  in  den  hinteren  Räumen  sind  auch  noch  Reste 
und  Spuren  der  einst  hinauf  fĂĽhrenden  Treppe.  Dies  Zimmer 
nimmt   also  genau  die  Stelle  ein  wie  in  älteren  Häusern  die  auf 


XXXIII.    Das  pompejanische  Haus. 


285 


das  Atrium  geöffnete  Loggia;  auch  ihm  kam  der  Name  cenaciiliwi 
zu,  nicht  nur  in  dem  älteren  Sinne,  daß  dort  gespeist  wurde, 
sondern  auch  in  dem  späteren  und  allgemein  üblichen  als  Ober- 
raum. Sein  Licht  freilich  erhielt  es  wahrscheinlich  durch  ein  oder 
mehrere  Fenster  nach  hinten,  auf  den  Garten,  nicht,  wie  das 
ältere  Cenaculum,  vom  Garten. 

Einer  ganz  ähnlichen  Umgestaltung  eines  offenen  Raumes  in 
einen  geschlossenen  werden  wir  begegnen,  wenn  wir  uns  jetzt 
der  Betrachtunsf  der  Kaufläden  zuwenden. 


XII.  Läden. 


An   den   Hauptstraßen   —  Strada  Stabiana,    Strada   di   Nola, 
Strada    degli   Augustali,    Strada  dell'  Abbondanza,    Strada    con- 
solare  —  sind    fast    alle    an    die    Straße    grenzenden  Räume   als 
Läden     benutzt,      so      daß      ge- 
schlossene Mauerstrecken  hier  nur 
ausnahmsweise   vorkommen.      In 
den     stillen     NebenstraĂźen     sind 
Läden  sehr  selten. 

Die  Läden  sind  mit  weitem 
Eingang  auf  die  Straße  geöffnet. 
Der  Verkaufstisch  ist  häufig  ge- 
mauert, der  Regel  nach  in  der 
Form,  die  unser  GrundriĂź  (Fig.  147) 
zeigt,  so  daĂź  man  auch  ohne 
einzutreten  von  der  StraĂźe  aus 
kaufen  konnte;  meistens  sind  in 
ihn  große  Tongefäße  eingemauert, 
zur    Aufbewahrung    der    Waren. 

Häufig  ist  an  dem  an  die  Wand  stoßenden  Ende  ein  treppen- 
förmiges  Repositorium  angebracht,  für  Maße  und  sonstige  Gefäße 
und  Geräte,  am  andern  Ende  ein  annähernd  halbrunder  Ein- 
schnitt, dessen  Zweck  durch  den  Vergleich  der  S.  273  erwähnten 
Vorrichtungen  auf  den  Herden  klar  wird:  man  konnte  hier  ĂĽber 
einem  Feuer  Speisen  oder  Getränke  warm  halten.  Seltener  war 
fĂĽr  diesen  Zweck  ein  eiirener  kleiner  Herd  vorhanden,  bisweilen 


Fig.  147.     GrundriĂź    eines  Ladens,     i.  Ein- 
gang.      2.    Verkaufstisch.       3.    Feuerstelle. 
4.  Treppe   zu   oberen  Räumen.      5.  Hinter- 
zimmer. 


286 


Pompeji. 


zur  Erwärmung  des  Wassers  ein  über  einer  Feuerstelle  aufgestellter 
Bleikasten. 

In  den  Häusern  der  vorrömischen  Zeit  sind,  wie  alle  Räume, 
so  auch  die  Läden  und  ihre  Eingänge  außerordentlich  hoch: 
letztere  im  Hause  des  Faun  5,80  m,  in  dem  des  Caecilius  Jucundus 
4,80  m.  Diese  enorme  Höhe  war  aber  geteilt  durch  einen 
Zwischenboden,  dessen  Balkenlöcher  z.  B.  im  Hause  des  Pansa 
und  der  Casa  del  Fauno    deutlich   erhalten   sind,    in   der  Höhe 


Fig.  148.    Ein  EĂźwarenladen,  wiederhergestellt. 


von  etwa  3,80  m.  NatĂĽrlich  muĂźte  er  gegen  die  StraĂźe  durch 
ein  Geländer  abgeschlossen  sein  (s.  die  Restauration  der  Fassade 
der  Casa  del  Fauno,  S.  302);  eine  Treppe  fĂĽhrte  im  Innern  des 
Ladens  hinauf.  Der  Name  dieses  Zwischenbodens  ist  pergula. 
In  einer  pompejanischen  gemalten  Wandinschrift  werden  zur  Miete 
angeboten  tabernae  cum  pergulis  suis,  Läden  mit  ihrem  Zwischen- 
boden;  auf  einer  Pergula  stellte  nach  Plinius  (XXXV,  84)  Apelles 
das  Gemälde  aus,  über  das  dann  der  Schuster  seine  Bemerkungen 


XXXIII.   Das  pompejanische  Haus.  287 

machte;  und  mehrfach  finden  wir  in  den  Digesten  die  Rechts- 
fragen erörtert,  die  entstehen,  wenn  ein  auf  einer  Pergula  aus- 
gestellter Gegenstand  herabfällt  und  einen  Vorübergehenden  be- 
schädigt. 

In  der  römischen  Zeit  gab  man,  wie  den  Innenräumen,  so 
auch  den  Läden  und  ihren  Eingängen  eine  geringere  Höhe,  und 
brachte  ĂĽber  ihnen  statt  des  Zwischenbodens  ein  gegen  die 
StraĂźe  geschlossenes  Zimmer  an;  es  ist  derselbe  Vorgang  wie 
beim  Cenaculum  (S.  284):  an  die  Stelle  des  nach  vorn  offenen 
tritt  ein  geschlossener  Raum.  Häufig  war  dieser  direkt  von  der 
Straße  durch  eine  Treppe  zugänglich,  wurde  also  unabhängig 
von  dem  Laden  als  kleine,  dĂĽrftige  Wohnung  vermietet.  Es 
scheint,  daĂź  auch  auf  diese  der  Name  Pergula  ĂĽberging;  denn 
»in  der  Pergula  geboren«,  vattis  in  pe7'gula^  ist  sprichwörtliche 
Bezeichnung  eines  in  dürftigen  Verhältnissen  Aufgewachsenen. 

Die  Art  des  Verschlusses  der  Läden  ist  aus  den  Spuren  in 
den  Schwellen  deutlich  zu  erkennen.  Den  Tag  ĂĽber  stand  der 
Laden  offen.  Nachts  schloĂź  man  ihn  durch  vertikal  stehende 
Bretter,  die,  etwas  ĂĽbereinander  greifend,  in  eine  Rille  der 
Schwelle  und  eine  ebensolche  des  TĂĽrsturzes  eingeschoben 
wurden.  Nur  an  einem  Ende  des  weiten  Einganges  war  eine 
schmale,  sich  in  Angeln  drehende  TĂĽr,  die  also  nur  bei  ge- 
schlossenem Laden  zur  Verwendung  kam  (s.  die  Fassade  der 
Casa  del  Fauno,  S.  302).  Die  Pergula  muĂźte  ihren  be- 
sonderen, vermutlich  ähnlich  beschaffenen  Verschluß  haben. 

XIII.  Wände,  Fußböden,  Fenster. 

Die  Wände  sind  mit  einer  dicken  Stuckschicht  bekleidet,  in 
einfachen  Räumen  weiß,  sonst  bunt  bemalt.  Hiervon  wird  weiter- 
hin in  einem  besonderen  Abschnitt  die  Rede  sein. 

Die  Fußböden  sind  sehr  verschiedener  Art  und  Güte.  Häufig 
sind  es  geringwertige  Stuckmassen,  z.  B.  zerstampfte  Lava  in 
schlechtem  Mörtel,  wenig  dauerhaft  und  meist  schlecht  erhalten. 
Weit  besser  ist  das  op2is  Sigtiiniiin,  genannt  nach  der  Stadt 
Signia  in  Latium,  zerstampfte  Tonscherben  in  Stuck,  namentlich 
in  älterer  Zeit  sehr  gut  gearbeitet  und  dauerhaft,  häufig  verziert 
durch  hĂĽbsche,  aus  weiĂźen  Steinchen  gebildete  Linienornaniente. 


2  88  Pompeji. 

Ferner  etwas  wie  terrassierte  Fußböden,  besonders  beliebt  in  der 
Tuffperiode :  kleine,  eng  aneinanderliegende  Steinsplitter,  durch 
guten  Stuck  zu  einer  sehr  dauerhaften  Masse  verbunden:  weiĂź, 
schwarz  (Schiefer)  oder  buntfarbig  (violett,  gelb,  grĂĽn,  rot,  weiĂź, 
schwarz)  mit  Beimischung  von  GlasstĂĽcken.  Beispiele  aller  dieser 
Arten  bietet  das  Haus  des  Faun. 

Die  vornehmste  Art  des  FuĂźbodens  ist  das  Mosaik.  Wir 
unterscheiden  gröberes  und  feines  Mosaik.  Jenes,  aus  Steinchen 
von  etwa  i  cm  im  Quadrat,  dient  für  einfarbige  Flächen  und 
Ornamente,  bald  schwarzweiĂź,  bald  unter  Beimischung  einiger 
anderen  Farben  (in  älterer  Zeit  mit  Vorliebe  Violett,  Gelb  und 
GrĂĽn) ,  dieses  fĂĽr  bildliche  Darstellungen.  In  einem  einzigen 
Falle  nahm  eine  solche  —  die  berühmte  Alexanderschlacht  — 
das  ganze  Zimmer  ein,  sonst  immer  nur  ein  Rechteck  in  der 
Mitte,  während  der  übrige  Fußboden  terrassiert  ist,  oder  aus 
gröberem  Mosaik  besteht. 

Ebenfalls  nur  in  geringer  Ausdehnung  finden  sich  in  Bauten 
der  Tuffperiode  Fußböden  aus  quadratischen,  rautenförmigen  und 
dreieckigen  Marmor-  und  SchieferstĂĽcken,  wie  das  des  Apollo- 
tempels (Fig.  32).  Dagegen  waren  in  der  Kaiserzeit  vollständige 
Marmorfußböden  keine  Seltenheit. 

Fenster  hatte  das  altitalische  Atriumhaus  wenige.  Das  Atrium 
erhielt  sein  Licht  durch  das  Compluvium,  die  an  die  StraĂźe 
stoĂźenden  Zimmer  durch  kleine,  sehr  hoch  angebrachte,  unver- 
schlossene Lichtöffnungen,  meist  zwei  nebeneinander,  nach  außen 
etwa  0,50  m  hoch,  0,06  breit,  nach  innen  sich  erweiternd.  Die 
innern  Räume  erhielten  vielfach  ihr  Licht  nur  durch  die  Tür, 
deren  oberer  Teil  häufig  durchbrochen  sein  mochte.  Eigentliche 
Fenster,  auf  den  Gartenportikus  oder  den  Garten,  hatten  wohl 
nur  die  beiden  Zimmer  neben  dem  Tablinum  und,  wenn  das 
Haus  auch  seitwärts  einen  Garten  hatte,  die  Alen  oder  eine  der- 
selben (s.  oben  S.  265). 

Von  der  Tuffperiode  an  haben  die  Zimmer  am  Peristyl  groĂźe 
Fenster,  im  Hause  des  Faun  bis  7  m  breit  und  so  nahe  am 
Boden,  daĂź  man  auch  sitzend  hinaussehen  konnte.  Und  als  man 
anfing,  obere  Zimmer  zu  bauen,  erhielten  diese,  auch  nach  der 
Straße  zu,  mäßig  große  Fenster  (etwa  1.25X0,80  m).  Auch 
im    Erdgeschoß    sind    in    späterer    Zeit    kleinere    Fenster    (etwa 


XXXIII.   Das  pompejanische  Haus.  289 

0,80X0,60  m)  nicht  selten.    Sie  sind  meist  durch  ein  Eisengitter 
geschĂĽtzt. 

Glasfenster  waren  auch  in  der  letzten  Zeit  nicht  eben  häufig; 
die  Kunst,  Fensterscheiben  zu  machen,  ist  viel  jĂĽnger,  als  die 
sonstige  Glasindustrie.  Wir  fanden  Glasfenster  in  den  Thermen 
beim  Forum  (S.  207) ;  die  groĂźen  Fenster  der  Centralthermen,  in 
geheizten  Räumen,  sind  offenbar  auf  Glasverschluß  berechnet. 
Auch  im  Tepidarium  der  Villa  des  Diomedes  war  das  Fenster 
durch  vier  Scheiben  in  Holzrahmen  geschlossen.  Im  ĂĽbrigen 
findet  man  wohl  bisweilen,  nicht  häufig,  in  kleinen  Öffnungen 
festgemauerte  Scheiben,  aber  keine  größeren,  zu  öffnenden  Glas- 
fenster.    Als  VerschluĂź  dienten  in  der  Regel  Holzklappen. 


Mau,  Pompeji.     2.  Autl.  Iq 


Kapitel  XXXIV. 
Das  Haus  des  Chirurgen. 

Eines  der  sehr  wenigen  im  Grundriß  vollständig  erhaltenen 
Häuser  aus  der  Zeit  der  Kalksteinatrien,  erbaut  sicher  vor  200  v.Chr. 
und  später  in  seinen  Hauptteilen  nicht  wesentlich  verändert,  liegt 

etwa  50  Schritt  einwärts  vom 
Herculaner  Tor.  Casa  del 
Chirurgo  nennt  man  es,  weil 
hier  einige  chirurgische  Instru- 
mente gefunden  wurden.  Aus 
mächtigen,  68 — 74  cm  hohen 
Kalksteinquadern  besteht  die 
Fassade  (Fig.  11)  und  die 
Mauern  um  das  Atrium ,  aus 
Kalksteinfachwerk  (S.  33]  die 
ĂĽbrigen  Innenmauern. 

Das  Haus  zerfällt  in  zwei 
deutlich  geschiedene  Teile. 
Links  die  eigentlichen  Wohn- 
räume: I  Fauces,  ohne  Vesti- 
bulum,  mit  TĂĽr  gleich  an  der 
StraĂźe,  5  tuscanisches  Atrium, 
8  Alae,  7  Tablinum,  hinter 
dem  sich  der  Portikus  16  auf 
den  Garten  20  öffnet.  Rechts, 
schiefwinklig  und  unregelmäßig,  die  Wirtschaftsräume :  1 3  Küche, 
22  ein  kleiner  Lichthof,  in  den  das  Regenwasser  von  den  Dächern 
zusammenfloß,  im  übrigen  Vorratsräumc  und  Sklavenkammern; 
18  Treppe  zu  oberen  Räumen  über  diesem  Teil  des  Hauses. 
Dazu  an  der  Straße  ein  Laden  3  mit  hinteren  Räumen  4.  Kein 
Peristyl;    es  ist   der   italische  Haustypus    ohne   die   spätere,   aus 


Fig.  149.  GrundriĂź  des  Hauses  des  Chirurgen. 
1.  Fauces.  5.  Atrium.  7.  Tablinum.  8,  8.  Alae. 
9,  10.  Speisezimmer.  13.  KĂĽche  mit  Herd. 
14.  Posticum.  i6.  Portikus.  18.  Treppe  zu  oberen 
Räumen  über  dem  hinteren  Teil  des  Hauses. 
19.  Gartenzimmer.     20.  Garten. 


XXXIV.   Das  Haus  des  Chirurgen.  201 

Griechenland  stammende  Erweiterung.  Aber  freilich  nicht  in 
seiner  ältesten  Gestalt,  wo  noch  das  ganz  bedeckte  Atrium  Küche 
und  Wohnraum  war,  und  an  seiner  RĂĽckseite,  weit  offen,  der 
Schlafraum  des  Hausherrn  lag  (S.  258,  262).  Dieses  Atrium  hatte 
seine  große  Dachöffnung;  das  alte  Schlafzimmer  ist  auch  hier 
schon  zu  dem  vorn  und  hinten  offenen  Tablinum  (7),  dem  luftigen 
Sommerspeisesaal  geworden,  neben  dem  zwei  groĂźe  Speisezimmer 
für  die  kältere  Jahreszeit  (9,  10)  liegen.  Diese  waren  in  ältester 
Zeit  beide  quadratisch;  erst  später  ist  das  eine  (10)  nach  rechts 
verlängert  worden.  Ferner  sind  die  Zimmer  21  und  19,  sowie  die 
Treppe  18,  spätere  Zutaten:  der  durch  sie  sehr  eingeschränkte 
Portikus  1 6  öffnete  sich  früher  in  der  ganzen  Breite  des  Atriums 
und  seiner  Seitenzimmer  auf  den  Garten  20,  der  damals  auch 
IQ  umfaĂźte.  Das  Dach  dieses  Portikus  wurde  von  viereckigen 
Kalksteinpfeilern  getragen,  deren  nur  einer  obige  Veränderungen 
ĂĽberlebt  hat. 

Der  rechte,  schiefwinklige  Teil  des  Hauses  ist  in  der  uns 
vorliegenden  Gestalt  jĂĽngeren  Ursprungs,  doch  ist  die  ursprĂĽng- 
liche Zugehörigkeit  des  Grundstückes  zu  unserem  Hause  durch 
eine  alte,  später  vermauerte  Tür  zwischen  6'  und  3  bezeugt. 
Es  ist  möglich,  daß  hier  ursprünglich  ein  Garten  war,  in  dem 
vielleicht  die  KĂĽche  stand. 

Der  Grundriß  des  Atriums  und  der  anliegenden  Räume  ist 
offenbar  nach  dem  oskischen  FuĂźe  von  0,275  entworfen.  Im  Quer- 
schnitt miĂźt  das  Atrium  30,  die  Seitenzimmer  je  10,  die  Zwischen- 
mauern je  1  '/^  Fuß ,  die  Fauces  9,  die  beiden  Räume  neben 
demselben  je  2072  Fuß,  im  Längenschnitt  das  Atrium  etwas 
ĂĽber  35,  das  Tablinum  etwas  unter  20  FuĂź;  von  der  einfachen 
Teilung  35  +  20  wich  man  um  etwa  10  cm  ab,  um  das  Tablinum 
etwas  breiter  und  doch  die  Nebenzimmer  9  und  10  quadratisch 
machen  zu  können. 

Wie  der  GrundriĂź ,  so  ist  auch  der  AufriĂź  von  dem  des 
vorderen  Teiles  eines  Hauses  der  folgenden  Periode  nicht  wesent- 
lich verschieden.  Hohe  TĂĽren  (3,55  m)  fĂĽhren  in  die  noch  etwas 
höheren  Scitenzimmer.  Daß  das  Tablinum  noch  bedeutend  höher 
war,  schlieĂźen  wir  aus  seinen  ĂĽber  50  cm  starken,  also  mit  ihrem 
Gebälk  kaum  unter  6  m  hohen  Eingangspilastern.  In  dieser  Höhe 
—  drei  Viertel  der  Breite  des  Atriums  —  mochten  auch  die  das 

19* 


292 


Pompeji. 


Atriumdach  tragenden  Balken  liegen.  Rings  um  das  Atrium  nur 
Räume  zu  ebener  Erde,  kein  Obergeschoß. 

Die  Malerei  der  Wände  ist  letzten  Stils;  von  älterem  Wand- 
schmuck ist  nichts  erhalten. 

Einen  eigenartigen  Charakter  zeigt  das  wohl  nicht  lange  vor 
dem  Untergange  Pompejis  in  den  Garten  hineingebaute  Zimmer  ig. 


Fig.  150.     Malerin.     Wandgemälde  aus  dem  Hause  des  Chirurgen. 


Zu  klein  fĂĽr  ein  Speisezimmer,  reichlich  groĂź  fĂĽr  ein  Schlaf- 
zimmer (4,20X3,20)  öffnet  es  sich  mit  einem  breiten  Fenster 
nach  NW  auf  den  Garten,  und  mochte  im  Sommer  einen  freund- 
lichen, kühlen  Aufenthalt  bieten.  Die  Wände  sind  sorgfältig  und 
nicht  ohne  Geschmack  im  letzten  Stil  gemalt,  mit  drei  Bildern. 
Von  diesen  zeigt  eines  (Fig.  150)  eine  Malerin,  eben  beschäftigt, 


XXXIV.   Das  Haus  des  Chirursien. 


293 


eine  Bacchusherme  zu  malen.  Ein  Amor  hält  das  Bild,  zwei 
Mädchen  beobachten  die  Künstlerin  mit  sichtlichem  Interesse. 
An  dem  Türpfosten  rechts  hängt  ein  kleines  Bild;  durch  die 
TĂĽr  sieht  man  eine  Herme  und  ein  auf  einem  Pfeiler  stehendes 
Gefäß.  Ein  anderes  Bild  stellt  zwei  Mädchen  dar,  eines  sitzend, 
das  andere  stehend  mit  einer  Schriftrolle  in  den  Händen,  in 
Gesellschaft  eines  Mannes,  der  eine  Schreibtafel  in  der  Hand  hat. 
Ein  drittes  ist  ganz  unkenntlich.  Man  ist  versucht,  hier  das 
Zimmer  einer  in  Malerei  und  Poesie  dilettierenden  Tochter  des 
Hauses  zu  erkennen. 


Kapitel  XXXV. 
Das  Haus  des  Sallust. 

Das  Haus  des  Sallust  (VI,  2,  4),  so  genannt  nach  einer  ge- 
malten Inschrift,  die  einen  C.  Sallustius  für  ein  städtisches  Amt 
empfiehlt,  liegt  etwa  125  m  einwärts  vom  Herculaner  Tor.  Es 
stammt  aus  der  Tufifperiode,  ist  aber  wohl  eines  der  ältesten 
Häuser  derselben  und  zeigt  in  seinen  älteren  Teilen  den  alt- 
italischen Haustypus,  ohne  Peristyl. 

Links  vorne  eine  Bäckerei  (6 — 9),  rechts  Läden  (4 — 5)  ohne 
Verbindung  mit  dem  Innern  des  Hauses.  Der  breite  Eingang  (i) 
hatte  die  TĂĽr  gleich  an  der  StraĂźe,  ohne  Vestibulum.  Unsere 
Restauration  des  imponierend  hohen  und  weiten  Atriums  (Fig.  152) 
kann  auf  einen  hohen  Grad  von  Sicherheit  Anspruch  machen. 
Denn  nicht  nur  ist  hier  die  schöne  und  stilvolle  Wanddekoration 
ersten  Stiles  fast  vollständig  erhalten,  sondern  auch  —  ein 
seltener  Fall  —  in  ganzer  Höhe  die  Eingangspilaster  der  Alen 
und  des  Tablinums. 

In  älterer  Zeit  war  rechts  vom  Tablinum  an  Stelle  des  An- 
dron  20,  des  Wandschrankes  17'  und  der  Schlaf kammer  28  nur 
ein  groĂźes  quadratisches  Zimmer.  Ferner  war  eben  damals  das 
Zimmer  links  vom  Tablinum  {22)  nicht  auf  den  Gartenportikus 
(21)  geöffnet,  sondern  durch  eine  Tür  bei  e  aus  dem  Atrium 
zugänglich.  So  ergiebt  sich  also  für  den  ursprünglichen  Grundriß 
fast  vollständige  Übereinstimmung  mit  dem  Hause  des  Chirurgen. 
Wie  dort  waren  auch  hier  ursprünglich  um  das  Atrium  nur  Räume 
zu  ebener  Erde.  Später  freilich  waren  rechts  und  links  Ober- 
zimmer, zu  denen  aus  18  eine  Treppe  hinauffĂĽhrte,  mit  ihrem 
oberen  Teil  das  Zimmer  14  durchschneidend;  aber  Treppe  und 
Oberzimmer  sind  spätere  Zutat,  jünger  als  Malereien  dritten  Stils 
in  einigen  der  unteren  Räume. 


XXXV.   Das  Haus  des  Sallust. 


295 


Auf  den  Gartenportikus  (21)  öffnet  sich  das  Tablinum  (19) 
ausnahmsweise  nicht  mit  einer  TĂĽr,  sondern  nur  mit  einem 
breiten  Fenster.  Er  erstreckte  sich  ursprĂĽnglich  auch  auf  der 
linken  Seite  des  Hauses  ebenso  weit  wie  noch  jetzt  der  Garten 


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Fig.  151.  Grundriß  des  Hauses  des  Sallust.  i.  Fauces.  2,  3.  Läden,  auf  die  Fauces  geöffnet. 
4,  5.  Läden.  6— g.  Bäckerei  (6.  Mühlenraum  mit  drei  Mühlen,  a,  und  Treppe  zum  Oberstock. 
7.  Backofen.  8.  Backzimmer.  9.  KĂĽche).  10.  Tuscanisches  Atrium  mit  Impluvium  (11).  12.  Durch- 
gangsraum zum  Speisezimmer  (13).  17,  17.  Alac.  19.  Tablinum.  20.  Andren,  mit  TĂĽren  an 
beiden  Enden.  21.  Portikus  vor  dem  Garten  (24,  24').  25.  Gartentriclinium.  29 — 36.  Privat- 
wohnung, in  römischer  Zeit  hinzugefügt  (31.  Portikus.  32.  Garten.  33,  34.  Schlafzimmer. 
35.  Speisezimmer.     36.  KĂĽche). 


(24');  später  wurde  er  verkürzt,  indem  zwei  kleine  Zimmer  (i8,  23) 
in  ihn  hinein  gebaut  wurden.  Auf  diesen  Portikus  öffnete  sich 
damals  das  groĂźe  Fenster  in  der  RĂĽckwand  der  linken  Ala  :i7). 
Ein  gleiches  Fenster  war  zur  Zeit  des  ersten  Stiles  auch  in  der 
Rückwand  der  rechten  Ala.    Unnötig  und  eher  unbequem  neben 


296  Pompeji. 

dem  reichliches  Licht  spendenden  Compluvium  machen  diese 
Fenster  ganz  den  Eindruck  eines  Ăśberlebsels  aus  der  Zeit  der 
bedeckten  Atrien  (vgl.  S.  265). 

Der  Garten  (24.  24')  liegt  um  60  cm  höher  als  der  Portikus; 
man  erreicht  ihn  ĂĽber  Stufen  bei  /  und  g.  In  der  Ecke  links 
das   gemauerte   Triclinium    (S.  270)    25    unter   einer    Weinlaube, 


Fig.  152.     Atrium    im  Hause    des  Sallust,    mit  Blick    nach   hinten    durch  Tablinum  und  Portikus 
auf  den  Garten,  wiederhergestellt. 

deren  Holzwerk  auf  einem  gemauerten  Pfeiler  ruhte;  in  der  Nähe 
ein  kleiner  Altar  (/)  und  bei  n  eine  kleine  Aufmauerung,  bedeckt 
mit  einer  weiĂźen  Marmorplatte,  auf  die  aus  der  Wand  ein  Strahl 
Leitungswasser  fiel ;  das  Wasser  floss  von  da  wahrscheinlich  in 
das  innen  blau  ausgemalte  Bassin  /',  in  dem  man  Fische  auf- 
bewahren mochte.  Der  kleine  Herd  [p]  im  Portikus  diente  zum 
Bereiten  oder  Warmhalten  der  Speisen. 


XXXV.   Das  Maus  des  Sallust. 


297 


Vor  dem  Triclinium,  bei  24,  muĂźte  sich  die  Dienerschaft 
frei  bewegen  können;  Pflanzen  zog  man  hier  in  einer  Rille  in 
der  OberflĂĽche  der  Futtermauer  gegen  den  Portikus  und  in  einer 
ähnlichen  gemauerten  Rille  am  Fuße  der  Rückwand,  wo  sie 
den  Ăśbergang  bildeten  zu  den  auf  eben  diese  Wand  gemalten 
Bäumen  und  Sträuchern.  Außerdem  war  dieser  ganze  Teil  des 
Gartens  von  einer  Weinlaube  bedeckt,  deren  GerĂĽst  man  neuer- 
dings auf  Grund  der  im  Boden  gefundenen  Spuren  wieder- 
hergestellt hat.  Der  andere  Teil  (24')  war  ohne  Zweifel  be- 
pflanzt.    Bei  Ji  und  q  zwei  ZisternenöfTnungen. 

Rechts  vom  Garten  ist  n  der  Abtritt,  27  ein  Raum  unbe- 
kannter  Bestimmung   mit   der  HintertĂĽr   {posticum\    26    ein   Hof 


Fig.  153.  Längenschnitt  des  Hauses  des  Sallust,  wiederhergestellt.  Links  Fauccs  und  der  Ver- 
kaufstisch des  Ladens.  Dann  Nordseite  des  Atriums  mit  der  linken  Ala,  Nordseite  des  Tablinums 
mit  Eckpilaster   gegen    das  Atrium.     Rechts  Säulenhalle   und  Garten    mit    dem  Triclinium  unter 

der  Weinlaube. 


oder  Garten;  unbekannt  ist  die  Bestimmung  des  jetzt  ganz  zer- 
störten Mauerwerks  bei  m. 

Kehren  wir  nun  noch  einmal  in  das  Atrium  zurĂĽck,  so  be- 
merken wir,  daß  die  Läden  2  und  3  mit  dem  Hausflur  i  durch 
weite  Türöffnungen  verbunden  sind.  In  3  ist  diese  Öffnung 
durch  den  Ladentisch  gesperrt,  über  den  der  in  i  stehende  Käufer 
mit  dem  Verkäufer  in  3  verkehrte.  Der  Hausflur  aber  war  vom 
Atrium  nicht  einmal  durch  eine  Tür  getrennt.  Beide  Läden  sind 
ferner  durch  TĂĽren  mit  dem  Atrium,  2  auch  mit  dem  Zimmer 
16  verbunden.  Kurz,  es  ist  klar,  daß  hier  der  Geschäftsbetrieb 
sich  nicht  auf  die  Läden  beschränkte,  sondern  den  ganzen  bisher 
besprochenen  Teil  des  Hauses  umfaßte ;  denn  auch  die  Räume 
am  Garten  sind  doch  von  den  vorderen  nur  durch  die  niedrige 
BrĂĽstung  des  Tablinumfensters  getrennt.     Nun  war  der  Laden  3 


298 


Pompeji. 


ohne  Zweifel  eine  Schenke  und  Speisewirtschaft.  Der  Laden- 
tisch enthält  nicht  nur  die  gewöhnlichen  eingemauerten  Gefäße, 
sondern  auch,  an  der  TĂĽr  zum  Atrium,  die  oben  (S.  285)  be- 
sprochene Vorrichtung  zum  Kochen  und  Warmhalten  der  Speisen 
und  Getränke.  In  der  Mitte  des  Raumes  steht  ein  weiterer 
Tisch,  dessen  niedrigerer  Teil  (links  hinten)  wohl  dem  Verkäufer 
als  Sitz  diente.  Diesem  Betrieb  also  diente  der  ganze  bisher 
besprochene   Teil    des   Hauses;   auch   auf  dem    Gartentriclinium 


Fig.  154.     Garten  mit  'J'ricliniun 


Hause  des  Sallust,  wiederhergestellt. 


tafelte  in  der  letzten  Zeit  Pompejis  nicht  der  Hausherr,  sondern 
die  Gäste  der  Speisewirtschaft.  Und  bei  der  großen  Anzahl 
von  Schlafkammern,  zu  denen  noch  die  des  Oberstockes  kamen, 
dĂĽrfen  wir  wohl  annehmen,  daĂź  hier  auch  Nachtlager  geboten 
wurde.  Es  war,  in  der  letzten  Zeit,  ein  Hotel  mit  Restaurant. 
Ganz  abgetrennt  von  dem  ĂĽbrigen  Hause  ist  nur  der  Komplex 
rechts  vom  Atrium  (31 — 36),  zugänglich  nur  durch  den  Korridor 
29;  die  Kammer  30,  mit  einer  gemauerten  Bank  ist  wohl  der 
Platz  eines  TĂĽrhĂĽters.  Ein  zierlicher  Portikus  (31)  umgiebt  auf 
drei  Seiten  einen  kleinen  Garten  (32),  in  dessen  Mitte  ein  Spring- 


XXXV.   Das  Haus  des  Sallust. 


299 


brunnen  aufstieg.  An  jedem  Ende  des  Portikus  ein  kleines 
Schlafzimmer  (33,  34)  mit  Fenster  auf  den  Garten,  rechts  ein 
groĂźes  Speisezimmer  (35),  links  die  KĂĽche  (36).  Der  Portikus 
war  flach  gedeckt;  der  unbedeckte  obere  Umgang  war  zugäng- 
lich durch  eine  Treppe  aus  der  KĂĽche.  Doch  ist  auf  dem 
rechten  Arm  die  flache  Decke  später  durch  ein  schräges  Dach 
ersetzt  worden,  ohne  Zweifel  als  man  das  Speisezimmer  35 
baute,  dessen  hoher,  von  Halbsäulen  flankierter  Eingang  eine 
höhere  Rückwand  des  Portikus  erforderte. 

Höchst  überraschend  wirkt  der  Kontrast  zwischen  dem  Atrium 
und  diesem  kleinen  Peristyl.  Dort  mächtige,  imponierende  Ver- 
hältnisse, helle,  bunte  Farben,  hier  alles  eng  und  lauschig,  die 
Farben  dunkel  und  diskret.  Nur  2,80  m  hoch  sind  die  acht- 
eckigen, dunkelroten  Säulen  mit  kleinem,  weißem  Phantasie- 
kapitell. Auf  schwarzem  Grunde  sind  die  Wände  im  letzten  Stil 
bemalt.  Ein  großes  Bild  —  Artemis  und  Aktäon  —  füllt  die 
Gartenwand,  zwei  kleinere  —  Europa  mit  dem  Stier,  Phrixos 
und  Helle  mit  dem  Widder  —  sind  daneben  auf  den  Außen- 
wänden der  beiden  Schlafkammern  angebracht.  Von  diesen 
letzteren  enthielt  die  eine  (34)  zwei  Bilder  entschieden  erotischen 
Charakters:  Paris  und  Helena,  die  vor  der  Liebeserklärung  be- 
fangen sich  gegenĂĽber  stehen;  darĂĽber  Ares  und  Aphrodite.  In 
die  Wände  der  anderen  Kammer  (33)  waren  Bilder  auf  Holz- 
tafeln eingelassen,  die  natĂĽrlich  nicht  erhalten  sind. 

Wir  haben  hier  eine  vollständige  kleine  Wohnung  vor  uns, 
die  übrigens  nicht  immer  so  vollständig  abgeschlossen,  sondern 
in  älterer  Zeit  auch  von  26  aus  zugänglich  war.  Es  liegt  nahe 
zu  denken,  daĂź,  als  das  ĂĽbrige  Haus  zur  Gastwirtschaft  einge- 
richtet wurde,  hier  der  Besitzer  seine  Wohnung  reservierte. 

Nach  seiner  Bauart  stammt  dieser  Teil  des  Hauses  nicht 
aus  der  Tuffperiode.  Aber  doch  auch  nicht  aus  der  letzten  Zeit 
Pompejis;  eine  Reihe  successiver  Veränderungen  führen  weit 
ĂĽber  die  Zeit  des  dritten  Stiles  hinauf.  So  mag  er  denn  in 
republikanischer  Zeit  entstanden  sein.  DaĂź  ĂĽbrigens  hier  schon 
in  vorrömischer  Zeit  etwas  wie  ein  Garten,  mit  oder  ohne  Por- 
tikus, war,  beweist  das  Fenster  in  der  RĂĽckwand  der  rechten  Aia. 


Kapitel  XXXVI. 
Das  Haus  des  Faun. 

Das  Haus  des  Faun  wird  so  genannt  nach  einer  hier  gefun- 
denen Bronzestatuette  (Kap.  LH).  Es  ist  ein  groĂźes,  vornehmes 
Haus,  fast  ganz  so  erhalten,  einschlieĂźlich  seiner  Wanddekorationen, 
wie  es  im  zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  erbaut  und  von  kunst- 
sinnigen Besitzern  ausgeschmĂĽckt  wurde.  Die  Mosaikbilder  der 
Fußböden  sind  weitaus  das  Schönste,  was  an  Mosaiken  aus  dem 


0    2    4    6    8  10  12  14  IG  IS  :0i 


Fig.  155.  GrundriĂź  des  Hauses  des  Faun.  A  Fauces  des  tuscanischen  Atriums.  B  Tusca- 
nisches  Atrium.  C,  C  Alae.  D  Tablinum.  E,  F  Speisezimmer.  G  Erstes  Peristyl.  H  Exedra 
des  Alexandermosaiks.  I,  J  Speisezimmer.  K  Zweites  Peristyl.  L  Speisezimmer,  in  dem 
Weinamphoren  standen.  M  Küche.  N  Schlafzimmer,  a  Vestibulum.  b  Viersäuliges  Atrium. 
c,  c'  Alae  des  viersäuligen  Atriums,  e  Vorratsraum.  /,  /'  Schlafkammern.  «  Stall,  o,  o'  Bad. 
r  Kammer  des  Türhüters,     i'  Hintertür,     v  Breite  Nische  für  drei  Statuen,     i — 4.  Läden. 

Altertum  erhalten  ist;  es  wird  hier  recht  klar,  daĂź  die  griechisch 
gebildeten  Osker  Pompejis  auf  Wandbilder  verzichten  konnten, 
weil  sie  Bilder  von  höchster  Schönheit  auf  den  Fußböden  hatten. 
Die  Wanddekorationen  ersten  Stils  sind  nicht  die,  welche  das 
Haus  gleich  nach  seiner  Erbauung  erhielt.  Gleich  damals  wurde 
es  sorgfältig  und  mit  bedeutenden  Kosten  dekoriert;  um  die 
Dekoration   gegen  Feuchtigkeit  zu  schĂĽtzen,   benagelte  man  die 


XXXVI.    Das  Haus  des  Faun. 


301 


Wände  mit  Bleiplatten  und  trug  erst  auf  diese  den  Stuck  auf. 
DaĂź  diese  Bleiverkleidung  nicht  fĂĽr  die  jetzige,  sondern  fĂĽr  eine 
ältere  Dekoration  gemacht  wurde,  ergiebt  sich  aus  zwei  nach- 
träglich vermauerten  Türen,  rechts  am  ersten  und  links  am 
zweiten  Peristyl :  auf  diese  erstreckt  sich  die  Bleiverkleidung  nicht, 
während  sie  von  der  jetzigen  Stuckdekoration  unterschiedslos 
bedeckt  werden.  Diese  ist  also  erst  später  an  die  Stelle  einer 
älteren,  durch  die  Bleiplatten  geschützten  getreten.  Aber  auch 
diese  spätere  Dekoration  ist  echten  ersten  Stils  und  gehört  sicher 
noch  dem  zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  an. 

Nur  wenige  Nebenräume  sind  später   im  zweiten  und  letzten 
Stil  ausgemalt  worden.     Gering  waren  auch  die  Beschädigungen 
durch  das  Erdbeben  des  Jahres  63.    Dazu  kommt,  daĂź  das  Haus 
gebaut    wurde    ohne    Be- 
nutzung    älterer     Bauten,     f  . 
nach  völlig  freiem  Ermessen     [  -^=-—-~—  ' r.:r=r— ■-■----'-"  -■;::::i..- 

des  Baumeisters    und    des     |i— ■— i^i—iii^i—i—r 

Es  ||__|^____^_^__— __^ 

abgesehen  von  vier  Läden     ^^^SB^Si^^^^^^^^^^ . 

(i — 4),  keinerlei  Geschäfts-     |      '         1  7  -  r  r  -  r  r  r.r.f 

räume      oder      Werkstätten  ;  Fig.  156.     Ten  des  Gesimses  über  der  Haupttür. 

die   ganze    Insula    ist    von 

der   Wohnung    eingenommen:    ein    wahres   Musterbeispiel    eines 

reichen  BĂĽrgerhauses  jener  Zeit. 

Zwei  Atrien,  ein  groĂźes  tuscanisches,  B,  und  ein  kleineres 
viersäuliges,  d,  sind  geschickt  so  aneinander  gepaßt,  daß  beide 
eine  regelmäßige  Form  haben;  nur  fehlt  dem  kleineren  das 
Tablinum,  und  seine  Alen  [c,  c']  liegen  nicht  am  Ende,  sondern 
in  der  Mitte  der  Langseiten.  Es  wurde  schon  bemerkt  (S.  265),  daĂź 
die  rechte  Ala  des  Hauptatriums  in  ihrer  sie  von  dem  Nebenatrium 
trennenden  RĂĽckwand  ein  groĂźes  Fenster  hat.  Das  tuscanische 
Atrium,  mit  Schlafzimmern  zu  beiden  Seiten,  ist  der  Vorraum 
der  Gesellschaftsräume,  das  viersäulige  der  Vorraum  der  Wirt- 
schaftsräume. Hinter  dem  tuscanischen  und  dem  linken  Teil  des 
viersäuligen  Atriums  liegt  ein  großes  Peristyl,  G,  hinter  dem 
rechten  Teil  des  viersäuligen  die  Wirtschaftsräume.  Zwischen  dem 
tuscanischen  Atrium  und  dem  Peristyl  liegen  neben  dem  Ta- 
blinum  D   zwei   große  Speisesäle  P2,  F,   von  denen   E  auch  als 


302 


Pompeji. 


Durch gangsraum  dient.  Dagegen  führt  aus  dem  viersäuHgen 
Atrium  ein  Korridor  k  in  das  Peristyl;  neben  ihm  ein  auf  dieses 
geöffnetes  Schlafzimmer  /.  Hinter  diesem  ersten  Peristyl  und 
den  Wirtschaftsräumen  öffnet  sich  dann,  in  der  ganzen  Breite 
des  Hauses,  ein  zweites  Peristyl  K,  aus  dem  ersten  durch  den 
Korridor  /,  aus  dem  viersäuligen  Atrium  durch  den  Korridor 
der  Wirtschaftsräume,  ni^  und  das  Schlafzimmer  N  zugänglich. 
AuĂźerdem  liegen  zwischen  den  beiden  Peristylien  drei  groĂźe 
Säle,  einer,  H,  auf  das  erste,  zwei,  I,  J,  auf  das  zweite  Peristyl 
geöffnet ;  hinter  den  Wirtschaftsräumen  ein  großer,  ebenfalls  auf 
das  zweite  Peristyl  geöffneter  Saal  L.    Einige  kleine  Räume  q — w 


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Fig.  157.     Fassade  des  Hauses  des  Faun,  wiederhergestellt.     Links  Laden   mit  Oberraum  (i  auf 

dem  Plan);   dann   die   Haupttür,    zwei  Läden,    Tür   des  Nebenatriums   und   ein   vierter  Laden, 

der,  wie  der  zweite,  ganz  mit  Brettern  geschlossen  ist. 


gleichen   endlich    auf  der   RĂĽckseite  die   Schiefwinkligkeit  gegen 
die  StraĂźe  aus. 

HAVE,  Willkommen!  So  lesen  wir  in  Mosaikbuchstaben 
aus  roten,  grĂĽnen,  gelben  und  weiĂźen  MarmorstĂĽckchen  in  dem 
Gangsteig  vor  dem  Haupteingange.  Ausnahmsweise  war  auch  das 
Vestibulum  gegen  die  StraĂźe  durch  eine  dreiflĂĽgelige  TĂĽr  ver- 
schließbar; und  ebenso  ausnahmsweise  öffnete  die  zweiflügelige 
TĂĽr  zwischen  Vestibulum  und  Fauces  (A)  sich  nach  auĂźen. 
Den  Grund  dieser  letzteren  Besonderheit  erkennen  wir  leicht  in 
dem  gleich  zu  besprechenden  weit  vorspringenden  Wandschmuck 
der  Fauces,  der  das  Öffnen  der  Tür  nach  Innen  unmöglich 
machte.  Und  da  vermutlich  ein  Gesetz  das  Offnen  nach  AuĂźen 
verbot,   so  verfiel   man  auf  den  Ausweg,   das  Vestibulum  durch 


XXXVI.   Das  Haus  des  Faun.  303 

eine  nach  innen  aufgehende  TĂĽr  zu  schlieĂźen.  So  war  jetzt 
dies  die  Straßentür,  während  die  zweite,  innere  Tür  keiner  Polizei- 
kontrolle unterlag. 

Das  Vestibulum  hat  einen  weiĂźen  terrassenartigen  FuĂźboden; 
an  den  Wänden  eine  einfache  Form  des  ersten  Stils :  gelber 
Sockel,  oben  begrenzt  durch  einen  violett -roten  vorspringenden 
Gurt,  darüber  weiße  Fläche.  Dagegen  ist  der  innere  Flur,  die 
Fauces,  auĂźerordentlich  reich  dekoriert.  Auf  dem  FuĂźboden  ein 
Muster  aus  kleinen  dreieckigen  roten,  gelben,  grĂĽnen,  weiĂźen  und 
schwarzen  Steinen  (Marmor  und  Schiefer);  gegen  das  Atrium, 
schwellenartig,  ein  herrlicher  Mosaikstreifen  (jetzt  in  Neapel) :  zwei 
tragische  Masken  zwischen  FrĂĽchten,  Blumen  und  Binden  (Fig.  158). 


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Fig.  158.    Mosaikschwelle  mit  tragischen  Masken,  FrĂĽchten  und  Blumen  am  inneren  Ende 

der  Fauces. 

Auf  den  Wänden  bis  zur  Höhe  von  2,40  m  Stucknachahmung 
einer  Marmorbekleidung;  dann  tritt  eine  Tuffplatte  um  0,40  m 
aus  der  Wand  vor,  auf  ihrer  Unterseite  in  reich  detaillierter 
Arbeit  als  Kassettendecke  behandelt  und  mit  feinem  weiĂźen 
Stuck  ĂĽberzogen,  einst  gestĂĽtzt  von  Stuckkonsolen  in  Form  von 
Hunden  (jetzt  zugrunde  gegangen).  Auf  dieser  Platte  steht, 
identisch  auf  beiden  Seiten,  ein  ganz  einziger  Wandschmuck,  eine 
vollständige  Tempelfassade  (angedeutet  Fig.  159).  Als  Relief 
springt  die  Vorderwand  der  Cella,  mit  geschlossener  TĂĽr,  aus 
der  Wand  vor;  frei  vor  ihr  stehen,  auf  Postamenten,  die  vier 
Säulen  der  Vorhalle. 

Zwei  schlanke,  grĂĽn  marmorierte  Pilaster  bilden  die  Ecken  zwi- 
schen Flur  und  Atrium.  Letzteres  war  ein  mächtig  imponierender 
Raum,  16,  II  X  g,90  m  groß;  auf  seine  gewaltige  Höhe  gestatten 
einen  Schluß  die  0,87  m  breiten  Pilaster  am  Eingänge  des 
Tablinums:  sie  muĂźten  doch  mindestens  7,50  m,  mit  ihrem  Ge- 
bälk  gegen   g  m   hoch    sein.      Die   Vitruvsche   Xormalhohe    der 


304 


Pompeji. 


Dachbalken,  drei  Viertel  der  Breite  des  Atriums  (7,40  m),  reicht 
hier  bei  weitem  nicht  aus.  Den  Dachstuhl  dĂĽrfen  wir  uns  durch 
eine  Felderdecke  verhĂĽllt  denken.  Das  hochgelegene  Compluvium 
verbreitete  gleichmäßiges  Licht.  Durch  das  mächtige  Portal  des 
Tablinums  und  das  groĂźe  Fenster  auf  seiner  RĂĽckseite  blickte 
man  hinaus  durch  die  schattige  Säulenhalle  des  Peristyls  auf  die 
sonnenbeglänzten  Pflanzen  und  den  plätschernden  Springbrunnen 
des  Gartens. 

Auf  den  Wänden  des  Atriums  sind  beträchtliche  Reste  der 
eine  buntfarbige  Marmorbekleidung  nachahmenden  Stuckdekora- 
tion erhalten;  die  Farben  sind  einfacher  und  ernster  als  im  Hause 


Vestibulum.  Fauces.  Tuscanisches  Atrium  mit 

TĂĽr.  Compluvium  und  Impluvium  (B). 


Ala  (C).  Tablinum  (D). 

Fig.  159.     Längenschnitt  des 


des  Sallust:  unten  schwarz,  oben  violettrot,  blaugrĂĽn  und  gelb; 
dazwischen  das  weiĂźe  Zahnschnittgesims.  Die  Dekoration  be- 
deckte die  Wände  nicht  ganz,  sondern  wohl  nur  bis  etwas  über 
die  4,10  m  hohen  TĂĽren  der  Seitenzimmer;  weiter  oben  wird 
weiĂźer  grober  Stuck  gewesen  sein.  Den  FuĂźboden  bildet  eine 
terrassenartige  Masse  aus  kleinen  schwarzen  SchieferstĂĽcken;  der 
Rand  des  Impluviums  ist  weiĂź,  aus  Travertin,  sein  Boden  ge- 
mustert in  denselben  Farben  wie  der  FuĂźboden  der  Fauces;  aus 
seiner  Mitte  stieg  ein  Wasserstrahl  auf 

Von  den  Seitenzimmern  war  das  erste  rechts  (/')  schon  zur 
Zeit  des  zweiten  Stiles  aufs  neue  reich  und  sorgfältig  ausgemalt 
worden;  durch  erhöhten  Fußboden  sind  die  Plätze  zweier  Betten 


XXXVI.   Das  Haus  des  Faun. 


305 


bezeichnet;  hier  ruhte  wohl  der  Hausherr  mit  seiner  Gattin.  Das 
gegenĂĽberliegende  Zimmer,  dĂĽrftig  ausgemalt  in  der  letzten  Zeit 
Pompejis,  war  wohl  die  Kammer  des  zugleich  als  TĂĽrhĂĽter 
dienenden  Atriensis.  —  Auch  die  Alen  C,  C  und  das  Tablinum 
D  haben  Wandschmuck  ersten  Stils.  Der  FuĂźboden  besteht  in 
den  Alen  aus  buntfarbiger  Terrasse  mit  einem  Mosaikbild  in  der 
Mitte.  In  der  linken  Ala  ist  dies  geringer  Arbeit  —  Tauben,  die 
ein  Halsband  aus  einem  Schmuckkästchen  ziehen  — ,  in  der 
rechten  feinster  Art:  es  zeigt,  in  zwei  Teile  geteilt,  oben  eine 
Katze,  die  eine  Wachtel  gefaĂźt  hat,  unten  Enten,  Muscheln  und 
Fische.  Das  Tablinum,  hier  wie  im  Hause  des  Sallust  auf  das 
Peristyl  nur  mit  einem   großen  Fenster  geöffnet,    hat   ganz   den 


Erstes  Peristyl  mit  Portiken  und  Springbrunnen  (G).        Exedra  (H).  Ecke  des  zweiten 

Peristyls  (K). 
Hauses  des  Faun,  wiederhergestellt. 


Charakter  eines  luftigen  Sommertrikliniums;  sein  FuĂźboden  ist 
ringsum  aus  weiĂźem  Mosaik;  in  der  Mitte  ein  Muster  aus  rauten- 
förmigen schwarzen,  weißen  und  grünen  Steinen;  es  erweckt  die 
Vorstellung,  als  bestände  es  aus  lauter  auf  eine  Ecke  gestellten 
WĂĽrfeln  (vgl.  S.  76,  Fig.  32). 

Neben  dem  Tablinum  fĂĽhren  zwei  TĂĽren  in  zwei  Speise- 
zimmer; annähernd  quadratisch  das  zur  Linken  (E),  länglich,  wie 
fĂĽr  Triklinien  ĂĽblich,  das  zur  Rechten  (F),  beide  mit  einem 
groĂźen  Fenster,  das  erstere  auĂźerdem  noch  mit  einer  TĂĽr  auf 
das  Peristyl  geöffnet.  In  beiden  weißer  terrassierter  Fußboden 
mit  einem  Mosaikbild  in  der  Mitte:  links  allerlei  Fische  und 
Seetiere  —  ein  für  Speisezimmer  sehr   beliebter  Gegenstand  — , 

Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.  20 


306  Pompeji. 

rechts  der  Genius  des  Herbstes,  ein  weinbekränzter  Knabe,  der, 
einen  groĂźen  goldenen  Becher  am  Munde,  auf  einem  Panther 
reitet. 

Von  den  28  ionischen  Säulen  des  ersten  Peristyls  sind  nur 
geringe  Reste  erhalten;  sie  waren  elegant  geformt,  aus  Tuff  mit 
feinem  weißen  Stucküberzug.  An  dem  ionischen  Gebälk,  mit 
Zahnschnittgesims,  ist  doch  der  Fries  in  dorischer  Art  mit  Tri- 
glyphen  verziert.  Die  Portiken  waren  nur  einstöckig :  ein  er- 
haltenes Gebälkstück  zeigt  die  Einschnitte  für  die  schrägen  Dach- 
balken. Die  durch  Pilaster  geteilten  Wände  sind  im  ersten  Stil 
dekoriert.  In  der  Mitte  des  Gartens,  steht  auf  einem  Quadrat 
aus  Tuffplatten  der  schön  geformte  kanneliierte  Fuß  eines  Marmor- 
beckens, aus  dem  ein  Wasserstrahl  aufstieg. 

Der  weite  Eingang  der  groĂźen  Exedra  H  ist  von  Pilastern 
flankiert  und  durch  zwei  Säulen  geteilt,  in  gleicher  Höhe  mit 
den  Säulen  und  Pilastern  des  Peristyls,  violettroter  Farbe,  mit 
ungemein  fein  und  lebendig  in  Stuck  gearbeiteten  korinthischen 
Kapitellen.  Ein  groĂźes  Fenster  nimmt  fast  die  ganze  Breite  der 
RĂĽckwand  ein.  Den  FuĂźboden  bildete  das  berĂĽhmte  Mosaik  der 
Alexanderschlacht  (Taf.  VIII),  ein  groĂźes  historisches  Bild,  ent- 
standen als  Gemälde  zur  Zeit  Alexanders  oder  wenig  später,  hier 
in  vorzĂĽglichster  Mosaiktechnik  wiedergegeben;  ein  Kunstwerk, 
ebenso  bewundernswert  durch  den  ethischen  Gehalt  der  Dar- 
stellung wie  durch  die  groĂźartig  einfache  und  doch  wirkungsvolle 
Komposition,  die  Charakteristik  der  einzelnen  Gestalten  und  die 
Sicherheit  in  der  Wiedergabe  der  Handlung  und  des  Ausdrucks. 
Die  Farben  sind  schön  und  harmonisch,  aber,  wie  auch  sonst  in 
Mosaiken  matter  und  abgetönter  als  sie  im  Gemälde  gewesen 
sein  mögen. 

Dargestellt  ist  einer  der  Siege  Alexanders  ĂĽber  die  Perser. 
Wir  mögen  an  die  Schlacht  von  Issos  denken,  in  der  ja  Alexander 
und  Darius  sich  persönlich  begegnet  und  vor  den  Augen  des 
letzteren  mehrere  vornehme  Perser,  ihn  verteidigend,  gefallen 
sein  sollen.  Es  ist  ein  Reiterkampf.  Rechts  die  zur  Flucht  ge- 
wandten Perser,  unter  ihnen  Darius  auf  seinem  Wagen,  links 
Alexander,  unaufhaltsam  vorstĂĽrmend  an  der  Spitze  der  Seinigen. 
Zwei  vornehme  Perser  haben  sich,  die  Flucht  des  Königs  zu 
decken,   dem  Feinde   entgegen  geworfen.     Das  Pferd   des  einen, 


^ 


XXXVI.   Das  Haus  des  Faun. 


307 


von  einem  WurfspieĂź  getroffen,  bricht  zusammen;  der  gewandte 
Reiter  hat  während  des  Sturzes  das  linke  Bein  über  den  Hals 
des  Pferdes  gezogen,  um  nach  rechts  abzuspringen.  Sein 
Kamerad  ist,  mit  sicherem  Opfer  des  eigenen  Lebens,  abge- 
stiegen, um  sein  Pferd  dem  Freunde  abzutreten;  mit  sichtlicher 
Anstrengung  sucht  er  es  ihm  zuzuführen.  Aber  zu  spät;  Ale- 
xander, dem  im  KampfgetĂĽmmel  der  Helm  vom  Kopf  gefallen,  in 
reicher,  weißglänzender  Rüstung  (Fig.  160),  ist  herangesprengt  und 
durchbohrt  mit  der  Lanze   den  eben  abspringenden,   auf  den  in 


Fig.  160.    Detail  aus  dem  Mosaik  der  Alexanderschlacht.     Photographie  Sommer. 


schmerzlicher  Teilnahme  die  Blicke  des  todesbereiten  Freundes 
gerichtet  sind.  Der  Wagenlenker  des  Königs  treibt  die  Pferde 
zu  schleuniger  Flucht;  Darius  selbst  aber,  der  eigenen  Gefahr 
vergessend,  wendet  sich  zurĂĽck  und  streckt  schmerzbewegt  den 
Arm  nach  dem  sterbenden  Freunde.  Alles  ĂĽbrige  sind  Neben- 
figuren; die  Perser  zeigen  durch  Bewegungen  und  Gesichtsaus- 
druck Schrecken  und  Teilnahme ;  von  den  Griechen  ist  nur 
wenig  erhalten  auĂźer  Alexander,  in  dessen  Gesicht  der  Ausdruck 
des  festen,  unentwegten  Willens,  der  Nichtachtung  jeder  Gefahr 
und  jedes  Hindernisses  deutlich  hervortritt.     Mit  besonderer  Vor- 


3o8 


Pompeji 


liebe  sind  die  reichen,  mit  allerlei  Tierfiguren  gestickten  KostĂĽme 
der  vornehmen  Perser  behandelt. 

Im  Eingange  des  Raumes,  zwischen  den  Säulen,  waren,  auch 
in  Mosaik,  allerlei  ägyptische  Tiere  dargestellt :  Nilpferd,  Krokodil, 
Ichneumon,  Ibis. 

Ein  an  beiden  Enden  verschlieĂźbarer  Korridor  /  fĂĽhrt  aus 
dem  ersten  Peristyl  in  das  zweite.  Dorische  Säulenhallen  um- 
geben einen  großen  Garten;  Ziegelsäulen  4,12  m  hoch,  mit 
Tuffkapitellen,  weiĂź  verstuckt,  nicht  kannelliert  sondern  nur  ge- 
kantet. Von  dem  auf  Holzbohlen  aufgemauerten  Gebälk  ist  nur 
der  rohe  Mauerkern,    nicht   die   in  Stuck  ausgefĂĽhrte  Kunstform 


Schlaf-  Tuscanisches  Atrium  (B)        Linke  Viersäuliges  Atrium  (b).         Rechte 

zimmer  (fj.  mit  Tablinum  (D).        Ala  (c)  des  Ala  (c). 

viersäuligen  Atriums. 

Fig.  161.     Querschnitt  des  Hauses  des  Faun  durch  die  beiden  Atrien. 


erhalten.  Auch  hier  sind  die  Wände  durch  Pilaster  geteilt  und 
im  ersten  Stil  dekoriert,  aber  einfacher,  indem  im  oberen  Wand- 
teil die  imitierten  Marmorplatten  weiĂź  sind.  Von  der  gelben 
Farbe  des  unteren  Architravgurts  war  schon  S,  49  die  Rede. 

In  unserer  Restauration  (Fig.  15g)  ist  angenommen,  daĂź  diese 
Säulenhallen  zweistöckig  waren.  Dies  ist  aber  wohl  dahin  zu 
berichtigen,  daĂź  ein  oberer  Portikus  nur  auf  der  Vorderseite 
vorhanden  war,  hier  aber  die  Säulen  doppelt  so  dicht  standen 
als  unten.  Fragmente  von  mindestens  dreizehn  kleinen  ionischen 
Tufifsäulen  (Durchmesser  0,31  m)  Hegen  noch  jetzt  an  der  Ostwand 
und  können  nicht  wohl  anderswoher  stammen.  Dieser  obere 
Portikus  war  zugänglich  aus  Räumen  über  H,  I,  J,  L,  N,  /,  zu 
denen  ein  Treppe  in  ni  hinauffĂĽhrte. 


XXXVI.   Das  Haus  des  Faun. 


309 


Neben  der  Exedra  des  Alexandermosaiks  Hegen  zwei  ge- 
räumige Speisezimmer,  das  eine,  I,  in  ganzer  Breite  geöffnet 
und  mit  einem  breiten  Fenster  in  der  RĂĽckwand,  das  andere,  J, 
mit  schmaler  Tür  und  Fenster  neben  demselben.  Das  schöne 
Mosaikbild  des  ersteren  war  schon  bei  der  Auffindung  so  be- 
schädigt, daß  erst  ein  im  Jahre  1885  gefundenes  zweites  Exem- 
plar derselben  Darstellung  den  Gegenstand  verständlich  gemacht 
hat:  es  ist  ein  Löwe,  der  einen  Tiger  niedergeworfen  hat  und 
nun  in  drohender  Haltung  ĂĽber  ihm  steht.  Das  Schlafzimmer  N 
war  im  zweiten  Stil  gemalt;  man  fand  hier  die  Spuren  zweier 
Betten.  L,  das  größte  Speisezimmer  des  Hauses,  war  zur  Zeit 
der  VerschĂĽttung  unfertig,  ohne  Wandschmuck,  und  diente  zur 
Aufbewahrung  von  Weinamphoren,  deren  sich  auch  in  beiden 
Peristylien  eine  groĂźe  Anzahl  fand. 

Von  den  kleinen  Räumen  an  der  Rückseite  des  Peristyls  war 
q  vielleicht  Kammer  des  Gärtners,  r  die  eines  Türhüters;  v  ist 
eine  breite  tribĂĽnenartige  Nische,  o,go  m  ĂĽber  dem  Boden;  wir 
können  denken,  daß  hier  Statuen  standen.  Nahe  der  linken 
Ecke  sind  in  der  dicken  Mauer,  1,75  m  vom  Boden,  zwei  kleinere 
Nischen,  eingefaĂźt  von  je  zwei  Pilastern  und  einem  Giebelfelde 
aus  Stuck.  Vermutlich  war  dies  das  Heiligtum  der  Hausgötter; 
man  fand  vor  denselben  im  Portikus  zwei  bronzene  DreifĂĽĂźe, 
zwei  bronzene  Kandelaber,  zwei  eiserne  Feuerzangen,  zwei  Ton- 
lampen, einen  Lorbeerzweig  und  die  Knochen  einer  Taube  mit 
Eiern,  so  daĂź  es  scheint,  als  habe  diese  hier  ihr  Nest  gehabt. 
Auch  bezieht  sich  wohl  auf  eine  dieser  Nischen  die  Angabe, 
man  habe  »in  der  Nische  des  Gartens«  eine  Bronzestatuette  eines 
Priesters,  d.  h.  des  Genius  (S.  277),  gefunden. 

Wir  haben  bis  jetzt  das  Nebenatrium  und  die  Wirtschafts- 
räume beiseite  gelassen.  Von  der  Straße  gelangen  wir  durch 
ein  unverschlossenes  Vestibulum  a  an  die  HaustĂĽr,  durch  sie  in 
den  inneren  Flur  und  weiter  in  das  viersäulige  Atrium  b.  Die 
Form  des  Atriums  mit  seinen  Alen  r,  c'  gehört  dem  ursprüng- 
lichen Bau  an;  dagegen  ist  in  den  umliegenden  Räumen  infolge 
des  Erdbebens  von  63  vieles  erneuert  worden  und  namentlich 
die  oberen  Räume  vorn  und  rechts  bieten  keinerlei  (jcwähr 
hohen  Alters.  Die  Wandmalerei  ist  hier  ĂĽberall  der  dĂĽrftigsten 
Art,  aus  der  letzten  Zeit  Pompejis. 


3IO  Pompeji. 

Das  viersäulige  Atrium  b^  durch  eine  Tür  in  der  Rückwand 
der  linken  Ala  c  mit  dem  tuskanischen  verbunden,  zeigt  unser 
Querschnitt  Fig.  16 1.  Die  korinthischen  Säulen,  5,87  m  hoch, 
aus  Tufif  mit  ursprünglich  weißem  Stucküberzug,  sind  vollständig 
erhalten,  ebenso  die  Eckpilaster  der  Alen  (hoch  4,35  m)  mit  ihren 
Tufifkapitellen ;  die  Wände  waren  in  der  letzten  Zeit  weiß  mit 
hohem  roten  Sockel.  Zwei  Steine  in  den  hinteren  Ecken  des 
Atriums  trugen  vermutlich  jeder  eine  Geldkiste. 

Die  vorn  und  rechts  anliegenden  Zimmer  sind  nicht  höher 
als  2,70  m;  sicher  keine  herrschaftlichen  Wohnräume.  Der  Vor- 
ratsraum e^  mit  Regalen  an  den  Wänden,  enthielt  zugleich  die 
Treppe  zu  oberen  Räumen  zwischen  beiden  Atrien,  Räumen,  die 
sich  aus  der  Rekonstruktion  (Fig.  161)  mit  Notwendigkeit  er- 
geben. —  In  /z,  H  fand  man  außer  bronzenen  Gefäßen  auch 
elfenbeinerne  BettfĂĽĂźe,  die  hier  wohl  als  in  einer  Rumpelkammer 
aufbewahrt  wurden.  Obere  Räume  über  g^  /?,  h'  lagen  in  gleicher 
Höhe  mit  der  Pergula  (S.  286)  des  Ladens  4  und  konnten 
nur  von  hier  aus  zugänglich  sein,  da  sie  von  8  durch  die  viel 
höheren  Fauces  getrennt  sind.  Über  diesen,  sowie  über  der 
rechten  Ala  c  waren  keine  oberen  Räume,  wohl  aber  über  z, 
d\  n^  n\  o,  d  und  einem  Teil  der  KĂĽche  M;  sie  waren  zu- 
gänglich durch  eine  Treppe  in  dem  Durchgangsraume  d.  Rechts 
von  diesem  mag  d'  eine  Sklavenkammer  sein. 

Aus  d  fĂĽhrt  zum  zweiten  Peristyl  der  lange  Korridor  m\  an 
diesem  rechts  zuerst  ein  Stall  [n').  Erst  ganz  kĂĽrzlich  (1900)  hat 
man  diesen  Raum  vollständig  ausgegraben  und  hier  die  Skelette 
zweier  Kühe  und  vier  menschliche  Skelette  —  von  einem  Er- 
wachsenen und  drei  Kindern  —  gefunden.  Dann  der  Abtritt  w, 
Tepidarium  o  und  Caldarium  d  eines  kleinen  Bades,  beide  mit 
hohlem  Fußboden  und  Hohlwänden,  endlich  die  Küche  M,  von 
der  aus  auch  das  Bad  geheizt  wurde.  Die  Zuglöcher  der  Hohl- 
wände des  Bades  (S.  192)  mündeten  in  die  Küche;  diese  hat 
man,  um  durch  den  Rauch  nicht  allzu  sehr  belästigt  zu  werden, 
sehr  hoch  gemacht,  mit  mehreren  Fenstern.  Deshalb  konnte 
sich  auch  der  Oberstock  nicht  ĂĽber  die  ganze  KĂĽche  erstrecken, 
sondern  nur  ĂĽber  den  von  der  StraĂźe  entferntesten  Teil  der- 
selben; hier  war  eine  Art  Zwischenboden,  zugänglich  aus  dem 
Räume  über  dem  Tepidarium.     Vermutlich  benutzte  man  diesen 


XXXVI.    Das  Haus  des  Faun. 


311 


Zwischenboden  als  Rauchkammer  und  bewahrte  hier  z.  B.  Wein- 
amphoren auf,  da  man  ja  bekanntlich  glaubte,  der  Rauch  sei 
dem  Wein  zuträglich;  an  Rauch  konnte  es  hier  nicht  fehlen. 
In  der  linken  Wand  der  KĂĽche  die  Larennische,  so  hoch,  daĂź 
sie  nur  mit  einer  Leiter  zu  erreichen  war,  tempelartig  mit  Stuck- 
pilastern  und  Giebelfeld  eingefaĂźt;  in  ihr  steht  noch  jetzt  ein 
kleiner  tönerner  Altar  für  Rauchopfer. 


Kapitel  XXXVII. 
Ein  Haus  bei  der  Porta  Marina. 


Nur  selten  sind  in  Häusern  der  Tuffperiode  die  Höhenver- 
hältnisse des  Atriums  und  der  umliegenden  Räume  kenntlich. 
Besondere  Beachtung  verdient   in    dieser  Beziehung   ein  groĂźes 

Haus  in  der  Nähe  der  Porta 
Marina  Reg.  IV  (VII),  ins.  occid.  13. 
Seine  ganze  Ausdehnung  kennen 
wir  nicht.  Vermutlich  erstreckt 
es  sich  an  der  Stelle  der  ab- 
getragenen Stadtmauer  hinab  am 
Abhänge  des  Stadthügels;  aber 
diese  unteren  und  rückwärtigen 
Teile  sind  nicht  ausgegraben. 
FĂĽr  uns  ist  wichtig  das  Atrium, 
das  besterhaltene  eines  groĂźen 
monumentalen  Hauses  der  Tuff- 
periode. Die  Dreiviertelsäulen  am 
Eingang  des  Tablinums,  die  Eck- 
pilaster  der  Alae  und  der  Fauces, 
die  ionischen  Säulen  des  Peri- 
styls,  alles  dies  ist  in  ganzer  Höhe 
erhalten,  und  auch  die  Höhe  der 
Seitenzimmer  am  Atrium  (etwa 
5,20  m  einschließlich  des  Kreuzgewölbes)  und  der  großen  Zimmer 
neben  dem  Tablinum  (4,70  m  ohne  die  hohe  Wölbung,  mit  dieser 
nicht  unter  6  m)  ist  kenntlich.  So  kann  unsere  Rekonstruktion  auf 
groĂźe  Sicherheit  Anspruch  machen.  Die  weder  hier  noch  sonst 
irgendwo  erhaltenen  Gebälke  der  Alen  und  des  Tablinums  sind 
ergänzt  in  den  sich  stets  wiederholenden  Formen  des  ersten  Stils. 
Die  Dachbalken  des  Atriums  sind  angenommen  in  der  Höhe  von 


Fig   162. 


GrundriĂź  des  Hauses  bei  der 
Porta  Marina. 


XXXVn.   Ein  Haus  bei  der  Porta  Marina. 


313 


drei  Vierteln  der  Breite,  wie  Vitruv  vorschreibt;  so  liegen  sie 
unmittelbar  über  dem  Gebälk  des  Tablinums  und  es  ergibt  sich 
eine  angemessene  Dachneigung  von  der  Atriumsmauer  auf  das 
Gebälk  des  Peristyls.  Die  Wanddekorationen  sind  nicht  der  Er- 
bauung des  Hauses  gleichzeitig,  sondern  zweiten  Stils,  einfach 
und  ohne  figĂĽrliche  Darstellungen. 

In  Betreff  des  Grundrisses  ist  zu  beachten  die  auĂźerordent- 
liche Breite  des  Flurs,  etwa  zwei  FĂĽnftel  der  Breite  des  Atriums, 
und  die  uns  schon  aus  dem  Nebenatrium  der  Casa  del  Fauno 
bekannte  Lage  der  Alen  in  der  Mitte  der  Langseiten. 

Die  imponierende  Wirkung  beruht  auf  den  großen  Verhält- 
nissen der  sich  auf  das  Atrium  öffnenden  Räume.  Das  Tablinum, 
nicht  wie  sonst  von  Pilastern,  sondern  von  Ecksäulen  flankiert,  ist 


Fig.  163.     Längenschnitt  des  Hauses  bei  der  Porta  Marina. 


ziemlich  halb  so  breit  wie  das  Atrium,  d.  h.  es  ist,  obgleich  die 
Breite  des  Atriums  um  8  cm  unter  30  röm.  Fuß  bleibt,  doch 
das  von  Vitruv  für  Atrien  von  30 — 40  Fuß  vorgeschriebene  Ver- 
hältnis beobachtet.  Die  Höhe  bis  zum  Architrav  müßte  nach 
Vitruv  ^/g  der  Breite,  also  4,67  m  sein;  statt  dessen  ist  sie  5,61  m. 
Die  Alen  sollen  nach  Vitruv  bei  Atrien  von  40 — 50  Fuß  Länge 
(wie  hier)  7?  dieser  Länge  breit  sein;  das  wäre  hier  3,60  m;  sie 
sind  aber  3,go  m  breit  und  4,93  m  hoch,  während  nach  Vitruv 
die  Höhe  der  Breite  gleich  sein  soll.  Die  Fauces  sollen  nach 
Vitruv  die  halbe  Breite  des  Tablinums,  ein  Viertel  der  des 
Atriums  haben;  hier  haben  sie  fast  zwei  FĂĽnftel  der  Breite  des 
Atriums  und  ihre  Höhe,  5,27  m,  bleibt  nicht  viel  unter  der  des 
Tablinums.  Es  kommt  hier  recht  zum  BewuĂźtsein,  welch  groĂź- 
artiger Monumentalbau  das  pompejanische  Atrium  der  vorrömi- 
schen Zeit  ist. 


314  Pompeji. 

Seltsam  wirkt  es  und  ist  doch  wohl  ein  Mangel  an  kĂĽnst- 
lerischem Sinn,  daß  die  Ecksäulen  des  Tablinums  gegen  das 
Atrium  nur  drei  Viertel  ihrer  halben  Rundung  zeigen,  während 
sie  gegen  das  Tablinum  in  ganzer  Breite  sichtbar  sind.  Dem 
entsprechend  erscheinen  auch  die  Eckpilaster  der  Alen  und  der 
Fauces  gegen  das  Atrium  übermäßig  schlank  (48  und  47  cm), 
während  sie  gegen  jene  Nebenräume  eine  ihrer  Höhe  (4,93  und 
5,27  m)  angemessene  Breite  (59  und  60  cm)  haben.  Dieselbe 
Eigentümlichkeit  findet  sich  noch  in  vielen  anderen  Häusern  der 
Tuffperiode,  z.  B.  an  den  Fauces  und  den  Alen  der  Casa  del 
Fauno. 

Der  etwas  ansteigende  Fußboden  der  Fauces  hat  ein  schönes 
Arabeskenornament  in  schwarz-weiĂźem  Mosaik,  der  des  Atriums 
ist  aus  schwarzem  Mosaik  mit  weiĂźem  Streifen  am  Rande  und 
reihenweise  eingelegten  verschiedenfarbigen  MarmorstĂĽckchen. 
An  der  rechten  Wand,  nahe  der  Vorderecke,  ist  die  Basis  der 
Larenkapelle  erhalten.  Von  den  Seitenzimmern  ist  das  erste 
rechts  ein  Schlafzimmer,  in  dem  der  Platz  des  Bettes,  dem 
Eingang  gegenüber,  seine  besondere,  niedrigere  Wölbung  hatte; 
die  ĂĽbrigen  mochten  meistens  auch  als  Schlafkammern  dienen. 
Die  beiden  Speisezimmer  neben  dem  Tablinum  waren  mit 
diesem  je  durch  ein  großes  Fenster  verbunden,  ähnlich  wie  im 
Hause  des  Faun.  Im  Peristyl  ein  tiefer  Fischteich;  von  den 
anliegenden  Zimmern  sind  die  Mauern  nur  bis  zu  sehr  geringer 
Höhe  erhalten. 


Kapitel  XXXVIII. 
Das  Haus  der  silbernen  Hochzeit. 

Casa  dellc  nozze  (Targento  nennt  man  das  nordöstliche  Eck- 
haus der  Insula  V,  2,  weil  hier  1892  bei  Gelegenheit  der  silbernen 
Hochzeit  des  italienischen  Königspaares  Ausgrabungen  veran- 
staltet wurden  (Fig.  8).  Es  ist  noch  nicht  ganz  ausgegraben:  die 
Fassade  wird  erst  jetzt  (1908)  freigelegt;  ein  Teil  des  Gartens 
(links)  ist  noch  unter  der  Erde ;  doch  bietet  das  Ausgegrabene 
genug  des  Interessanten  und  EigentĂĽmlichen.  Bei  der  vorzĂĽg- 
lichen Erhaltung  kann  unsere  Rekonstruktion  (Fig.  165)  als  voll- 
kommen sicher  gelten. 

Hinter  dem  großen  viersäuligen  Atrium  [d)^  mit  Seitenzimmern, 
Alen  und  Tablinum  (<?),  liegt  das  rhodische  Peristyl  (S.  267)  (r). 
Auf  die  Rückseite  desselben  öffnen  sich  eine  Exedra  [y]  und 
zwei  Schlafzimmer  (a-,  z]\  an  den  hinteren  Ecken  des  Peristyls 
zwei  groĂźe  Speisezimmer  (4,  iv).  Rechts  das  Bad  (/,  z/,  r-),  die 
KĂĽche  [s]  und  ein  kleiner  Garten  (2),  aus  dem  man  durch  den 
Gang  3  in  das  Atrium  eines  anderen,  wohl  demselben  Besitzer 
gehörigen  Hauses  und  weiter  auf  die  Straße  gelangte.  Links 
ein  groĂźer,  noch  nicht  ganz  ausgegrabener  Garten.  Rechts  neben 
dem  Atrium  ein  kleines  Haus  (a — x),  das,  wie  die  neuesten  Aus- 
grabungen (1908)  gezeigt  haben,  mit  dem  groĂźen  Hause  keine 
Verbindung  hat:  die  kleine  TĂĽr  unter  der  Treppe  links  am 
Atrium  (,3)  fĂĽhrt  in  einen  Raum,  der  von  e  und  b  ganz  getrennt 
ist;  da  er  aber  dem  GrundriĂź  nach  zu  dem  Haupthause  ge- 
hört, so  müssen  wohl  früher  einmal  beide  Häuser  verbunden 
gewesen  sein. 

Der  ganze  Bau  stammt  aus  der  Tuffperiode ;  später  wurde  er 
teilweise  umgestaltet,  aber  doch  so,  daĂź  das  Alte  erkennbar  blieb. 
Wanddekorationen  ersten  Stils  sind  mehrfach  erhalten  in  dem 
Nebenhause    (y,  !^);    im    Haupthause    nur    geringe    Reste    in    den 


3i6 


Pompeji. 


Zimmern  rechts  vom  Atrium;  das  Haus  wurde  zur  Zeit  des 
zweiten  Stiles,  nach  einigen  baulichen  Veränderungen,  vollständig 
neu  ausgemalt.  Weniges  und  Unbedeutendes  ist  erhalten  aus 
der  Zeit  des  dritten  Stiles  (Kandelaberstil).  Wiederum  aber  fand 
zur  Zeit  des  letzten  Stils,  aber,  wie  eine  gleich  zu  besprechende 


jm-, 


Fig.  164.  Grundriß  des  Hauses  der  silbernen  Hochzeit,  a  Fauces.  d  Viersäuliges  Atrium. 
«  Speisezimmer,  o  Tablinum.  /  Andron.  r  Peristyl.  j  Küche,  t  —  v  Bad  (v  Apodyterium, 
w  Tepidarium.  ^  Caldarium).  w  Sommertriklinium.  ^,  z  Schlafzimmer.  _j' Exedra.  i.  Schwimm- 
bassin im  Garten  (2).  3.  Gang  zu  einem  anderen  Hause  und  zur  SeitenstraĂźe.  4.  Oecus.  6.  Garten, 
nur   teilweise   ausgegraben.     7.  Gartentriklinium.  —  a  —  y.  Fauces,  Atrium  und  weitere  Räume 

des  Nebenhauses. 


Inschrift  beweist,  vor  60  n.  Chr.,  eine  ausgedehnte  Neudekorierung 
statt,  bei  der  jedoch  manche  gut  erhaltene  Malereien  zweiten 
Stiles  geschont  und,  wo  nötig,  ergänzt  wurden.  So  liegt  uns 
hier  die  ganze  Geschichte  der  pompejanischen  Wandmalerei  vor, 
freilich  ohne  nennenswerte  figĂĽrliche  Darstellungen.  Von  Zer- 
störungen durch  das  Erdbeben  des  Jahres  63  findet  sich  keine 
sichere  Spur. 


XXXVIII.   Das  Haus  der  silbernen  Hochzeit.  jiy 

Die  schon  erwähnte  Inschrift,  aus  der  hervorgeht,  daß  die 
Malereien  letzten  Stils  in  diesem  Hause  vor  dem  Jahre  60  ent- 
standen sind,  ist  in  den  gelben  Stuck  einer  der  Säulen  der 
Vorderseite  des  Peristyls  eingekratzt  und  lautet: 

Neroiie  Caesare  Augusto 

Cosso  LenUilo  Cossi  fil[io]  co[n)s[ulibus) 

VIII  Idus  Febr[u)arias 

dies  Solis,  hina  XIIIIX^  nun[dinae)   Ciimis.     Vmin.  Powpeis. 

Das  Konsulat  des  Nero  und  des  Cossus  Lentulus  ist  60  n.  Chr. 
FĂĽr  dieses  Jahr  sind  hier  zwei  Markttage  [mindinae]  angemerkt;  am 
6,  Februar  war  Markt  in  Cumae,  am  9.  in  Pompeji.  Und  zwar  war 
der  6.  Februar  ein  Sonntag  und  der  16.  Tag  nach  Neumond, 
wenn  die  undeutlich  geschriebene  Zahl  richtig  gelesen  ist.  Es 
ist  dies  die  älteste  uns  überlieferte  Gleichung  eines  Wochentages 
mit  einem  bestimmten  Datum;  die  nächste  ist  Donnerstag  23.  Mai 
205.  Diese  hier  stimmt  nicht  mit  unserer  Zählung:  der  6.  Fe- 
bruar 60  war  ein  Mittwoch;  es  scheint  also,  daß  es  in  der  Zäh- 
lung der  Wochentage  örtliche  Verschiedenheiten  gab.  Auch  die 
Angabe  der  Mondphase  kann  nur  unter  Annahme  einer  unge- 
wöhnlichen Zählungsart  —  auf  diese  Einzelheiten  kann  hier  nicht 
eingegangen  werden  —  als  richtig  erscheinen:  es  war  der  15.  Tag 
nacli  Neumond.  Sicher  aber  ist,  daĂź  im  Jahre  60  dieser  Stuck 
vierten  Stiles  schon  bestand. 

Das  viersäulige  Atrium  ist  weitaus  das  größte  Beispiel  seiner 
Art;  es  miĂźt  16,53  x11,98  m,  die  stuckbekleideten  korinthischen 
Tuffsäulen  sind  6,86  m  hoch.  Bei  der  außerordentlichen  Größe 
des  Compluviums  ist  es  nicht  mehr  so  recht  die  Halle  der  alten 
Zeit,  sondern  nähert  sich  dem  portikusartigen  Charakter  des 
korinthischen  Atriums  (vgl.  S.  259).  Ein  Schutz  gegen  die 
einfallenden  Sonnenstrahlen  war  hier  notwendig.  Vermutlich 
konnte  das  Compluvium  durch  ein  Segel  [vehmi)  geschlossen 
werden;  die  SchnĂĽre,  durch  die  es  bewegt  wurde,  waren  durch 
bronzene  Ringe  gezogen,  deren  einer  an  jeder  Säule,  der  Ecke 
des  Atriums  zugewandt,  angebracht  ist. 

Hinter  dem  Impluvium  steht  eine  kanneliierte  Zisternen- 
mĂĽndung aus  weiĂźem  Marmor;  vor  ihr,  im  Impluvium,  eine 
marmorbekleidete   viereckisre   Basis    und   wieder  vor    dieser  eine 


3i8 


Pompeji. 


runde   Marmorschale,    in   die  einst   eine   auf  der  Basis  stehende 
Statuette  einen  Wasserstrahl  entsandte. 

Die  in  unserer  Restauration  sichtbaren  auffallend  niedrigen 
Türen  am  Atrium  beruhen  auf  nachträglicher  Veränderung.  Ur- 
sprünglich waren  in  jeder  der  Seitenwände  außer  den  Alen  drei 
4,i8m  hohe  TĂĽren.  Durch  sie  betrat  man  die  sehr  hohen 
Seitenzimmer,  über  denen  obere  Räume  damals  nicht  vorhanden 
waren.  Später  hat  man  sie  dann  durch  Zwischenböden  in  je 
einen  oberen  und  unteren  Raum  geteilt.  In  die  unteren  Räume 
führen  die  jetzigen  niedrigen  Türen;  die  oberen,  zugänglich  durch 
drei  Treppen  [g^  k^  in],  erhielten  Fenster,  rechts  auf  das  Atrium, 


Viersäuliges  Atrium. 


Ala.  Tablinum. 

Fig    165.     Längenschnitt  des  Hauses 


links  auf  den  groĂźen  Garten.  Die  Alen,  das  Tablinum,  die 
Räume  neben  diesem  und  der  ganze  hintere  Teil  des  Hauses 
blieben  bis  zuletzt  ohne  Oberstock. 

Nach  diesen  Veränderungen  wurde  das  Atrium  im  zweiten 
Stil  —  Nachahmung  einer  Marmorbekleidung  —  ausgemalt.  Von 
dieser  Wanddekoration  sind  die  oberen  Teile  erhalten;  die 
unteren  sind  zur  Zeit  des  vierten  Stiles  erneuert  worden,  im 
AnschluĂź  an  die  alten  Motive,  aber  doch  so,  daĂź  der  stilistische 
Unterschied  deutlich  hervortritt. 

Wir  bemerken  noch,  daĂź  die  linke  Ala  ursprĂĽnglich  ein 
großes  Fenster  auf  den  Garten  hatte  (vgl.  S.  265).  Später  — 
die  Zeit  läßt  sich  nicht  näher  bestimmen  —  ist  es  vermauert 
worden. 


XXXVIII.   Das  Haus  der  silbernen  Hochzeit. 


319 


Die  außerordentliche  Höhe  des  Tablinums  erschließen  wir 
aus  der  Stärke  (0,74  m)  seiner  Eingangspilaster.  An  jedem  der- 
selben war  auf  der  Vorderseite,  nicht  in  der  Mitte,  sondern 
näher  dem-  Tablinum,  eine  runde  Bronzescheibe  (Durchmesser 
0,16  m)  befestigt,  aus  der  ein  bronzener  Schiffsschnabel  vor- 
sprang. Gewiß  kein  bloßes  Ornament;  ein  solches  hätte  man 
in  die  Mitte  des  Pilasters  gesetzt.  Ohne  Zweifel  sollten  hier  die 
das  Tablinum  schließenden  Vorhänge,  wenn  sie  zurückgeschlagen 
waren,  befestigt  werden  (vgl.  S.  262). 

Die  Räume  neben  dem  Tablinum  sind  ähnlich  angeordnet  wie 
im  Hause  des  Sallust:  links  das  gewöhnliche  quadratische  Speise- 
zimmer (;/),  rechts  der  Andron  (/)  und  ein  Schlafzimmer  [q). 


Rhodisches  Peristyl 
der  silbernen  Hochzeit. 


Vorzüglich  erhalten  ist  das  Peristyl.  Die  Säulen  stehen  alle 
in  ganzer  Höhe  an  ihrem  Platz  und  tragen  noch  jetzt  ihr  Gebälk, 
größtenteils  mit  seinem  Schmuck  in  Malerei  und  Stuckarbeit. 
Letzteres  freilich  mit  Ausnahme  der  vorderen,  höheren  Säulen- 
halle. Denn  dieses  Peristyl  hat  die  EigentĂĽmlichkeit,  daĂź  die 
vordere,  nach  Süden  gewandte  Seite  wesentlich  höher  ist  als  die 
drei  anderen.  Vitruv  belehrt  uns,  daĂź  man  ein  solches  Peristyl 
ein  rhodisches  nannte.  Der  Zweck  war  natĂĽrlich,  an  hellen 
Wintertagen  recht  viel  Sonne  einzulassen ;  hier  dient  diese  Form 
außerdem  einem  schönen  architektonischen  Motiv:  der  Höhen- 
abstufung von  dem  majestätischen  Atrium  durch  den  mittelhohen 
Vorderportikus  zu  den  niedrigen  und  zierlichen  hinteren  Portiken. 
Unser  Länsrenschnitt  brin«rt  dies  deutlich    zur  Anschauung. 


320  Pompeji. 

Einer  solchen  Anlage,  mit  höherem  Vorderportikus,  begegneten 
wir  schon  im  Gebäude  der  Eumachia  (S.  iii),  nur  daß  dort 
sowohl  der  höhere  als  die  niedrigeren  Portiken  zweistöckig 
waren.  Die  Ă„hnlichkeit  erstreckt  sich  auch  auf  die  verschiedene 
Behandlung  der  Wände  im  Vorderportikus  einerseits  und  in  den 
drei  ĂĽbrigen  andererseits.  Die  Malerei,  letzten  Stils,  zeigt  im 
Vorderportikus  rote  Wandfelder,  wechselnd  mit  architektonischen 
Durchblicken  auf  gelbem  Grunde,  in  den  drei  niedrigeren  Por- 
tiken schwarze  Felder,  wechselnd  mit  Durchblicken  auf  weiĂźem 
Grunde.  Die  Säulen  sind  in  ihrem  untersten  Drittel  im  Vorder- 
portikus gelb,  in  den  übrigen  dunkel  violettrot  gefärbt.  So 
wurde  der  Kontrast  des  hohen,  sonnigen  und  der  niedrigen, 
schattigen  Portiken  durch  die  dort  helleren,  hier  dunkleren  Farben 
noch  kräftiger  hervorgehoben. 

Der  Bau  des  rhodischen  Peristyls  ist  gleichzeitig  dem  des 
ganzen  Hauses;  dagegen  stammt  aus  der  Zeit  des  letzten  Stils 
die  Bemalung  und  Ornamentation  der  Säulen  und  ihres  Gebälkes, 
Letzteres  mochte  wohl  ursprĂĽnglich  klassische,  dem  griechischen 
Tempelbau  entlehnte  Formen  tragen;  jetzt  zeigt  es  von  diesen 
keine  Spur  mehr,  sondern  die  heiteren,  bunten,  phantastischen 
Motive  der  letzten  Zeit.  Auf  der  Vorderseite  ist  von  der  Orna- 
mentierung des  Gebälkes  nichts  erhalten.  Auf  den  drei  anderen 
Seiten  läuft  unter  dem  einfachen,  den  Dachrand  tragenden  Gesims 
ein  weiß  und  rot  gefärbter  Eierstab;  darunter  ist  die  senkrechte 
Fläche  in  Felder  geteilt,  je  ein  kleines  über  den  Säulen,  je  ein 
langgestrecktes  ĂĽber  den  Intercolumnien;  sie  enthalten,  in  farbige 
Streifen  eingerahmt,  kleine  Darstellungen:  Vögel,  Tierkämpfe 
und  dergleichen.  Laubgewinde  und  Ornamentstreifen  auf  weiĂźem 
Grunde  zieren  die  innere  und  die  untere  Fläche.  Es  macht 
einen  eigentĂĽmlichen  Eindruck,  die  strengeren  und  ernsteren 
Architekturformen  einer  monumental  bauenden  Zeit  umspielt  zu 
sehen  von  diesen,  einem  ganz  verschiedenen  Geschmack  ent- 
sprungenen Ornamenten. 

Der  von  den  Portiken  eingeschlossene  Raum  war  als  Garten 
bepflanzt,  zwei  Wasserstrahlen,  die  von  den  beiden  vorderen  Eck- 
säulen in  die  Regenrinne  fielen,  dienten  zur  Bewässerung.  In  der 
Mitte  des  Gartens  standen  auf  einer  niedrigen  kreisförmigen  Er- 
höhung zwei  Krokodile,  eine  große  Kröte  und  ein  großer  P>osch, 


XXXVni.  Das  Haus  der  silbernen  Hochzeit. 


321 


aus  einer  eigentĂĽmlichen,  wahrscheinlich  in  Ă„gypten  fabrizierten 
weiĂźlichen  glasierten  Tonware,  etwa  40  cm  lang  und  18  cm  hoch. 
Die  Exedra  und  die  beiden  Schlafzimmer  auf  der  RĂĽckseite 
des  Peristyls  sind  im  zweiten  Stil  gemalt,  ohne  figĂĽrliche  Dar- 
stellungen, monochrom  in  Gelb  die  Exedra,  buntfarbig  die  beiden 
Schlafzimmer.  In  beiden  ist  der  Platz  des  Bettes  bezeichnet 
durch  das  schwarz-weiĂźe  FuĂźbodenmosaik,  durch  die  Wandmalerei 
und  durch  die  Deckenbildung:  er  hat  sein  eigenes  Tonnengewölbe, 
dessen  Axe  auf  den  Eingang  gerichtet  ist,  der  Rest  des  Zimmers 
flache  Decke  in  der  Scheitelhöhe  desselben.  Die  Exedra  war 
nicht  verschlieĂźbar;  ĂĽber  die  weiten  TĂĽren  der  Schlafzimmer  und 
die  kleine  NebentĂĽr  des  einen  (x)  s.  S.  268. 


-f- 


Garten.  Viersäuliges  Atrium.  Atrium  mit  Cenaculum. 

Fig.  166.     Querschnitt  des  Hauses  der  silbernen  Hochzeit,  wiederhergestellt. 

Von  dem  groĂźen  Oecus  4  war  schon  S.  273  die  Rede;  er  ist 
jetzt  (1908)  ganz  ausgegraben  und  sorgfältig  in  seiner  alten 
Form  restauriert  worden.  Die  Wanddekoration  zweiten  Stils  — 
besonders  reich  und  sorgfältig,  aber  auch  hier  ohne  figürliche 
Darstellungen  —  unterscheidet,  sowie  auch  der  Fußboden  aus 
schwarz-weiĂźem  Mosaik,  den  vorderen,  fĂĽr  die  Dienerschaft,  und 
den  inneren,  für  das  Triclinium  bestimmten  Teil.  —  Schwarz- 
weiĂźes Mosaik  hat  auch  das  gegenĂĽberliegende,  dĂĽrftig  im  letzten 
Stil  gemalte  Speisezimmer  zv]  ein  rechteckiges  Ornament  be- 
zeichnet den  Platz  des  Tisches. 

Neben  diesem  Triclinium  ist  der  Zugang  zum  Bade.  Das 
langgestreckte  Apodyterium  z'  hat  in  seinem  vorderen  Teil  die 
Wanddekoration  zweiten  Stils  —  Marmorimitation  —  erhalten; 
der  innere  ist  später  im  letzten  Stil  ausgemalt  worden.  Den 
FuĂźboden   bedeckt    ein   Mosaik    aus    schwarzen,   weiĂźen,   violett- 

Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.  21 


322  Pompeji. 

roten,  grĂĽnen  und  gelben  Steinchen;  die  Schwelle  ist  bezeichnet 
durch  die  Darstellung  einer  BrĂĽcke ;  an  der  RĂĽckwand  des  innern 
Teils  ist  der  Platz  fĂĽr  ein  Ruhebett  weiĂź  gelassen.  Eine  schmale 
TĂĽr  fĂĽhrt  zu  dem  Bassin  fĂĽr  das  kalte  Bad,  i.  Dies  lag  unter 
freiem  Himmel,  in  dem  kleinen  Garten  2,  umgeben  ohne  Zweifel 
von  dichtem  Gebüsch,  so  daß^  was  in  den  Frigidarien  der  öffent- 
lichen Bäder  die  Wandmalerei  andeutet  (S.  196),  hier  wirklich 
vorhanden  war.  In  der  Ecke  zunächst  der  Tür  und  auch  an  der 
von  dem  Hause  entferntesten  Seite  fĂĽhren  einige  Stufen  hinab; 
an  letzterer  Seite  fiel  von  einem  kleinen,  mit  einem  Löwenkopf 
verzierten  Marmorpfeiler  der  Wasserstrahl  hinein. 

Tepidarium  [u]  und  Caldarium  (/)  wurden  geheizt  durch  unter- 
höhlten Fußboden  und  Hohlwände  (S.  192);  doch  erstrecken  sich 
letztere  im  Tepidarium  nur  auf  die  dem  Caldarium  zunächst 
liegende  Wand;  daher  ist  hier  auf  den  drei  nicht  hohlen  Wänden 
die  dĂĽrftige  Malerei  letzten  Stils  so  ziemlich  erhalten.  Der  FuĂź- 
boden ist  in  beiden  Räumen  gänzlich  zerstört.  In  der  linken 
Wand  des  Tepidariums  bemerken  wir  die  BronzemĂĽndung  einer 
Wasserleitungsröhre ;  es  war  also  vorgesehen,  auch  hier  bisweilen 
ein  Bad  zu  nehmen,  wahrscheinlich  das  kalte  Bad  im  Winter 
(vgl.  S.  196).  Im  Caldarium  ist  links  die  Nische  fĂĽr  das  Labrum; 
die  Wanne  stand  ohne  Zweifel  dem  Eingang  gegenĂĽber  an  der 
Wand  gegen  die  KĂĽche,  von  wo  aus  geheizt  wurde. 

Die  Küche  s  war  beträchtlich  höher  als  die  Baderäume;  der 
Herd  steht  an  der  Wand  nach  dem  Garten  zu;  ĂĽber  ihm  ein 
größeres  und  weiter  oben  zwei  kleine  Fenster.  Auf  eben  dieser 
Wand  das  Larenbild:  die  zwei  Laren  in  der  gewöhnlichen  Gestalt 
und  Stellung  (S.  276)  neben  dem  von  einer  Schlange  umwun- 
denen Altar,  auf  dem  ein  groĂźer  Pinienzapfen  sichtbar  ist.  An 
der  linken  Wand  die  unter  den  FuĂźboden  des  Bades  fĂĽhrende 
Ă–ffnung,  durch  die  dieses  geheizt  wurde;  daneben  eine  Auf- 
mauerung, an  die  drei  Stufen  hinauffĂĽhren  und  auf  der  ohne 
Zweifel  ein  das  Badewasser  enthaltender  Bleikasten  stand.  Näheres 
ĂĽber  die  Art  der  Zuleitung  kalten  und  heiĂźen  Wassers  zu  bestimmen, 
reichen  die  Reste  nicht  aus.  —  An  der  Küche  der  Abtritt  s'. 

An  dem  groĂźen,  noch  nicht  ganz  ausgegrabenen  Garten  links 
vom  Hause  war  das  Dach  der  Portiken  getragen  von  sehr  dĂĽnnen 
{0,27  m)  achteckigen,   sehr   dicht  (1,45  m)  stehenden  Säulen;    an 


XXXVIII.   Das  Haus  der  silbernen  Hochzeit. 


323 


der  Wand  ist  in  der  Höhe  von  3,70  m  der  obere  Rand  des 
Daches  kenntlich.  Offenbar  waren  diese  zierlichen  kleinen  Por- 
tiken dem  Erdbeben  des  Jahres  63  erlegen;  zur  Zeit  des  Unter- 
ganges hatte  man  sie  ganz  abgetragen  und  an  der  Stelle  von 
vier  Säulen  ein  Gartentriclinium ,  wie  in  dem  Hause  des  Sallust 
(S.  296),  angelegt.  Dieses  ist  vorzĂĽglich  erhalten  und  hat  die 
Besonderheit,  daĂź  aus  der  Mitte  des  mit  einer  runden  Marmor- 
platte belegten  TischfuĂźes  ein  Wasserstrahl  aufstieg.  NatĂĽrlich 
nur  wenn  hier  nicht  gegessen  wurde;  rückwärts  im  Portikus  ist 
auch  die  Bleiröhre  der  Leitung  und  der  Hahn  sichtbar,  durch 
den  sie  geschlossen  werden  konnte. 

Es  erübrigt  noch,  einen  Blick  auf  das  kleine  Haus  a — •/  zu 
werfen.  Links  an  dem  kleinen  Atrium  Ăź  fĂĽhrte  eine  Treppe  zu 
oberen  Räumen  über  den  Zimmern  neben  dem  Eingang,  unter 
der  Treppe  eine  TĂĽr  in  ein  Zimmer,  das  dem  GrundriĂź  nach 
zu  dem  großen  Hause  gehört.  Auf  der  Rückseite  des  Atriums 
in  der  Mitte  ein  Zimmer  mit  weitem  Eingang  0,  wir  mögen  es 
Tablinum  nennen,  im  letzten  Stil  bemalt;  links  ein  Schlafzimmer  (y) 
mit  gut  erhaltener  Dekoration  ersten  Stils;  rechts  der  zu  den 
hinteren  Räumen  führende  Gang  {>.)  und  an  seiner  rechten  Wand 
eine  Treppe.  Diese  Treppe  fĂĽhrte  in  einen  sich  ĂĽber  alle  drei 
Räume  erstreckenden  Oberraum,  eine  auf  das  Atrium  geöffnete 
Säulenhalle  oder  Loggia  (Fig.  166  rechts):  die  Tuffragmente  — 
vier  Säulen  und  zwei  Endpfeiler  mit  Halbsäulen  —  liegen  im 
Atrium;  einer  der  Tuffsteine,  auf  denen  sie  standen,  ist  an  seinem 
Platz  geblieben.  Es  ist  das  auf  S.  282  besprochene  Cenaculum, 
der  einzige  Oberraum  auf  der  RĂĽckseite  des  Atriums. 

Hinter  den  drei  genannten  Parterreräumen  lag  ursprünglich 
nur  links  das  einfach  im  ersten  Stil  dekorierte  Schlafzimmer  ![ 
und  rechts  r^,  welches  damals  eine  kleine,  auf  den  Garten  geöff- 
nete dorische  Säulenhalle  war.  Später  ist  dann  r,  in  einen  ge- 
schlossenen, durch  eine  TĂĽr  mit  dem  Garten  verbundenen  Raum 
verwandelt  und  sind  links  am  Garten  ein  Speisezimmer  i>  und  ein 
Schlafzimmer  i  gebaut  worden,  beide  ohne  Oberraum. 

Der  kleine  Durchgangsraum  X  hat  in  seiner  \'orderwand, 
rechts  von  der  Tür,  die  Larennische,  gewölbt  und  im  Stil  der 
letzten  Zeit  mit  buntfarbigen  Stuckornamenten  verziert.  Auf  der 
RĂĽckwand    der    Nische    ist    Herkules    gemalt :    mit    l-^pheu    oder 


324  Pompeji. 

Weinlaub  bekränzt  steht  er  da,  in  der  Linken,  an  die  Schulter 
gelehnt,  die  Keule,  über  dem  Unterarm  die  Löwenhaut,  in  der 
Rechten  den  groĂźen  Weinbecher  (skyphos) ;  neben  ihm  links  der 
Altar,  rechts  das  zum  Opfer  bestimmte  Schwein. 

Die  Direktion  der  Ausgrabungen  ist  jetzt  beschäftigt,  das  Haus 
»der  silbernen  Hochzeit«,  und  auch  das  Nebenhaus,  so  weit  es 
mit  Sicherheit  möglich  ist,  in  seiner  alten  Form  wieder  herzu- 
stellen. Ein  sehr  löbliches  Unternehmen;  die  Arbeit  ist  schon 
weit  vorgeschritten;  wenn  sie  vollendet  ist,  wird  man  hier  wie 
nirgend  sonst  den  ganzen  Aufbau  des  antiken  Hauses  vor  sich 
haben. 


Kapitel  XXXIX. 
Das  Haus  des  Epidius  Rufus. 

Das  Haus  des  Epidius  Rufus  (IX,  i,  20)  bietet  das  weitaus 
besterhaltene  Beispiel  eines  korinthischen  Atriums.  Es  ist  auch 
dadurch  merkwürdig,  daß  hier  in  voller  Blütezeit  des  vorrömischen 
Peristylbaues  ein  Mann,  der  ohne  Sparsamkeit  seine  Wohnung 
künstlerisch  reich  ausgestaltete,  doch  es  verschmähte  seinem 
Hause  ein  Peristyl  anzufĂĽgen,  obgleich  der  Platz  dazu  reichlich 
vorhanden  war,  vielmehr  sich  auf  die  altitalischen  Teile  beschränkte, 
wie  sie  uns  schon  im  Hause  des  Chirurgen  vorliegen. 

Der  vornehme  Charakter  des  Hauses  zeigt  sich  schon  von 
auĂźen.  Einfach  zwar  ist  die  Fassade  (Fig.  168);  nur  das  Portal 
ist  in  bescheidener  Weise  kĂĽnstlerisch  gestaltet:  ein  gutes  Bei- 
spiel einer  Fassade  ohne  Läden.  Aber  sie  tritt  um  1,50  m  hinter 
die  Flucht  der  Nebenhäuser  zurück,  und  auf  dem  so  gewonnenen 
Bodenstreifen  liegt  vor  der  ganzen  Front  ein  1,20  m  hoher 
Perron  (i),  an  jedem  Ende  durch  eine  Treppe  zugänglich.  Der 
Eingang  erinnert  insofern  an  das  Haus  des  Faun,  als  auch  hier 
das  Vestibulum  durch  eine  dreiflĂĽgelige  TĂĽr  verschlieĂźbar  war, 
die  wohl  bei  Tage  gewöhnlich  offen  stand.  Aus  dem  Vestibulum 
fĂĽhren  in  den  inneren  Hausflur  zwei  rechtwinklig  zu  einander 
stehende  Türen :  gradeaus  die  gewöhnlich  geschlossene  große  zwei- 
flügelige ,  rechts  eine  kleine  einflügelige ,  die  dem  gewöhnlichen 
Verkehr  genĂĽgte  (S.  253). 

Im  Atrium  stehen  um  das  weite  Impluvium  16  schlanke  do- 
rische Säulen,  4,35  m  hoch,  vollkommen  erhalten;  auch  von 
ihrem  einfachen,  auf  einer  Holzbohle  aufgemauerten  Gebälk  ist 
ein  Stück  in  ganzer  Höhe  geblieben;  sie  trugen  das  Dach  des 
Atriums.  Dies  war  also  hier  weit  niedriger  als  in  den  bisher 
betrachteten  Häusern;  es  hat  den  hallenartigen  Charakter  des 
alten  Atriums  verloren    und    ist    zu    einem  vierseitisren    Portikus 


326 


Pompeji. 


geworden;  nur  dadurch  erinnert  es  noch  an  seinen  ursprĂĽng- 
lichen Charakter,  daĂź  der  unbedeckte  Mittelraum  nicht  ein  Garten 
ist,  sondern  das  mit  Tuff  gepflasterte  Impluvium.  Aus  diesem 
stieg  in  der  Mitte  ein  Springbrunnen  auf.  An  seinem  hinteren 
Rande  lieĂź  von  einer  marmorbekleideten 
Tuffbasis  eine  Statuette  einen  Wasserstrahl 
in  ein  im  Impluvium  stehendes  zweifĂĽĂźiges 
Becken  fallen;  erhalten  ist  hier  freilich 
nur  der  TuffTcern  der  Basis,  zwei  recht- 
eckige Steine,  auf  denen  das  Becken  stand, 
und  die  in  unserem  Plan  angedeuteten 
Bleiröhren  der  Leitung.  Hinter  der  Basis 
steht  wohlerhalten  eine  kannellierte  weiĂź- 
marmorne Zisternen  Ă–ffnung, 

Auf  die  Mitte  der  Langseiten  öffnen 
sich  die  Alen  (7.  13);  ihre  Eingangsecken 
sind  als  korinthische  Pilaster  gebildet,  an 
deren  Kapitellen  gegen  die  Ala  zu  je  ein 
weiblicher  Kopf  aus  dem  Blattwerk  heraus- 
blickt :  feine  Stuckarbeit  mit  Bemalung  an 
Haaren  und  Augen;  noch  jetzt  ist  an  der 
1^     .:  rechten    Ala    der    epheubekränzte    Kopf 

"J_^f  JJTl -^  einer  Bacchantin  sichtbar.    Geteilt  sind  die 

-i—         Uli        Öffnungen  der  Alen  durch  je  zwei  schöne, 

schlanke   ionische   Säulen;     alles    dies    in 
ganzer  Höhe  erhalten. 

Leider  zeigt  die  ebenfalls  gut  erhaltene 

RĂĽckseite    nicht  die    ursprĂĽngliche   Form 

des  Baues.      Einst   öffnete    sich  hier   das 

Tablinum  in  ganzer  Breite  zwischen   zwei 

Pilastern,    die    breiter,     also    auch    wohl 

höher  waren  als  die  der  Alen.    Später  ist 

dann    der  Eingang    verengert    und    seine 

Höhe  auf  3,75  m  vermindert  worden. 

Den   rückwärtigen  Abschluß   des  Hauses   bildet  die  auf  den 

Garten   (24)    geöffnete    Säulenhalle   {22).     Rechts    an    dieser    die 

Kammer  des  Gärtners  (23),  mit  Fenster  auf  den  Garten.     Dieser 

war,  wie  die  Spuren  der  Bearbeitung  zeigen,  ein  Nutzgarten;  nur 


Fig.  167.    GrundriĂź  des  Hauses 

des  Epidius  Rufus. 
I.  Perron.  2.  Vestibulum  mit 
NebentĂĽr.  7,  13.  Alae;  in  der 
einen  (7)  die  Hauskapelle. 
15.  Treppe  zu  Räumen  über  17, 
21.  17.  Schlafzimmer.  18  An- 
dren. 19.  Tablinum.  20.  Speise- 
zimmer. 21.  KĂĽche  mit  Herd  (i5). 
28.  Säulenhalle.  23.  Zimmer 
des  Gärtners.  24.  Nutzgarten. 
25.  Ziergarten. 


XXXIX.   Das  Haus  des  Epidius  Rufus. 


327 


der  höher  gelegene  und  durch  eine  Treppe  zugängliche  Teil  (25) 
war  vielleicht  ein  Ziergarten. 

In  den  Gartenportikus  fĂĽhrt  links  vom  Tablinum  der  Korridor 
(Andron,  18).     Links  zwei  niedrige,  gewölbte  Räume.    Der  eine 


Fig.  168.     Fassade  des  Hauses  des  Epidius  Rufus,  wiederhergestellt. 

(17)  war  wohl  ein  kleines  Schlafzimmer.  Der  andere  (21),  hoch 
2,95  f^j  ist  die  wohlerhaltene  Küche  mit  Herd  [ö]  und  Abtritt, 
dĂĽrftig  erleuchtet  durch  kleine  Fenster.  Der  kleine  Raum  a  am 
Eingang  der  Küche  war  wohl   ein  Wandschrank.     Diese  Räume, 


HjH — I — i — I — ^ 

Fig.  169.    Querschnitt  des  Hauses  des  Epidius  Rufus,  wiederhergestellt. 


17,  2  1,  a,  sind  die  einzigen,  über  denen  obere  Räume  lagen, 
zugänglich  durch  die  Treppe  bei  15:  es  war  außer  einigen 
kleinen,  beim  Treppenbau  übrig  gebliebenen  Räumen,  nur  ein 
geräumiges  Zimmer,    über  der  Küche.     Diese  gewölbten  Räume 


328  Pompeji. 

mit  Oberzimmer  und  Treppe  gehen  zurĂĽck  auf  einen  Umbau, 
wohl  noch  in  republikanischer  Zeit.  Das  ursprĂĽngliche  Haus  der 
Tufifperiode  hatte  auch  hier  nur  Räume  zu  ebener  Erde. 

Es  fehlt  nicht  an  Resten  der  Wanddekorationen  ersten  und 
dritten  Stils.  Von  Interesse  sind  aber  nur  die  wohl  nach  63 
entstandenen  Malereien  des  Speisezimmers  (20);  auf  weiĂźem 
Grunde  phantastische  Architekturen,  stilisierte  Pflanzenmotive, 
Ornamentstreifen,  alles  sehr  leicht  und  zierlich;  dazwischen  der 
Wettstreit  des  Apollo  und  Marsyas.  Bei  a  Apollo,  nackt  bis  auf 
ein  ĂĽber  seinen  RĂĽcken  hinabflatterndes  rotes  Gewand;  weit  aus- 
schreitend rĂĽhrt  er  mit  der  Rechten  die  an  seiner  linken  Schulter 
hängende  Kithara,  genau  so  wie  wir  ihn  in  einem  Bilde  des 
Hauses  der  Vettier  (S.  349)  als  Besieger  des  Drachen  Python 
dargestellt  finden  werden.  Bei  b  Marsyas,  die  Doppelflöte  blasend ; 
bei  d^  e  die  Musen  als  Richterinnen  des  Wettkampfes.  Malereien 
wie  diese  mochten  beeinfluĂźt  sein  durch  den  Kult  des  alten 
Stadtgottes,  aber  sie  bringen  doch  auch  wohl  die  poetischen  und 
musikalischen  Neigungen  des  Hausherrn  zum  Ausdruck. 

An  der  RĂĽckwand  der  rechten  Ala  (7)  steht  die  Kapelle  der 
Hausgötter:  zwei  Pilaster  und  zwei  Säulchen,  hoch  0,70  m,  tragen 
Gebälk,  Giebelfeld  und  Dach.  Von  der  in  den  1,50  m  hohen 
Unterbau  eingelassenen  Inschrift  —  Genio  M[arci)  n[ostri)  et 
Laribiis  duo  Diadunieni  liberti  —  war  schon  S.  277  die  Rede. 
Die  so  zum  Heiligtum  gewordene  Ala  war  durch  ein  Gitter 
zwischen  ihren  Säulen  und  Pilastern  vom  Atrium  getrennt. 


Kapitel  XL. 
Das  Haus  des  tragischen  Dichters. 

Das  Haus  des  tragischen  Dichters,  bei  Buhver  das  Haus  des 
Glaukos,  ist  nur  klein,  aber  berĂĽhmt  wegen  seines  Reichtums  an 
Gemälden  und  Mosaiken.  Es  erhielt  seine  letzte  Gestalt  und 
AusschmĂĽckung  in  der  letzten  Zeit  Pompejis,  nach  dem  Erdbeben 
des  Jahres  63,  und  ist  ein  gutes  Beispiel  einer  kleinen  aber  vor- 


Fig.  170.  GrundriĂź  des  Hauses  des  tragischen  Dichters,  i.  Fauces.  2,  2.  LĂĽden.  3.  .Atrium. 
4,  4.  Treppen  zu  oberen  Räumen.  6,  6.  Schlafzimmer.  7.  Ala.  8.  Tablinum.  9.  Andron. 
10.  Peristyl.     11.  Kapelle.     12,   14.  Schlafzimmer.      13.  KĂĽche.      15.  Speisezimmer.     16.  Posticum. 


nehmen  Wohnung  der  Kaiserzeit.  Seinen  Namen  verdankt  es 
einem  Gemälde  und  einem  Mosaikbilde,  die  beide  im  Tablinum 
gefunden  wurden.  Das  Bild  ist  eine  Wiederholung  einer  noch 
öfter  vorkommenden  Komposition.  Links  sitzen  Admct  und 
Alcestis;  ihnen  gegenĂĽber  der  Bote,  aus  einer  Papyrusrolle  das 
verhängnisvolle  Orakel  vorlesend:  Admet  muß  sterben,  es  sei 
denn,  daß  jemand  für  ihn  sterben  wolle.     Admet  deutet,   Erklä- 


330 


Pompeji. 


rung  fordernd,  mit  dem  Finger  auf  das  Papier;  hinter  ihm  seine 
Eltern,  in  ausdrucksvoller  Gebärde  mit  erhobenen  Händen  das 
ihnen  zugemutete  Opfer  abwehrend.  Alcestis  aber  blickt  ruhigen 
Mutes  den  Boten  an,  bereit  das  Opfer  zu  bringen,  an  dessen 
Annahme  seitens  des  Mannes  das  lebensfrohe  Altertum  keinen 
AnstoĂź  nahm.  Im  Hintergrunde  Apollo  als  Orakelgott  und  noch 
eine  verschleierte  weibliche  Gestalt  unsicherer  Erklärung.     Diese 


Fig.  171.    Haus    des   tragischen  Dichters:   Blick   aus   dem  Atrium    durch   das  Tablinum  auf  die 

Kapelle   an   der  RĂĽckseite    des   Peristyls.    Rechts   der  Andron ,   vorn   CisternenmĂĽndung   hinter 

dem  Impluvium.    Photographie  Brogi. 


schwache  Kopie  eines  wahrscheinlich  schönen  und  an  psycho- 
logischen Motiven  reichen  Bildes  wurde  zur  Zeit  der  Ausgrabung 
(1824 — 25)  mißverstanden:  man  meinte,  es  sei  ein  .sein  Werk 
vorlesender  Dichter.  Und  zwar  ein  tragischer;  dies  schloĂź  man 
aus  einem  Mosaikbild  im  FuĂźboden  des  Tablinums,  das  in  der 
Tat  die  Vorbereitungen  zu  einer  TheaterauffĂĽhrung  darstellt. 
Der  lange  Hausflur  (i)  hat  die  TĂĽr  gleich  an  der  StraĂźe,  so 


XL.   Das  Haus  des  tragischen  Dichters. 


331 


daß  die  Läden  (2)  durch  ihre  Seitentüren  mit  dem  Innern  des 
Hauses  in  Verbindung  standen.  Es  scheint  also,  daĂź  der  Haus- 
herr selbst  irgend  welchen  Handel  trieb.  In  einem  der  Läden 
wurde  einiger  Goldschmuck  gefunden,  doch  wäre  es  wohl  vor- 
eilig, anzunehmen,  derselbe  habe  hier  zum  Verkauf  gestanden. 

Gleich  hinter  der  HaustĂĽr  zeigt  das  schwarzweiĂźe  FuĂźboden- 
mosaik einen  groĂźen  angeketteten  Hund  mit  der  Beischrift: 
cave  catiem,  >hüte  dich  vor  dem  Hunde«.  Vorzüglich  erhalten 
sind  auch  die  schwarzweißen  Mosaikfußböden  im  Atrium ,  im 
Tablinum  und  in  dem  groĂźen  Speisezimmer  (15). 

Unser  Längenschnitt  Fig.  172  zeigt  die  Höhenverhältnisse  der 
verschiedenen  Räume.     Charakteristisch  für   die  späte   Zeit   sind 


Speisesaal.  KĂĽche.    Tablinum.       Ala.       Impluvium.    Treppe.  Fauces. 

Atrium. 

Fig.  172.    Längenschnitt  des  Hauses  des  tragischen  Dichters,  wiederhergestellt. 


die  niedrigen  TĂĽren,  die  Alae  und  das  Tablinum  ohne  Pilaster- 
einfassung,  nur  mit  einfacher  Holzverkleidung  am  Eingange,  das 
niedrige  und  zierliche  Peristyl.  In  der  Aedicula  an  der  RĂĽck- 
wand dieses  letzteren  (Fig.  171)  stand  die  Marmorstatuette  eines 
Satyrs,  gegürtet  mit  einem  Fell  und  Früchte  im  Schöße  des- 
selben tragend. 

Gleich  vom  am  Atrium  fĂĽhrte  jederseits  eine  Treppe  (4)  zu 
oberen  Räumen.  Wir  wissen  nicht,  wie  weit  sich  diese  aus- 
dehnten. 

Der  erste  Raum  links  am  Atrium  (5),  durch  die  Treppe  be- 
engt, mit  weißen  Wänden,  war  wohl  die  Kammer  des  Atriensis, 
der  auch  als  TĂĽrhĂĽter  [ostiariiis]  diente.  Die  mit  6  bezeichneten 
Räume  sind  herrschaftliche  Schlafzimmer,  so  auch  die  Zimmer 
12   und   14  am  Peristyl;    6',    mit  Regalen  an  den  Wänden,    war 


332 


Pompeji. 


eine  Vorratskammer,    13  die  KĂĽche.     Als  Speisezimmer  mochte 
im  Sommer  das  Tablinum  (8)  dienen,    im  Winter  15,   vor  allen 


Fig-  173-    Zeus  und  Hera  auf  dem  Ida.     Wandgemälde  aus  dem  Hause  des  tragischen  Dichters. 


anderen  Zimmern  ausgezeichnet  durch  Größe  und  Höhe  (Fig.  172). 
Ihm  gegenĂĽber  die  HintertĂĽr  (16). 


XL.   Das  Haus  des  tragischen  Dichters.  ^^3 

Sechs  große,  gegen  1,30  m  hohe  Bilder  [a—f  auf  dem  Plan) 
zierten  die  Wände  des  Atriums ;  ein  seltener  Fall,  da  gewöhnlich 


Fig.  174.     Fortführung  der  Briseis.     Wandgemälde  aus  dem  Hause  des  tragischen  Dichters. 
Photogr.iphie  Alinari. 

grade    die  Atrien   an  Bildern    arm    sind.     Eine  Ausnahme   ist  es 
auch,    daĂź    diese    unter    sich    in    einem    Innern   Zusammenhange 


334  Pompeji. 

stehen:  Szenen  des  trojanischen  Krieges,  in  engem  AnschluĂź 
an  die  Ilias,  seltsamerweise  geordnet  ohne  RĂĽcksicht  auf  den 
Gang  der  Handlung:  «,  Hera,  von  dem  Schlafgotte  Hypnos  be- 
gleitet, kommt  zu  Zeus  auf  dem  Ida  (Fig.  173);  b  nicht  erhalten; 
man  sah  zur  Zeit  der  Ausgrabung  eine  nackte  Aphrodite;  etwa 
das  Urteil  des  Paris?  c^  Achilleus  ĂĽbergibt  die  Briseis  den 
Boten  des  Agamemnon;  d^  Fragment,  Einschiffung  der  Chryseis; 
e^  Fragment,  zu  wenig  um  die  Handlung  zu  erkennen;  /,  Frag- 
ment, vermutlich  Thetis  mit  ihrem  Gefolge,  dem  Achilleus  die 
von  Hephaestus  geschmiedeten  Waffen  bringend. 

Von  allen  diesen  Bildern  sind  also  nur  zwei,  a  und  ^,  ziem- 
lich vollständig  erhalten,  berühmte  Bilder,  ausgezeichnet  durch 
schöne  Komposition  und  sorgfältige  Ausführung.  Das  bedeu- 
tendste ist  a^  bewundernswert  namentlich  die  Gestalt  der  Hera. 
Eine  majestätische  Schönheit,  mit  weit  geöffneten,  leuchtenden 
Augen,  ein  goldenes  Diadem  in  dem  mit  kurzen  Locken  die 
Stirn  umrahmenden  dunklen  Haar,  reich  gekleidet  —  die  Feinheit 
des  Stoffes  zeigt  sich  in  den  Falten  des  Obergewandes  —  so 
tritt  sie  vor  den  auf  dem  Felsen  des  Ida  sitzenden  Gatten,  der 
sie  verlangend  anblickt  und  ihren  Arm  faĂźt,  um  sie  an  sich  zu 
ziehen.  Nicht  verfĂĽhrerisch  naht  sie  ihm,  eher  zurĂĽckhaltend, 
wie  es  der  Königin  der  Götter  ziemt  und  wie  es  ja  auch  Homer 
in  der  berĂĽhmten  Stelle  schildert.  So  recht  freilich  befriedigt 
diese  Erklärung  nicht.  Wir  möchten,  daß  sie  den  Gatten  an- 
blickte, daĂź  die  beiden  Hauptgestalten  in  lebhaftere  Beziehung 
zu  einander  gesetzt  wären.  Aber  der  Maler  hat  der  Versuchung 
nicht  widerstanden,  die  Hauptfigur  vor  allem  in  möglichst  gün- 
stiger Ansicht  hinzustellen  und  darĂĽber  die  dramatische  Gestal- 
tung der  Szene  zu  vernachlässigen:  eine  in  pompejanischen  Bildern 
nicht  seltene  Schwäche.  Auf  dem  Kapitell  einer  Säule  im  Hinter- 
grunde stehen  drei  kleine  bronzene  Löwen,  an  ihrem  Schaft 
hängen  zwei  Flöten  |und  zwei  Paar  Becken,  weiter  unten  lehnt 
ein  Tamburin:  Symbole  der  Cybele,  der  Göttin  des  Ida.  In  der 
Ecke  rechts  unten  sitzen  drei  kleine,  mit  Laub  und  Blumen  be- 
kränzte Jünglingsgestalten.  Aus  gewissen  auffallenden  Finger- 
bewegungen hat  man  geschlossen,  es  seien  die  idäischen  Dak- 
tylen (»Finger«),  Dämonen  metallurgischer  Geschicklichkeit  im 
Gefolge  der  Cybele.     Oder  verkörpern  sie,    wie  die  Bekränzung 


XL.    Das  Haus  des  tragischen  Dichters.  Ăź^e 

anzudeuten  scheint,  die  nach  den  Worten  des  Dichters  bei  der 
Vereinigung  des  Götterpaares  aufsprossenden  Kräuter  und  Blumen? 

Mehr  dramatisches  Leben  zeigt  das  andere  Bild,  die  Weg- 
fĂĽhrung der  Briseis  (Fig.  174).  In  der  Mitte  sitzt  Achilleus. 
Unwilligen  Ausdrucks  wendet  er  sich  Patroklos  zu,  der  eben 
rechts  die  weinende  Briseis  herbeifĂĽhrt,  und  fordert  ihn  durch 
eine  Handbewegung,  auf,  sie  den  links  stehenden  Boten  des  Aga- 
memnon zu  ĂĽberliefern.  Hinter  ihm  sein  alter  Begleiter  Phoenix, 
ihm  beruhigend  zusprechend;  weiter  zurĂĽck  undeutlich  gemalte 
Kriegergestalten,  im  Hintergrunde  das  Zelt  des  Achilleus.  Ge- 
sichtsausdruck und  Bewegungen  sind  der  Situation  und  den  Emp- 
findungen angemessen;  doch  gelingt  es  dem  KĂĽnstler  nicht,  diese 
Empfindungen  recht  kräftig  und  unmittelbar  zum  Ausdruck  zu 
bringen;  sie  sind  angedeutet,  gewissermaĂźen  stilisiert. 

Die  Komposition  hat  in  beiden  Bildern  einen  fast  reliefartigen 
Charakter.  Das  Bild  hat  keine  Tiefe.  Die  Hauptfiguren  stehen 
im  Vordergrunde,  ziemlich  gleich  weit  vom  Beschauer  entfernt; 
die  fünf  behelmten  Köpfe  im  Achilleusbilde ,  nur  andeutend  be- 
handelt, gehören  durchaus  zum  Hintergrund.  In  dem  Herabilde 
wird  der  Hintergrund  gleich  hinter  den  Hauptpersonen  durch  das 
Waldesdickicht  geschlossen.  Es  ist  keine  recht  freie  malerische 
Komposition;  man  hat  fast  das  GefĂĽhl,  als  seien  hier  Reliefs  in 
Malerei  umgesetzt  worden.  Die  Vorbilder  dieser  Gemälde  mögen 
in  relativ  frĂĽher  Zeit,  vor  der  Zeit  Alexanders,  etwa  im  vierten 
Jahrhundert  v.  Chr.,  entstanden  sein. 

Eines  der  besterhaltenen  Bilder  war  auf  eine  Wand  des  Peri- 
styls,  bei  o  gemalt:  die  Opferung  der  Iphigenie  (Fig.  175).  In 
betreff  der  reliefartigen  Komposition,  der  mangelnden  Tiefe  gilt 
von  diesem  Bilde  Ahnliches  wie  von  den  eben  besprochenen. 
Aber  durch  den  gänzlich  mangelnden  Hintergrund  wird  es  in 
eine  andere  Klasse  gerĂĽckt;  auch  die  AusfĂĽhrung  ist  von  anderer 
Hand,  geringer  und  gröber.  Wohl  mag  ein  bedeutendes  Kunst- 
werk als  Vorbild  gedient  haben;  aber  sicher  ist  es  nicht  treu  und 
auch  wohl  nicht  vollständig  wiedergegeben. 

Timanthes,  um  400  v.  Chr.,  malte  Iphigenie  am  Altar  stehend, 
Kalchas  traurig,  noch  trauriger  Ăśdysseus,  laut  klagend  Aias, 
Menelaos  in  solchem  Jammer,  daß  keine  Steigerung  mehr  mög- 
lich war;  daher,  sagt  Plinius.  verzichtete  er  darauf,  den  Schmerz 


i36 


Pompeji. 


Agamemnons,  des  Vaters,  in  seinen  Mienen  zum  Ausdruck  zu 
bringen,  und  malte  ihn  mit  verhĂĽlltem  Haupte.  So  finden  wir 
ihn  auf  unserem  Bilde.  Auch  die  Gestalt  des  Kalchas,  der  wie 
nachdenkend  die  das  Schwert  haltende  Hand  an  das  Kinn  legt, 
mögen  wir  wohl  so  fassen,  daß  er  »traurig«   ist,  daß  er  nur  mit 


Fig.  175.     Opfer  der  Iphigenie.     Wandgemiilde.     Photographie  Brogi. 


Widerstreben  daran  geht,  das  Opfer  zu  vollziehen.  Aber  die 
übrigen  Figuren,  Odysseus,  Aias,  Menelaos  fehlen;  und  wäre  es 
auch  nicht  ausdrĂĽcklich  bezeugt,  daĂź  bei  Timanthes  Iphigenie 
am  Altar  stand,  so  würden  wir  doch  nimmer  die  unmögliche  Art, 
wie  sie  hier  getragen  wird,  auf  die  Konzeption  eines  bedeutenden 
KĂĽnstlers  zurĂĽckfĂĽhren.    Wohl  mae  also  das  Bild  des  Timanthes 


XL.   Das  Haus  des  tragischen  Dichters.  2iy 

unseren  Maler  angeregt  haben.  Aber  er  ist  ein  schlechter  Nach- 
ahmer; grade  die  Figuren  hat  er  unterdrĂĽckt,  in  denen  Timan- 
thes,  der  Maler  psychologischer  Affekte,  sein  Höchstes  geleistet 
hatte.  In  der  Gruppe  der  Iphigenie  hat  er  ihn  durch  ein  drasti- 
scheres Motiv  ĂĽberbieten  wollen;  das  ĂĽbrige  hat  er  wieder- 
gegeben so  gut  er  vermochte,  in  einer  Malweise  wie  sie  zur  Zeit 
Neros  fĂĽr  wohlfeile  Arbeit  ĂĽblich  war. 

Mehr  als  im  Atrium  kommt  in  dem  groĂźen  Speisezimmer  15 
auch  der  rein  dekorative,  ornamentale  Teil  der  Wandmalerei  zur 
Geltung.  Auf  jeder  der  drei  Wände  —  die  Eingangswand  wird 
fast  ganz  von  der  weiten  Tür  eingenommen  —  ist  die  Haupt- 
fläche in  drei  große  Felder  geteilt,  oberhalb  deren  leichte  phan- 
tastische Architekturmalerei  sich  bis  an  die  Decke  erhebt;  auf 
jeder  Wand  enthält  das  Mittelfeld  ein  größeres  Gemälde,  Nach- 
ahmung eines  Tafelbildes;  alle  drei  von  vorzĂĽglicher  AusfĂĽhrung. 
Bei  p  ein  junges  Paar,  das  ein  Nest  mit  Amoren  gefunden  hat 
und  betrachtet;  bei  q  Theseus,  die  schlafende  Ariadne  verlassend; 
bei  r  ein  unerklärtes  Bild:  Artemis,  der  ein  reich  als  Jäger  ge- 
kleideter junger  Mann  gegenübersteht,  während  Amor,  an  ihren 
Schenkel  gelehnt,  mit  dem  Pfeile  nach  ihrem  Herzen  zielt:  alles 
drei  beliebte  und  oft  wiederholte  Darstellungen.  Die  Seitenfelder 
der  Wände  und  so  auch  die  kurzen  Wandstücke  neben  dem  Ein- 
gang enthalten  einzelne  Figuren.  Viermal  das  Bild  eines  nackten, 
aber  mit  Helm,  Schild,  Schwert  und  Lanze  bewehrten  jungen 
Mannes:  herrliche  Gestalten,  wie  sie  herausfordernd  in  stolzer 
und  freier  Haltung  dastehen.  Die  vier  ĂĽbrigen  Felder  zeigen  die 
Jahreszeiten  als  schwebende  weibliche  Gestalten.  Beides  in  der 
letzten  Zeit  Pompejis  sehr  beliebte  und  oft  wiederholte  Gegen- 
stände. 


Mau,  Pompeji.     2.  Aufl. 


Kapitel  XLI. 
Das  Haus  der  Vettier. 


Wie  unter  den  Häusern  der  vorrömischen  Zeit  das  Haus  des 
Faun,  so  ist  unter  denen  der  späteren  Zeit  ohne  Zweifel  das 
sehenswerteste  und  lehrreichste  das  in  den  Jahren  1894  und  1895 
ausgegrabene  Haus   der  Vettier.     Aulus  Vettius  Restitutus  und 


Fig.  176.     AuĂźenansicht  des  Hauses  der  Vettier,  wiederhergestellt. 

Aulus  Vettius  Conviva  —  wir  wissen  nicht  wie  sie  miteinander 
verwandt  oder  ob  sie  vielleicht  nur  Freigelassene  desselben  Herrn 
waren  —  wohnten  in  diesem  Hause;  man  fand  hier  ihre  beiden 
Petschafte.  Auf  der  StraĂźenwand  lesen  wir  ein  Wahlprogramm: 
Sabimim  Restitutus  rog[at)^  »den  Sabinus  (zu  wählen)  bittet 
Restitutus«.    Eine  andere  Inschrift  —  Vetti  Conviva  Äugiisia[lis)  — 


XLI.   Das  Haus  der  Vettier. 


339 


lehrt  uns,  daß  der  andere  Vettier  Augustale  war.  Diese  Körper- 
schaft bestand  aus  Freigelassenen;  es  waren  also  diese  Vettier 
wohl  reiche,  aber  keine  vornehmen  Leute.  Die  hervorragende 
Bedeutung  ihres  Hauses  beruht  auf  seinen  außerordentlich  schönen 
Malereien  und  auf  der  vorzĂĽglichen  Erhaltung  des  Peristyls  mit 
seinen  marmornen  Statuetten,  Tischen  und  Fontänen.  Im  übrigen 
ist  es  ein  mäßig  großes  Haus,  in  seiner  Anlage  von  anderen  nicht 
wesentlich  abweichend.  Das  SĂĽdende  der  Insula VI,  1 5  einnehmend 


Fig.  177.     GrundriĂź   des  Hauses   der  Vettier.    a  Vestibulum.     i  Fauces.    c  Atrium,     k,  i  Alae 

l  Säulenhallen  des  Peristyls.    m  Garten.     «,  /  Speisezimmer.    ^  Raum  mit  den  Amorenbildern. 

s  Kleines  Peristyl.    t  Speisezimmer.     «  Schlafzimmer,     v  Nebenatrium,    zu  Küche,    jr"  Kammer 

des  Kochs,    y  Korridor  zu  Nebenräumen  {^,  (t)  und  Posticum. 


liegt  es  in  einer  durchaus  nicht  frequenten  Gegend,  und  es  war 
keine  geringe  Ăśberraschung,  hier  eine  so  reich  ausgestattete 
Wohnung  zu  finden. 

Aus  dem  Vestibulum  (a)  fĂĽhrten  in  die  Fauces  {d)  die  groĂźe, 
meist  geschlossene  Haupttür  und  eine  kleine,  dem  gewöhn- 
lichen Verkehr  dienende  SeitentĂĽr  (vgl.  S.  253).  Das  tuscanische 
Atrium  c  zeigt  unser  Schnitt  A  B  (Fig.  178)  in  der  Längen- 
ansicht.    Die  Alen  h  i  und   der  Flur  b  sind    nicht,    wie   in    der 


340 


Pompeji. 


vorrömischen  Zeit,    von  Pilastern   eingefaßt,    sondern  haben  nur 
eine  schmale  Holzverkleidung  an  den  Eingangsecken;    die  linke 


Säulenhalle  (/).  Großes  Zimmer  (y).  Säulen- 

Garten  mit  Fontänen  und  Skulpturen. 

Fig.  178.    Längenschnitt  des  Hauses 

Ala   h  war    in   der  letzten   Zeit  in    einen  groĂźen   Wandschrank 
verwandelt  worden.     An  den  Seitenwänden   des  Atriums  stehen 


Kleines  Peristyl  (s).  Kleines  Speisezimmer  (/).  Fenster  der  rechten 

Speisezimmer.  Säulenhalle.  Ala  [i). 

Fig.  17g.     Querschnitt  durch  die 


zwei  Geldkisten;  die  eine  ist  in  Fig.  178  sichtbar.  Kein  Tablinum; 
aus  dem  Atrium  treten  wir  direkt  in  das  Peristyl  /,  und  zwar 
durch   drei  TĂĽren  (Fig.  179);    man   hat  Wert  darauf  gelegt,    der 


XLI.   Das  Haus  der  Vettier. 


341 


RĂĽckseite    des  Atriums  dieselbe   Gliederung   zu  geben,    wie  in 
Häusern  mit  Tablinum  und  Hinterzimmern. 


halle. 


Ala 


der  Vettier,  wiederhergestellt. 


Impluvium.     Geld-  TĂĽr     Fauces  {i). 

Atrium.  leiste.  zum  Vesti- 

Nebenatrium.  bulum  {a). 


An   dem   groĂźen  Peristyl  /  (Querschnitt  Fig.  179)   liegen   die 
größeren  und  kleineren  Zimmer  ;/,  0,  />,  q^  r\    rechts  führt  eine 


GroĂźes  Peiisty 


beiden  Peristyle,  wiederhergestellt. 


TĂĽr  in  das  kleine,  zierliche  Peristyl  s  (Fig.  179)  mit  einem  Speise- 
zimmer t  und  einem  Schlafzimmer  u. 

Endlich   rechts   vom  Atrium   das  kleine  Nebenatrium  v.    mit 


342  Pompeji. 

dem  (im  Plan  angedeuteten)  Larenheiligtum  (Fig.  144)  und  ver- 
schiedenen Wirtschaftsräumen  und  Sklavenzimmern;  w  ist  die 
KĂĽche  (Herd  Fig.  140),  x'  die  Kammer  des  Kochs. 

Auf  der  andern  Seite  des  Hauptatriums  fĂĽhrt  der  Korridor  / 
in  den  Raum  Ăź  mit  Nebenausgang  auf  die  SeitenstraĂźe. 

Obere  Räume  waren  über  den  Zimmern  am  Nebenatrium 
;tr,  7,  z  (nicht  über  der  Küche  w)  und,  in  höherem  Niveau,  über 
den  Räumen  vor  dem  Hauptatrium,  k,  b,  d^  diese  wie  jene  zu- 
gänglich durch  eine  Treppe  in  cf,  die  man  jetzt  wiederhergestellt 
hat.  Ferner,  wieder  in  niedrigerem  Niveau,  ĂĽber  e  und,  noch 
niedriger,  über  /,  //,  «,  0,  /5,  (5,  diese  wie  jene  zugänglich  durch 
eine  Treppe  in  y. 

Das  groĂźe  SchaustĂĽck  des  Hauses  ist  sein  Peristyl  (Fig.  181). 
Seine  Säulen,  weiß,  bis  unten  hinab  kannelliert,  mit  buntfarbigem 
Phantasiekapitell,  sind  gut  erhalten,  in  einem  Teil  des  Vorder- 
portikus auch  das  Gebälk:  gelb  mit  einem  Pflanzengewinde  in 
weiĂźem  Stuckrelief  (Fig.  180).  Nach  der  Ausgrabung  sind  dann 
Gebälk  und  Dach  größtenteils  hergestellt  worden. 

Antike  Ausgräber  haben  zwar  die  eigentlichen  Wohnräume 
ziemlich  vollständig  ausgeplündert,  aber  bei  den  vorderen  Peri- 
stylsäulen  Halt  gemacht,  in  der  Meinung,  hier  sei  nun  weiter 
nichts  zu  holen.  So  ist  der  reiche  Skulpturenschmuck  des  Gartens 
fast  vollständig  am  Platze  geblieben. 

An  jeder  Ecke  steht  ein  rundes,  an  jeder  Seite  ein  länglich 
viereckiges  Marmorbecken  (im  Plan  angedeutet).  In  sie  wurden 
Wasserstrahlen  entsandt  von  zwölf  Statuetten,  die  auf  Postamenten 
an  den  Säulen  standen.  Neun  dieser  Statuetten  sind  erhalten; 
es  fehlen  die  der  Vorderseite  und  der  linken  Vorderecke.  Die 
der  rechten  Seite  sind  aus  Bronze:  zwei  Knaben,  jeder  eine  Ente 
im  Arm  haltend,  aus  deren  Schnabel  der  Wasserstrahl  sprang 
(Fig.  181).  Die  ĂĽbrigen  sind  aus  Marmor  und  ohne  besonderes 
Interesse:  ein  Bacchus,  zwei  Satyrn,  ein  Hirte  mit  phrygischer 
Mütze  (Paris?),  ein  sitzender  Knabe,  der  einen  Hasen  festhält, 
aus  dessen  Mund  das  Wasser  sprang,  zwei  einfältig  lächelnde 
Knaben  —  Sklavenkinder?  —  denen  mit  einem  großen  Tuche 
die  Hände  auf  den  Rücken  gebunden  sind. 

Auch  mitten  im  Garten  stehen  Skulpturen,  und  auch  hier 
sprang  das  Wasser.      Zwei   Springbrunnen:    einer    ein   Marmor- 


XLI.   Das  Haus  der  Vettier. 


343 


Viereck  auf  flacher  Erde,  aus  dem  der  Wasserstrahl  aufstieg,  der 
andere  in  Form  eines  Salbengefäßes.  Ferner  eine  reich  orna- 
mentierte viereckige  Marmorschale  auf  zwei  Füßen.  Zwei  Säul- 
chen tragen  jedes  eine  Doppelherme:  Silen  und  Bacchantin, 
Bacchus  und  Ariadne,  jene  von  krausen  und  eigentĂĽmlich  cha- 
rakteristischen,   diese    (abgebildet  Kap.  LIII)   von   weichen    und 


Fig.  i8o.    Basis,  Kapitell  uaJ  Gebälk  des  Portikus  am  Peristyl. 


glatten  Formen,    mit  deutlichen  Resten  der  Bemalung   in  Haar, 
Bart  und  Augen. 

Ein  runder  Tisch  steht  in  der  Mitte  des  Gartens,  drei  Tische 
in  den  Portiken,  besonders  schön  der  runde  Marmortisch  vorn 
rechts,  auf  drei  Füßen  in  Form  von  Löwentatzen,  die  oben  in 
ein  Löwenhaupt  enden  (vgl.  Abb.  Kap.  XLVI),  mit  reichlichen 
Resten  gelber  Farbe  in  den  Mähnen. 


344 


Pompeji. 


Neuerdings  hat  man  den  Garten  mit  Blumen  und  Sträuchern 
bepflanzt,  mit  Benutzung  antiker  Spuren.  Auch  die  Röhren  der 
Wasserleitung  —  fast  vollständig  erhalten  —  sind  hergestellt 
worden,  so  daß  es  möglich  ist,  für  kurze  Zeit  die  vierzehn  Wasser- 
strahlen springen  zu  lassen.  Nirgends  hat  der  Besucher  so  wie 
hier  den  vollen  Eindruck  der  antiken  Wohnung. 

Die  Malereien  dieses  Hauses,  alle  letzten  Stiles,  zerfallen  den- 
noch deutlich  in  zwei  Klassen,  eine  ältere  und  eine  jüngere.  Die 
ältere  umfaßt  das  Atrium  r,  die  Alen  h  i  und  das  große  Zimmer  q. 


Fig.  i8i.     Garten  im  Hause  der  Vettier,  aus  dem  Nordportikus  gesehen. 


Damals  war  die  linke  Ala  //  mit  n  durch  eine  TĂĽr  verbunden 
und  hatte  ein  groĂźes  Fenster  auf  das  Peristyl,  wie  noch  jetzt 
die  rechte  Ala  (Fig.  179);  später  wurden  Tür  und  Fenster  ver- 
mauert und  die  Ala  in  einen  Schrank  verwandelt.  Alles  dies 
aber  noch  vor  dem  Erdbeben  des  Jahres  63,  welches  dann  die 
Mauer  zwischen  Ala  und  Peristyl  mit  dem  vermauerten  Fenster 
teilweise  umwarf  Danach  fällt  also  die  Entstehung  dieser  älteren 
Malereien  beträchtliche  Zeit  vor  das  Jahr  63.  Zu  der  jüngeren 
Klasse,   nach  63,   gehört  der  Hausflur  ^,   ferner  <?,   die   Portiken 


XLI.   Das  Haus  der  Vettier. 


345 


des  Peristyls  /,  die  sich  auf  diese  öffnenden  Speisezimmer  w,  /, 
das  kleine  Nebenperistyl  s  mit  /  und  z/,  das  weiterhin  zu  er- 
wähnende Larenbild  im  Nebenatrium  v.  Zweifelhaft  ist  die  Zeit 
der  unbedeutenden  Malereien  in  d,  /,  g;  k.  Ohne  Malerei  sind 
o  und  r,  so  auch  das  Nebenatrium  [v)  mit  den  anliegenden  Zimmern. 

In  den  älteren  Malereien  zeigt  sich  ein  feiner,  vornehmer  Ge- 
schmack, Vorwiegen  der  einfarbigen,  roten  und  schwarzen  Flächen, 
getrennt  und  gegliedert  durch  Ornamentstreifen,  Säulchen,  Kan- 
delaber und  andere  mehr  oder  weniger  architektonische  Motive 
voll  reichsten  und  feinsten  Details,  aber  von  geringer  Ausdeh- 
nung, von  höchster  Schlankheit.  Man  muß  nahe  herantreten, 
um  sich  ihrer  ganzen  Schönheit  zu  freuen.  Dazu  fein  abgestimmte 
Farben,  Vermeidung  greller  Kontraste.  Alles  in  allem :  reiches 
Können  in  diskreter  und  verständnisvoller  Verwendung.  Auf  die 
figĂĽrlichen  Darstellungen  werden  wir  noch  weiter  zu  sprechen 
kommen:  sie  zeigen  die  Hand  eines  echten  KĂĽnstlers,  eines  der 
bedeutendsten,  vielleicht  des  bedeutendsten  unter  allen,  die  in 
Pompeji  tätig  gewesen  sind. 

Dagegen  ist  auf  den  Wänden  der  jüngeren  Klasse  die  Aus- 
fĂĽhrung des  ornamentalen  Details  derb  und  auf  Fernwirkung 
berechnet;  sie  sind  von  massiven  Verhältnissen  und  überwuchern 
die  freie  Wandfläche,  so  daß  von  dieser  z.  B.  in  w  nicht  viel 
ĂĽbrig  bleibt;  die  Farbenstimmung  ist  ohne  Feinheit.  Die  figĂĽr- 
lichen Darstellungen  sind  von  verschiedenen  Händen,  die  alle 
nicht  ungeschickt  sind,  deren  aber  keine  sich  über  das  gewöhn- 
liche, handwerksmäßige  Können  erhebt;  einer  dieser  Maler  zeigt 
in  der  Darstellung  mythologischer  Mordszenen  einen  hervorragend 
brutalen  Geschmack. 

DaĂź  der  oder  die  KĂĽnstler  der  ersten  Klasse  an  der  zweiten 
nicht  beteiligt  waren,  ist  augenfällig.  Es  scheint  aber  auch  unver- 
meidlich, anzunehmen,  daĂź  das  Haus  mittlerweile  den  Besitzer 
gewechselt  hatte.  Hier  hat  um  die  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts 
n.  Chr.  ein  vornehmer  Mann  mit  feinstem  kĂĽnstlerischen  Ver- 
ständnis durch  die  besten  Künstler,  deren  er  habhaft  werden 
konnte,  sein  Haus  ausschmücken  lassen.  Später  ist  dies  dann  in 
den  Besitz  der  beiden  Freigelassenen  Vettius  Conviva  und  Re- 
stitutus  übergegangen,  denen  wir  immerhin  dafür  danken  mögen, 
daß    sie    wenigstens    in    einigen    Räumen    die    alte    Dekoration 


346 


Pompeji. 


m 


gelassen    und    nicht    durch    ihrem    derberen    Geschmack    besser 
entsprechende  Bilder  ersetzt  haben. 

Von  Allem  was  dies  Haus  bietet,  sind  das  Schönste  und  Beste 
die  Malereien  des  groĂźen  Speise-  und  Gesellschaftssaales  q.  Die 
Verteilung  auf  den  Wänden  zeigt  beistehendes  Schema  der  Rück- 
wand; die  Seitenwände  sind  in  fünf  statt  in  drei  Felder  geteilt. 
Von  den  groĂźen  zinnoberroten  Hauptfeldern  enthielt  das 
mittlere  jeder  Wand  ein  groĂźes  Bild  (i);  von  diesen  ist  keines 
erhalten.  Die  Seitenfelder  enthielten  auf  dem  ebenfalls  roten 
Grunde  je  eine  Gruppe  von  zwei  schwebenden  Figuren  (2),  er- 
halten  nur   auf  der   RĂĽckwand   und   den   innersten   Feldern   der 

Seitenwände:  Poseidon  und  Amymone, 
Apollo  und  Daphne,  Bacchus  und 
Ariadne,  Perseus  und  Andromeda. 
Sie  sind  sehr  sorgfaltig  gemalt,  aber 
etwas  schwer  und  drĂĽcken  das  leichte 
Dahinschweben  weniger  gut  aus  als 
manche  der  sonst  an  dieser  Stelle 
ĂĽblichen  Satyrn  und  Bacchantinnen. 
Der  Rand  der  Hauptfelder  ist 
schwarz,  oben  (oberhalb  des  ge- 
schwungenen Arabeskenstreifs),  seit- 
wärts und  unten  (3),  wo  er  die  weiter- 
hin zu  besprechenden  Amorendarstellungen  enthält.  Schwarz 
sind  auch  die  schmalen  Streifen  zwischen  den  Hauptfeldern,  ein- 
schlieĂźlich der  kleinen  Horizontalstreifen  4,  die  neben  den  Mittel- 
feldern der  Seitenwände  je  ein  mythologisches  Bild  enthielten, 
im  ĂĽbrigen  blumenpflĂĽckende  Psychen. 

Schwarz  ist  auch  der  Sockel ;  in  den  mit  5  bezeichneten  Fel- 
dern ist  je  eine  Figur  angebracht.  Neben  den  Mittelfeldern  der 
Langwände,  unter  den  mythologischen  Bildern,  sind  es  Amazonen, 
bewafihet  mit  Streitaxt  und  Schild,  die  phrygische  MĂĽtze  auf 
dem  Kopfe.  Das  kurze  Gewand  flattert  lebhaft  zurĂĽck,  als  seien 
sie  eben  im  Sprunge  herangekommen  und  das  Gewand  noch  zu- 
rĂĽckgeblieben. Haltung  und  Ausdruck  sind  etwas  theatralisch; 
man  denkt  an  Ballettfiguren.     Eine    ist  ganz  weiß   —   Gewand, 


El 


H 


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Fig.  182.     Schema   der    Wandteilung 
in  dem  groĂźen  Saal  am  Peristyl. 


Schild  und  MĂĽtze 
gekleidet. 


-,  eine  ganz  gelb,  die  beiden  anderen  buntfarbig 


XLI.    Das  Haus  der  Vettier. 


347 


Die  vier  übrigen  Sockelfelder  (5)  der  Seitenvvände  enthalten  je 
eine  weibliche  Gestalt  mit  Opfergerät,  die  der  Rückwand  einen  jungen 
Satyr,  der  die  Hand  über  die  Augen  hält,  um  in  die  Ferne  zu  schauen, 
und  die  schöne  Gestalt  einer  tamburinspielenden  Bacchantin. 

Im  oberen  Wandteil  (6,  erhalten  auf  der  RĂĽckwand  und  den 
anstoßenden  Enden  der  Seitenwände)  sind  auf  weißem  Grunde, 
vorwiegend  in  Gelb,  phantastische  Architekturen  gemalt,  belebt 
durch  Figuren.  Auf  der  RĂĽckwand  sind  es  Gestalten  des  bacchi- 
schen  Kreises:  Silen,  Satyrn,  Bacchantinnen.  Interessanter  sind 
zwei  Gruppen  auf  den  Seitenwänden.  Auf  der  rechten  Wand  ein 
aufrecht  stehender  Mann  in  langem  Gewände;  ernst  und  nach- 
denklich hält  er  eine  Papyrusrolle  an  das  Kinn.  Zu  seinen 
Füßen  rechts  die  geöffnete  Bücherkapsel  [scriniiim) ;  links  sitzt 
ein  weißgekleidetes  Mädchen.  Den  Kopf  auf  die  Hand  gestützt 
blickt  sie  zu  ihm  auf,  seinen  Worten  lauschend.  Es  ist  ein 
Dichter  mit  einer  Freundin.  Ein  dramatischer  Dichter,  zugleich 
Schauspieler;  denn  es  ist  doch  wohl  derselbe,  den  wir  gegenĂĽber, 
auf  der  linken  Wand,  wiederfinden,  wo  neben  ihm  eine  Komödien- 
maske auf  einer  Basis  steht.  Er  hält  in  der  Hand  den  Kranz, 
den  Siegespreis  des  dramatischen  Wettkampfes ;  den  Palmzweig 
trägt  ein  Begleiter.  Es  braucht  ja  nicht  grade  Menander  zu  sein ; 
aber  erinnern  dĂĽrfen  wir  uns  doch  des  Briefes  der  Glycera  (bei 
Alciphron):  »Was  ist  Athen  ohne  Menander?  was  Menander  ohne 
Glycera?  ohne  mich,  die  ich  ihm  die  Masken  bereite,  ihm  das 
KostĂĽm  anlege,  und  dann  in  den  Coulissen  stehe,  meine  Finger- 
spitzen in  der  Hand  drĂĽckend,  bis  der  Beifall  losbricht.  Und 
zitternd  atme  ich  dann  auf  und  schließe  dein  göttliches  Dichter- 
haupt in  meine  Arme«. 

Schönheit  der  Erfindung  und  Komposition  und  meisterhafte 
AusfĂĽhrung  verleihen  den  kleinen  Malereien  auf  schwarzem  Grunde 
in  3  und  4  einen  ganz  einzigen  Wert.  Trotz  der  kleinen  Ver- 
hältnisse ist  die  Ausführung  keineswegs  miniaturartig.  Keine 
kleinliche  Durchmodellierung,  keine  sorgsam  vertriebenen  Farben. 
Mit  staunenswerter  Sicherheit  sind  die  Farben  unvermittelt  so 
nebeneinander  gestellt,  daĂź  sie,  aus  der  rechten  Entfernung  ge- 
sehen, sich  zu  vollendeter  plastischer  Wirkung  zusammenschlieĂźen. 
Kein  Strich  zu  viel,  aber  das  Wesentliche  so  zweifellos  getroffen, 
daß  das  Aun^e  unbewußt  und   ohne   Mühe   alles  Übricre  ergränzt. 


348  Pompeji. 

Die  drei  mythologischen  Bilder  —  ein  viertes  ist  zerstört  — 
sind  in  der  Vollendung  der  AusfĂĽhrung  den  Amorenszenen  noch 
ĂĽberlegen.  Nur  eines,  das  am  wenigsten  gut  erhaltene,  auf  der 
linken  Wand,  wiederholt  eine  noch  öfter  vorkommende  Kom- 
position: Orest  und  Pylades  in  Tauris  vor  Thoas  und  Iphigenie. 
Es  ist  im  wesentlichen  die  Darstellung  des  groĂźen  Bildes  der 
Casa  del  Citarista  (S.  373). 

Von  den  Bildern  der  rechten  Wand  zeigt  das  eine  (Fig.  183) 
den  ersten  AnlaĂź  zu  der  Verkettung  von  Schicksalen,  die  in 
Tauris  ihren  versöhnenden  Abschluß  fand :  Agamemnons  Frevel 
an  der  heiligen  Hirschkuh  der  Artemis. 


Fig.  183.    Agamemnon  im  Heiligtum  der  Artemis.     Wandgemälde  im  Hause  der  Vettier. 

Die  Szene  spielt  in  einem  Heiligtum  der  Artemis :  links  die 
vergoldete  Bronzestatuette  der  Göttin  auf  einer  Säule,  an  der 
Bogen,  Köcher  und  ein  Eberkopf  befestigt  sind.  In  der  Mitte 
der  Altar,  und  an  ihm  die  weiĂźe  Hindin;  hinter  dieser  eine 
Tempeldienerin  —  für  eine  Priesterin  ist  das  Kostüm  nicht  feier- 
lich genug  —  die  auf  der  linken  Hand  einen  Teller  mit  Opfer- 
gerät trägt  und  mit  der  rechten  aus  einem  Becher  etwas  auf  den 
RĂĽcken  des  Tieres  gieĂźt.  Sie  hat  den  Mann  noch  nicht  bemerkt, 
der  eben  in  das  Heiligtum  eindringt  und  vor  dem  die  andere 
Tempeldienerin,  rechts,  mit  lebhaften  Gebärden  des  Schreckens 
entflieht.  Es  ist  eine  königliche  Gestalt,  in  reicher  Rüstung  und 
Purpurmantel.     Das  Schwert  gegen  die  Hirschkuh  ausstreckend 


XLI.   Das  Haus  der  Vettier. 


349 


stürmt  er  heran;  das  schön  geformte  Gesicht,  von  reichgelocktem 
blonden  Haar  und  Bart  umrahmt,  ist  mit  drohendem  Ausdruck 
auf  die  fliehende  Tempeldienerin  gerichtet. 

Nun  stimmt  zwar  dies  alles  nicht  recht  mit  der  litterarischen 
Ăśberlieferung;  aber  diese  ist  so  dĂĽrftig  und  bietet  trotzdem  so 
verschiedene  und  sich  widersprechende  Versionen,  daĂź  wir  wohl 
annehmen  dĂĽrfen,  es  habe  auch  eine  sonst  nicht  ĂĽberlieferte 
Version  gegeben,  nach  der  Agamemnon  im  Heiligtum  der  Artemis 
selbst  ihr  heiliges  Tier  tötete.  Von  außerordentlicher  Fein- 
heit in  der  AusfĂĽhrung  ist  die  Figur  des  Agamemnon. 

Das  dritte  Bild  (Fig.  184)  zeigt  uns  Apollo.     Als  er  das  Orakel 


Fig.  184.    Apollo  nach  Tötung  des  Drachen  Python.     Wandgemälde  im  Hause  der  Vettier. 


in  Delphi  grĂĽndete,  muĂźte  er  erst  einen  Kampf  bestehen  mit  dem 
Drachen  Python ;  er  tötete  ihn  und  sang  das  Siegeslied,  den  Päan ; 
und  es  galt  dies  als  die  Entstehung  dieses  Liedes.  Diese  Sieges- 
feier stellt  unser  Bild  dar:  der  Drache,  gewunden  um  den  Om- 
phalos,  das  bekannte  Symbol  des  delphischen  Orakels,  liegt  da,  sein 
Kopf  in  einer  Blutlache.  Apollo,  lorbeerbekränzt  in  der  Stellung 
des  begeisterten  Sängers,  weit  ausschreitend,  spielt  die  Kithara 
und  singt  den  Päan.  Neben  ihm  steht  seine  Schwester  Artemis ; 
ein  Lorbeerzweig  liegt  zwischen  beiden  am  Boden.  Hinter  dem 
Omphalos  eine  Säule,  an  der  Bogen  und  Köcher  des  Gottes  be- 
festigt sind.  Weniger  klar  ist  die  Bedeutung  der  beiden  anderen 
Figuren :  ein  Opferstier  und  neben  ihm  eine  Tempeldienerin.     Sie 


350  Pompeji. 

faßt  ihn  mit  der  Rechten  am  Hörn ;  auf  der  linken  Schulter  trägt 
sie  die  zweischneidige  Axt,  mit  der  das  Opfer  vollzogen  werden 
soll;  ihre  Augen  sind,  weit  offen,  auf  Apollo  und  Artemis  ge- 
richtet. Rechts  vom  Omphalos  ein  Mann  in  langem  weiĂźen  Ge- 
wände, bekränzt,  offenbar  ein  Priester.  Seine  Augen  sind  auf 
den  Stier  gerichtet;  seine  Haltung  drĂĽckt  Ăśberraschung,  fast 
Schrecken,  und  gespannte  Erwartung  aus;  besonders  ausdrucks- 
voll ist  die  Bewegung  der  linken  Hand.  Es  ist  klar,  daĂź  mit 
dem  Stier  irgend  etwas  unerwartetes  geschieht.  Ein  Wunder? 
Spricht  etwa  der  Stier  ?  Die  schriftliche  Ăśberlieferung  giebt  keinen 
AufschluĂź. 

Diese  Bilder  gehören  inhaltlich  insofern  zusammen,  als  sie 
alle  —  sicher  auch  das  verlorene  vierte  —  sich  auf  Apollo  und 
Artemis  beziehen. 

Die  Amorenszenen  in  3  sind  etwas  weniger  sorgfältig  gemalt ; 
aber  stets  weiĂź  der  KĂĽnstler  auch  mit  wenig  Strichen  die  Be- 
deutung einer  Figur  klar  zu  machen ;  wir  glauben  den  Ausdruck 
des  nur  angedeuteten  Gesichtes  zu  sehen,  weil  er  sich  aus  der 
Haltung  und  Bewegung  der  ganzen  Figur  mit  unfehlbarer  Sicher- 
heit ergibt.  Bewundernswert  ist  auch  die  Sicherheit  und  Wahr- 
heit in  der  Wiedergabe  oft  ziemlich  komplizierter  Stellungen. 

In  verschiedenartigster  Tätigkeit  erscheinen  hier  an  Stelle 
der  Menschen  Amoren  und  Psychen,  d.  h.  geflĂĽgelte  Kinder, 
die  also  Typen  der  verschiedensten  Art  zu  vertreten  haben.  Es 
ist  von  ganz  besonderem  Reiz,  wie  durch  die  gemeinsame  HĂĽlle 
der  Kindergestalt  doch  der  jedesmal  gemeinte  Typus  hindurch- 
scheint. Das  Kind,  der  Handwerker,  der  Weinwirt,  elegante 
Damen  und  Herren,  Dienerinnen :  es  sind  alles  Amoren,  aber 
doch  sind  sie  alle  in  treffendster,  unverkennbarster  Weise  ge- 
kennzeichnet, nicht  durch  äußerliche  Attribute  sondern  durch 
Gestalt  und  Haltung. 

Links  vom  Eingang  spielen  zwei  Knaben  mit  einer  Ente. 
Der  eine  hält  sie  unter  dem  Arm,  der  andere,  mit  vorgestreckten 
Händen,  wartet,  daß  er  sie  losläßt,  um  sie  dann  zu  greifen. 

Rechts  vom  Eingang  Knaben,  die  mit  Steinen  nach  einer 
hölzernen  Scheibe  werfen.  Einer  stellt  die  Scheibe  auf,  zwei  sind 
eben  im  Begriff  zu  werfen;  einer  von  diesen  sitzt  auf  dem  RĂĽcken 
eines   andern.     Trefflich  ist   die  nicht  so  ganz  einfache  Haltung 


Mau^  Pompeji.    2.  Atifl.     Taf.  IX. 


Fia;.  I.     Amore 


Fig.  2.     Amorc 


Fig.  3.     Amurcn  als  Weinliändlcr. 


VVandgcniäldc  ir 

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s  Ă–lfabrikanten. 


s  Goldschmiede. 


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lause  der  Vetticr. 
lic  llrocri. 


XLI.   Das  Haus  der  Vertier. 


351 


dieser  beiden  ausgedrĂĽckt:  wie  der  Tragende  den  linken  FuĂź 
vorsetzt  und  um  fest  zu  stehen  sich  mit  beiden  Händen  auf  das 
Knie  stĂĽtzt;  wie  der  andere  sich  bemĂĽht,  bei  der  Bewegung  des 
Wurfes  nicht  das  Gleichgewicht  zu  verlieren.  Bei  solchen  Geschick- 
lichkeitsspielen hieß  wer  es  am  besten  machte  »König«,  wer  es 
schlecht  machte  >Esel«,  weil  er,  wie  ein  Esel,  die  Genossen  auf  dem 
Rücken  tragen  mußte.  Ein  fünfter  steht  traurig  in  der  Nähe 
der  Scheibe:  er  hat  schlecht  geworfen  und  wird  nun  auch  Esel 
sein  mĂĽĂźen. 

Das  erste  Bild  der  rechten  Wand  zeigt  uns  die  Amoren  als 
Verfertiger  und  Verkäufer  von  Kränzen.  Rechts  zuerst  der 
Gärtner,  der  die  Rosen  in  die  Stadt  bringt.  Wie  die  Menschen 
durch  Amoren,  so  ist  der  die  Rosen  tragende  Esel  durch  einen 
Ziegenbock  vertreten.  Der  Gärtner  geht  voran  und  führt  ihn; 
die  kräftige  Gestalt,  die  dunklere  Hautfarbe,  der  weit  ausgreifende 
Schritt  lassen  den  derben  Landmann  erkennen.  Der  Sohn  des 
Gärtners,  einen  Korb  mit  Rosen  auf  der  Schulter,  trabt  hinter- 
drein, sich  mit  der  Hand  an  dem  Bock  haltend.  Weiter  der  Ver- 
kauf Der  Verkäufer  steht  hinter  einem  großen  Marmortische 
und  reicht  soeben  zwei  Kränze  dem  Käufer  herüber,  der  ihrer 
schon  mehrere  in  den  Händen  hat.  Der  Käufer  ist  unbekleidet; 
aber  seine  ganze  Erscheinung,  wie  er  so  frei  und  aufrecht  da- 
steht mit  zurĂĽckgeworfenen  Schultern,  zeigt  deutlich  genug,  daĂź 
er  etwas  anderes  ist  als  die  Kranzflechter:  ein  junger  Mann  der 
guten  Gesellschaft,  der  etwa  seine  Freunde  zu  einem  vergnĂĽgten 
Abend  eingeladen  hat  und  nun  die  dazu  nötigen  Kränze  einkauft. 
Hinter  ihm  eine  Psyche,  die  das  Gekaufte  in  einen  Korb  packt.  — 
Endlich  die  Verfertigung  der  Kränze.  Diese  hängen  an  einem 
rechenartigen  Gestell,  unter  dem  die  Arbeiter  am  Werk  sitzen. 
Links  eine  Käuferin.  Ihre  Haltung,  wie  sie  schnellen  Schrittes 
herankommt,  einen  Teller  auf  der  Linken,  und  noch  im  Gehen 
einen  Kranz  faĂźt,  zeigt  deutlich  genug,  daĂź  sie  der  niederen 
Volksklasse  angehört.  Sie  fragt  nach  dem  Preise;  einer  der 
Arbeiter  antwortet  ihr,  indem  er  zwei  Finger  ausstreckt:  zwei  As. 

Das  nächste  Bild  (Taf.  IX,  Fig.  1)  zeigt  die  Verfertigung  und 
den  Verkauf  des  Ă–les.  Rechts  die  Presse.  Die  Unterlage  ist  ein 
weiĂźer  viereckiger  Stein,  wie  deren  einige  in  Pompeji  gefunden 
worden  sind,  mit  kreisförmiger  Vertiefung  auf  der  Oberfläche  und 


352 


Pompeji. 


Fig.  185.   Ă–lpresse.  Aus  einem  Wand 
gemälde  aus  Herculaneum. 


AusguĂź  vorn.  Ăśber  ihm  stehen  zwei  oben  durch  eine  Decke  ver- 
bundene Holzwände,  jede  mit  einer  großen  vertikalen  Öfifnung.  In 
diesen  Ă–ffnungen  liegen  horizontal,  nach  oben  und  nach  unten  frei 
beweglich,  vier  Bretter;  unter  dem  untersten  liegen  die  Oliven, 
zwischen  den  ĂĽbrigen  sowie  zwischen  dem  obersten  und  der  Decke 
liegen  Holzkeile,  die  durch  Hammerschläge  immer  tiefer  hinein- 
getrieben werden,  so  daß  nun  das  unterste  Brett  immer  stärker 
auf  die  Oliven  drĂĽckt.    Ein  Bild  aus  Herculaneum  (Fig.  185)  zeigt 

den  Vorgang  noch  deutlicher.  Da- 
neben steht  dann  das  Ol  auf  einem 
DreifuĂź  ĂĽber  Feuer  und  wird  endlich 
in  einem  großen  trichterförmigen  Ge- 
fäß noch  weiter  verarbeitet. 

Sodann  links  der  Verkauf.  01- 
flaschen  und  -krĂĽge  verschiedener 
Größe  und  Form  stehen  in  einem 
vierfĂĽĂźigen  offenen  Kasten  und  in 
einem  hohen  Schranke;  in  diesem  zu 
oberst  auch  eine  Statuette:  es  kann 
eine  Aphrodite  sein.  Daneben  noch  einmal  das  Ol  auf  dem 
Feuer:  es  scheint,  daĂź  gelegentlich  auch  warmes  Ol  verkauft 
wurde.  Auf  dem  offenen  Kasten  liegt  eine  Papyrusrolle  und  eine 
Wage.  Das  Ol  wurde  nämlich  nach  Gewicht  verkauft ;  eine  Wand- 
inschrift in  dem  Hause  neben  dem  der  Vettier  besagt:  XIII  k. 
Fe.  oli  p.  DCCCXXXX^  —  »20.  Januar,  840  Pfund  Öl«.  Ein 
Amor  hat  soeben  dem  Kasten  eine  bauchige  Flasche  entnommen. 
Endlich  die  eigentliche  Verkaufsszene.  Die  Käuferin,  eine 
elegante  Dame,  sitzt  auf  einem  metallenen  Sessel  mit  rotem 
Polster  nebst  Fußschemel;  der  Verkäufer  steht  ihr  gegenüber, 
mit  einem  Löffel  eine  Probe  aus  dem  Kruge  herausnehmend. 
Es  handelt  sich  um  feines  Parfümöl;  die  Käuferin  hat  einen 
Tropfen  auf  ihren  linken  Unterarm  gerieben,  den  sie  nun  mit 
der  rechten  Hand  emporhebt,  um  den  Geruch  zu  prĂĽfen.  Reizend 
ist  der  Kontrast  der  nachlässig  und  doch  elegant  dasitzenden 
Dame  und  ihrer  Dienerin,  die  in  steifer  Haltung,  den  Fächer  auf 
der  Schulter,  hinter  ihr  steht. 

Das  Mittelbild  der  rechten  Wand  zeigt  die  Amoren  als  Wett- 
fahrer.    Die  Pferde  sind  durch  Antilopen,    der  Zirkus   ist  durch 


XLI.   Das  Haus  der  Vettier. 


353 


eine  ländliche  Szenerie  ersetzt:  je  drei  Bäume  bezeichnen  Ab- 
fahrt und  Ziel.  Ein  Amor  begrĂĽĂźt  den  Sieger,  der,  den  Palm- 
zvveig  auf  der  Schulter,  am  Ziel  hält  Der  Zweite  ist  gestürzt, 
der  Dritte  beugt  sich  vorsichtig  etwas  zurĂĽck,  um  sich  umzu- 
sehen nach  dem  vierten,  dessen  Rosse  nach  links  abschwenken 
wollen;  er  beugt  sich  vor,  um  mit  der  Peitsche  sie  von  links  zu 
treffen.  Ein  Amor,  an  der  Abfahrt  stehend,  höhnt  sein  vergeb- 
liches Bemühen.  Die  kleinen  flatternden  Gewänder  der  VVagen- 
lenker  zeigen  die  Farben  der  Zirkusparteien:  grĂĽn  (der  Sieger), 
rot,  weiĂź,  blau.  Die  grĂĽne  Partei  wurde  von  Nero  begĂĽnstigt; 
und  da  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  diese  Malereien  eben  zu 
seiner  Zeit  ausgeführt  wurden  —  vor  dem  Jahre  63,  aber  doch 
in  der  Zeit  des  letzten  Stiles  —  so  ist  es  begreiflich  genug,  daß 
der  GrĂĽne  als  Sieger  erscheint. 

Weiter  die  Amoren  als  Goldschmiede  (Taf.  IX,  Fig.  2).  Rechts 
der  mit  dem  Kopf  des  Hephaestus  geschmĂĽckte  GlĂĽhofen,  an  dem 
einer  mit  dem  Lötrohr  arbeitet.  Hinter  dem  Ofen  poliert  einer 
eine  groĂźe  goldene  oder  vergoldete  SchĂĽssel :  er  arbeitet  mit 
der  Rechten,  während  die  Linke  mittels  eines  stabartigen  Ge- 
rätes die  Schlüssel  fest  an  ihrem  Platze  hält.  Er  muß  mit  An- 
strengung, aber  doch  mit  Vorsicht  arbeiten;  so  dient  der  auf- 
recht und  unbewegt  stehende  Körper  nur  als  Widerlager  für  die 
starke  Anspannung  der  Armmuskeln.  Weiter  links  hämmert 
einer  auf  einem  kleinen  AmboĂź;  auch  hier  ist  die  Zartheit  und 
Vorsicht  der  Arbeit  trefflich  zur  Anschauung  gebracht.  Dann 
der  Verkaufstisch,  auf  dem  ein  kleines  Möbel  in  drei  offen- 
stehenden Schubladen  Goldschmuck  erkennen  läßt;  an  einer 
Stange  hängen  zwei  Wagen.  Weiter  Verkäufer  und  Käuferin; 
das  SchmuckstĂĽck  wird  gewogen;  beide  machen  mit  der  ge- 
öffneten linken  Hand  einen  Gestus,  der  die  Aufmerksamkeit  auf 
den  Stand  der  Wage  ausdrĂĽcken  soll:  die  Wage  steht.  End- 
lich zwei  Arbeiter  am  AmboĂź:  vorzĂĽglich  naturwahr  ist  die  Be- 
wegung des  einen,  der,  das  Metall  auf  den  AmboĂź  haltend, 
möglichst  weit  entfernt  steht,  damit  ihn  die  abspringenden  Funken 
nicht  treffen. 

In  dem  letzten  Abschnitt  dieser  Wand  erscheinen  die  Amoren 
als  Tuchwalker,  ftillones  (vgl.  Kap.  XLVIII\  Von  links  zuerst 
zwei,    die  Stoffe    waschen,    indem    sie    sie    mit   den   FĂĽlkMi    aus- 

Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.  j"" 


354 


Pompeji 


Stampfen.  Weiter  einer,  der  an  einem  Tische  mit  leichter  und 
zarter  Bewegung  einen  feinen  Stoff  lĂĽftet.  Weiter  ein  Holz- 
gerüst, an  dem  ein  Stoff  gebürstet  (»gerauht«)  wird.  Ein  Arbeiter 
trägt  einen  fertigen  Stoff  um  ihn  abzuliefern,  hält  aber  im  Gehen 
an  und  prĂĽft  ihn  aufs  neue.  Er  soll  den  Stoff  zwei  Frauen  hin- 
bringen, die,  auf  einem  erhöhten  Platze  sitzend,  mit  der  Kon- 
trolle der  fertigen  Stoffe  beschäftigt  sind.  Endlich  eine  dritte 
Frau,  auf  noch  höherem  Sitze,  faltet  den  fertigen  Stoff  zu- 
sammen. 

Die  beiden  ersten  Darstellungen  der  RĂĽckwand  sind  sehr  ver- 
blichen. In  der  ersten  (Fig.  i86)  erkennen  wir  Amoren  und 
Psychen  am  Boden  gelagert  um  ein  Servierbrett  in  Form  einer 
Zweihenkeligen  Schale,   auf  dem  allerlei  Trinkgerät  steht;    hinter 


Fig.  i86.     Amoren  die  Vestalia  feiernd.     Wandgemälde  aus  dem  Hause  der  Vcttier. 

und  neben  ihnen  zwei  Esel.  Offenbar  wird  hier  das  Fest  der 
Vestalien  gefeiert,  das  Fest  der  Bäcker  und  Müller,  deren  Schutz- 
göttin Vesta  war,  an  dem  auch  die  vielgeplagten  Zugtiere  der 
Mühlen  teilnahmen.  Hier  liefert  das  durchaus  römische  Sujet 
den  Beweis,  daĂź  diese  Darstellungen  wenigstens  nicht  alle  nach 
griechischen  Vorbildern  kopiert  sind. 

Das  Mittelbild  der  RĂĽckwand  stellte  die  Weinlese  dar.  Rechts 
und  links  werden  die  Trauben  von  den  von  Baum  zu  Baum  ge- 
zogenen Reben  gepflĂĽckt;  in  der  Mitte  die  Kelter  (Fig.  187J: 
zwei  Amoren  drehen  mit  eingesteckten  Stangen  eine  Welle,  um 
mittels  eines  Flaschenzuges  den  PreĂźbaum,  unter  den  die  Trau- 
ben gelegt  werden  sollen,  in  die  Höhe  zu  ziehen. 

Besser  erhalten  ist  die  Darstellung  auf  der  RĂĽckwand  links: 
der  Triumphzug  des  Bacchus.  Der  Gott  ruht  auf  einem  vier- 
rädrigen, von  zwei  Ziegenböcken  gezogenen  Wagen ;  der  Lenker 
ist  durch  einen  Fichtenkranz  als  Satyr  bezeichnet.    An  der  Spitze 


XLI.   Das  Haus  der  Vettier.  oee 

des  Zuges  reitet  auf  einem  Panther  eine  Bacchantin ;  hinter  dem 
Wagen  tanzt  Pan,  die  Doppelflöte  blasend.  Den  Zug  beschließt 
ein  vveinbckränzter  tanzender  Amor,  der  auf  der  Schulter  ein 
großes  Mischgefäß  trägt.  Bewundernswert  ist  der  Ausdruck  der 
komplizierten  Bewegung,  wie  er  bei  lebhaften  Tanzbewegungen 
doch  den  Körper  vertikal  hält,  um,  belastet  wie  er  ist,  nicht  das 
Gleichgewicht  zu  verlieren. 

Auf  der  linken  Wand  ist  nur  eine  Darstellung,  und  diese 
nicht  vollständig,  erhalten:  der  Weinhandel  (Taf.  IX,  Fig.  3).  Es  ist 
ein  ländlicher  Weinhändler,  in  ein  Tierfell  gekleidet.  Seine  etwas 
bäuerische  Haltung  kontrastiert  prächtig  mit  der  freien  und  ele- 
ganten des  Käufers,  dem  er  eben  eine  Probe  reicht.    Hinter  ihm 


Fig.  iS;.     A:    .1,11  bei  der  Weinlese.     Wandgeiiuilde  aus  dein  liause  der  Vettier. 

seine  Diener,  beschäftigt  aus  einer  Amphora  eine  andere  Probe 
einzuschenken:  der  eine  neigt  die  Amphora  so  vorsichtig,  daĂź 
der  andere  sie  faßt,  um  den  Ausfluß  etwas  zu  verstärken. 

Nicht  minder  reizvoll  sind  die  blumenpflĂĽckenden  Psychen  in  4, 
leider  nur  zum  kleinen  Teil  gut  erhalten.  Auch  diese  —  ihrer  sind 
jedesmal  drei  —  ließ  der  Maler  verschiedene  Typendarstellen.  In 
einem  Bilde  (Fig.  188)  sind  sie  Kinder,  in  einem  andern  heran- 
wachsende Mädchen.  In  einem  dritten,  weniger  gut  erhaltenen 
(Taf  IX,  Fig.  4)  ist  es  eine  Dame  mit  zwei  Dienerinnen.  Diese 
haben  jede  einen  großen  trichterförmigen  Korb  (Kalathos),  die 
Dame  selbst  nur  einen  flachen  Hcnkelkorb  mitgebracht;  sie  hat 
der  einen  den  Korb  abgenommen  und  benutzt  ihn  als  Sitz:  sich  um- 
wendend pflückt  sie  sitzend  eine  Blume,  während  die  Dienerinnen 
sich  mit  mehr  Anstrengung  der  gleichen  Beschäftigung  hingeben. 

Amorenszencn  ähnlicher  Art,  aber  weniger  gut  erhalten, 
finden  wir  auch  im  Atrium.     Eine  derselben,  die  interessanteste, 

23* 


356 


Pompeji. 


stellt  ein  Opfer  an  die  Fortuna  dar.  Links  die  vergoldete  Statue 
der  Göttin  mit  Füllhorn,  Weltkugel  und  Steuerruder.  Der  Opfernde, 
in  der  Toga,  bekränzt,  gießt  aus  einer  Schale  das  Trankopfer 
auf  den  Altar;  köstlich  mischen  sich  in  Gesicht  und  Haltung  die 
Andacht  der  heiligen  Handlung  und  die  Verlegenheit  des  Amor- 
kindes in  der  ihm  nicht  recht  passenden  Rolle.  Ihm  gegenĂĽber 
steht  der  Flötenbläser.  Rechts  bringt  ein  bekränzter  Diener  das 
Opfertier,  ein  Schaf,  ein  anderer  die  Weinkanne. 

Auf  anderen  Wandabschnitten  kämpfen  Amoren,  auf  Ziegen- 
böcken reitend.  Einer  steht  auf  einem  Taschenkrebs,  ein  anderer 
auf  einem  Hummer,  ihn  mit  dem  ZĂĽgel  lenkend.  Mehrfach 
lenken   sie   von   Delphinen   gezogene  Wagen.     Ein  Wagen   mit 


Fig.  i88.     Blumenpflückende  Psychen.    Wandgemälde  im  Hause  der  Vetder. 


Attributen  des  Bacchus,  bespannt  mit  einem  Panther,  den  ein 
Amor  tränkt;  ein  anderer  mit  Attributen  des  Merkur,  bespannt 
mit  einem  Widder,  dem  ein  Amor  einen  Zaum  anlegt. 

In  jedem  Wandabschnitt  des  Atriums  ist  am  Sockel  in  einem 
96  cm  hohen  violettroten  Felde  je  eine  Kinderfigur  gemalt.  Sie 
sind  mit  allerlei  Gefäßen  —  wohl  Opfergeräten  —  beschäftigt, 
und  in  reizender  Weise  malt  sich  in  den  Gesichtchen  die  Wichtig- 
keit, die  sie  ihrer  augenblicklichen  Tätigkeit  beilegen.  Bei  der 
verhältnismäßigen  Größe  der  Figuren  ist  die  Behandlung  eine  viel 
durchgefĂĽhrtere  als  in  den  Amorenbildern.  Von  feinem  kĂĽnstle- 
rischen Sinne  zeugt  auch  die  Farbenbchandlung.  Am  Sockel 
wĂĽrden  lebhafte  Farben  nicht  am  Platze  sein.  Daher  sind  diese 
Figuren  einfarbig  in  rötlichem  Gelb  abschattiert.  Um  aber  doch 
wieder  etwas  Leben  hineinzubringen,  ist  hie  und  da  ein  einzelner 
Teil  —  ein  grünes  oder  weißes  Gewand,  ein  buntfarbiger  Vogel 


XLI.    Das  Haus  der  Vettier.  ^57 

—  in  natürlichen  Farben  gehalten  und  dadurch  eine  höchst  erfreu- 
liche Gesamtwirkung  erzielt  worden. 

Nur  kurz  erwähnen  wir  die  interessanteren  unter  den  jüngeren 
Malereien  dieses  Hauses. 

In  den  Fauces  [b]  kleine  einfarbige  Bilder:  Hirsch  und  Hindin; 
Attribute  des  Merkur:  Schlangenstab  und  Geldbeutel;  ein  Hahnen- 
kampf: zwischen  den  beiden  Kämpfenden  liegt  die  Siegespalme 
am  Boden,  ein  dritter  Hahn  steht  daneben  mit  dem  in  einem 
frĂĽheren  Kampfe  gewonnenen  Palmzweig  im  Schnabel. 

In  e  stellt  ein  Bild  Kyparissos  dar,  den  von  Apollo  geliebten 
JĂĽngling,  der  nur  durch  Verwandelung  in  eine  Zypresse  seinem 
Schmerz  um  den  aus  Versehen  getöteten  zahmen  Hirsch  ent- 
rissen werden  konnte.  —  Gegenüber  der  Ringkampf  zwischen 
Pan  und  Eros;  Zuschauer  sind  Bacchus  und  Ariadne  mit  ihrem 
Gefolge;  Silen  als  Kampfrichter  hält  in  der  Hand  den  Palmzweig 
für  den  Sieger.  —  Zwischen  den  Architekturen  des  oberen  Wand- 
teils Zeus,  jugendlich  und  bartlos,  wie  die  Könige  der  hellenisti- 
schen Zeit,  Leda  mit  dem  Schwan,  Danae  das  Gewand  ausbrei- 
tend, um  den  goldenen  Regen  aufzunehmen. 

Unter  den  mancherlei  Malereien  des  Peristyls  sind  zwei,  die 
vielleicht  besondere  Neigungen  des  Hausherrn  zum  Ausdruck 
bringen.  In  der  Mitte  der  linken  Wand  ein  älterer,  bartloser 
Mann  (die  obere  Hälfte  des  Kopfes  fehlt)  von  vollen  Körper- 
formen auf  einem  Sessel;  neben  ihm  die  Kapsel  [scrmium]  mit 
Bücherrollen:  das  Porträt  eines  Lieblingsautors  des  Hausherrn 
oder  vielleicht  gar  sein  eigenes;  jedenfalls  deutet  es  auf  litera- 
rische Neigungen.  Auf  astronomische  Neigungen  deutet  die  Dar- 
stellung der  Muse  Urania  (vorn  zwischen  p  und  z),  mit  einem 
Stabe  auf  die  Himmelskugel  zeigend.  Die  Federkrone  auf  ihrem 
Kopfe  spielt  an  auf  die  Sage  von  einem  Wettkampf  der  Musen 
mit  den  Sirenen,  denen  sie  nach  dem  Siege  die  Federn  aus- 
rupfen, um  sie  als  Kopfputz  zu  benutzen. 

In  ;/  und  /  sind  die  Malereien  besser  und  vollständiger 
erhalten  als  in  irgend  einem  andern  Teil  des  Hauses;  in  beiden 
auf  jeder  der  drei  Wände  ein  großes  Mittelbild.  In  n  ist  der 
dekorative  Teil  der  Malerei  einfach  und  ruhig;  wenige,  groĂźe 
Teilungen;  die  Architekturprospektc  enthalten  nur  wenig-e  und 
einfache  Motive;    Säulen    und    sonstige   Teilungsglieder    einfach. 


358 


Pompeji. 


mit  wenig  Detail.  Grelle  Farben  und  starke  Kontraste  sind  ver- 
mieden. Um  so  lebhafter  treten  in  dieser  Umrahmung  die  be- 
wegten,  unruhigen  Darstellungen   der  Bilder  hervor:    der  kleine 


Fig.  189.     Hcstrafung  Ixions.    Wandgemälde  im  Hause  der  Vctticr.     Photographie  Brogi. 

Herakles,  in  Gegenwart  der  erschreckten  Eltern  die  von  Hera 
gesandten  Schlangen  erdrosselnd;  Pentheus,  den  die  Maenadcn  zu 
töten  im  Begriff  sind;  endlich  eine  malerische  Wiederholung  der 
Gruppe  des  farncsischcn  Stieres:  Amphion  und  Zethos,  Dirke  an 
den  Stier   bindend.     Unruhig   sind  diese   Bilder  auch  durch    die 


XLI.   Das  Haus  der  Vettier. 


359 


Malweise:  in  hellem,  glĂĽhendem  Sonnenlicht  geht  alles  vor  sich; 
starke  Kontraste  zwischen  Licht  und  Schatten  sind  wirkungsvoll 
herausgearbeitet. 

Ganz  das  Gegenteil  in  p  (Taf.  X).  Reichstes,  buntestes 
Detail.  So  sind  z.  B.  die  das  Mittelfeld  einfassenden  Säulen  von 
oben  bis  unten  mit  Hochrelief  bedeckt,  darstellend  den  Kampf 
der  Götter  und  Giganten.  Auch  sonst,  über  die  ganzen  Wände 
verstreut,  kleine  figĂĽrliche  Darstellungen,  zum  Teil  mit  groĂźer 
Virtuosität  ausgeführt.  Und  in  dieser  bewegten  Umgebung  drei 
Bilder  auffallend  ruhigen  Charakters:  keine  Figur  in  irgendwie 
lebhafter  oder  gar  gewaltsamer  Bewegung,  gleichmäßiges  ruhiges 
Licht  ohne  starke  Kontraste.  Dargestellt  ist  auf  der  linken  Wand 
Daedalus,  wie  er  Pasiphae  die  für  sie  gefertigte  hölzerne  Kuh 
zeigt;  sie  ĂĽberreicht  ihm  zum  Lohne  ein  goldenes  Armband. 
Rechts  Bacchus  mit  seinem  Gefolge  die  schlafende  Ariadne  fin- 
dend, ein  oft  wiederholter  Gegenstand,  hier  durch  neue  und 
originelle  Einzelheiten  bereichert:  Satyrknaben,  die  neugierig  sich 
herandrängend  die  schöne  Schläferin  betrachten,  andere,  die  hinter 
einer  Mauer  versteckt  ein  betendes  Satyrmädchen  belauschen. 

Das  Bild  der  RĂĽckwand  (Fig.  189)  stellt  einen  Vorgang  dar,  der 
hier  zum  ersten  Mal  in  der  pompejanischen  Malerei  begegnet,  die 
Bestrafung  des  Ixion.  Den  Ixion,  so  meldete  die  Sage,  hatte  Zeus 
von  schwerer  Blutschuld  gereinigt  und  in  sein  Haus  aufgenommen. 
Aber  der  unverbesserliche  SĂĽnder  stellte  Hera,  der  Gattin  seines 
Wirtes  nach,  die  ihn  statt  ihrer  selbst  ein  Wolkengebilde  ergreifen 
lieĂź.  Ixion  wurde  zur  Strafe  in  der  Unterwelt  an  ein  sich  ewig 
drehendes  Rad  befestigt.  Dieses  ist  auf  unserem  Bilde  links  nur 
halb  sichtbar;  daneben  Hephaestus,  der  soeben  Ixion  ange- 
schmiedet hat;  sein  Handwerkszeug,  Zange,  Hammer  und  AmboĂź, 
liegt  noch  am  Boden;  weiter  Hermes,  der  den  Befehl  zur  Strafe 
ĂĽberbracht  hat,  und  am  Boden  sitzend  eine  Gestalt  mit  ĂĽber 
den  Kopf  gezogenem  Gewände  :  der  Schatten  einer  Verstorbenen, 
zur  Bezeichnung  des  Ortes,  der  L^nterwelt.  Rechts  oben  tront 
Hera;  Iris,  die  Götterbotin,  macht  sie  auf  die  an  dem  Frevler 
vollzogene  Strafe  aufmerksam.  NatĂĽrlich  sind  diese  beiden  Ge- 
stalten nicht  in  der  Unterwelt  zu  denken;  sonst  wären  ja  Iris  und 
Hermes,  die  Boten,  ĂĽberflĂĽ.ssig.  Der  Maler  hat  sich  gestattet, 
räumlich  Entferntes  in  seinem  Bilde  zu  vercinis^en. 


Kapitel  XLII. 
Drei  Häuser  ungewöhnlicher  Form. 

Die  bisher  besprochenen  Häuser  zeigen  sämtlich  Variationen 
des  bekannten  Normalplanes  (S.  252].  In  der  Tat  können  neben 
diesem  alle  anderen  Formen  als  Ausnahmen  bezeichnet  werden. 

Sie  fehlen  aber  doch  nicht  ganz. 
Wir  betrachten  im  Folgenden  drei 
Häuser  ungewöhnlichen  Grundrisses: 
ein  Haus  ohne  Atrium,  ein  Haus 
mit  bedecktem  Atrium,  ohne  Com- 
pluvium,  und  ein  in  mehreren  Stock- 
werken stufenförmig  am  Abhänge 
des  StadthĂĽpfels  erbautes. 


B 


J^ 


I.  Das  Haus  des  Acceptus  und 
der  Euhodia. 


=ÂŁ= 


A 

r  f  ij 


Fig.  190.  Das  Haus  des  Acceptus  und 
der  Euhodia.  a  Säulenhalle.  6  Garten. 
c  KĂĽche,  (i  Schlafzimmer.  /  Speise- 
zimmer. ^  Garten,  i  Schlafzimmer  fĂĽr 
zwei  Betten. 


Es    kommt   wohl   bisweilen  vor, 

daß    ein    Peristyl    nachträglich    von 

seinem  Atrium  getrennt  worden  ist, 

aber  nur  zwei  Häuser  (V,  5,  3  und 

VI,   15,  23)  sind  von  Anfang  an,  in 

römischer  Zeit,  bloß  als  Peristyl  mit 

umliegenden  Räumen  erbaut  worden. 

Auch  sonst  sind  manchmal  von  einem 

größeren  Hause   einige  Räume    abgetrennt  und  irgendwie,  ohne 

Atrium,    als  Wohnung  eingerichtet  worden.     Aber  ursprĂĽnglich 

ohne  Atrium  erbaute  Häuser  sind  selten. 

Wir  geben  als  Beispiel  eines  solchen  eine  freundliche  kleine 
Wohnung,  II  (VIII),  5 — 6,  39,  neben  deren  Straßentür  zwei  Wahl- 
programme, von  derselben  Hand  gemalt,  erhalten  sind:  AI.  Lici- 


XLII.   Drei  Häuser  ungewöhnlicher  Form. 


361 


vium  Romanwn  aed.  v.  a.  s.  p.  p.  o.  v.  f.  d.  r.  p.  —  M.  Licinium 
Faustinum  aed.  v.  a.  s.  p.  p.  o.  v.  f.  d.  r.  p.  Acceptiis  rog[at)^ 
Etihodia  rog[at\  Ăśber  die  aediles  v.  a.  s.  p.  p.  s.  oben  S.  11; 
die  Kandidaten  werden  empfohlen  mit  der  gewöhnlichen  Formel : 
oro  vos  facitc^  dignum  re  publica.  Die  Empfehlenden,  Acceptus 
und  Euhodia  sind  wahrscheinlich  die  Bewohner  des  Hauses. 

Die  Haustür  führt  uns  direkt  in  die  kleine  zweistöckige 
Säulenhalle  a.  Eine  niedrige  Mauer  mit  schmalem  Durchgang 
trennt  diese  von  dem  Garten  b,  zwischen  dessen  Pflanzen  allerlei 
kleine  Figuren  standen.  Man  fand  hier  fünf  kleine  Hermenköpfe 
bacchischen  Charakters,  eine  tragische  Maske,  einen  Frosch, 
eine  Schildkröte,  einen 
TischfuĂź ,  zwei  Kon- 
solen: alles  dies  aus 
Marmor ;  zwei  Ala- 
basterbasen (ein  Frag- 
ment einer  weiblichen 
Alabasterstatue  fand 
sich  in  a)  und  fĂĽnf 
ägyptische  Götterfigür- 
chen  aus  glasierter 
Tonware.  Den  nörd- 
lichen Teil  des  Gartens 
nimmt,  wie  im  Hause 
des  Sallust  (S.  296), 
ein     gemauertes     Tri- 

clinium  k  ein.  Vorn  im  Portikus  rechts  ein  kleiner  Herd,  ganz  wie 
im  Hause  des  Sallust,  links  die  Spuren  eines  groĂźen  Schrankes, 
dessen  Inhalt  —  Ton-,  Bronze-  und  Glasgefäße,  ein  marmorner 
Mörser,  43  gläserne  Halsbandperlcn  —  bei  der  Ausgrabung  ge- 
funden wurde.  Nahe  der  ersten  Säule  die  durch  einen  Deckel 
verschlossene  Zisternenöfifnung. 

An  der  Säulenhalle  links  die  Schlaf kammer  d:  dann  führt  ein 
Gang  e  in  die  KĂĽche  c.  Weiter  das  Speisezimmer  /  mit  einem 
Fenster  auf  einen  zweiten  Garten  g.  Aus  dem  Durchgangsraum  // 
kam  man  links  in  eben  diesen  Garten,  rechts  in  eine  Schlaf- 
kammer fĂĽr  zwei  Betten  (unter  dem  Fenster  und  gegenĂĽber). 

Die  oberen  Räume  entsprachen  genau  den  unteren ;  sie  waren 


|,n.,.,nf-^-t- 


4-=!= 


Fig.  191.      Liingcnschnitt    des    Hauses     des    Acceptus    und 
der  Euhodia,  wiederhergestellt. 


302 


Pompeji. 


unter  sich  ohne  Verbindung  und  jeder  fĂĽr  sich  aus  der  oberen 
Säulenhalle  zugänglich.  Diese  erreichte  man  auf  einer  Treppe 
aus  der  KĂĽche  {c)  und  weiter  ĂĽber  e. 

Die  Malereien  der  Wände  sind  vierten  Stiles.  Auf  die  Süd- 
wand der  Küche  ist  als  Hausgöttin  Fortuna  gemalt,  mit  Füllhorn 
und  auf  die  Weltkugel  gestĂĽtztem  Steuerruder;  die  Lotusblume 
auf  der  Stirn  bezeichnet  sie  als  eine  Erscheinungsform  der  Isis. 
Keine  Laren,  kein  Genius.  Und  wenn  wir  uns  nun  der  im 
Garten  gefundenen  ägyptischen  Götterbildchen  erinnern,  und  noch 
hinzufĂĽgen,  daĂź  der  ebenda  gefundene  TischfuĂź  eine  griechische 
Inschrift  trägt:  »des  Sarapion«  —  ein  ägyptischer  Name  — ,  so 
dĂĽrfen  wir  vielleicht  vermuten,  daĂź  Acceptus  und  Euhodia  aus 
Alexandria  nach  Pompeji  gekommen  waren,  und  dĂĽrfen  vielleicht 
hiermit  die  von  der  italischen  Tradition  so  ganz  abweichende 
Form  des  Hauses  in  Zusammenhang  bringen.  Der  lateinische 
Name  des  Acceptus  macht  keine  Schwierigkeit;  er  war  wohl  ein 
Freigelassener  und  hatte  als  Sklave  diesen  Namen  von  seinem 
vielleicht  in  Alexandria  ansässio'en  römischen  Herrn  erhalten. 


II.  Haus  ohne  Compluvium. 

Auch  dies  kleine  Haus  weicht  stark  vom  gewöhnlichen  ab. 
Das  Atrium  e,  ohne  Compluvium  mit  ganz  geschlossenem,  nach 
hinten  geneigtem  Dach,   erhielt  Licht  durch  ein  groĂźes  Fenster 


rt-1 


Fie.  11)2.     GrundriĂź   eines  Hauses   ohne  Compluvium   (V,  5,  2).     a  Laden.     />  Kauces. 
/  Lichthof.     i  Speisezimmer,     i.  Herd.     2.  Zisternenniiindung. 


XLII.   Drei  Häuser  ungewöhnlicher  Form. 


363 


auf  den  kleinen  Hof  /;  in  der  letzten  Zeit  diente  es  auch  als 
KĂĽche :  der  Rauch  des  Herdes  i  zog  ab  durch  ein  Fenster  hoch 
oben  in  der  linken  Wand.  Der  Herd  ist  aber  ein  späterer  Zusatz: 
in  älterer  Zeit  war  die  Küche  wohl  in  dem  niedrigen  Räume  z, 
wo  bis  zuletzt  bei  3  der  Abtritt  war;  eine  Treppe  fĂĽhrte  zu  einem 
Räume  über  i  (Fig.  193).  Neben  i  erhielt  das  hohe  Speise- 
zimmer k  nur  indirektes  Licht  aus  dem  niedrigeren  Speisezimmer 
g^  mit  groĂźem  Fenster  auf  den  Hof. 
Das  Regenwasser  floĂź  zusammen  in  den 
Hof/  und  wurde  hier  in  der  Cisterne  2 
gesammelt.  So  lag  hier  gewissermaĂźen 
das  Impluvium  nicht  in,  sondern  neben 
dem  Atrium. 

Das  Haus  hat  im  Lauf  der  Zeiten 
allerlei  Veränderungen  erfahren.  In  un- 
serem Plan  sind  nachträgliche  Zusätze 
schraffiert.  Das  Zimmer  g  war  ursprĂĽng- 
lich nicht  vorhanden,  so  daĂź  damals  ein 
Hof  in  der  ganzen  Breite  des  Hauses, 
an  der  Stelle  von  f  und  g,  die  vorderen 
Räume  von  den  hinteren  trennte.  Das 
Atrium  öffnete  sich  auf  den  Hof  mit  einer  breiten  Tür 
sprechend)  und  dem  noch  jetzt  vorhandenen  Fenster 
Auch  k  erhielt  damals  direktes  Licht  aus  dem  Hofe. 

Wir  erwähnen  noch  eine  in  die  Wand  von  g  eingekratzte  In- 
schrift: für  es  foras^  fr^^S^  nitro  ^  —  >die  Diebe  hinaus,  die  ehr- 
lichen Leute  herein«. 


Fig.  193.  Querschnitt  des  Hauses 
ohne  Compluvium.  Links  Licht- 
hof (/)  mit  Treppe  (Ă„)  zu  einem 
oberen  Raum  ĂĽr  /.  Rechts 
das  Zimmer  g  mit  Fenster  in  das 
Speisezimmer  k. 


[g  ent- 
auf  /). 


III.  Das  Haus  Kaiser  Josephs  II. 


Ein  gutes  Beispiel  der  am  Abhänge  hinab  gebauten  mehr- 
stöckigen Häuser  (S.  281)  bietet  gleich  westlich  vom  Forum  tri- 
anguläre —  II  (VIII),  2,  39  —  die  Casa  dell'  imperatore  Giuseppe  II, 
so  genannt  weil  hier  im  Jahre  1769  in  Gegenwart  dieses  Kaisers 
eine  Ausgrabung  stattfand.  Seine  unteren  Stockwerke  liegen  zum 
Teil  an  der  Stelle  der  frĂĽheren  Stadtmauer,  sind  aber  doch  nicht 
nach  der  Zeit  des  zweiten  Stiles  entstanden,  in  dem  das  Tepidarium 


364 


Pompeji. 


des  kleinen  Bades  im  untersten  Stock  ausgemalt  ist.  Die  Ver- 
teilung der  Räume  und  die  Art,  wie  die  Stockwerke  durch  Treppen 
verbunden  sind,  ist  im  Plan  ersichtlich. 


Fig.  194.     GrundriĂź  des  Hauses  Kaiser  Josephs  II. 

I.  Oberster  Stock  im  Niveau  der  StraĂźe: 

a  Fauces.     b  Atrium,     c  Hauskapelle,    g,  h  Alae,  mit  einem  Wandschrank   hinter   h.     it  Raum 

mit  zwei  Treppen ,  zu  oberen  Räumen  und  zum  Mittelstock,     lu  Mittelraum ,   geöffnet   auf  eine 

Säulenhalle  (y),    die   sich   ihrerseits    auf  eine  Terrasse    (z)    öffnet,     x^  v  Speisezimmer,   geöffnet 

auf  die  Säulenhalle. 

2.  Mittelstock : 

a  Korridor,   zugänglich   von    der   Treppe   in  w.     /?  Korridor,     y,  J  Niedrige    gewölbte  Räume. 

ÂŁ  Treppe  zum  untersten  Stock.    >;  Mittelraum.    9  Speisezimmer  mit  Fenster  auf  die  Terrasse  (u). 

â– /.  Kleines  Speisezimmer,    t,  A,   l,  Schlafzimmer. 

3.  Unterster  Stock: 

I.  Korridor  von   der  Treppe    in   t  abwärts.     3,  4.  Bäckerei.     6 — 8  Bad   (6.  Tepidarium.     7.  Cal- 

darium.     8.  Frigidarium). 

4.  Obere  Räume  des  Mittelstockes: 

I.  Als  Keller  benutzte  Höhlung.     IL  III.  Räume  über  t,  7..    VI.  Raum  über  t,  mit  V  (über  y,  J) 

durch  eine  Galerie  (über  der  Treppe  t)  verbunden,    die   aus   »;  durch    eine  Leiter   oder  Treppe 

zugänglich  war. 

Der  oberste  erhaltene  Stock  (Plan  I)  liegt  im  Niveau  der 
Straße.  Daß  über  ihm  noch  obere  Räume  waren,  beweisen  die 
Treppen  in  e  und  w,  doch  bleibt  dunkel,  wie  weit  sie  sich  aus- 
dehnten. 

Das  Atrium  b  stammt  aus  der  Tuffperiode  und  war  damals 
reich   dekoriert:   korinthische  Viertelsäulen  in  den  Ecken,  Halb- 


XLII.   Drei  Häuser  ungewöhnlicher  Form.  ^()c 

Säulen  an  den  Alen.  Kein  Tablinum;  aber  das  Motiv  war  mar- 
kiert durch  zwei  Pilaster  mit  ihrem  Gebälk. 

Das  Schlafzimmer  c  enthielt  später  in  seiner  rechten  Wand 
die  Larennische,  auf  deren  RĂĽckwand  der  Genius  gemalt  ist, 
opfernd,  mit  FĂĽllhorn  und  ĂĽber  den  Kopf  gezogener  Toga. 
Neben  ihm  steht  eine  weibliche  Gestalt,  auch  sie  die  Opferschale 
auf  den  Altar  ausgieĂźend,  mit  Diadem  und  Szepter,  Attributen 
der  Juno.  Es  ist  ohne  Zweifel  die  >Juno«,  der  Genius,  der  Haus- 
frau (vgl.  S.  277).  Unter  und  bei  der  Nische  eiserne  Nägel,  wohl 
zum  Aufhängen  von  Kränzen  und  Binden. 

Die  Räume  hinter  dem  Atrium  verdanken  ihre  durchaus 
ungewöhnliche  Gestalt  dem  mit  der  Vergrößerung  des  Hauses 
verbundenen  Umbau.  Auf  den  großen  Mittelraum  za  öffnet  sich 
jederseits  mit  zwei  groĂźen  Fenstern  ein  Speisezimmer  {v,  x). 
Alle  drei  Räume  öffnen  sich  auf  den  Portikus  /,  dieser  auf  die 
Terrasse  z. 

Im  mittleren  Stock  (Plan  2)  ist  /;  der  Mittelraum ,  gewisser- 
maĂźen das  Atrium,  erhellt  durch  eine  TĂĽr  und  zwei  groĂźe 
Fenster  auf  die  Terrasse  /<.  Auf  ihn  öffnen  sich  zwei  Speise- 
zimmer {0-^  z)  und  drei  Schlaf kammern  (f,  A,  T).  Der  Gang  Ăź 
isolierte  diese  Zimmer  gegen  das  dahinter  liegende  Erdreich;  von 
ihm  aus  erreichte  man  zwei  Oberzimmer  über  i  und  Ä.  Da  näm- 
lich die  Kammern  7,  cJ,  «,  /,  1."  beträchtlich  niedriger  waren  als 
die  beiden  Speisezimmer  0-  und  â– /,  so  hatte  man  ĂĽber  ersteren, 
so  wie  auch  ĂĽber  der  Erdmasse  zwischen  der  Treppe  und  y,  eine 
Art  Zwischenstock  angebracht.  Wie  Plan  4  zeigt,  haben  II  und 
III  (ĂĽber  /,  /)  ihren  Zugang  von  Ăź  aus,  aber  ohne  Treppe;  man 
muĂźte  eine  Leiter  ansetzen.  Vermutlich  waren  es  Vorratskammern. 
Ebenfalls  aus  ß  gelangte  man  mit  einer  Leiter  in  eine  Art  Höhle, 
I,  wohl  eine  beim  Umbau  abgeschaffte  und  nun  als  Keller  be- 
nutzte Zisterne.  VI,  vielleicht  ein  Waschraum,  mit  Wasserbassin 
in  einer  Ecke,  war  mit  V  durch  eine  Art  BrĂĽcke  ĂĽber  t  ver- 
bunden, die  man  wohl  von  i]  aus  durch  eine  Treppe  oder  Leiter 
erstieg. 

Im  untersten  Stock  (Plan  3)  fĂĽhrt  der  Gang  5  in  ein  kleines 
Bad  (6,  7,  8).  Im  Caldarium  j)  erstreckt  sich  der  Hohlraum  der 
Wände  auch  auf  das  Tonnengewölbe;  in  der  Mitte  der  Schcitel- 
linie  ist  das  Zugloch  angebracht;  es  erhebt  sich  wie  ein  Schorn- 


366 


Pompeji. 


Stein,  in  einen  Kegel  aus  Mauerwerk  eingeschlossen,  ĂĽber  die 
Terrasse  fi.  In  gleicher  Weise  öffnen  sich  dort  auch  das  Luft- 
loch in  der  Spitze  der  kegelförmigen  Wölbung  des  Frigidariums 
(8)  und  eine  Lichtöffnung  der  Bäckerei  (3). 

Diese  letztere  hat  in  der  Nordostecke  den  Backofen,  in  der 
Mitte  die  SchĂĽssel  zum  Anfeuchten  des  Brotes,  in  der  SĂĽdostecke 
zwei  gemauerte  Bassins.  Daneben  die  Backstube  (4)  mit  den 
gemauerten  FĂĽĂźen  des  Backtisches.  Eine  TĂĽr  fĂĽhrte  aus  3  ins 
Freie,  also  aus   der  Stadt;    da  Ă„hnliches   in   keinem   andern  der 


Fig.  195.     Bäckerei  im  untersten  Stock  des  Hauses  Kaiser  Josephs  II  zur  Zeit  der  ersten 
Ausgrabung.    Nach  Mazois. 


am  Stadtrande  liegenden  Häuser  vorkommt,  so  muß  sie  wohl 
dem  Besitzer  dieses  Hauses  als  besondere  VergĂĽnstigung  gestattet 
worden  sein,  wenn  sie  nicht  etwa  modern  ist. 

Unsere  Abbildung  (Fig.  195)  zeigt  (nach  Mazois)  die  Bäckerei 
mit  dem  Skelett  eines  Mannes,  der  dort  Schutz  gesucht  und  den 
Hungertod  gefunden  hatte. 


Kapitel  XLIII. 
Sonstige  Häuser. 

Dies  Buch  wĂĽrde  zu  sehr  anschwellen,  wenn  wir  dem  Leser 
alle  die  Häuser  vorführen  wollten,  die  genauere  Betrachtung 
verdienen.  Aber  kurz  erwähnen  müssen  wir  doch,  in  topo- 
graphischer Anordnuug,  die  wichtigsten  derselben. 

Da  ist  zuerst,  von  Norden  beginnend,  die  vornehme  Merkur- 
straĂźe, so  genannt  nach  dem  mit  einer  MerkurbĂĽste  verzierten 
Brunnen  an  der  Ecke  des  sie  schneidenden  Gäßchens.  Die 
breiteste  StraĂźe  der  Stadt,  ist  sie  doch  keine  Verkehrsader;  sie 
fĂĽhrt  an  die  Stadtmauer  und  ist  hier  geschlossen  durch  eine 
Quermauer,  an  die  ein  Altar  angelehnt  ist.  Daher  nur  sehr 
wenige,  in  der  Nordhälfte  gar  keine  Läden.  Und  eben  hier 
liegen  mehrere  groĂźe  und  vornehme  Wohnungen. 

Vor  allem  das  Haus  des  Kastor  und  Pollux  (VI,  9,  67), 
so  genannt,  weil  auf  den  Wänden  des  Hausflurs  die  Dioskuren, 
ihre  Rosse  am  ZĂĽgel  haltend,  gemalt  waren.  Von  den  zwei 
Atrien  ist  eines  ein  korinthisches,  mit  zwölf  hohen  Säulen.  Zwi- 
schen den  Atrien  liegt  ein  groĂźes  Peristyl,  hinter  dem  korinthi- 
schen ein  Garten  mit  Portikus.  Einer  der  besten,  vielleicht  der 
beste  aller  in  Pompeji  tätigen  Maler  hat  das  Tablinum  des 
korinthischen  Atriums  und  das  rechts  anstoĂźende  Zimmer  aus- 
gemalt. Der  ornamentalen  Dekoration  können  wir  nur  die 
älteren  Malereien  des  Hauses  der  Vettier  zur  Seite  stellen.  In 
den  Mittelfeldern  vorzügliche  Gemälde:  im  Tablinum  rechts  die 
Erkennung  Achills  auf  Skyros  unter  den  Töchtern  des  Lykomedes, 
links  sein  Streit  mit  Agamemnon;  auf  den  Seitenfeldern  Gruppen 
je  eines  Satyrn  und  einer  Bacchantin,  herrliche  Beispiele  antiker 
Freilichtmalerei,  wie  sie  auf  dem  blauen,  den  Himmel  andeuten- 
den Grunde  in  glĂĽhendem  Sonnenlichte  dahinschwebcn.  Weniger 
fein,  aber  breiter  und  wirkungsvoller  ist  die  Dekoration  des  groĂźen 


368 


Pompeji. 


Peristyls;  ihr  ist  unsere  Abbildung  der  Venus  Pompejana  (Fig.  4) 
entnommen. 

Das  nördlich  anstoßende  Haus  des  Centauren  (VI,  9,  5) 
ist  benannt  nach  einem  Herakles,  Deianira  und  Nessos  darstel- 
lenden Gemälde.  Ein  schönes  Schlafzimmer  desselben,  ersten 
Stiles,  zeigt  unsere  Figur  136. 

Weiter  folgt,  gegen  die  Stadtmauer  zu,  das  groĂźe  Haus 
des  Meleager  (VI,  9,2),  benannt  nach  einem  Meleager  und 
Atalante  darstellenden  Gemälde  im  Hausflur.  Links  neben 
dem  Atrium  ein  groĂźes  Peristyl  mit  groĂźem  Wasserbassin 
und  Springbrunnen,  auf  allen  vier  Seiten  von  Portiken  um- 
geben. Auf  den  Ost- 
portikus öffnet  sich 
unter  anderen  Räu- 
men ein  korinthischer 
Oecus  (S.  272).  Die 
zahlreichen  mytho- 
logischen Bilder,  teils 
verblichen,  teils  nach 
Neapel  gebracht,  sind 
]  von  geringem  Kunst- 
wert. 

GegenĂĽber  das 
Haus  des  Apollo 
(VI,  7,  23),  benannt 
nach  mehreren  diesen  Gott  darstellenden  Bildern.  Das  Tablinum 
bietet  eines  der  besten  Beispiele  des  letzten  Dekorationsstiles.  — 
Weiter  sĂĽdlich  das  Haus  des  Adonis;  auf  der  Gartenwand  ist 
ĂĽberlebensgroĂź  der  verwundete  Adonis  gemalt,  gepflegt  und  ver- 
bunden von  Aphrodite  und  den  Amoren. 

An  dem  sĂĽdlichen  Teil  der  MerkurstraĂźe  westlich  (VI,  8)  die 
Casa  della  Fontana  grande  und  della  Fontana  piccola 
(VI,  8,  22  und  23],  benannt  nach  den  mosaikbekleidcten  Brunnen- 
nischen in  ihren  Gärten. 

GegenĂĽber  die  Casa  dell'  Ancora,  genannt  nach  dem  einen 
Anker  darstellenden  schwarzweiĂźen  FuĂźbodenmosaik  des  Haus- 
flures. Einzig  in  seiner  Art  ist  das  Peristyl  dieses  Hauses 
(Fig.  196).     Mit  dem   nach   hinten  stark  abfallenden  Terrain  hat 


El 


Fig.  IC 


Durchschnitt   eines   Teils   des  Peristyls    im   Hause 
des  Ankers,  wiederhergestellt. 


XLin.   Sonstige  Häuser. 


369 


sich  der  Erbauer  so  abgefunden,  daĂź  er  den  Garten  nicht  in  das 
Niveau  der  ihn  umgebenden  Portiken,  sondern  um  2,80  m  tiefer, 
in  das  Niveau  der  hinten  vorbeifĂĽhrenden  StraĂźe  legte.  Der 
Portikus  hatte  nur  auf  der  Nordseite,  wo  sich  drei  Speisezimmer 
auf  ihn  öffnen,  Säulen  von  beträchtlicher  Höhe ;  auf  den  andern 
drei  Seiten  ruhte  sein  Dach  auf  nur  2,15  m  hohen  Säulchen;  es 
war  also  ein  rhodisches  Peristyl  (S.  267).  Die  bis  an  den  FuĂź- 
boden   der  Portiken    hinaufreichenden  Wände  des  Gartens   sind 


Fig.  197.  GrundriĂź  des  Hauses  des  Pansa.  i.  Fauces.  2.  Atrium.  3,  4.  Alae.  5.  Tablinum. 
6.  Andron.  9.  Peristyl.  10.  Gang  zum  Posticum.  13.  Speisezimmer.  15.  Oecus.  18.  Stall. 
19.  Küche.  20.  Wagenremise.  21.  Säulenhalle  vor  dem  Garten.  22 — 23.  Kleine  Wohnung  mit 
Oberstock,  in  Verbindung  mit  der  Hauptwohnung.  24 — 25.  26 — 27.  Zwei  kleine  getrennte 
Wohnungen.  28 — 34.  Bäckerei  (29.  Mühlenraum.  30.  Backofen).  35.  37—40.  Läden.  41.  Laden 
mit  Hinterräuraen.     A,  B,  C  Größere  Mietwohnungen. 


gegliedert  durch  eine  Menge  kleiner  gewölbter  Nischen,  in  denen 
je  ein  kleiner  Altar  steht  (nicht  etwa  eine  Basis:  es  ist  sicher, 
daĂź  nichts  darauf  stand).  Nur  die  dem  hohen  Portikus  gegenĂĽber- 
liegende Schmalseite  hat  drei  größere  Nischen,  deren  mittlere  ein 
Tempelchen,  die  beiden  anderen,  apsisförmigen,  je  eine  Brunnen- 
figur enthielten.  Ein  bedeckter  Gang  (Krypta),  in  den  man 
durch  eine  Treppe  neben  dem  Tablinum  gelangt,  umläuft  auf 
drei  Seiten  den  Garten,  von  dem  er  durch  kleine  Fenster  Licht 
erhält. 

An  der  Nolaner  StraĂźe   finden  wir,   von  Westen  beginnend, 
zuerst   nördlich  das  die   ganze  hisula  VI,  6   einnehmende  Haus 


Mau,  Pompeji.     2.  .Aufl. 


24 


370 


Pompeji. 


des  Pansa  (Fig.  197),  genannt  nach  einem  Wahlprogramm,  Es 
ist  ein  großes  Haus  der  vorrömischen  Zeit,  aber  weniger  groß- 
artig und  weniger  vornehm  angelegt  als  das  Haus  des  Faun.  Die 
eigentliche  herrschaftliche  Wohnung  hat  nur  ein  Atrium  (2),  nur 
ein  Peristyl  (9);  hinter  diesem  ein  Portikus  (21)  und  ein  Garten, 
den  wir  eher  fĂĽr  einen  Nutzgarten  als  fĂĽr  einen  Park  halten 
dürfen;  a  ist  die  Kammer  des  Gärtners.  Auch  die  Wirtschafts- 
räume sind  durchaus  nicht  reich  entwickelt;  kein  Bad;  19  ist  die 
KĂĽche,  18  ein  Stall,  20  eine  Wagenremise.  DafĂĽr  aber  vielerlei 
besonders    vermietete    Räume.      Läden    an    der  Nolaner  Straße, 

deren  einer  eine  TĂĽr  in  das 
Atrium  hat,  also  wohl  einem 
von  dem  Hausherrn  selbst  be- 
triebenen Handel  diente.  Der 
Eckladen  33  gehörte  zu  der 
Bäckerei  28 — 34.  An  derselben 
Seite  drei  kleine  zweistöckige 
Wohnungen,  von  denen  eine 
(22 — 23)  Fenster  auf  das  Peristyl 
und  ein  anliegendes  Zimmer 
(12)  hat;  der  hier  Wohnende 
muĂźte  wohl  in  irgend  welcher 
Beziehung  zum  Haushalt  des 
Besitzers  stehen.  Drei  größere  Wohnungen  (A,  B,  C)  liegen  auf 
der  andern  Seite  des  Hauses.  —  Wanddekorationen  sind  in 
diesem  Hause  nicht  erhalten.  Von  den  Fauces  war  schon  S.  254 
die  Rede. 

Weiter  westlich  gegenĂĽber  dem  Hause  des  Faun  das  Haus  der 
schwarzen  Wand  —  IV  (VII),  4,  59  —  mit  einem  außerordentlich 
schön  im  letzten  Stil  auf  schwarzem  Grunde  ausgemalten  Zimmer. 
Daneben  (57)  die  Casa  dei  capitelli  figurati,  ein  regel- 
mäßiges Haus  der  vorrömischen  Zeit,  benannt  nach  den  Tufif- 
pilasterkapitellen  des  Haupteinganges,  an  denen,  wie  noch  öfter 
an  Häusern  dieser  Zeit,  Figuren,  stets  dem  bacchischcn  Kreise 
entnommen,  angebracht  sind.  Unsere  Abbildung  (Fig.  198)  gibt 
eines  derselben  in  seinem  jetzigen  Zustande;  es  war  im  Altertum 
mit  weißem  Stuck  überzogen.  —  Weiter  das  Haus  des  Groß- 
herzogs   von    Toscana,    mit    einem    Mosaikbrunnen    älteren 


Fi: 


Pilasterkapitell     am    Eingange    der 
Casa  dei  capitelli  figurati. 


XLIII.   Sonstige  Häuser.  3  7  1 

und  strengeren  Stils.  —  Sodann  die  große  Casa  dei  capitelli 
colorati,  benannt  nach  den  buntfarbigen  Stuckkapitellen  des 
Peristyls:  ein  groĂźes,  langgestrecktes  Haus.  Aus  der  Nolaner 
Straße  betritt  man  das  zweite  Peristyl,  das  Atrium  öffnet  sich 
auf  die  SĂĽdseite  der  Insula.  Endlich  an  der  Ecke  derselben  Insula 
das  kleine  Haus  der  Jagd,  Casa  della  caccia,  IV  (VII),  4,  48, 
benannt  nach  den  in  groĂźen  Dimensionen  auf  die  Gartenwand 
gemalten  Jagdszenen. 

Viel  weiter  östlich  an  der  Nolaner  Straße,  jenseits  der  Kreu- 
zung mit  der  Stabianer  StraĂźe,  liegt  die  groĂźe  Casa  delCente- 
nario,  III  (IXj,  7,  6,  ausgegraben  1879,  achtzehnhundert  Jahre  nach 
der  VerschĂĽttung.  Sie  hat  drei  Atrien  und  ein  groĂźes  Peristyl, 
dessen  Portikus  auf  der  Vorderseite  zweistöckig,  auf  den  drei 
anderen  Seiten  einstöckig  war.  Auf  der  Rückseite  des  Peristyls 
ein  groĂźes  Sommerspeisezimmer,  nach  hinten  auf  einen  kleinen 
Garten  geöffnet,  in  dem  aus  einer  hochgelegenen  Mosaiknische 
eine  Marmorfigur  —  Hermaphrodit  —  einen  Wasserstrahl  über 
eine  Marmortreppe  in  ein  geräumiges  Bassin  fallen  ließ.  Das 
Haus  enthält  außerdem  ein  Bad  und  viele  Räume  mit  zum  Teil 
wertvollen  Malereien   aus   der  Zeit  des   dritten  und  vierten  Stils. 

An  dem  nördlichen  Teil  der  Stabianer  Straße  liegt  östlich 
das  Haus  des  Bankiers  L.  Caecilius  Jucundus  (V,  i,  26). 
Sein  Tablinum  bietet,  wenn  nicht  das  schönste,  so  doch  das 
reichste  Beispiel  einer  Dekoration  dritten  Stiles.  An  dem  Unter- 
bau der  Hauskapelle  ist  das  Fig.  23  abgebildete,  die  Nordseite 
des  Forums  darstellende  Relief  angebracht.  In  einem  oberen 
Zimmer  ĂĽber  dem  linken  Portikus  des  Peristyls  fand  man  in  einer 
Holzkiste  die  weiterhin  (Kap.  LVIII)  zu  besprechenden  Quittungs- 
tafeln des  Hausherrn. 

Noch  weiter  nördlich  an  der  Stabianer  Straße,  links,  das  Süd- 
ende der  Insula  VI,  16  einnehmend,  das  in  den  letzten  Jahren 
ausgegrabene  Haus  »der  vergoldeten  Amoren«  [dcgli  Aviorini 
dorati)^  so  genannt  nach  dem  Wandschmuck  eines  Schlafzimmers, 
kleinen  Amorenfiguren  aus  Blattgold  mit  aufgesetzten  Emailfarben, 
in  kleinen  Medaillons  auf  blauem  Stuckgrunde,  durch  Glasscheiben 
geschĂĽtzt.  Sehenswert  aber  ist  das  Haus  namentlich  deshalb, 
weil  hier,  wie  im  Hause  der  Vettier,  der  Garten  seinen  Schmuck 
an  Marmorskulpturen    vollständig    bewahrt  hat.     Auch   hier   hat 

24* 


2  7  2  Pompeji. 

man  den  Garten  wieder  angepflanzt,  möglichst  auf  den  Spuren 
der  alten  Anlage,  und  ringsum  die  Säulenhallen  hergestellt;  es 
ist  auch  gelungen,  in  mehreren  Zimmern  die  Decken  mit  ihrer 
Bemalung  aus  den  Fragmenten  wieder  zusammenzusetzen,  so  daĂź 
nun  das  Peristyl  mit  den  umliegenden  Räumen  fast  ganz  in  seiner 
alten  Gestalt  dasteht.  Das  Atrium  liegt  etwas  seitwärts,  so  daß 
es  nur  mit  einer  Ecke  das  Peristyl  berĂĽhrt;  es  ist  klein,  ohne 
Seitenzimmer,  nur  ein  Vor-  und  Durchgangsraum.  Man  sieht 
hier  so  recht,  wie  in  der  letzten  Zeit  —  doch  schon  zur  Zeit  des 
dritten  Stiles,  denn  auf  diese  geht  die  jetzige  Form  des  Hauses 
zurück  —  das  Leben  sich  aus  dem  Atrium,  dem  alten  Zentrum, 
in  und  um  das  Peristyl  zurĂĽckgezogen  hatte. 

Von  der  Nolaner  StraĂźe  in  ihrem  weiteren  Verlauf  nach  Osten 
zweigen  sich  nordwärts  mehrere  Straßen  ab,  von  denen  noch 
keine  ganz  ausgegraben  ist.  An  einer  derselben  liegt  rechts,  in 
der  Insula  V,  4,  das  schon  S.  284  wegen  seines  Cenaculum  er- 
wähnte Haus  des  M.  Lucretius  Fronto.  Der  Besitzer  wollte  Ädil 
werden;  in  mehreren  gemalten  Inschriften  auf  den  Fronten  der 
Nachbarhäuser  wird  seine  Wahl  empfohlen:  »die  Nachbarn  emp- 
fehlen ihn«,  heißt  es  da.  Und  im  Hause  selbst  hat  jemand  in 
die  Wand  eingekratzt:  M.  Lucretius  Fronto^  vir  fortis  et  Jio  — 
er  wollte  schreiben  honcstus:  »ein  energischer  und  ehrlicher  Mann«, 
aber  er  wurde  wohl  unterbrochen  und  die  Inschrift  blieb  unvoll- 
endet. Das  Haus  ist  eine  kleine  Wohnung  im  Stil  der  Kaiser- 
zeit, etwa  dem  des  tragischen  Dichters  (S.  331)  zu  vergleichen, 
mit  schönen  und  gut  erhaltenen  Wanddekorationen  dritten  Stils, 
sehenswert  auch  deshalb,  weil  man  hier  das  Dach  des  mit  Ma- 
lerei, Impluvium  und  marmornem  Gartibulum  (S.  260)  trefflich 
erhaltenen  tuscanischen  Atriums  wiederhergestellt  hat. 

Weiter  sĂĽdlich  an  der  Stabianer  StraĂźe  das  Haus  des  Lucre- 
tius, III  (IX),  3,  5.  Der  Name  ist  einem  Wandgemälde  (Fig.  201) 
entnommen,  das  allerlei  Schreibgerät  und  einen  Brief  darstellt  mit 
der  Adresse:  M.  Lucretio  flam[iui)  Martis,  decurioni  Pompei[s)^  — 
»dem  Marcus  Lucretius,  Priester  des  Mars,  Ratsherrn  in  Pompeji«. 
Hinter  dem  Tablinum  liegt  ein  nach  hinten  ansteigender  kleiner 
Garten;  an  seinem  oberen  Ende  steht  in  einer  kleinen  Mosaik- 
nische ein  marmorner  Silen,  der  aus  einem  Schlauche  einen 
Wasserstrahl  ĂĽber  eine  Marmortreppe  in  ein  rundes  Bassin  fallen 


XLIII.   Sonstige  Häuser. 


373 


ließ.  Rings  um  dieses  stehen  kleine  Marmorfiguren  —  zwei 
Enten,  ein  Satyr,  ein  Amor,  der,  auf  einem  Delphin  reitend,  von 
einem  Polypen  gepackt  wird  —  die  sich  zwischen  den  jetzt  wieder 
angepflanzten  Blumen  freundlich  genug  ausnehmen. 


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Fig.  199.    GrundriĂź  der  Casa  del  Citarista.    6.  Westatrium  an  der  Stabianer  StraĂźe.    17,32.  Peri- 
style  hinter  dem  Westatrium.     40,  41.  Bad  (Tepidarium  und  Caldarium).     42.  KĂĽche.     47.  Nord- 
atrium an  der  Verlängerung  der  AbbondanzastralSe.     56.  Peristyl  hinter  dem  Nordatrium. 


Noch  weiter  abwärts  die  große  Casa  del  Citarista  (I,  4,  5; 
Fig.  199),  benannt  nach  einer  im  Peristyl  (17)  gefundenen  Bronze- 
statue des  kitharaspielenden  Apollo,  allem  Anschein  nach  einer 
treuen  Kopie  einer  altgriechischen  Statue,  die  einst  in  Sparta 
hohe  Verehrung  genoĂź.  Das  westliche  Atrium  (6)  und  die  beiden 
sĂĽdlichen  Peristylien  (17,  32)  sind  in  der  Tufiperiode  an  der  Stelle 


374 


Pompeji. 


mehrerer  älterer  Häuser  erbaut  worden.  Die  Räume  östlich  der 
beiden  Peristylien  und  das  nördliche  Atrium  (47)  und  Peristyl  (56) 
sind  in  römischer  Zeit,  wohl  gegen  Ende  der  Republik,  hinzu- 
gekommen. Dann  ward  das  Haus  im  zweiten  Stil  ausgemalt. 
Aber  auch  Malereien  dritten  und  vierten  Stils  finden  sich  in  meh- 


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Fig.  200.     Orestes  und  Pylades  vor  König  Thoas.      Wandgemälde  aus  der  Casa  del  Citarista. 

Photographie  Brogi. 


reren  Räumen.  Die  herrschaftlichen  Wohnungen  sind  durch- 
aus um  die  Peristylien  gruppiert;  die  Zimmer  an  den  Atrien 
dienten  als  Sklavenzimmer  oder  Wirtschaftsräume:  auch  dies  ein 
anschauliches  Beispiel,  wie  sich  das  Leben  mehr  und  mehr  in  die 
inneren  Teile  des  Hauses  zurĂĽckzog,  und  das  Atrium  zu  einem 
allenfalls  auch  entbehrlichen  Vorzimmer  wurde.  —  42  i.st  die 
KĂĽche,  daneben  ein  kleines  Bad:   40  Tepidarium,  41   Caldarium. 


XLni.   Sonstige  Häuser. 


375 


In  dem  großen  Saale  35  fanden  sich  zwei  sehr  schöne  Ge- 
mälde aus  der  letzten  Zeit  Pompejis:  Bacchus  mit  seinem  Gefolge, 
die  schlafende  Ariadne  findend,  und  Orest  und  Pylades  in  Tauris 
(Fig.  200).  Die  beiden  Gefangenen  stehen  gefesselt  dem  König 
Thoas  gegenĂĽber;  im  Hintergrunde  tritt  Iphigenie,  das  Bild  der 
Göttin  tragend,  aus  dem  Tempel.  Die  Gestalt  des  Orestes,  in 
dessen  Haltung  und  Gesichtsausdruck  uns  die  ganze  Tragik  seines 
Schicksals  entgegentritt,  gehört  zu  dem  Besten,  was  von  antiker 
Malerei  auf  uns  gekommen  ist. 


Fig.  201.     Schreibgerät  und  Brief.     Wandgemälde  aus  dem  Hause  des  Lucretius. 


An  der  AbbondanzastraĂźe  stehen  im  Atrium  (Fig.  134)  des 
Hauses  des  Cornelius  Rufus  —  II  (VIII),  4,  15  —  die  schönsten 
marmornen  TischfĂĽĂźe,  neben  dem  Tablinum  die  Herme  des  Haus- 
herrn mit  der  Inschrift  C.  Cornclio  Rufo.  Dicht  dabei  bietet  das 
Haus  des  Holconius  —  II  (VIII),  4,  4  —  ein  gutes  Beispiel  eines 
nach  dem  Jahre  63  restaurierten  und  vollständig  ausgemalten 
Hauses.  Die  rechte  Ala  diente  als  Gefäßkammer,  in  der  auf  Holz- 
regalen bronzenes,  eisernes  und  tönernes  Küchengerät  stand.  Die 
Portiken  des  Peristyls  waren  zweistöckig;  nicht  weniger  als  sechs 
Strahlen  Leitungswasser  fielen  von  den  Säulen  der  Rückseite  aus 
der  Höhe  von  1,25  m  in  die  Regenrinne;  ähnlich  auf  der  Vorder- 
seite. Einzig  in  seiner  Art  ist  die  Exedra  hinter  dem  Peristyl 
mit  einem  kleinen  Springbrunnen  in  der  Mitte. 


Kapitel  XLIV. 
Die  Villa  des  Diomedes. 

Zweierlei  Villen  gab  es  im  Altertum:  die  Villa  pseudourbana^ 
das  Landhaus  des  reichen -Mannes,  und  die  Villa  rustica  ^  den 
Wirtschaftshof.  Wir  betrachten  als  Beispiel  ersterer  Klasse  die 
sogen.  Villa  des  Diomedes.  Eine  in  der  Nähe  Pompejis  gefun- 
dene Villa  rustica   soll  im  nächsten  Kapitel  besprochen  werden. 

Zahlreiche  Villen  lagen  ohne  Zweifel  auf  dem  Höhenrücken 
von  Pompeji  aufwärts  gegen  den  Vesuv;  ihrer  drei  finden  wir 
dicht  beieinander  vor  dem  Herculaner  Tor:  eine  nur  teilweise 
ausgegrabene  rechts  auf  der  Höhe  des  Hügels,  zwei  links  am 
Abhang  hinunter.  Zuerst  die  1763  ausgegrabene  und  wieder 
verschĂĽttete  sogenannte  Villa  des  Cicero,  dann,  weiter  hinaus,  die 
1771 — 74.  ausgegrabene  Villa  des  Diomedes,  so  genannt  nach 
den  ihrem  Eingang  gegenüberliegenden  Gräbern  des  M.  Arrius 
Diomedes  und  seiner  Angehörigen  (Plan  V,  42). 

Die  Schiefwinkligkeit  gegen  die  Straße  erklärt  sich  daraus, 
daß  die  Villa  am  Abhänge  liegt  und  dessen  Richtung  für  die 
Orientierung  der  ganzen  Anlage  maĂźgebend  war.  So  muĂźte  die 
Straße,  schräg  am  Abhänge  hinabsteigend,  mit  dem  Hause  in 
schiefem  Winkel  zusammentreffen.  Durch  die  Lage  am  Abhänge 
ist  es  auch  bedingt,  daß  die  hinteren  Räume  tiefer  liegen  als 
die  vorderen.  Jene  sind  im  Plan  mit  Buchstaben,  diese  mit  Zif- 
fern bezeichnet.  Bauart  und  Wanddekorationen  zweiten  Stiles 
beweisen  Entstehung  in  römischer,  aber  noch  republikanischer 
Zeit. 

Die  Villa  pseudourbana  ist  von  dem  Stadthause  verschieden 
durch  den  freieren,  luftigeren  Charakter  mit  Gärten  und  Portiken. 
Der  reichlich  zur  Verfügung  stehende  Platz  bot  der  persönlichen 
Neigung  weiten  Spielraum.  Die  beiden  Villen  des  jĂĽngeren  Pli- 
nius,   bei  Laurentum  an  der  latinischen  KĂĽste  und  bei  Tifernum 


XLIV.   Die  Villa  des  Diomcdes. 


377 


Tiberinum  (Cittä  di  Castello),  von  ihm  selbst  in  zwei  Briefen  be- 
schrieben, und  noch  mehr  die  Riesenvilla  Hadrians  bei  Tivoli 
erläutern  dies  auf  das  anschaulichste.  Ein  fester  Typus  ist  hier 
nicht  vorhanden. 


Fig.  202.  GrundriĂź  der  Villa  des  Diomcdes.  i.  Treppe.  3.  Peristyl.  8.  Tablinum.  10.  Exedr.-i. 
12.  Speisezimmer.  14.  Schlafzimmer  mit  Vorraum  (13).  15.  Gang  zu  einem  Garten  im  Niveau 
der  Straße.  17.  Hof  des  Bades,  mit  Herd  (el  und  Hassin  (■).  18.  Vorratskammer.  19—11.  Bad 
(19.  Apodyterium.  20.  Tepidarium.  21.  Caldarium).  22.  Küche.  26.  Säulenhalle  vor  einer 
Terrasse  (2S)  über  den  Vorderräumen  des  Unterstockes,  e ,  f,  g.  h  Portikus  um  den  Garten. 
/,  k.  l,  m  Zimmer  des  Unterstockes,     r  Fischteich,     s  Laube. 


378 


Pompeji 


Eine  Regel  aber  gibt  Vitruv:  gleich  am  Eingang  pflegte  nicht 
ein  Atrium  sondern  ein  Peristyl  zu  sein;  weiter  einwärts  konnten 
dann  auch  Atrien  folgen.  So  kommen  wir  denn  auch  hier 
von  der  StraĂźe  ĂĽber  einige  Stufen,  dann  durch  eine  TĂĽr,  deren 
Vordach  von  zwei  Säulen  getragen  wurde,  unmittelbar  in  ein 
Peristyl  (3).  An  diesem  gleich  links  das  Bad.  In  dem  kleinen 
dreieckigen  Hofe  17,  mit  niedrigem,  zierlichen  Portikus  auf  zwei 
Seiten,  das  Bassin  fĂĽr  das  kalte  Bad  (^)  unter  einem  von  zwei 
Säulen  gestützten  Schutzdach.  Die  Wand  war  oberhalb  des 
Bassins  auf  blauem  Grunde  mit  Fischen  und  Seetieren,  rechts 
und  links  mit  Bäumen  und  Sträuchern  bemalt:   es  sollte  hier  die 


Umgang  ĂĽber  dem  Portikus.  Terrasse.      .  4^rM 


Rechte  Seite  des  Portikus  (^,  Ă„).      Vorderseite  Zimmer  unter 

des  Portikus  (rf).     der  Terrasse  (t). 


Fig.  203.     Längenschnitt  der  Villa 


Vorstellung  erweckt  werden  eines  sich  noch  weiterhin  ausdeh- 
nenden Teiches  inmitten  eines  Waldes  oder  Gartens,  ähnlich  wie 
in  den  Frigidarien  der  öffentlichen  Bäder.  In  der  Ecke  £  ein 
Herd,  auf  dem  Kochgeschirr  gefunden  wurde:  man  liebte  warme 
Getränke  nach  dem  Bade.  Rechts  Apodyterium  19,  Tepidarium 
20,  Caldarium  21.  In  letzterem  die  Wanne  i],  nur  fĂĽr  eine  Per- 
son, und  daran  die  Apsis  ^  fĂĽr  das  Labrum.  Die  Heizung  er- 
folgte von  der  KĂĽche  22  aus,  durch  hohlen  FuĂźboden  und  Hohl- 
wände; das  Tepidarium  hingegen  hatte  keines  von  beiden;  es 
bezog  seine  Wärme  aus  dem  Caldarium,  etwa  durch  eine  ver- 
schlieĂźbare Ă–ffnung  in  der  TĂĽr,    Auch  ein  rundes,  wie  es  scheint 


XLIV.   Die  Villa  des  Diomedes. 


379 


verschlieĂźbares  Loch  in  der  Mauer,  neben  der  TĂĽr,  konnte  viel- 
leicht diesem  Zwecke  dienen;  doch  hatte  es  jedenfalls  auch  noch 
eine  andere  Bestimmung-.  Nämlich  aus  diesem  Loche  geht  hier 
und  ebenso  in  dem  kleinen  Bade  eines  Hauses  in  der  Stadt  eine 
Röhre  in  der  Mauer  aufwärts;  wohl  mit  Recht  haben  hieraus 
schon  die  Zeitgenossen  der  Ausgrabung  geschlossen,  daĂź  dies 
der  Platz  einer  Lampe  war,  deren  Dunst  durch  die  Röhre  wie 
durch  einen  Schornstein  abzog.  Man  badete  also  in  diesen  kleinen 
Privatbädern  auch  abends,  wie  ja  auch  in  den  Thermen  beim 
Forum.  Wir  mögen  uns  an  Petrons  Trimalchio  erinnern,  der 
nach    reichlichem   Mahl    seine   Gäste   ins  Bad  führt,    um  sie  zu 


Tablinuni. 


Peristyl. 


Eingang. 


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des  Diomedes,  wiederhergestellt. 


neuen  Genüssen  zu  befähigen.  Man  glaubte,  daß  das  heiße  Bad 
den  Rausch  vertriebe  und  die  Verdauung  beschleunigte.  Im 
Tepidarium  fand  man,  gut  erhalten,  das  mit  vier  Glasscheiben  in 
Holzrahmen  geschlossene  Fenster.  In  der  KĂĽche  22  ist  a  der 
Herd,  auf  dem  ein  kleiner  Backofen  \  steht;  gegenĂĽber  ein  ge- 
mauerter Tisch  V.  In  ^  eine  Treppe  zu  oberen  Räumen,  die 
sich  wohl  nicht  weiter  als  über  die  Baderäume  ausdehnten.  23  ist 
ein  Bassin,  aus  dem  das  Leitungswasser  durch  Röhren  in  das 
Bad  und  weiter  in  das  Haus  gefĂĽhrt  wurde. 

Links  vom  Peristyl  fĂĽhrt    ein  Gang  (13)   in  einen  nicht  aus- 
gegrabenen Garten.     Weiter  ein  Schlafzimmer  (14)  mit  Vorraum 


380  Pompeji. 

(13):  ersteres  halbkreisförmig  nach  Süden  in  den  Garten  vor- 
springend, mit  drei  Fenstern,  sonnig  zu  jeder  Tageszeit;  Plinius 
beschreibt  ein  ebensolches  in  seiner  laurentinischen  Villa;  /  Nische 
fĂĽr  das  Bett,  verschlieĂźbar  durch  einen  Vorhang,  dessen  Ringe 
gefunden  wurden,  d  gemauertes  Waschbecken,  Ăź  Schlafstelle  eines 
Dieners. 

Auf  der  RĂĽckseite  des  Peristyls  fĂĽhrt  eine  Treppe  (11)  zu 
einem  Oberraum  ĂĽber  dem  Schlafzimmer  9  (mit  weiter  TĂĽr  und 
NebentĂĽr:  s.  S.  268;  daneben  rechts  ein  Wandschrank  (auch  11). 

Durch  das  nur  hinten  verschlieĂźbare  Durchgangszimmer  8, 
eine  Art  Tablinum,  kam  man  in  älterer  Zeit  (unser  Durchschnitt 
zeigt  diese  ältere  Form)  in  eine  Säulenhalle  (26),  die  sich  auf 
eine  breite,  bis  an  den  tiefer  gelegenen  Garten  reichende  Ter- 
rasse (28)  öffnete,  mit  herrlicher  Aussicht  auf  Stabiae,  das  Meer 
und  die  Küste  von  Sorrent.  Später  wurde  die  Säulenhalle  in 
einen  geschlossenen  Korridor  verwandelt,  am  rechten  Ende  das 
kleine  Zimmer  25  und  auf  die  Terrasse  der  groĂźe  Saal  27  ge- 
baut. An  die  Terrasse  schloĂź  sich  ein  unbedeckter  Umgang 
ĂĽber  dem  den  Garten  einfassenden  Portikus  {e,  /,  g^  h). 

In  die  rückwärtigen,  tiefer  gelegenen,  in  unserem  Plan  schraf- 
fierten Räume  gelangte  der  Hausherr  und  seine  Familie  über  die 
Treppe  b^  die  Dienerschaft  aus  den  Wirtschaftsräumen  durch  den 
Gang  a.  Die  flache  Decke  des  den  groĂźen  Garten  umgebenden 
Portikus  [d^  e^  /",  g^  h)  wurde  von  viereckigen  Pfeilern  getragen. 
Auf  den  Vorderportikus  [d]  öffnet  sich  eine  Reihe  von  Zimmern 
(z,  k]  unter  der  Terasse  (28)  des  Oberstockes.  Zwischen  i  und  c 
eine  Zisterne,  gespeist  durch  das  auf  die  Terrasse  des  Oberstocks 
fallende  Wasser,  das  dann  durch  eine  Metallröhre  in  eine  aus 
dem  Portikus  zugängliche  Nische  gelangte  und  hier  geschöpft 
wurde.  Die  Zimmer  z,  k  sind  gewölbt,  die  Malereien  letzten 
Stils  auch  an  den  Wölbungen  gut  erhalten.  Dagegen  sind  in 
den  beiden  Eckzimmern  /,  m  die  flachen  Stuckdecken  erhalten, 
besonders  gut  in  /  —  grüne  und  rote  Sterne  auf  weißem  Grunde 
—  mit  dem  rings  umlaufenden  bunten  Stuckgesims,  weniger  gut 
in  tn :  Kassetten  in  weiĂźer  Reliefarbeit.  Zwei  luftige  Gartenzimmer 
(«,  ö)  liegen  an  den  äußeren  Ecken  des  Portikus. 

Der  Garten  war  mit  Bäumen  bepflanzt,  deren  verkohlte  Reste 
bei  der  Ausgrabung  gefunden  wurden.     In  der  Mitte  ein  groĂźes 


XLIV.   Die  Villa  des  Diomedes.  ^8l 

Wasserbassin,  aus  dem,  auf  einer  Säule,  ein  Springbrunnen  auf- 
stieg. Weiter  rückvvärs  auf  etwas  erhöhter  Plattform  sechs  Säulen, 
die  ohne  Zweifel,  oben  durch  Balken  und  Latten  verbunden,  eine 
Weinlaube  bildeten,  unter  der  man  an  Sommerabenden  zu  speisen 
pflegte. 

In  der  Mitte  der  RĂĽckwand  gelangte  man  bei  /  durch  eine 
breite  TĂĽr  und  weiter  ĂĽber  eine  Treppe  ins  Freie.  Man  fand 
hier  die  Skelette  zweier  Männer;  der  eine  trug  einen  großen 
eisernen  SchlĂĽssel,  und  am  Finger  einen  goldenen  Ring,  und 
fĂĽhrte  zehn  goldene,  88  silberne  MĂĽnzen  bei  sich;  vielleicht  der 
Hausherr,  der  in  Begleitung  eines  Sklaven  zu  fliehen  suchte. 

In  den  Seitenmauern  des  Portikus  gibt  unser  Plan  Fenster 
an.  Diese  waren  in  der  linken  Wand  —  die  rechte  ist  ganz  zer- 
stört —  einst  vorhanden,  waren  aber  schon  zugemauert  worden, 
bevor  die  Wand  ihre  Bemalung  letzten  Stiles  erhielt.  AuĂźerhalb 
dieser  Mauer  ist  jetzt  alles  wieder  verschüttet;  nur  aus  älteren 
Berichten  und  Plänen  kennen  wir  den  breiten  Gang  u^  aus  dem 
eine  Treppe  in  den  höher  gelegenen  Garten  führte. 

Die  Portiken  ^,  /,  g^  h  liegen  etwas  höher  als  der  Vorder- 
portikus [d]  und  der  Garten.  Unter  ihnen  (auch  unter  /  und  vi) 
erstreckt  sich  ein  Keller,  dessen  kleine  Fenster  sich  unterhalb 
der  Portiken  auf  den  Garten  öffnen.  Man  erreicht  ihn  über  eine 
Treppe  bei  ^,  und,  von  den  Wirtschaftsräumen  aus,  durch  den 
Gang  32.  DaĂź  er  auch  als  Weinkeller  diente,  schlieĂźen  wir  aus 
den  zahlreichen  dort  gefundenen,  zum  Teil  noch  dort  befindlichen 
Tonamphoren.  In  diesen  Keller  hatte  sich  beim  Hereinbrechen 
der  Katastrophe  ein  groĂźer  Teil  der  Hausgenossen  geflĂĽchtet. 
Man  fand  hier  die  Skelette  und  in  der  erhärteten  Asche  die  Ab- 
drĂĽcke der  Formen  von  1 8  erwachsenen  Personen  und  zwei  Kin- 
dern, auch  von  den  Kleidern  deutliche  Spuren.  Unter  den  Frauen 
war  eine  ausgezeichnet  durch  feine  Kleidung  und  Goldschmuck ; 
man  fand  an  ihr  zwei  Halsbänder,  zwei  Armringe,  vier  goldene 
und  einen  silbernen  Fingerring.  Sie  waren  erstickt  in  dem  vom 
Garten  aus  durch  die  Fensteröffnungen  eindringenden  Strom  der 
mit  Wasser  vermischten  Asche. 


Kapitel  XLV. 
Die  Villa  rustica  bei  Boscoreale. 

Oberhalb  Pompejis,  gegen  den  Vesuv,  etwa  25  Minuten  von 
der  Gräberstraße,  grub  in  den  Jahren  1893  und  1894  Herr  Vin- 
cenzo  de  Prisco  aus  Boscoreale  in  einem  ihm  gehörigen  Grund- 
stück einen  ländlichen  Wirtschaftshof,  eine  Villa  rustica  aus,  wie 
ihrer  mehrere  im  vorigen  Jahrhundert  in  Stabiae  ausgegraben, 
aber  gleich  wieder  zugeschüttet  wurden.  Sie  gehört  zweifellos 
zum  Gebiet  von  Pompeji.  Das  Gebäude,  Wirtschafts-  und  Wohn- 
räume enthaltend,  ist  40  X  25  m  groß  und  von  vollkommen 
rechtwinkligem  GrundriĂź  (Plan  IV). 

Der  Haupteingang,  breit  genug  auch  fĂĽr  Wagen,  fĂĽhrt  in  den 
auf  drei  Seiten  von  Portiken  umgebenen  Hof  [A).  Nur  auf  der 
Eingangsseite  waren  über  dem  Portikus  obere  Räume.  Auf  den 
beiden  anderen  Seiten  waren  die  das  Dach  tragenden  Säulen 
durch  eine  BrĂĽstung  verbunden;  auf  der  Eingangsseite  fehlt  diese, 
so  daĂź  die  Wagen  in  den  unbedeckten  Raum  einfahren  konnten. 
An  der  Nordecke  die  Zisterne  (i);  neben  ihr  links  ein  gemauertes 
Waschbassin  (2),  rechts  auf  einem  Pfeiler  (3)  ein  Bleikasten  zur 
Aufnahme  des  Wassers  fĂĽr  das  Bad.  Diesen  mit  dem  aus  der 
Zisterne  geschöpften  Wasser  zu  füllen,  dienten  Stufen  (4)  am  Fuße 
des  Pfeilers. 

Die  KĂĽche  des  Landhauses  ist  das  Atrium  des  altitalischen 
Hauses,  der  gemeinsame  Wohnraum  der  Hausgenossen  (s.  S.  258). 
Sie  soll  nach  Vitruv  an  der  wärmsten  Stelle  des  Hofes  liegen. 
So  liegt  sie  (Ăź)  denn  auch  hier  an  der  von  der  Mittagssonne 
beschienenen  Nordecke.  In  der  Mitte  der  Herd  (i),  auf  dem 
Kohlen  und  Kochgerät  gefunden  wurden;  in  der  Rückwand  eine 
kleine  tempelförmige  Nische  für  die  Larenbilder;  in  der  linken 
hinteren  Ecke  auf  einem  gemauerten  Unterbau  ein  Bleikastcn  (2) 
für  das  Badewasser;   rechts    eine  Treppe  (3)  zu   oberen  Räumen 


Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.     Plan  IV. 


zu  S.  382. 


Hof. 

1.  Zisterne. 

2.  Wasserbassin. 

3.  Bleikasten,  aus  dem  das  Wasser 

zum  Bade  geleitet  wurde. 

4.  Treppe  zu  3. 

5.  Zisterne. 
KĂĽche. 

1.  Herd. 

2.  Bleikasten    fĂĽr   das  kalte   Bade- 

wasser. 

3.  Treppe   zu  Räumen   über  DE  F. 

4.  Grube,  um  den  Stander  des  PreĂź- 

l)aumes  P  4  zu  befestigen. 
Heizraum  des  Bades,  mit  Kessel. 
Ausklcideraum  des  Bades. 
Tepidarium  »         » 

Caldarium  »         » 

Abtritt. 
Stall. 

Gerätkammer. 
L.    Schlafkammern. 
N.   Speisesaal  mit  Vorraum. 
Bäckerei. 

1.  MĂĽhle. 

2.  Backofen. 
Weinkelter. 

1.  Kclterboden. 

2.  Tonfässer     zur     Aufnahme     des 

Mostes. 

3.  Zisternenartiger  Behälter  zur  Auf- 

nahme des  zweiten  .Aufgusses 
(Tresterweines). 

4.  Löcher  für  den  Ständer  des  Preß- 

baumes (vgl.  B  4  und  W). 

5.  Löcher  für  die  Ständer  der  Welle 

zum  Auf-  und  Abziehen  des 
PreĂźbaumes. 

6.  Grube,  um  diese  Ständer  zu  be- 

festigen. 
Korridor. 

I.  Tonfässcr. 
Unbedeckter  Raum  für  die  Weinfässer. 

1.  Rinne   zur  Aufnahme   des  aus  P 

kommenden  Mostes. 

2.  Tonfässer. 

3.  Bleikessel  mit  Fcuerstelle. 

4.  Zisterne. 
Scheune. 
Tenne. 

Bassin  zur  -Aufnahme  des  auf  die  Tenne 
fallenden  Regenwassers. 

V.   V.  Schlafkammcrn. 

Kammer  mit  Grube  zur  Befestigung 
des  Preßbaumständers  P  4. 

Raum  mit  HandmĂĽhle. 

Ă–lkelter. 

1.  Keltcrboden. 

2.  Loch    für  den  Preßbaumständer. 

3.  Grube  zur  Befestigung  desselben. 

4.  Löcher  für  die  Ständer  der  Welle. 

5.  Grube  zur  Befestigung  derselben. 

6.  TongefäO  zur  .\ufnahnie  d.  Öles. 
Raum  mit  Olivenquetschmaschine. 


Villa  in  Boscoreale. 


XLV.   Die  Villa  rustica  bei  Boscoreale. 


383 


und  am  FuĂźe  derselben  eine  Grube  (4)  zur  Befestigung  des 
Ständers  für  den  Preßbaum  in  der  anliegenden  Weinkelter  (/*). 
Rechts  von  der  KĂĽche  der  Stall  (//). 

Hinter  der  KĂĽche  liegt  das  Bad,  bestehend  aus  Apodyterium 
(Z?),  an  diesem  der  Abtritt  (G),  Tepidarium  {ÂŁ)  und  Caldarium  (F). 
Seine  ganz  einzige  Bedeutung  beruht  darauf,  daĂź  hier  die  Vor- 
richtungen zur  Heizung,  zur  Erwärmung  des  Wassers,  zur  Zu- 
leitung des  warmen  und  kalten  Wassers  vollständig  erhalten  sind, 
während  in  anderen  Bädern  alles  was  Metall  war  verschwunden 
ist.  Unsere  Fig.  204  gibt  einen  AufriĂź  dieser  Vorrichtungen. 
Der  Bleikasten  in'  der 
KĂĽche  (2)  wurde  durch 
eine  Röhre  aus  dem 
Bleikasten  im  Hofe  (3) 
mit  kaltem  Wasser  ge- 
fĂĽllt. In  C  ist  die 
Feuerstelle ,  von  der 
aus  der  Heizkanal  unter 
den  FuĂźboden  von  F 
fĂĽhrt.  Ăśber  dem  Heiz- 
kanal liegt  der  halb- 
zylinderförmige  Kessel 
[testudo]  zum  Warm- 
halten des  Wassers  in 
der   Wanne,    den    wir 

schon  in  den  Stabianer  Thermen  kennen  lernten  (S.  199).  Ăśber 
der  F'euerstelle  aber  steht  wohlerhalten  der  zylinderförmige  Blei- 
kessel für  das  heiße  Wasser,  in  seiner  untern  Hälfte  mit  Mauer- 
werk umkleidet,  oben  durch  einen  tönernen  Deckel  geschlossen. 
Unsere  Abbildung  zeigt  die  mit  diesen  Behältern  verbundenen 
Röhrenleitungen.  An  dem  Kaltwasserkasten  sehen  wir  vorn  den 
Rest  der  Röhre,  die  ihm  das  Wasser  zuführte,  rechts  eine  Röhre, 
durch  die  das  nicht  mehr  gebrauchte  Wasser  in  den  Stall  abflol.^. 
Drei  Röhren  führen  aus  dem  Kaltwasserkasten  in  der  Richtung 
gegen  den  groĂźen  Kessel.  Die  mittlere  ist  einfach  eine  Zulcitungs- 
röhre;  sie  konnte  durch  einen  Hahn  geschlossen  werden.  Die 
unterste  gabelt  sich  kurz  vor  dem  Kessel;  der  linke  Arm  mĂĽndet 
in  diesen  ein,  der  andere  fĂĽhrt    durch    die  Mauer   in  die  Wanne 


Fig.  204. 


Wasserkessel   und   Rbhrenleitung    des   Bades    in 
der  Villa  rustica  bei  Boscoreale. 


384  Pompeji. 

des  Caldariums;  ein  Hahn  zwischen  Gabelung  und  Kessel,  ein 
zweiter  oberhalb  der  Gabelung.  Schloß  man  diesen  und  öffnete 
jenen,  so  floĂź  das  heiĂźe  Wasser  des  Kessels,  bei  umgekehrtem 
Verfahren  das  kalte  des  Kastens  in  die  Wanne.  Die  oberste 
Röhre  gabelt  sich  ebenfalls;  ein  Arm  mündet  in  den  Kessel, 
der  andere  fĂĽhrte  um  das  Caldarium  herum  zu  der  Apsis  des 
Labrums.  Auch  hier  ein  Hahn  oberhalb  der  Gabelung ,  einer 
zwischen  dieser  und  dem  Kessel;  schloß  man  diesen  und  öffnete 
jenen,  so  floĂź  kaltes,  bei  umgekehrtem  Verfahren  heiĂźes  Wasser 
in  das  Labrum.  Die  jedesmal  gewĂĽnschte  Temperatur  erzielte 
man  durch  Mischung,  während  in  größeren  Anstalten  noch  ein 
dritter  Behälter  für  lauwarmes  Wasser  vorhanden  war.  Endlich 
ganz  unten  noch  eine  durch  einen  Hahn  verschließbare  Röhre 
zur  Ausleerung  des  Kessels.  Diesen  ganzen  Apparat,  und  noch 
vieles  andere  in  der  Villa  gefundene  Gerät,  hat  Herr  De  Prisco 
dem  Staat  geschenkt.  Er  ist  jetzt,  nebst  der  Badewanne,  in 
Pompeji,  in  einem  für  diese  ganze  Schenkung  nördlich  vom  Forum 
errichteten  kleinen  Museum  aufgestellt. 

Von  den  übrigen  Räumen  auf  der  Nordwestseite  des  Hofes 
diente  J  zur  Aufbewahrung  ländlicher  Geräte,  die  hier  gefunden 
wurden.  Mehrere  Sicheln  hingen  an  Nägeln  an  den  Wänden, 
die  keinerlei  Stuckbekleidung  hatten.  K  und  L  sind  Schlaf- 
zimmer, einfach  im  letzten  Stil  gemalt.  Ein  weiteres  Schlafzimmer 
{außerdem  ein  größerer  Raum)  war  über  dem  Vorderportikus  des 
Hofes;  vielleicht  war  dies  das  Schlafzimmer  des  Verwalters 
[villicus)^  das  nach  Varro  dem  Eingang  möglichst  nahe  liegen  soll. 

Zwischen  K  und  L  führt  ein  Gang  in  die  Bäckerei  ( ö),  mit 
einer  MĂĽhle  (i)  und  dem  Backofen  (2).  Die  Westecke  nimmt 
ein  geräumiger  Speisesaal  (A''')  ein,  mit  großen  Fenstern  nach 
zwei  Seiten;  vor  ihm  ein  Durchgangsraum  [M).  Man  fand  in  A^ 
die  Reste  dreier  Speisebetten. 

Nordöstlich  vom  Hofe  ist  der  große  Raum  P  die  Weinkelter. 
Das  Holzwerk  ist  verschwunden,  doch  ist  an  den  Löchern,  in 
die  es  eingesetzt  war,  der  einfache  Mechanismus  vollkommen 
kenntlich.  An  jedem  Ende  ein  erhöhter  Kclterboden  [forum ^  i). 
In  diesem  stand,  an  der  Rückwand,  der  starke  Ständer  [arbor^  4), 
an  dem  der  PreĂźbaum  [prelum]  befestigt  war.  AuĂźerhalb  des 
Kelterbodens  standen  zwei   Pfosten   [stipites^  5),    zwischen  denen 


XLV.   Die  Villa  rustica  bei  Boscoreale.  ^gg 

sich  eine  Welle  drehte,  durch  die,  mittels  eines  um  sie  gewickelten 
Strickes,  der  PreĂźbaum  auf  und  nieder  gezogen  wurde,  wie  das 
Amorenbild  S.  355,  Fig.  187  zeigt.  Von  den  Pfosten  war,  wie  die 
Löcher  zeigen  (s.  den  Plan),  jedesmal  der  eine  stärker  als  der  andere, 
wohl  weil  er  eine  Vorrichtung  zum  Einsetzen  und  Ausnehmen 
der  Welle  enthalten  mußte.  Ständer  und  Pfosten  mußten  stark  an 
ihren  Plätzen  befestigt  sein,  um  nicht  beim  Winden  und  Pressen 
in  die  Höhe  gehoben  zu  werden.  Diesem  Zweck  dienten  kleine 
unterirdische  Räume,  zugänglich  für  die  Ständer  durch  zwei  Gruben 
in  B  (4)  und  W^  fĂĽr  die  Pfosten  durch  die  runde  Grube  6. 

Der  Most  floĂź  in  groĂźe,  in  den  Boden  eingelassene  Ton- 
gefäße (2).  Ihrer  sind  bei  der  einen  Kelter  zwei,  bei  der  andern 
eines,  und  an  der  Stelle  des  zweiten  eine  ausgemauerte  und  mit 
Stuck  verputzte  zisternenartige  Grube  [lacus).  Und  auch  aus  der 
andern  Kelter  fĂĽhrt  unterirdisch  ein  Bleirohr  (im  GrundriĂź  punk- 
tierte Linie)  in  eben  diese  Grube.  Wir  können  vermuten,  daß 
diese  zur  Aufnahme  des  zweiten  Aufgusses  bestimmt  war:  die 
ausgepreßten  Rückstände  wurden  unter  Zutat  von  Wasser  noch 
einmal  unter  die  Presse  gebracht  und  lieferten  den  Gesindewein 
[lorä . 

Plinius  (XIV,  136)  berichtet,  daĂź  man  in  Campanien  die 
edelsten  Weine  unter  freiem  Himmel,  in  Sonne,  Regen  und  Wind 
gären  ließ.  Damit  stimmt  es  trefflich,  daß  hier  die  Cella  vinaria^ 
der  Raum,  in  dem  der  Wein  die  Gärung  durchmacht,  ein  un- 
bedeckter Hof  ist  (7?),  in  dem  die  zahlreichen  Tongefäße  (Dolien) 
bis  fast  an  die  MĂĽndung  in  den  Boden  eingelassen  sind.  FĂĽr 
Ventilation  ist  ausgiebig  gesorgt  durch  drei  groĂźe  und  fĂĽnf 
kleine  Fenster,  dazu  noch  durch  gitterartige  Durchbrechung  der 
SĂĽdwestwand. 

Im  Kelterraume  P  ist  in  der  Wand  oberhalb  der  Grube  3 
eine  Nische,  deren  Boden  durch  ein  flaches  Tongeföß  gebildet 
wird.  Zwischen  ihr  und  dem  Gange  Q  ist  die  Wand  durchbohrt, 
und  so  auch  schräg  gegenüber  die  W^and  zwischen  Q  und  der 
Cella  vinaria.  An  der  Nordwestwand  dieser  letzteren  läuft  grade 
unter  der  erwähnten  Durchbohrung,  etwa  i  m  vom  Boden,  eine 
gemauerte  und  verstuckte  Rinne,  aus  der  kurze  Bleiröhren,  je 
einem  der  Dolien  entsprechend,  in  den  Hof  selbst  fĂĽhren.  Wenn 
man  also   diese  Röhren   durch    weitere  Röhren    oder  Rinnen  bis 

Mau,   Pompeji.     2.  AiiH.  2S 


386  Pompeji. 

an  die  Dolien  verlängerte  und  die  beiden  Öffnungen  in  den 
Mauern  zwischen  P  und  Q  und  zwischen  Q  und  R  durch  eine 
Röhre  oder  Rinne  verband ,  so  floß  der  in  die  Nische  bei  P  3 
gegossene  Most  von  selbst  in  die  Dolien. 

Der  Hof  mit  den  Dolien  liegt  höher  als  die  anliegenden 
Räume ;  man  betritt  ihn  von  Q  über  drei  Stufen ;  statt  die  Dolien 
einzugraben,  hatte  man  zwischen  ihnen  und  um  sie  Erde  aufge- 
tragen. In  der  Südecke  steht  ein  großes  rundes  Bleigefäß  (3)  über 
einem  Hohlraum,  in  dem  von  auĂźen  her  ein  Feuer  angezĂĽndet 
werden   konnte,   vielleicht  zum   Kochen   des   Weines.     Ăśbrigens 


Fig.  205.     Olivenquetschmaschine. 

dienten  die  Dolien  keineswegs  ausschlieĂźlich  fĂĽr  den  Wein;  eines, 
in  der  Westecke,  enthielt  Hirse,  ein  anderes,  gleich  neben  dem 
eben  erwähnten  Bleigefäß,  Weizen. 

Auf  der  andern  Seite  des  Ganges  Q  (wo  fĂĽnf  Dolien  stehen) 
stand  in  X  auf  einer  Aufmauerung  an  der  linken  Wand  eine 
HandmĂĽhle;  in  der  RĂĽckwand  eine  kleine  Nische  fĂĽr  eine  Lampe. 
Daneben  Sklavenkammern  ( F,  W)^  in  denen  Reste  der  Betten 
und  allerlei  kleines  Gerät  gefunden  wurde. 

Der  Gang  Q  fĂĽhrt  dann  weiter  zur  Ă–lkelter.  hi  Z  stand  eine 
Olivenquetschmaschine  [trapetum^  Fig.  205).  In  die  Oberfläche 
eines    groĂźen    runden    Lavablockcs    ist    ein    Becken    gerundeten 


XLV,    Die  Villa  rusticale  bei  Boscoreale.  ^8? 

Durchschnittes  eingehauen,  aus  dessen  Mitte  sich  ein  Zylinder 
[niiliariiini]  aus  demselben  Stein  etwas  ĂĽber  den  Rand  des  Beckens 
erhebt.  Um  ein  in  der  Mitte  der  oberen  Fläche  dieses  Zylinders 
stehendes  Eisen  drehte  sich  eine  Holzachse,  an  der  sich  zwei  halbe 
Linsen,  auch  aus  Lava,  in  dem  Kanal  zwischen  dem  Miliarium 
und  den  Wänden  des  Beckens  herumwälzten  und  hier  die  Oliven 
so  weit  zerquetschten,  daß  sie  sich  von  den  Kernen  lösten.  Die 
Alten  hielten  nämlich  darauf,  die  Oliven  ohne  die  Kerne  unter 
die  Presse  zu  bringen,  weil  diese  den  Geschmack  des  Ă–ls  beein- 
trächtigten; daher  durften  auch  die  beiden  Lavaräder  nicht  fest 
aufliegen,  um  nicht  die  Kerne  zu  zerdrĂĽcken. 

Die  Ă–lkelter  Y  ist  viel  kleiner  als  die  Weinkelter;  offenbar 
war  der  Ă–lbau,  wie  auch  heute  noch,  in  dieser  Gegend  nicht 
bedeutend.  Das  Ol  floß  seitwärts  in  das  durch  eine  Zwischen- 
wand geteilte  Tongefäß  6;  der  Zweck  dieser  Teilung  ist  unbe- 
kannt, doch  ist  der  Name  eines  solchen  Gefäßes  [gcmcllar]  bei 
Columella  ĂĽberliefert.  Vor  demselben  ist  noch  ein  kleineres  Ton- 
gefäß in  den  Boden  eingelassen. 

In  dem  großen  länglichen  Räume  5  fand  man  viel  Bohnen- 
stroh und  Teile  eines  Wagens.  Da  aber  ein  solcher  nicht  wohl 
hierher  gelangen  konnte,  so  waren  es  wohl  auseinandergenom- 
mene StĂĽcke.  Auch  sonst  fand  man  hier  allerlei  Eisenwerk,  z.  B. 
Türbeschläge.  Wir  mögen  den  Raum  als  Scheune  [mibilariiiyn] 
bezeichnen.  Er  öffnet  sich  mit  einer  Tür  und  vier  kleinen  Fenstern 
auf  die  Tenne  [area]  T\  sie  ist  mit  Opus  Signinum  (S.  287) 
gepflastert  und  liegt  nach  SĂĽdost  etwa  2  m,  nach  Nordost  etwa 
0,40  m  über  dem  äußern  Erdboden.  Das  auf  sie  gefallene 
Regenwasser  floĂź  in  das  gemauerte  Doppelbassin   U. 

Deutlich  unterscheiden  wir  von  den  Wirtschaftsräumen  und 
Sklavenkammern  die  fĂĽr  den  Besitzer,  wenn  er  einmal  hier  weilte, 
bestimmten  Wohnräume.  Zu  diesen  gehörte  zweifellos  der  große 
Speisesaal  A^  wahrscheinlich  auch  die  beiden  Schlafzimmer  K 
und  L.  Auch  das  Bad  war  sicher  nicht  fĂĽr  Sklaven  bestimmt. 
Endlich  war  im  Oberstock,  ĂĽber  F  ITA'  und  dem  anstoĂźenden 
Teil  von  Q,  eine  vollständige  kleine  Wohnung,  bestehend  aus 
einem  groĂźen  Speisesaal  mit  breitem  Fenster  auf  die  Cella  vinaria 
und  vier  Schlafkammern.  Es  war  jedoch  kenntlich,  daĂź  zur  Zeit 
der  Verschüttung    diese    herrschaftlichen   Räume    nicht    bewohnt 


388  Pompeji. 

waren.  So  sind  häufig  genug  auch  jetzt  in  den  Vignen  um  Rom 
und  Neapel  über  den  Wirtschaftsräumen  und  der  Wohnung  des 
Verwalters  oder  Pächters  einige  Zimmer  für  den  Besitzer  reserviert. 

Ăśber  Z  war  ein  groĂźes  unbedecktes  Bassin  zur  Aufnahme  des 
auf  die  eben  erwähnte  kleine  Wohnung  gefallenen  Regenwassers; 
nur  eine  Brüstung  trennte  es  von  einem  Räume  über  Y^  der 
durch  eine  TĂĽr  mit  dem  Speisesaal  des  Oberstockes  verbunden 
war.  Da  die  Villa  keine  Wasserleitung  hatte,  so  muĂźte  das 
Regenwasser  sorgfältig  gesammelt  werden. 

An  einem  Orte,  wo  man  es  am  wenigsten  erwartet  hätte, 
wurde  der  Fund  gemacht,  dem  diese  Villa  vor  allem  ihre  Be- 
rĂĽhmtheit verdankt.  In  die  zisternenartige  Grube  der  Weinkelter 
{P  3)  hatte  sich  ein  Mann  geflĂĽchtet,  der  mehr  als  tausend  Gold- 
münzen, sechs  goldene  Armbänder,  ein  goldenes  Halsband  und 
endlich  das  jetzt  im  Museum  des  Louvre  befindliche  herrliche 
silberne  Tafelgeschirr  bei  sich  fĂĽhrte.  Wahrscheinlich  kam  er 
aus  einer  vornehmeren  Wohnung  und  hatte  auf  der  Flucht  hier 
Schutz  gesucht. 


Kapitel  XLVI. 
Geräte. 

Man  hört  bisweilen  den  Wunsch  äußern,  es  möchte  einmal 
in  einem  pompejanischen  Hause  der  ganze  Hausrat  am  Ort  ge- 
lassen werden,  damit  man  den  vollen  Eindruck  der  antiken  Woh- 
nung hätte.  Solche  Wünsche  beruhen  auf  einer  falschen  Vor- 
stellung. Funde  dieser  Art  sind  bei  weitem  nicht  so  häufig  und 
so  reich,  wie  man  angesichts  der  in  anderthalb  Jahrhunderten 
angehäuften  Schätze  des  Neapeler  Museums  zu  glauben  geneigt 
ist.  In  keinem  Schlafzimmer  ist  das  Bett  gefunden  worden.  Von 
den  zahllosen  Speisezimmern  enthielt  nur  eines  die  drei  Speise- 
betten so  vollständig,  daß  sie  durch  Erneuerung  der  Holzteile 
wiederhergestellt  werden  konnten.  StĂĽhle,  aus  Bronze,  finden 
sich  nur  in  geringer  Zahl.  Tische  aus  Marmor  oder  Travertin 
stehen  in  manchen  Atrien  und  Peristylien;  tragbare  Tische  aber, 
in  den  Zimmern,  gehören  zu  den  größten  Seltenheiten.  Alle 
diese  Dinge  waren  in  der  Regel  aus  Holz  und  sind  dann  spur- 
los zerfallen.  Zahlreicher  erhalten  sind  nur  diejenigen  Geräte, 
für  die  das  Holz  kein  geeignetes  Material  war:  Gefäße  aller  Art 
aus  Bronze,  Ton  und  Glas,  bronzene  und  tönerne  Lampen, 
bronzene  Kandelaber  und  Lampenträger,  Toilettengerät  aus 
Bronze,  Elfenbein  und  Knochen. 

Fig.  206  zeigt  eines  der  drei  erwähnten  Lecti  tricliniares,  ge- 
funden in  einem  Speisezimmer  rechts  vom  Tablinum  des  Hauses 
IV  (VII),  2,  18.  Es  fehlt  die  Bespannung  mit  Gurten,  auf  die  die 
Polster  gelegt  wurden.  Der  Bronzebeschlag  ist  auf  der  dem  Tisch 
zugewandten  Seite  reich  mit  eingelegtem  Silber  verziert;  auf  der 
RĂĽckseite  fehlt  das  Silber  und  sind  auch  die  Formen  einfacher. 
Der  lehnenartige  AbschluĂź  [fidcruui]  fehlt  an  dem  mittleren  der 
drei  Betten;  an  den  beiden  anderen  bezeichnet  er  nicht  etwa  das 
Kopfende,  sondern  den  AbschluĂź  gegen  die  offene  Seite  des 
Hufeisens  (s.  S.  271). 


390 


Pompeji. 


Die  zwei  Marmorfüße  des  so  häufig  hinter  dem  Impluvium 
stehenden  Tisches  [gartibnhim\  s.  S.  260)  sind  in  Fig.  134  sicht- 
bar; ein  einfacheres  aber  vollständigeres  Exemplar  auf  Taf.  VII. 


Fig.  206.     Speisebett  mit  Bronzebeschlag ;  das  Holzwerk  restauriert. 


Fig.  207.     Runder  Marmortisch. 


Fig.  208.     TischfuH    aus   dem  Hause   des 
Faun. 


Den  runden  Marmortisch  Fig.  207,  getragen  von  drei  FĂĽĂźen  in 
Form  von  Lövventatzen,  fand  man  1827  in  einem  Hause  südlich 
vom  Forum;  ein  ganz  ähnlicher  steht  jetzt  im  Hause  der  Vettier 


XLVI.    Geräte. 


391 


(S.  343).     Der    schöne    marmorne   Tischfuß    Fig.  208,    in    Form 
einer  sitzenden  Sphinx,  stammt  aus  dem  Hause  des  Faun. 

Den  Tischen  sind  nahe  verwandt  die  DreifĂĽĂźe;    sie  mochten 
häufig  auch   eine    kleine  Tischplatte    tragen;    in    anderen  Fällen 


Fig.  209.     l'roiizener  Dreiful*. 

geben  sie  sich  als  ein  flaches,  von  den  drei  FĂĽĂźen  getragenes 
Gefäl.\,  in  dem  allerlei,  was  man  grade  aus  der  Hand  legen 
wollte,  Platz  finden  mochte.  Fig.  209  zeigt  einen  besonders 
schönen  aus  Bronze,  der  freilich  nicht,  wie  oft  gesagt  worden 
ist,  aus  dem  Isistempel,  sondern  wahrscheinlich  aus  Herculaneum 
stammt. 


392 


Pompeji. 


Fig.  2IO.     Einfache  einflammige 
Lampen. 


Fig.  211.  Zweiflammige  Lampen,  eine  (unten) 
zum  Aufhängen,  die  andere  zum  Hinstellen. 


Fig.  212.     Mehrflammige  Lampen. 


Fig.  213.     Bronzelampen;  der  Deckel  an  einer  Kette. 


Fig.  214.     Bronzelampcn  mit  Figuren  auf  dem  Deckel. 


XLVI.   Geräte. 


393 


Das  Neapeler  Museum  enthält  mehrere  Exemplare  des  Bisel- 
liums,  des  lehnelosen  Sessels  doppelter  Breite,  den  im  Theater 
nur  die  Ratsherren  benutzen  durften  und  solche,  denen  >die 
Ehre  des  Biselliums«  verliehen  war.     Doch  sind  dieselben  wahr- 


Fig.  215.     Drei  Hängelampen.     Die  zur  Linken  und  die  mittlere  in  zwei  Ansichten. 


scheinlich  nicht  ganz  richtig  restauriert  worden.  Eine  authen- 
tische Abbildung  des  Biselliums  gibt  das  Grabmal  des  Calventius 
Quietus  (Kap.  L). 

Ganz  besonders  zahlreich  erhalten  ist  das  Beleuchtungsgerät: 
Lampen  und  Lampenträger.    Die  Lampen  sind  teils  aus  Bronze, 
teils  aus  Ton;  diese  letzteren  entweder  roh,  ohne 
Glasur,  oder  rötlich  glasiert,  nach  Art  der  aretini- 
schen  Tonware;   seltener  begegnet  eine  grĂĽnliche 
Glasur. 

Die  antike  Lampe  i.st  technisch  ein  sehr  primi- 
tives Gerät:  ihre  Bestandteile  sind  der  Ölbehälter 
mit  einem  bisweilen  durch  einen  Deckel  ge- 
schlossenen Loch  zum  EingieĂźen,  die  TĂĽlle,  oder 
deren  mehrere,  mit  dem  Loch  fĂĽr  den  Docht, 
und  der  Griff;  letzterer  kann  fehlen,  wenn  die  Lampe  zum  Auf- 
hängen eingerichtet  ist.  Die  Flamme  konnte,  wegen  des  sonst 
entstehenden  Dunstes,  nur  klein  sein,  größere  Helligkeit  also  nur 
durch  eine  größere  Zahl  von  Flammen  erzielt  werden;  daher  die 
Häufigkeit  vielflammiger  Lampen. 


Fig.  216.     Biberon. 


394 


Pompeji. 


Von  den  mannigfachen  Formen  geben  unsere  Abbildungen 

eine  kleine  Auswahl.  Einfache  ein- 
flammige  Tonlampen  zeigt  Fig.  210; 
Pulcher  ist  der  Name  des  Fabrikanten. 
Ferner  zweiflammige  zum  Aufhängen 
und  zum  Hinstellen  (Fig.  211);  mehr- 
flammige  mit  den  Flammen  rings 
im  Kreise  und  eine  in  Form  einer 
Barke  (Fig.  212);  alle  diese  aus  Ton. 
Fig-  2 1 3  gibt  reicher  geformte  bron- 
zene; hier  ist  auch  der  Deckel  des 
EingieĂźloches  sichtbar.  Ebenso 
Fig.  214,  wo  derselbe  mit  Figuren 
verziert  ist;  in  dem  einen  Exemplar 
hält  diese  an  einer  Kette  einen  klei- 
nen Haken  zum  Herausziehen  des 
Dochtes,  in  dem  andern  (zwei- 
flammig)  ist  es  ein  mit  einer  Gans 
ringender  Amor.  Fig.  215  Hänge- 
lampen: eine  einflammige  in  Gestalt 
eines  Kopfes,  eine  neunflammige 
mit  zwei  Löchern  zum  Eingießen 
neben  dem  Silenskopf  am  Griff 
(beide  in  zwei  Ansichten),  und  eine 
dreiarmige. 

Fig.  2 1 6  zeigt  ein  Gerät,  das  bis- 
weilen irrtĂĽmlich  fĂĽr  eine  Lampe  ge- 
halten worden  ist.  Es  ist  ein  Biberon, 
ein  tönernes  Gerät,  um  Kindern  die 
Milch  einzuflößen.  Der  Gladiator  in 
Relief  soll  die  dem  Kinde  daraus 
erwachsende  Kraft  andeuten;  auf 
anderen  Exemplaren  ist  es  ein  kräf- 
tiges Kind,  auf  wieder  anderen,  noch 

Fig.  217.     Bronzekandclaber.  dCUtlichCr,     clnC    SäugCttdc    FraU. 

Der  häufigste  Lampenträger  ist 
das  unter  dem  Namen  Kandelaber  bekannte  Gerät  (Fig.  217).  Der 
Name   stammt   aus    einer  Zeit,  wo  Lampen  wenig  ĂĽblich  waren 


XLVL    Geräte.  395 

und  man  zur  Beleuchtung  sich  der  Kerzen  [candelae]  bediente. 
In  der  Tat  sind  die  ältesten  Kandelaber,  wie  sie  namentlich  in 
etruskischen  Gräbern  gefunden  werden,  Kerzenträger,  mit  vier 
horizontalen  Spitzen  zum  Anstecken  der  Kerzen.  Die  in  Pompeji 
gefundenen  sind  aber  alle  bestimmt,  auf  dem  Boden  stehend  die 
Lampe  zu  tragen;  daher  ihre  beträchtliche  Höhe,  von  0,75  bis 
1,50  m.  Sie  bestehen  aus  einem  Schaft,  getragen  von  drei  meist 
tierisch  gestalteten  FĂĽĂźen,  mit  einem  obern  AbschluĂź,  der  ver- 
schieden gestaltet  sein  kann,  als  Kopf,  als  Figur,  als  gefäßartiges 
Kapitell,  aber  immer  zu  oberst  die  tellerartige  Fläche  zum  Auf- 
stellen der  Lampe  bietet.  Dazu  kommt  häufig  noch  eine  auf  den 
drei  Füßen  aufliegende  runde  Scheibe.  Ihr  Zweck  ist  größere 
Stabilität;  künstlerisch  ist  sie,  gegenüber  dem  sich  frei  aus  den 
drei  FĂĽĂźen  entwickelnden  Schaft,  ein  RĂĽckschritt,  den  man  zu 
kompensieren  suchte  durch  reiche,  oft  mit  Silber  eingelegte 
Ornamente.  Bisweilen  ist  der  obere  Teil  des  Schaftes  in  den 
untern  wie  in  eine  Scheide  eingeschoben  und  kann  durch  einen 
Stift  höher  oder  niedriger  befestigt  werden. 

Nach  Form  und  stilistischem  Charakter  lassen  sich  alle  Kan- 
delaber in  zwei  Klassen  teilen:  die  architektonischen  (Fig.  217) 
und  die  pflanzenförmigen.  Letztere  zeigen  viel  geringeren  Formen- 
reichtum; meist  sind  sie  als  Rohrpflanzen  gebildet.  Selten  ist 
eine  animalische  Form,  indem  der  Kandelaber  die  Gestalt  dreier 
zusammengeflochtenen  Schlangen  hat,  die  nur  oben  und  unten 
als  Träger  des  Tellers  und  als  Fuß  auseinander  gehen. 

Eine  kleinere  Art  Kandelaber,  etwa  0,50  m  hoch,  hat  man 
sich  gewöhnt  »Leuchter«  zu  nennen.  Wie  jene  auf  dem  Boden, 
so  sind  diese  bestimmt,  auf  dem  Tische  zu  stehen.  Ihre  Formen 
sind  von  denen  der  größeren  Kandelaber  nicht  wesentlich  ver- 
schieden. Fig.  218  gibt  ein  Beispiel  der  architektonischen  Form; 
doch  ist  hier  die  Pflanzenform  häufiger. 

Wir  reihen  hier  diejenigen  Lampenträger  an,  denen  die 
Lampen  nicht  aufgesetzt,  sondern  angehängt  werden:  Fig.  219 
gibt  ein  architektonisch,  Fig.  220  ein  naturalistisch  als  Baum  ge- 
bildetes Beispiel,  ersteres  ein  berĂĽhmtes,  aus  der  Villa  des  Dio- 
medes  stammendes  Kunstwerk. 

Endlich  die  kleinste  Art  von  Lampenträgern  —  wir  können 
sie   Untersätze   nennen    —    ist    mit    mancherlei   Variationen    als 


396 


Pompeji. 


Fig.  218.     Lampenträger  für  eine 
Handlampe. 


Fig.  219.    Lampenträger  für  Hängelampen. 


Fig.  220.     Lampenträger  in  Form  eines 
Baumes. 


Fig.  221.     Kleiner  Lampcnträger  mit  Lampe. 


XL  VI.   Geräte. 


397 


kleiner  dreifĂĽĂźiger  Tisch  gestaltet.    Fig.  221  zeigt  einen  solchen, 
auf  dem  die  Lampe  Fig.  214  steht. 

In  Fig.  222  ist  bronzenes  KĂĽchengeschirr  zusammengestellt: 
Kessel  und  Kochtöpfe  («,  b,  g,  /i,  /),  Eimer  {c,  ä),  ein  Schöpf- 
löffel c.     Die  langstieligen  Schöpflöffel  g,   u   gehören  eigentlich 


Fig.  222.     Bronzenes  Küchengerät. 

a    Kessel    auf  Dreifuß.      i,  g,  h,  l   Kochtöpfe.       c,    d   Eimer.       e    Schöpflöffel.      /  Kasserolle. 
/.  t   Backpfannen   für   kleine   Kuchen,     k   Krug,     m    KüchenlöfTel.     «,    v   Eßlöffel,     o,  p  Brat- 
pfannen.    J  Kuchenform,     g,  u  Schöpflöffel   für  Wein,     r  Pfanne  mit  zwei  Griffen. 


nicht  zum  Küchen-,  sondern  zum  Trinkgerät  und  dienten,  den 
Wein  aus  dem  Mischkrug  zu  schöpfen  und  in  den  Becher  zu 
gieĂźen.  Ferner  eine  Kasserolle  /,  zwei  Geschirre  /,  /  wohl 
nicht  um  Eier,  sondern  um  kleine  runde  Kuchen  zu  backen, 
ein  Küchenlöffel  ;;/  und  zwei  Eßlöffel  [ligula]  «,  v.  Es  fehlt 
ein   andere,    häufig  in   Bronze,    Silber,    Knochen   und  Elfenbein 


398 


Pompeji. 


vorkommenden  Löfifelform:  klein,  mit  kreisrundem  Behälter  und 
dĂĽnnem  graden  und  spitzen  Stiel,  das  Cochlear,  dessen  man  sich, 
wie  Martial  (14,21)  bezeugt,  zum  Essen  von  Eiern  und  Schnecken 

bediente;  zu  letzterem  Gebrauch  diente 
die  Spitze  des  Stiels  und  von  ihm 
[Cochlea^  Schnecke)  ist  das  Gerät  be- 
nannt. Weiter  zwei  Bratpfannen  0,  /, 
ein  flaches  Becken  r,  eine  Kuchen- 
form s. 

Im  Anschluß  an  die  Schöpflöffel  ^, 
u  geben  wir  noch  (Fig.  223)  ein  schönes 
Mischgefäß,  Krater,  mit  reichen,  zum 
Teil  aus  Silber  eingelegten  Ornamenten, 
gefunden  in  einem  Hause  der  Abbon- 
danzastraße,  nahe  dem  Gebäude  der 
Eumachia. 

Bei  den  alten  Schriftstellern  wird 
öfter  ein  Gerät  erwähnt,  das  den  Namen 
Aiithepsa^  Selbstkocher,  fĂĽhrte,  und 
bisweilen  mit  groĂźem  Luxus  gearbeitet 
war.  Wie  das  Gerät  beschaffen  war, 
können  wir  nur  aus  diesem  Namen  erschließen:  es  mußte  ein 
Gefäß    sein,    an    oder    in    dem    das    Feuer   so    angebracht    war, 


Fig.  223.     Gefäß   zum  Mischen    des 

Weines    (Krater),    mit    eingelegten 

Silberornamenten. 


Fig.  224.    GefiiĂź  um  Wasser  /u  warmen  (Authepsa),  Ansicht  und  Durchschnitt. 


XLVI.   Geräte. 


399 


daĂź  man  es  nicht  sah,  daĂź  es  also  den  Anschein  hatte,  als  ob 
das  darin  befindliche  von  selbst,  ohne  Feuer,  kochte;  also  der 
russische  Samowar,  dessen  Name  dieselbe  Bedeutung  hat.  Nun 
sind  solche  Gefäße  in  Pompeji  mehrfach  gefunden  worden,  ein- 
fachere und  kunstvollere.  Unsere  Abbildung  Fig.  224  zeigt  das 
bei  weitem  schönste  derselben  in  Ansicht  und  Durchschnitt.  Die 
Kohlen  befanden  sich,  wie  der  Durchschnitt  zeigt,  in  einer  senk- 
recht durch  das  Gefäß  durchgehenden,  unten  durch  einen  Rost 


Fig.  225.     WasserwĂĽrmer  und 
Kohlenbecken. 


Fig.  226.     Wasserwiirmer  und 

Kohlenbecken  in  Form  einer 

Festung. 


Fig.  227.     Klimme. 


Fig.  228.     Badegerät. 


geschlo.ssenen  Röhre.  Zwei  Deckel:  ein  innerer,  ringförmiger, 
schloĂź  nur  den  fĂĽr  das  Wasser  bestimmten  Raum,  der  in  der 
Abbildung  sichtbare  die  ganze  Öfthung.  Eine  kelchförmig  er- 
weiterte Röhre  unter  dem  Scharnier  des  Deckels  diente  zum  Zu- 
gieĂźen und  um  Luft  einzulassen;  ihr  gegenĂĽber  ein  Hahn  zum 
Auslassen  des  Wassers.  In  anderen,  einfacher  geformten  ICxem- 
plaren  ist  der  obere  Teil  der  Feuerröhre  seitwärts  gebogen,  so 
daß  ihre  Öffnung  an  der  Seite  des  Gefäßes  sichtbar  wird.  Offen- 
bar ist  dies  kein  Küchen-,  sondern  ein  Tafelgerät:  man  liebte 
den  Wein   mit   heiĂźem  Wasser   zu   mischen  und   brauchte   daher 


400 


Pompeji. 


Vorrichtungen,    um   dieses   bequem   zur  Hand   zu  haben;    ohne 
Zweifel  ist  dies  der  Zweck  des  Authepsa. 

Demselben  Zweck  dienten  auch  die  beiden  Fig.  225  und  226 
abgebildeten  Geräte,  die  sich  aber  in  ihrer  Form  nicht  als  Wasser- 
behälter geben,  vielmehr  den  eigentlichen  Zweck  verbergen.  Es 
sind  Kohlenbecken,    deren  Wände    —    in   dem  Gerät  links    als 


Fig.  229.     Elfenbeinerne   Haarnadeln.     Unten   zwei 
kleine  Elfenbeingefäße. 


Fig.  230. 
Gläserne  Schminkbüchse. 


Fig.  231.     Handspiegel. 


Fig.  232.     Toilettengerät,      a   Standspiegel. 

6  OhrlĂĽffel.  c  Elfenbeinerne  SchminkbĂĽchse. 

d  Bronzener  Kamm. 


Festungsmauern  gebildet  —  hohl  sind  und  das  Wasser  enthalten, 
das  durch  einen  Hahn  entlassen  werden  konnte. 

Fig.  228  zeigt  das  Badegerät,  alles  aus  Bronze.  An  einem 
Ringe  hängt  das  Ölfläschchen  [ampulla]^  die  Schale  [patera]  in 
die  man  das  Salböl  goß,  und  vier  »Schaber«,  das  bekannte  Ge- 
rät [strigilis)^  mit  dem  man  nach  dem  Bade  wie  nach  den 
Übungen  der  Palästra  Öl,  Schweiß  und  Staub  abstrich. 


XLVI.   Geräte. 


401 


Allerlei  Toilettengerät  wird  vielfach  gefunden.  Der  enge 
Kamm  Fig.  227«  ist  aus  Knochen,  die  weiteren  Fig.  221b  und 
2Tf2  d  sind  aus  Bronze.  —  Die  Haarnadeln  sind  häufig  mit 
Figuren  verziert;  einige  Beispiele,  aus  Elfenbein,  gibt  Fig.  229. 
—  Fig.  230  gibt  ein  gläsernes,  Fig.  232  ^  ein  elfenbeinernes 
Schminkbüchschen.  Das  kleine  Elfenbeigefäß  Fig.  229  rechts 
enthielt  wohl  parfümiertes  Toilettenöl;  unbekannt  ist  die  Be- 
stimmung des  kleinen  Gefäßes  ebenda  links. 

Die  Spiegel  sind  aus  sorgfältig  poliertem  Metall.  Fig.  232  «: 
ein  Standspiegel,  Fig.  230  drei  Handspiegel;  doch  ist  an  dem 
viereckigen  der  Rahmen  modern  und  es  ist  zweifelhaft,  ob  er 
einen  Griff  hatte. 

Von  dem  ziemlich  zahlreich 
gefundenen  Goldschmuck  gibt 
Fig.  233  ein  besonders  cha- 
rakteristisches StĂĽck:  ein  fein- 
gearbeitetes Armband  in 
Schlangenform ,  mit  Augen 
aus  Rubinen,  nach  seiner 
Größe  bestimmt,  am  Oberarm 
getragen  zu  werden. 

KĂĽnstlerisch  weit  wert- 
voller sind  einige  in  Pompeji 
gefundene  Silbergefäße.  Da 
sie  durchaus  nichts  fĂĽr  Pom- 
peji Charakteristisches  haben, 

so  ist  eine  eingehendere  Behandlung  derselben  hier  nicht  am 
Ort,  wäre  vielmehr  in  ganz  anderem  Zusammenhange  vorzu- 
nehmen. Der  neueste,  berĂĽhmte  Fund  von  Boscoreale,  jetzt 
im  Louvre,  steht  aber  keineswegs  vereinzelt;  vorzĂĽgliche  Silber- 
gefäße wurden  schon  früher  gefunden,  namentlich  in  einem 
Hause  an  der  MerkurstraĂźe  (VI,  7,  20),  das  nach  eben  diesem 
Funde  Casa  dell'  Argenteria  genannt  wird.  Wir  geben  als  Probe 
drei  vorzüglich  schöne  Becher.  Einer  derselben  a  —  es  ist  das 
unter  dem  Namen  Skyphos  bekannte  Trinkgefäß  —  ist  nur  mit 
Weinranken  verziert.  Die  beiden  anderen,  deren  Reliefs  in 
größerem  Maßstabe  beigefügt  sind,  haben  figürliche  Darstellungen. 
Der  eine,  b,  c,  die  Apotheose  Homers:  ein  Adler  trägt  ihn  empor; 


Fig.  233.     Goldenec  Armband. 


Mau,  Pompeji.     2.  Aufl. 


26 


402 


Pompeji. 


links  und  rechts  die  allegorischen  Gestalten  der  Ilias,   mit  Helm, 
Schild  und  Lanze,  und  der  Odyssee,  mit  SchifFerhut  und  Ruder. 


Fig.  234.     Silberne  Becher» 


Der  andere,  d^  e^  einer  von  zwei  ganz  ähnlichen,  zeigt  einen  Ken- 
tauren und  eine  Kentaurin  mit  bacchischen  Attributen;  zwei 
Amoren  scheinen  ihnen  eifrig^  zuzureden. 


DRITTER  TEIL. 

HANDEL  UND  GEWERBE. 

Kapitel  XLVII. 
Allgemeines.     Die  Bäcker. 

Es  ist  selbstverständlich,  daß  in  einer  Stadt  von  der  Größe 
Pompejis  alle  den  Bedürfnissen  des  täglichen  Lebens  dienenden 
Gewerbe  betrieben  wurden.  So  sind  denn  auch  mancherlei 
Spuren  derselben  erhalten,  Spuren  verschiedener  Art.  Erstens 
Inschriften,  die  der  verschiedenen  Gewerbtreibenden  Erwähnung- 
tun;  zweitens  Gemälde  mit  Darstellungen  derselben;  endlich  die 
dem  Handwerksbetrieb  und  Handel  dienenden  Räume  und  Vor- 
richtungen. 

Eine  auf  die  Mietkutscher  bezĂĽgliche  Steininschrift  wurde 
schon  oben  S.  247  besprochen.  Reichere  Ausbeute  geben  die 
auf  die  Straßenwände  gemalten  VVahlprogramme,  in  denen  die 
Gewerbtreibenden  die  ihnen  genehmen  Kandidaten  fĂĽr  die  Mu- 
nizipalämter empfehlen.  Da  heißt  es:  Trcbium  aed.  tonsores^ 
»den  Trebius  empfehlen  als  Ädilen  die  Barbiere«;  Verum  aed. 
o[rd]  v[os)  f{acite)^  ungueiitari  facite  rogio)^  »den  Verus  macht 
zum  Ädilen,  Salbenhändler,  ich  bitte  euch,  wählt  ihn«  ;  C. 
Cuspiiim  Pansant  aed.  aurifices  imiversi  rog[ant)^  »den  C.  Cus- 
pius  Pansa  erbitten  als  Ädilen  sämtliche  Goldschmiede« ;  M.  Hol- 
conium  Priscitm  II  vir.  i.  d.  poviari  univcrsi  cum  Hclvio  Vestale 
rog.^  »den  M.  Holconius  Priscus  erbitten  als  Duumvirn  sämt- 
liche Obsthändler  mit  dem  Helvius  Vestalis«;  die  Obsthändler 
kommen  besonders  häufig  in  dieser  Weise  vor;  aber  auch  die 
Knoblauchhändler  [aliari]  empfehlen  einen  Kandidaten.  So  er- 
fahren wir  noch  von  den  Färbern  ioffectores)^  den  Mantelschneidern 


404  Pompeji. 

[sagarii],  den  Packträgern  [saccarii]^  den  Fischern  [piscicapi]^  den 
Maultiertreibern  [muliones]  und  anderen,  die  sich  alle  fĂĽr  irgend- 
welche Wahlkandidaten  interessierten. 

Von  den  auf  Handwerksbetrieb  bezüglichen  Gemälden  wurden 
die  kĂĽnstlerisch  wertvollsten,  die  Darstellungen  von  Amoren  in 
allerlei  Tätigkeiten,  schon  oben  besprochen  (S.  350).  Ahnliche 
in  Herculaneum  gefundene  Darstellungen  zeigen  die  Amoren 
als  Tischler  und  Schuster.  Auf  weitere  Darstellungen  eines  der 
dort  vertretenen  Handwerke,  der  Tuchwalkerei,  werden  wir  noch 
zurĂĽckkommen;  ebenso  auf  Darstellungen  des  Wirtshausbetriebes. 
In  einem  Hause  der  dritten  Region  —  III  (IX),  5,  9  —  ist  ein 
Wandtüncher  gemalt,  beschäftigt,  mit  einem  kleinen  Instrument 
eine  Wand  zu  glätten. 

Von  Betriebslokalen  und  Vorrichtungen  sind  nur  fĂĽr  wenige 
Gewerbe  bedeutende  und  charakteristische  Reste  vorhanden:  fĂĽr 
den  Wirthausbetrieb,  die  Bäckerei,  die  Tuchwalkerei,  die  Ger- 
berei. Von  diesen  wird  weiterhin  die  Rede  sein.  Läden  gibt 
es  viele;  aber  soweit  es  nicht  Schenken  sind,  wissen  wir  durch- 
weg nicht,  was  in  ihnen  verkauft  wurde.  Charakteristische  Funde 
in  ihnen  sind  sehr  selten.  Wir  nennen  als  solche  Ausnahmen 
einige  sicher  erkennbare  Farbenhandlungen;  von  den  beim  Ma- 
cellum  gefundenen  FrĂĽchten  und  sonstigen  EĂźwaren  war  schon 
oben  S.  91  die  Rede. 

Ziemlich  zahlreiche  Geschäftsräume  mit  festgemauerten  Blei- 
kesseln, unter  denen  Feuer  angezĂĽndet  werden  konnte,  pflegt 
man  als  Färbereien  zu  bezeichnen.  Mehr  Berechtigung  als  für 
manche  andere  hat  diese  Benennung  fĂĽr  das  Haus  IV  (VII),  2,  11, 
an  der  Stabianer  Straße.  In  einem  direkt  von  der  Straße  zugäng- 
lichen Peristyl  stehen  neun  solche  Kessel  mit  Heizvorrichtung; 
in  einem  Wandschrank  fand  man  zahlreiche  Flaschen,  zum  Teil 
Farbstoffe  enthaltend.  Im  Eingange  stellte  ein  jetzt  zerstörtes 
Gemälde  einen  Mann  dar,  der  an  einer  Stange  etwas  trug,  was 
man  für  gefärbte  Stoffe  halten  konnte.  Endlich  las  man  auf  der 
gegenĂĽberliegenden  Seite  der  StraĂźe  das  Wahlprogramm :  Postu- 
tnium  Proaihmi  aed.  offectores  rog.,  —  »den  Postumius  Proculus 
erbitten  als  Ädilen  die  Färber«.  Auch  das  Haus,  auf  dessen  Mauer 
eben  diese  Inschrift  steht  —  III  (IX),  3,  i  —  enthält  drei  solche 
Kessel  und  kann   für  eine  Färberei  gehalten  werden ;   vielleicht 


XIAII.    Handel  und  Gewerbe. 


405 


ging  die  Wahlempfehlung  von  den  Inhabern  und  Arbeitern  bei- 
der Geschäfte  aus. 

Eine  Töpferei  mit  zwei  Brennöfen  befindet  sich  vor  dem 
Herculaner  Tor  rechts  am  Wege,  da  wo  sich  gegenĂĽber  der 
Villa  des  Diomedes  die  StraĂźen  teilen.  Die  nicht  groĂźen  Ă–fen 
enthalten  jeder  einen  unteren  und  einen  oberen  Raum  mit  durch- 
löchertem Zwischenboden;  in  dem  unteren  wurde  geheizt,  in  dem 
oberen  standen  die  zu  brennenden  Gefäße.  Die  Wölbung  des 
kleineren  Ofens  war  in  eigentĂĽmlicher  Weise  hergestellt  durch 
sieben  querüber  liegende  Reihen  ineinander  gesteckter  Tongefäße. 

Eine  Schusterwerkstatt  war  an  der  Nordwestecke  der  Insula 
III  (IX),  I,  auf  beide  hier  zusammentreffende  StraĂźen  ladenartig 
geöffnet,  mit  einem  kleinen  steinernen  Tisch  in  der  Mitte.  Eine 
TĂĽr  verband  sie  mit  dem  Eingangsflur  des  Hauses  N.  40: 
offenbar  war  es  der  Portier  [ostiarms\  der  zugleich  das  Schuster- 
handwerk betrieb,  wie  noch  heute  sehr  häufig  in  Italien.  Daß 
ein  Schuster  hier  seinen  Sitz  hatte,  beweist  der  Fund  von  allerlei 
Handwerkszeug,  darunter  einiger  Messer  mit  gekrĂĽmmter  Schneide 
und  dem  Griff  in  der  Mitte  der  RĂĽckseite;  ferner  eine  in  die 
Wand  gekratzte  Inschrift:  Pr.  ichis  iidias  refeci  scalpro  anglato 
et  siibla  nerviaria.  Sie  ist  zwar  nicht  vollständig  verständlich, 
doch  ist  klar,  daĂź  hier  die  Rede  ist  von  einer  am  14.  Juli  ge- 
schehenen Ausbesserung  [refeci)  mit  Hilfe  eines  gekrĂĽmmten 
Messers  [scalpro  angidato]  und  des  Pfriemens  [stibulä).  Auf  der- 
selben Wand  lesen  wir:  M.  Nonius  Ca^npanus  mil.  coli.  Villi 
pr.  >  Cacsi.  Der  Schreiber  war  Prätorianer  der  9.  Kohorte,  aus 
der  Centurie  des  Caesius.  Der  Name  des  Centurio,  M.  Caesius 
Blandus,  ist  zweimal  in  die  Säulen  des  Peristyls  eben  dieses 
Hauses  eingekratzt.  Vermutlich  waren  beide,  Hauptmann  und 
Soldat,  in  Begleitung  eines  Kaisers  nach  Pompeji  gekommen; 
der  Hauptmann  mochte  in  diesem  Hause  im  Quartier  liegen,  der 
Soldat  aber  lieĂź  beim  Portier  seine  Schuhe  ausbessern  und  schrieb, 
während  dies  geschah,  seinen  Namen  an  die  Wand. 

Bei  der  allgemeinen  Sitte,  die  besseren  Wohnungen  mit 
Statuetten,  Marmortischen,  Marmorbrunnen  u.  dgl.  zu  schmĂĽcken, 
ist  es  natĂĽrlich ,  daĂź  es  in  Pompeji  auch  Bildhauer  oder  doch 
Marmorarbeiter  gab.  Auf  die  Werkstatt  eines  solchen  stieĂź  man 
im  Jahre  1798  in  der  Nähe  des  großen  Theaters,  an  der  Stabianer 


4o6 


Pompeji. 


StraĂźe.  Man  fand  dort  mancherlei  Figuren,  Hermen,  TischfĂĽĂźe, 
Tischplatten  und  ähnliches;  unter  anderem  eine  Platte,  die  eben 
gesägt  wurde,  mit  der  Säge  im  Schnitt,  und  einen  noch  unfertigen 
Mörser. 

An  der  Nordwestecke  der  Insula  IV  (VII),  15  ist  in  die  Mauer, 
ziemlich  hoch,  ein  Tuffstein  eingelassen,  auf  dem  in  Relief  allerlei 
Maurergeräte     gebildet    sind;     darüber    die    Inschrift:    Diogenes 


Fig.  235.     Bäckerei  mit  Mühlen.      Photographie  I5rogi. 


structor^  —  »Diogenes  der  Maurer«.  Man  möchte  hier  ein  Aus- 
hängeschild erkennen.  Aber  teils  ist  die  Inschrift  hierfür  doch  zu 
klein  —  sie  ist  von  unten  kaum  lesbar  —  teils  ist  keine  Tür 
in  der  Nähe,  auf  die  das  Schild  hinweisen  könnte.  So  ist  es 
wohl  wahrscheinlicher,  daĂź  Diogenes  die  Mauer  gebaut  und  dies 
Andenken  an  seine  Tätigkeit  hinterlassen  hatte.  Wenn  wir  da- 
gegen an  einem  zum  Gebäudekomplex  der  Forumsthermen  ge- 
hörigen Laden  auf  einer  in  die  Mauer  eingelassenen  Tonplatte 
eine  Ziege,    an   einem   anderen  Laden  auf  einer  Tuffplatte  zwei 


XLVn.    Die  Bäcker. 


407 


eine  Amphora  tragende  Männer  dargestellt  finden,  so  dürfen  wir 
wohl  annehmen,  daĂź  dort  eine  Milchhandlung,  hier  Weinhandel 
betrieben  wurde. 


Der  Bäcker  ist  im  Altertum  zugleich  Müller ;  so  sind  auch  in 
Pompeji  die  Bäckereien  durchweg  mit  Mühlen  verbunden.  Wo 
wir  einen  Backofen  ohne  MĂĽhlen  finden,  wie  z.  B.  in  der  gleich 
zu  besprechenden  FuUonica,  da  dĂĽrfen  wir  annehmen,  daĂź  er 
dem  Hausbedarf,  aber  keinem  Ge- 
schäftsbetrieb diente.  Es  gab  viele 
Bäckereien  in  Pompeji,  in  dem 
ausgegrabenen  Teil  etwa  zwanzig, 
eher  mehr,  mit  je  drei  bis  vier 
MĂĽhlen.  Also  kein  GroĂźbetrieb, 
sondern  viele  Kleinbetriebe. 

Unsere  Abbildung  Fig.  235  zeigt 
das  Aussehen  einer  Bäckerei,  mit 
Backofen  und  MĂĽhlen,  IV  (VII),  2, 
22.  Wir  legen  aber  unserer  Bespre- 
chung eine  andere  (VI,  3,  3),  eine 
der  größten,   zugrunde   (Fig.  236). 

Im  vorderen  Teil  des  Hauses 
war  das  Atrium  (8)  —  ohne  Alae 
und  Tablinum  —  zweistöckig.  Vier 
mächtige  Ziegelpfeiler  an  den  Ecken 
des  Impluviums,  durch  horizontale 
Wölbung  verbunden,  trugen  den 
FuĂźboden  des  ĂĽber  eine  Treppe  (9) 
zugänglichen  Oberraumes.  Wir 
wissen  nicht,  ob  dieser  eine  offene 

Terrasse,  oder  ob  er  bedeckt  war,  und,  in  letzterem  Falle,  ob  sein 
Dach  portikusartig  von  vier  Säulen  oder  Pfeilern  getragen  wurde, 
oder  ob  er  ein  geschlossener  Raum  war,  erleuchtet  durch  Fenster 
auf  das  Impluvium.  Letztere  Form  des  Oberstockes  ist  in  einem 
1896  ausgegrabenen  Atrium,  VI,   15,  9,  erhalten. 

Durch  ein  Durchgangszimmer  (14)  gelangen  wir  in  die  Bäckerei, 
zunächst  in  den  Mühlenraum  (15).  Die  vier  Mühlen  [h]  wur- 
den von   Eseln   gedreht;   deshalb    ist    rings    um    sie    der  Boden 


Fig.  236.      Grundriß    einer   Bäckerei. 
S.Atrium.    15.  MĂĽhlenraum.    16.  Stall. 
17.  Ofen.      18.  Backstube.      19.    Vor- 
ratsraum. 


4o8 


Pompeji. 


Fig.  237.     MĂĽhle,  ohne  das  Holzwerk. 


gepflastert  nach  Art  der  StraĂźen.     Bei  d  Reste   eines   niedrigen 

Tisches. 

Die  Mühlen   haben  die  in   Pompeji  für  größere  Mühlen   fast 

ausschlieĂźlich  ĂĽbliche  Form. 
Sie  bestehen  aus  zwei  groĂźen 
Lavasteinen.  Der  untere,  die 
meta^  ist  ein  oben  kegelförmig 
endender  Zylinder;  doch  ist 
der  zylinderförmige  Teil  für 
gewöhnlich  nicht  sichtbar,  son- 
dern mit  Mauerwerk  umkleidet, 
auf  dessen  oberer  Fläche  durch 
eine  Bleiplatte  eine  rings  um- 
laufende Rinne  gebildet  war, 
in  die  das  Mehl  fiel.  Auf  der 
Spitze  des  Kegels  stand  in 
einem    viereckigen  Loch    ein 

bis    zu    12    cm    im    Quadrat    starker    Holzpfahl,    oben    in    eine 

eiserne  Spitze  auslaufend,   auf  der  der  andere  Stein  balancierte. 

Dieser,  der  catillus^  besteht 
aus  einem  doppelten  Hohl- 
kegel oder  Trichter,  mit  enger 
Ă–ffnung  in  der  Mitte,  etwa 
einer  Sanduhr  vergleichbar. 
In  den  obern  Trichter  wurde 
das  Getreide  hineingeschĂĽttet, 
zwischen  dem  untern  und 
dem  Kegel  der  Meta  wurde 
es  zerrieben  und  fiel  dann  als 
Mehl  auf  die  Oberfläche  des 
den  unteren  Teil  der  Meta 
einschlieĂźenden  Mauerwerks. 
Die  Drehung  wurde  bewirkt 
durch  zwei  Deichseln,  die  an 
der  engsten  Stelle  des  Catillus 

in  zwei   große   viereckige  Löcher   eingesetzt   und    durch   Bolzen 

befestigt   waren,    fĂĽr  die  ein   kleineres   rundes  Loch  quer  durch 

die  Wände  des  großen  geht. 


Fig.  238.     Durchschnitt  einer  MĂĽhle,  wieder- 
hergestellt. 


XLVII.   Die  Bäcker.  409 

Keine  Kraft  wäre  imstande  gewesen,  den  schweren  Catillus 
zu  drehen,  wenn  er  auf  der  Meta  fest  aufgelegen  hätte ;  er  mußte 
in  der  Schwebe  gehalten  werden,  so  daĂź  er  die  Meta  nur  leicht 
berührte.  Senkrecht  über  den  Deichsellöchern  finden  sich  regel- 
mäßig im  oberen  Rande  des  Catillus 
zwei  kleine  Einschnitte,  in  denen 
bisweilen  Eisenspuren    zu    erkennen  -r=r~' 

sind.    Offenbar  lag  hier  eine  hölzerne        -i;^"^  "'IhT' 
oder  eiserne  Querstange,  mit  einem 
Loch  in  der  Mitte,   welches,   wenn 
die  Querstange  von  Holz  war,    mit 
Eisen    gefĂĽttert    sein     muĂźte,     und 

durch    welches    die  Eisenspitze    des        -^-n/-    >«^        ^w 
auf  der  Meta  stehenden  Pfahles  ging,        -  i/^^^^  '"^^ 
so    daĂź    mittels    dieser    Querstange 

der   Catillus    ĂĽber  der  Meta   in   der       AmMmmw\A^mm^.i:,^^^y 
Schwebe     hing.       Die     Querstange     „.  „.      „... ,     .    „,  .  ,  . 

o  =''  °  tig.  239.      Eine    Mühle     in     latigkeit. 

muĂźte    also  ungemein   stark    befestigt  Relief  im  vatikanischen  Museum. 

sein,  offenbar  so,    daĂź   sie  mit  den 

Deichseln  in  Verbindung  gesetzt  war:  durch  Stricke  oder  durch 
Eisenbänder  oder  auch  durch  eine  Holzkonstruktion.  Letztere 
zeigt  ein  in  Rom  im  Vatikan  befindliches  Relief  (Fig.  239);  wir 
haben  sie  auch  in  unserer  Rekonstruktion  angenommen.  Neuer- 
dings ist  in  Pompeji  eine  MĂĽhle  nach  diesem  Muster  durch  Er- 
gänzung des  Holzwerkes  hergestellt  worden 

und  mahlt  recht  gut.    Durch  verschiedene         H.1.^- — ^-'^ 

Höhe  des  Holzpfahles  auf  der  Meta  konnte 
stärkere  oder  geringere  Reibung,  feineres 
oder  gröberes  Mehl  erzielt  werden.  E^-^J 

Der  Backofen  1 7,  von  den  noch  jetzt 
bei     einfachem     Betrieb     ĂĽblichen     nicht    >^iĂź>Bi^^-^-^-:^=2^^r^=:;=-^^ 
wesentlich  verschieden,  ist,  wie  beistehen-      ---=^-=^-^^^-^— -"=^-§^^ 

1         -r^  1        1       -ij.         •     i      ■  •  --L  -IL  Fig.   240.      Durchschnitt     eines 

der  Durchschnitt  zeigt,  in  einen  überwölb-  Backofens 

ten  Raum    eingeschlossen,    aus   dem  der 

Rauch    durch    zwei    Ă–ffnungen    {(/)    seinen    Ausweg    fand.     Wir 

dürfen    in    diesem    Räume    wohl    eine    Rauchkammer    erkennen. 

In    anderen   Fällen    steigt    vor    dem   Ofen    ein   Schornstein    auf. 

Durch  zwei  kleine  Ă–ffnungen  [c  im  Durchschnitt)  steht  der  Raum 


4IO 


Pompeji. 


vor  dem  Ofen  mit  den  anliegenden  Räumen  (i8,  19)  in  Ver- 
bindung. In  der  Backstube  (18)  wurden  auf  einem  groĂźen  Tisch, 
dessen  gemauerte  FĂĽĂźe  zur  Zeit  der  Ausgrabung  erhalten  waren, 
die  Brote  geformt  und  gelangten  dann  durch  die  Ă–ffnung  c  zum 
Backofen.  An  den  Wänden  die  Spuren  der  Regale  zum  Hinlegen 
der  geformten  Brote.  Durch  die  Ă–ffnung  auf  der  anderen  Seite  (c) 
gelangte  dann  das  gebackene  Brot  in  den  Vorratsraum   ig. 

Vor    dem   Backofen    (bei  c  Fig.  236)    sind  zwei    flache  Ton- 
schĂĽsseln in  eine  Aufmauerung  eingelassen;  zwischen  ihnen  eine 


^^^m^yj^0k^^i 


Fig.  241.    Knetmaschine,  GrundriĂź  und  Durchschnitt. 


Zisternenöffnung;  eine  kleinere  Schüssel  steht  vor  dem  Backofen 
links  [f  im  Durchschnitt  Fig.  240);  sie  enthielten  das  Wasser 
zum  Anfeuchten  der  Brote.  Ăśber  den  beiden  ersteren  sah  man 
auf  die  Wand  gemalt  die  Laren  und  zwischen  ihnen  Vesta,  die 
Schutzgöttin  der  Bäckerei.  —  Bei  e  im  Durchschnitt  ist  eine 
Grube  fĂĽr  die  Asche,  die  man,  wenn  das  Heizfeuer  ausgebrannt 
war,  aus  dem  Backofen  entfernte. 

Nicht  in  dieser,  aber  in  manchen  anderen  pompejanischen 
Bäckereien,  in  der  Regel  in  der  Backstube,  findet  sich  außerdem 
noch  eine  Maschine  zum  Kneten  des  Teiges  (Fig.  241);  das  best- 
erhaltene Beispiel  in  einer  Bäckerei  auf  der  Nordseite  der  Insula 
VI,  14.  Sie  kommt  auch  vor  in  antiken  Darstellungen  des 
Bäckerhandwerkes,  z.  B.  in  den  Reliefs  des  Denkmals  des  Bäckers 


XLVII.   Die  Bäcker. 


411 


Eurysaces  vor  Porta  Maggiore  in  Rom.  Auf  dem  Boden  eines 
zylinderförmigen  Lavagefäßes  (Durchm.  45 — 60  cm)  liegt  hori- 
zontal eine  um  einen  Zapfen  im  Zentrum  drehbare  Eisenstange; 
auf  ihr,  im  Zentrum,  eine  eiserne  Spitze  und  Holzreste;  die 
Wände  des  Zylinders  sind  an  zwei  oder  drei  Stellen  in  verschie- 
dener Höhe  durchbohrt.  Offenbar  ist  die  Eisenstange  nur  die 
Grundlage  einer  hölzernen  Vorrichtung,  wir  können  sagen  zweier 
FlĂĽgel,  die  sich  um  eine  vertikale  Achse  in  dem  Zylinder  drehten, 
mit  Einschnitten,  denen  Holzstäbe  entsprachen,  die  aus  den 
Durchbohrungen  der  Wände  in  das  Innere  hineinragten.  Bei- 
stehender Durchschnitt  wird  dies  klar  machen.  So  wurde  der 
Teig,  an  den  Flügeln  anklebend  und  durch  die  Stäbe  immer 
wieder  von  ihnen  abgerissen,  auf  das  grĂĽndlichste  durchgearbeitet. 
Es  ist  klar,  daß  hierbei  der  Teig  auf  den  Boden  des  Behälters 
hinab  sinken  mußte ;  es  war  also  nötig,  daß  man  von  Zeit  zu 
Zeit  hineingriff,  um  ihn  in  die  Höhe  zu  holen,  wie  dies  in  der 
Tat  auf  dem  Denkmal  des  Eurysaces  dargestellt  ist.  Von 
modernen  Teigknetmaschinen  ist  diese  Vorrichtung  im  Prinzip 
nicht  verschieden,  nur  pflegen  es  dort  zwei  mit  Zähnen  ver- 
sehene horizontale  Wellen  zu  sein,  die  sich  in  entgegengesetzter 
Richtung  so  drehen,  daß  die  Zähne  ineinander  greifen  und  der 
Teig  immer  wieder  von  ihnen  losgerissen  wird. 


Kapitel  XLVIII. 
Tuchwalker  und  Gerber. 

Das  wichtige  und  oft  genannte  Gewerbe  der  Tuchwalker, 
fullones^  ist  in  Pompeji  durch  zwei  größere  und  mehrere  kleine 
Werkstätten  vertreten. 

Ihre  Aufgabe  ist,  den  aus  der  Weberei  kommenden  Stoff  in 
Tuch  zu  verwandeln.  Zu  diesem  Zweck  wird  derselbe  zuerst 
mit  fettsaugender  Walkererde,  creta  fullonia,  und  sonstigen  Zu- 
taten gewaschen  und  gewalkt,  d.  h.  getreten,  geschlagen  und 
gezogen,  und  so  die  Verfilzung  des  Gewebes  bewirkt.  Seife, 
eine  gallische  Erfindung,  begann  in  der  letzten  Zeit  Pompejis 
eben  erst  ĂĽblich  zu  werden.  Nochmals  wird  dann  das  Gewebe 
gewaschen  und  getrocknet.  Dann  wird  es  »gerauht«,  d.  h.  die 
unregelmäßig  hervorragenden  Fäden  mehr  und  gleichmäßiger 
herausgezogen.  Man  bedient  sich  hierfĂĽr  jetzt  der  mit  Wider- 
haken versehenen  Fruchtköpfchen  der  Kardendistel  [dipsacus 
fullonufti)^  die  Alten  eines  Dorngewächses  [spina  fidlonia)^  dessen 
Dornen  an  einem  bĂĽrstenartigen  Instrument  [aena]  befestigt 
wurden,  oder  auch  der  Haut  eines  Igels.  Darauf  wird  der  Stoff 
gebürstet,  geschoren,  geschwefelt  —  namentlich  die  im  Altertum 
viel  gebrauchten  weißen  Stoffe  —  und   unter  die  Presse  gelegt. 

Neben  der  Bereitung  neuer  Stoffe  besorgten  die  FuUonen 
auch  das  Waschen  gebrauchter  Kleider,  wobei  natĂĽrlich  das 
Verfahren  ein  viel  kĂĽrzeres  und  einfacheres  war.  Es  ist  wohl 
anzunehmen,  daĂź  die  kleineren  Anstalten  sich  nur  mit  dem 
Waschen  abgaben. 

Eine  Reihe  von  Gemälden  in  der  größten  pompejanischen 
FuUonica,  westlich  an  der  MerkurstraĂźe  (VI,  8,  20),  fĂĽhrt  uns 
mehrere  dieser  Manipulationen  vor  Augen  und  ergänzt  sich  in 
erwĂĽnschtester  Weise  mit  dem  Amorenfries  im  Hause  der  Vettier 


XLVm.  Tuchwalker. 


413 


(S.  353)-     Sie  waren  angebracht  an  einem  dicken  Pfeiler  auf  der 
Vorderseite  des  Peristyls.     Jetzt  sind   sie  im  Museum  zu  Neapel. 


Fig.  242.     Szene  aus  der  Fullonica :  das  Waschen  der  Stoffe.     Wandgemälde. 

Das  erste  Bild  (Fig.  242)  zeigt  das  Waschen  und  Austreten 
der  Stoffe;  die  Arbeiter  stehen  in  den  Gefäßen,  diese  in  kleinen 
Nischen,  getrennt  durch  niedrige  Mauern,  deren  Zweck  und  Be- 
nutzung die  größte  der  vier  Figuren  zeigt. 


Fig.  243.     Szene  aus  der  Fullonica.     .Ablieferung;  das  Rauhen  des  Stoffes:  GerĂĽst  zum 
Schwefeln.     Wandgemälde. 


In   dem   zweiten  Bilde  (Fig.  243)  sehen  wir  das  Rauhen   des 
über    einer    Stande    hängenden    Stoffes.       Hinter    dem    hiermit 


414 


Pompeji. 


beschäftigten  Arbeiter  trägt  ein  anderer  das  Gestell  und  die  Kohlen- 
pfanne zum  Schwefeln  herbei;  auf  dem  Gestell  sitzt  die  Eule,  der 
Vogel  der  Minerva,  der  Schutzgöttin  der  Fullonen,  und  mit  dem 
Laube  des  ihr  heiligen  Ölbaumes  ist  der  Arbeiter  bekränzt.  Links 
vorn  sitzt  eine  Frau,  der  ein  kleines  Mädchen  einen  fertigen  Stoff 
ĂĽberbringt. 

In  dem  dritten  Bilde  übergibt  ein  junger  Mann  einem  Mäd- 
chen einen  Stoff.     Dabei    sitzt    eine  Frau,    die,    wie   es    scheint, 

das  zum  Rauhen  der  Stoffe 
dienende  Instrument  reinigt; 
im  Hintergrunde  aufgehängte 
Stoffe. 

Das  vierte  Bild  (Fig.  244) 
zeigt  die  Presse;  sie  wirkte 
mittels  zweier  Schrauben. 

Von  den  beiden  in  Pom- 
peji erhaltenen  Walkereien 
liegt  die  eine  (Fig.  245)  am 
nördlichen  Teil  der  Stabianer 
Straße  (VI,  14,  21  —  22).  Das 
Haus  war  nicht  ursprĂĽng- 
lich als  Fullonica  gebaut, 
sondern  erst  später  dazu  ein- 
gerichtet worden  und  diente 
auch  dann  noch  zugleich 
als  Wohnung;  in  d  erkennen  wir  die  gut  erhaltene  KĂĽche.  Im 
Atrium  steht  hinter  dem  Impluvium  ein  Marmortisch,  vor  diesem 
die  Basis  einer  Brunnenfigur  und  im  Impluvium  ein  Marmor- 
becken, in  das  die  Figur  einen  Wasserstrahl  fallen  ließ  (ähnlich 
wie  Tafel  VII). 

Die  Vorrichtungen  fĂĽr  den  Gewerbsbetrieb  finden  wir  in  dem 
Laden  n.  21  und  im  Peristyl  [q).  Im  Laden  an  der  linken  Wand 
drei  Plätze  für  Waschgefäße,  ganz  wie  wir  sie  aus  dem  Gemälde 
(Fig.  242)  kennen.  An  der  rechten  Wand  enthielt  eine  längliche 
Vertiefung  ohne  Zweifel  die  Presse.  Im  Peristyl  drei  groĂźe 
Bassins  (i,  2,  3),  um  die  Stoffe  in  Wasser  zu  legen;  das  Wasser 
fiel  aus  der  Leitungsröhre  in  das  hinterste  (3)  und  gelangte  von 
hier  durch  Löcher  in  den  Zwischenwänden  in  die  beiden  anderen. 


Fig.  244.     Presse  der  Fullonica.     Wandgemälde. 


XLVm.   Tuchwalker. 


415 


An  der  Wand  ein  erhöhter,  durch  eine  kleine  Treppe  zugäng- 
licher Gang  (4),  von  dem  man  ĂĽber  Stufen  in  die  Bassins  steigen 
konnte.  An  dem  Gange  und  in  der  anstoĂźenden  Ecke  des  Peri- 
styls  weitere  sieben  Plätze  für  Waschgefäße.  Auf  den  Wänden  des 
Ganges  stellt  ein  flüchtig  ausgeführtes  langgestrecktes  Gemälde 
die  Walker  dar,  wie  sie  ein  Fest  feiern,  wohl  die  Quinquatrus, 
das  Fest  ihrer  Schutzgöttin  Minerva,  dazu  eine  Gerichtsverhand- 
lung über  eine  bei  dem  Feste  entstandene  Schlägerei.  In  in 
wurde  ein  Haufen  Walkererde  gefunden. 

Dieser  FuUonica  gegenĂĽber  wohnte  der  betriebsame  Bankier 
L.  Caecilius  Jucundus.  Aus  seinen  Quittungstafeln  (Kap.  LVIII) 
ergibt  sich,  daĂź  er  in 
den  Jahren  56  —  60 
n.  Chr.  eine  der  Stadt 
gehörige  FuUonica  ge- 
pachtet hatte.  Mög- 
lich, daĂź  es  eben  diese 
war.  In  der  letzten  Zeit 
betrieb  hier  T.  Ve- 
sonius  Primus  sein 
Handwerk.  Da  er  sich 
lebhaft  fiir  die  Kom- 
munalwahlen interes- 
sierte, begegnet  sein  Name  mehrfach  in  gemalten  Inschriften  auf 
der  Straßenwand  dieses  und  der  anstoßenden  Häuser.  C.  Gavium 
Ruf  um  II  vir.  o.  v.  f.  utile  ni  r.  p.  [duumviruvi^  oro  vos,  facite^ 
utilcvi  rei  publica e]  Vcsonius  Primus  rogat,  —  »den  C.  Gavius 
Rufus  wählt  zum  Duumvirn,  ich  bitte  euch,  er  ist  dem  Gemein- 
wesen nützlich,  Vesonius  Primus  bittet  darum«.  In  einer  andern 
Inschrift  nennt  er  auch  sein  Gewerbe :  L.  Ccium  Sccundum  II 
V.  i.  d.  Primus  fullo  rog[at)^  —  »Primus  der  Walker  bittet  um 
die  Wahl  des  L.  Ceius  Secundus  zum  rechtsprechenden  Duumvirn«. 
Einmal  ließ  er  auch  sein  Geschäftspersonal  an  der  Empfehlung 
teilnehmen:  Cn.  Helvium  Sahinum  aed.  Primus  cum  suis  fa[cit) 
—  »Primus  und  seine  Leute  betreiben  die  Wahl  des  Cn.  Helvius 
Sabinus  zum  Adilen«. 

Primus  wohnte   in    dem   sĂĽdlich   anstoĂźenden  Hause  (N.  20), 
das  nach  einem  großen  Gemälde  auf  der  Gartenwand  —  Orpheus 


Fig.  245.     GrundriĂź  einer  FuUonica. 


4i6 


Pompeji. 


unter  den  Tieren  musizierend  —  Haus  des  Orpheus  genannt 
wird ;  an  der  RĂĽckseite  des  Atriums  hatte  sein  Kassierer  [arcarins] 
seine  BĂĽste  aufgestellt,  mit  der  Inschrift:  Primo  n[ostro)  Anter os 
arcarius. 

Auch  die  größere  Fullonica  an  der  Merkurstraße  (VI,  8,  20) 
ist  in  einem  großen  Wohnhause  erst  später  eingerichtet  worden. 
Die  Säulen  des  Peristyls  hatte  man  durch  starke  gemauerte 
Pfeiler  ersetzt,  die  eine  Terrasse  zum  Trocknen  der  Stoffe  trugen. 
An  der  Rückseite  vier  viereckige  Bassins;  die  beiden  größten 
messen  2,15  X  2,55  bzw.  2,65  m;  wie  in  der  Walkerei  des  Pri- 
mus gelangte  das  Wasser 
durch  Löcher  in  den 
Zwischenwänden  aus 
einem  in  die  anderen. 
In  der  Ecke  rechts  von 
den  Bassins  sechs  Plätze 
für  Waschgefäße.  Ge- 
waschen wurde  wohl 
auch  in  einem  gewölb- 
ten Raum  rechts  amPeri- 
styl,  mit  einer  Zisternen- 
öffnung, einem  großen 
gemauerten  Bassin  und 
einem  steinernen  Tisch. 
Man  fand  hier  einen  Haufen  einer  Masse,  die  man  fĂĽr  Seife  hielt; 
unzweifelhaft  war  es  Walkererde. 

Eine  Gerberei  wurde  1873  in  der  Nähe  des  Stabianer  Tores 
ausgegraben;  sie  nimmt  die  kleine  Insula  1,5  fast  ganz  ein,  doch 
befinden  sich  die  charakteristischen  Vorrichtungen  nur  in  einem 
kleinen  Teil  des  fĂĽr  die  industrielle  Anlage  grĂĽndlich  umgestal- 
teten Hauses.  Sie  sind  zweierlei  Art:  zur  Bereitung  einer  fĂĽr  die 
Gerberei  benutzten  FlĂĽssigkeit,  und  zur  Behandlung  der  Felle. 

Erstere  befinden  sich  in  einem  auf  den  Garten  geöffneten 
Portikus.  Aus  einem  gemauerten  Becken  floĂź  die  FlĂĽssigkeit 
teils  durch  zwei  Ă–ffnungen  in  ein  niedrigeres  Becken,  teils  in 
eine  an  der  Wand  entlang  gefĂĽhrte  gemauerte  Rinne,  aus  der 
sie  dann  durch  drei  seitwärts  abzweigende  Rinnen  in  drei  große 
Tongefäße  gelangte. 


Fig.  246.     GrundriĂź  der  Gerberei. 


XLVIII.    Gerberei. 


417 


Die  Vorrichtungen  zur  Behandlung  der  Felle,  in  einem  aus 
einem  früheren  Atrium  zurechtgemachten  bedeckten  Räume 
(Fig.  246),  bestehen  aus  Gruben  und  Behältern  verschiedener 
Form.  Es  sind  fünfzehn  runde  Gruben  von  1,25  — 1,60  m  Durch- 
messer und  etwa  1,50  m  Tiefe,  mit  Stuck  ausgekleidet,  mit  je 
zwei  Löchern  in  den  Wänden  zum  Ein-  und  Aussteigen.  Da- 
zwischen drei  länglich  viereckige  Gruben,  etwa  0,50  m  tief,  einst. 


Fig.  247.     Mosaik  auf  dem  Tische  im  Garten  der  Gerberei. 


wie  es  scheint,  mit  Holz  ausgekleidet.  Neben  jeder  dieser  letz- 
teren Gruben  zwei  in  den  Boden  eingelassene  Tongefäße. 
Endlich  zwischen  jedem  dieser  Gefäße  und  der  länglichen  Grube 
ein  enges,  zylinderförmiges  Loch,  von  der  Tiefe  der  Grube  und 
unten  gegen  diese  geöffnet:  es  enthielt  —  so  scheint  es  —  eine 
Tonröhre,  doch  ist  diese  nirgends  erhalten.  Zweifellos  wurden 
in  diesen  Gruben  die  Felle  mit  den  Gerbstoffen  in  BerĂĽhrung 
gebracht;  die  groĂźen  Gruben  dienten  fĂĽr  die  Lohgerberei,  die 
kleineren,  länglichen,  für  Weißgerberei  [aluta^  feineres  mit  Alaun 

Mau,    Pompeji.     2.  Aufl.  27 


4 1  8  Pompeji. 

bereitetes  Leder).  Die  fĂĽr  letztere  benutzten  Chemikalien  waren 
in  den  Tongefäßen  enthalten  und  wurden  durch  die  senkrechten 
Röhren  in  die  Gruben  geleitet. 

Vier  Instrumente,  ähnlich  den  noch  jetzt  üblichen,  wurden 
hier  gefunden:  ein  bronzenes  Schabmesser  mit  gut  erhaltenem 
Holzgriff  am  RĂĽcken  der  Klinge,  zwei  gebogene  Schabeisen  mit 
Griff  an  jedem  Ende,  und  ein  eisernes  Instrument  mit  runder 
Schneide. 

Der  Garten,  auf  den  sich  der  oben  erwähnte  Portikus  öffnet, 
enthält  ein  Gartentriclinium  (S.  270),  auf  dessen  Tisch  ein  be- 
merkenswertes buntfarbiges  Mosaik  (jetzt  in  Neapel]  angebracht 
war  (Fig.  247).  Es  sind  lauter  Symbole  des  Todes:  der  Toten- 
kopf, Schmetterling  und  Rad  als  Symbole  der  vom  Körper  ge- 
trennten Seele  und  der  enteilenden  Zeit.  Rechts  und  links  die 
Spolien,  das  was  der  Mensch  auf  Erden  zurückläßt:  rechts  der 
Wanderstab,  die  Tasche  und  das  ärmliche  Gewand  des  Bettlers, 
links  Szepter  und  Purpurmantel;  darĂĽber  die  Setzwage  mit  dem 
Richtblei  als  Symbol  des  alles  gleichmachenden  Schicksals.  Die 
Bedeutung  einer  solcher  Darstellung  gerade  auf  dem  Speisetisch 
ist  ja  durchsichtig  genug: 

Mors,  awem  vellens,  vivite,  ait,  veniol 


Kapitel  XLIX, 
Schenken  und  Wirtshäuser. 

Weinschenken,  cauponac,  finden  sich  in  Pompeji  in  groĂźer 
Zahl;  gleich  der  heutigen  Osteria  waren  sie  durchweg  zugleich 
Speisewirtschaften,  häufig  auch  mit  Schlafgelegenheit.  Das  Wirts- 
haus zum  Ăśbernachten  heiĂźt  hospitium^  auch  wohl  canpona\  es 
war  wohl  immer  mit  Schenk-  und  Speisewirtschaft  verbunden. 
Die  Wirte,  caupones^  copojics^  begegnen  mehrfach  in  Inschriften, 
sowohl  Wahlprogrammen  als  Graffiti.  Sie  erfreuten  sich  nicht 
eben  des  besten  Rufes. 

Einige  Wirtshäuser  sind  durch  Inschriften  bezeichnet.  An 
der  TĂĽr  eines  Hauses  auf  der  Westseite  der  Insula  III  (IX),  8  (7) 
ist  gemalt:  Hospitiuiii  Hygini  Finnig  —  > Gasthaus  des  Hyginius 
Firmus«.  Auf  der  Westseite  der  Insula  IV  (VII),  i,  nördlich 
der  Stabianer  Thermen,  las  man  (jetzt  verblichen) :  Hospitimn  hie 
locaUir^  triclitiiuin  cum  tribus  Icctis^  —  »Hier  ist  Unterkunft  zu 
haben,  Speisezimmer  mit  drei  Betten«;  die  Inschrift  war  noch 
länger,  aber  das  folgende  war  unlesbar.  Über  dieser  Inschrift 
war  ein  Elephant  gemalt,  umwunden  von  einer  Schlange  und 
von  einem  Pygmäen  gehütet,  mit  der  Beischrift:  Sittius  restituit 
E/epanfii,  — •  »Sittius  hat  den  Elephanten  erneuert«.  Das  Wirts- 
haus hieß  also  »Zum  Elephanten«.  der  Besitzer  Sittius. 

Keines  dieser  beiden  Häuser  enthält  etwas  für  den  Gasthaus- 
betrieb Charakteristisches.  Lehrreicher  ist  in  dieser  Beziehung 
ein  Haus  auf  der  Westseite  der  Insula  IV  (VII),  12  (Fig.  248), 
das  an  einigen  in  die  Wände  eingekratzten  Inschriften  mit 
groĂźer  Wahrscheinlichkeit  als  Wirtshaus  erkannt  wird.  Gleich 
von  der  StraĂźe  treten  wir  in  den  groĂźen  Mittclraum  a.  Wir 
nehmen  an,  daĂź  er  ganz  bedeckt  war,  da  sich  von  einem  Im- 
pluvium  keine  Spur   findet.      Er  diente  wohl  als  Speisesaal.     An 

27* 


420 


Pompeji. 


ihm  liegen  sechs  Schlafkammern  [b  —  g)  und  die  Küche  [h). 
Aber  der  Wirt  rechnete  nicht  nur  auf  Reisende,  sondern  auch  auf 
Stadtgäste;  für  diese  war  das  auf  die  Straße  geöffnete  Schenk- 
lokal n  bestimmt,  mit  noch  einem  Speisezimmer  [o]  und  dem 
Abtritt  (/).  Aus  dem  groĂźen  Mittelraum  [a]  fĂĽhrt  ein  kurzer 
Gang  (z,  links  der  Abtritt  /)  in  den  Stall  [k):  diesem  gegenĂĽber 
die  Tränke  für  die  Zugtiere.  Die  Wagen  mochten  in  m  und 
vielleicht  auch  in  a  eingestellt  werden. 

Die  schon  erwähnten  Inschriften  rühren  von  Gästen  her,  die  hier 
übernachteten.  In  c  schrieb  C.  Valerius  Venustus,  Prätorianer 
der  ersten  Kohorte,   aus  der  Centurie  des  Rufus,   seinen  Namen 


Fig.  248.     GrundriĂź  des  Wirtshauses 
VII,   12,  35. 


Fig.  24g.     GrundriĂź  der  Herberge 
des  Hermes. 


an  die  Wand.  Eben  dieser  Wand  vertraute  ein  liebevoller 
reisender  Ehemann  seine  Sehnsucht  an:  Vibius  Restitutus  hie 
solus  dormivit  et  Urbatiam  siiam  eiesiderabat^  —  »Vibius  Resti- 
tutus schlief  hier  allein  und  sehnte  sich  nach  seiner  Urbana«.  In 
demselben  Zimmer  weilten  einmal  vier  Schauspieler  von  der 
Truppe  des  Actius  Anicetus  (S.  147).  In  d  schrieb  einer  einen 
GruĂź  an  seine  Heimatstadt  Puteoli:  Coloniae  Clan.  Neronesi 
Puteolan[a]e  felieitcr ;  scripsit  C.  Julius  Speratus.  Puteoli  hatte, 
wie  Tacitus  berichtet,  von  Nero  die  Erlaubnis  erhalten,  sich  nach 
seinem  Namen  Colonia  Claudia  Neronensis  zu  nennen.  Zwei 
Freunde,  Lucifer  und  Primigenius,  ĂĽbernachteten  in  yj  Lucceius 
Albanus  aus  Abellinum  (Avellino)  in  g. 

Die    von     dem     erewohnten    Schema    sfänzlich    abweichende 


XI.IX.    Schenken  und  Wirtshäuser. 


421 


Anordnung  der  Räume  dieses  Hauses  beweist,  daß  es  eigens  für 
den  Wirtshausbetrieb  gebaut  wurde.  In  anderen  Fällen  wurden 
beliebige  Wohnhäuser  für  denselben  eingerichtet.  So  das  Haus 
des  Sallust,  das  in  der  letzten  Zeit  Pompejis  wenigstens  zum 
groĂźen  Teil  als  Wirtshaus  benutzt  wurde. 

Die  Wirtshäuser  in  der  Nähe  der  Stadttore  haben  eine  ge- 
pflasterte, den  Gangsteig  unterbrechende  Einfahrt  fĂĽr  Wagen; 
es  sind  Fuhrmannsherbergen.  Wir  geben  (Fig.  249)  den  Grund- 
riĂź der  Herberge  des  Hermes,  am  Stabianer  Tor,  fĂĽr  den  Ein- 
fahrenden rechts.  Neben  dem  Eingangsraume  [a)  zwei  auf  die 
Straße  geöffnete  Schenklokale  [d,  d).  Rechts  gleich  hinter  der 
Treppe  der  Herd.  Auf  der  linken  Wand  das  Larenbild  (jetzt 
zerstört):  die  beiden  Laren  und  der  opfernde  Genius  mit  dem 
Opferknaben  und  dem  Flötenbläser.  Darunter  ein  Mann,  der  aus 
einer  Amphora  den  Wein  in  ein  groĂźes  TonfaĂź  [doliiim)  gieĂźt, 
mit  der  Beischrift  Hermes]  vermutlich  ist  dies  der  Name  des 
Wirtes.  In  dem  großen  Räume  weiter  rückwärts  standen  ohne 
Zweifel  die  Wagen ;  in  der  rechten  Vorderecke  die  Tränke,  hinten 
der  Stall  [k).  Schlafkammern  sind  zu  ebener  Erde  nur  drei 
(^j  £^1  ^^)i  doch  waren  ihrer  mehrere  im  Oberstock,  zugänglich 
ĂĽber  die  Treppe  bei  g\  drei  derselben  lagen  ĂĽber  dem  Stall. 
Obere  Zimmer  über  den  vorderen  Räumen  [a,  b^  f,  d^  e),  mit 
Treppeneingang  direkt  von  der  StraĂźe,  waren  wohl  besonders 
vermietet. 

Die  pompejanischen  Herbergen  geben  ohne  Zweifel  eine  rich- 
tige Vorstellung  auch  von  ähnlichen  Häusern  in  anderen  Städten. 
Die  Preise  waren  niedrig  und  die  Leistungen  dem  entsprechend. 
Reisende  der  besseren  Klassen  übernachteten,  wenn  irgend  mög- 
lich, bei  Gastfreunden. 

Wir  geben  beistehend  den  GrundriĂź  einer  Caupona  an  der 
Nordwestecke  der  Insula  VI,  10,  östlich  der  Merkurstraße.  Sie 
war  nicht  nur  auf  dort  verzehrende  Gäste,  --■m^ 
sondern    auch    auf  Verkauf   ĂĽber    die   StraĂźe 


berechnet.    Diesem  diente  der  auf  die  StraĂźe  Li^-i  f^^W^^ 

geöffnete  Raum  a;  der  gemauerte  Ladentisch  ^^^^_  ^^J 

hat  die   gewöhnliche  Form  mit  treppenförmi-  ..•          r     a  •»    • 

o                                                                          1^1  r  lg.  250.    Cirundrib  einer 

gem  Rcpositorium   am   einen   und    einer  Vor-  Schenke. 

richtung,    um  ein  Gefäß  auf  Feuer  zu  stellen,  am  andern  Ende; 
außerdem  sind  mehrere  Tongefäße,  die  feste  und  flüssige  Waren 


422 


Pompeji. 


Fig.  251.     Szene  in  einer  Schenke.     Wandgemälde. 


enthalten  konnten,  in  ihn  eingelassen.  An  der  rechten  Wand 
ein  Herd;  wir  können  sicher  diesen  Raum  ein  Thermopolium 
nennen.    Aus  ihm  kommt  man  links  hinten  in  das  Gastzimmer  b, 

mit  besonderem  (mo- 
dern vermauerten)  Ein- 
gang von  der  StraĂźe, 
Auf  den  Wänden  des- 
selben ist  das  hier 
herrschende  Treiben 
in  einer  Reihe  von  Bil- 
dern dargestellt.  Wir 
sehen  da  die  Gäste, 
wie  sie  stehend  oder 
auf  StĂĽhlen  sitzend 
essen ,  trinken  und 
WĂĽrfel  spielen.  Es  ist 
was  Martial  eine  »Sitz- 
wirtschaft« [sellariola 
popinci)  nennt;  zu  Tische  zu  liegen  gab  es  hier  keine  Gelegenheit. 
Der  einfache  Charakter  des  Lokals  wird  auf  einem  der  Bilder 
(Fig.  251)  veranschaulicht  durch  allerlei  an  einer  Stange  unter  der 
Decke  aufgehängte  Lebensmittel.     Auch   an  Beischriften  fehlt  es 

nicht.  Bei  einem  Gaste,  dem 
der  Kellner  eben  einschenkt, 
lesen  wir:  da  fridam ptisilliwi^ 
»Gieß  kaltes  Wasser  zu,  nur 
wenig«.  Auf  einem  andern 
Bilde  bei  einer  ähnlichen  Szene : 
adde  caliccvi  Setinum ,  — 
»noch  einen  Becher  Setiner«. 
Es  wurde  also  auch  in  dieser 
einfachen  Wirtschaft  nicht  nur 
das  Gewächs  der  Umgegend, 
sondern  auch  der  Wein  des 
ziemlich  entfernten  Setia  (Sezze,  am  Abhang  der  Volskerberge) 
verzapft.  Ein  anderes  Bild  (Fig.  252)  zeigt  die  Ankunft  des 
Weines:  aus  dem  noch  auf  dem  Wagen  liegenden  groĂźen 
Schlauch  wird  er  in  Amphoren  gefĂĽllt. 


Fig.  252.     Umfiillung  des  Weines.     Wandgemälde. 


XLIX.   Schenken  und  Wirtshäuser. 


423 


Diese  letztere  Darstellung  wiederholt  sich  auf  einer  Wand  des 
Durchgangsraumes  c,  durch  den  wir  in  das  kleine  Zimmer  d 
kommen,  seiner  Größe  nach  ein  Schlafzimmer.  Der  erotische 
Charakter  der  Bilder  auf  den  Wänden  —  Aphrodite  fischend, 
Polyphem  und  Galatea  —  legt  aber  den  Verdacht  nahe,  daß  es 
der  Prostitution  diente.  DaĂź  diese  vielfach  in  Schenken  und 
Gasthäusern  betrieben  wurde,  ist  bekannt  genug,  und  in  einer 
andern  Caupona  Pompejis  lassen  die  gänzlich  unzweideutigen 
Bilder  eines  ähnlichen  Zimmers  über  die  Bestimmung  desselben 
keinen  Zweifel  aufkommen. 

Der  Durchgangsraum  c  steht  in  Verbindung  mit  dem  Atrium 
des  Hauses  Nr.  2,  und  auf  Räume  desselben  öffnen  sich  auch 
zwei  kleine  Fenster  von  d.  Ob  etwa  das  ganze  Haus  als  Wirts- 
haus diente,  oder  ob  es  vom  Besitzer  bewohnt  war  und  dieser 
in  den  eben  beschriebenen  Räumen  die  Schenkwirtschaft  betreiben 
lieĂź,  das  sind  wir  nicht  in  der  Lage  zu  entscheiden. 

Von  einem  Hause  in  der  Nähe  des  Stabianer  Tores  (I,  2,  24 
können  wir  nicht  mit  Sicherheit  sagen,  ob  es  auch  eine  Herberge, 
oder  nur  eine  groĂźe  Schenk-  und  Speisewirtschaft  war.  Als 
letztere  ist  es  beglaubigt  durch  eine  Wandinschrift,  in  der  ein 
Gast  seinem  Unmut  Ausdruck  gab:  Talia  tc  fallant  utinani 
vie[n)dacia^  copo^  Tu  ve[n)des  actiajit  et  Mb  es  ipse  uiermn.  Ortho- 
graphie und  Metrik  sind  mangelhaft,  aber  der  Sinn  ist  klar: 

Kneipwirt,  möchten  solche  Lügen 
Auch  einmal  dich  selbst  betrĂĽgen. 
Du  trinkst  ungemischten  Wein, 
Wasser  schenkst  den  Gästen  ein. 

Im  Atrium  ist  das  Impluvium  nicht  in  der  Mitte,  sondern 
links  hinten  in  der  Ecke,  wo  zwei  Säulen  das  Dach  stützten,  so 
daĂź  der  ganze  Raum  viel  unbehinderter  auch  als  Speisesaal  be- 
nutzt werden  konnte.  Das  Haus  enthält  ferner  mehrere  mäßig- 
groĂźe  Speisezimmer,  wenig  Schlafkammern.  Aber  freilich  konnten 
deren  noch  mehrere  im  Oberstock  sein,  zu  dem  zwei  Treppen 
führten.  Rechts  vom  Atrium  eine  kleine  Säulenhalle,  die  sich 
auf  einen  Garten  öffnet,  dessen  Mitte  ein  gemauertes  Triclinium 
einnimmt.  Wir  dĂĽrfen  annehmen,  daĂź  dies  von  einer  Weinlaube 
beschattet  war  und  mögen  der  lunladung  des  Schenkmädchens 
in  der  Copa  gedenken:    Sunt  topia  et  calybae^  cyatJii^  rosa^  tibia^ 


424  Pompeji. 

chordae  ^  Et  trichila  umbriferis  frigida  arundinibus.  Eia  age, 
pampinea  fessus  requiesce  sub  umbra^  Et  gravidmn  roseo  necte 
Caput  strophio. 

Garten,  rohrgeflochtne  Laube, 

Becher  findst  du  hier  und  Rosen, 

Saitenspiel  und  Flötenklang 

Werden  freundlich  dich  umkosen. 

Komm  und  ruh  nach  heiĂźem  Wege 
Unter  Reben,  dichtbelaubt, 
Und  mit  Rosen,  frisch  und  duftig, 
Kränze  froh  das  müde  Haupt. 


VIERTER  TEIL. 

DIE  GRĂ„BER. 

Kapitel  L. 
Die  Gräberstraße  vor  dem  Herculaner  Tor. 

jNur  ein  kleiner  Teil  der  Gräber  Pompejis  ist  erforscht  worden. 
Dicht  gereiht  lagen  sie  an  den  StraĂźen  vor  allen  Toren,  weit 
hinaus:  noch  in  Scafati,  2  km  von  Pompeji,  wurde  der  Grabstein 
eines  Magisters  der  Vorstadt  gefunden.  Am  bekanntesten  und 
in  der  größten  Ausdehnung  ausgegraben  ist  die  Gräberstraße 
vor  dem  Herculaner  Tor.  Aber  auch  an  den  aus  dem  Stabianer, 
Nuceriner  und  Nolaner  Tor  führenden  Straßen  hat  man  Gräber 
gefunden,  vor  letzterem  auĂźerdem  an  der  Mauer  entlang  das  Vor- 
handensein dürftiger  Ruhestätten  festgestellt. 

Aus  vorrömischer,  samnitischer  Zeit  kennen  wir  von  zwei,  wie 
es  scheint,  dĂĽrftigen  Grabfeldern  je  eine  kleine  Ecke;  nur  zwei 
oder  drei  Monumente  gehören  der  republikanischen,  alle  übrigen 
der  Kaiserzeit  an.  Nur  die  vorrömischen  Gräber  enthielten  un- 
verbrannte Leichen,  alle  ĂĽbrigen  Aschenurnen. 

Sehr  verschieden  sind  die  Formen  der  Gräber,  verschieden 
auch  die  Bestattungsweisen  und  die  diesen  zugrunde  liegenden 
Anschauungen  und  Empfindungen.  Einige  legten  vor  allem  Wert 
darauf,  die  Asche  unter  Erde  zu  bringen,  andere  auf  ein  statt- 
liches Monument.  Wieder  anderen  lag  daran,  daĂź  die  Asche 
für  die  Totenopfer  zugänglich  blieb,  oder  daß  es  möglich  war, 
in  derselben  Kammer  noch  andere  Familienglieder  beizusetzen. 
Manche  gestalteten  die  Grabstätte  zugleich  zu  einem  freundlichen 
Aufenthalt  fĂĽr  die  Ăśberlebenden,  nicht  nur  fĂĽr  die  an  den  Ge- 
denktagen sich  hier  versammelnde  Familie,  sondern  auch  fĂĽr  den 


42  6  Pompeji. 

des  Weges  kommenden  Wanderer.  Manche  endlich  suchten 
mehrere  dieser  Bestrebungen  zu  vereinigen.  Die  der  archi- 
tektonischen Gestaltung  zugrunde  liegenden  Formen  sind  die  des 
Altars,  des  Tempels,  des  Triumphbogens,  der  Nische,  des  un- 
bedeckten halbrunden  Sitzes  [schola]. 

Aus  dem  Herculaner  Tor  (PlanV)  fĂĽhrt  die  LandstraĂźe  in  sanfter 
Neigung  abwärts  am  Abhänge  des  Stadthügels,  rechts  überragt 
von  dem  mit  Villen  bedeckten  HĂĽgelrĂĽcken,  links  hinabblickend, 
soweit  nicht  Gebäude  den  Blick  hemmten,  auf  das  Meer  und  die 
Felsabhänge  der  Sorrentiner  Küste.  Gleich  rechts  am  Tor  zweigt 
eine  StraĂźe  ab,  an  der  Mauer  entlang  quer  ĂĽber  den  HĂĽgel. 
Wenig  weiter  abwärts  führt  eine  zweite  links  hinab  an  das  Meer, 
weiterhin,  etwa  150  Schritte  vom  Tor,  eine  dritte  wieder  rechts 
vesuvwärts  auf  den  Rücken  des  Hügels. 

Gleich  am  Tor  beginnt  die  Reihe  der  Gräber.  Links  eine 
erste  Gruppe,  Nr.  i — 4«  auf  PlanV,  bis  an  die  hier  abzweigende 
Straße.  Eine  zweite  rechts,  Nr.  i — 9,  reicht  etwas  weiter  hinab. 
Dann  Hnks  die  im  18.  Jahrh.  ausgegrabene  und  wieder  ver- 
schüttete sogen.  Villa  des  Cicero  (Nr.  5 — 15),  rechts  eine  den 
HĂĽgelrĂĽcken  einnehmende  Villa  [Casa  delle  colonne  di  7nnsaico^ 
Nr.  IG — 30),  beide  an  die  Straße  stoßend,  mit  ladenartigen,  weit 
offenen  Räumen,  wahrscheinlich  Schenkwirtschaften  und  Her- 
bergen, denen  ein  Pfeilerportikus  vorgelegt  ist.  Dann  wieder 
Gräber.  Links  eine  dritte  Gruppe,  Nr.  16 — 23,  auf  einem  schmalen 
Streifen  von  der  Villa  des  Cicero  bis  zu  der  wieder  an  die  StraĂźe 
stoßenden  Villa  des  Diomedes,  rechts  eine  vierte,  Nr.  33 — 43,  in 
der  Gabelung  der  beiden  hier  sich  trennenden  StraĂźen. 

Endlich  rechts  der  hier  abzweigenden  StraĂźe  die  Samniten- 
gräber,  Nr.  31 — 32.  Nur  wenige  derselben  hat  man  aufgedeckt. 
Sie  liegen  dicht  gereiht  und  bilden  offenbar  die  äußerste  Ecke 
eines  größern  Begräbnisplatzes  für  Leute  geringen  Standes.  Es 
sind  sargartige  Kasten  aus  Kalkstein,  mit  Erde  bedeckt.  Man 
fand  in  ihnen,  neben  dem  Skelett  der  unverbrannten  Leiche, 
kleines  bemaltes  Tongeschirr  —  campanische  Ware  des  zweiten 
oder  dritten  Jahrhunderts  v.  Chr.  —  und  in  zwei  Gräbern  je  eine 
Münze  mit  unerklärter  oskischer  Aufschrift,  vielleicht  in  Nola 
geprägt.  Grabsteine,  die  über  der  Erde  sichtbar  gewesen  wären, 
sind   nicht   gefunden   worden.     Ähnliche   Gräber,    auch    mit  ge- 


Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.     Plan  V. 


Link 
Grab  des  M.  Cerri 
»       des  A.  Vejus. 
»       des  M.  Porciiis. 
»       der  Priesterin  Mamia. 
.     »       der  Istacidier. 
4''.  StraĂźe  zur  Badeanstalt  des  I\I.  Crassu> 

Knigi. 
5-15.  Sogenannte  Vilhi  des  Cicero. 

16.  Unvollendetes  Crab. 

17.  Grab  des  A.  Umbricius  Scaiiriis. 

18.  Rundes  Grab. 

19.  Namenloses  Grab. 

20.  Grab  des  ('alventins  (liiietus. 

21.  y       des  N.  Istacidiiis   Hcieniis. 

22.  -        der  Naevoleja  'J'ycbc. 

23.  Tricliniiim  funebrc. 

24.  Sogenannte  Villa  des   Uioniedes. 


Gr;ib( 


zu  S.  426. 


Rechts: 

1.  Namenloses  Grab. 

2.  Grab  des  T.  Terentius  Felix. 
3-5.  Namenlose  Gräber. 

6.  Guirlandengrab. 

7.  Namenloses  Grab. 

8.  Grab  des  blauen  GlasĂźefiiĂźes. 

9.  Grabnische. 

10-30.  Villa   (Casa    dclle    colnnnc  di  mu- 
saico). 
10.   II.   13.   14.  LĂĽden. 
12.  Garten,    ?u  den  Gräbern  8  und  g 

gehörig. 
15.  Eingang  der  Wirtschaftsriiume. 
16-28.  Herbergen. 
29-30.  Töpferei. 
31.  32.  Samnitengräber. 

33.  Unfertigis  Grab. 

34.  Grab   mit  MarmortĂĽr. 

35.  36.  Unfertige  Gräber. 

37.  Grab  de.s  M.  Allejus  Luccius  I.ibella. 

38.  Grab  des  L.  Cejus  Laben. 

39.  Namenloses  Grab. 

40.  ( Irab  des  Salvius. 

41.  »       des  N.  Velasius  Gratus. 
4-'.  des  M.  Arrius  Diomedes. 
4T.  der  .'\rri:i. 


aĂĽe. 


I,.    Die  Gräberstraße  vor  dem  Ilerculaner  Tor. 


427 


malten  Vasen  (die  sonst  in  Pompeji  nicht  vorkommen),  sollen 
gefunden  worden  sein  in  dem  Wirtschaftshofe  der  Villa  des  Cicero, 
an  der  zum  Meer  hinabfĂĽhrenden  StraĂźe;  doch  gibt  es  ĂĽber 
diesen  Fund  weder  offizielle  Berichte  noch  sonst  nähere  Angaben. 
Und  ganz  neuerdings  (seit  1907)  kommen  in  dem  Hofe  der  Villa 
rechts  am  Wege  (12)  Gräber  zutage,  unverbrannte  Leichen  mit 
sehr  wenigen  und  dĂĽrftigen  Beigaben,  wie  es  scheint  aus  dem 
3.  Jahrh.  v.  Chr. 

Ein  schmaler  Bodenstreif  beiderseits  der  Straße  gehörte  der 
Stadt;  durch  BeschluĂź  des  Stadtrats  konnten  hier  GrundstĂĽcke 
zur  Beisetzung  verdienter  BĂĽrger  bewilligt  werden.  Dies  wird 
dann  stets  in  der  Grabschrift  erwähnt  [locus  datiis  deciirionuni 
decreto  oder  ähnlich) ;  wo  dies  nicht  der  Fall  ist,  haben  die  Hinter- 
bliebenen den  Begräbnisplatz  von  der  Stadt  gekauft. 

An  der  rechten  Ecke  der  an  das  Meer  fĂĽhrenden  StraĂźe  war 
eine  Inschrift  angebracht:  Ex  autoritäre  imp.  Caesar is  Vespa- 
siani  Aug.  loca  publica  a  privatis  possessa  T.  Suedius  Clemens 
tribuuus  causis  cognitis  et  mensuris  f actis  rei  publicae  Povipcia- 
norunt  restituit^  —  »Im  Auftrage  des  Kaisers  Vespasian  hat  der 
Kriegstribun  T.  Suedius  Clemens  die  von  Privaten  in  Besitz  ge- 
nommenen GemeindegrundstĂĽcke  nach  Untersuchung  der  ein- 
zelnen Fälle  und  nach  Aufnahme  der  Maße  dem  Gemeinwesen 
der  Pompejaner  zurückgegeben.«  Nach  dem  Orte  der  Inschrift 
zu  schlieĂźen,  wird  dieser  widerrechtlich  okkupierte  Gemeinde- 
grund an  der  hier  abgehenden  StraĂźe  gelegen  haben.  In  der 
Nähe  wurde  eine  Marmorstatue  gefunden,  ein  Mann  in  der  Toga 
mit  einer  Schriftrolle  in  der  Hand,  vermutlich  also  Suedius  Cle- 
mens; sie  stand,  wie  es  scheint,  in  größerer  Höhe,  etwa  in  einer 
Mauernische  der  Villa  des  Cicero. 

Eine  andere  Inschrift  fand  sich  in  dem  anstoĂźenden  Wirt- 
schaftshofe eben  dieser  Villa;  nicht  an  ihrem  Platze;  doch  ist 
anzunehmen,  daß  sie  hier  in  der  Nähe  angebracht  war:  TJierviac 
M.  Crassi  Friigi  aqua  mar  in  a  et  baln.  aqua  dulci.  lanuarius 
l[ibertus).  —  »Badeanstalt  des  M.  Crassus  Frugi.  Warme  Seebäder 
und  Süßwasserbäder.  (Direktor)  der  Freigelassene  Januarius. « 
M.  Licinius  Crassus  Frugi,  Konsul  64  n.  Chr..  dann  68  von  Nero 
getötet,  besaß,  wie  wir  aus  Plinius  XXXI,  5)  wissen,  eine  aus 
dem  Meer   aufsprudelnde  heiĂźe  Quelle.     Diese  befand  sich  also, 


42  8     '  Pompeji, 

mit  einer  Badeanstalt  verbunden,  hier,  am  Strande  von  Pompeji. 
Unsere  Inschrift  war  ihr  Aushängeschild,  angebracht  an  der  Ecke 
der  zu  ihr  hinabfĂĽhrenden  StraĂźe. 

Unsere  Tafel  XI  gibt  eine  Gesamtansicht  der  Gräberstraße, 
genommen  von  der  StraĂźe  vor  der  Villa  des  Diomedes,  mit  dem 
Blick  gegen  das  Tor.  Der  stimmungsvolle  Charakter  des  Bildes 
wird  erhöht  durch  die  von  einer  frühern  Verwaltung  zwischen 
den  Gräbern  gepflanzten  Zypressen.  Den  Blick  die  Straße  ab- 
wärts zeigt  Fig.  255. 

Die  Betrachtung  der  einzelnen  Gräber,  unter  den  Nummern, 
die  sie  an  Ort  und  Stelle  und  auf  unserem  Plan  haben,  beginnen 
wir  mit  der  ersten  Gruppe,  links  gleich  am  Tor,  indem  wir  noch 
kurz  daran  erinnern,  daĂź  das  Tor  um  den  Beginn  der  Kaiserzeit 
an  der  Stelle  eines  älteren,  etwas  weiter  links  Hegenden  neu  er- 
baut worden  ist.  Einige  der  älteren  Gräber  (links  3,  rechts  3,  4,  6) 
zeigen  durch  ihre  Lage  und  Richtung,  daĂź  sie  vor  diesem  Neu- 
bau entstanden  sind. 

Links  I.  Grab  des  Cerrinius  Restitutus.  Eine  niedrige 
Nische  mit  Tonnengewölbe;  an  den  Seitenwänden  gemauerte 
Bänke.  An  der  Rückwand  stand  der  reich  skulpierte  marmorne 
Grabstein,  in  den,  wie  es  scheint,  ein  Reliefbild  des  Toten  ein- 
gelassen war,  vor  ihm  ein  kleiner  Altar,  auch  aus  Marmor,  unter 
dem  ohne  Zweifel  die  Asche  ruhte.  Grabstein  und  Altar  trugen 
die  gleiche  Inschrift:  M.  Cerrinius  Restitutus^  Augustalis ^  l.  d.  d.  d. 
[locus  datus  decurionum  decreiö).  Deutlich  erscheint  hier  das 
Grab  als  der  Ort,  wo  sich  an  den  Gedenktagen  die  Angehörigen 
um  den  Toten  versammeln  und  ihm,  ĂĽber  seiner  Asche,  vor 
seinem  Bilde,  die  ĂĽblichen  Opfer  bringen. 

2.  Grab  des  Vejus  (Fig.  253  links).  Eine  halbrunde,  a^uf 
die  Straße  geöffnete  Bank  aus  Tufif,  6  m  breit;  die  Enden  sind 
als  geflügelte  Löwentatzen  gebildet.  Verloren  ist  die  Statue  des 
Verstorbenen  auf  der  hinten  an  die  Lehne  angemauerten  und 
sie  ĂĽberragenden  Basis,  erhalten  ebenda  die  Inschrift:  A.  Veio 
M.  f.  Ilvir.  i.  d.  iter.  quinq.  trib.  milit.  ab  populo^  ex  d.  d. 
Nicht  nur  den  Platz  hatte  der  Stadtrat  bewilligt,  sondern  auch 
das  Denkmal  errichten  lassen.  Indem  er  diesem  die  Form 
eines  Sitzes  gab,  verband  er  mit  der  Ehrung  des  Toten  eine 
Leistung  für  das  Gemeinwohl.     Zugleich   aber   verkörpert   diese 


L.    Die  Gräberstraße  vor  dem  Herculaner  Tor. 


429 


Grabform  den  von  so  vielen  Inschriften  ausgesprochenen  freund- 
lichen Gedanken,  daĂź  der  Verstorbene  mit  denen,  die  des  Weges 
kommen,  sich  in  Beziehung  setzt,  sich  ihnen  —  wie  hier  Vejus 
durch  Statue  und  Inschrift  —  zu  erkennen  gibt,  von  ihnen  an- 
geredet und  begrĂĽĂźt  wird.  An  den  Erinnerungstagen  werden 
sich  hier  die  Angehörigen  zum  Totenmahle  versammelt  haben. 
Die  Aschenurne  war  wohl  in  dem  kleinen  ummauerten  Grund- 
stĂĽck hinter  dem  Sitz  in  der  bloĂźen  Erde  beigesetzt. 

3.  Grab  des  M.  Porcius  (Fig.  253  in  der  Mitte].    Auf  einem 
Lavasockel  erhebt  sich  ein  viereckiger  Mauerkern;    die    ihn  einst 


Fig.  253.     Griiber  des  Vejus,  des  Porcius,  der  Mamia,  der  Istacidier. 


umhĂĽllenden  Tuffquadern  sind  verschwunden,  erhalten  aber  die 
volutenartigen  Glieder  (aus  Travertin),  die  dem  Ganzen  die  Form 
eines  groĂźen  Altars  gaben.  Das  Innere  war  hohl,  aber  nur  zur 
Materialersparnis,  nicht  als  Grabkammer;  das  Monument  stand 
ĂĽber  der  in  der  Erde  beigesetzten  Asche.  An  den  Vorderecken 
stehen  zwei  kleine  Lavasteine  mit  der  Inschrift:  M.  Porci  M.  f.  ex 
dec.  decret.  in  frontevi  pcd.  XX\\  in  agrnm  pcd.  XXV\  sie  be- 
zeichnen die  Grenzen  des  vom  Stadtrat  angewiesenen  Grund- 
stĂĽckes von  25  FuĂź  im  Quadrat.  Ăśb  nun  hier  der  Miterbauer 
des  kleinen  Theaters  und  des  Amphitheaters  ruht,  ob  etwa  der 
andere  M.  Porcius,  vielleicht  sein  Sohn,  der  an  dem  Bau  des  Altars 
vor  dem  Apollotempel  (S.  82  beteiligt  war,  das  vermögen  wir 
nicht  zu  entscheiden. 


430  Pompeji. 

4.  Grab  der  Priesterin  Mamia  (Fig.  253  rechts).  Ein  Sitz 
wie  der  des  Vejus,  wohl  etwas  jĂĽngeren  Ursprunges:  dort  in  den 
mit  gespreizten  Klauen  fest  auftretenden  Löwentatzen  dieselben 
kraftstrotzenden  Formen  wie  in  den  gleichartigen  Gliedern  des 
kleinen  Theaters  (S.  163);  hier  eine  schwächliche  Zierlichkeit,  die 
wohl  auf  eine  in  der  Zeit  des  Augustus  eingetretene  Geschmacks- 
richtung zurĂĽckgeht.  In  die  Lehne  ist  mit  groĂźen  Buchstaben 
eingehauen:  Maniiae  P.  f.  sacerdoti  publicae  locus  sepultur[ae] 
datus  decurionuni  decreto.  Indem  die  Erben  an  diesem  herrlichen 
Aussichtspunkt  einen  zweiten  Ruheplatz  schufen,  wollten  sie  wohl 
ihrer  Dankbarkeit  fĂĽr  die  Anweisung  des  GrundstĂĽckes  Aus- 
druck geben.  Die  Asche  wird  auch  hier  hinter  dem  Sitz  be- 
graben sein. 

Von  diesen  vier  Gräbern  ist  das  älteste  das  des  Porcius;  es 
ist  allem  Anschein  nach  älter  als  der  Neubau  des  Tores.  Einer 
seiner  Grenzsteine  ist  von  dem  Mauerwerk  des  Sitzes  des  Vejus 
bedeckt.  Dieser  ist,  wie  schon  gesagt,  älter  als  der  der  Mamia, 
älter  auch  als  die  Nische  des  Cerrinius,  deren  Mauerwerk  zum 
Teil  auf  seiner  Lehne  liegt.  Noch  jĂĽnger  ist  das  Grab  hinter 
dem  Sitze  der  Mamia  [\a)\  denn  man  wird  doch  die  weiter  zu- 
rück liegenden  Plätze  erst  bebaut  haben,  nachdem  die  an  der 
StraĂźe  besetzt  waren. 

4a.  Grab  der  Istacidier.  Hinter  dem  Sitz  der  Mamia 
(Fig.  253  rechts),  auf  einer  am  Abhänge  künstlich  hergestellten, 
von  einem  niedrigen  Geländer  eingefaßten  Terrasse  erhebt  sich 
ein  tempelartiger  Bau  mit  Halbsäulen.  Im  Innern  eine  von  der 
Stadtseite  zugängliche,  sehr  einfach  im  dritten  Stil  ausgemalte 
Kammer,  oder  genauer  ein  viereckiger  Gang  rings  um  einen  die 
Wölbung  stützenden  mächtigen  Pfeiler.  In  den  Wänden  Nischen 
für  die  Aschenurnen,  zehn  kleine  und  eine  größere,  in  der  Ost- 
wand, fĂĽr  das  Haupt  der  Familie  und  seine  Gattin.  Hier  blieb 
also  die  Asche  den  Überlebenden  zugänglich,  die  an  den  Gedenk- 
tagen ihre  Opferspenden  in  die  Urnen  gieĂźen  konnten.  Der  Bau 
war  zweistöckig;  oben  standen  in  einem  säulengetragenen  Rund- 
bau aus  Tuff,  von  dem  Teile  noch  am  Orte  liegen,  Statuen  der 
hier  Beigesetzten  (Fig.  254).  Die  Hauptinschrift  des  Grabes  ist 
nicht  gefunden  worden,  wohl  aber  in  dem  eingefriedigten  Raum 
eine  Anzahl   der  eigentĂĽmlichen,    auĂźer  in  Pompeji    nur  noch  in 


L.   Die  Gräberstraße  vor  dem  Herculaner  Tor. 


431 


Sorrent  und  Capua  vorkommenden  Grabsteine  in  Form  einer 
Büste,  die  statt  des  Gesichtes  eine  glatte  Fläche  und  auf  der 
Brust  die  Inschrift  hat.     Sie   mögen   sich   auf  Aschenurnen   be- 


Fig.  254.     Grab  der  Istacidier,  wiederhergestellt. 


ziehen,  die  zum  Teil  in  den  kleineren  Nischen  beigesetzt,  zum 
Teil  unter  den  Steinen  selbst  begraben  waren.  Wir  lernen  aus  ihnen, 
dass  dies  das  Familiengrab  eines  Numerius  Istacidius  war,  sicher 
eines  vornehmen  Mannes.  AuĂźer  ihm  ruhte  hier  seine  Tochter, 
Istacidia  Rufilla,  städtische  Priesterin,  ein  Sohn  oder  Verwandter, 


432  Pompeji. 

N.  Istacidius  Campanus,  ein  Freigelassener  Istacidius  Crisyrus  und 
ein  Sklave  Menoecus. 

Grabsteine  derselben  Art  fanden  sich  in  einem  anstoĂźenden 
ummauerten  GrundstĂĽcke:  sie  nennen  Mitglieder  der  Familien 
der  Melissaei  und  Buccii.  Ein  Cn.  Melissaeus  Aper  (Duumvir 
3 — 4  n,  Chr.)  war  in  oder  bei  dem  Grabe  der  Istacidier  bei- 
gesetzt. Vermutlich  waren  die  drei  Familien  verwandtschaftlich 
eng  verbunden. 

Damit  ist  hier  die  Reihe  der  Gräber  beendigt.  Wir  wenden 
uns  jetzt  zu  der  zweiten  Gruppe,  rechts  von  der  StraĂźe. 

1.  Gleich  am  Tor  ein  groĂźes,  namenloses  Grab  in  Altarform 
(Teile  der  Voluten  sind  erhalten),  mit  Tuffquadern  bekleidet, 
ähnlich  dem  Grabe  des  Porcius.  Seine  schräge  Lage  setzt  den 
Neubau  des  Tores  voraus.  Die  Grabkammer  im  Lavasockel, 
deren  enger  und  niedriger  Zugang  durch  eine  Quader  geschlossen 
war,  wurde  erst  im  Jahre  1887  geöffnet.  In  zwei  Ecken  standen 
zwei  Tonurnen  in  Bleikapseln,  bedeckt  mit  Erde  und  Resten  des 
Scheiterhaufens:  Holzreste,  eiserne  Nägel,  mit  denen  wohl  das 
Holzwerk  in  kunstvoller  Form  zusammengefĂĽgt  war,  Teile  eines 
reich  verzierten  Elfenbeinkästchens,  zerbrochene  tönerne  Salben- 
fläschchen.  Zwischen  den  Gebeinen  je  eine  Münze  aus  der  Zeit 
des  Augustus,  das  Fahrgeld  für  den  Charon.  —  Die  Erbauer 
dieses  Grabes  legten,  obgleich  sie  die  Urnen  in  einer  Grab- 
kammer beisetzten,  doch  Wert  darauf,  sie  mit  Erde  zu  bedecken: 
dagegen  schien  es  ihnen  nicht  wesentlich,  sie  fĂĽr  die  Toten- 
spenden zugänglich  zu  lassen.  Denn  der  Verschluß  sollte  offen- 
bar nur  ausnahmsweise,  zur  Beisetzung  weiterer  Angehörigen,  ge- 
öffnet werden. 

2.  Grab  des  Adilen  T.  Terentius  Felix,  jenseits  der  hier 
abgehenden  StraĂźe.  Die  Inschrift  belehrt  uns,  daĂź  die  Stadt 
auĂźer  dem  Platze  auch  noch  eine  Beisteuer  von  2000  Sesterzen 
(435V2  Mark)  fĂĽr  das  von  der  Witwe,  Fabia  Sabina,  errichtete 
Denkmal  bewilligt  hatte:  T.  Terentio  T.  f.  Men.  Felici  viaiori 
aedil[i) ;  Jiuic  publice  locus  datus  et  sest.  MM.  Fabia  Probi  f. 
Sabina  uxor^  —  »Dem  Titus  Terentius  Felix  dem  Alteren,  Sohn 
des  Titus,  aus  der  menenischen  Tribus;  ihm  wurde  von  Stadt- 
wegen der  Begräbnisplatz  bewilligt  und  zweitausend  Sesterzen. 
Fabia  Sabina,  Tochter  des  Fabius  Probus  (baute  das  Monument)«. 


L.   Die  GräberstraD-e  vor  dem  Herculaner  Tor. 


433 


Alle   Pompejaner    gehören   der  menenischen  Tribus   an.     Maior 
heißt  der  Verstorbene  als  der  ältere  von  zwei  Gleichnamigen. 

Das  Grab  ist  ganz  anderer  Art  als  die  bisher  besprochenen. 
Ein  unbedeckter,  ummauerter  Raum,  durch  eine  Tür  zugänglich: 
an  der  fiir  den  Eintretenden  linken  Wand  ein  kleiner  gemauerter 
Tisch  oder  Altar.  Unter  diesem  war  die  Asche  des  Felix  bei- 
gesetzt,   in  einer  Glasurne,    die   in  einem  Tongefäß  stand,    das 


Fig.  255.     Ansicht  der  ( iraberstralie.     Links       ;.  \i  :  .    ;    :.  ;.    S;:,i,        kk  :    i!;c  Ruinen 

der  sogen.  Villa  des  Cicero.     Rechts  das  Guirlandengrab,  das  Grab  des  blauen  (.jlasgefaĂźes,  die 

halbrunde  Nische. 

von  einer  Bleikapsel  umschlossen  war ;  in  oder  bei  der  Urne 
fand  man  zwei  MĂĽnzen  des  Augustus  und  Claudius.  GegenĂĽber, 
rechts,  in  einem  durch  eine  niedrige  Mauer  abgeteilten  Raum, 
weitere  Aschenurnen,  wohl  von  Angehörigen  und  Freigelassenen. 
—  Unverkennbar  ist  die  Ähnlichkeit  der  ganzen  Anlage  mit 
dem  rätselhaften  Bau  vor  der  Treppe  des  dorischen  Tempeis 
(S.  138).  In  dem  mittleren  Raum  fand  man  Reste  des  Toten- 
mahles, namentlich  Schalen  von  Austern  und  sonstigen  Muscheln. 
Die  Totenspenden  goĂź  man  auf  das  die  Urne  bedeckende  Erdreich. 


Mau.   Pompeji.     2.  .Aufl. 


28 


434  Pompeji. 

Von  den  folgenden  Gräbern,  3 — 4,  ist  nur  der  Lavasockel 
erhalten.  Weiter,  5,  eine  Einfriedigung  mit  engem  Eingang; 
das  weiter  zurĂĽckliegende  Denkmal  ist  nicht  ausgegraben. 

6.  Das  Guirlandengrab  [tomba  delle  ghirlande]^  Fig.  255, 
in  Tempelform,  massiv  ohne  Grabkammer;  die  Asche  war  wohl 
unter  ihm  in  der  Erde  beigesetzt.  Vier  Pilaster  gliedern  die 
StraĂźenfront,  drei,  durch  Guirlanden  verbunden,  die  Seitenfront. 
Dies  Monument,  aus  Tuffquadern  mit  weiĂźem  StuckĂĽberzug,  ist 
eines  der  ältesten,  älter  als  der  Neubau  des  Tores ;  es  stammt 
wohl  aus  der  Zeit  des  zweiten  Dekorationsstiles,  in  dem  solche 
Guirlanden  ein  beliebtes  Motiv  sind.  Vermutlich  hatte  es  noch 
einen  Oberstock.  Teile  eines  solchen,  aus  Tuff,  aber  von  einem 
andern  Monument  stammend,  liegen  in  der  Nähe. 

7.  Grab  in  Form  eines  eingefriedigten  Raumes. 

8.  Grab  des  \i\2i\x&x\.Qi\z.s^&i2.Q)^°>  [Tomba  del  vaso  di  vetro 
blu^  Fig.  255  rechts  neben  der  Nische).  Erhalten  ist  nur  der  hohe 
Unterbau  aus  Travertinquadern  mit  Resten  der  marmorbekleideten 
Stufen  auf  demselben.  Diese  trugen  ohne  Zweifel  einen  Altar, 
wie  auf  den  Tafel  XI  rechts  sichtbaren  Gräbern.  Der  Unterbau 
enthält  die  von  hinten  zugängliche  Grabkammer.  In  drei  Nischen 
ihrer  weiß  verputzten  Wände  standen  drei  Aschenurnen,  eine 
aus  Ton,  zwei  aus  Glas;  am  Boden  fand  man  elf  Statuetten, 
zwei  TierfigĂĽrchen  und  eine  Maske  mit  phrygischer  MĂĽtze,  alles 
dies  aus  Ton. 

Die  eine  der  Glasurnen,  die  dem  Grabe  den  Namen  gegeben 
hat,  ist  eines  der  schönsten  Werke  antiker  Glastechnik.  Es  gibt 
nur  wenige  antike  Glasgefäße  gleicher  Technik.  Das  bedeu- 
tendste ist  die  aus  einem  Grabe  bei  Rom  stammende  berĂĽhmte 
Portlandvase  des  Britischen  Museums.  Die  pompejanische  Urne 
(Fig.  256)  hat  die  Form  einer  Amphora.  Auf  das  dunkelblaue 
Glas  ist  eine  weiĂźe  Schicht  aufgetragen,  und  in  dieser  Reliefs 
ausgeschnitten.  Zu  unterst  ein  schmaler  Streif:  weidende  Schafe 
und  Ziegen.  Weiter  oben  zwei  bacchische  Masken;  ĂĽber  diesen 
teilen  fruchtbeladene  Weinreben  die  Außenfläche  des  Gefäßes  in 
zwei  Felder,  in  denen  Szenen  der  Weinlese  dargestellt  sind. 

9.  Gewölbte  Nische  (Fig.  255).  An  der  halbrunden  Innen- 
wand entlang  läuft  eine  gemauerte  Bank.  In  das  Giebelfeld  ist 
eine  unbeschriebene  Marmortafel  eingelassen;  es  hatte  also  einer, 


L.   Die  Gräberstrabe  vor  dem  Ilerculancr  Tor. 


435 


der  zur  Zeit  der  VerschĂĽttung  noch  lebte,  fĂĽr  sich  selbst  dies 
Monument  errichtet,  die  Anbringung  der  Inschrift  aber  seinen 
Erben  ĂĽberlassen.     Die  Aschenurne  konnte  entweder  unter  dem 


Fig.  256.     GlasgefaĂź   mit  Darstellung  der  Weinlese. 

F'uĂźboden  der  Nische  oder  in  dem  kleinen  GrundstĂĽck  hinter  ihr 
beigesetzt  werden.  Die  ohne  Zwischengebälk  übereinander  ge- 
stellten   Eckpilaster,     die    phantastisch    krausen    Ornamente    des 

28* 


436  Pompeji. 

Giebelfeldes  und  des  Gurtbogens,  alles  dies  ist  sehr  unklassisch, 
aber  gefällig.  Die  Innenwände  sind  einfach  auf  rotem  und 
schwarzem  Grunde  bemalt,  die  Wölbung,  deren  Stuck  jetzt  ab- 
gefallen, war  als  Muschel  behandelt.  Das  in  unserer  Abbildung 
sichtbare  vorspringende  Schutzdach  ist  modern. 

Die  Nische  und  das  Grab  des  Glasgefäßes  gehören  zu  der 
anliegenden  Villa.  Dies  ergibt  sich  fĂĽr  die  Nische  aus  der 
Gleichartigkeit  der  Stuckdekoration,  fĂĽr  das  Grab  aus  der  TĂĽr, 
die  das  zugehörige  Grundstück  mit  dem  anstoßenden  Garten  der 
Villa  (12  im  Plan)  verbindet.  Ja  es  scheint,  daĂź  dieser  Garten 
mehr  zu  den  Gräbern  als  zur  Villa  gehörte,  daß  er  geradezu 
einen  sepulkralen  Charakter  hatte.  Er  war  mit  einem  gewissen 
Luxus  ausgestattet.  An  seiner  RĂĽckwand,  dem  StraĂźeneingang 
gegenĂĽber,  steht  eine  mosaikbekleidete  Brunnennische.  In  der 
Mitte  trugen  vier  Mosaiksäulen  (jetzt  in  Neapel)  einen  Pavillon, 
ähnlich  wie  im  Garten  der  Villa  des  Diomedes  und  in  den 
Gärten  einiger  Häuser  in  der  Stadt;  solche  Pavillons  dienten  um 
unter  ihnen  im  Freien  zu  speisen.  In  zwei  Ecken  standen  auf 
Säulchen  eine  kleine  Marmorfigur  —  ein  Knabe  mit  einem  Hasen 
—  und  ein  Frosch  aus  glasierter  Tonware.  Mit  den  Wohn- 
räumen steht  aber  dieser  Garten  in  keiner  Verbindung,  sondern 
nur  einerseits  mit  dem  Wirtschaftshofe,  anderseits  mit  den  Gräbern. 
Hieraus  ergibt  sich  zweifellos  seine  Bedeutung:  er  gehört  zu  den 
Familiengräbern  der  Villa;  unter  dem  Pavillon  wurden  die  Toten- 
mahle gefeiert. 

An  dem  links  anliegenden  Wirtschaftshofe,  mit  Einfahrt  von 
der  StraĂźe  (15),  steht  hinten  rechts  die  Apollo,  Bacchus,  Herkules 
und  Merkur  geweihte  Hauskapelle.  Auf  ihrer  RĂĽckwand  ist  unten 
DreifuĂź  und  Sonnenscheibe,  oben  die  Keule  des  Herkules  gemalt, 
im  Giebelfeld  Bacchus;  auf  dem  Altar  vor  der  Kapelle  links  der 
groĂźe  Becher  des  Herkules,  rechts  die  Keule,  vorn  das  Opfer- 
schwein, hinten  der  Hahn  des  Merkur.  Links  am  Hofe  eine 
Säulenhalle,  aus  der  eine  Rampe  in  das  Peristyl  und  die  Wohn- 
räume der  Villa  hinaufführt. 

Die  Gräber  der  dritten  Gruppe  zeigt  Tafel  XI.  Der  hier 
vorwiegende  Typus  ist  der  in  der  letzten  Zeit  Pompejis  ĂĽblichste: 
hoher  Unterbau,  auf  diesem  Stufen,  die  als  obersten  AbschluĂź 
einen  Altar  tragen;  das  Ganze  in  einer  Einfriedigung.    Im  Unter- 


L.   Die  Gräberstraße  vor  dem  Herculaner  Tor. 


437 


bau  die  zugängliche  Grabkammer:  man  legte  Wert  darauf,  an  die 
Urnen  hinankommen  und  die  Totenspende  in  oder  doch  auf  sie 
gießen  zu  können. 

i6.  Unvollendetes  Grab  [sepolcro  in  costriizione).  Die 
Marmorbekleidung  ist  unvollkommen  bearbeitet  und  unvollstän- 
dig, die  Wände  der  Kammer  sind  unverputzt,  und  in  ihren  fünf 
Nischen  fand  man  keine  Urnen.  Neben  dem  Grabe  ein  mar- 
morner BĂĽstenstein  (Fig.  257)  mit  der  Inschrift:  lunoni  TycJies 
luliae  Augustae  Vener[iae\  —  »dem  Genius  der  Tyche,  Sklavin 
der  Julia  Augusta,  Venusdienerin«.  »Juno«  heißt  oft  der  Genius 
der  Frauen  (S.  277).  Die  Verstorbene  war  Sklavin  der  Li  via 
und,  wie  es  scheint,  Mitglied  eines  den  Kult  der  Venus  pflegenden 
Kollegiums,  wie  ja  Sklaven  auch 
unter  den  »Dienern  der  Fortuna« 
und  den  »Dienern  des  Merkur 
und  der  Maja«  waren. 

17.  Grab  des  Umbricius 
Scaurus.  Monument  desselben 
Typus;  am  Altar  die  Inschrift: 
A.  Umbricio  A.  f.  Men.  Scaiiro^ 
II  vir.  i.  d.;  huic  decuriones  lo- 
cum  vionum[ento)  et  sc  st.  MM  in 
funere  et  statumn  equestr[cin)  in 
foro  ponendam  ceusiierunt.  Scau- 
rus pater  filio.  Ein  Vater  setzt 
das  Denkmal  seinem  Sohn,  der 
wohl  schon  in  jungen  Jahren  Duumvir  gewesen  und  dann  bald 
gestorben  war;  der  Stadtrat  bewilligte  den  Platz,  einen  Beitrag 
von  2000  Sesterzen  zu  den  Kosten  und  setzte  ihm  eine  Reiter- 
statue auf  dem  Forum.  W^ir  wissen  nicht,  wofĂĽr  dem  jungen 
Scaurus  so  hohe  Ehre  widerfuhr.  Nicht  etwa  fĂĽr  die  Veranstaltung 
der  Gladiatoren-  und  Tierkämpfe,  deren  Darstellung  in  Stuckrelief 
(jetzt  größtenteils  zerstört)  die  Vorderseite  des  Monuments  be- 
deckte. Munere  [N.  Fest]i  Avipliati  die  summa,  so  lautet  die 
gemalte  Beischrift  des  Gladiatorenstreifens;  Festgeber  war  also 
N.  Festius  Ampliatus;  Scaurus  mochte  mit  ihm  befreundet  sein 
und  zu  seinem  Schauspiel  am  letzten  Tage  [die  sun^no)  eine 
Zugabe    auf   seine  Kosten  gespendet   haben,    wie    zu    dem    des 


istein  der  Tyche,  Sklavin  der 
Livia. 


438 


Pompeji. 


Neropriesters  Lucretius  (oben  S.  225)  dessen  Sohn  beisteuerte. 
Und  wenn  dem  Vater  diese  Leistung  wichtig  genug  schien,  um 
sie  auf  dem  Grabmal  des  Sohnes  darstellen  zu  lassen,  so  dĂĽrfen 
wir  schlieĂźen,  daĂź  dieser  als  Duumvir  keine  Kampfspiele  gab; 
vielleicht  fiel  seine  AmtsfĂĽhrung  in  die  Zeit  nach  5g,  wo  diese 
verboten  waren  (S.  223). 

Eng  und  niedrig,  dĂĽster  und  schmucklos  ist  die  Grabkammer, 


Fig.  258.     firab  des  Umbricius  Scaurus. 


hier  und  noch  mehr  in  den  anderen  Monumenten  des  gleichen 
Typus :  mit  dem  Wachsen  der  äußern  Pracht  schwindet  [der 
Sinn  fĂĽr  freundliche  AusschmĂĽckung  des  Innern;  lehrreich  ist 
der  Vergleich  mit  dem  folgenden  Grabe  (Nr.  18)  und  mit  dem 
der  Istacidicr  (S.  430).  Eine  Verflachung  und  Veräußerlichung 
der  Empfindungsweise  ist  hier  unverkennbar.  —  Ein  starker 
viereckiger  Pfeiler  stützt  das  niedrige  Tonnengewölbe;  er  enthält 
vier  durch  das  Fehlen  der  Rückwände  miteinander  verbundene 
Nischen  fĂĽr  Aschenurnen.    Nach  den  Ausgrabungsberichten  waren 


I..   Die  Gräberstraße  vor  dem  Herculaner  Tor. 


439 


drei  derselben  durch  Glasscheiben,  die  dem  Eingang  zugewandte 
durch  einen  Vorhang  geschlossen.  Weitere  vierzehn  Nischen  in 
den  weiß  angestrichenen  Wänden. 

In  dem  Gladiatorenrelief  hatten  die  einzelnen  Gladiatoren  ihre 
Beischriften:  Name,  Schule  (es  sind  lauter  Juliani ;  s.  S.  226), 
Zahl  der  früheren  Kämpfe,  Ausgang  dieses  letzten.  Links  zwei 
Reiter:  der,  welcher  jetzt  eben  mit  Schild  und  schräg  gehaltener 
Lanze  den  StoĂź  des  Gegners  pariert,  wird  Sieger  bleiben:  Bebryx 
lul.  XV  v{icit].     Weiter  drei   Paare  Fußkämpfer;    die  Besiegten 


P'ig.  259.     Rundes  (Jrab,  Durchschnitt. 


bitten  mit  aufgehobenem  Daumen  um  Gnade.  Ăśber  ihr  Schicksal 
geben  die  Beischriften  Auskunft.  Der  letzte  rechts  und  der 
Knieende  in  der  Mitte  wurden  begnadigt,  letzterer  starb  aber  an 
seinen  Wunden:  dem  M{missiis)  ist  das  Todeszeichen  B(i)avaTo;) 
beigefĂĽgt.  Ein  besiegter  Secutor  wird  von  dem  siegreichen  Netz- 
kämpfer {rcticwius)  rückwärts  festgehalten,  während  ein  anderer 
Secutor,  Hippolytus,  das  Todesurteil  des  Publikums  vollzieht. 
Ăśber  der  TĂĽr  zwei  Paare,  Sieger  und  Besiegte.  Des  einen  Bitte 
ist  erhört  worden:  der  zum  Todesstoß  ausholende  Gegner  wird 
zurückgehalten;  der  andere  sinkt,  tödlich  getroffen,  auf  seinen 
Schild. 


440 


Pompeji. 


Unter  den  Tieren  erkennen  wir  Eber,  Bären,  einen  Stier,  aber 
doch  auch  einen  Löwen;  es  ging  wohl  in  dieser  Beziehung  in 
Pompeji  beträchtlich  bescheidener  zu  als  in  Rom. 

i8.  Rundes  Grab.  Ein  runder  Turm  auf  viereckigem  Unter- 
bau in  einer  mit  sechs  TĂĽrmchen  verzierten  Umfassungsmauer: 
Ziegelbau  mit  weiĂźem  StuckĂĽberzug;  den  oberen  AbschluĂź 
bildete  vermutlich  ein  flacher  Kegel.  Es  ist  im  kleinen  der 
Typus  des  Grabes  der  Caecilia  Metella  und  des  Hadrianmauso- 

leums.  Eine  unbe- 
schriebene Marmor- 
tafel in  der  Um- 
fassungsmauer sollte 
nach  dem  Tode  des- 
sen, der  fĂĽr  sich  selbst 
das  Grab  erbaute, 
die  Grabschrift  auf- 
nehmen; die  Erben 
haben  aber  vorge- 
zogen, sie  oben  am 
Monument  selbst  an- 
zubringen, wo  ihr 
Platz  kenntlich ,  sie 
selbst  aber  nicht  er- 
halten ist.  Im  Innern 
(Fig.  259)  sind  die 
Wände  einfach  im 
letzten  Stil,  die  eigen- 
tümlich geformte  Wöl- 
bung mit  Blumen,  das  runde  Feld  in  der  Mitte  mit  einer  Maske 
bemalt,  alles  auf  weiĂźem  Grunde.  Nur  drei  Personen  sollten 
hier  ruhen.  Ein  Stuckrelief  an  einem  der  TĂĽrmchen  der  Um- 
fassungsmauer (Fig.  263)  zeigt  uns  eine  Frau,  wir  können  wohl 
sagen  eine  Mutter,  die  eine  Binde  auf  das  Geripp  eines  Kindes 
legt;  wir  mögen  denken,  daß  ein  Ehepaar  das  einzige  Kind  verlor 
und  nun,  da  es  keine  Hoffnung  auf  weitere  Nachkommenschaft 
hatte,  fĂĽr  sich  und  das  Kind  das  Grab  bauen  lieĂź.  Die  Aschen- 
urnen waren,  wie  in  den  römischen  Columbarien,  eingelassen 
in  den  Boden  der  drei  Wandnischen. 


WW'^'t 


Fig.  260. 


Grab    des  Calventius  Quietus   mit  Darstellung   des 
Biselliums. 


L.   Die  (Iräberstraße  vor  dem  Herculaner  Tor. 


441 


19.  Platz  mit  einem  Grabsteine  ohne  Inschrift. 

20.  Grab  des  Calventius  Quietus  (Fig.  260  und  261),  eines 
Augustalen,  dem  der  Rat  ob  seiner  Munifizenz  das  Recht  bewilligt 
hatte,  im  Theater  und  Amphitheater  gleich  den  Dekurionen  auf 
einem  Sessel  doppelter  Breite,  Bisellium,  zu  sitzen  (vgl.  S.  143, 
2 ig):  C.  Calventio  Qiäeto  Augiistali ;  hnic  ob  munißcent[iam) 
decuriomim   decreto   et  populi  co7ise[n)sii  bisellii  honor  datus  est. 


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Fig.  261.    Grab   der  Naevoleja  Tyche   mit   dem   in   den  Hafen   einlaufenden  Schiff.     Grab    des 
Calventius  Quietus  mit  Eichenkran^. 


Es  ist  ein  Grab  derselben  Art  wie  Nr.  i6  und  17.  Der  mar- 
morbekleidete Altar  ist  reich,  aber  doch  ohne  Ăśberladung  orna- 
mentiert, die  Vorderseite  zeigt  unter  der  Inschrift  das  Bisellium, 
die  Seitenflächen  den  Eichenkranz,  die  Bürgerkrone,  die  für 
Lebensrettung  von  BĂĽrgern  [od  ch'es  seii'atos)  verliehen  und  auch 
von  Kaisern  mit  Stolz  gefĂĽhrt  wurde.  Hier  freilich  ist  sie  wohl 
ein  bloĂźes  Ornament. 

Das  Monument  enthält  keine  Kammer,  obgleich  grade  dieser 
Grabtypus  auf  eine  solche  berechnet  ist;   das  GrundstĂĽck,    rings 


442 


Pompeji. 


von  Mauern  umschlossen,  ist  nicht  zugänglich.  Vielleicht  ist  es 
ein  Cenotaphium,  Denkmal  eines  auswärts  Gestorbenen;  wahr- 
scheinlicher hatte  Quietus  keine  Angehörigen,  die  Wert  darauf 
legten,  an  seine  Asche  kommen  und  ihr  die  Libationen  dar- 
bringen zu  können,  und  wurde  deshalb  diese  einfach  unter  dem 
massiven  Denkmal  begraben. 

Stuckreliefs  zierten  die  TĂĽrmchen  der  Umfassungsmauer:  eine 
Frau,  mit  abgewandtem  Gesicht,  wie  es  i.iblich  war,  den  Scheiter- 
haufen anzündend;  Ödipus,  das  Rätsel  der  Sphinx  lösend;  The- 
seus  nach  Tötung  des  Minotaurus.  Leicht  verständliche  Sym- 
bolik: dem  Toten  sind  die  Rätsel  des  Daseins  gelöst,  er  hat  den 
Ausweg  gefunden  aus  dem  Labyrinth  des  Lebens. 


Fig.  262.     (Uäserne  Aschenurne  in 
Bleikapsel. 


Fig.  263.     Stuckrelief  am  runden 
Grab. 


2  1.  Grab  des  N.  Istacidius  Helenus.  Ein  Grab  der  ein- 
fachsten Art:  in  einem  ummauerten  Raum,  ohne  TĂĽr,  drei  Grab- 
steine in  Büstenform.  Der  größte  hat  die  Inschrift:  JV.  Istacidius 
Helenus  pag[anus);  vor  einem  der  kleineren  ist  ein  Tongefäß 
zur  Aufnahme  der  Totenspenden  in  den  Boden  eingelassen. 
An  der  StraĂźe  die  Inschrift :  N.  Istacidio  Heleno  pag  [ano]  pag{i) 
Aug.,  N.  Istacidio  lamiario,  Mcsoniae  Satullae ,  in  agro  pedes 
XV,  in  fronte  pedes  XV.  Es  sind  Freigelassene  der  vornehmen 
Familie  der  Istacidier  (S.  431). 

22.  Grab  der  Nacvoleja  Tyche  Fig.  261):  Naevoleia  L. 
Hb.  Tyche  sibi  et  C.  Munatio  Fausto  Aug.  et  pagano,  cid  decu- 
riones  consensu  populi  biselliuvi  ob  nierita  eins  decrcverunt. 
Hoc  moimntentum   Naevoleia    Tyche  libertis  suis  libertabusque  et 


L.   üie  Gräberstraße  vor  dem  Herculaner  Tor. 


443 


C.  Miiiiati  Fausti  viva  fecit.  FĂĽr  sich  und  fĂĽr  den  Augustalen  und 
Paganen  Munatius  Faustus  (doch  wohl  ihren  Gatten,  obgleich  die 
Inschrift  davon  schweigt)  und  fĂĽr  die  beiderseitigen  Freigelassenen 
lieĂź  Naevoleja  Tyche,  Freigelassene  des  L.  Naevolejus,  das  Grab- 
mal errichten.  Es  ist  wohl  das  jĂĽngste  Beispiel  des  Altartypus: 
die  Ornamentierung  ist  reicher,  schwĂĽlstiger  und  weniger  ge- 
schmackvoll als  am  Grabe  des  Quietus.  Das  Relief  der  Vorder- 
seite erklärt  man  als  das  Totenopfer  und  die  Darbringung  der 
Spenden     zu     demselben.      Ăśber    der    Inschrift    das     Brustbild 


Fig.  264.     Triclinum  funebre. 


Tyches.  Auf  den  Seitenflächen  links  das  Bisellium  des  Faustus, 
rechts  ein  Schiff  (Fig.  261);  das  Segel  wird  eingezogen,  das 
Schiff  läuft  in  den  Hafen :  ein  bekanntes  Symbol  des  Lebensendes. 
In  der  engen  und  dĂĽstern  Kammer  standen  die  Urnen  un- 
versehrt in  einer  größern  Nische  dem  Eingang  gegenüber, 
mehreren  kleineren  in  den  Seitenwänden  und  auf  der  gemauerten 
Bank  an  den  Wänden.  Eine  Urne,  in  der  großen  Nische, 
enthielt  die  Reste  zweier  Personen ,  Faustus  und  Tyche.  Von 
den  ĂĽbrigen  waren  drei  aus  Glas  und  standen  jede  in  einer  Blei- 
kapsel  (Fig.  262);    sie  enthielten  Asche    und  Knochen   in   einer. 


444  Pompeji. 

wie  die  chemische  Analyse  ergab,  aus  Wasser,  Wein  und  Ă–l  ge- 
mischten FlĂĽssigkeit.  Auf  der  Bank  standen  Tonlampen,  eine 
bei  jeder  Urne;  andere  lagen  in  einer  Ecke.  Sie  dienten  zur 
Erleuchtung  der  Kammer  an  den  Totenfesten. 

23.  Triclinium  funebre  (Fig.  264).  Ein  ummauertes 
GrundstĂĽck ;  dem  Eingang  gegenĂĽber  gemauerte  Speisebetten, 
ganz  so  wie  wir  sie  in  mehreren  Privathäusern  gefunden  haben 
(S.  270).  Zwischen  ihnen  der  Tisch  und  ein  kleiner  runder  Altar 
fĂĽr  die  Libationen.  Also  ein  Platz  fĂĽr  das  Totenmahl,  ein  Denk- 
mal in  Form  eines  Aufenthaltsortes  fĂĽr  die  Ăśberlebenden,  ver- 
gleichbar der  Nische  des  Cerrinius,  den  Sitzen  des  Vejus  und 
der  Mamia.  Die  Wände  waren  einfach  im  letzten  Stil  bemalt. 
An  der  StraĂźe  ĂĽber  dem  Eingang  die  Inschrift :  Cn.  Vibrio  Q. 
f.  Fal.  Satia'nino  Callistus  Hb.  Cn.  Vibrius  Saturninus,  dem 
sein  Freigelassener  Callistus  dies  Grabmal  errichtete,  gehörte  der 
falernischen,  nicht  der  menenischen  Tribus  an,  war  also  kein 
einheimischer  Pompejaner,  sondern  vielleicht  aus  Nola.  Seine 
Asche  war  wohl  in  dem  freigebliebenen  Räume  gleich  am  Ein- 
gang beigesetzt.  —  Dies  Grab  und  das  des  Istacidius  Helenus 
sind  die  ältesten  dieser  ganzen  Reihe. 

Es  ist  nicht  zu  bezweifeln,  daĂź  jenseits  der  Villa  des  Dio- 
medes  wieder  Gräber  an  der  Straße  liegen;  doch  sind  die  Aus- 
grabungen nicht  weiter  vorgedrungen. 

Die  vierte  Gruppe,  in  der  Gabelung  der  beiden  Wege,  zerfällt 
in  einen  altern  Teil,  auf  der  von  Futtermauern  gestĂĽtzten  An- 
höhe zwischen  den  beiden  Straßen,  und  einen  Jüngern,  am  F"uße 
der  Anhöhe  gegen  die  Stadt.  Wir  beginnen  mit  dem  altern, 
und  zwar  mit  den  von  der  Stadt  entferntesten  Gräbern. 

42 — 43.  Gräber  der  Arrier.  Auf  einer  in  die  Futter- 
mauer des  HĂĽgels  eingelassenen  Tufiftafel  lesen  wir:  Arriae  M. 
f.  Diomedes  liibertus)  sibi  suis.  Also  fĂĽr  seine  ehemalige  Herrin 
Arria,  fĂĽr  sich  und  die  Seinen  erwarb  hier  der  Freigelassene 
Diomedes  eine  Grabstätte.  Gleich  darüber  steht  sein  eigenes 
Grab  (42),  ein  massives  Monument  ohne  Kammer,  in  Gebäude- 
form, mit  der  Inschrift:  M.  Arrius  J .  l.  Diomedes  sibi  suis 
memoriae.^  viagist  er  pag.  Aug.  Felic.  suburb.  Die  Zeichen  D .  i. 
bezeichnen  den  Freigelassenen  einer  Frau,  Gaiae  libertus:  Gaia 
ist  der  fiktive  Vorname  der  Frau,  die  ja  keinen  Vornamen  hat. 


L.    Die  Gräberstraße  vor  dem  Herculaner  Tor. 


445 


Auf  derselben  Fassade  sind  in  Stuckrelief  zwei  RutenbĂĽndel  [fasces] 
mit  Beilen  gebildet,  Zeichen  der  WĂĽrde  des  Magisters  der  Vor- 
stadt. In  Wahrheit  freilich  fĂĽhrten  seine  Liktoren  RutenbĂĽndel 
ohne  Beile;  denn  Macht  ĂĽber  Leben  und  Tod  hatte  er  nicht: 
wir  fĂĽhlen  uns  erinnert  an  den  Trimalchio  Petrons,  in  dessen 
Hause  an  den  Pfosten  des  Speisezimmers  ebenfalls  Fasces  mit 
Beilen  angebracht  waren.  MerkwĂĽrdig  ist,  daĂź  Diomedes  fĂĽr  sich 
selbst  ein  Monument  in  Gebäudeform  aber  ohne  Grabkammer 
errichtet,  also  seiner  eigenen  Asche  keinen  Platz  bereitet  hat. 
Diese  muß  wohl,  wie  die  der  Seinigen,  in  dem  zugehörigen 
GrundstĂĽck,  etwa  hinter  dem  Monument  beigesetzt  sein.  Gleich 
neben  dem  Monument  stehen  die  BĂĽstensteine  der  Arria  Utilis 
und  des  M.  Arrius  Primogenes;  sie  waren  wohl  Freigelassene  des 
Diomedes,  nicht  seine  Kinder;  denn  dann  hätte  er  nicht  unter- 
lassen ihren  Namen  den  Vaternamen,  M.  /.,  beizufĂĽgen. 

Das  Monument  der  Arria  (43)  liegt  weiter  zurĂĽck,  an  der 
andern  Straße:  Diomedes  hat  seine  Eigenliebe  mit  der  Pietät 
gegen  seine  Patrona  so  vereinigt,  daß  er  ihr  das  größere  Monu- 
ment errichtete,  fĂĽr  sich  aber  den  mehr  in  die  Augen  fallenden 
Platz  an  der  Hauptstraße  wählte.  Das  Monument  der  Arria  hatte 
die  Form  eines  Gebäudes  mit  Eckpilastern,  auf  hohem  Sockel; 
eine  kleine  Öffnung  führte  in  die  kegelförmig  gewölbte,  tief  unter 
die  Erde  hinabreichende  und  daher  unzugängliche  Grabkammer, 

41.  Grab  des  Velasius  Gratus.  Die  Inschrift  ist  in  die 
der  HauptstraĂźe  zugewandte  Futtermauer  des  HĂĽgels  eingelassen : 
N.  Vclasio  Grato^  vix.  ann.  XII.  Das  Monument  ist  eine  dem 
jugendlichen  Alter  des  Verstorbenen  entsprechend  kleine,  halb- 
runde, mit  weiĂźem  Stuckrelief  verzierte  Nische,  in  deren  FuĂźboden, 
vor  einem  an  der  RĂĽckwand  stehenden  inschriftlosen  BĂĽstenstein, 
eine  Tonröhre  die  Totenspenden  hinableitete  auf  die  Urne. 

40.  Grab  des  Salvius.  Eine  ähnliche,  aber  dem  Alter  des 
Verstorbenen  entsprechend  noch  kleinere  Nische.  An  der  RĂĽck- 
wand stand  ein  kleiner  Marmorstein  mit  der  Inschrift:  Salvius 
puer  vixit  amiis  VI.  Auch  hier  im  Boden  eine  Ă–ffnung  fĂĽr  die 
Libationen. 

38.  Grab  des  L.  Ceius  Labco.  GroĂźes  Monument,  nahe 
dem  der  Stadt  zugewandten  sĂĽdlichen  Abhang  des  HĂĽgels  und 
der  auf  ihn  führenden   Treppe,    äußerlich  gestaltet   wie   das  der 


446  Pompeji. 

Arria  (43),  aber  größer.  Es  war  mit  jetzt  fast  ganz  unkenntlichen 
Stuckreliefs  verziert;  auf  der  der  Stadt  zugewandten  Seite  sah 
man  einen  neben  seinem  Pferde  stehenden  Krieger  und  noch  einen 
bewaffneten  Mann,  auf  der  Straßenseite  zwei  Porträtmedaillons. 
In  einem  ganz  oder  teilweise  von  Säulen  getragenen  Oberbau, 
ähnlich  wie  auf  dem  Grabe  der  Istacidier  (ein  Stück  des  Plafonds, 
aus  Tuff,  ist  erhalten)  standen  Statuen,  männliche  und  weibliche, 
teils  marmorne,  teils  aus  Tuff  und  mit  Stuck  bekleidet. 

Das  Innere  ist  hohl  bis  über  2  m  unter  die  Oberfläche  des 
Hügels.  Eine  gewölbte  Nische  in  der  Nordwand  hatte  zu  oberst 
eine  kleine  Ă–ffnung  nach  auĂźen,  um  die  Totenspenden  auf  die 
hier  stehende  Urne  gießen  zu  können.  Gefunden  freilich  wurde 
diese  —  aus  Glas  —  nicht  hier,  sondern  unten  im  Innern  des 
Grabes.  Das  Grab  war  errichtet  von  Menomachus,  einem  Frei- 
gelassenen des  Verstorbenen ;  die  Inschrift,  in  der  Nähe  gefunden. 
lautet:  L.  Ceio  L.  f.  Men.  Labeoni  iter{um)  d.  v.  i.  d.  quinq.  Meno- 
machus liibertiis). 

Zu  diesem  Grabe  gehört  das  Grundstück  auf  der  Südwestecke 
des  HĂĽgels,  eingeschlossen  von  einer  BrĂĽstung  mit  Zugang  nur 
von  der  der  Stadt  und  dem  Abhang  zugewandten  Seite,  so  daĂź 
man,  um  ihn  zu  erreichen,  eine  Leiter  ansetzen  muĂźte.  Man 
fand  hier  mehrere  Grabsteine,  darunter  die  zweier  Freigelassenen 
des  Labeo,  L.  Ceius  Communis  und  L.  Ceius  Lucifer. 

39.  Namenloses  Monument,  ganz  ähnlich  dem  der  Arria, 
jĂĽnger  als  das  des  Labeo,  an  dessen  Nordecke  es  angemauert  ist. 

Zahlreiche  BĂĽstensteine  aus  Lava,  ohne  Inschriften,  standen 
und  stehen  zum  Teil  noch  auf  der  ganzen  Oberfläche  des  Hügels, 
namentlich  am  FuĂźe  der  beiden  Monumente  38  und  39.  Deut- 
lich unterscheidet  man  an  der  Frisur  Männer  und  Frauen,  an 
der  Größe  Erwachsene  und  Kinder.  Es  scheint,  daß  die  Namen 
der  Begrabenen  zum  Teil  mit  roter  Farbe  auf  den  Sockel  des 
Monuments  des  Labeo  aufgemalt  waren;  doch  waren  schon  zur 
Zeit  der  Ausgrabung  diese  Inschriften  unlesbar  geworden. 

Am  Fuße  des  Hügels,  nach  der  Stadtseite  zu,  wurden  Gräber 
errichtet  zunächst  (35,  36,  37)  auf  einer,  wie  es  scheint,  eigens 
zu  diesem  Zweck  reservierten  und,  wie  der  Gangsteig  mit  einem 
Steinrande  eingefaßten  Fläche,  dann  aber  (32,  33,  34)  auch 
außerhalb  dieser  Fläche,  auf  dem  Straßenpflaster. 


L.    Die  Gräberstraße  vor  dem  Ilerculaner  Tor. 


447 


37.  Grab  des  M.  Allejus  Luccius  Libella,  Duumvir 
26  n.  Chr.,  von  seiner  Witwe,  der  Cerespriesterin  AUeja  Decimilla, 
ihm  und  seinem  gleichnamigen  Sohne  errichtet:  M.  Allcio  Liiccio 
Libellae patri^  aedili^  I Ivir.^  praefecto  quinq.^  et M.  AlUio  Libellae 
f[ilio)^  deciĂĽ'ioiii^  vixit  annis  XVII^  locus  monunienti  publice  datiis 
est.  Alleia  M.  f.  Decimilla  sacerdos  publica  Cercris  faciunduvi 
curavit  viro  et  filio.  Ein  schönes,  vollkommen  erhaltenes  Monu- 
ment in  Altarform  (Taf.  XI  vorn  links)  aus  Travertin,  wie  es 
scheint  massiv,  jedenfalls  ohne  zugängliche  Grabkammer.  Offenbar 
wollte  Decimilla  nicht  hier,  sondern  vielleicht  in  dem  Grabe  ihrer 
väterlichen  Familie  beigesetzt  werden. 

36.  Unfertiges  Monument.  Da  den  Erben,  wie  es  scheint, 
das  Geld  ausging,  gaben  sie  dem  Bau  eine  Art  AbschluĂź,  in- 
dem sie  auf  die  Ecken  des  bis  zu  einer  gewissen  Höhe  gediehenen 
Mauerquadrats  vier  pyramidenförmige  (jetzt  zerstörte)  Türmchen 
setzten.  So  wurde  es,  gegen  die  ursprĂĽngliche  Absicht,  eine  bloĂźe 
Einfriedigung  (wie  n.  21),  innerhalb  deren  die  Asche  beigesetzt  war. 

35.  Unfertiges  Monument:  ein  Mauerquadrat  aus  zwei 
Schichten  roh  behauener  Travertinquadern. 

34.  Grab  mit  der  MarmortĂĽr.  Der  Eingang  zur  Grab- 
kammer ist  geschlossen  durch  eine  massive  weiĂźe  MarmortĂĽr, 
einflĂĽgelig,  aber  so  geformt,  daĂź  sie  zweiflĂĽgelig  zu  sein  scheint. 
Sie  dreht  sich,  ganz  wie  andere  TĂĽren,  um  senkrechte,  bronze- 
verkleidete, in  die  Bronzepfannen  der  Schwelle  und  des  Sturzes 
eingreifende  Zapfen  und  konnte  mit  einem  Schlüssel  geöffnet 
werden.  Die  Wände  der  Grabkammer  sind  unverputzt.  In 
einer  tempeiförmigen  Nische  dem  Eingang  gegenüber  stand 
eine  Tonlampe  und  eine  Alabasterurne,  in  der  man  auĂźer  den 
Knochen  den  goldenen  Siegelring  des  Verstorbenen  fand ;  in  den 
Stein  war  ein  Hirsch  eingeschnitten.  Auf  einer  Steinbank  an 
der  linken  und  einem  Teil  der  rechten  Wand  stand  eine  mar- 
morne und  mehrere  gläserne  Aschenurnen,  ein  kleiner  Tonaltar, 
einige  Tonlampen  und  einige  gläserne  Salbenfläschchen.  Zwei 
Tonamphoren,  wie  sie  sonst  zur  Aufbewahrung  des  Weines, 
aber  auch  manchmal  als  Aschenurnen  dienten,  standen  am  Boden. 

32 — 33.  Angefangene  Gräber,  ähnlich  wie  30. 


Kapitel  LI. 

Gräber  vor  dem  Nolaner,  Stabianer  und 
Nuceriner  Tor. 

Die  aus  dem  Nolaner  Tor  fĂĽhrende  StraĂźe  ist  nicht  aus- 
gegraben. Doch  wurden  im  Jahre  1854  durch  Ausgrabungen 
an  der  Mauer  entlang  sechsunddreiĂźig  in  der  bloĂźen  Erde  bei- 
gesetzte Aschenurnen  gefunden.  In  und  bei  denselben  tönerne, 
seltener  gläserne  Salbenfläschchen,  Es  scheint,  daß  es  hier,  im 
Pomerium,  dem  aus  religiösen  und  praktischen  Gründen  unbebaut 
gelassenen  Streifen  Landes  auĂźerhalb  der  Mauer,  armen  Leuten 
gestattet  war,  unentgeltlich  ihre  Toten  beizusetzen.  In  einigen 
Fällen  war  die  Stelle  durch  einen  Grabstein  in  Büstenform  be- 
zeichnet; andere  hatten  die  Namen  ihrer  Toten  in  die  Steine  der 
Stadtmauer  eingegraben.  Ganz  kĂĽrzlich  (1907)  ist  nun  auch  an 
der  aus  dem  Tor  fĂĽhrenden  StraĂźe  ein  stattliches  Grabmal  mit 
Inschrift  zutage  gekommen,  in  Form  eines  Sitzes,  vergleichbar 
denen  des  Vejus  und  der  Mamia  (S.  428,  430),  aber  nicht  halb- 
rund, sondern  rechteckig;  in  der  Mitte  des  Sitzes  als  Monu- 
ment eine  Säule,  auf  der  eine  marmorne  Amphora  steht. 

Von  der  vor  dem  Stabianer  Tor  beginnenden  Gräberstraße 
ist  nur  ein  ganz  kleines  StĂĽck  ausgegraben.  Gleich  links  am 
Wege  zwei  halbrunde  Bänke  wie  die  des  Vejus  und  der  Mamia 
(S.  428,  430);  hinter  jeder  derselben  ein  kleines  eingefriedigtes 
GrundstĂĽck  zur  Beisetzung  der  Asche.  An  der  ersten  ist  die  eigent- 
liche Grabschrift  verloren:  sie  stand  auf  einer  gemauerten  Basis 
hinter  der  Bank  und  diese  ĂĽberragend.  Aber  auf  zwei  kleinen 
Lavasteinen,  die,  wie  am  Grabe  des  Porcius  (S.  429),  die  Grenze 
des  GrundstĂĽckes  bezeichnen,  lesen  wir:  M.  Tullio  M.  f.  ex  d.  d.^ 
—  >Dem    M.  TuUius,    Sohn    des  Marcus,    nach    Ratsbeschluß.« 


I-I.    Gräber  vor  dem  Nolaner,  Stabianer  und  Nuceriner  Tor.  aaq 

Vielleicht  ruht  hier  der  Erbauer  des  Fortunatempels  (S.  129).  — 
Die  Inschrift  der  zweiten  Bank  ist,  wie  am  Monument  der  Mamia, 
mit  groĂźen  Buchstaben  in  die  Lehne  eingehauen:  Ă„/.  Alleio  M. 
f.  Men.  Minio,  II  v.  i.  d.  locus  sepulturae  publice  datus  ex  d.  d. 
Eine  dritte  Bank,  gleich  neben  der  zweiten,  konnte  wegen  eines 
darĂĽberstehenden   modernen  Hauses   nicht   ausgegraben   werden. 

Ein  weiteres  Grab,  in  Form  einer  gradlinigen  Bank,  wurde 
etwas  weiter  hinaus,  wahrscheinlich  an  derselben  StraĂźe,  im  Jahre 
1854  gefunden.  Nach  der  fragmentierten  Inschrift  war  hier  ein 
Duumvir  Clovatius  begraben.  Wieder  von  einem  anderen  Grabe 
stammen  ebendort  gefundene  marmorne  Reliefstreifen  mit  Dar- 
stellungen von  Gladiatorenkämpfen,  jetzt  in  Neapel. 

Diese  StraĂźe  fĂĽhrte  ohne  Zweifel  nach  Stabiae.  Von  ihr 
aber  muĂź  sich  nicht  weit  vom  Tor  links  in  der  Richtung  auf 
Nuceria  eine  andere  StraĂźe  abgezweigt  haben,  an  der  man,  sĂĽd- 
westlich vom  Amphitheater,  in  den  Jahren  1755 — 57  auf  einen 
dürftigen  Begräbnisplatz  stieß,  von  dem  weitere  Teile  1893  und 
1894  zutage  gekommen  sind.  Zum  Teil  war  es  wohl  ein  von 
der  Stadt  angewiesener  Armenfriedhof.  Die  Gräber  sind  ein- 
fachster Art:  Aschenurnen  in  bloĂźer  Erde,  in  oder  bei  ihnen 
kleine  gläserne  Salbenfläschchen,  über  ihnen  Grabsteine  in  Büsten- 
form (S.  431),  meist  aus  Lava,  nur  zum  kleineren  Teil  aus  Marmor 
und  mit  dem  Namen  des  Toten  versehen. 

Mehrfach  fanden  sich  hier  Vorrichtungen,  um  die  Toten- 
spenden auf  die  Asche  hinabzuleiten.  In  einem  Falle  war  es 
eine  Bleiröhre,  die  durch  den  Deckel  des  die  Tonurne  ein- 
schließenden Bleigefäßes  führte ;  öfter  Tonröhren ,  einmal  eine 
1,50  m  lange,  aus  drei  StĂĽcken  zusammengesetzte.  Das  obere 
Ende  aller  dieser  Libationsröhren  war  etwas  unter  der  Erdober- 
fläche mit  einer  Steinplatte  und  diese  mit  Erde  bedeckt,  die  also 
an  den  Gedenktagen  von  den  x^ngehörigen  entfernt  werden  mußte. 

Das  einzige  größere,  immerhin  aber  sehr  bescheidene  Monu- 
ment war  eine  kleine  Grabzelle,  erbaut,  nach  der  ĂĽber  dem  Ein- 
gang angebrachten  Inschrift,  von  M.  Petacius  Dasius  fĂĽr  seine 
zwei  Söhne,  Severus  und  Communis,  und  für  eine  Freigelassene, 
Vitalis.  In  der  Zelle  —  ohne  Fußboden  —  waren  die  Urnen  in 
der  bloßen  Erde  beigesetzt  und  die  Plätze  durch  Büstensteine  — 
darunter   auch   der   des  Dasius  selbst   (J/.  P.  D.)  —  bezeichnet. 

Mau,  Pompeji,     a.  Aufl.  2Q 


450 


Pompeji. 


In  den  Jahren  1886  und  1887  wurden  östlich  vom  Amphi- 
theater sechs  Grabmonumente  ausgegraben,  dicht  gereiht  zu 
beiden  Seiten  einer  StraĂźe,  die  offenbar  aus  dem  Nuceriner  Tor, 
gleich  links  umbiegend,  ostwärts  nach  Nuceria  führte  (Fig.  265). 
Doch  war  sie  zur  Zeit  der  VerschĂĽttung  nicht  im  Gebrauch : 
Fahrdamm  und  Gangsteige  waren  ihres  Pflasters  beraubt.  Es 
sind  groĂźe  und  stattliche  Monumente,  offenbar  bemittelter  Leute. 
Ihre  Einfachheit  —  kein  Marmor,  nur  Mauerwerk  mit  weißem 
Stuck  —  deutet  auf  relativ  frühe  Zeit,  ebenso  der  Schriftcharakter 

der  zahlreichen  aufge- 
malten Wahlprogramme 
und  AnkĂĽndigungen  von 
Gladiatorenkämpfen:  es 
sind  Gräber  der  ersten 
Kaiserzeit.  EigentĂĽm- 
liche Architekturformen 
—  die  oberen  Teile, 
wenn  auch  eingestĂĽrzt, 
sind  doch  besser  kennt- 
lich als  an  der  Hercu- 
laner  Straße  — ,  dazu 
Besonderheiten  in  der 
Art  der  Beisetzung  ver- 
leihen ihnen  ein  hohes 
Interesse.  Wir  betrachten 
sie  in  der  Reihenfolge 
der  Nummern  des  Planes. 

1.  Bogenmonument.  Durch  den  annähernd  quadratischen 
Bau  (3,10  X  3,05),  mit  Pilastern  an  den  Ecken,  fĂĽhrt  ein  ge- 
wölbter Durchgang,  auf  ihm  erhebt  sich  ein  niedriger  Zylinder. 
Vermutlich  trug  dieser  einen  stumpfen  Kegel,  der  in  eine  (in  der 
Nähe  gefundene)  Spitze  in  Form  eines  Pinienzapfens  auslief. 
Unter  einer  runden  Ă–ffnung  im  FuĂźboden  des  Durchganges  war 
die  Aschenurne  in  der  Erde  beigesetzt.  Sie  enthielt  eine  un- 
kenntliche MĂĽnze.     Keine  Inschrift. 

2.  Grabnische  des  Apuleius  und  der  Veja.  Der  vier- 
eckige Bau  (3,40  X  2,55;  hoch,  ohne  das  Dach,  etwa  4  m),  mit 
Dreiviertelsäulen  (dorische  Kannelüren  und  Kompositkapitelle)  an 


,10  m- 


Fig.   265.       Grundriß    der    Gräber    an    der    Straße    nach 
Nuceria. 


LI.    Gräber  vor  dem  Nolaner,  Stabianer  und  Nuceriner  Tor.  4  e  i 

den  Ecken,  enthält  eine  viereckige,  flachgedeckte  Nische.  An 
ihrem  Eingange  sind  die  Holzverkleidungen  der  TĂĽrpfosten,  an 
ihren  Wänden  die  nach  innen  aufgeschlagenen  Türflügel  in  Stuck- 
relief nachgebildet.  Marmorne  BĂĽstensteine  (im  Plane  angedeutet), 
ohne  Inschrift,  bezeichneten  die  Plätze  der  beiden  in  der  Nische 
beigesetzten  Hauptpersonen,  deren  Grabschrift  im  Giebelfeld  des 
Monuments  angebracht  sein  mochte.  Eine  dieser  Urnen  —  sie 
enthielt  zwei  MĂĽnzen,  eine  des  Augustus,  die  andere  unkenntlich 
—  stand  in  einer  Bleikapsel;  eine  Bleiröhre  zur  Aufnahme  der 
Libationen  führte  von  der  Oberfläche  durch  beide  Deckel  hin- 
durch. Die  andere  Urne  enthielt  eine  MĂĽnze  des  Tiberius  aus 
dem  Jahre  10  n.  Chr.  Die  Plätze  zweier  weiteren  Urnen,  außen 
vor  der  Nische,  waren  durch  Grabsteine  mit  Inschriften  bezeichnet : 
Festae  Apulei f.  vix.  ann. XVI I^  und:  Conviva  Veiaes  vix.  ann.  XX. 
Wir  dĂĽrfen  vermuten,  daĂź  Apuleius,  Vater  der  Festa,  und  seine 
Gattin  Veja,  Herrin  des  Sklaven  Conviva,  unter  den  inschriftlosen 
Steinen  in  der  Nische  beigesetzt  waren.  Vor  dem  Stein  der 
Festa  schloĂź  eine  kleine  Marmorplatte  die  obere  Ă–ffnung  einer 
viereckigen  Tonröhre,  die  das  Totenopfer  zur  Urne  hinabführte. 
Die  Urne  des  Conviva  enthielt  einen  republikanischen  As.  - — 
Wir  haben  hier  denselben  Grabtypus,  den  uns  im  kleinen  die 
Grabnischen  des  Velasius  Gratus  und  des  Salvius  an  der  Hercu- 
laner  StraĂźe  zeigten  (S.  445,  Nr.  41,  40). 

3.  Monument  in  Gebäudeform  (3,10  m  im  Quadrat)  mit 
Pilastern  an  den  Ecken,  mit  gewölbter  Grabkammer.  In  dieser 
enthielten  drei  Nischen  in  der  der  StraĂźe  zugewandten  Mauer  je 
eine  Tonurne.  Senkrecht  ĂĽber  diesen  Nischen,  im  Niveau  der 
äußeren  Erdoberfläche,  öffnen  sich  nach  außen,  auf  die  Straße, 
drei  Nischen  (Fig.  266  links),  durch  deren  Boden  Röhren  hinab- 
fĂĽhrten in  die  unteren  Nischen,  so  daĂź  man  von  auĂźen  die 
Totenspenden  auf  die  Urnen  hinabgieĂźen  konnte.  An  der  RĂĽck- 
wand jeder  dieser  oberen  Nischen  steht  ein  BĂĽstenstein  aus 
Lava,  ohne  Inschrift;  der  zur  Linken  ist  durch  die  Frisur  als 
weiblich  bezeichnet.  Der  Zugang  zur  Grabkammer,  an  der 
RĂĽckseite,  war  durch  eine  Lavaquader  verschlossen.  Keine  In- 
schrift. 

4.  Monument  des  L.  Caesius  und  der  Titia  (Fig.  266 
rechts).     Der  erhaltene  Teil  hat  viel  Ă„hnlichkeit   mit  Nr.  2;   nur 

29* 


452 


Pompeji. 


statt  der  Nische  ein  flachgedeckter  Durchgang.  Dazu  aber  kam 
ein  Oberstock,  der  aus  den  Fragmenten  ziemlich  genau  rekon- 
struiert werden  kann:  eine  kleine  gewölbte  Zelle  oder  Nische, 
die  ganze  Breite  und  in  der  Tiefe  die  hinteren  zwei  Drittel  des 
Baues  einnehmend,  mit  einer  von  vier  korinthischen  Säulen  ge- 
tragenen Vorhalle.  Vier  mit  Stuck  ĂĽberzogene  Tuffstatuen,  drei 
männliche  und  eine  weibliche,  standen  wohl  in  der  Zelle  und  vor 
ihr  zwischen  den  Säulen. 


Fig.  266.     Ansicht   zweier  Gräber  an  der  Straße  nach  Nuceria,    3  und  4  auf  dem  Plan  Fig.  265. 


In  dem  Durchgange  fĂĽnf  BĂĽstensteine,  zu  innerst  zwei  namen- 
lose, weiter  vorn  drei  Freigelassene:  Titia  Vesbina  und  Titia 
Optata,  beide  Freigelassene  einer  Frau,  und  L.  Caesius  L.  1.  Logus. 
Vermutlich  ruhten  ihre  frĂĽheren  Herren,  L.  Caesius  und  Titia, 
Ehegatten,  unter  den  beiden  namenlosen  Steinen  und  war  ihre 
Grabschrift  oben  am  Monument  angebracht.  In  den  Urnen 
MĂĽnzen  des  Augustus  und  Tiberius. 

5.  Bogenmonument  des  P.  Mancius  Diogenes  (Fig.  267 
links).  Auf  einem  mehr  breiten  als  tiefen  Bau,  (3,25X1,40,  hoch 
2,90  m,  mit  niedrigem  gewölbten  Durchgange,  erhoben  sich  drei 


LI.    Gräber  vor  dem  Nolaner,  Stabianer  und  Nuceriner  Tpr.  453 

Nischen,  gewölbt  oder  giebelförmig,  die  mittlere  breiter  als  die 
beiden  anderen.  Sie  enthielten  je  eine  geringwertige  Statue  aus 
Travertin,  deren  zwei,  beide  weiblich,  erhalten  sind.  Ăśber  dem 
Durchgange  eine  Marmortafel  mit  der  Inschrift:  P.  Mancio  F.  l. 
Diogeni  ex  testamento^  arbitratu  Manciae  P.  l.  Dorinis.  P.  Man- 
cius  Diogenes,  Freigelassener,  hatte  also  in  seinem  Testament 
Bestimmungen  ĂĽber  sein  Monument  getroffen;  es  war  ausgefĂĽhrt 
worden    unter    der  Leitung    der    Mancia   Doris.     Vielleicht    war 


Fig.  267.     Ansicht  zweier  Gräber  an  der  Straße  nach  Nuceria,    s  und  6  auf  dem  Plan  Fig.  265. 

diese  seine  von  demselben  Herrn  freigelassene  Gattin,  vielleicht 
seine  eigene  Freigelassene.  "Vor  und  hinter  dem  Monument 
sechs  namenlose  Grabsteine  in  BĂĽ.stenform. 

6.  Grab  in  Gebäudeform  mit  Oberbau  (Fig.  267  rechts). 
Ein  Mauerwürfel,  aus  dem  Halbsäulen  hervortreten.  In  der  Mitte 
der  Front  eine  TĂĽr  aus  Travertin;  sie  fĂĽhrt  zu  einer  Treppe,  auf 
der  man  in  den  Oberbau  gelangte.  Von  diesem  wurden  fĂĽnf 
korinthische  Tuffkapitelle  gefunden;  ferner  drei  Tuffstatuen,  die 
dort  gestanden  haben  müssen,  zwei  männliche,  darunter  eine  mit 
einer    Papyrusrolle     in     der    Hand     und     dem    zylinderförmigen 


454  .  Pompeji. 

Behälter  (Scrinium)  für  solche  Rollen  zu  Füßen,  und  eine  weibliche. 
Vermutlich  würden,  wenn  man  weiter  ostwärts  grübe,  weitere 
Reste  des  Oberbaues  zutage  kommen;  einstweilen  können  wir 
über  seine  Form  Näheres  nicht  mitteilen. 

Verschiedene  Inschriften  waren  mit  roter  Farbe  auf  diese 
Monumente  aufgemalt.  Zwei  AnkĂĽndigungen  von  Gladiatoren- 
kämpfen, deren  eine  wir  schon  auf  S.  224  gegeben  haben. 
AuĂźerdem  Wahlempfehlungen,  und  zwar  bezĂĽglich  auf  die 
Kommunalwahlen  nicht  von  Pompeji,  sondern  von  Nuceria: 
L.  Miinatium  Caeserninum  Nuceriae  II  vir.  quinq.  v.  b.  o.  v.  f. 
[duum  virum  quinquemialem  virum  bonum  ovo  vos  facitc) ,  so 
lautet  eine  derselben.  Endlich  eine  Anzeige,  von  Interesse  auch 
deshalb,  weil  in  ihr  von  Ă–rtlichkeiten  die  Rede  ist,  zu  denen 
diese  StraĂźe  fĂĽhrte:  Bqua  siquei  aberavit  cum  semuncis  honcrata 
a.  d.    VII  kal.    Septembres    (korrigiert    in    Decefnbres)    convenito 

Q.  Deciu[m)   Q.  l.  Hilaruni  [aut  L.]  ....  um  L.  l chioneni 

citra  ponteni  Sarni  fundo  Mamiano^  —  »Wenn  Jemandem  am 
25.  Nov.  eine  Stute  mit  einem  kleinen  Packsattel  [semuncid]  ent- 
laufen ist,  der  wende  sich  an  Q.  Decius  Hilarus,  Freigelassenen 
des  Quintus,  (oder?)  an  L us chic,  Frei- 
gelassenen des  Lucius,  diesseits  der  SarnusbrĂĽcke  auf  dem  ma- 
mianischen  Landgut.«  Dies  der  Familie  der  Priesterin  Mamia 
(S.  430)  gehörige  Landgut  mochten  jene  beiden  Freigelassenen 
in  Pacht  haben. 


FĂśNFTER  TEIL. 

POMPEJANISCHE  KUNST. 

Kapitel  LH. 
Die  Architektur. 

in  Betreff  der  Architektur  Pompejis  ist  einiges,  namentlich 
ĂĽber  Baumaterialien  und  Technisches,  in  dem  Abschnitt  ĂĽber 
die  Bauperioden,  anderes  bei  Besprechung  der  einzelnen  Gebäude 
gesagt  worden.  Hier  mögen  noch  einige  zusammenfassende  und 
ergänzende  Bemerkungen  Platz  finden. 

Der  weitaus  interessanteste  Abschnitt  in  der  Geschichte  der 
pompejanischen  Architektur  ist  die  sogenannte  Tuffperiode,  das 
2.  Jahrh.  v.  Chr.,  die  Friedenszeit  zwischen  dem  hannibalischen 
und  dem  Bundesgenossenkriege.  Interessant,  weil  wir  hier  eine 
Kunstrichtung,  einen  Stil  vor  uns  haben,  von  dem  sonst  zwar 
noch  vereinzelte  Reste  an  verschiedenen  Orten  Italiens,  von  Rom 
ab  südwärts,  erhalten  sind,  der  aber  nur  in  Pompeji  so  reich 
vertreten  ist,  daĂź  wir  uns  von  seiner  Eigenart  eine  Vorstellung 
bilden  können.  Es  ist  der  letzte  Ausläufer  der  selbständig  sich 
entwickelnden,  noch  von  Rom  unabhängigen  hellenischen  Kunst. 
Alles  Spätere  stammt  wohl  auch  von  ihr  ab,  hat  aber  den 
Weg  über  Rom  genommen  und  unterliegt  römischem  Einfluß, 
ist  das,  was  wir  römische  Kunst  zu  nennen  gewohnt  sind. 

Von  dem  bescheidenen  Material  dieser  Periode,  dem  grauen 
Tuff,  war  schon  S.  31  und  39  die  Rede.  Er  war  an  Säulen, 
Pilastern  und  Gebälken  mit  Stuck  bekleidet,  an  einfachen  Mauern 
erschien  er  in  seiner  natĂĽrlichen  Farbe.  Leider  sind  von  dem 
StuckĂĽberzug  nur  wenig  Reste  ĂĽbrig  geblieben,  Gut  erhalten  ist 
er  an  einem  ionischen  Kapitell  des  ersten  Peristyls  der  Casa  del 


456  Pompeji. 

Fauno.  Durchweg  war  er  weiĂź;  eine  Ausnahme  bilden,  in  dem- 
selben Hause,  die  vorzĂĽglich  erhaltenen  violettroten  korinthischen 
Säulen  und  Pilaster  der  Exedra  des  Alexandermosaiks. 

Keine  Periode  Pompejis  zeigt  wie  diese  einen  ihr  eigentĂĽm- 
lichen stilistisch  einheitlichen  Charakter,  in  Monumental-  und 
Privatbau,  in  Fassadenbildung  und  Innendekoration.  Denn  die 
Wanddekoration  ersten  Stiles  ist  nichts  anderes  als  die  auf  die 
Innenwände  übertragene  Architektur  der  Tuffperiode:  dieselben 
Motive,  dieselben  Formen  in  etwas  freierer  Verwendung,  dem 
verschiedenen  Zwecke  entsprechend,  vermehrt  durch  die  bunt- 
farbige Marmorbekleidung. 

Und  zwar  ist  dieser  Charakter  ein  durchaus  groĂźartiger  und 
monumentaler,  namentlich  im  Vergleich  mit  der  spätem  Archi- 
tektur Pompejis.  Mit  der  Basilika  kann  in  Bezug  auf  GroĂźartig- 
keit des  Aufbaues  und  der  Raumwirkung  keines  der  späteren 
Gebäude  auch  nur  annähernd  verglichen  werden.  Großartige 
Monumentalbauten  sind  auch  die  von  zweistöckigen  Portiken  um- 
gebenen Tempel  des  Jupiter  und  des  Apollo:  lehrreich  ist  ein 
Vergleich  mit  dem  Fortuna-  und  dem  Vespasiantempel.  Monu- 
mental ist  auch  jedes  größere  Privathaus  dieser  Zeit,  mit  den 
hohen  Ă–ffnungen  der  HaustĂĽr  und  der  durch  die  Pergula  (S.  286 f.) 
in  Ober-  und  Unterraum  geteilten  Läden,  mit  dem  mächtig  hohen 
Atrium  und  Tablinum  und  den  ĂĽber  allen  Bedarf  hohen  TĂĽren 
der  anliegenden  Zimmer. 

Dieser  Charakter  erstreckt  sich  in  gewissem  Grade  auch  auf 
die  Innendekoration  ersten  Stiles,  die  ja  ohne  Zweifel  monumen- 
taler, architektonischer  ist,  als  die  späteren.  Vorzugsweise  aber 
tritt  er  doch  hervor  in  den  Raumverhältnissen,  in  dem  Aufbau 
der  ganzen  Gebäude.  Wenden  wir  uns  zur  Betrachtung  des 
Details,  so  erscheint  die  pompejanische  Tuffperiode  doch  nur  als 
ein  etwas  schwächlicher  Ausläufer  der  großen  griechischen  Kunst. 
Charakteristisch  ist  hier  eine  gewisse  nĂĽchterne  Eleganz,  eine  ge- 
suchte Einfachheit,  eine  gewisse  Armut  an  Formen  und,  fĂĽgen 
wir  gleich  hinzu,  auch  an  Farben.  In  den  Formen  zeigt  sich 
noch  feines  griechisches  Empfinden:  aber  sie  sind  nicht  mehr 
recht  kräftig  und  ausdrucksvoll.  Man  arbeitet  mit  dem  über- 
lieferten Formenvorrat  des  griechischen  Tcmpclbaues;  aber  ver- 
schwunden ist  das  GefĂĽhl  fĂĽr  den  dorischen,  ionischen,  korinthi- 


LH.    Die  Architektur. 


457 


Fig.  268.     Vierseitiges   ionisches  Kapitell   von   der  Vorhalle 
des  Forum  trianguläre. 


sehen  Stil  in  ihrer  Besonderheit.  Der  Neigung-  zu  hohen, 
schlanken  Verhältnissen  mußte  in  der  Palästra  und  in  mehreren 
Privathäusern  auch  die  dorische  Säule,  ganz  gegen  ihre  Natur, 
sich  anbequemen. 

Man  mischt  ohne  Bedenken  die  Stile.  Ionische  Säulen  mit 
dorischem  Gebälk  finden  wir  im  Hofe  des  Apollotempels  und  im 
ersten  Peristyl  der  Casa 
del  Fauno ,  dorische 
Säulen  mit  ionischem 
Gebälk  im  Peristyl  des 
Hauses  der  schwarzen 
Wand  (S.  370).  Am 
dorischen  Gebälk  ist, 
gegen  die  Regel,  das 
Epistyl  in  zwei  Gurte 
geteilt,  nicht  nur  wo 
dies,  wie  am  Forum 
und  beim  Apollotem- 
pel, durch  die  eigen- 
tĂĽmliche       technische 

Herstellung  mittels  einer  Holzbohle  bedingt  war  (S.  48),   sondern 
auch  im  Hause  des  Faun,  wo  die  Gebälkstücke  von  einer  Säule 
zur    andern    reichten.      Die   dorische    Säule    zeigt   niemals  mehr 
die    kraftvolle    Schwellung    und    starke 
VerjĂĽngung,  das  Kapitell  nie   die  weite 
Ausladung  und  das  geschwungene  Profil 
älterer    Zeiten.      Ganz    vereinzelt   finden 
wir   ionische  Säulen  der  alten  Art,   nur 
nach  zwei  Seiten  die  Voluten,  nach  den 
beiden  anderen  den  PolsterrĂĽcken  zeigend ; 
im    ĂĽbrigen    herrscht    durchaus    die   ge- 
wöhnlich als  römisch-ionisch  bezeichnete 

Form  mit  Voluten  nach  allen  vier  Seiten.  Das  Kapitell  findet  sich 
mehrfach  in  ganz  besonders  zierlicher  Form;  so  namentlich  an 
der  Vorhalle  des  Forum  trianguläre  iFig.  268);  besonders  cha- 
rakteristisch ist  die  tiefe  Ausarbeitung  des  Eierstabes,  so  daĂź  das 
»Ei«  nur  als  ganz  kleine  Kugel  erscheint:  eine  ausschließlich 
pompejanischc    Form,     die    auch    hier    in    der    römischen    Zeit 


Fig.  269.     Tiirkapitell  an  der 
MercurstraĂźc. 


458 


Pompeji. 


wieder  verschwindet.  Als  Beispiel  einer  freieren  Entwicklung  des 
ionischen  Stils  geben  wir  ein  Pilasterkapitell  vom  Eingang  eines 
Hauses  an  der  MercurstraĂźe  (Fig.  26g). 

Das  korinthische  Säulenkapitell  dieses  Stiles  erhält  seinen 
besondern  Charakter  durch  die  vom  gewöhnlichen  abweichende 
Form  des  Akanthusblattes ;  es  ist  hier  eine  andere  Art  der  Pflanze 
stilisiert  worden.  Während  sonst  das  Blatt  mit  spitzen,  aufwärts 
gerichteten  Zacken  endet,  fällt  hier  der  ganze  Rand  mit  rund- 
lichen Lappen  weich  nach  auĂźen  ĂĽber,  und  es  entsteht  ein  reiz- 
voller  Gegensatz    zwischen    dem    schwellenden   Leben    des    sich 


Fig.  270.    Altar  vor  dem  Tempel  des  Zeus  Meilichios. 


kraftvoll  an  den  Kern  anschmiegenden  Blattkörpers  und  dem 
weich  herabsinkenden  Rande  (S.  370.  Fig.  198).  Die  Ausladung 
ist  meist  eine  geringe,  weil  man  der  Festigkeit  des  Steines  nicht 
recht  traute.  Die  schönsten  Beispiele,  zugleich  die  einzigen  mit 
gut  erhaltenem  Stuck,  sind  die  schon  erwähnten  der  roten  Säulen 
und  Pilaster  der  Exedra  des  Alexandermosaiks.  Zahlreich  ist 
der  korinthische  Stil  vertreten  in  den  Pilasterkapitellen  der  Haus- 
eingänge. Eine  besonders  beliebte  Art  derselben,  die  mit  Figuren 
verzierten,  haben  wir  schon  kennen  gelernt  (S.  370).  Auch  die 
ĂĽbrigen  haben  nie  die  normale  Form,  sondern  allerlei  Um- 
gestaltungen in  ornamentalem  Sinne;  anmutige,  phantasievolle 
Gebilde,  in  denen  aber  der  eigentlich  architektonische,  das  Tragen 


LII.   Die  Architektur.  45  g 

SO  schön  und  kräftig  ausdrückende  Charakter  des  korinthischen 
Kapitells  verloren  gegangen  ist. 

Gebälke  sind  nur  von  Portiken,  nicht  von  Tempeln  erhalten, 
und  zwar  in  zwei  Formen:  das  dorische  Triglyphengebälk  und 
das  ionische  mit  Zahnschnitt.  Beide  kommen  auch  in  der  Wand- 
dekoration vor;  ersteres  selten,  letzteres  unzählige  Male.  Und  da 
auf  den  vielen  erhaltenen  Wänden  ersten  Stils  immer  nur  dieses 
vorkommt,  bisweilen  zweimal  auf  derselben  Wand  (Fig.  136),  nie 
ein  reicheres  korinthisches  Gebälk,  etwa  mit  Konsolen  und 
mehreren  Zwischengliedern,  so  ist  es  immerhin  wahrscheinlich  — 
und  auch  in  unseren  Restaurationsversuchen  ist  dies  angenommen 
worden  — ,  daß  auch  im  Tempelbau  dies  einfach  elegante,  dem 
ganzen  oben  bezeichneten  Stilcharakter  dieser  Periode  so  gut 
entsprechende  Gebälk  herrschte,  unter  Ausschluß  der  uns  aus 
Bauten  der  Kaiserzeit  bekannten  reicheren  Formen.  Den  dorischen 
Triglyphenfries  zeigt  der  Altar  des  Zeus  Meilichios  (Fig.  270)  im 
Verein  mit  der  Nachahmung  eines  Quaderbaues,  wie  auf  Wänden 
ersten  Stils,  und  mit  Voluten  ionischen  Ursprunges,  wie  sie  an 
Altären  und  altarförmigen  Gräbern  gewöhnlich  sind. 

Die  Vielfarbigkeit  der  altern  griechischen  Architektur  ist 
dieser  Zeit  fast  ganz  abhanden  gekommen.  WeiĂź  ist  das  mit 
seiner  StuckhĂĽlle  erhaltene  ionische  Kapitell  der  Casa  del  Fauno, 
weiß  die  wenigen  in  den  Häusern  erhaltenen  Pilasterkapitelle, 
weiĂź  die  zahlreichen  Wiederholungen  des  Zahnschnittgesimses  in 
der  Wanddekoration.  Wir  dĂĽrfen  sicher  annehmen,  daĂź  es  in 
den  Monumentalbauten  nicht  anders  war.  Aber  einige  Reste  der 
alten  Vielfarbigkeit  waren  doch  im  Gebrauch  geblieben.  In  zwei 
Häusern,  dem  des  Sallust  und  noch  einem  anderen,  II  (VIII), 
3,  31,  zeigt  die  Wanddekoration  einen  Triglyphenfries  mit  roten 
Metopen.  Ebenso  erscheint  in  den  Wanddekorationen  der  Fries 
unter  dem  Zahnschnittgesims  stets  farbig:  rot,  gelb  oder  blau; 
rot  war  er  auch  im  Peristyl  des  Hauses  der  schwarzen  Wand, 
wo  er  über  den  Halbsäulen  der  Gartenwand  erhalten  ist.  Sicher 
war  beides  auch  an  den  Monumentalbauten  der  Fall.  Ferner  ist 
in  mehreren  Fällen,  wo  das  Epistyl  in  zwei  Gurte  geteilt  ist,  der 
untere  derselben  gelb:  eine  Andeutung  der  S.  48  besprochenen 
Bauart  mit  Hilfe  einer  Holzbohle,  die  man  auch  wo  sie  nicht 
angewandt  war  als  Dekorationsmotiv  fingierte;  so  im  Peristyl  des 


460 


Pompeji. 


Hauses  der  schwarzen  Wand  und  im  zweiten  Peristyl  der  Casa 
del  Fauno.  Endlich  waren  wohl  an  den  schon  erwähnten  Figuren- 
kapitellen die  Figuren  teilweise  bemalt:  an  den  Pilasterkapitellen 
der  Alen  im  Hause  des  Epidius  Rufus  (S.  326)  waren  zur  Zeit 
der  Ausgrabung  die  Farben  gut  erhalten.  Freilich  mochte  an 
den  Hauseingängen  die  Farbe  nicht  lange  dem  Einfluß  der 
Witterung  widerstehen. 

Aus  der  nächstfolgenden  Zeit,  dem  halben  Jahrhundert  zwischen 
der  GrĂĽndung  der  Kolonie  und  dem  Beginn  des  Kaisertums, 
tritt  uns  kein  recht  einheitlicher  und  eigenartiger  Charakter  der 


Fig.  271.     Phantasiekapitelle   aus   farbigem  Stuck.     A  Dorisches   Kapitell  aus    dem   Hause    des 
Sallust.     B  Modifizierte  korinthische  Form.     C  Korinthisches  Phantasiekapitell. 


Architektur  entgegen.  Mit  der  Kaiserzeit  beginnt  der  Bau  mar- 
morner Tempel  und  Portiken,  deren  Stil  nichts  speziell  Pompe- 
janisches  hat  und  bei  der  GeringfĂĽgigkeit  der  erhaltenen  Reste 
hier  weniger  als  anderswo  studiert  werden  kann.  So  kann  auch 
die  stilistische  Entwicklung  von  der  Zierlichkeit  der  augustischen 
bis  zu  dem  mehr  dekorativen  Charakter  der  neronischen  und 
flavischen  Zeit  hier  nur  an  geringen  Spuren  verfolgt  werden. 
Das  Charakteristische  liegt  in  dem  Aufbau  der  einzelnen  Gebäude 
und  ist  fĂĽr  jedes  derselben  seines  Ortes  besprochen  worden. 

Daneben  aber  war,  zuerst  vermutlich  im  griechischen  Orient, 
in  Italien  zu  Anfang  der  Kaiserzeit,  mit  dem  dritten  Dekorations- 
stil eine  andere  Art  aufgekommen,  zunächst  im  Privatbau,  hatte 
sich  aber  grade  in  Pompeji  auch  des  Tempelbaues  bemächtigt. 
Man  war  der  immer  und  immer  wiederholten  P^ormen  des  grie- 
chischen Tempelbaues    grĂĽndlich  satt  geworden.     So  trat  denn 


LII.   Die  Architektur. 


461 


eine  Reaktion  ein:  man  warf  sie  einfach  beiseite  und  ersetzte  sie 
durch  Ornamente,  die  mit  frei  spielender  Phantasie  entworfen  und 
meist  nur  in  Stuck  ausgeführt  wurden.  Die  Kapitelle  der  Säulen  und 
Pilaster  nähern  sich  wohl  noch  in  ihrer  Gesamtform  dem  dorischen 
oder  korinthischen,  sind  aber  mit  ganz  frei  erfundenen  Laub- 
und Rankenmotiven  verziert.  Das  Gebälk 
wird  nicht  mehr  nach  alter  Art  in  Epistyl, 
Fries  und  Gesims  gegliedert,  sondern 
erscheint  als  ein  beliebig  ornamentierter 
Streifen.  Bisweilen  fĂĽllt  ihn  ein  Laub- 
gewinde, wie  im  Isistempel  (S.  180)  und 
im  Hause  der  Vettier  (S.  343),  bisweilen 
ist  er  in  breitere,  den  Intercolumnien,  und 
schmälere,  den  Säulen  entsprechende  Ab- 
schnitte geteilt  und  diese  in  verschiedener 
Weise  ausgefüllt;  so  in  der  Palästra  der 
Stabianer  Thermen  (S.  203),  im  Hofe  des  Apollotempels  (S.  79), 
im  Peristyl  des  Hauses  der  silbernen  Hochzeit.  Dabei  tritt  nun 
auch  die  Freude  an  der  Vielfarbigkeit  wieder  in  ihr  Recht.  Zwar 
ist  meistens  ein  groĂźer  Teil  des  Grundes  und  auch  der  Orna- 
mente weiĂź,  daneben  aber  finden  sich  in  reichlicher  Verwendung 
die  lebhaftesten  Farben:  Rot,  Blau,  Gelb  und  andere.    Auch  die 


Fig.  272.    Modifiziertes   korinthi- 
sches Kapitell. 


Fig.  273.     Phantasiekapitdie  von  Pilastern. 


Säulen  werden  jetzt  in  ihrem  untern  Drittel  lebhaft  rot  oder  gelb 
gefärbt:  ein  der  frühern  Zeit  ganz  fremdes  Verfahren.  Und 
diese  Vielfarbigkeit  ist  im  Zunehmen  begrijflfen,  entschieden  stärker 
zur  Zeit  des  vierten  als  des  dritten  Stils. 

Auch  der  Sinn  für  Größenverhältnisse  ist  ein  ganz  anderer 
geworden.  Namentlich  im  Privatbau  liebt  man  nicht  mehr  den 
monumentalen  Charakter,  die  hohen  Zimmer,  Türen  und  Säulen 


462  Pompeji. 

der  Tuffperiode.  Alles  wird  kleiner,  niedriger,  freilich  dadurch 
auch  wohnlicher  und  behaglicher.  Die  Säulen  sind  namentlich 
in  der  Zeit  des  letzten  Stils  manchmal  unglaublich  kurz  und  dick, 
wohl  aus  keinem  andern  Grunde,  als  weil  so  die  lebhafteren 
Farben  des  untern  Teils  und  des  Kapitells  mehr  zur  Geltung 
kamen.  Wir  haben  hier  eine  vollständige  Geschmacksrevolution, 
eine  ganz  neue  Art  kĂĽnstlerischen  Empfindens.  Die  klassische 
Schönheit  in  Linie  und  Proportion  hat  für  diese  Zeit  nur  wenig 
Reiz  und  verliert  ihn  mehr  und  mehr.  An  ihre  Stelle  treten 
andere  Reize:  die  Freude  an  bunten,  lebhaften  Farben,  an  Ab- 
wechselung und  —  dies  in  steigendem  Maße  —  an  krausen, 
barocken  Formen. 

Sicher  ist  diese  neue  Art  —  neben  der  die  klassizistische 
Richtung  in  dem  offiziellen  Marmorbau  fortbesteht  —  zuerst  im 
Frivatbau  aufgetreten.  Aber  sie  ist  in  Pompeji  auch  in  die  öffent- 
lichen Gebäude  —  Stabianer  Thermen  —  und  nach  63  selbst 
in  den  Tempelbau  —  Isis-  und  Apollotempel  —  eingedrungen. 
Der  Isistempel  selbst  zeigte  zwar  die  phantastischen  Formen  des 
neuen  Stils,  sollte  aber  durch  seine  weiĂźe  Farbe  wenigstens  an 
einen  Marmorbau  erinnern;  im  Portikus  dagegen  ist  das  untere 
Drittel  der  Säulen  rot;  wir  werden  also  auch  Vielfarbigkeit  des 
Gebälkes  anzunehmen  haben,  wie  es  am  Portikus  des  Apollo- 
tempels zur  Zeit  der  Ausgrabung  erhalten  war  (S.  79).  Ob  auch 
hier  der  Tempel  selbst  weiß  war,  können  wir  bei  der  gänzlichen 
Zerstörung  seiner  oberen  Teile  nicht  entscheiden.  Wohl  das 
besterhaltene  Beispiel  dieses  Stuckstiles  ist  die  überwölbte  Grab- 
nische vor  dem  Herculaner  Tor. 


Kapitel  LIII. 
Die  Skulptur. 

Die  öffentlichen  Plätze  und  städtischen  Gebäude  Pompejis 
waren  überreich  mit  Statuen  bevölkert.  Dicht  gereiht  standen 
auf  dem  Forum  die  verdienten  BĂĽrger  frĂĽherer  Generationen  und 
sonstige  Wohltäter  und  Beschützer  der  Stadt.  Außer  den  fünf 
Kolossalstatuen  von  Kaisern  und  Mitgliedern  der  Kaiserfamilie 
waren  für  Reiterstatuen  in  Lebensgröße  wohl  70  bis  80  Plätze 
vorgesehen,  und  hinter  jedem  derselben  einer  fĂĽr  ein  Standbild. 
Zweifeln  darf  man  freilich,  ob  jemals  alle  diese  Plätze  besetzt 
waren.  Noch  zur  Zeit  des  Claudius  oder  Nero  wurde  dem  jungen 
Scaurus  (S.  437)  eine  Reiterstatue  auf  dem  Forum  gesetzt:  es 
war  also  noch  Platz  vorhanden.  Die  Vorhalle  des  Macellum  ent- 
hielt 25  Statuen,  8  der  offene  Raum  des  städtischen  Larentempels, 
21  die  Vorhalle  des  Gebäudes  der  Eumachia.  Aber  von  allen 
auf  öffentlichen  Plätzen  stehenden  Ehrenstatuen  ist  erhalten  nur 
die  des  M.  Holconius  Rufus,  des  Erneuerers  des  groĂźen  Theaters, 
der  in  seiner  Militärtracht,  als  tribunus  milituni  a  populo^  gleich 
neben  dem  Haupteingang  der  Stabianer  Thermen  stand.  Dazu 
kommen  die  Statuen  der  Octavia  und  des  Marcellus  im  Macellum, 
die  der  Eumachia  in  ihrem  Gebäude  und  die  unbekannter  Leute 
im  Fortunatempel. 

Unsere  Figur  274  zeigt  die  Statue  der  Eumachia,  ein  gutes 
Beispiel  der  etwas  idealisierenden  Porträtkunst  der  ersten  Kaiser- 
zeit. Die  Darstellung  ist  einfach,  mit  sparsamem  Detail.  Der 
freundlich-ernste,  fast  etwas  traurige  Gesichtsausdruck  ist  unge- 
mein ansprechend;  die  schönen  und  edlen  Formen  erinnern  an 
die  griechische  Ab.stammung  der  Priesterin. 

Zahlreicher  sind  die  kĂĽnstlerisch  wertlosen  Statuen  der  Grab- 
monumente, meist  aus  Tuff  mit  StuckĂĽberzug,  seltener  aus  dem 


464 


Pompeji. 


in  Neapel  Travertin  genannten  Kalkstein.     Ăśber  die  Art,  wie  sie 
auf  den  Monumenten  angebracht  waren,  s.  oben  S.  430,  452,  453. 
Aber  auch   in  Privathäusern  wurden  Porträtskulpturen   aufge- 
stellt.    Im  Atrium,    an  der  RĂĽckseite,   neben  dem  Eingang  zum 

Tablinum ,  stellten  Ver- 
wandte ,  Freigelassene, 
auch  Sklaven,  das  Bild 
des  Hausherrn  auf,  als 
Herme:  die  BĂĽste  auf 
einem  viereckigen  Pfeiler 
mit  armartigen  VorsprĂĽn- 
gen, um  am  Geburtstage 
und  wohl  auch  sonst 
Kränze  aufzuhängen.  Drei 
solcher  Hermenporträts, 
alle  mit  Inschrift,  sind  er- 
halten. Fig.  275  zeigt 
die  BronzebĂĽste  des  Ban- 
kiers L.  Caecilius  Jucundus 
(oben  S.  371).  von  seinem 
Freigelassenen  Felix  der 
Symmetrie  halber  gleich 
zweimal,  rechts  und  links 
vom  Tablinum,  aufgestellt, 
mit  der  InschriĂĽ:  f  Gauo 
L[uci)  11  OS  tri  Felix  l[iber- 
tus).  Wir  begegnen  hier 
einer  durchaus  natura- 
listischen Kunstrichtung. 
Es  ist  nicht  der  leiseste 
Versuch  gemacht,  die 
unschönen  Formen  des 
Jucundus  zu  idealisieren. 
Mit  unverkennbarer  Liebe 
aber  ist  der  Gesichtsausdruck  herausgearbeitet:  in  seiner  ganzen 
Eigenart  steht  er  vor  uns,  der  tätige  und  schlaue  Geldmann,  dem 
aber  doch  der  Sinn  fĂĽr  LebensgenuĂź  und  selbst  ein  gewisser 
Humor  nicht  fehlt. 


Fig.  274.     Statue 


l'.umachia. 


LIII.   Die  Skulptur. 


465 


Die  beiden  anderen  Hermen,  die  des  Vesonius  Primus  (S.  416) 
und  des  Cornelius  Rufus  (S.  261)  sind  aus  Marmor.  Auch  sie 
sind  achtungswerte  Leistungen  der  Porträtkunst,  denen  sich 
wĂĽrdig  anschlieĂźt  der  beim  Isistempel  aufgestellte  charakteri- 
stische Bronzekopf  des  Schau- 
spielers C.  Norbanus  Sorex 
(S.  182). 

Noch  eine  andere  Art 
Porträtskulpturen  war  in  Pri- 
vathäusern  aufgestellt:  Bild- 
nisse berühmter  Männer  der 
Vorzeit.  Das  groĂźartigste 
Beispiel  einer  solchen  histo- 
rischen Porträtgalerie  bietet 
eine  groĂźe,  im  achtzehnten 
Jahrhundert  in  Herculaneum 
ausgegrabene  und  wieder 
verschĂĽttete  Villa.  Pompeji 
hat  nur  sehr  wenig  der  Art 
geliefert.  In  einem  Zimmer 
fand  man  drei  Marmorköpfe 
etwa  halber  Lebensgröße : 
Epikur ,  Demosthenes  und 
einen  oft  vorkommenden 
Kopf,  der  wahrscheinlich  den 
in  der  ersten  Kaiserzeit  sehr 
beliebten  alexandrinischen 
Dichter  Kallimachos  darstellt. 
Offenbar  gab  der  Bewohner 
des  Zimmers  seinen  literari- 
schen Neigungen  Ausdruck, 
indem  er  hier  die  Porträts 
eines  Philosophen ,  eines 
Redners  und  eines  Dichters 

vereinigte.      In    einem   andern    Zimmer   fand    man    eben    diesen 
vermutlichen  Kallimachos  und  Epikur. 

Wieder  in  einem   andern  Hause  fand   man,   nicht  aufgestellt, 
sondern  zurückgelegt,   zwei   offenbar  zusammengehörige  Büsten, 

Mau,  Pompeji.     2.  Aiifi.  ^O 


u 


M 


^  'S-  275.     l'ortratherme  des  Caecilius  Jucundus. 


466 


Pompeji. 


nach  Typus  und  Haartracht  Römer  aus  der  letzten  Zeit  der  Re- 
publik oder  der  ersten  des  Augustus.  Von  dem  einen  steht  ein 
zweites  Porträt,  in  reiferem  Alter,  im  kapitolinischen  Museum, 
und  gilt  dort  für  Brutus,  den  Mörder  Caesars.  So  sind  denn  im 
Museum  zu  Neapel  die  beiden  Köpfe  als  Brutus  und  Pompejus 
bezeichnet  worden.  Beide  Benennungen  sind  sicher  falsch.  Das 
Porträt   des  Pompejus    ist  bekannt   und  hat    mit   diesem  Kopfe 

keine  Ă„hnlichkeit;  und  auch  von 
Brutus  geben  seine  MĂĽnzen  ein 
ganz  anderes  Bild.  Vielleicht 
ist  dies  Paar  berühmter  Männer 
nicht  auf  politischem,  sondern 
auf  literarischem  Gebiet  zu 
suchen.  Ein  Mosaikporträt 
Virgils,  kĂĽrzlich  in  Afrika  ge- 
funden, ist  dem  vermeintlichen 
Brutus  nicht  unähnlich,  und 
auch  was  wir  sonst  von  dem 
Aussehen  des  Dichters  wissen, 
stimmt  mit  dieser  BĂĽste  recht 
wohl  ĂĽberein.  Stellt  aber  diese 
Virgil  dar,  so  ist  es  unvermeid- 
lich, fĂĽr  die  andere  an  Horaz 
zu  denken ;  und  in  der  Tat 
paĂźt  das  volle,  runde  Gesicht 
nicht  schlecht  zu  dem,  was  er 
selbst  von  seiner  äußern  Er- 
scheinung sagt.  So  haben  wir  vielleicht  hier  die  beiden  be- 
rĂĽhmtesten Dichter  der  augusteischen  Zeit  vor  uns. 

Von  der  Art,  wie  die  Gärten  der  Peristylien  mit  allerlei 
Skulpturen  geschmĂĽckt  waren,  haben  uns  das  Haus  der  Vettier, 
das  der  vergoldeten  Amoren  (S.  371)  und  das  des  Lucretius 
(S.  372)  gute  Beispiele  gegeben.  Es  sind  Statuetten,  Hermen, 
kleine  Tierfiguren,  auch  kleine  Gruppen  und  Reliefs.  Besonders 
beliebt  sind  Figuren  des  bacchischen  Kreises:  Bacchus  selbst, 
Satyrn,  Silene,  Bacchantinnen  und  dergleichen.  Der  Kunstwert 
ist  meist  sehr  gering. 

Eine  besondere  Klasse  bilden  hier  die  Brunnenfiguren,  deren 


Fig.  276.     Bacchus   und  Ariadne.     DoppelbĂĽste 
aus  dem  Hause  der  Vettier. 


LIII.   Die  Skulptur.  467 

das  Museum  in  Neapel  eine  beträchtliche  Zahl  bewahrt.  Auch 
hier  vorwiegend  bacchische  Figuren.  So  fanden  wir  im  Hause 
des  Lucretius  einen  Silen  mit  einem  Schlauch,  aus  dessen  Ă–ff- 
nung das  Wasser  floĂź.  KĂĽnstlerisch  bedeutender  ist  ein  an  der 
Piscina  der  Casa  del  Centenario  gefundener  kleiner  Bronzesatyr, 
der  aus  dem  Schlauch,  den  er  unter  dem  linken  Arm  trägt,  das 
Wasser  gegen  seine  rechte  Hand  laufen  lieĂź,  so  daĂź  es  auf  seinen 
Körper  zurückspritzen  mußte.  Aber  auch  beliebige  Genrefiguren 
kommen  in  solcher  Verwendung  vor;  so  die  beiden  Bronze- 
knaben im  Hause  der  Vettier  (Fig.  181).  Wie  hier  die  Wasser- 
strahlen aus  den  Schnäbeln  der  von  ihnen  gehaltenen  Enten 
kamen,  so  sind  es  in  anderen  Fällen  bloße  Tierfiguren,  die  ihn 
entsenden.  Eine  ganze  Anzahl  solcher  wasserspeienden  Tiere 
aus  Bronze  umstanden  die  Piscina  des  mittleren  Peristyls  der  Casa 
del  Citarista  (S.  373):  ein  Eber,  zwei  Hunde,  ein  Löwe,  eine  Hirsch- 
kuh, eine  Schlange. 

Bei  weitem  nicht  immer  ist  aber  der  Wasserstrahl  in  so  enge 
Verbindung  mit  der  Figur  gebracht.  Häufiger  sogar  —  so  bei 
der  Mehrzahl  der  Figuren  im  Hause  der  Vettier  —  fiel  er  ein- 
fach neben  ihr  aus  der  Leitungsröhre  herab.  Oder  es  fand  eine 
lose  Verbindung  statt,  wie  bei  einem  bronzenen  Fischer,  an  dessen 
Sitz  eine  den  Wasserstrahl  entsendende  Maske  angebracht  ist. 

Die  Kultbilder  der  Tempel  sind  verloren  bis  auf  den  Kopf 
des  Jupiter  im  Capitolium  und  die  drei  Tonfiguren  im  Tempel 
des  Zeus  Meilichios.  Von  den  im  Tempelhofe  des  Apollo  und 
in  dem  der  Isis  gefundenen  Skulpturen  war  ihres  Ortes  die  Rede. 
In  großer  Zahl  hat  man  dagegen  die  kleinen  bronzenen  Götter- 
bilder der  Hauskapellen  gefunden.  Ihr  kĂĽnstlerischer  Wert  ist 
meist  sehr  gering;  im  ĂĽbrigen  war  von  ihnen  schon  S.  276  die 
Rede,  und  so  mag  hier  dieser  kurze  Hinweis  genĂĽgen.  Seltener 
begegnet  es,  daß  ein  einzelnes  etwas  größeres  Götterbild  in  einer 
im  Garten  erbauten  Kapelle  aufgestellt  ist.  Zwei  Beispiele  dieser 
Art  verdienen  etwas  nähere  Erwähnung. 

In  einer  Aedicula  im  Garten  des  Hauses  I,  2,  17  stand  eine 
Statuette  der  Aphrodite,  die  sich  auf  ein  altertümliches  Idol  — 
man  pflegt  es  Spes,  die  Hoffnung,  zu  nennen  —  stützt,  von  ge- 
ringem Kunstwert,  aber  bemerkenswert  wegen  der  vollständig  er- 
haltenen Bemalung  der  Augen,  der  Haare  und  der  Kleidung. 

30* 


468 


Pompeji. 


Weit  bedeutender  ist  die  auf  Tafel  XII  abgebildete  Artemisstatue 
in  halber  Lebensgröße,  gefunden  im  Jahre  1760  in  einem  später 
wieder  verschütteten  Hause  in  der  Nähe  des  Amphitheaters.  Sie 
ist  eine  zur  Zeit  des  Augustus  gefertigte  genaue  Nachbildung 
eines  Werkes   aus    der  Zeit    der  Perserkriege    und   zwar  höchst 


Fig.  277.    Tanzender  Satyr.     Bronzestatuette  aus  dem  Hause  des  Faun.     Photographie  Brogi. 


wahrscheinlich  des  von  Pausaniäs  {VII,  18,  9)  erwähnten  Kult- 
bilder der  Artemis  Laphria,  eines  Werkes  der  beiden  Naupaktier 
Menaichmos  und  Soidas.  Dieses  stand  bis  zur  Zeit  der  Schlacht 
von  Actium  in  Kalydon.  wurde  dann  aber  von  Augustus  der  von 
ihm  gegründeten  Kolonie  Patrae  geschenkt.  Die  Göttin  ist  dar- 
gestellt als  die  leicht  und  rüstig  dahinschreitende  Jägerin;  in  der 


Mau,  Pompeji.    2.  Aufl.     Taf.  XII. 


zu  S.  468. 


Artemis, 

Kopie  einer  archaischen  Statue. 


Photographie  llro^i. 


Llll.   Die  Skulptur. 


469 


gesenkten  Linken  müssen  wir  den  Bogen  ergänzen.  Die  anmutige 
Art  des  späteren  Archaismus  ist  von  dem  Kopisten  im  wesentlichen 
treu  wiedergegeben,  auch  die  Bemalung,  diese  freilich  wohl  etwas 
vergröbert:  gelb  war  das  Haar,  braun  die  Augensterne,  schwarz 


Fig.  278.     Bacchus,  sogen.  Narcissus.    Uronzestatuette.    Photographie  Brogi. 


Wimpern  und  Brauen,  gelb  die  Rosetten  des  Diadems,  reich  in 
Gelb,  Rosenrot  und  WeiĂź  verziert  der  Saum  des  Mantels ;  rosen- 
rote Streifen  sind  kenntlich  an  den  Armlöchern,  am  Saume  des 
Chiton  und  an  der  Halskante  des  Mantels. 


470  Pompeji. 

Von  der  archaischen  Apollostatue,  die  in  der  nach  ihr  be- 
nannten Casa  del  citarista  am  Fuße  einer  Säule  des  Peristyls 
stand,  war  schon  auf  S.  373  die  Rede. 

Wir  schließen  diesen  Abschnitt  mit  der  Erwähnung  dreier 
berühmter  Bronzestatuetten,  die  zu  dem  Schönsten  gehören,  was 
die  verschĂĽttete  Stadt  uns  geschenkt  hat. 

Erstens  der  tanzende  gehörnte  Satyr,  gefunden  in  der  nach 
ihm  benannten  Casa  del  Fauno  (Fig.  277).  Mit  bewundernswerter 
Kunst  ist  der  derbsinnliche  Bursche  dargestellt,  wie  er  mit  An- 
spannung aller  Muskeln  seines  sehnigen  Körpers  leicht  dahintanzt. 
Der  Ort  seiner  Aufstellung  ist  unbekannt;  man  fand  ihn  im 
Atrium  liegend;  aber  zu  dem  Springbrunnen  des  Impluviums 
kann  er  nicht  wohl  gehört  haben. 

Zweitens  der  mit  erhobenem  Arm  ein  Gefäß  tragende  epheu- 
bekränzte  Silen.  Ebenso  meisterhaft  wie  dort  das  leichte  Dahin- 
schweben  ist  hier  die  ^Anstrengung  des  Tragens  zum  Ausdruck 
gebracht.  Ungeschickterweise  ist  der  Tragring  des  Gefäßes  als 
Schlange  gestaltet.  Die  etwa  40  cm  hohe  Figur,  nebst  TrĂĽmmern 
des  von  ihr  getragenen  Gefäßes  aus  farbigem  Glas,  wurde  gefunden 
im  Jahre  1864,   im  Hause  des  Popidius  Priscus,  IV  (VII),  2,  20. 

Drittens  endlich  der  sogenannte  NarciĂź,  59  cm  hoch,  gefunden 
1863  im  Hause  IV  (VII),  12,  21,  ein  Werk  von  auĂźerordentlicher 
Schönheit.  Die  wundervoll  flüssigen  Umrisse  der  in  voller  Jugend- 
blĂĽte schwellenden  Glieder,  der  kindlich  harmlose  Ausdruck  des 
lieblichen  Gesichtes,  der  Ausdruck  auch  in  der  Bewegung  —  der 
Jüngling  horcht  mit  Wohlgefallen  auf  einen  fernen  Laut  —  alles 
dies  vereinigt  sich  zu  einem  Ganzen  von  unendlich  harmonischer 
Wirkung.  Der  Name  NarciĂź  freilich,  der  ihm  gleich  nach  der 
Ausgrabung  von,  Fiorelli  gegeben  wurde,  ist  sicher  falsch;  da 
nach  der  Sage  NarciĂź  die  Liebe  der  Nymphe  Echo  nicht  er- 
widert, so  konnte  auch  nicht  dargestellt  werden,  wie  er  mit 
offenbarem  Wohlgefallen  auf  ihren  Ruf  horcht.  Man  hat  ihn 
auch  Pan  genannt,  von  eben  diesem  Motiv  des  Horchens  aus- 
gehend, weil  die  Sage  von  einem  Liebesverhältnis  zwischen  Pan 
und  Echo  berichtet.  Aber  dieser  JĂĽngling  ist  eben  nicht  Pan: 
es  fehlt  jedes  charakteristische  Attribut  des  Hirtengottes,  und 
namentlich  widerspricht  die  elegante  Beschuhung  einer  solchen 
Deutung    auf    das    entschiedenste.      Dieser    blĂĽhende    JĂĽngling, 


LIII.    Die  Skulptur.  a-jj 

epheubekränzt,  mit  einem  Rehfell  (Nebris)  um  die  Schulter,  mit 
dem  hohen,  geschnĂĽrten  Schuhwerk,  kann  kein  anderer  sein  als 
Dionysos  selbst.  Man  hat  vermutet,  er  spiele  —  wie  das  in  der 
alten  Kunst  öfter  vorkommt  —  mit  seinem  Panther.  Aber  sicher 
war  auf  dieser  Basis  nie  ein  Panther  neben  dem  Gotte  vorhanden. 
Und  dann  kommt  doch  auch  die  eigentĂĽmliche,  ausdrucksvolle 
Haltung  bei  dieser  Deutung  nicht  zu  ihrem  Recht.  Darin  haben 
doch  wohl  die  anderen,  oben  erwähnten  Deutungen  Recht:  der 
Gott  lauscht  auf  ferne  Töne.  Welcher  Art  diese  Töne  sind,  das 
bleibt  für  uns  vorderhand  ein  Rätsel. 


Kapitel  LIV. 
Malerei.     Wanddekorationen. 

Die  Wände  der  Innenräume  sind  durchweg  bunt  bemalt.  Nur 
in  KĂĽche,  Vorratskammern,  Sklavenzimmern  begnĂĽgte  man  sich 
wohl  mit  einem  weißen  Anstrich.  Wenn  die  Fassaden  —  was 
in  römischer  Zeit  nicht  mehr  vorkommt  —  monumental  aus 
Quadern  aufgefĂĽhrt  waren,  so  blieben  sie  ohne  Bewurf;  bisweilen 
wurde  dann,  wie  am  Hause  des  Faun,  das  Portal  des  Hauptein- 
ganges durch  weiĂźen  Stuck  ausgezeichnet.  Im  ĂĽbrigen  kam  es 
wohl  einzeln  vor,  namentlich  in  der  letzten  Zeit,  daĂź  man  sich 
mit  einer  unbeworfenen  Ziegel-  oder  Reticulatmauer  begnĂĽgte; 
durchweg  aber  erhielt  auch  die  Fassade  ihren  Stuckbewurf,  der 
in  älterer  Zeit,  bis  in  die  Zeit  des  zweiten  Stiles,  meist  weiß 
geblieben  zu  sein  scheint,  später  aber  einfach  bemalt  zu  werden 
pflegte,  meistens  nur  so,  daĂź  ein  dunklerer  Sockel  von  der 
weißen  obern  Fläche  unterschieden  wurde. 

Die  Malerei  ist  durchaus  Fresko;  dies  ist  nach  den  sorgfäl- 
tigen Untersuchungen  O.  Donners  (vor  Helbigs  Katalog  der 
Wandgemälde)  nie  mit  ernstlichen  Gründen  in  Frage  gestellt 
worden.  Zwar  ein  Stuckbewurf,  wie  ihn  Vitruv  vorschreibt  — 
drei  Lagen  Sandstuck  und  drei  Lagen  Marmorstuck,  die  eine 
immer  feiner  als  die  andere  —  ist  in  Pompeji  nicht  nachweisbar. 
Durchweg  aber  finden  wir  in  besser  bemalten  Räumen  über  einer 
oder  mehreren  Schichten  Sandstuck  eine  oder  auch  mehrere 
Schichten  eines  mit  Marmorstaub  bereiteten  Stuckes.  Ein  guter 
Stuck  ist  im  Mittel  5  cm,  selten  bis  zu  8  cm  stark.  Nur  in  ver- 
nachlässigten Räumen  hat  man  sich  mit  bloßem  Standstuck  be- 
gnĂĽgt. Bisweilen  kommt  es  auch  vor,  daĂź  statt  des  zerstoĂźenen 
Marmors  Ziegelmehl  beigemischt  ist. 

Eine  so  starke  Stuckschicht  blieb  lange  feucht,  und  man 
konnte  länger  darauf  malen  als  auf  modernem  Stuck,  doch  aber 


LIV.    Malerei.     Wanddekorationen. 


473 


nicht  immer  lange  genug,  um  in  einem  StĂĽck  die  ganze  Wand 
zu  vollenden.  So  sind  denn  in  der  Tat  mehrfach  in  sorgfältiger 
behandelten  Wänden  Ansätze  (»Näte«)  nachgewiesen  worden. 
Namentlich  aber  sind  die  eigentlichen  Bilder  mit  wenig  Ausnahmen 
auf  besonders  eingeputzten  Stuck  gemalt.  Die  ornamentale  Aus- 
schmĂĽckung der  ganzen  Wand  nahm  zu  viel  Zeit  in  Anspruch, 
als  daß  der  Stuck  nachher  noch  frisch  genug  gewesen  wäre,  um 
auf  ihm  die  Bilder  auszuführen.  Man  schnitt  also  ein  der  Größe 
des  Bildes  entsprechendes  viereckiges  oder  rundes  StĂĽck  aus, 
fĂĽllte  die  LĂĽcke  mit  frischem  Stuck  und  malte  auf  diesem.  DaĂź 
ein  eigentliches  Bild  auf  den  schon  farbigen  und  getrockneten 
Grund  der  ganzen  Wand  gemalt  ist,  kommt  in  der  letzten  Zeit 
Pompejis  ausnahmsweise  vor,  hat  sich  aber  stets  durch  sehr  ge- 
ringe Dauerhaftigkeit  gerächt.  Sehr  häufig  ist  dagegen  dies  Ver- 
fahren zu  beobachten  an  den  auf  den  farbigen  Grund  aufgesetzten 
Ornamenten  und  den  in  der  Mitte  der  Wandfelder  angebrachten 
einzelnen  Figuren:  wahrscheinlich  ist  hier  ein  Bindemittel  an- 
gewandt worden  (Temperamalerei) ;  es  durch  Analyse  der  Farben- 
reste nachzuweisen,  ist  bisher  nicht  gelungen. 

Im  Hause  des  Lucretius  (S.  372),  in  dem  Hause  VI,  15,  13, 
und  einzeln  noch  sonst  (vgl.  S.  299),  haben  sich  in  der  Mitte  der 
Wände,  am  Platze  des  Hauptbildes,  die  Spuren  in  den  Wandstuck 
eingelassener  Holztafeln  gefunden.  DaĂź  dies  Bilder  waren,  kann 
nicht  wohl  bezweifelt  werden.  Da  aber  diese,  namentlich  bei  der 
geringen  Dicke  der  Tafeln,  schnell  zugrunde  gehen  muĂźten,  so 
werden  wir  wohl  annehmen  dĂĽrfen,  daĂź  sie  nicht  besonders 
wertvoll  waren. 

Der  Kunstwert  der  pompejanischen  Malereien  ist  ein  sehr 
verschiedener,  von  geringer  Handwerksarbeit  bis  zu  wahrhaft 
kĂĽnstlerischen  Leistungen,  wie  im  Hause  des  tragischen  Dichters, 
im  Hause  der  Vettier,  im  Hause  des  Kastor  und  PoUux.  DaĂź 
die  geringere  Qualität  der  Zahl  nach  überwiegt,  liegt  in  der  Natur 
der  Sache. 

Die  Geschichte  der  pompejanischen  Wandmalerei  ist  schon 
frĂĽher  (S.  39  fif.)  kurz  gestreift  worden.  Wir  mĂĽssen  ihr  jetzt  eine 
etwas  eingehendere  Betrachtung  widmen. 

Zwei  Dinge  sind  hier  zu  scheiden.     Erstens  die  ornamentale, 


474  Pompeji. 

wir  können  auch  sagen  architektonische  Ausschmückung  ganzer 
Wandflächen,  zweitens  die  figürlichen,  landschaftlichen  und  son- 
stigen Darstellungen,  durch  die  diese  Dekorationen  belebt  werden. 
FĂĽr  erstere  liegt  in  Pompeji  eine  etwa  zwei  Jahrhunderte  um- 
fassende Entwicklung  in  vollkommener  Klarheit  vor  uns;  fĂĽr 
letztere  können  wir  wohl  verschiedene  Manieren  verschiedener 
Zeiten  unterscheiden,  nicht  aber  eine  eigentliche  Entwicklung 
verfolgen,  und  es  ist  trotz  mancher  BemĂĽhungen  noch  nicht  ge- 
lungen, zu  der  Gesamtentwicklung  der  antiken  Malerei  den  hier 
vorliegenden  Ausschnitt  in  ein  recht  klares  und  sicheres  Ver- 
hältnis zu  setzen.  Die  hier  in  Betracht  kommende  Zeit  ist 
eben  fĂĽr  die  figĂĽrliche  und  landschaftliche  Malerei  keine  Zeit 
kräftiger  Entwicklung.  Schon  früher  hat  die  Kunst  ihr  ganzes 
Können  erreicht  und  zehrt  jetzt  eklektisch  von  den  Errungen- 
schaften der  Vergangenheit. 

Die  Entwicklung  des  dekorativen  Kunstgewerbes  ist  eine 
spätere.  Wir  wissen  von  ihm  aus  älterer  Zeit  so  gut  wie  nichts. 
Vermutlich  hat  es  erst  seit  der  Zeit  Alexanders,  unter  dem  Ein- 
fluĂź der  BerĂĽhrung  mit  dem  Orient,  einen  rechten  Aufschwung 
genommen.  Sicher  ist,  daĂź  es  bis  in  die  Kaiserzeit  hinein  in 
voller,  lebendiger  Entwicklung  blieb.  Erst  mit  der  Zeit  der 
Zerstörung  Pompejis  scheint  ein  Stillstand,  ein  eklektisches  Zu- 
rĂĽckgreifen auf  die  Vergangenheit,  eine  Verarmung  dieser  Kunst 
eingetreten  zu  sein.  Aber  hier  beginnt  schon  wieder  das  Dunkel. 
Es  fehlt  nicht  ganz  an  Resten  aus  der  Zeit  der  Antonine,  und 
wieder  des  Septimius  Severus,  aber  sie  sind  zu  vereinzelt,  um 
auch  fĂĽr  diese  Zeit  den  Verlauf  genau  zu  verfolgen.  Die  einzige 
helle  Periode  in  der  Geschichte  der  antiken  Wanddekoration 
ist  eben  die  in  Pompeji  vorliegende. 

Aus  der  Zeit  der  ältesten  Häuser  Pompejis,  der  Kalkstein- 
atrien, ist  keine  Spur  einer  kĂĽnstlerischen  Wanddekoration  vor- 
handen, nur  geringe  Reste  weißen  Stuckes.  Dagegen  sind  Wände 
der  Tuffperiode,  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.,  bis  zur  Zeit 
der  römischen  Kolonie,  vielfach  vorzüglich  erhalten.  Dank  der 
soliden  und  sorgfältigen  Stuckarbeit  jener  Zeit.  Die  Dekora- 
tionsweise dieser  Zeit  ist  der  erste  pompejanische  Stil.  Ein  treff- 
liches Beispiel  gibt  das  S.  268  abgebildete  Schlafzimmer.  Wir 
geben  auĂźerdem   hierbei  (Fig.  279)   eine  Wand   des  Atriums  im 


LIV.   Malerei.    Wanddekorationen. 


475 


Hause  des  Sallust  restauriert.  Hauptmotiv  dieser  Dekoration  ist 
die  in  Stuckrelief  nachgeahmte  Wandbekleidung  mit  buntfarbigen 
Marmorplatten,  die  ihrerseits  durch  ihre  Anordnung  und  durch 
den  etwas  vertieften  Rand  die  Andeutung  eines  Quaderbaues 
geben.  Dazu  kommen  einige  wenige  architektonische  Elemente, 
namentlich  ein  auf  Wänden  dieses  Stils  fast  nie  fehlendes  Ge- 
sims nach  Art  des  Dachrandes  eines  Tempels,  mit  Zahnschnitt. 
Sein  Profil  zeigt  der  auf  S.  301  abgebildete  TĂĽrsturz  der  Casa 
del  Fauno.  Es  ist  sehr  merkwĂĽrdig,  daĂź  eben  nur  dies  Gesims, 
etwas  mehr  oder  weniger  detailliert,  etwas  mehr  oder  weniger 
elegant  ausgefĂĽhrt,  als  Wandteilung  verwendet  wird,  kein  anderes; 
auĂźerdem  etwa  noch  eine  einfache  Leiste,  oder  ein  glatter  Gurt 
mit  kleiner  Sima  am  obern  Rande.  Eine  gewisse  Armut  an 
Formen,  eine  etwas  nĂĽchterne  Eleganz,  eine  gesuchte  Einfachheit 
sind  die  Charakteristik  dieses  Stiles.  Denn  gesucht  und  gewollt 
ist  diese  Einfachheit  sicher:  das  zweite  Jahrhundert  v.  Chr.  war 
reich  an  architektonischen  Formen,  und  es  ist  nicht  denkbar, 
daĂź,  wer  mit  so  feinem  GefĂĽhl  dies  Zahnschnittgesims  ausfĂĽhrte, 
nicht  auch  andere  Formen  beherrscht  haben  sollte. 

Zunächst  am  Boden  finden  wir  stets  einen  Sockel.  Nur  selten 
erstreckt  sich  auch  auf  ihn  die  Nachahmung  der  Marmorplatten 
mit  vertieftem  Rande;  gewöhnlich  ist  er  glatt  und  hellfarbig, 
weitaus  am  häufigsten  gelb:  die  später  herrschende  Regel,  daß 
der  Sockel  dunkler  sein  muĂź  als  die  oberen  Teile,  ist  diesem  Stil 
fremd.  Diese  Vorliebe  für  gelbe  Farbe  des  Sockels  hängt  wohl 
mit  einer  Vorstellung  zusammen,  die  mit  der  Marmornach- 
ahmung nichts  zu  tun  hat,  und  ist  wohl  älter  als  dieser  ganze 
Dekorationsstil.  Die  Sitte,  zu  unterst  an  der  Wand  einen  Sockel 
anzubringen,  stammt  doch  nur  daher,  daĂź  fĂĽr  den  untersten, 
der  Beschädigung  am  meisten  ausgesetzten  Teil  der  Wand  der 
Stuck  als  ein  zu  gebrechliches  Material  erschien  und  man  ihn 
deshalb  mit  Holz  verkleidete,  wie  es  noch  heute  häufig  genug 
geschieht.  Das  Motiv  wurde  dann  auch  da  festgehalten,  wo  man 
die  Wand  bis  unten  hinab  nur  mit  Stuck  bekleidete;  die  gelbe 
Farbe  aber  ist  ohne  Zweifel  eine  Erinnerung  an  den  frĂĽher 
einmal  ĂĽblichen  Holzsockel. 

Ăśber  dem  meist  durch  einen  glatten  vorspringenden  Gurt  be- 
grenzten Sockel    beginnt    die   Nachahmung    der  Marmorplatten. 


476 


Pompeji. 


Zunächst  große,  meist  (so  auf  unserer  Abbildung)  liegende  und 
dann  stets  schwarze,  weiter  oben  kleinere  liegende  Rechtecke, 
mehrfarbig  und  meist  in  mehreren  Reihen.  Ăśber  diesen  folgt 
regelmäßig  das  Zahnschnittgesims,  häufig,  wie  in  dem  Schlaf- 
zimmer S.  268,  als  AbschluĂź  der  ganzen  Dekoration,  so  daĂź 
oberhalb  desselben  die  Wand  nur  noch  mit  grobem  weiĂźen  Stuck 
bekleidet  ist.  Seltener  ist  auch  noch  weiter  oben  die  Marmor- 
bekleidung irgendwie  angedeutet,  aber  in  möglichst  einfacher 
Weise,    etwa   als    glatte  Platte,   ohne   den  zurĂĽcktretenden  Rand, 


Fig.  279.     Wanddekoration  ersten  Stiles  im  Atrium  des  Hauses  des  Sallust. 


oder  es  ist,  wie  in  unserer  Abbildung,  dieser  obere  Teil  einfach 
durch  verschiedenfarbigen  Stuck  ausgefĂĽllt.  Regel  aber  ist  jene 
andere  Art,  nach  der  das  Zahnschnittgesims  den  AbschluĂź  bildet; 
und  hier  ist  die  zugrunde  liegende  Vorstellung  klar:  auf  der 
wirklichen  Wand  ist  oberhalb  des  Sockels  eine  niedrigere,  mit 
Marmorplatten  bekleidete,  oben  durch  das  Gesims  abgeschlossene 
Wand  dargestellt,  oder  vielmehr  eine  solche  Darstellung  durch 
die  Dekoration  angedeutet.  Es  ist  wichtig  dies  Motiv  zu  merken, 
weil  es  in  die  späteren  Stile  übergegangen  und  hier  für  die  Ein- 
teilung der  Wand  maĂźgebend  geworden  ist. 

Es  wird  gut  sein,    die  Vorstellungen,   auf  denen  diese  Deko- 
ration beruht,  noch  etwas  näher  zu  betrachten. 


LIV.    Malerei.     Wanddekorationen. 


477 


Erstens,  die  Dekoration  reicht  nur  bis  zu  einer  gewissen 
Höhe  und  hat  hier  einen  simsartigen  Abschluß:  ein  leicht  ver- 
ständliches und  auch  der  modernen  Dekorationskunst  geläufiges 
Motiv.  Es  entsteht  aus  dem  Gebrauch,  den  untern  Teil  der 
Wände,  bis  über  Mannshöhe,  etwa  2  bis  2,50  m,  mit  Holz- 
täfelung (Lambris,  Paneelwerk)  zu  verkleiden,  um  ihn  gegen 
Beschädigung,  die  Bewohner  aber  gegen  Feuchtigkeit  und  Kälte 
der  Mauer  zu  schützen.     Daß   sich  solche  Täfelung  nicht  auch 


Fig.  280.     Verteilung  der  Farben  auf  der  Wand  Fig.  279. 


auf  den  obern  Wandteil  erstreckte,  mochte  in  antiken  Wohnungen 
auch  darauf  beruhen ,  daĂź  hier  die  Fenster  angebracht  waren 
(s.  S.  268,  Fig.  136).  Es  ist  nun  leicht  verständlich,  daß  der 
obere  Abschluß  der  Täfelung  eine  simsartige,  mehr  und  mehr 
architektonische  Gestalt  erhielt,  und  daĂź  im  AnschluĂź  daran  die 
ganze  Täfelung  als  eine  bis  zu  dieser  Höhe  reichende  und  hier 
durch  das  Gesims  abgeschlossene  Mauer  charakterisiert  wurde. 
Begreiflich  ist  es  ferner,  daß  die  Täfelung,  namentlich  nachdem 
sie  dekorativ  ausgebildet  war,  nicht  immer  wirklich  in  Holz  aus- 
gefĂĽhrt, sondern  durch  Malerei  und  Stuckarbeit  nachgeahmt 
wurde.  So  sieht  man  jetzt  in  Rom  (und  auch  wohl  anderswo), 
namentlich   in  Schenklokalen,   sehr  oft  Holzbekleidung  bis  ĂĽber 


478  Pompeji. 

Manneshöhe;  aber  es  kommt  auch  vor,  daß  diese  Täfelung  durch 
holzfarbige  Tapeten,  bis  zu  dieser  Höhe,  ersetzt  wird.  Und  noch 
häufiger  sind  solche  Tapeten  in  Sockelhöhe  als  Ersatz  eines 
hölzernen  Brüstungslambris. 

Zweitens  die  Nachahmung  der  Marmorbekleidung.  Es  wurde 
einmal  üblich,  die  Wände  mit  bunten  Marmorplatten  zu  bekleiden. 
Und  da  nun  die  Täfelung  die  Gestalt  einer  mit  dem  Gesims  ab- 
schlieĂźenden Mauer  angenommen  hatte,  so  lieĂź  man  auch  dieser 
Mauer  den  modernen  Schmuck  zuteil  werden.  Hier  sind  nun 
mehrere  Möglichkeiten.  Entweder  diese  Bereicherung  fand  schon 
statt,  als  man  die  Wand  noch  wirklich  mit  Holz  täfelte  und  es 
wurde  damals  auf  dem  Holzwerk  die  Marmorbekleidung  durch 
Bemalung  und  vielleicht  auch  durch  Tischlerarbeit  nachgeahmt. 
Dann  sind  die  pompejanischen  Wände  freie  Stucknachahmungen 
der  scheinbar  marmorbekleideten  Holztäfelung.  Oder  sie  trat  erst 
ein,  als  man  schon  dazu  übergegangen  war,  die  Holztäfelung  in 
Stuck  und  Malerei  nachzuahmen;  dann  wurde  sie  nicht  mehr 
der  hölzernen  Täfelung  zuteil,  sondern  einer  aus  ihr  entstandenen 
älteren  Wanddekoration,  aus  der  nun  wieder,  durch  eben  diese 
Bereicherung,  der  erste  pompejanische  Stil  entstand.  Oder  end- 
lich —  und  das  ist  wohl  das  wahrscheinlichste  —  es  fand  beides 
statt:  es  gab  damals  sowohl  wirkliche  Holztäfelung  als  Stuck- 
nachahmung derselben,  und  beide  wurden  jetzt  durch  nach- 
geahmte Marmorbekleidung  geschmückt.  Daß  es  nämlich  wirk- 
liche Holztäfelungen  mit  solchem  Schmuck  gab,  ergibt  sich  mit 
großer  Wahrscheinlichkeit  aus  Wänden  des  zweiten  Stiles,  auf 
denen  das  als  niedrige  Mauer  gestaltete  Getäfel  entschiedene 
Holzformen  zeigt,  namentlich  am  Gesims,  aber  auch  an  den 
scheinbar  marmorbekleideten  Teilen;  dies  ist  kaum  anders  zu  er- 
klären als  so,  daß  diese  Wandmaler  das  architektonisch  gestaltete 
Holzgetäfel  mit  aufgemalter  Marmornachahmung  noch  kannten, 
dieses  also  neben  der  aus  ihm  entstandenen  Stuckdekoration  fort- 
bestand. 

Drittens  der  gelbe  Sockel,  Nachahmung  einer  Holztäfelung 
in  Brüstungshöhe  (»Brüstungslambris«).  Er  steht  eigentlich  im 
Widerspruch  zu  den  oberen,  scheinbar  marmorbekleideten  Wand- 
teilen. Denn  bedeuten  diese  ein  Holzgetäfel,  was  soll  dann  noch 
ein  hölzerner  Sockel?     Und   stellen  sie   eine  Marmormauer  dar. 


LIV.    Malerei,     Wanddekorationen. 


479 


so  scheint  es  doch  sinnwidrig,  daĂź  diese  nicht  auf  dem  Boden 
steht,  daĂź  unter  ihr  ein  neutrales  Glied  eingeschoben  ist  und  sie 
nun  gleichsam  in  der  Luft  schwebt.  Hier  sind  also  diese  oberen 
Teile  weder  als  Holzlambris  noch  als  Marmormauer  gefaĂźt, 
sondern  einfach  als  das  was  sie  wirklich  sind,  als  Stuckdekora- 
tion. Diese  ist  in  ihren  untersten  Teilen  Beschädigungen  sehr 
ausgesetzt;  es  ist  daher  zweckmäßig,  sie  nicht  ganz  auf  den 
Boden  hinabzufĂĽhren,  sondern  hier  eine  Bekleidung  aus  wider- 
standsfähigerem Material,  aus  Holz,  anzubringen.  Und  es  ist  wie 
eine  Ironie  des  Schicksals,  daĂź  dieser  zur  Schonung  der  Stuck- 
dekoration erfundene  Holzsockel  nun  auch  seinerseits  durch  eine 
Stucknachahmung  ersetzt  wurde  und  nur  in  dieser  Nachahmung 
auf  uns  gekommen  ist. 

Und  wenn  wir  genau  zusehen  (Fig.  27g),  so  finden  wir,  daĂź 
sich  dieser  Vorgang  noch  ein  drittes  Mal  wiederholt  hat.  Ganz 
unten  am  Fußboden  läuft  ein  nur  8  cm  hoher  rötlicher  Streif. 
Er  kann  nicht  gut  etwas  anderes  bedeuten  als  eine  Sicherung 
des  alleruntersten  Teiles  der  Wand  durch  festeres  Material  (FuĂź- 
lambris).  Diese  konnte  natĂĽrlich  nicht  aufkommen  ehe  an  die 
Stelle  des  Holzsockels  der  gelbe  Stucksockel  getreten  war; 
schlieĂźlich  ist  dann  auch  sie  durch  eine  Stucknachahmung  er- 
setzt worden.  Dieser  Bodenstreif  ist  auch  in  die  späteren  Stile 
ĂĽbergegangen  (Fig.  281,  283). 

In  der  Tat  ist  nun  dieser  zu  der  ĂĽbrigen  Dekoration  nicht 
recht  passende  gelbe  Sockel  ein  späterer  Zuwachs.  Nämlich 
eine  ältere  Form  dieses  Stiles  kennen  wir  durch  die  Aus- 
grabungen auf  Delos  und  in  Priene.  Zwar  sind  dort  die  Wände 
bei  weitem  nicht  so  gut,  namentlich  nicht  so  hoch  erhalten  wie 
in  Pompeji,  aber  es  ist  doch  klar,  daĂź  die  Anordnung  wesent- 
lich dieselbe  ist,  nur  mit  Ausschaltung  des  Sockels.  Zu  unterst 
ein  Bodenstreif,  in  Priene  meist  30,  einzeln  50  cm  hoch  und 
farblos,  in  Delos  wie  es  scheint  noch  niedriger  und  meist  dunkel- 
rot; es  liegt  nahe,  zu  denken,  daĂź  man  ihn  manchmal  auch  als 
FuĂźlambris  aus  Holz  oder  Stein  herstellte.  Dann  beginnt  die 
eigentliche  Dekoration  gleich  mit  den  groĂźen  Rechtecken,  bis- 
weilen quadratisch,  meist  mehr  hoch  als  breit  (OrthostatenU  sie 
reichen  bis  zur  Höhe  von  1,50  m,  bleiben  also  ganz  unter 
Augenhöhe.     Über  ihnen,    also   grade   in  Augenhöhe,    läuft   ein 


480  Pompeji. 

30  bis  50  cm  breiter,  meistens  reich  ornamentierter  Gurt.  Dann, 
über  Augenhöhe,  die  uns  aus  Pompeji  bekannten  liegenden 
Rechtecke,  drei  bis  vier  Reihen,  endlich  das  abschlieĂźende  Ge- 
sims und  zwar  in  Priene  in  mehreren  Räumen  ein  Zahnschnitt- 
gesims wie  in  Pompeji. 

GewiĂź  ist  eine  solche  Wand,  fĂĽr  sich  betrachtet,  logischer, 
korrekter  als  die  pompejanischen.  Die  Orthostaten  fungieren, 
ihrer  Natur  gemäß,  als  Sockel,  werden  als  solcher  auch  be- 
zeichnet durch  den  sie  abschlieĂźenden  Gurt.  Den  eigentlichen 
Mauerkörper  bedeuten,  ebenso  korrekt,  nur  die  liegenden  Platten, 
gelagert  wie  Quadern  mit  regelmäßigem  Fugenwechsel.  Aber 
ganz  anders  lautet  das  Urteil  wenn  wir  eine  solche  Wand  be- 
trachten im  Verhältnis  zum  Zimmer  und  seinen  Bewohnern;  da 
läßt  sich  kaum  eine  ungünstigere  Anordnung  denken.  In  Augen- 
höhe ein  starkes  Teilungsglied,  der  Sockelgurt,  so  daß  nun  weder 
die  groĂźen  noch  die  oberen  kleinen  Platten  recht  zur  Wirkung 
kommen  und  das  Auge  keiner  Fläche  begegnet  auf  der  es 
ruhen  kann.  Der  Fehler  ist  die  zu  große  Höhe  des  Sockels:  in 
einem  Wohnraum  darf  dieser  nie  die  Augenhöhe  erreichen  oder 
ihr  auch  nur  nahe  kommen. 

Diesen  schweren  Mängeln  wird  durch  die  Hinzufügung  des 
pompejanischen  glatten,  gelben  Sockels  vollständig  abgeholfen. 
Durch  ihn  werden  die  großen  Rechtecke  in  die  Höhe  gehoben,  in 
dem  Falle  unserer  Fig.  274  um  o,go  m,  in  so  ziemlich  allen  anderen 
Fällen  noch  beträchtlich  mehr,  so  daß  sie  nun  als  große  ruhige 
Fläche  in  Augenhöhe  liegen.  Der  Sockel  der  durch  die  Deko- 
ration dargestellten  oder  angedeuteten  Quadermauer  ist  Haupt- 
fläche der  Zimmerwand  geworden,  von  der  aus  nun  die  liegen- 
den Rechtecke  zum  abschlieĂźenden  Gesims  ĂĽberleiten.  Es  be- 
deutet also  die  pompejanische  Dekoration  einen  wesentlichen 
Fortschritt  gegenüber  der  älteren;  sie  ist  weniger  streng  archi- 
tektonisch, läßt  die  ursprüngliche  Vorstellung  weniger  deutlich 
erkennen,  zeigt  aber  ein  viel  größeres  Verständnis  für  die  deko- 
rative Aufgabe. 

Die  Wand  unserer  Fig.  279  gewinnt  ein  besonderes  Interesse 
dadurch  daĂź  hier  die  Umwandlung  noch  nicht  vollkommen 
durchgeführt  ist.  Die  geringe  Höhe  des  Sockels  und  mehr  noch 
das  Fehlen  des  ihn  abschlieĂźenden  Gurtes  (vgl.  S.  268,  Fig.  136) 


I,IV.    Malerei.    Wanddekorationen.  48 1 

sind  fühlbare  Mängel,  die  wir  aber  leicht  begreifen,  wenn  wir 
uns  erinnern,  daĂź  dieser  Sockel  nur  eine  Erweiterung  des 
niedrigen  Bodenstreifens  der  älteren  Dekorationsweise  ist.  So 
erheben  sich  denn  auch  die  groĂźen  Felder  hier  nur  wenig  ĂĽber 
die  Augenhöhe,  während  die  sonst  stets  den  Bewohnern  des 
Zimmers  voll  vor  Augen  liegen.  Und  einmal  aufmerksam  ge- 
worden dĂĽrfen  wir  wohl  auch  in  der  ganz  niedrigen  gurtartigen 
Platte  zwischen  den  großen  und  kleinen  Rechtecken  —  sie  findet 
sich  ebenso  in  der  Basilika  —  eine  Erinnerung  erkennen  an  den 
delisch-prienischen  Sockelgurt. 

Bilder  kennt  dieser  Stil  nicht;  figĂĽrliche  Darstellungen  brachte 
man  damals  nicht  auf  den  Wänden,  sondern  im  Mosaik  des  Fuß- 
bodens an.  Wir  dĂĽrfen  wohl  sagen:  diese  Dekorationsart  setzt 
die  Kunst  des  Mosaiks  voraus,  denn  ohne  diesen  Ersatz  wĂĽrde 
eine  kĂĽnstlerisch  hochgebildete  Zeit  schwerlich  auf  den  figĂĽrlichen 
Schmuck  der  Wände  verzichtet  haben,  der  ja  in  früherer  Zeit  — 
es  genĂĽgt  an  die  Werke  Polygnots  und  seiner  Zeitgenossen  zu 
erinnern  —  allgemein  üblich  war. 

Diese  Dekoration  ist  eine  Stuckdekoration.  Sie  setzt  aber  die 
Sitte  der  Wandbekleidung  mit  buntem  Marmor  und  folglich  den 
Besitz  vielerlei  verschiedenfarbiger  Marmorsorten  und  damit  einen 
regen  und  leichten  Verkehr  zwischen  den  Ländern  des  Mittel- 
meers voraus,  wie  er  erst  in  der  Zeit  nach  Alexander  stattfand. 
Und  eben  damals  wurde  wohl  auch  die  Kunst  des  Mosaiks  aus- 
gebildet. So  konnte  also  diese  Dekoration  nur  in  einem  der 
Zentren  dieser  Zeit,  am  leichtesten  in  Alexandria,  entstehen;  sie  ist 
die  Wanddekoration  der  hellenistischen  Periode.  Reste  derselben 
haben  sich,  aus  derselben  Zeit,  auch  in  Pergamon  gefunden. 

Das  älteste  datierte  Beispiel  des  zweiten  pompejanischen  Stiles 
ist  das  in  der  ersten  Zeit  der  römischen  Kolonie,  bald  nach 
80  V.  Chr.,  erbaute  kleinere  Theater;  die  Reste  sind  zwar  gering, 
aber  sicher.  Ziemlich  gleichzeitig  wird  auch  die  Dekoration  des 
Jupitertempels  (S.  61)  sein.  Dieser  Stil  blieb  in  Ăśbung  bis  in 
die  Zeit  des  Augustus;  wir  mögen  ihn  den  Stil  des  letzten  Jahr- 
hunderts V.  Chr.  nennen.  Deutlich  kennbar  ist  in  ihm  der  Fort- 
schritt von  einfacheren  zu  reicheren  und  bunteren  Formen. 
Letztere  sind  freilich  in  Pompeji  nur  schwach  vertreten.  Dagegen 
haben  in  Rom  zwei  Häuser,  eines  auf  dem  Palatin  (genannt   das 

Mau,  Pompeji.     2.  Autl.  â– ^  I 


482  Pompeji. 

Haus  der  Livia,  oder  des  Germanicus)  und  eines  am  rechten 
Tiberufer,  eine  Reihe  der  schönsten  Beispiele  später  Formen 
dieses  Stils  geliefert.  Beide  stammen  wohl  aus  der  ersten  Zeit 
des  Augustus.  Unsere  Tafel  XIII  zeigt  eine  der  wenigen  späteren 
und  reicher  entwickelten  Wände  Pompejis. 

Die  älteren,  einfacheren  Wände  dieses  Stils  —  wir  nennen 
ihn  den  Architekturstil  —  sind  von  denen  ersten  Stils  nicht  sehr 
verschieden.  Wie  diese  ahmen  auch  sie  eine  Bekleidung  mit 
farbigen  Marmorplatten  nach,  freilich  nicht  mehr  in  plastischer 
Stuckarbeit,  sondern  nur  durch  die  Malerei.  Auch  das  die  Wand 
in  etwa  zwei  Drittel  ihrer  Höhe  teilende  Gesims,  ebenfalls  nicht 
mehr  plastisch,  sondern  nur  gemalt,  fehlt  nie;  freilich  aber  ist  es 
nicht  immer  das  Zahnschnittgesims,  sondern  hat  vielfach  andere 
Formen.  Auch  der  Sockel  wird  anders  gestaltet;  er  erscheint  — 
natürlich  nur  gemalt  —  in  mehr  architektonischer  Form,  oben 
durch  ein  scheinbar  stark  vorspringendes  Gesims  abgeschlossen, 
und  fast  ausnahmslos  ist  durch  die  Malerei  der  Schein  erweckt, 
als  ob  über  ihm  die  Wand  zurückträte,  der  Raum  sich  erweiterte. 
Häufig  sind  dann  noch  vor  dieser  zurücktretenden  Wand,  auf 
dem  Sockel  stehend,  bis  an  die  Decke  reichende  Säulen  gemalt. 

Von  diesen  architektonischen  Elementen  aus  entwickelt  sich 
dann,  teils  durch  Hinzutreten  neuer  Motive,  teils  durch  immer 
reichere  Ausbildung  des  Details,  eine  vollständige  Architektur- 
malerei, die  wir  als  die  eigentliche  Charakteristik  dieses  Stiles 
betrachten  dürfen.  Von  der  auch  auf  den  Wänden  der  letzten 
pompejanischen  Zeit  so  ĂĽberreich  wuchernden  Architekturmalerei 
unterscheidet  sich  die  des  zweiten  Stiles  dadurch,  daĂź  in  ihr  die 
Architekturen  in  Proportionen  erscheinen,  die  der  Wirklichkeit 
wenigstens  einigermaßen  entsprechen,  während  der  letzte  Stil, 
den  wir  gewöhnlich  im  Sinne  haben,  wenn  wir  von  pompejani- 
scher  Malerei  reden,  sie  in  ganz  phantastischer  Schlankheit  zeigt. 

Zwei  Motive  sind  es,  die,  innerhalb  dieses  Stiles  ausgebildet, 
von  nun  an,  auch  in  den  späteren  Stilen,  die  ganze  Einteilung 
und  Anordnung  der  Wand  beherrschen. 

Wir  fanden  schon  im  ersten  Stil  das  aus  der  Täfelung  des 
untern  Wandteiles  entstandene  Motiv  einer  auf  der  wirklichen 
Wand  dargestellten  oder  doch  angedeuteten  niedrigeren,  durch 
das  Zahnschnittgesims   abgeschlossenen  Wand.     Dies  Motiv  be- 


.)/.?//,  Pompeji.    2.  AiiĂź.     Taf.  XIII. 


zu  S. 483. 


\\"anddck()i';iti(»n  zweiten  Stils. 


LIV.   Malerei.    Wanddekorationen.  ^gj 

herrscht  vollständig  zwar  nicht  alle,  aber  doch  die  meisten  und 
namentlich  die  späteren  und  reicheren  Wände  des  zweiten  Stiles; 
wir  finden  es  auch  in  unserer  Abbildung  (Taf.  XIII),  wo  auf  dem 
Gesims  jederseits  ein  Silbergefäß  mit  Laub  und  Früchten  steht. 
Die  niedrige  Wand  steht,  zurĂĽcktretend,  auf  dem  Sockel;  ĂĽber 
sie  hinweg  sieht  man  in  einigen  Fällen  auf  eine  weiter  zurück- 
liegende Wand,  in  anderen  ins  Freie  und  auf  den  blauen  Himmel. 
Bisweilen  ragen  hinter  ihr  Säulen  auf  und  sind  mit  den  vor  ihr 
stehenden  durch  Gebälke  in  Verbindung  gesetzt.  In  anderen 
Fällen  stehen  auf  dem  Gesims  —  wo  unsere  Abbildung  die 
beiden  Gefäße  zeigt  —  kleine,  aber  doch  meist  in  richtigen  Pro- 
portionen gemalte  Architekturen.  So  ergibt  sich  eine  Dreiteilung 
der  Höhe  nach;  der  Sockel,  die  Hauptfläche,  d.  h.  die  mit  dem 
Gesims  abschlieĂźende  niedrige  Wand,  der  obere,  im  ersten  Stil 
leer  bleibende  Teil  ĂĽber  derselben.  Und  diese  drei  Teile  werden 
auch  in  den  folgenden  Stilen  unverbrĂĽchlich  festgehalten,  wenn- 
gleich ihre  architektonische  Charakteristik  schwindet. 

Das  zweite  Motiv  hat  im  ersten  Stil  keinen  AnknĂĽpfungs- 
punkt: es  ist  der  auch  in  unserer  Abbildung  die  Mitte  der  Wand 
einnehmende,  das  Bild  enthaltende  pavillonartige  Bau.  Er  ist 
ursprĂĽnglich  gedacht  als  ein  vor  der  niedrigen  Wand  stehender, 
architektonisch  gestalteter  Bildrahmen;  doch  ist  diese  Vorstellung 
bisweilen  verdunkelt;  so  auch  in  unserer  Abbildung,  wo  er  als 
ein  auch  nach  hinten  offener,  im  Freien  stehender  Pavillon  er- 
scheint, an  den  jederseits  die  niedrige  Mauer  sich  anschlieĂźt. 
So  ergibt  sich  auch  in  horizontaler  Richtung  eine  Dreiteilung: 
der  Mittelbau  und  die  beiderseits  ĂĽbrig  bleibenden  W^andstĂĽcke. 
Und  wenn  auch  diese  Dreiteilung  zunächst  nur  die  Hauptfläche 
betrifft,  so  wirkt  sie  natĂĽrlich  doch  auch  auf  die  Anordnung  des 
Sockels  und  des  oberen  Teils  ein;  die  Anordnung  der  Wand 
wird  eine  symmetrische,  um  einen  Mittelpunkt  gruppierte. 

Dieser  Mittelbau  bleibt,  stilistisch  umgestaltet,  auch  im  dritten 
Stil  (Fig.  281).  Im  vierten  Stil  wird  das  Motiv  verdunkelt:  es 
wird  wohl  noch  das  Mittelfeld  der  Hauptfläche  durch  seine  archi- 
tektonische Einfassung  hervorgehoben;  aber  diese  umrahmt  eben 
nur  das  Feld,  nicht  das  Bild,  welches,  viel  kleiner,  mitten  in  dem- 
selben und  ohne  Beziehung  zur  Einfassung  des  Feldes  ange- 
bracht ist. 

31* 


484 


Pompeji. 


Der  dritte  Stil  zeigt  in  seiner  Ornamentik,  auch  in  ornamental 
verwendeten  Figuren,  manche  ägyptische  Reminiszenzen;    es   ist 


Fig.  281.     Wanddekoration  dritten  Stiles  im  Hause  des  Spurius  Mcsor. 


wohl  sicher,    daĂź   er  in  Alexandrien  entstanden   und  infolge  der 
ErschlieĂźung  Ă„gyptens,  nach  der  Schlacht  von  Actium  (31  v.  Chr), 


LIV.    Malerei.    Wanddekorationen.  485 

nach  Italien  gekommen  ist.  Es  ist  ein  ornamentaler  Stil;  da  aber 
der  vierte  Stil  dies  auch  ist,  so  nennen  wir  ihn  den  ägyptisie- 
renden  Stil.  Unsere  Abbildung  (Fig.  281)  gibt  eine  vorzĂĽglich 
schöne,  gut  erhaltene  Wand  aus  dem  Hause  des  Spurius  Mesor, 
IV  (VII),  3,  2Q.  Die  Grundmotive  des  zweiten  Stiles  sind  hier 
beibehalten:  der  Sockel,  die  auf  ihm  stehende  niedrige  Wand, 
ĂĽber  die  hinaus  man  in  das  Freie  sieht,  die  kleinen  Architekturen 
in  diesem  obern  Wandteil,  der  pavillonartige  Mittelbau  mit  dem 
Bilde.  Aber  alles  dies  hat  seine  architektonische  Charakteristik 
verloren;  oder,  wo  diese  geblieben  ist,  da  sind  doch  die  Archi- 
tekturteile von  solch  phantastischer  Schlankheit,  daĂź  sie  so  in 
Wirklichkeit  nicht  existieren  könnten.  Und  diese  Ornamentisierung 
der  Architekturglieder  geht  noch  viel  weiter :  wo  hier,  wie  ĂĽber 
dem  Fries,  ĂĽber  dem  Sockel,  ein  gesimsartiges  Glied  wenigstens 
angedeutet  ist,  da  findet  sich  auf  anderen  Wänden  ein  bloßer 
Ornamentstreif. 

Das  mythologische  Bild  dieser  Wand  ist  unerklärt;  der  be- 
kränzte junge  Mann,  der  mit  gesenktem  Schwert  über  einem 
Opfertiere  steht,  wird  von  einer  Priesterin  entsĂĽndigt. 

Das  EigentĂĽmliche  des  dritten  Stils,  und  wodurch  er  sich  von 
dem  der  letzten  Zeit  Pompejis  unterscheidet,  ist  sein  Ornament- 
system. Mit  Worten  ist  es  schwer  zu  charakterisieren.  Es  sind 
vielfarbige  Flächenornamente,  während  die  Ornamentik  des  letzten 
Stils  uns  scheinbar  plastische,  meist  reich  und  kraus  gegliederte 
Formen  zeigt,  einfarbig,  und  zwar  gelb,  Vergoldung  andeutend, 
und  von  hellen  Glanzlichtern  belebt.  Dagegen  sind  im  dritten  Stil 
auch  die  körperlich  erscheinenden  Architekturglieder  glatt  —  die 
Säulen  nicht  kanneliiert,  die  Gesimse  ohne  Gliederung  —  von 
weiĂźlicher  Farbe,  schwach  und  fast  nur  andeutungsweise  in  Grau 
abschattiert  und  mit  vielfarbigen^  aber  größtenteils  nicht  plasti- 
schen Ornamenten  geschmückt.  Auf  Wänden  letzten  Stils  sind 
die  Säulen  kannelliert,  die  Gebälke  plastisch  gegliedert,  beide 
aber  einfarbig  gelb,  d.  h.  scheinbar  vergoldet. 

Die  Trennung  der  verschiedenfarbigen  Flächen  durch  weiß- 
liche, neutrale  Töne,  sowohl  in  den  Architekturgliedern  als  in 
den  Trennungsstreifen  der  Ornamente,  gibt  den  Wänden  des 
dritten  Stils  einen  kalten,  vornehmen  Charakter.  Das  glĂĽhende 
Kolorit,    das    man    wohl    im    allgemeinen    den    pompejanischen 


486 


Pompeji. 


Wänden  zuzuschreiben  pflegt,  ist  in  der  Tat  nur  den  Wänden 
letzten  Stiles  eigen  und  beruht  darauf,  daĂź  hier  Trennungsglieder 
und  Trennungslinien  durchaus  lebhaft  gelb  sind.  Sollen  wir  die 
beiden  letzten  pompejanischen  Stile  ihrem  kĂĽnstlerischen  Werte 

nach  miteinander  ver- 
gleichen, so  können  wir 
sagen,  daĂź  der  dritte 
auf  einer  feineren,  vor- 
nehmeren Geschmacks- 
richtung beruht ,  der 
vierte  aber  dekorativ 
wirksamer  ist. 

Damit  haben  wir 
auch  die  Charakteristik 
des  letzten  pompejani- 
schen Stiles  im  wesent- 
lichen gegeben.  Auch 
er  behält  die  aus  der 
Architekturmalerei  des 
zweiten  Stiles  stam- 
mende Einteilung  der 
Wand,  nimmt  ihr  aber 
ihren  architektonischen 
Charakter.  Doch  ist 
er  nicht  in  dem  Grade 
ornamental ,  wie  der 
dritte  Stil,  nähert  sich 
vielmehr  wieder  dem 
zweiten  durch  eine 
groĂźe  Vorliebe  fĂĽr 
Architekturen.  Freilich 
Architekturen  nicht  im 

Fig.  282.     Uetail  einer  Wanddekoration  vierten  Stiles.  OinnC   ueS  ZWCltCn  otllS, 

in  der  Wirklichkeit  ent- 
sprechenden Verhältnissen  und  Formen,  sondern  jene  spielend 
leichten,  phantastisch  geformten  und  angeordneten  Architekturen, 
die  uns,  wenn  wir  an  antike  Wandmalerei  und  an  ihr  Wieder- 
aufleben in  der  Renaissance  denken,  zunächst  vor  Augen  stehen. 


LIV.   Malerei.    Wanddekorationen. 


487 


Diese  breiten  sich  immer  mehr  aus;  nicht  nur  im  obern  Wandteil 
erscheinen  sie,  wie  im  dritten  Stil  (Fig.  281),  sondern  auch  zwischen 
den  großen  Feldern  der  Hauptfläche  öffnen  sich  Durchblicke  auf 
solch  phantastisches  Bauwerk,  meist  auf  weiĂźem  Grunde,  gelb 
wo  es  dem  Beschauer  am  nächsten  ist,  weiter  rückwärts  in  allen 
Farben  des  Regenbogens  schillernd:  eine  stilisierte  Luftperspektive. 


Fig.  28 


Wanddekoration  vierten  Stiles. 


In  den  am  reichsten,  und  wir  dĂĽrfen  wohl  sagen  am  konse- 
quentesten entwickelten  Formen  dieses  Stiles  treten  die  Archi- 
tekturen der  Durchblicke  in  Verbindung  mit  denen,  die  den 
obern  Wandteil  erfĂĽllen  und,  bis  an  den  obern  Rand  desselben 
reichend,  die  Decke  zu  stĂĽtzen  scheinen,  so  daĂź  nun  die  ganze 
Dekoration  sich  darstellt  als  ein  GerĂĽst  aus  solchen  spielenden 
Architekturen,    das    nur   teilweise  verdeckt   ist   durch    die  eroĂźen 


488  Pompeji. 

Felder  der  Hauptfläche,  die  gewissermaßen  als  auf  dies  Gerüst 
gespannte  Teppiche  erscheinen  und  bisweilen  ausdrĂĽcklich  als 
solche  charakterisiert  sind.  Es  wird  gut  sein  daran  zu  erinnern, 
daĂź  diese  Felder  ihrer  Abstammung  nach  nichts  anderes  sind  als 
die  imitierten  groĂźen  Marmorplatten,  die  noch  im  zweiten  Stil 
gleich  ĂĽber  dem  Sockel  stehen,  die  Durchblicke  ihrer  Abstammung 
nach  nichts  anderes  als  die  zwischen  die  groĂźen  Platten  einge- 
schalteten schmäleren  Platten,  vor  denen  die  Säulen  stehen,  diese 
Säulen  der  Ausgangspunkt  für  die  in  den  Durchblicken  erschei- 
nenden Architekturprospekte.  So  hat  sich  der  ursprĂĽnglichen 
Vorstellung  unvermerkt  eine  ganz  andere  untergeschoben.  Oft- 
mals ist  das  architektonische  Motiv  verdunkelt,  wo  z.  B.  die  Durch- 
blicke und  der  obere  Teil  nicht  durch  die  weiĂźe  Farbe  von  den 
geschlossenen  Feldern  unterschieden  sind,  sondern  der  Grund  der 
ganzen  Wand  (manchmal  mit  Ausnahme  des  Sockels)  einfarbig 
—  schwarz,  weiß,  rot,  gelb  —  ist.  Oder  wo  die  Architekturen 
der  Durchblicke  nicht  mit  denen  des  obern  Wandteils  in  Ver- 
bindung stehen;  oder  endlich  wenn,  was  häufig  vorkommt,  diese 
letzteren  ganz  fehlen  und  durch  allerlei  meist  ziemlich  dĂĽrftige 
ornamentale  Motive  ersetzt  sind. 

Die  großen  Felder  der  Hauptfläche  enthalten  stets  in  der 
Mitte  entweder  ein  Bild  oder  eine  schwebende  Figur  —  einen 
Amor,  einen  Vogel  —  bisweilen  auch  eine  Gruppe:  Amor  und 
Psyche,  Satyr  und  Bacchantin.  Sie  sind  in  den  weitaus  meisten 
Fällen  teppichartig  umsäumt  durch  einen  wenig  innerhalb  ihres 
Randes  umlaufenden  bortenartigen  Streifen,  seltener  durch  einen 
Streifen  stilisierter  Pflanzenmotive;  letzteres  die  weitaus  schönere 
Manier,  deren  bestes  Beispiel  die  berĂĽhmte  schwarze  Wand  (oben 
S.  370)  ist. 

Es  ist  nicht  möglich,  den  vierten,  letzten  pompejanischen  Stil 
aus  dem  dritten  abzuleiten.  Vielmehr  knĂĽpft  er  unmittelbar  an 
den  zweiten  an,  und  zwar  an  Motive  desselben,  auf  deren  Unter- 
drĂĽckung die  ganze  Entwicklung  des  dritten  Stiles  beruht.  Wenn 
wir  nun  finden,  daĂź  in  Italien  der  zweite  Stil  um  den  Beginn 
unserer  Zeitrechnung  erlischt,  der  vierte  aber,  durch  die  ganze 
Zeit  des  dritten  von  ihm  getrennt,  erst  um  50  n.  Chr.  auftritt,  so 
erklärt  sich  dies  wohl  nur  durch  die  Annahme,  daß  auch  der 
vierte    Stil    nicht    in  Italien,    sondern    im    hellenistischen  Osten, 


•/: 


LIV.   Malerei.     Wanddekorationen.  ^go 

schon  frĂĽher  und  in  unmittelbarem  AnschluĂź  an  den  zweiten, 
entstanden  ist.  Während  in  Alexandria  der  zweite  Stil  in  den 
dritten  ĂĽberging,  mochte  in  einem  andern  Zentrum  des  Ostens, 
etwa  in  Antiochia,  eine  parallele  Entwicklung  den  vierten  Stil 
zeitigen.  Jener  kam,  infolge  des  Sieges  von  Actium,  frĂĽher  nach 
Italien;  als  man  hier  nach  einem  halben  Jahrhundert  seiner  mĂĽde 
war,  trat  der  unterdes  im  Osten  weiterbestandene  und  fortent- 
wickelte vierte  Stil  an  seine  Stelle.  Dies  ist  wenigstens  der  wahr- 
scheinlichste Hergang. 


Kapitel  LV. 
Die  Bilder. 

Bilder  an  die  Wand  zu  hängen  war  in  Pompeji,  während  der 
uns  vorliegenden  Zeit,  nicht  ĂĽblich.  Das  System  der  Wand- 
dekoration bietet  hierfĂĽr  keinen  Raum;  die  bildlichen  Darstel- 
lungen sind  ein  Bestandteil  der  Dekoration  selbst.  Sehr  selten 
—  nur  in  vier  Häusern  sind  solche  Spuren  erhalten  (S.  473)  — 
waren  es  in  den  Stuck  eingelassene  Holztafeln;  aber  weitaus  die 
Mehrzahl  aller  Bilder  —  alle  diejenigen,  die  eingerahmt  erscheinen, 
nicht  frei  auf  die  farbigen  Felder  gesetzt  oder  zwischen  die  Archi- 
tekturen verteilt  sind  —  will  die  Vorstellung  erwecken,  als  seien 
es  irgendwie  an  der  Wand  befestigte  oder  vor  ihr  aufgestellte 
Tafelbilder. 

Eine  klare  und  geschlossene  Entwicklungsreihe,  wie  fĂĽr  den 
dekorativen  Teil  der  Wandmalereien,  liegt  hier  nicht  vor.  Nicht 
als  ob  es  an  zeitlichen  Unterschieden  fehlte.  Die  Bilder  dritten 
Stiles  unterscheiden  sich  auf  das  bestimmteste  von  denen  des 
zweiten  und  vierten;  weniger  scharf  diese  voneinander.  Doch 
sind  dies  Unterschiede  der  Malweise  und  des  Kolorits,  schwer  in 
Worte  zu  fassen,  ohne  farbige  Abbildungen  kaum  darstellbar. 
Im  ĂĽbrigen  fand  wohl  in  der  uns  hier  vorliegenden  Zeit  keine 
rechte  Entwicklung  statt.  Man  reproduzierte  eklektisch,  mehr 
oder  weniger  frei,  ganze  Bilder  oder  einzelne  Motive  älterer,  pro- 
duktiverer Zeiten,  mit  Vorliebe  der  Zeit  nach  Alexander.  Doch 
griff  man  auch  auf  ältere  Vorbilder  zurück;  wir  erinnern  an  die 
Gemälde  im  Hause  des  tragischen  Dichters  und  an  Orestes  und 
Pylades  vor  Thoas  (Fig.  200).  Zu  einer  rechten  Klarheit  ist  die 
Forschung  hier  noch  nicht  durchgedrungen,  und  eine  systemati- 
sche Darstellung  dieses  Teils  der  pompcjanischen  Malerei  ist  zur 
Zeit  noch  nicht  möglich.  Wir  beschränken  uns  daher  auf  einige 
Bemerkungen. 


LV.    Die  Bilder. 


491 


Der  erste  Stil  hat  für  Gemälde  keinen  Platz.  Doch  begegnen 
vereinzelt  auf  den  nachgeahmten  Inkrustationsplatten  kleine  Dar- 
stellungen, als  wäre  es  ein  Naturspiel  der  Marmoradern:  ein 
Vogel,  ein  Gefäß,  eine  Ringergruppe  —  wir  können  sie  Herakles 
und  Antaeus  nennen.  Dem  BedĂĽrfnis  figĂĽrlicher  Darstellungen 
genügten  damals  die  Mosaikfußböden. 

Genau  so  steht  es  mit  den  älteren,  sich  dem  ersten  Stil  eng 
anschlieĂźenden  Formen  des  zweiten  Stiles.  Die  Casa  del  Labe- 
rinto  hat  kleine  monochrome  Figuren  in  den  gemalten  Marmor- 
platten, ist  aber  im  übrigen  bilderlos.  Dagegen  sind  die  späteren 
Formen  reich  an  Bildern;  die  Art,  wie  sie  angebracht  sind,  in 
dem  pavillonartigen  Mittelbau  (S.  483),  zeigt  Tafel  XIII.  Doch 
sind  in  Pompeji  sehr  wenige  Bilder  zweiten  Stiles  erhalten;  das 
Zimmer,  dem  Tafel  XIII  entnommen  ist,  steht  fast  ganz  vereinzelt. 
Viel  bilderreicher  sind  die  römischen  Wände  (S.  481). 

In  die  groĂźe  Menge  der  pompejanischen  Bilder  teilen  sich 
der  dritte  und  vierte  Stil.  Und  zwar  sind  sie  auf  den  älteren 
Wänden  dritten  Stils  —  so  auf  unserer  Abbildung  Fig.  281  — 
durchaus  angebracht  wie  im  zweiten  Stil,  so  daĂź  sie  als  in  den 
pavillonartigen  Rahmen  eingespannte  Tafeln  erscheinen.  Später, 
aber  schon  innerhalb  des  dritten  Stiles,  wird  der  Zusammenhang 
zwischen  Bild  und  Rahmen  gelöst;  dieser  umschließt  nur  noch 
das  einfarbige  Wandfeld,  innerhalb  dessen  das  viel  kleinere  Bild 
angebracht  ist.  Im  vierten  Stil  wird  dies  zur  Regel;  der  ur- 
sprĂĽnglich als  Bildrahmen  gedachte  Bau  dient  nur  noch  zur  Her- 
vorhebung des  Mittelfeldes. 

Solcher  die  Mitte  der  Wand  einnehmenden  Bilder,  die  stets 
als  Tafelbilder  gedacht  sind,  hat  ein  pompejanisches  Zimmer  drei 
oder  vier,  je  nachdem  eine  der  Wände  durch  die  Tür  in  An- 
spruch genommen  ist  oder  nicht.  Dazu  kommen  Malereien  in 
den  Seitenfeldern.  Im  zweiten  Stil  nur  ausnahmsweise;  so  in 
unserer  Abbildung  Tafel  XIII,  wo  es  groĂźe,  fast  das  ganze  Feld 
einnehmende  Figuren  sind.  Dagegen  vom  dritten  Stil  an  ent- 
halten die  Seitenfelder  stets  irgend  eine  Darstellung.  In  Fig.  281 
ist  es  ein  schwebender  Amor,  in  anderen  Fällen  ein  fliegender 
Schwan,  auch  wohl  eine  kleine,  monochrom  auf  dem  Grund  des 
Wandfeldes  skizzierte  Landschaft,  seltener  ein  eingerahmtes  Bild, 
kleiner  als  das  des  Mittelfeldes,    manchmal   rund,    und  dann  mit 


492 


Pompeji. 


Vorliebe  eine  BĂĽste  enthaltend.  Im  letzten  Stil  sind  an  dieser 
Stelle  besonders  beliebt  schwebende  Gruppen  zweier  Figuren,  am 
häufigsten  Satyr  und  Bacchantin. 

Ein  wichtiges  Element  figĂĽrlicher  Darstellung  sind  ferner  im 
letzten  Stil  —  im  dritten  nur  vereinzelte  Anfänge  —  die  Figuren, 
durch  die  die  phantastischen  Architekturen  des  obern  Wandteils 
und  die  Durchblicke  zwischen  den  Feldern  der  Hauptfläche  be- 
lebt sind:  Satyrn  und  Bacchantinnen,  junge  Mädchen  oder  ernste 
Männer  mit  Opfergerät,  und  ähnliches.  Es  kommt  auch  vor, 
daß  mythologische  Kompositionen  aufgelöst  und  die  einzelnen 
Figuren  zwischen  die  Architekturen  verteilt  werden;  so  in  einem 


Fig.  284.     Stilleben,  Xenion. 


Zimmer  der  Insula  V,  i  die  S.  329  besprochene  Darstellung  von 
Admet  und  Alcestis.  Die  Freude  an  reicher  Belebung  der  Wand 
durch  bildliche  Darstellungen  war  offenbar  in  der  letzten  Zeit 
Pompejis  im  Zunehmen.  An  den  verschiedensten  Stellen  treten 
sie  auf  Darstellungen  im  Fries  oberhalb  der  Hauptfläche  zeigt 
unsere  Wand  dritten  Stils  Fig.  281;  im  vierten  Stil  kommt  ähn- 
liches einzeln  auch  vor,  doch  ist  hier  der  Fries  selbst  selten  vor- 
handen. Dieselbe  Wand  zeigt  auch  sehr  bescheidene  Darstellun- 
gen in  dem  Streifen  zwischen  Sockel  und  Hauptfläche;  wie  reich 
belebt  derselbe  sein  kann,  haben  wir  im  Hause  der  Vettier  ge- 
sehen (S.  347  ff.). 

Häufig  erscheinen  die  Durchbrechungen  zwischen  den  Haupt- 
feldern  in  ihrem  untern  Teile  durch  eine  Art  Tafel  geschlossen, 


LV.   Die  Bilder. 


493 


oberhalb  deren  dann  ein  kleines  Bild  angebracht  ist.  Am  häu- 
figsten erscheinen  an  dieser  Stelle  >  Stilleben  <,  Darstellungen  von 
allerlei  EĂźwaren.  Wir  kennen  aus  Vitruv  (VI,  lo,  4]  den  Namen 
solcher  Darstellungen:  man  nannte  sie  Xenien,  Gastgeschenke. 
Denn  —  so  belehrt  uns  Vitruv  —  die  Griechen,  wenn  sie  Gäste 
im  Hause  hatten,  luden  sie  nur  am  ersten  Tage  zu  Tisch;  später 
lieferten  sie  ihnen  das  Rohmaterial  und  ĂĽberlieĂźen  es  ihnen,  ihr 
Mahl  selbst  zu  bereiten:  die  so  gelieferten  EĂźwaren  nannte  man 
xeiiia,  und  so  auch  die  sie  darstellenden  Bilder.  Ein  anderer 
fĂĽr  diese  Stelle   der  Wand  sehr  beliebter  Gegenstand  sind  See- 


Kig.  28 


Landschaft. 


schlachten;  wir  finden  sie  hier  im  Isistempel,  im  Macellum,  in 
einem  Zimmer  des  Hauses  der  Vettier.  AuĂźerdem  finden  wir 
noch  an  den  verschiedensten  Stellen  der  Wand  kleine  Bilder, 
mit  Vorliebe  kleine,  mit  wenig  Farben  gemalte  Landschaften  an- 
gebracht. 

Was  im  übrigen  die  Gegenstände  der  Darstellungen  betrifft, 
so  überwiegen  unter  den  größeren  Bildern  die  mythologischen 
derart,  dal.^  neben  ihnen  alles  andere  als  Ausnahme  erscheint. 
Nur  selten  zeigen  sie  lebhaft  bewegte  Handlungen.  So  die 
beiden  im  Tablinum  des  Hauses  des  Kastor  und  Pollux  sich 
gegenüberstehenden  Bilder:  Achilleus  unter  den  Töchtern  des 
Lykomedes  und  sein  Streit  mit  Agamemnon,  beides  bedeutende, 
noch    öfter   wiederholte  Kompositionen.      Fast   ganz   fehlt  es  an 


494  Pompeji. 

Kampfszenen  und  ähnlichen  Handlungen,  in  denen  das  Haupt- 
interesse auf  der  physischen  Leistung,  auf  dem  Bewegungsmotiv 
beruht.  Zwei  Bilder  aus  Herculaneum  —  Herakles'  Löwenkampf 
und  Herakles,  wie  er  den  Eber  auf  den  Schultern  trägt  —  nehmen 
sich  fremdartig  genug  unter  der  ĂĽbrigen  Masse  aus.  Aus  Pom- 
peji gehören  hierher  zwei  sehr  verblaßte  Bilder  des  mit  dem 
Eber  kämpfenden  Meleager,  eine  Darstellung  des  Achilleus,  der 
vor  den  Mauern  Trojas  den  zu  RoĂź  dahin  sprengenden  Troilus, 
einen  zarten,  orientalisch  gekleideten  JĂĽngling,  an  den  Haaren 
faĂźt  und  das  Schwert  gegen  ihn  zĂĽckt,  und  ein  Kampf  eines 
schwer  gerĂĽsteten  Kriegers  gegen  eine  Amazone.  Aber  das  sind 
seltene  Ausnahmen,  und  alle  diese  pompejanischen  Bilder  gehören 
Wänden  dritten  Stils,  also  einer  etwas  altern  Zeit  an. 

Häufiger  schon  sind  Bilder  —  aber  auch  sie  bleiben  in  der 
Minderheit  — ,  die  einen  dramatisch  interessanten  Moment  dar- 
stellen, deren  Hauptinteresse  beruht  auf  den  GemĂĽtsbewegungen, 
die  in  Haltung  und  Gesichtsausdruck  der  Personen  zutage  treten, 
Selten  ist  hier  die  Handlung  eine  auch  körperlich  lebhaft  bewegte, 
so  daĂź  auch  Bewegungsmotive  zur  Geltung  kommen,  wie  in  den 
beiden  schon  erwähnten  Bildern  im  Hause  des  Kastor  und  Pollux; 
weit  häufiger  ist  dies  vermieden  und  das  Interesse  ein  rein  psycho- 
logisches. FĂĽr  uns  ist  diese  Klasse  von  Bildern  insofern  von 
besonderem  Interesse,  als  hier  der  Künstler  sich  die  höchste  Auf- 
gabe stellt.  Selten  freilich  ist  diese  völlig  gelöst,  selbst  in  den 
gut  und  kĂĽnstlerisch  ausgefĂĽhrten  Bildern;  doch  fehlt  es  nicht  an 
Beispielen,  die  uns  von  der  Fähigkeit  der  alten  Maler,  Gemüts- 
bewegungen zum  Ausdruck  zu  bringen,  einen  hohen  Begriff 
geben.  So  der  Orestes  aus  der  Casa  del  Citarista  (Fig.  200)  und 
das  schmerzerfĂĽllte  Gesicht  der  lo  im  Macellum  (S.  93).  Noch 
höher  steht  in  dieser  Beziehung  ein  Bild  des  Isistempels,  das  uns 
lo  zeigt  in  Ă„gypten  ankommend,  von  Isis  in  Empfang  genommen, 
und  wie  in  ihrem  Gesicht  ĂĽber  dem  Ausdrucke  langen  und 
schweren  Leidens  nun  die  Seligkeit  der  endlichen  Erlösung  auf- 
leuchtet. Einer  der  schönsten  Reste  antiker  Malerei  ist  auch  ein 
Fragment  im  Tablinum  des  Caecilius  Jucundus  (S.  371).  Dar- 
gestellt war  wohl,  wie  Priamos  mit  der  Leiche  Hektors  nach 
Troja  zurĂĽckkehrt;  der  einzige  gut  erhaltene  Teil  zeigt  Hekuba, 
die,  begleitet  von  einer  Tochter  oder  Dienerin,  aus  einem  Fenster 


LV.    Die  Bilder. 


495 


auf  den  traurigen  Zug  herabsieht.  Bewundernswert  ist  der  Aus- 
druck des  tiefen  Schmerzes  in  dem  weiĂźhaarigen,  aber  noch 
wunderbar  schönen  Kopfe.  Oft  genug  freilich  müssen  wir  den 
guten  Willen  fĂĽr  die  Tat  nehmen. 

Die  ĂĽberwiegende  Mehrzahl  aber  der  mythologischen  Bilder 
stellt  weder,  episch,  eine  lebhaft  bewegte  Handlung,  noch,  dra- 
matisch ,  einen  psychologischen  Moment  oder  ein  Pathos  dar 
sondern  sie  zeigt  uns  die  mythologischen  Personen  entweder  in 
einer  ruhigen,  weder  sie  selbst  noch  den  Zuschauer  besonders 
aufregenden  Handlung,  oder,  noch  lieber,  in  einer  dauernden 
Situation,  beherrscht  nicht 
von  einer  augenblicklichen 
GemĂĽtsbewegung,  son- 
dern von  einer  Stimmung, 
die  entweder  eine  heitere, 
idyllische,  oder  eine  ele- 
gische, schmerzliche  sein 
kann:  es  sind  Szenen,  die, 
wenn  die  Beteiligten  nicht 
mythologische  Personen 
wären,  als  Genreszenen 
gelten  könnten.  So  sehen 
wir  NarciĂź,  der  in  stiller 
Waldlandschaft  sich  in 
der  Quelle  spiegelt;  Poly- 

phem,  der  am  Meeresufer  sitzend  den  ihm  von  einem  Amor 
ĂĽberbrachten  Brief  der  Galatea  in  Empfang  nimmt;  Apollo,  wie 
er  Admet  auf  der  Kithara  vorspielt,  während  um  ihn  die  Herde 
grast;  Selene  herabschwebend  zu  dem  schlafenden  Endymion; 
Paris  und  Oenone  auf  dem  Ida,  er  den  Namen  der  Geliebten  in 
einen  Baum  einschneidend;  Perseus  und  Andromeda,  das  Spiegel- 
bild des  Medusenhauptes  im  Bache  betrachtend.  Der  Stimmung 
nach  gehören  hierher  auch  die  Darstellungen  des  Bacchus,  der, 
von  seinem  Gefolge  umschwärmt,  die  schlafende  Ariadne  findet, 
und  des  Herakles ,  der  bei  Omphale  bald  in  Weiberkleidern  da- 
sitzt und  spinnt,  bald  trunken  einherschwankt  oder  gar  am  Boden 
liegt,  während  Omphale,  mit  der  Löwenhaut  bekleidet,  in  stolzer 
Haltung    dabei    steht.      Beispiele    einer  schmerzlichen  Stimmung 


Fig.  286.     Hekuba   bei    der   Heimbringung   der   Leiche 
Hektors.    Aus  einem  Wandgemälde. 


496 


Pompeji 


sind  der  um  den  getöteten  Hirsch  trauernde  Kyparissos  (S.  357) 
und  Aphrodite,  den  verwundeten  Adonis  pflegend. 


Fig.  287.     Raub  der  Europa.     Wandgemälde.     Photographie  Brogi. 

Aber  nicht  allein  auf  der  Stimmung  beruht  die  Wirkung  dieser 
Bilder.     Es   kommt   hinzu   in  vielen   Fällen   der  Sinnenreiz.     So 


LV.   Die  Bilder. 


497 


liegt  in  einem  schönen  Bilde  dritten  Stiles,  Europa  auf  dem  Stier 
(Fig.  287),  das  Hauptgewicht  auf  der  Darstellung  des  wunderbar 
schön  gemalten  weiblichen  Körpers,  dem  auf  der  Wand  gegen- 
über der  ebenso  meisterhaft  gemalte  jugendlich  schöne  Fan  ent- 
spricht,   mit   den  Nymphen  in  einem  Waldtale   musizierend.     In 


Fig.  288.     Frauen,  von  denen  eine  zwei  Instrumente  stimmt.     Wandgemälde. 


anderen  Fällen  beruht  die  Wirkung  auf  der  genreartigen  Gegen- 
ĂĽberstellung verschiedener  Typen;  so  wenn  in  einer  mehrfach 
wiederholten  Komposition  Thetis  als  elegante  Dame  Hephaestus, 
dem  rauhen  Handwerker,  gegenĂĽbersitzt,  den  fĂĽr  Achillcus  ge- 
fertigten Schild  betrachtend.  Dasselbe  Thema  variiert  die  noch 
öfter  wiederholte  Darstellung  der  Pasiphae  in  der  Werkstatt  des 
Daedalus,  der  ihr  die  für  sie  gefertigte  hölzerne  Kuh  zeigt.    Eine 

M.TU,  Pompeji.     2.  .Aufl.  •'2 


498 


Pompeji 


ähnliche  Wirkung  war  wohl  beabsichtigt  in  den  Bildern,  die  Danae 
zeigen,  wie  sie,  in  ihrer  Kiste  auf  der  Insel  Seriphos  gelandet, 
mit  dem  kleinen  Perseus  am  Strande  sitzt  und  zwei  Fischer,  vor 
ihr  stehend,  sie  um  ihr  Schicksal  befragen. 

So  viel  von  den  mythologischen  Bildern.  An  die  zuletzt  be- 
sprochene Gattung  derselben  anknĂĽpfend  bemerken  wir,  daĂź  es 
auch    an    reinen    Genrebildern,    ohne    mythologischen  Vorwand, 


Fig.  289.     Paquius  Proculus  und  seine  Gattin.     Wandgemälde. 


nicht  fehlt.  Zwei  solche  Bilder  fanden  wir  im  Hause  des  Chi- 
rurgen (S.  292):  eine  Malerin  und  eine  sich  mit  Literatur  be- 
schäftigende Gesellschaft.  Darstellungen  dieser  letzteren  Art  be- 
gegnen noch  öfter.  Auch  die  Musik  ist  ein  beliebter  Gegenstand; 
unsere  Fig.  288  zeigt  vier  Frauen,  von  denen  eine  beschäftigt  ist, 
zwei  Saiteninstrumente  zu  stimmen. 

Hierher  gehören  auch  kleine  gemalte  Büsten  genreartigen 
Charakters:  ein  Mädchen,  das,  eine  Schreibtafel  in  der  Hand, 
den   Grififel   an   den  Mund  legt    und    ĂĽber  den   zu   schreibenden 


LV.   Die  Bilder. 


499 


Brief  nachdenkt;  ein  JĂĽngling,  der  eine  Papyrusrolle,  in  der  er 
wohl  eben  gelesen  hat,  an  das  Kinn  hält  und  sinnend  vor  sich 
hin  blickt.  Wir  geben  in  Fig.  289  ein  Bild,  in  dem  ein  pompe- 
janischer  Bäckermeister,  P.  Paquius  Proculus,  diese  beiden  Büsten 
vereinigen  ließ,  indem  er  aber  den  Idealköpfen  der  Originale  sein 
und  seiner  Gattin  Porträts  substituierte. 

Ă„hnlicher  Art  sind  auch  zwei  kĂĽrzlich  gefundene  JĂĽnglings- 
büsten, beide  bekränzt  und  eine  Schriftrolle  in  der  Hand  haltend. 
Und  zwar  ist  an  den  Rollen  auch  der  kleine,  den  Titel  enthal- 
tende Streifen  kenntlich,  den  die  Griechen  sittybos^  die  Römer 
index  nannten:  auf  dem  einen  steht  Honierus^  auf  dem  andern 
Plato.  Also  zwei  JĂĽnglinge,  von  denen  der  eine  der  Poesie,  der 
andere  der  Philosophie  ergeben  ist.  Trefflich  entspricht  der 
verschiedenen  Anlage  und  Neigung  auch  der  Gesichtsausdruck 
und  der  ganze  Typus:  die  breite  niedrige  Stirn,  der  breite  Nasen- 
rücken, die  begeistert  aufgeschlagenen  Augen,  die  kräftigen  Kinn- 
laden des  einen,  die  hohe  Stirn,  die  gegen  die  feine  Nase  zu- 
sammengezogenen Brauen,    das   zarte   Untergesicht   des    andern. 

Zahlreich  sind  Landschaftsbilder,  in  allen  Größen.  Ausschließ- 
lich auf  Gartenwänden  des  letzten  Stils  finden  sich  große,  die 
ganzen  Wände  einnehmende  realistische  Darstellungen  von  Villen, 
Straßen,  Häfen  und  ähnlichen  Motiven.  Nicht  ohne  Wahrschein- 
lichkeit erkennt  man  in  ihnen  eine  in  Italien  entstandene  Gattung, 
die  von  Plinius  (XXXV,  1 1 5)  auf  einen  Maler  zurĂĽckgefĂĽhrt  wird, 
dessen  Name  in  unsicherer  Schreibung  (Sextus  Tadius?)  ĂĽber- 
liefert ist.  Dagegen  sind  sicher  hellenistischen  Ursprunges  die 
als  Hauptbilder  die  Mitte  der  Zimmerwände  —  fast  ausschließ- 
lich dritten  Stils  —  einnehmenden  Landschaftsbilder.  Sie  stellen 
meist  ein  stilles  Wald-  und  Felsental  vor,  belebt  durch  ein  kleines 
Heiligtum  oder  deren  mehrere,  mit  Opfernden  und  Anbetenden. 
Bei  der  groĂźen  Vorliebe  fĂĽr  mythologische  Bilder  an  dieser  Stelle 
der  Wand  sind  sie  nicht  allzu  häufig. 

In  groĂźer  Zahl  finden  sich  endlich  kleine  Landschaften  an 
verschiedenen  Stellen  der  Wände  angebracht:  kleine  Heiligtümer, 
Villen  am  Meeresstrand,  FlĂĽsse  und  BrĂĽcken,  inselartig  im  Meer 
errichtete  Gebäude  und  anderes  (Fig.  285),  häufig  nur  andeutungs- 
weise mit  wenig  Farben  gemalt,  nicht  selten  in  eigentĂĽmlicher 
Beleuchtung,  die  wohl  als  Mondlicht  gemeint  ist. 


500 


Pompeji. 


Nur  wenige  Worte  ĂĽber  die  Art,  wie  die  in  einem  Zimmer 
vereinigten,  meist  mythologischen  Bilder  ausgewählt  wurden.  Bis- 
weilen, aber  nur  selten,  nach  dem  Inhalt.  So  wenn  wir  die  Er- 
kennung des  Achilleus  auf  Skyros  und   seinen   Streit   mit  Aga- 


Fig.  290.     Athene  und  Marsyas.     WandgemĂĽlde. 


memnon  zusammengestellt  finden  (S.  367].  Ein  anderes  Zimmer 
zeigt  ebenfalls  die  Erkennung  des  Achilleus  und  auĂźerdem  Thetis, 
einmal  in  der  Werkstatt  des  Hephaestus,  die  fĂĽr  Achilleus 
gefertigten  Waffen  betrachtend,  einmal  auf  dem  Meere,  von  einem 
Triton  getragen,  wie  sie  eben  diese  Waffen  dem  Sohne  ĂĽberbringt. 


I.V.   Die  Bilder. 


501 


Und  wenn  wir  in  einem  Zimmer  des  Hauses  der  Vertier  (S.  358) 
den  kleinen  Herakles  mit  den  Schlangen,  das  Ende  des  Pentheus 
und  das  der  Dirke  dargestellt  fanden,  so  ist  wohl  klar,  daĂź  man 
hier  Bilder  des  thebanischen  Sagenkreises  zusammenstellen  wollte. 


s}- 


(v. 


^>^ 


'N-. 


Fig.  agi.    Daedalus  und  Ikarus.     Wandgemälde. 


Ein  mehr  ideeller  Zusammenhang  ist  wohl  kaum  je  mit  Sicher- 
heit nachzuweisen.  Wenn  wir  z.  B.  nicht  selten  in  demselben 
Zimmer  Polyphem  finden,  wie  er  am  Meeresstrande  von  einem 
Amor  den  Brief  der  Galatea  empfängt,  und  ihm  gegenüber  die 
am  Meeresstrande  fischende,  v^on  Amoren   umgebene  Aphrodite, 


502  Pompeji. 

SO  war  vermutlich  fĂĽr  die  Zusammenstellung  nicht  die  verwandte 
erotische  Stimmung  maĂźgebend,  sondern  die  Ă„hnlichkeit  der 
Figuren  und  der  Szenerie.  Denn  eben  dies  ist  weitaus  am  häufig- 
sten der  Fall.  Zwischen  den  verschiedenen  Stilen  ist  in  dieser 
Beziehung  kein  Unterschied.  Ein  Beispiel  dritten  Stils  —  Pan 
unter  den  Nymphen  und  Europa  auf  dem  Stier  —  ist  uns  schon 
oben  begegnet.  Ein  Schlafzimmer  desselben  Stils  in  der  Insula 
V,  2  enthält  vier  Bilder.  Es  sind  zwei  Paare :  der  Sturz  des 
Ikarus  und  die  Geschichte  des  die  Flöten  der  Athene  findenden 
Marsyas;  Herakles  im  Garten  der  Hesperiden  und  ein  ländliches 
Heiligtum  der  Artemis  mit  drei  Anbetenden,  deren  einer  einen 
Kranz  darbringt.  Ein  innerer  Zusammenhang  ist  nicht  vorhanden. 
Wie  aber  die  GegenstĂĽcke  in  Szenerie  und  Anordnung  der  Figuren 
einander  entsprechen,  das  bedarf  fĂĽr  die  beiden  hier  abgebildeten 
keiner  Erläuterung  und  ist  auch  für  die  beiden  anderen  evident. 
Das  Marsyasbild  (Fig.  290)  ist  eine  der  seltenen,  fĂĽr  die  philo- 
stratischen  Gemäldebeschreibungen  so  wichtigen  Darstellungen, 
die  in  einem  Bilde  verschiedene  Stadien  einer  Handlung  zur  An- 
schauung bringen.  Im  Vordergrunde  bläst  Athene  die  Flöte; 
die  aus  dem  Bache  auftauchende  Nymphe  hält  ihr  den  Spiegel 
vor.  Darüber  Marsyas,  der  die  von  Athene  fortgeworfenen  Flöten 
aufgesammelt  hat.  Vielleicht  ist  auch  der  Mann  links  oben 
Marsyas,  der,  ehe  er  die  Flöten  gefunden  hat,  die  Syrinx  bläst. 
Am  FuĂźe  des  Felsens  eine  Lokalgottheit.  Endlich  zu  oberst 
Marsyas,  die  Flöten  blasend,  vor  den  Musen,  die  als  Kampfrichter 
zwischen  ihm  und  Apollo  fungieren.  —  Das  Ikarusbild  (Fig.  291) 
ist  wahrscheinlich  eine  verständnislose  Umgestaltung  einer  Kom- 
position, in  der  Ikarus  nicht  stĂĽrzend,  sondern  nach  dem  Sturz 
am  Boden  liegend  dargestellt  war;  von  Lokalgottheiten  und 
ländlichen  Figuren  mitleidig  betrachtet,  von  Daedalus  gesucht, 
bildete  er  den  Mittelpunkt  der  Handlung.  Ein  untergeordneter 
KĂĽnstler  glaubte  den  Effekt  zu  steigern,  indem  er  die  Katastrophe 
selbst  darstellte,  ohne  zu  bedenken,  daĂź  so  die  Beziehung  der 
Figuren  zu  einander  verloren  ging,  da  weder  Daedalus  noch  die 
Personen  im  Vordergrrunde  das  Geschehene  wahrnehmen. 


SECHSTER  TEIL. 

DIE  INSCHRIFTEN. 

Kapitel  LVI. 
Steininschriften.     Gemalte  Inschriften. 

Alehr  als  siebentausend  Inschriften  sind  in  Pompeji  zutage 
gekommen,  sehr  verschiedener  Art,  von  den  monumentalen  In- 
schriften öffentlicher  Gebäude  bis  zu  den  Wandkritzeleien  müßiger 
Hände.  Wir  können  sie  in  sechs  Klassen  teilen:  Steininschriften, 
gemalte  Wandinschriften,  Grififelinschriften  auf  den  Wänden, 
(Graffiti),  Wachstafeln,  Aufschriften  der  Tonamphoren,  Stempel. 
Diese  Einteilung  wird  nicht  nur  dem  verschiedenen  Material  ge- 
recht, sondern  auch  im  groĂźen  und  ganzen  dem  Inhalt  und  der 
Bestimmung  der  einzelnen  Klassen.  Die  Steininschriften  sind 
Monumentalurkunden.  Die  gemalten  sind  Bekanntmachungen, 
Anweisungen  und  Aufforderungen  an  den  Leser,  alles  das,  was 
der  antike  Name  »Programma«  zusammenfaßt.  Die  Graffiti  sind 
im  allgemeinen  subjektive  ErgĂĽsse  des  Schreibers,  seltener  dienen 
sie  einer  Art  Korrespondenz  oder  als  versteckte  Anzeigen.  Die 
Wachstafeln  sind  Geschäftsurkunden :  man  benutzte  sie  auch  zu 
Briefen,  doch  sind  solche  nicht  gefunden  worden.  Und  geschäft- 
lichen Zwecken  dienten  auch  die  Amphorenaufschriften  und  die 
Stempel. 

Die  wichtigeren  Steininschriften  sind  ihres  Ortes  besprochen 
worden.  Unter  ihnen  sind  von  besonderem  Interesse  die  Bau- 
inschriften öffentlicher  Gebäude  und  Monumente,  bezüglich  teils 
auf  den  ursprünglichen  Bau,  teils  auf  Reparaturen  und  Verände- 
rungen.     Solche    Inschriften    sind    uns    erhalten    in    lateinischer 


504  Pompeji. 

Sprache  fĂĽr  die  Forumsportiken  (S.  47),  fĂĽr  die  Tempel  der 
Fortuna  (S.  12g)  und  der  Isis  (S.  176),  für  das  Gebäude  der  Eu- 
machia  (S.  107),  fĂĽr  beide  Theater  (S.  148,  160)  und  das  Amphi- 
theater (S.  216),  fĂĽr  die  Stabianer  Thermen  (S.  194)  und  die 
Thermen  beim  Forum  (S.  206),  fĂĽr  die  halbrunde  Bank  beim 
dorischen  Tempel  (S.  135),  in  oskischer  Sprache  fĂĽr  das  Nolaner 
Tor  (S.  248),  die  Palästra  (S.  172),  den  Apollotempel  (S.  76) 
und  das  Brunnenhaus  beim  dorischen  Tempel  (S.  139).  Als  Bei- 
spiel einer  Bauinschrift  in  einem  Privathause  mögen  wir  die  des 
Larentempelchens  im  Hause  des  Epidius  Rufus  nennen  (S.  328). 
Dazu  kommen  die  Wegebauinschriften,  deren  vor  dem  Stabianer 
Tor  eine  in  oskischer,  eine  in  lateinischer  Sprache  erhalten  ist 
(S.  247).  Ferner  Widmungsinschriften  von  Weihgeschenken  und 
ähnlichen  Dingen.  Hierher  gehören  die  Inschriften  der  Ministri 
des  Merkur  und  der  Maja  (S.  84)  und  die  der  Ministri  der  For- 
tuna Augusta  (S.  132)  und  die  Stiftungsinschriften  von  nicht 
weniger  als  drei  Sonnenuhren:  in  den  Stabianer  Thermen  (S.  205), 
beim  Apollotempel  (S.  82)  und  beim  dorischen  Tempel  (S.  135), 
Weiter  Ehreninschriften  von  Statuen,  wie  ihrer  auf  dem  Forum 
und  dem  Forum  trianguläre  leider  nur  sehr  wenige  erhalten  sind. 
Ihnen  schlieĂźen  sich  an  die  Inschriften  der  in  einigen  Privat- 
häusern aufgestellten  Büsten  der  Hausherren  (S.  464). 

Von  den  mit  roter,  viel  seltener  mit  schwarzer  Farbe  auf  die 
Straßenwände  gemalten  Inschriften  sind  weitaus  die  meisten 
Wahlprogramme,  d.  h.  Empfehlungen  von  Kandidaten  fĂĽr  die 
städtischen  Amter.  Ihrer  sind  etwa  1800;  sie  empfehlen  mehr 
als  hundert  Kandidaten. 

Wir  unterscheiden  unter  den  Wahlprogrammen  eine  ältere, 
zum  Teil  wohl  in  die  ersten  Zeiten  der  Kolonie  hinaufreichende, 
und  eine  jüngere,  der  Kaiserzeit  angehörige  Klasse.  Die  Schrift 
der  altern  Klasse  ist  unschön  und  offenbar  von  ungeübter  Hand. 
Dagegen  zeigen  die  jĂĽngeren  Inschriften  eine  ausgebildete  Schreib- 
kunst, eigentĂĽmliche,  durch  die  Pinselschrift  bedingte  Buchstaben- 
formen; offenbar  sind  sie  von  berufsmäßigen  Schreibern  aus- 
gefĂĽhrt, deren  einer,  Aemilius  Celer,  uns  schon  begegnet  ist 
(S.  225).  Vor  einigen  Jahren  ist  auch  in  der  Insula  III,  9  (IX,  8) 
seine  Wohnung    gefunden    worden,    bezeichnet  von    ihm   selbst 


LVI.   Gemalte  Inschriften.  505 

durch  eine  gemalte  Inschrift  —  Aemilius  Celer  hie  habitat  —  und 
durch  mancherlei  SchreibĂĽbungen. 

Die  Ausdrucksweise  der  älteren  Inschriften  ist  ungemein  einfach. 
Kein  anderes  Lob  wird  dem  Kandidaten  erteilt,  als  daĂź  man  ihn 
einen  guten  Mann  —  v[irum)  h[onum)  —  nennt;  die  Amtsbezeich- 
nung erscheint  in  abgekĂĽrzter  Form;  nie  nennt  sich  der  Empfeh- 
lende; die  Empfehlung  geschieht  durch  die  mehr  oder  weniger 
abgekĂĽrzten  Formeln :  oro  vos^  ich  bitte  euch,  oro  vos  facite^  ich 
bitte  euch,  wählt  ihn,  oro  z'os  Coloni^  ich  bitte  euch,  Kolonisten. 

Von  den  jĂĽngeren  Programmen  sind  manche  nicht  weniger 
lakonisch  als  die  älteren;  sie  enthalten  nur  den  Namen  des  Kan- 
didaten, das  Amt  und  die  gewöhnliche  Empfehlungsformel  o.  ?'./"., 
oro  vos  facite^  fast  immer  in  der  Ligatur  of .  Z.  B.  Herennmm 
Celsum  aed.  o.  v.  f.  Nicht  selten  fehlt  auch  diese  Formel  und 
bisweilen  steht  gar  nur  der  Name,  stets  im  Akkusativ. 

Oft  aber  werden  in  verschiedener  Weise  die  guten  Eigen- 
schaften des  Kandidaten  hervorgehoben.  Auch  hier  begegnet 
die  alte  Formel  v.  b.^  7'iriivi  boimm^  »den  guten  Mann«.  Die  be- 
liebteste, auf  jedermann  anwendbare  Formel  ist:  d.  r.  p.  d.  h. 
digniwi  rei  publicae^  »des  öffentlichen  Amtes  würdig«.  Es  fehlt 
aber  auch  nicht  an  individuelleren  Empfehlungen;  mehr  als  ein 
Kandidat  wird  als  »redlicher  Jüngling»  [iuvenem  probimi]^  als 
»züchtiger  Jünglinge  [vcrcctmdissininm  iuvenem)  bezeichnet.  Von 
einem  heißt  es:  »er  wird  die  Stadtkasse  beisammen  halten«  — 
hie  aerarium  eonsoi'übit  —  und  ähnliches  mehr. 

Häufig  nennen  sich  die  Empfehlenden.  Manchmal  sind  es 
einzelne  Personen,  die  sich  mit  Namen  nennen,  wie  Vesonius 
Primus  (S.  415),  Acceptus  und  Euhodia  (S.  360).  Wie  in  diesen 
beiden  Fällen,  so  ist  ohne  Zweifel  in  der  Regel  die  Wohnung 
der  Empfehlenden  in  der  Nähe  der  betreffenden  Programme  zu 
suchen.  Mehrfach  empfehlen  die  Nachbarn:  Ti.  Claudiiini  Vennn 
II  vir.  vicini  rogant;  in  der  Tat  finden  sich  die  ihn  empfehlen- 
den Programme  rings  um  seine  Wohnung,  das  groĂźe,  unter  dem 
Namen  Casa  del  Centenario  bekannte  Haus  in  der  dritten  (neunten) 
Region.  Der  Kandidat  erhält  so  das  Zeugnis,  daß  er  selbst  ein 
guter  Nachbar  ist.  Als  guter  Patronus  soll  er  erscheinen,  wenn 
ihn  ein  Klient  empfiehlt,  wie  in  einer  gleich  anzufĂĽhrenden  In- 
schrift und  noch  öfter. 


5o6  Pompeji. 

Die  Empfehlungen  von  selten  gewisser  Gewerbe  [agricolae^ 
aurifices^  gallinari^  pomari)  wurden  schon  in  anderem  Zusammen- 
hang besprochen  (S.  403).  In  gleicher  Weise  treten  auch  die 
Isisverehrer  auf:  Cn.  Helvimn  Sabinum  Isiaci  universi  rog.  Diese 
Inschrift,  jetzt  zugrunde  gegangen,  stand  dem  Isistempel  gegen- 
ĂĽber; nicht  weit  davon,  an  der  Stabianer  StraĂźe,  las  man: 
Cuspiutn  Pansam.  aed.  Popidius  Natalis  cliens  cum  Isiacis  rog. 
So  auch  die  Bewohner  der  Vorstädte,  die  Salinienses  und 
Campanienses  (S.  g,  10);  z.  B.  M.  Epidium  Sabinum  aed.  Cam~ 
panienses  rog. 

Es  kommt  auch  vor,  daĂź  die  Inschrift  sich  an  eine  be- 
stimmte Klasse  von  BĂĽrgern  wendet,  mit  der  Bitte,  die  Wahl 
zu  begünstigen:  »Wirte,  macht  den  Sallustius  Capito  zum  Adi- 
len  [caupones  facite)«.  In  gleicher  Weise  werden  die  Ballspieler 
[pilicrepi\  die  Salbenhändler  [unguentarii]  und  andere  aufgefordert. 
Auch  an  einzelne  wendet  man  sich  in  dieser  Weise,  und  hier 
kommt  es  nicht  selten  vor,  daĂź  Gegendienste  in  Aussicht  ge- 
stellt werden:  »Proculus,  mache  den  Sabinus  zum  Ädilen,  er 
wird  auch  dich  dazu  machen  [et  ille  te  faciet)«.  Auch  sucht 
man  wohl  einem  Kandidaten  Gunst  zu  gewinnen,  indem  man 
einen  angesehenen  Mann  als  seinen  Gönner  nennt.  So  wird  T. 
Suedius  Clemens,  der  im  Auftrage  Vespasians  der  Gemeine  die 
widerrechtlich  von  Privatleuten  in  Besitz  genommenen  Grund- 
stĂĽcke zurĂĽckgab  (S.  427),  dreimal  zugunsten  des  M.  Epidius 
Sabinus  geltend  gemacht:  »Den  M.  Epidius  Sabinus  macht  zum 
Duumvirn,  den  wĂĽrdigen  JĂĽngling  [dignissimiim  iuvencm) ;  Suedius 
Clemens,  der  gewissenhafteste  Richter,  macht  ihn  dazu,  auf  Bitten 
der  Nachbarn  [Suedius  Clemens,  sanctissimus  iudex  facit  vicinis 
rogantibus\ « 

Es  lag  nahe,  die  Form  der  Empfehlung  auch  als  drastisches 
Kampfmittel  gegen  einen  Kandidaten  zu  verwenden.  Dies  be- 
gegnete dem  M.  Cerrinius  Vatia:  Vatiam  aed.  furunculi  rog.,  »den 
Vatia  erbitten  als  Ädilen  die  Spitzbuben«.  In  einer  andern  Inschrift 
empfehlen  ihn  »sämtliche  Schläfer«  [dormientes  universi),  wieder 
in   einer   andern    »sämtliche  Spättrinker«    [seribibi  universi  rog.). 

Wir  schlieĂźen  mit  einer  Inschrift,  in  der  es  heiĂźt,  daĂź  den 
Claudius  —  gemeint  ist  wohl  Ti.  Claudius  Verus  —  sein  Lieb- 
chen zum  Duumvirn  macht:   Claudium  II  vir.  animula  facit. 


I.VI.    Gemalte  Inschriften. 


507 


In  weit  geringerer  Zahl  enthalten  die  gemalten  Inschriften 
Bekanntmachungen  fĂĽr  das  Publikum.  Die  AnkĂĽndigungen  von 
Gladiatorenspielen  wurden  schon  bei  Gelegenheit  des  Amphi- 
theaters besprochen  (S.  224).  Noch  weniger  zahlreich  sind  die 
Ankündigungen  zu  vermietender  Gebäude.  Von  der  Mietsanzeige 
des  Gasthauses  zum  Elephanten  und  von  der  Inschrift  des  Gast- 
hauses des  Hyginius  Firmus  war  schon  die  Rede  (S.  419).  Im 
ĂĽbrigen  handelt  es  sich  hier  namentlich  um  zwei  groĂźe  und 
wichtige  Inschriften.  Die  eine,  jetzt  zugrunde  gegangen,  stand 
wahrscheinlich  auf  der  SĂĽdseite  der  Insula  VI,  3: 

INSULA  ARRIANA 

POLLIANA  CN.  ALLEI  NIGIDI  MAI 

LOCANTUR  EX   K(alendis)  lULIS   PRIMIS  TABERNAE 

CUM  PERGULIS    SUIS  ET  CENACULA 

EQUESTRIA     ET    DOMUS.    CONDUCTOR 

CONVENITO   PRIMUM,   CN.  ALLEI 

NIGIDI   MAI  SER(vum) 

Es  waren  demnach  zu  vermieten  in  dem  nach  Arrius  Pollio 
benannten,  also  vermutlich  früher  ihm  gehörigen  Häuserviertel, 
jetzt  im  Besitz  des  Cn.  AUeius  Nigidius  Majus  (S.  225),  vom 
nächsten  i.  Juli  ab,  Läden  mit  ihren  Oberräumen  [pergulac^  siehe 
S.  286),  feine  [egiiestria,  ritterliche)  Oberzimmer  und  ein  Haus. 
Wer  darauf  reflektierte  [condiictor^  der  Mieter)  konnte  sich  wenden 
an  Primus,  Sklaven  des  Majus.  Fiorelli  wollte  die  Insula  Arriana 
Polliana  in  dem  der  Inschrift  zunächst  liegenden  Hause  des  Pansa 
erkennen.  Vielleicht  mit  Recht;  aber  freilich  konnte  die  Inschrift, 
hier  an  einem  zentralen  Punkt  angebracht,  sich  auch  auf  einen 
entferntem  Gebäudekomplex  beziehen. 

Die  zweite  gleichartige  Inschrift  war  angebracht  an  einem 
großen  villenartigen  Gebäude  in  der  Nähe  des  Amphitheaters, 
das  im  vorigen  Jahrhundert  ausgegraben  und  dann  wieder  ver- 
schĂĽttet wurde.  Man  nennt  es  nach  eben  dieser  Inschrift  die 
Villa  der  Julia  Felix.     Die  Inschrift  lautet: 


508  Pompeji. 

IN   PRAEDIS  lULIAE  SP.  F.  FELICIS 

LOCANTUR 

BALNEUM  VENERIUM  ET  NONGENTUM,  TABERNAE,  PERGULAE, 

CENĂ„CULA  EX  IDIBUS  AUG.  PRIMIS  IN  IDUS  AUG.  SEXTAS,  ANNOS 

CONTINUOS  QUINQUE 

S.  Q.  D.  L.  E.  N.  C. 

Es  waren  also  im  Besitztum  der  Julia  Felix  zu  vermieten:  ein 
Bad,  Läden,  Oberzimmer  der  Läden,  sonstige  Oberzimmer,  vom 
nächsten  15.  August  auf  fünf  Jahre. 

Julia  Felix  war  uneheliche  Tochter  [spuria  filid)  eines  Julius. 
Nicht  recht  klar  sind  die  Worte,  mit  denen  das  Bad  bezeichnet 
wird:  balneum  Venerium  et  norigentum.  Es  hieĂź  Venerium  wohl 
zu  Ehren  der  Venus  Pompejana.  FĂĽr  nongentum  hat  man  daran 
erinnert,  daĂź  nach  einer  Stelle  des  Plinius  die  Richter  volkstĂĽm- 
lich »die  Neunhundert«  genannt  wurden.  So  wäre  das  »Bad  der 
Neunhundert«  ein  feines,  auch  für  Personen  des  Richterstandes 
geeignetes.  FĂĽr  die  sieben  Buchstaben  am  SchlĂĽsse  der  Inschrift 
ist  eine  befriedigende  Erklärung  nicht  gefunden  worden. 

Von  der  auf  ein  verlaufenes  Pferd  bezĂĽglichen  Inschrift  auf 
einem  Grabe  an  der  StraĂźe  nach  Nuceria  war  schon  die  Rede 
(S.  454).  Auf  einen  verlorenen  Gegenstand  bezieht  sich  auch 
folgende  Inschrift,  auf  der  Ostseite  der  Insula  II,  5   (VIII,  5 — 6): 

VRNA  AENIA   PEREIT  DE  TABERNA 
SEIQVIS  RETTVLERIT    DABVNTVR 

HS  LXV  .  SEI  .  FVREM 
DABIT  .  VND  .  .  . 

»Ein  kupfernes  Gefäß  ist  aus  diesem  Laden  abhanden  ge- 
kommen; wer  es  wiederbringt,  erhält  65  Sesterzen;  wer  den  Dieb 
angibt«  .  .  .  (das  Folgende  ist  unleserlich). 


Kapitel  LVII. 
Graffiti. 

Weitaus  die  zahlreichste  Klasse  der  pompejanischen  Inschriften 
sind  die  Graffiti,  die  Wandkritzeleien;  ihre  Zahl  beläuft  sich  über 
dreitausend  und  wächst  fortwährend  mit  dem  Fortschreiten  der 
Ausgrabung.  Sie  sind  mit  irgend  einem  spitzen  Instrument  — 
einem  metallenen  Schreibstift,  einer  Haarnadel,  einem  Nagel, 
auch  wohl  mit  einem  Stein  —  in  den  Stuck  der  Wände  ein- 
gekratzt. Zu  derselben  Klasse  rechnen  wir  Kohlen-  und  Kreide- 
inschriften, die  auch  nicht  selten  begegnen,  aber  weniger  dauer- 
haft sind. 

Einige  Inschriften,  die  ĂĽber  Bedeutung  und  Benutzung  der 
betreffenden  Gebäude  Auskunft  geben,  sind  ihres  Orts  besprochen 
worden ;  es  genĂĽgt  hier,  auf  die  Abschnitte  ĂĽber  die  Basilika 
(S.  67)  und  über  die  Gasthäuser  und  Schenkwirtschaften  zu  ver- 
weisen. Wir  fĂĽgen  noch  hinzu,  daĂź  auch  die  Wandinschriften 
des  Bordells  in  der  Nähe  der  Stabianer  Thermen  an  Deutlichkeit 
nichts  zu  wĂĽnschen  ĂĽbrig  lassen. 

Ein  an  die  Belagerung  durch  Sulla  erinnernder  Graffito  wurde 
schon  erwähnt  S.  246).  Interessant  ist  auch  eine  Reihe  von  In- 
schriften, die  sich  auf  die  Schlägerei  zwischen  Pompejanern  und 
Nucerinern  im  Jahre  59  n.  Chr.  zu  beziehen  scheinen.  Beide 
Parteien  kommen  hier  zum  Wort.  Nucerinis  infelicia^  »Unheil 
den  Nucerinern«,  schrieb  sicher  ein  Pompejaner.  Einer  der 
Gegenpartei  schrieb:  Putcolanis  felicitcr^  omuibus  NucJierinis 
felicia^  et  uncu[m)  Pompdanis  [et]  Pitixusanis^  >Heil  den  Puteo- 
lanern,  Heil  allen  Nucerinern,  zum  Henker  die  Pompejaner  und 
Pithecusanerc.  Es  scheint  demnach,  daĂź  damals  die  Puteolaner 
fĂĽr  die  Nuceriner,  die  Pithecusaner  (Bewohner  von  Ischia)  fĂĽr 
die  Pompejaner  Partei  genommen  hatten.  Der  »Haken«  [uncus]^ 
der  hier  den  Pompejanern  gewĂĽnscht  wird,  ist  der,  mit  dem  die 


5  I O  Pompeji. 

Leichen  hingerichteter  Verbrecher  fortgeschleift  wurden.  Wieder 
ein  Pompejaner  schreibt:  Campani^  victoria  una  cum  Niicerinis 
pej'istis  l  »Campaner,  mit  den  Nucerinern  seid  auch  ihr  besiegt 
worden«.  Die  Campaner  sind  die  Bewohner  der  Pagus  Cam- 
panus genannten  Vorstadt  (S.  lo);  diese  hatten  sich  also  auf  die 
Seite  der  Nuceriner  geschlagen. 

Eine  Anzahl  Inschriften  bezeugt  die  Anwesenheit  von  Präto- 
rianersoldaten  in  Pompeji.  Schon  erwähnt  wurden  (S.  405) 
M.  Nonius  Campanus  von  der  neunten  Kohorte  und  sein  Centurio 
M.  Caesius  Blandus,  ferner  C.  Valerius  Venustus  von  der  ersten 
Kohorte,  der  in  dem  Wirtshaus  IV  (VII),  12,  35  ĂĽbernachtete. 
Ein  Soldat  der  fĂĽnften  Kohorte,  aus  der  Centurie  des  Martialis, 
schrieb  im  Hause  II  (VIII),  3,  21  seinen  Namen  an  die  Wand: 
Sex.  Decimius  Rufus,  milis  coh.  I  Fr.  J  Martialis.  Andere 
Truppenteile  kommen  nicht  vor.  Wenn  wir  in  dem  Hause  I, 
3,  3  zweimal  den  Namen  eines  ersten  Centurio,  Primipilaris, 
Q.  Spurennius  Priscus  finden,  so  dĂĽrfen  wir  vermuten,  daĂź  auch 
er  ein  Prätorianer  war.  Vermutlich  sind  Abteilungen  derselben 
bei  verschiedenen  Gelegenheiten  in  Begleitung  von  Kaisern  in 
Pompeji  gewesen. 

Wertvoll  fĂĽr  die  Geschichte  der  pompejanischen  Wandmalerei 
sind  einige  durch  Nennung  der  Konsuln  des  laufenden  Jahres 
datierte  Inschriften.  Leider  sind  dieser  Inschriften  nur  wenige, 
und  ihre  Daten  sind  so  spät,  daß  sie  uns  als  Anfangsdaten  der 
betreffenden  Stile  nicht  genügen  können.  Immerhin  lernen  wir 
aus  ihnen,  daĂź  die  Dekoration  der  Basilika,  ersten  Stiles,  schon 
im  Jahre  78  v.  Chr.,  die  des  kleinen  Theaters,  zweiten  Stiles, 
schon  37  V.  Chr.,  eine  Dekoration  des  dem  dritten  nahe  ver- 
wandten sogen.  Kandelaberstiles  in  der  Casa  del  Centenario 
(S.  371)  schon  15  n.  Chr.,  die  Malerei  vierten  Stiles  im  Hause 
der  silbernen  Hochzeit  (S.  317)  schon  60  n.  Chr.  vorhanden  war. 

Im  übrigen  wäre  es  Übertreibung,  wenn  wir  sagen  wollten, 
daĂź  uns  diese  Inschriften  ĂĽber  das  Leben,  das  geistige  oder 
materielle,  der  Pompejaner  irgendwie  tiefgehende  AufschlĂĽsse 
gäben.  Grade  diejenigen  Klassen  der  Bevölkerung,  mit  denen 
wir  am  liebsten  in  einen  solchen  unmittelbaren  Verkehr  treten 
möchten,  enthielten  sich  des  Bekritzeins  der  Wände;  schon 
damals  waren  es  vorzugsweise  Narrenhände,   die  sich  dieser  Be- 


LVII,    Graffiti. 


511 


schäftigung  hingaben.  Nur  allzu  verständlich  ist  uns  das  drei- 
mal in  Pompeji  angeschriebene  Distichon:  Admiror ^  paries^  te 
non  cecidisse  ruina,   Cum  tot  scriptonim  taedia  sustineas: 

Wand,  ich  bewundere  dich,  daĂź  du  noch  nicht  zusammengebrochen. 
So  viel  ödes  Geschwätz  bist  du  zu  tragen  verdammt. 

Jede  fĂĽr  sich  betrachtet  sind  fast  alle  diese  Inschriften  gleich- 
gĂĽltiges, nichtsnutziges  Gekritzel.  Aber  in  ihrer  Gesamtheit 
helfen  sie  doch  in  wunderbarer  Weise  unserer  Phantasie,  die 
stillen  Ruinen  zu  bevölkern  mit  arbeitenden  und  genießenden, 
glĂĽcklichen  und  leidenden,   liebenden  und  hassenden  Menschen. 

Die  Unsitte,  den  eigenen  Namen  an  die  Wand  zu  schreiben, 
war  im  Altertum  kaum  weniger  verbreitet  als  jetzt.  So  sind  eine 
groĂźe  Anzahl  dieser  Inschriften  weiter  nichts  als  Namen,  bis- 
weilen mit  dem  Zusätze  »hier«  [liic]  oder  »war  hier«  [liic  ßiit): 
Sabimts  hie.  Paris  hie  fuit.  Unendlich  häufig  ist  es  ferner, 
daĂź  einer  einem  Freunde  auf  diesem  Wege  einen  GruĂź  sendet: 
Ă„emilins  Fortunato  fratri  salutem.  Wir  fĂĽhren  von  vielen  gleich- 
artigen Inschriften  grade  diese  an,  weil  sie  zugleich  lehrreich  ist 
für  den  Gebrauch  der  römischen  Eigennamen  in  der  Kaiserzeit, 
indem  hier  von  zwei  BrĂĽdern  der  eine  sich  mit  dem  Geschlechts- 
namen, der  andere  mit  dem  Cognomen  nennt.  Im  Gegensatz 
zu  diesen  freundlichen  GrĂĽĂźen  schreibt  aber  auch  einmal  einer: 
Samitis  Cornelio  suspcndcre,  »Samius  wünscht  dem  Cornelius,  er 
möge  sich  aufhängen«.  Und  in  komischer  Weise  gibt  einer 
seinen  Empfindungen  beim  Tode  eines  Ereundes  Ausdruck: 
Pyrrhus  CJiio  conlegae  sal{iitem) ;  violeste  fero  quod  audivi  te  mor- 
tiw7n^  itaqiuc)  val[e)^  »es  tut  mir  leid,  daß  du,  wie  ich  höre,  ge- 
storben bist;  also  fahre  wohl«. 

V^or  allem  aber  ist  es  das  ewige  und  unerschöpfliche  Thema 
der  Liebe,  das  immer  wieder  behandelt  wird,  in  Prosa  und  Versen 
—  eigenen  und  entlehnten  —  auch  wohl  in  sonderbaren  Mi- 
schungen aus  gebundener  und  ungebundener  Rede :  das  Verse- 
machen war  doch  nicht  so  leicht,  wie  es  manchem  im  ersten 
Anlauf  schien.  Da  wird  im  allgemeinen  die  Liebe  und  ihre 
Macht  gepriesen: 

Quisquis  aviat  valeat^  pcreat  qjti  nescit  aviarc. 
Bis  tanto  percat  quisquis  amare  vetat. 


512  Pompeji. 

»Heil  allen  Liebenden,  Fluch  dem  der  nie  geliebt,  und  dop- 
pelt dem,  der  Liebe  hindern  will.«  Dies  Distichon,  wohl  einem 
nicht  erhaltenen  Dichter  entnommen,  war  besonders  beliebt  und 
findet  sich,  mehr  oder  weniger  vollständig,  vier-  oder  fünfmal. 
AnknĂĽpfend  an  den  Anfang  desselben  machte  ein  anderer  den 
dĂĽrftigen  Scherz: 

â–   Quisquis  amat  calidis  non  debet  fontibus  uti^ 
Nam  nemo  flammas  ustus  amare  potest. 

»Wer  liebt,  soll  keine  heißen  Bäder  nehmen;  denn  wer  ge- 
brannt ist,  liebt  das  Feuer  nicht.«  Ein  anderer  schrieb:  Nemo 
est  belljLS  nisi  qid  aniavit  mulier em^  »Wer  nie  ein  Weib  geliebt, 
der  ist  kein  feiner  Mann«;  auch  dies  wohl  ein  Zitat.  So  auch 
das  folgende: 

Alliget  hie  aiiras^  si  qiiis  obiurgat  amantes, 
Et  vetet  assidiias  currere  fontis  aqiias. 

FĂĽr  obiurgat  sollte  wohl  custodit  oder  etwas  Ahnliches  stehen : 
»Die  Luft  mag  binden  und  den  Lauf  der  Quelle  hemmen,  wer 
Liebende  bewachen  will. «     Ein  anderer  schrieb : 

Si  quis  forte  ineam  cupiet  violare  pucllam^ 
Illum  in  desertis  montibus  urat  amor. 

»Wer  mir  mein  Mädchen  zu  verführen  denkt,  den  mag  in 
einsamem  Gebirg  die  Liebe  brennen.«  Auch  dies  wohl  ein 
Zitat,  oder  doch  eine  Reminiszenz  aus  einer  bekannten  Dichtung; 
es  findet  sich  auch  in  Rom,  auf  dem  Palatin,  etwas  variiert  und 
in  etwas  weniger  anständiger  Fassung. 

Häufig  sind  einfache  Begrüßungen  der  Geliebten:  Victoria 
vale^  et  ubique  es  suaviter  sternutes,  »Victoria,  sei  gegrüßt,  und 
wo  du  auch  bist,  mögest  du  glücklich  niesen«.  —  Cestilia  regina 
Pompeianorum^  anima  didcis^  vale,  »Cestilia,  Königin  der  Pom- 
pejaner,  süße  Seele,  sei  gegrüßt. «  —  Pupa  quae  bella  es^  tibi  me 
misit  qui  tuus  est^  vale^  »O  Mädchen,  das  du  schön  bist,  mich 
schickt  zu  dir  der  dein  ist,  lebe  wohl.«  An  der  Ostseite  der 
Insula  I,  2  lesen  wir  mehrfach:  Serenae  sodales  sal[utem)^  »Serena 
grüßen  die  Genossen.«  Die  Mehrzahl  der  Genossen  läßt  die 
Moralität  Serenas  in  etwas  zweifelhaftem  Lichte  erscheinen.    Auch 


LVn.   Graffiti. 


513 


schmachtende  Bitten  an  die  spröde  Geliebte  fehlen  nicht ;  sie  ge- 
hören durchaus  zu  den  unerfreulichsten  Leistungen  dieser  Art. 
So  z.  B. 

Sei  quid  amor  valeat  nostei^  sei  te  ho^ninem  scis^ 
commiseresce  mei,  da  veniam  iit  veniam. 

»Wenn  du  weißt,  was  Liebe  bedeutet,  wenn  du  als  Mensch  dich 
fĂĽhlst,  erbarme  dich  mein,  gib  mir  Erlaubnis,  daĂź  ich  komme.  < 
Das  dĂĽrftige  Distichon,  mit  dem  albernen  Wortspiel  veniam^ 
Erlaubnis,  und  veniam^  daĂź  ich  komme,  ist  wohl  sicher  lokales 
Produkt. 

Mehrfach  hat  ein  Liebespaar  die  Erinnerung  an  eine  Zu- 
sammenkunft der  Wand  anvertraut:  Romula  hie  cmn  Staphylo 
moratur^  »Romula  weilt  hier  mit  Staphylus«.  Doch  scheint 
Staphylus  einigermaßen  unbeständig  gewesen  zu  sein;  auf  einer 
Säule  im  Peristyl  des  L.  Caecilius  Jucundus  lesen  wir:  Siaphilus 
hie  cum  Quieta.  DaĂź  es  an  pompejanischen  Don  Juans  nicht 
fehlte,  bezeugt,  wenn  es  nötig  ist,  die  Inschrift:  Restitutus  multas 
decepit  sacpe  pucllas^   »Restitutus  hat  oft  viele  Mädchen  betrogen. 

Wir  ĂĽbergehen  die  zahlreichen  Inschriften,  in  denen  die  Erotik 
eine  allzu  materielle  Form  annimmt,  und  erwähnen  noch  ein 
Distichon  des  Properz,  durch  das  sich  einer  zum  Abbruch  eines 
Liebesverhältnisses  ermutigte: 

Nunc  est  ira  recens^  nunc  est  discedcre  tcjnpus^ 
Si  dolor  afuerit^  crede,  redibit  amor. 

»Jetzt  ist  frisch  noch  der  Zorn,  jetzt  heißt  es,  die  Sache  beenden: 
ist  erst  vergangen  der  Schmerz,  kehret  die  Liebe  zurück.«  Bei 
dieser  Voraussicht  wird  der  Bruch  wohl  nicht  von  langer  Dauer 
gewesen  sein. 

In  einem  Hinterzimmer  des  Ladens  I,  2,  7  sendet  eine  Frau 
ihrem  abwesenden  Gatten  und  anderen  Angehörigen  ihre  Grüße : 
Hirtia  Psacas  C.  Hostilio  Coiwpi  coniugi  suo  mamiductori  et  cle- 
menti  monitori  {fratri)  et  Diodot[a)e  sorori  et  Fortunato  fratri  et 
Celeri  suis  salutem  seviper  ubique  pluriinain^  et  PrivĂĽgeniae  suae 
saluteni.  »Hirtia  Psacas  (^Faza:,  Tautropfen)  wünscht  immer  und 
ĂĽberall  jegliches  Heil  dem  C.  Hostilius  Conops  [conops^  MĂĽcke), 
ihrem    Gatten    und    FĂĽhrer    und    milden    ICrmahner,     und    ihrer 

Mau,   Pompeji.     2.  Aufl.  7-1 


514  Pompeji. 

Schwester  Diodote  und  ihrem  Bruder  Fortunatus  und  ihrem 
Celer;  auch  ihrer  Primigenia  sendet  sie  einen  Gruß.«  In  einem 
Hause  der  Insula  III  (IX),  3  haben  Mann  und  Frau  ihre  Namen 
in  die  Wand  der  ehelichen  Schlaf kammer  eingeschrieben:  L.  Clo- 
diiis  Varus,  Pelagia  coniunx.  Ahnlich  auf  einer  Wand  eines  wohl 
im  Jahre  63  zerstörten  Hauses:  [Ba)lbiis  et  Fortiinata  duo  coiuges. 
Mancherlei  Ereignisse  verewigten  die  Beteiligten  durch  Wand- 
inschriften, groĂźenteils  freilich  Ereignisse,  die  sich  zur  Wieder- 
gabe an  dieser  Stelle  nicht  eignen.  Doch  fehlt  es  auch  nicht 
an  harmloseren  Dingen.  Einer  berichtet  von  einer  Reise  nach 
Nuceria,  wo  er  im  WĂĽrfelspiel  855  y^  Denare  gewann,  und  zwar 
ohne  zu  betrĂĽgen:  vici  Niiceriae  in  alia  (=  aled)  -^ DCCCLVS 
fide  bona.  Ein  anderer,  im  sogen.  Hause  des  Caesius  Blandus, 
IV  (VII),  2,  41,  zählte  die  Schritte,  mit  denen  er  den  Portikus 
seines  Gartens  auf  und  ab  ging;  er  brauchte,  zehn  mal  hin  und 
her  gehend,  640  Schritte.  Im  Peristyl  des  Hauses  I,  2,  6  wird 
von  der  Niederkunft  vermutlich  eines  Schweines  (oder  etwa  einer 
HĂĽndin?)  berichtet:  XV  k.  Nov.  Puteolana  peperit  mascl.  III 
fem.  11^  »am  17.  Oktober  hat  die  Puteolanerin  drei  männliche 
und  zwei  weibliche  Junge  geworfen«. 

Häufig  finden  sich  Rechnungen,  in  den  meisten  Fällen  nur 
aus  Zahlen  bestehend :  so  in  den  Läden  auf  der  Südseite  des 
Macellums.  In  einem  Räume  der  Bäckerei  I,  3,  2"]  lesen  wir: 
Oleum  l.  a.  IV,  palca  a.  F,  faenum  a.  XVI,  diaria  a.  V,  f2ir- 
fure  a.  VI,  viria  I  a.  III,  oleum  a.  VI.  Also  eine  Rechnung 
ĂĽber  ein  Pfund  Ol,  Stroh,  Heu,  Tagelohn,  Kleie,  ein  Halsband 
und  nochmals  Ol.     Die  Beträge  sind  in  Assen  angegeben. 

Kinder  schrieben  häufig  das  eben  erlernte  Alphabet  an  die 
Wand.  Auch  das  häufige  Vorkommen  virgilischer  Verse,  meist 
nicht  vollständig  ausgeschrieben,  geht  wohl  auf  die  Lektüre  in 
der  Schule  zurück.  Am  häufigsten  sind  die  Anfänge  der  Bücher. 
So  der  des  ersten  Buches  der  Ă„neis:  Anna  virumque  cajio; 
häufig  auch  der  des  zweiten  Buches:  Coniicucre  omnes,  »Still 
war's«;  als  Reminiszenz  aus  dem  Anfang  des  siebenten  Buches 
lesen  wir:  Aeneia  nutrix.  So  kommt  auch  mehrmals  der  Anfang 
des  lucrezischen  Gedichtes  vor:  Aencadum. 

Der  virgilische  Vers  (Aen.  IX,  404)  Tu  dea,  tu  praesens  nostro 
succurre  labori  —  »Du  Göttin  komm  unserer  Not  zu  Hülfe«  — 


LVII.    Graffiti. 


515 


verdankt  wohl,  als  Anrufung  der  Venus,  erotischen  Empfindungen 
des  Schreibers  sein  Vorkommen  auf  einer  pompejanischen  Wand. 
Denn  abgesehen  von  dem  in  den  Schulen  gelesenen  Virgil  sind 
es  eben  vorwiegend  die  erotischen  Dichter,  deren  Verse  uns  hier 
begegnen:  Stellen  in  denen  der  Schreiber  seine  eigenen  Er- 
fahrungen oder  Stimmungen  ausgedrĂĽckt  fand.  So  stellte  einer 
zwei  Distichen,  eines  aus  Ovid,  eines  aus  Properz,  zusammen, 
in  denen  die  Kupplerin  das  Mädchen  ermahnt,  nur  dem  reichen 
und  freigebigen  Liebhaber  Gehör  zu  schenken: 

SiĂĽ'da  sit  oranii  tua  ia)iua,  laxa  ferenti^ 
Audiat  cxclusi  verba  receptus  ainans. 

lanitor  ad  dantis  vigilct ;  si  pulsat  inanis, 
Siirdtis  in  obductam  smnniet  nsqiie  sei' am. 

Aber  auch  offenbar  aus  Dichterwerken,  vermutlich  aus  Komö- 
dien, entnommene  Sentenzen  kommen  vor:  Minimuin  vialum  fit 
contannendo  maxuminn  ^  »Das  kleinste  Übel  wird  zum  größten, 
wenn  man  es  vernachlässigt«.  Oder:  Moram  si  quaeres.,  sparge 
miliiim  et  collige^  »Willst  du  Zeit  verderben,  streue  Hirse  aus  und 
sammle  sie«. 

Von  den  auf  die  Spiele  des  Theaters  und  des  Amphitheaters 
bezĂĽglichen  Inschriften  war  schon  in  den  betreffenden  Abschnitten 
(S.  147  und  226)  die  Rede. 


Kapitel  LVIII. 
Geschäftsurkunden. 

Im  Jahre  1875  wurde  im  Hause  des  Bankiers  L.  Caecilius 
Jucundus  (S.  371)  in  einer  Holzkiste  ein  Teil  seines  Hausarchivs 
gefunden.     Die   Kiste   zerfiel  sofort  in  Asche;    die   Dokumente 


Fig.  292.     Quitlungstriptychon  geöfTnet. 


hingegen  —  Holztafeln  mit  Wachsüberzug  —  waren  zwar  ver- 
kohlt und  vielfach  beschädigt,  konnten  aber  doch  großenteils 
zusammengesetzt  und  gelesen  werden.  h^s  sind  Reste  von 
153    Urkunden,    ausnahmslos    Quittungen    ĂĽber    geleistete   Zah- 


LVni.   Geschäftsurkunden. 


517 


lungen,  eine  aus  dem  Jahre  15  (diese  dem  Vater  des  Jucundus, 
L.  Caecilius  Felix,  ausgestellt),  eine  aus  dem  Jahre  27,  die 
ĂĽbrigen  aus  den  Jahren  52  bis  62  n.  Chr.  Nur  sehr  wenige 
sind  einigermaßen  vollständig  erhalten ;  aber  bei  der  großen  Ähn- 
lichkeit der  Dokumente  ergibt  sich  doch  ein  hinlänglich  deut- 
liches Gesamtbild.  Sie  sind  hochinteressant,  teils  wegen  ihrer 
äußeren  Form,  teils  wegen  der  juristischen  Fassung,  teils  endlich 
wegen  des  Inhalts  der  Rechtsgeschäfte. 

Zum  größten  Teil  sind  es  Triptychen,  d.  h.  drei  länglich  vier- 
eckige Täfelchen,  durch  Schnüre  an  der  einen  Langseite  so  zu- 
sammengehalten, daĂź  sie  ein  kleines  Buch  von  sechs  Seiten 
bilden  (Fig.  292,  293).  Die  erste  und  letzte  Seite  sind  einfach 
glatt  und  unbeschrieben.  Auf  der  zweiten  und  dritten  Seite  ist  die 
Mittelfläche  gegen  den  Rand  vertieft  und  mit  Wachs  bestrichen, 


Fig.  293.     Quittungstriptychon  versiegelt. 


in  das  die  Schrift  mit  dem  Griffel  [siilus)  eingeritzt  ist:  sie  ent- 
halten das  Hauptexemplar  der  Urkunde.  Die  vierte  Seite  hat 
keinen  WachsĂĽberzug  und  keine  fĂĽr  diesen  bestimmte  Vertiefung 
der  Mittelfläche,   sondern  nur  eine  in  der  Richtungr  der  Schmal- 


ci8  Pompeji. 

Seiten  querĂĽber  laufende  Vertiefung-,  durch  die  die  Seite  in  zwei 
Kolumnen  geteilt  wird.  Diese  Vertiefung  enthielt  die  in  Wachs 
gedrĂĽckten  Siegel  der  Zeugen,  meistens  sieben.  Diese  Siegel 
hielten  eine  Schnur  fest,  durch  die  die  beiden  ersten  Tafeln  zu- 
sammengebunden wurden,  so  daĂź,  ohne  die  Siegel  zu  verletzen, 
dieser  Teil  des  Triptychons  nicht  geöffnet,  die  zweite  und  dritte 
Seite  nicht  gelesen  werden  konnten. 

Neben  den  Siegeln  stehen  auf  der  vierten  Seite,  mit  Tinte 
und  Feder  geschrieben,  die  Namen  der  Zeugen,  stets  im  Genitiv: 
»(das  Siegel)  des  L.  Laelius  Fuscus«  usw.  Sie  stehen  meistens 
in  der  Kolumne  rechts,  wie  in  unserer  Abbildung,  seltener  in 
beiden,  links  Vor-  und  Geschlechtsname,  rechts  das  Cognomen. 
Die  fĂĽnfte  Seite  endlich,  wieder  mit  WachsĂĽberzug  auf  der  ver- 
tieften Mittelfläche,  enthält  eine  kürzere  Fassung  der  Quittung, 
so  daß  man,  ohne  die  Haupturkunde  zu  öffnen,  doch  von  dem 
Inhalt  derselben  Kenntnis  nehmen  konnte.  Unsere  Abbildung 
zeigt  ein  solches  Triptychon  einmal  ganz  geöffnet,  einmal  so,  daß 
die  beiden  ersten  Tafeln  zusammengebunden  und  versiegelt  sind. 

Bemerkenswert  ist  noch  die  Verschiedenheit  der  juristischen 
Form  in  der  Haupt-  und  Nebenurkunde.  Das  Hauptexemplar 
ist  ein  vor  sieben  Zeugen  aufgenommenes  Protokoll  ĂĽber  die 
mündliche  Empfangserklärung  [accepti  latio).  Sowohl  dieses  als 
die  Namen  der  Zeugen  sind  stets  von  derselben  Hand,  also  der 
des  Jucundus  oder  seines  Schreibers;  die  Beglaubigung  beruhte 
auf  den  Siegeln  der  Zeugen.  Dagegen  das  Nebenexemplar  der 
fünften  Seite  ist  in  den  meisten  Fällen  eine  eigentliche,  von  dem 
Empfänger  eigenhändig,  oder,  wenn  er  etwa  nicht  schreiben 
konnte,  von  seinem  Bevollmächtigten  ausgestellte  Quittung  [c/m-o- 
grapJmm]^  daher  von  verschiedenen  Händen,  mit  Verweisung  auf 
den  Inhalt  des  versiegelten  Dokuments.  Die  Beglaubigung  be- 
ruht hier  auf  der  eigenhändigen  Schrift.  Das  ganze  heißt  Per- 
scriptio^  Eintragung,  und  wird  als  solche  auf  dem  Schnitt  be- 
zeichnet. 

Die  Quittungen  beziehen  sich  zum  größten  Teil  auf  Auktionen, 
die  Jucundus  für  andere  besorgt  hatte.  Der  Verkäufer  bezeugt, 
vom  Jucundus  den  Erlös,  nach  Abzug  der  Provision  [7}iercede 
minus)  erhalten  zu  haben.  Nur  einige  wenige  beziehen  sich  auf 
von  Jucundus  an  die  Gemeine  gezahlte  Pachtsummen,   und  zwar 


LVIII.   Geschäftsurkunden.  51g 

für  Weidegründe  [pasata,  2675  Sesterzen,  zirka  573  Mark  jährlich), 
fĂĽr  ein  GrundstĂĽck  [fundus^  6000  Sesterzen,  zirka  1286  Mark)  und 
fĂĽr  eine  Tuchvvalkerei  [fullonica^  1652  Sesterzen,  zirka  300  Mark). 
Folgendes  ist  ein  Beispiel  der  regelmäßigsten  und  vollstän- 
digsten Form  der  Auktionsquittung. 

Titel  (auf  dem  Schnitt). 

Perscriptio  Umbriciae  Janiiariae.  Eintragung  der  Umbricia 
Januaria. 

Hauptquittung  (S.  2  und  3). 

HS  n,  CCIDD  oo  XXXVIIII,  quae  pecunia  in  stipulatum  L. 
Caecili  Jucundi  venit  ob  auciiofietn  Umbriciae  Januariae^  mercede 
minus  persohäa  habere  se  dixit  Umbricia  Januaria  ab  L.  Caecilio 
Jucundo.     Act.  Ponipcis  pr.  id.  Dec.  L.  Duvio  P.  Clodio  cos. 

»11039  Sesterzen,  welche  Summe  durch  die  Auktion  der  Um- 
bricia Januaria  in  die  Hand  des  L.  Caecilius  Jucundus  gekommen 
war,  erklärte  Umbricia  Januaria  vom  L.  Caecilius  Jucundus  nach 
Abzug  der  Provision  gezahlt  erhalten  zu  haben.  Geschehen  zu 
Pompeji  am  12.  Dezember  unter  dem  Konsulat  des  Lucius  Duvius 
und  P.  Clodius  (56  n.  Chr.).« 

Namen  der  Zeugen  (S.  4,  rechte  Kolumne). 

Q.  Appidei  Scveri  M.  Epidi  Hymen aei 

M.  Lucrcti  Liri  Q.  Grajii  Lesbi 

Ti.  Iidi  Abascanti  T.   Vesoni  Le  .  .  . 

AI.  Iidi  Crcscentis  D.  Volci  Thalli 

M.  Terenti  Primi 
»(Siegel)  des  Quintus  Appuleius  Severus,  des  Marcus  Lucre- 
tius  Lirus,  des  Tiberius  Julius  Abascantus,  des  M.  Julius  Crescens, 
des  M.  Terentius  Primus,  des  M.  Epidius  Hymenaeus,  des  Q.  Gra- 
nius  Lesbus,  des  Titus  Vesonius  Le  .  .  .,  des  D.  Volcius  Thallus.« 

Nebenurkunde  (S.  5). 

L.  Duvio  Az'ifo,  P.  Clodio   Thrasca  cos.,  pr.  id.  Dixembr.  D. 
Volcius  Thallus  scripsi  rogatu  Umbriciae  Januariac  eatn  accepisse 


5  20  Pompeji. 

ab  L.  Caecilio  lucundo  HS  ?i.  XIXXXIX  ex  auctione  eius  mercede 
minus  ex  interrogatione  facta  tabellarum  signatartim  .  .  .  Act. 
Pompeis  .  .  . 

»Am  1 2.  Dezember  unter  dem  Konsulat  des  L.  Duvius  Avitus 
und  des  P.  Clodius  Thrasea  schreibe  ich,  Decimus  Volcius  Thallus, 
im  Auftrage  der  Umbricia  Januaria,  daĂź  sie  vom  L.  Caecilius 
Jucundus  11039  Sesterzen  erhalten  hat,  als  Ertrag  ihrer  Auktion, 
nach  Abzug  der  Provision,  mit  Bezugnahme  auf  die  versiegelte 
Urkunde  (folgt  eine  unleserliche  Zeile).     Geschehen  zu  Pompeji.« 

Von  dieser  häufigsten  und  regelmäßigsten  Form  ist  aber  bis- 
weilen abgewichen  worden,  und  zwar  in  dreifacher  Weise.  Erstens 
bestehen  einige  Urkunden  nur  aus  zwei  Täfelchen  mit  vier 
Seiten.  In  diesem  Falle  enthält  auf  der  vierten  Seite  die  eine 
Kolumne  die  Zeugennamen,  die  andere  das  dann  auch  mit  Tinte 
geschriebene  Nebenexemplar  der  Urkunde.  ■ —  Zweitens  ist  in 
zwei  der  ältesten  Urkunden  (27  und  54  n.  Chr.)  auch  das  Neben- 
exemplar als  Protokoll  einer  mündlichen  Erklärung  gefaßt.  Es 
scheint  danach,  daĂź  bis  zum  Tode  des  Claudius  dies  fĂĽr  die 
einzige  rechtsgültige  Form  galt.  —  Drittens  endlich  hat  in  einigen 
der  jĂĽngsten  Dokumente  auch  das  Hauptexemplar  die  Form  der 
eigenhändigen  Quittung. 

Wir  geben  endlich  ein  Beispiel  einer  Quittung  ĂĽber  eine 
Pachtzahlung. 

Haupturkunde  (S.  2  und  3). 

L.  Veranio  Hupsaeo.,  L.  Ă„lbucio  lusto  diiumviris  iure  die.., 
XIIII  k[alendas)  lulias^  Privatus  coloniae  Pompeian[orimi)  ser[vus) 
scripsi  me  accepissc  ab  L.  Caecilio  hicundo  sestertios  mille  scscentos 
septuaginta  quinque  numjtios^  et  accepi  ante  Jianc  diem,  quae  dies 
fuit  VIII  idus  lunias  scster[tios)  mille  nuinvws,  ob  vectigal  publi- 
cum pasqua  (statt  pasquorum).  Act{um)  Pom{peis)  Cn.  Fonteio  C. 
Vipstano  cos. 

»Unter  dem  Duumvirat  des  L.  Veranius  Hypsaeus  und  L. 
Albucius  Justus,  am  18.  Juni,  schreibe  ich,  Privatus,  Sklave  der 
Kolonie  Pompeji,  daĂź  ich  vom  L.  Caecilius  Jucundus  1675  Se- 
sterze  erhalten  habe,  und  vor  dem  Tage  dieser  am  6.  Juni  ge- 
schehenen Zahlung    weitere    1000    Sestcrze,    als    Miete    fĂĽr    die 


I.Vni.   Geschäftsurkunden. 


521 


Gemeindeweide.     Geschehen  zu  Pompeji  unter  dem  Konsulat  des 
Gn.  Fonteius  und  C.  Vipstanus  (59  n.  Chr.). 

Namen  der  Zeugen  (S.  4,  rechts). 

L.  Verani  Hypsaei 

Privativ  c.  c.  V.  C.  ser.  [colonorum  coloniae  Veneriae  Corneliae  servi). 

L.  Albnci  Iiisti 

Privativ  c.  c.  V.  C.  se.         ChirograpJmm  Privativ  c.  c.  V.  C.  ser. 

>  (Siegel)  des  L.  Veranius  Hypsaeus,  des  Privatus,  Sklaven 
der  BĂĽrger  der  Kolonie  Pompeji,  des  L.  Albucius  Justus,  des 
Privatus,  Sklaven  der  Bürger  der  Kolonie  Pompeji.  Eigenhändige 
Schrift  des  Privatus,  Sklaven  der  Bürger  der  Kolonie  Pompeji.« 

Es  quittiert  also  ein  Sklave  der  Kolonie  als  Geschäftsführer 
[actor)\  er  siegelt  zweimal,  auĂźer  ihm  die  beiden  Duumvirn. 

Nebenurkunde  (S.  5). 

L.  Veranio  Hupsaeo  L.  Albucio  lusto  d.  i.  d.  XIV  k.  hil. 
Privatus  c.  c.  V.  C.  ser.  scripsi  me  accepissc  ab  L.  CaecĂĽio  lucnndo 
HS  00  DCLXXV  et  accepi  ante  hanc  diein  VIII  idiis  Iimias  HS 
00  niimmos  ob  vectigal  publicum  pasquorum.  Act.  Povi.  C.  Fonteio 
C.  Vips.  COS. 

Hier  sind  also  beide  Exemplare  in  der  Form  der  eigenhän- 
digen Quittung  abgefaĂźt.  Sie  sind  infolgedessen  einander  so 
ähnlich,  daß  eine  Übersetzung  der  Nebenurkunde  überflüssig  ist. 

Eine  kurze  Erwähnung  verdienen  die  meist  mit  Feder  und 
schwarzer  Tinte  geschriebenen,  seltener  in  Rot  oder  WeiĂź  mit 
dem  Pinsel  aufgemalten  Inschriften  der  zahlreich  in  Pompeji  ge- 
fundenen Tonamphoren.  Bei  weitem  die  meisten  dieser  Gefäße 
enthielten  Wein,  der  durch  die  Inschriften  bezeichnet  war.  Be- 
merkenswert ist  unter  diesen  die  groĂźe  Zahl  der  griechischen 
Inschriften,  ein  beredtes  Zeugnis  fĂĽr  die  starken  griechischen 
Bestandteile  der  Bevölkerung  dieser  Gegend.  Es  ist  ja  bekannt, 
daß  der  Wein  die  Gärung  in  großen  Tonfässern  [dolium)  durch- 
machte, die  in  der  Weinzelle  —  cella  vinaria  —  standen,  dann 
aber  in  Amphoren  gefĂĽllt  wurde  {diffuudere)^  nach  kĂĽrzerer  oder 
längerer  Zeit,    meist    aber,    bei    gewöhnlichen  Sorten,    vor    der 


52  2  Pompeji. 

nächsten  Weinlese,  weil  dann  die  Fässer  für  den  neuen  Wein 
gebraucht  wurden.  Doch  blieben  bessere  Sorten  auch  wohl 
länger  stehen.  Einen  solchen  Fall  bezeugt  folgende  Inschrift: 
C.  Pomponio  C.  Ă„nicio  cos.  ex  fmid[o)  Badiano  diff[usum)  id.  Aug. 
bimmn.  Das  durch  die  Konsuln  bezeichnete  Jahr  ist  unbekannt; 
der  Wein,  von  dem  nach  der  Familie  Badius  genannten  Grund- 
stĂĽck, wurde  erst  im  zweiten  Jahr  nach  der  Ernte,  im  August, 
in  Amphoren  gefüllt.  Die  älteste  sicher  datierte  Amphora  ist 
vom  Jahre  2  5  n.  Chr. :  [  Cn.  Leti\tulo  Masinio  cos.  Fund.  Wir 
mĂĽssen  es  dahingestellt  sein  lassen,  ob  der  Wein  aus  Fondi,  bei 
Terracina,  stammte,  oder  vielmehr  ein  GrundstĂĽck  [Ăźindus]  be- 
zeichnet war,  dessen  Name  dann  erloschen  wäre.  Die  Namen 
zweier  solcher  GrundstĂĽcke,  fundus  Arrianus  und  Asinianus^  las 
man  auf  zwei  im  Hause  der  Vettier  gefundenen  Amphoren.  Es 
begegnen  aber  auch  ausländische  Weine,  namentlich  von  der 
kleinasiatischen  KĂĽste  und  den  anliegenden  Inseln.  So  fĂĽhrte 
ein  Weinhändler  M.  Fabius  Euporus  einen  Wein  von  Knidos: 
M.  Fabi  Eupori  Cnidium.  Auch  Wein  von  Kos  kommt  öfter 
vor:  Coum  vetus  P.  Appidei  Bassi.  Dem  Wein  werden  allerlei 
Namen  gegeben.  So  fĂĽhrte  ein  M.  Pom(pejus?)  Teupon  oder 
Teuponius  einen  Wein,  den  er  Auttio?  nannte,  also  ein  Getränk 
so  stark,  daĂź  es  Raserei  (XoTra)  bewirken  konnte:  Xurno?  M.  11. 
TsuTKĂĽviou,  Ein  anderer,  Timarchus,  nannte  einen  seiner  Weine 
Xso/ouvaptov,  Weißtrank,  einen  andern  mit  dem  unerklärten 
Namen  Tc^vvi;.  Auf  einer  Amphora  aus  dem  Hause  der  Vettier 
liest  man:  Gustaticiuin^  FrĂĽhstĂĽckswein.  Da  man  zum  FrĂĽhstĂĽck 
mit  Honig  angemachten  Wein,  itiulsmn.,  zu  trinken  pflegte,  so 
wird  diese  Amphora  wohl  ein  derartiges  Getränk  enthalten  haben; 
mulsuin  steht   auf  einer  andern,  frĂĽher  gefundenen  Amphora. 

In  großer  Zahl  finden  sich  auch  kleinere  Tongefäße,  die  nach 
den  Aufschriften  Fischsaucen  —  garum.,  liguamen,  inuria  —  ent- 
hielten. Schon  erwähnt  wurde  (S.  13)  Umbricius  Scaurus,  der 
fĂĽr  diese  Industrie  wie  es  scheint  mehrere  von  seinen  Sklaven 
und  Freigelassenen,  auch  wohl  von  Mitgliedern  seiner  Familie 
geleitete  Betriebstellen  hatte.  Die  feinste  Sorte  des  Garum  wird 
meist  abgekĂĽrzt  als  g[arum)  f{los)^  Garumblume,  bezeichnet;  be- 
sonders beliebt  scheint  das  aus  dem  Fische  sconiber  (Makrele?) 
bereitete  gewesen  zu  sein.    So  lesen  wir:  G[armn)  f[los)  scombr[i) 


LVni.    Geschäftsurkunden. 


523 


Scauri  ab  Eutyche  Scaitri,  »Feinstes  Scombergarum  des  Scaurus, 
(bereitet)  von  Eutyches,  (Sklaven)  des  Scaurus«.  Sehr  häufig 
liqitamen  optimum.  Wir  erwähnten  schon  (S.  17),  daß  auch 
ganan  castiini^  koschere  Fischsauce,  vorkommt,  die  nach  dem 
Zeugnis  des  PHnius  als  Fastenspeise  namentlich  fĂĽr  die  Juden  auf 
besondere  Art  bereitet  wurde.     Ebenso  auch  miiria  casta. 

Aber  auch  allerlei  FrĂĽchte  wurden  nach  Art  unserer  Kon- 
serven in  Tonamphoren  aufbewahrt  und  durch  Aufschriften  be- 
zeichnet: Oliva  alba  dtilce  P-C-E.^  »Weiße  süße  Oliven  von 
P.  C.  E. « ;  die  drei  letzten  Buchstaben  bezeichnen  wohl  den  Pro- 
duzenten. Eine  andere  enthielt  cjaxai,  Linsen.  Auch  Bohnen- 
mehl [lomentum]  kommt  vor,  und  Honig  in  einer  freilich  nicht 
ganz  deutlichen  Inschrift. 

AuĂźer  dem  Inhalt  bezeichnen  diese  Inschriften  bisweilen  auch, 
im  Genitiv,  den  EigentĂĽmer:  M.  Caesi  Celeris\  Caesiae  Helpidis\ 
oder,  im  Dativ,  den,  dem  die  Amphora  als  Geschenk  zugesandt 
wurde:  M.  Aurelio  Soteri\  Albiicio  Celso.  In  diesem  Falle  nennt  sich 
bisweilen  auch  noch  der  Schenker:  Liquamen  Optimum  A.  Virnio 
Mo  desto  ab  Agathopode;  Caecilio  Iiiciindo  ab  Sexsto  Metello.  Wir 
fĂĽhren  diese  letztere  Inschrift  auch  deshalb  hier  an,  weil  sie  uns 
einen  interessanten  Zug  aus  dem  Leben  der  reichen  Empor- 
kömmlinge jener  Zeit  zur  Anschauung  bringt.  Beide,  der  Schenker 
und  der  Adressat,  sind  Söhne  des  Bankiers  L.  Caecilius  Jucundus, 
in  dessen  Haus  das  Gefäß  gefunden  wurde;  auch  sie  führten 
beide  das  Cognomen  Jucundus:  als  Q.  S.  Caecili  luciindi  erscheinen 
sie  in  einem  Wahlprogramm.  Aber  unserem  Bankier  genĂĽgte 
dieser  bescheidene  Name  nicht;  er  wollte  Stammvater  von  Männern 
vornehmen  Namens  werden,  und  so  suchte  er  die  Nomenklatur 
seiner  Familie  der  der  berühmten  Caecilii  Metelli  anzunähern, 
indem  er  dem  einen  Sohn  auĂźer  dem  eigenen  eben  dies  Cog- 
nomen, dem  andern  den  in  eben  dieser  vornehmen  Familie 
ĂĽblichen  Vornamen  Quintus  gab.  Dem  allgemeinen  Gebrauch 
hätte  es  entsprochen,  beide  gleich  dem  Vater  Lucius,  den  einen 
Jucundus,  den  andern  mit  einem  etwa  vom  Namen  der  Mutter 
abgeleiteten  Cognomen  zu  benennen. 

Wir  erwähnen  zum  Schluß  die  häufig  in  Pompeji  gefundenen 
petschaftartigen  Stempel ,   signacula.     Sie   tragen  in   rückläufiger 


524  Pompeji. 

Schrift  den  Namen  des  Besitzers.  Trieb  dieser  ein  Gewerbe,  so 
wurden  sie  seinen  Fabrikaten,  sonst  irgend  welchen  ihm  gehörigen 
Gegenständen  aufgedrückt.  Der  Name  erscheint  stets  im  Genitiv. 
Schon  erwähnt  wurden  (S.  338)  die  Stempel  der  beiden  Vettier: 
A.  Vetti  Restituti  und  A.  Vetti  Convivaes.  Ahnliche  fanden  sich 
schon  frĂĽher  in  groĂźer  Zahl:  A.  Menimi  Aiicii^  C.  Cassi  Bassi, 
N.  Popidi  Prisci^  Pompei  Axiochi  —  letzterer  mehrfach  als  Zeuge 
in  den  Quittungen  des  Jucundus  vorkommend  —  und  viele 
andere.  Seit  Fiorelli  sind  manche  Häuser  nach  den  dort  ge- 
fundenen Petschaften  benannt  worden. 

Abdrücke  der  signacula  finden  sich  am  häufigsten  auf  Ziegeln 
und    Töpferwaren.       Auf    einigen    in    Herculaneum    gefundenen 
verkohlten  Broten   liest   man    den   Stempel:    [C]eleris   Q.   Grani 
Verl  ser.^   »des  Celer,  Sklaven  des  Q.  Granius  Verus«. 


Kapitel  LIX. 
Pompeji  als  Quelle  fĂĽr  die  Kenntnis  des  Altertums. 

Wohl  manchem  schon  hat  sich  der  Wunsch  aufgedrängt,  es 
möchte  uns  eine  größere,  an  Kultur  und  Kunst  reichere  Stadt 
durch  ein  ähnliches  Schicksal  aufbewahrt  worden  sein.  Indes  wir 
wollen  nicht  undankbar  sein  und  lieber  anerkennen,  daĂź  grade 
Rir  Pompeji  verschiedene  Umstände  zusammentreffen,  um  es  be- 
sonders lehrreich  zu  machen. 

Und  zu  diesen  Umständen  rechnen  wir  auch  grade  den,  daß 
Pompeji  kein  bedeutendes,  vielbewegtes  Zentrum  war.  Je  höher 
die  Wogen  des  Lebens  gehen,  desto  schneller  wird  eine  Stadt 
umgestaltet  und  schwinden  die  Spuren  frĂĽherer  Zeiten.  Wir 
haben  in  Pompeji  Häuser  gefunden,  die  über  die  Zeit  Hannibals, 
Wanddekorationen,  die  ĂĽber  die  Zeit  Sullas  hinaufreichen,  und 
von  so  alten  Zeiten  her  liegt  die  Geschichte  des  Hausbaues  und 
der  Wandmalerei  vollkommen  klar  vor  unseren  Augen,  durch 
mehr  als  drei  Jahrhunderte  können  wir  die  Entwicklung  der 
Stadt  und  ihres  Lebens  verfolgen.  Es  darf  bezweifelt  werden, 
ob  zum  Beispiel  Puteoli  dies  alles  uns  hätte  bieten  können.  Ver- 
mutlich hätten  wir  dort  ein  vollständigeres  Bild  der  letzten  Zeit 
vor  dem  Untergange  gefunden,  aber  eben  diese  Zeit  wĂĽrde  dort 
die  Reste  frĂĽherer  Jahrhunderte  weit  grĂĽndlicher  beseitigt  haben. 

Aber  auch  diese  letzten  Zeiten  spiegeln  sich  deutlich  genug 
in  den  Ruinen  Pompejis.  War  auch  der  Seehandel,  bei  der  ge- 
ringen Ausdehnung  des  Hinterlandes,  nicht  bedeutend,  so  reichte 
er  doch  hin,  um  die  Stadt  in  stetem  Kontakt  mit  der  AuĂźenwelt 
zu  halten  und  den  Strömungen  des  zeitgenössischen  Lebens  Zu- 
tritt zu  schaffen.  Namentlich  in  dem  Kunstleben,  in  der  Malerei, 
tritt  dies  zutage;  wir  dĂĽrfen  wohl  sagen,  daĂź  jede  bedeutendere 
Wandlung  des  Kunstgeschmacks  hier  ihre  Spuren  hinterlassen 
hat.    Und  daĂź  unter  diesen  Spuren  grade  die  letzte  Zeit  besonders 


526  Pompeji. 

reich  vertreten  ist,  dafĂĽr  hat  das  Erdbeben  des  Jahres  63  n.  Chr. 
gesorgt,  infolgedessen  ein  groĂźer  Teil  der  Stadt  im  Stil  der 
neronischen  Zeit  erneuert  wurde. 

Ein  besonders  gĂĽnstiger  Umstand  ist  ferner  die  Lage  Pom- 
pejis auf  der  Grenze  zweier  Kulturkreise,  des  griechischen  und 
des  römischen,  die  beide  nacheinander  hier  geherrscht  und  ihre 
Spuren  hinterlassen  haben. 

Ohne  Zweifel  hatte  das  Pompeji  der  vorsuUanischen  Zeit,  die 
Stadt  der  hellenisierten  Samniten,  stark  ausgesprochene  lokale 
Eigentümlichkeiten.  Und  auch  in  den  früheren  Zeiten  der  römi- 
schen Kolonie,  bis  gegen  das  Ende  der  Republik,  mochte  die 
Stadt  eine  eigenartige  Physiognomie  zeigen,  bedingt  durch  die 
Mischung  des  einheimischen  Elements  mit  den  Kolonisten.  In 
der  Kaiserzeit  aber,  der  naturgemäß  der  größte  Teil  des  Erhal- 
tenen angehört,  war  diese  von  ganz  besonderen  Verhältnissen 
abhängige  Entwicklung  eingemündet  in  den  breiten  Strom  der 
das  weite  Reich  beherrschenden  griechisch-römischen  Kultur. 
Wie  man  in  dieser  Zeit  baute  und  wohnte,  wie  man  die  Häuser 
mit  Malereien  schmĂĽckte,  wie  man  sich  umgab  mit  all  den 
kleinen  Geräten  und  Bequemlichkeiten  des  täglichen  Lebens,  wie 
man  die  Wände  bekritzelte,  alles  dies  würden  wir  ebenso  in  einer 
beliebigen  andern  Stadt  finden,  mit  geringen  lokalen  Unter- 
schieden. 

Und  grade  durch  diesen  ihren  typischen  Charakter  sind  die 
pompejanischen  Funde  besonders  lehrreich.  Vielfaches  Licht 
verbreiten  sie  auf  die  alten  Schriftsteller.  Wir  brauchen  nur  an 
Vitruvs  Beschreibung  des  römischen  Hauses  zu  erinnern;  sie  ist 
erst  durch  die  Vergleichung  mit  den  pompejanischen  Häusern 
verständlich  geworden.  Und  während  die  Schriftsteller  in  betreff 
des  täglichen  Lebens  meist  nur  das  Auffallende,  von  der  Regel 
Abweichende  erwähnen,  haben  wir  hier  grade  das  Gewöhnliche, 
Alltägliche  vor  uns ,  alles  das ,  was  in  der  Literatur  nicht  vor- 
kommt, weil  es  für  die  Zeitgenossen  selbstverständlich  war.  Für 
die  Kenntnis  des  täglichen  Lebens  der  Alten  bietet  uns  eben 
nur  Pompeji  den  Hintergrund,  das  Gesamtbild,  durch  das  alles 
anderweitig  Ăśberlieferte  in  das  rechte  Licht  gerĂĽckt  wird. 

Gewiß,  wäre  Rom  oder  Alexandria  zu  derselben  Zeit  von 
dem  gleichen  Schicksal  betroffen  worden,  so  wĂĽrde  die  Ausbeute 


LIX.    Pompeji  als  Quelle  fĂĽr  die  Kenntnis  des  Altertums.  527 

unendlich  größer,  ja  gradezu  unermeßlich  sein.  Lassen  wir  aber 
solche  Träume  beiseite,  so  dürfen  wir  dem  Schicksal  danken, 
daĂź  es  uns  grade  die  kleine  campanische  Hafenstadt  aufbewahrte. 
Beklagen  mögen  wir  nur,  daß  der  Vesuv  sein  Werk  nicht 
noch  etwas  vollständiger  getan  hat,  daß  er  Pompeji  nicht  tief 
genug  begraben  hat,  um  antike  Ausgrabungen  und  vor  allem 
auch  um  die  Zerstörung  der  oberen  Teile  der  Gebäude  zu  ver- 
hindern. Vorsorglicher  war  er  in  dieser  Beziehung  in  Hercula- 
neum,  über  das  sich  die  Auswurfsmassen  in  einem  mächtigen 
Schlammstrom  herabwälzten ,  und  auch  bei  Boscoreale ,  wo  in 
größerer  Nähe  des  Kraters  die  Verschüttungsschichten  beträcht- 
lich höher  sind.  Aber  bei  Boscoreale  handelt  es  sich  um  ver- 
einzelt liegende  Villen,  die  zu  finden  nur  gelegentlich  einmal  ein 
günstiger  Zufall  ermöglicht.  Herculaneum  ist  im  18.  Jahrhundert 
unter  sehr  erschwerenden  Umständen  —  durch  unterirdische 
Gänge  —  und  auch  mit  wenig  Verständnis  zum  großen  Teil 
erforscht  und  leider  wohl  auch  vielfach  zerstört  worden ;  auch  an 
antiken  Ausgrabungen  hat  es  nicht  gefehlt.  Freigelegt  ist  nur 
ein  kleiner  Teil.  Weitere  Ausgrabungen  sind  jetzt  beabsichtigt; 
sollten  sie  ermöglicht  werden,  so  dürften  wir  trotz  Allem  noch 
auf  manche  Belehrung  hoffen,  die  uns  Pompeji  versagt  hat. 


Kapitel  LX. 

HERCULANEUM. 

Die  Lage  von  Herculaneum  zeigt  unsere  Karte  S.  2:  es  lag 
auf  dem  Abhang  des  Vesuv,  ganz  unten,  da  wo  das  Meer  un- 
mittelbar an  ihn  hinantritt,  auf  der  Grenze  des  nordwestlichen 
und  des  südöstlichen  Teiles  der  campanischen  Ebene  (S.  2).  Die 
Stadt  wird  mehrfach  von  alten  Schriftstellern  erwähnt.  Es  heißt, 
daß  sie  auf  einer  in  das  Meer  vortretenden  Höhe  lag  und  einen 
guten  Hafen  hatte.  Davon  ist  jetzt  nichts  mehr  zu  sehen,  da 
diese  ganze  Küste  durch  die  Tätigkeit  des  Vesuv  gründlich  um- 
gestaltet worden  ist.  Aber  noch  jetzt  bläst,  wie  schon  Strabo 
rühmt,  der  Südwestwind,  der  Seewind,  über  die  Höhe  und  macht 
sie  zu  einem  herrlichen,  vielbesuchten  Sommeraufenthalt.  Und 
wie  noch  jetzt,  so  war  schon  im  Altertum  die  Gegend  beliebt 
fĂĽr  Villenanlagen.  Eine  groĂźe  und  reiche  Villa  wurde  im 
18.  Jahrhundert  entdeckt  und  groĂźenteils  durchforscht.  Wir  er- 
fahren auch,  daĂź  die  kaiserliche  Familie  hier  eine  Villa  besaĂź, 
in  der  Agrippina,  die  Witwe  des  Germanicus,  eine  Zeitlang  ge- 
fangen gehalten  wurde.  Caligula,  ihr  Sohn,  war  töricht  genug 
die  Villa  zu  zerstören,  um  an  ihr  die  Mutter  zu  rächen.  Sicher 
waren  die  Küste  und  die  zum  Vesuv  ansteigende  Höhe  dicht 
mit  Villen  besetzt.  Und  auch  in  der  Stadt  waren  die  Häuser  — 
nach  dem  Wenigen  was  wir  kennen  zu  urteilen  —  weitläufig, 
villenartig  angelegt. 

Die  alten  Schriftsteller,  wenn  sie  von  Herculaneum  sprechen, 
unterlassen  nie,  es  als  eine  kleine  Stadt  zu  bezeichnen.  Seneca, 
bei  Gelegenheit  des  Erdbebens  im  Jahre  63  [Nat.  qnaest.  VI  i,  2), 
unterscheidet  ausdrĂĽcklich  Pompeji,  celebrem  Campaniae  urbem 
und  das  Herculanense  oppidum.  Es  muĂź  also  wohl  recht  klein, 
viel  kleiner  als  Pompeji  gewesen  sein.  FĂĽr  die  Beurteilung  der 
Ausgrabungen  ist  dies  nicht  unwichtig. 


LX.    Herculaneum. 


529 


Die  Geschichte  Herculaneums  ist  von  der  Pompejis  wenig 
verschieden.  Wie  alt  die  Stadt  war,  ist  unbekannt;  es  gab  keine 
Nachricht  ĂĽber  ihre  GrĂĽndung;  man  fabelte,  sie  sei  gegrĂĽndet 
worden  von  Herakles,  als  er  mit  den  Rindern  des  Geryoneus 
aus  Spanien  zurĂĽckkam.  Osker,  sagt  Strabo,  haben  hier  ge- 
wohnt, dann  Etrusker,  dann  Samniten,  ganz  wie  in  Pompeji. 
Und  wie  Pompeji  war  dann  auch  Herculaneum  römisch  geworden. 
Im  Jahre  89  v.  Chr.  wurde  es  von  den  Römern  erobert. 

Eine  Kolonie  aber  erhielt  es  nicht;  es  war  ein  Municipium. 
Wir  erfahren  aus  den  Inschriften  von  dem  Stadtrat  der  Decu- 
rionen  und  von  den  an  der  Spitze  des  Gemeinwesens  stehenden 
Zweimännern,  dnoviri  hiri  dicimdo,  die  auch  hier  in  jedem 
fünften  Jahre  als  dnoviri  quinquennales  die  Geschäfte  der  Zensur 
besorgten.  Ă„dilen  kommen  nicht  vor;  doch  darf,  bei  der  ge- 
ringen Zahl  der  Inschriften,  daraus  nicht  geschlossen  werden, 
daĂź  sie  nicht  vorhanden  waren.  Auch  hier  bestand  das  Frei- 
gelassenenkollegium der  Augustalen  zur  Pflege  des  Kaiserkultus. 

Wie  Pompeji  so  wurde  auch  Herculaneum  durch  das  Erd- 
beben des  Jahres  63  n.  Chr.  stark  beschädigt.  Seneca  (a.  O.) 
sagt,  ein  groĂźer  Teil  der  Stadt  sei  eingestĂĽrzt,  und  auch  das 
stehengebliebene  sei  nicht  recht  sicher.  Auch  an  einem  in- 
schriftlichen Zeugnis  fehlt  es  nicht.  Der  Tempel  der  Götter- 
mutter war  eingestĂĽrzt  und  wurde  von  Vespasian  wieder  auf- 
gebaut; im  Jahre  76  war  der  Bau  beendigt:  Imp.  Caesar  V^espasia- 
niis  Aug.  pontif.  max.^  trib[unicia)  pot[estate)  VII^  imp[erator] 
XVII^  p[atcr]  p[atriac)^  co{n)s[nl)  VII,  design[atus)  VI  11^  templum 
Matris  Deuvi  terrae  motu  conlapsum  resiituit. 

Im  Jahre  79  wurde  auch  Herculaneum  verschĂĽttet,  aber 
anders  als  Pompeji.  Ein  Schlammstrom  —  Asche  und  Bim- 
stein  mit  reichlichem  Wasser  —  wälzte  sich  vom  Krater  über 
die  Stadt,  mit  solcher  Gewalt,  daĂź  an  offenen  Orten  die  Statuen 
—  Marmor  und  Bronze  —  zertrümmert  und  die  Stücke  weit 
fortgetragen  wurden.  Doch  scheint  es,  daĂź  die  Menschen  Zeit 
hatten  zu  fliehen,  wenigstens  aus  der  Stadt;  denn  in  dieser  sind 
nur  ganz  wenige  Leichen  gefunden  worden.  Die  Schlammasse 
steht  stellenweise  bis  zu  20  m  hoch;  sie  ist  im  Laufe  der  Zeit  zu 
einem  festen  Tuff  erhärtet.  Dennoch  ist  auch  hier  wie  in  Pom- 
peji  schon   im  Altertum   durch    unterirdische  Gänge    nach  Wert- 

Maii,  Pompeji.     2.  Aufl.  t^a 


530  Pompeji. 

Sachen  gesucht  worden ;  in  den  Ausgrabungsberichten  des 
i8.  Jahrhunderts  ist  mehrfach  von  solchen  alten  Gängen  die 
Rede.  So  vollständig  aber  wie  in  Pompeji  sind  diese  antiken 
Ausgrabungen  bei  weitem  nicht  gewesen.  Auf  dem  Forum  und 
im  Theater  fanden  sich  die  Statuen,  soweit  nicht  der  Schlamm- 
strom sie  fortgerissen  hatte,  an  ihren  Plätzen,  während  in  Pom- 
peji derartige  Funde  sehr  selten  sind. 

Bei  dieser  Art  der  VerschĂĽttung,  und  da  ĂĽberdies  die  Ort- 
schaft Resina  darĂĽber  steht,  ist  es  begreiflich,  daĂź  man  nicht 
daran  ging,  die  alte  Stadt  freizulegen,  sondern  sich  begnĂĽgte, 
sie  durch  unterirdische  Gänge,  »Grotten«,  zu  erforschen.  Regel- 
mäßige Ausgrabungen  begannen  im  Jahre  1738  unter  der  Lei- 
tung des  Genieobersten  Roque  Joaquin  de  Alcubierre,  den  König 
Karl  III.  aus  Spanien  mitgebracht  hatte.  Er  widmete  sich  der 
Sache,  mit  groĂźem  Eifer  aber  freilich  ohne  jedes  wissenschaft- 
liche Verständnis,  bis  zu  seinem  Tode  1780,  mit  kurzer  Unter- 
brechung 1741 — 45.  Unter  ihm  arbeitete  1750 — 64  der  Genie- 
oberstleutnant Karl  Weber,  ein  Schweizer,  mit  groĂźem  FleiĂź 
und  jedenfalls  mehr  Verständnis  als  Alcubierre,  und  nach  Webers 
Tod  Francesco  La  Vega,  der  an  Fähigkeit  und  Einsicht  seine 
Vorgänger  weit  überragte.  Aber  schon  1765  wurde  die  Haupt- 
arbeit nach  Pompeji  verlegt.  Die  Tätigkeit  in  Herculaneum  zog 
sich  hin  bis  zum  Jahre  1780.  Die  Erforschung  des  Theaters 
wurde  noch  etwas  vervollständigt,  hauptsächlich  aber  die  alten 
Grotten  ausgefüllt  und  die  in  Gefahr  geratenen  Häuser  von 
Resina  durch  Untermauerung  gesichert.  Nach  langer  Zeit  wurden 
dann  in  den  Jahren  1828 — 55  und  1869  —  75  im  untern  Teil  der 
Stadt,  gegen  das  Meer,  wirkliche  Ausgrabungen  unternommen, 
indem  man  diese  Teile  ganz  freilegte.  Aber  es  sind  nur  wenige 
Häuser,  keines  ganz  vollständig. 

Während  der  unterirdischen  Ausgrabungen  wurde  nun  keines- 
wegs nur  Raubbau  auf  Wertobjekte  betrieben,  sondern  es  wurden 
auch  fortwährend  Aufnahmen  und  Zeichnungen  gemacht,  auch 
zahllose  Berichte  geschrieben.  Aber  —  es  scheint  unglaublich 
—  dies  wertvolle  Material  ist  zum  größten  Teil  verloren  ge- 
gangen. DĂĽrftige  Reste  sind  es,  die  der  frĂĽhere  Direktor  der 
Ausgrabungen  von  Pompeji,  Michelc  Ruggiero,  noch  auftreiben 
konnte  und  in  seinem  Werk  Storia  drj^li  Scavi  di  Jircolano  vcr- 


LX.    Herculaneum. 


531 


öffcntlicht  hat.  Und  so  wissen  wir,  nach  75  jähriger  Ausgrabung, 
von  Herculaneum  erstaunlich  wenig.  Was  wir  einigermassen 
kennen  ist  Folgendes. 

1.  Ein  von  La  Vega  nach  1890  auf  Grund  ihm  vorliegender, 
jetzt  verlorener  Aufnahmen  gezeichneter  kleiner  GrundriĂź  der 
unterirdisch  erforschten  Teile,  ganz  summarisch,  mit  Angabe 
nur  der  Häuserviertel  [insulae]^  nicht  der  einzelnen  Häuser  und 
Räume. 

2.  Am  Nordostrand  eben  dieser  Teile  ein  von  Säulenhallen 
umgebener  Platz,  wahrscheinlich  —  davon  später  —  das  Forum, 
die  an  ihm  vorĂĽberfĂĽhrende  StraĂźe  und  zwei  ihm  an  dieser 
Straße  gegenüberliegende  öffentliche  Gebäude.  Alles  dies  ist 
bekannt  durch  zwei  in  Frankreich  erschienene  kleine  Schriften: 
(Darthenay),  Memoire  historiguc  et  critique  snr  la  ville  sojitcr- 
raine  dccouverte  au  pied  du  V^esiive,  Avignon  17 48,  und  Cochin 
und  Bellicard,  Observations  sitr  Ics  antiquites  d^ Herailanum^ 
Paris  1754,  letztere  mit  einem  GrundriĂź.  Die  Lage  dieses 
Platzes  —  meist  Basilika  genannt  —  ergibt  sich  aus  dem  oben 
erwähnten  Plan  La  Vegas,  wo  er  ganz  summarisch  angedeutet  ist. 

3.  Das  Theater;  dies  ist,  wenn  auch  nur  durch  unterirdische 
Gänge,  noch  jetzt  zugänglich  und  ist  hinlänglich  erforscht  und 
beschrieben  worden,  frĂĽher  von  Mazois  im  4.  Bande  seines  be- 
kannten Werkes  ĂĽber  Pompeji  und  neuerdings  von  Ruggiero  in 
dem  oben  erwähnten  Buche. 

4.  Die  wenigen  seit  1828  freigelegten  Häuser,  dabei  Teile 
einer  Badeanstalt. 

5.  Eine  groĂźe  Villa  auĂźerhalb  der  Stadt,  berĂĽhmt  nament- 
lich durch  den  Fund  der  Papyrusrollen.  Wir  kennen  sie  aus 
einem  von  Weber  aufgenommenen  Plan  mit  begleitendem  Text. 

6.  Ein  Grab,  beschrieben  und  gezeichnet  in  der  schon  er- 
wähnten Schrift  von  Cochin  und  Bellicard. 

Rechnen  wir  dazu,  daĂź  wir  von  zwei  Tempeln  durch  die 
Angaben  der  Berichte ,  von  einem  auch  durch  eine  flĂĽchtige 
Planskizze  eine  ungefähre  Vorstellung  haben,  daß  eine  Basilika 
und  ein  Macellum  in  Inschriften  erwähnt  werden,  so  ist  das  so 
ziemlich  alles^as  wir  von  Herculaneum  wissen.  Viel  ist  es  nicht, 
aber  es  %jßtf(  doch  ein  ungefähres  Stadtbild. 

Beistehend  (Fig.  294)  der  kleine  Plan  La  Vegas.     Wir  sehen 

34* 


532 


Pompeji. 


sofort,  daß  wir  mit  einer  planmäßig  und  regelmäßig  angelegten 
Stadt  zu  tun  haben:  acht  gleiche  und  rechteckige  Häuserviertel, 
getrennt  durch  schnurgrade  StraĂźen;    letzteres  betonen  auch  die 


•'■  ':j;,;-'^:%b- "' 


Fig.  294.     Karte  von  Herculaneum  und  Umgegend. 
I.  Puteiis  ex  quo  prima  consepiiltac  icrliis  rvdi'va  et  sii;nn  eiiierscrnnt.    2.  Theatrinii.    j.  J-'i»-iim. 
4.  Basilica.     5.    Templa.     6.  Donnis  pseudnurbana,    nöi  voliiinina  sunt  reperta.     ^-  Ilac  lutea 
designatur   guousgue   in  presenti   littis  procurrit.     ^  Sepulcretnm.  —  l'raneiscns   In    J'egn   in- 

vestlgaiiit  et  descripsit. 


Ausgrabungsberichte.  Dazu  ein  langer  und  schmaler  Streif 
zwischen  diesem  regelmäßigen  Teil  und  einem  Terraineinschnitt. 
Nördlich  von  diesem  Streif,  außerhalb  des  regelmäßigen  Teiles, 
an  der  Nordostecke   des  Planes,    das  Theater,    und  westlich   von 


LX.   Herculaneum. 


533 


diesem  etwas  was  La  Vega  als  Forum  bezeichnet.  Schwerlich 
mit  Recht;  es  ist  allzu  unwahrscheinlich,  daß  in  einer  planmäßig 
angelegten  Stadt  das  Forum  so  am  Rande,  auĂźerhalb  des  StraĂźen- 
netzes gelegen  haben  sollte.  Daneben  noch  ein  als  Tempel  be- 
zeichneter Bau,  von  dem  wir  sonst  nichts  wissen. 

Es  ist  nun  wichtig,  daĂź  uns  in  diesem  Plan  das  Westende 
der  Stadt  vollständig  vorliegt.  Daß  im  Westen  hier  die  Stadt 
gegen  das  Meer  endet,  ist  durch  die  Ausgrabungen  des  1 9.  Jahr- 
hunderts festgestellt.  Im  SĂĽden  liegen,  wie  La  Vega  angibt, 
Gräber,  im  Norden,  jenseits  eines  Terraineinschnittes,  wahr- 
scheinlich eines  Baches,  die  groĂźe  Villa;  hier  wie  dort  sind  wir 
auĂźerhalb  der  Stadt.  Nur  nach  Osten  erstreckte  sich  diese  noch 
weiter.  Wie  weit,  das  können  wir  mit  Sicherheit  nicht  sagen; 
aber  eine  sehr  wahrscheinliche  Vermutung  ist  doch  gestattet. 

Die  an  der  Ostseite  dieser  Häuserviertel  entlang  laufende 
StraĂźe  ist  etwa  doppelt  so  breit  als  die  anderen.  Sie  war,  wie 
auf  dem  Plan  angedeutet  und  besser  noch  auf  einem  andern 
Plan  (Fig.  295)  ersichtlich  ist,  auf  beiden  Seiten  von  Säulenhallen 
eingefaßt.  Auf  ihre  Ostseite  öffnet  sich,  in  der  Mitte  ihrer  Länge, 
ein  von  Säulenhallen  umgebener  Platz,  mit  einem  mächtigen, 
weit  auf  die  StraĂźe  ĂĽbergreifenden  P^ingangsbau.  Und  gegen- 
über, auf  der  Westseite  der  Straße,  liegen  zwei  öffentliche  Ge- 
bäude, getrennt  durch  die  hier  einmündende  mittlere  Ostwest- 
straße. Höchst  wahrscheinlich  haben  wir  hier  das  Forum  und, 
an  ihm  vorbeifĂĽhrend,  die  HauptstraĂźe  der  Stadt  zu  erkennen. 
Dann  aber  ist  es  weiter  wahrscheinlich,  daĂź  dies  das  Zentrum 
der  Stadt  war,  daĂź  das  Forum,  wie  in  der  Mitte  der  Breite,  so 
auch  in  der  Mitte  der  Länge  der  Stadt  lag.  Und  zwar  konnte 
dann  die  Anordnung  entweder  so  sein,  daĂź  die  breite  StraĂźe 
mit  Säulenhallen  die  Stadt  halbierte  und  oberhalb  wie  unterhalb 
ihrer  je  zwei  Reihen  Häuserviertel  lagen,  oder  so  daß  die  das 
Forum  enthaltende  Insula  das  Zentrum  war  und  oberhalb  wie 
unterhalb  ihrer  noch  zwei  Reihen  Insulac  folgten.  Da  neben 
der  groĂźen  Forumsinsula  jederseits  nur  noch  eine  sein  konnte, 
so  enthielt  in  ersterem  Falle  der  regelmäßige  Teil  der  Stadt 
auĂźer  der  Forumsinsula  noch  (3  X  4)  +  2  =  14  Insulac  und  war 
etwa  365  X  200  =  73,000  qm  groĂź,  im  zweiten  Falle  waren  es 
(4  X  4)  +  2  =  18   Insulae   mit   zirka   455  X  200  =  91,000  qm. 


534  Pompeji. 

Den  Flächeninhalt  Pompejis  berechnete  Fiorelli  auf  646,826  qm; 
Herculaneum  wäre  also  reichlich  ein  Neuntel,  bzw.  etwa  ein 
Siebentel  so  groĂź  gewesen  wie  Pompeji.  Oder,  um  den  Ver- 
gleich faĂźlicher  zu  machen,  es  entspricht  etwa  der  Nordwestecke 
Pompejis,  östlich  einschließlich  der  Casa  del  Fauno  und  Casa 
del  Laberinto,  sĂĽdlich  bis  zur  Mitte,  bzw.  bis  zum  SĂĽdende  des 
Forums.  Und  wenn  Pompeji  mit  Recht  auf  20,000  Einwohner 
geschätzt  wird,  so  mochte  Herculaneum  ihrer  2500  bis  3000 
zählen.  Da,  wie  schon  gesagt,  die  alten  Schriftsteller  stets  die 
Kleinheit  des  Städtchens  hervorheben,  so  darf  dies  Resultat  als 
durchaus  glaublich  gelten.  Dagegen  ist  eine  weitere  Ausdehnung 
ostwärts,  bergwärts,  sehr  unwahrscheinlich.  Das  Mißverhältnis 
zwischen  Breite  und  Länge  würde  allzu  stark  werden;  bei  nur 
noch  einer  weitern  Reihe  von  Insulae  wäre  es  1:3,  während  doch 
die  Terrainverhältnisse  einer  größern  Breitenausdehnung  keiner- 
lei Schwierigkeit  bereiteten.  Und  dies  wird  noch  unwahrschein- 
licher dadurch,  daß  die  Längenrichtung  bergauf  gehen  würde; 
denn  wenn  man  der  am  Abhang  zu  grĂĽndenden  Stadt  eine 
längliche  Gestalt  geben  wollte,  so  war  es  weit  zweckmäßiger  sie 
horizontal  zu  legen,  parallel  der  KĂĽstenstraĂźe. 

Das  oben  ĂĽber  das  Forum  und  das  Zentrum  der  Stadt  ge- 
sagte bedarf  noch  einiger  näheren  Begründung.  Beistehend 
(Fig.  295)  der  von  dem  französischen  Architekten  Bellicard  (er 
besuchte  Herculaneum  1749  und  wieder  1750)  veröffentlichte 
Grundriß  dieser  Gebäude.  Er  stimmt  nicht  genau  mit  der 
Skizze  La  Vegas  ĂĽberein.  Nach  dieser  mĂĽndet  die  mittlere  Ost- 
weststraße in  die  breite  Nordsüdstraße  ungefähr  gegenüber  der 
linken  Ecke  dessen  was  wir  fĂĽr  das  Forum  halten,  nach  Bellicard 
etwas  rechts  von  der  Mitte  desselben.  Wenn  wir  bedenken,  wie 
schwer  es  war,  in  den  dunkeln  Grotten  genaue  Aufnahmen  zu 
machen,  so  dĂĽrfen  wir  wohl  annehmen,  daĂź  die  Wahrheit  in 
der  Mitte  liegt.  Die  Achse  des  Platzes  entsprach  dann  der 
mittlem  OstweststraĂźe;  er  lag  in  der  Mitte  der  Stadt,  oder 
doch  dieses  regelmäßig  angelegten  Stadtteiles.  Es  ist  ganz  un- 
wahrscheinlich, daĂź  man  hier  unsymmetrisch  gebaut  haben  sollte. 

Betrachten  wir  nun  noch  etwas  näher  den  Plan  Bellicards  an 
der  Hand  seiner  eigenen  Erläuterungen  und  der  etwas  altem 
Beschreibung  von  Darthenay. 


LX.    Ilerculaneum. 


535 


Das  große  Gebäude  —  man  hat  es  fälschlich  eine  Basilika 
genannt  —  ist  eine  Säulenhalle,  die  einen  offenen  Platz  auf  drei 
Seiten  umgibt,  während  der  vierten  Seite  ein  besonderer  Ein- 
gangsbau vorgelegt  ist.  Der  offene  Platz  ist  etwa  40  X  20,  der 
ganze  Innenraum  mit  den  Säulenhallen  45  X  35  m  groß,  also,  um 


Fig.  295.     GrundriĂź  des  Forums  (sogen.  liasilika)  von  Herculaneum. 


an  schon  besprochenes  anzuknüpfen,  beträchtlich  größer  als  die 
Portiken  des  Gebäudes  der  Eumachia,  wo  der  offene  Platz  allein 
36  X  17,  mit  den  Säulenhallen  48  X  28  m  groß  ist.  An  das 
Gebäude  der  Eumachia  erinnern  auch  die  drei  kleinen  Räume, 
die   sich  auf  die  hintere   Säulenhalle  öffnen.     In  der  Mitte   eine 


536  Pompeji. 

viereckige  Kammer  oder  Cella,  zugänglich  über  drei  Stufen,  mit 
einem  Podium  an  der  Rückwand,  auf  dem  —  so  heißt  es  — 
drei  Statuen  standen:  in  der  Mitte  Vespasian,  stehend,  vermut- 
lich eine  Bronzestatue,  ohne  Kopf  aber  durch  eine  Inschrift  be- 
zeichnet; neben  ihm  zwei  sitzende  Marmorstatuen,  auch  ohne 
Kopf,  vermutlich  Titus  und  Domitian.  An  beiden  Enden  der 
Rückwand,  den  Seitenportiken  entsprechend,  öffnete  sich  je  eine 
flache  Apsis,  und  vor  jeder  derselben  stand  in  einiger  Entfernung, 
im  Portikus,  auf  einer  Basis  eine  Bronzestatue.  Sie  sollen  Nero 
und  Germanicus  dargestellt  haben;  die  Benennungen  sind  wahr- 
scheinlich irrig  und  es  ist  leider  nicht  möglich,  unter  den  Statuen 
des  Museums  diese  beiden  nachzuweisen. 

Die  beiden  Apsiden  waren  geschmückt  durch  Gemälde,  die 
—  jetzt  in  Neapel  —  zu  den  wertvollsten  und  berühmtesten 
Resten  antiker  Malerei  gehören.  Die  Hauptfläche  war  einge- 
nommen von  je  einem  großen  Gemälde,  in  der  einen  Theseus 
nach  der  Tötung  des  Minotaurus,  mit  den  athenischen  Kindern, 
die  ihm  ihre  Dankbarkeit  kundgeben,  in  der  andern  Herakles 
der  in  Arkadien  seinen  und  der  Auge  Sohn  Telephos,  von  einer 
Hirschkuh  gesäugt,  findet.  Seltsamerweise  ist  hier  eine  Orts- 
personifikation zur  Hauptfigur  des  Bildes  geworden:  die  groĂźe 
majestätische  Frauenfigur  ist  nichts  anderes  als  die  Personifikation 
der  Arkadia.  Ihr  hat  der  Maler  einen  kleinen  Satyr,  als 
Bezeichnung  der  bergigen  Gegend,  dem  Herakles  eine  Nymphe 
oder  dergleichen,  auch  eine  Ortspersonifikation,  beigesellt,  so  daĂź 
nun  beiderseits  Männliches  mit  Weiblichem,  Rauhes  mit  Zartem 
gepaart  ist  und  sich  kreuzweise  (»chiastisch«)  gegenübersteht. 

Die  unter  diesen  Bildern,  am  Sockel  der  Wandfläche  ge- 
malten Figuren  waren  wohl  als  Statuengruppen,  und  zwar  als 
farbige  Statuen  gedacht:  unter  dem  Theseus  der  Kentaure 
Chiron,  wie  er  Achilleus  im  Leierspiel,  unter  dem  Herakles 
Marsyas  wie  er  seinen  jungen  Liebling  Olympos  im  Flötenspiel 
unterrichtet.  Nach  dem  Charakter  der  Malerei  und  nach  der 
ornamentalen  Behandlung  des  Wandsockels  ist  kein  Zweifel,  daĂź 
alle  diese  Bilder  dem  letzten  pompejanischen  Stil  angehören. 

Kehren  wir  nun  zur  Betrachtung  der  Portiken  zurĂĽck.  Sie 
sind  um  drei  Stufen  über  den  offenen  Platz  erhöht.  Die  Säulen- 
stellung ist  nicht  an  den   drei  Seiten  gleichmäßig  herumgeführt. 


LX.    Ilerculaneum. 


537 


Nur  auf  den  Langseiten  stehen  Säulen  in  regelmäßigen  Ent- 
fernungen von  2,65  m;  auf  der  RĂĽckseite  sind  statt  ihrer  Pfeiler 
oder  MauerstĂĽcke,  an  den  Ecken  rechtwinklig  gebrochen,  denen 


Fig.  296.     Herakles  und  Telcphos.     Wandgemikle  der  sogen,  liasilika  in  Hcrculancum. 
Photographie  Alinari. 


an  jedem  Ende  eine  Halbsäule  angesetzt  ist,  nur  da(i  an  der 
mittlem  Ă–ffnung,  entsprechend  der  Cella  d^  um  sie  recht  weit 
zu  machen,  die  Halbsäulen  weggelassen  sind. 


538  Pompeji. 

Auf  den  Langseiten  entsprach  jeder  Säule  ein  aus  der  Wand 
vortretender  Pilaster,  aus  dem  wieder  eine  Halbsäule  vortrat,  und 
zwischen  den  Pilastern  stand  je  eine  Statue,  abwechselnd,  so 
wird  berichtet,  aus  Marmor  und  aus  Bronze.  Statuen  verdienter 
BĂĽrger,  z.  B.  die  beiden  M.  Nonius  Baibus,  Vater  und  Sohn,  und 
die  Gattin  des  altern  der  beiden,  Viciria  Archais.  Aber  auch 
Mitglieder  der  kaiserlichen  Familie:  Antonia,  die  Mutter  des 
Claudius,  Domitia  die  Gemahlin  Domitians;  von  letzteren  beiden 
fand  man  leider  nur  die  Inschriften. 

In  ganz  besonderer  Weise  ist  die  Westseite,  die  Eingangs- 
seite der  Anlage  ausgebildet.  Hier  stehen  mitten  in  der  StraĂźe 
zwei  Reihen  von  je  sechs  massiven,  durch  Gewölbe  verbundenen 
Pfeilern,  zwischen  denen  drei  Eingänge  in  den  unbedeckten 
Raum,  zwei  in  die  Seitenportiken  führen.  Bei  den  mächtigen 
Dimensionen  der  Pfeiler  —  bis  zu  2  X  3,50  m  —  wird  an- 
zunehmen sein,  daß  dieser  Vorbau  höher  war,  als  die  Säulen- 
hallen, doch  fehlt  es  darüber  an  Angaben.  Einwärts  dieser 
Pfeiler,  auf  dem  unbedeckten  Platz,  stehen  vier  Postamente,  wie 
sie  im  Plan  angegeben  sind.  Es  scheint,  daĂź  auf  den  beiden 
kleineren,  gleich  neben  dem  Eingang  b^  die  marmornen  Reiter- 
statuen der  beiden  M.  Nonius  Baibus,  Vater  und  Sohn  standen. 
Auf  den  beiden  Postamenten  g  soll  nach  Darthenay  je  eine  fast 
ganz  zerstörte  Reiterstatue  gefunden  sein. 

Diesem  säulenumgebenen  Platz  gegenüber  lagen  nun,  durch 
eine  Straße  getrennt,  zwei  öffentliche  Gebäude  von  verschiedener 
Größe.  Das  größere  derselben  [i  l  m)  ist  ein  geräumiger  Saal, 
etwa  20  X  15  ni  groß,  also  viel  größer  als  die  drei  öffentlichen 
Gebäude  am  Südende  des  Forums  von  Pompeji,  deren  größtes 
kaum  14,5  X  10  m  mißt.  Man  betrat  es  durch  zwei  Eingänge; 
zwischen  diesen  eine  große  Basis  (;«,  etwa  5x3m);  hier,  heißt 
es,  seien  Reste  einer  Quadriga  aus  Bronze  gefunden  worden.  Auf 
die  Rückseite  des  Raumes  öffnet  sich  etwas,  was  wir  nach  dem 
GrundriĂź  nicht  wohl  fĂĽr  etwas  anderes  als  fĂĽr  eine  Aedicula 
halten  können,  ähnlich  der  des  Decurionensaales  von  Pompeji, 
nur  bedeutend  größer:  breit  etwa  10  m,  gegenüber  3,50  in 
Pompeji. 

Auch  das  kleinere  Gebäude  ist  noch  recht  geräumig.  Der 
Saal    mißt    etwa    11  X  10  m,    wird    aber    freilich    eingeschränkt 


LX.    Ilerculaneuni. 


539 


durch  den  Einbau  auf  der  RĂĽckseite,  in  dem  wir  doch  auch 
wohl  etwas  wie  eine  Aedicula  erkennen  mĂĽssen.  Der  Eingang 
ist  in  der  Mitte  der  Vorderseite;  neben  ihm  sind  noch  zwei 
kleine,  auch  von  der  Straße  zugängliche  Kammern,  so  daß  man, 
um  in  den  Hauptraum  einzutreten,  erst  einen  kurzen,  etwa  2  m 
breiten  Gang  durchschreiten  muĂźte,  vergleichbar  den  Fauces  der 
Wohnhäuser  (S.  253). 

Man  hat  beide  Gebäude  für  Tempel  gehalten;  sicher  mit 
Unrecht.  Die  eigentĂĽmliche  Bildung  des  Eingangs,  der  groĂźe 
Innenraum  ohne  Vorhalle,  die  Lage  zu  ebener  Erde,  alles  dies 
ist  garnicht  tempelartig.  Es  sind  städtische  Gebäude;  sie  er- 
innern an  die  drei  Säle  an  der  Südseite  des  Forums  von  Pom- 
peji. In  dem  größern  mögen  wir  die  Curie,  den  Sitzungssaal 
des  Stadtrates  vermuten. 

Dieser  ganze  Komplex  von  Gebäuden  liegt  im  Zentrum  der 
Stadt;  es  wird  schwer  sein,  in  dem  von  Säulen  umgebenen,  so 
reich  ausgestatteten  Platz  etwas  anderes  zu  erkennen  als  das 
Forum.  Auffallend  scheint  es  zunächst,  daß  auf  die  drei  Seiten 
des  Platzes  keine  StraĂźen  mĂĽnden.  Aber  ein  Zentrum  des 
StraĂźenverkehrs  sollte  ja  das  P'orum  nicht  sein;  auch  in 
Pompeji  war  es  fĂĽr  den  Wagenverkehr  gesperrt.  Und  eine 
Absperrungstendenz  zeigt  sich  eben  dort  doch  auch  darin,  daĂź 
auf  der  Ostseite  die  einst  hier  einmündenden  Straßen  später  ge- 
schlossen wurden;  in  Herculaneum  ist  diese  Tendenz  vollständiger 
durchgeführt,  weil  es  bei  den  kleineren  Verhältnissen  leichter 
war.  Man  wird  vielleicht  finden,  daĂź  das  Forum  etwas  klein  ist: 
der  offene  Platz  40  X  20  =  800  qm  gegen  etwa  105  X  32  = 
3360  in  Pompeji.  Aber  das  F'orum  von  Pompeji  ist  eben  auf- 
fallend und  unverhältnismäßig  groß.  Und  wenn  Herculaneum  nur 
ein  Siebentel,  vielleicht  gar  nur  ein  Neuntel  so  groĂź  war  wie 
Pompeji,  sein  Forum  aber  fast  ein  Viertel  des  dortigen  miĂźt,  so 
ist  das  Verhältnis  immer  noch  ein  recht  günstiges.  Dazu  kommt, 
daß  das  pompejanische  Forum  in  viel  höherem  Grade  durch  die 
ringsum  stehenden  Statuen  eingeengt  wurde. 

Und  dann  ist  hier  noch  eines  zu  bedenken.  Es  ist  schwer 
glaublich,  daß  der  mächtige  Eingangsbau  zur  ursprünglichen  An- 
lage gehört  haben  sollte,  sehr  wahrscheinlich,  daß  er  späterer 
Zusatz  ist.    Man  baut  nicht  eine  die  Stadt  von  einem  P>ndc  zum 


540 


Pompeji. 


andern  durchschneidende  StraĂźe,  um  sie  grade  an  der  zentralsten 
Stelle  durch  einen  Einbau  fast  ganz  zu  sperren,  wie  der  Plan 
zeigt.  Denken  wir  aber  diesen  Eingangsbau  fort,  so  erhält  die 
ganze  Anlage  viel  mehr  als  jetzt  den  Charakter  eines  offenen, 
sich  an  die  Hauptstraße  anschließenden  Platzes.  Wäre  es  noch 
so,  so  wĂĽrde  wohl  niemand  zweifeln,  daĂź  dies  das  Forum  ist. 


t=^!j^ta 


Fig.  297.     Grundriß  des  Theaters  von  Herciilaneum  in  verschiedener  Höhe. 


Das  demnächst  wichtigste  Gebäude  von  Herculaneum  ist  das 
Theater.  Unsere  Fig.  297  zeigt  rechts  den  GrundriĂź  zu  ebener 
Erde,  links  einen  Horizontalschnitt  in  der  Höhe  des  wie  im  großen 
Theater  von  Pompeji  unter  der  Summa  cavea  umlaufenden  Korri- 
dors (Krypta),  Fig.  298  einen  restaurierten  Längendurchschnitt. 
Wir  begnĂĽgen  uns,  kurz  diejenigen  Besonderheiten  hervorzuheben, 
in  denen  dies  Theater  von  dem  größern  pompejanischcn  abweicht, 


LX.    llerculaneum. 


541 


oder  die  hier  kenntlich,  dort 
durch  die  viel  stärkere  Zerstö- 
rung verloren  gegangen  sind. 

Vor  allem  ist  dies  Theater 
wesentlich  kleiner;  es  hat  einen 
Querdurchmesser  von  nur  54  m 
gegen  62  in  Pompeji.  Sodann 
ist  es  nicht  wie  das  pompeja- 
nische  an  einen  HĂĽgel  angelehnt, 
sondern  frei  auf  ebener  Fläche 
erbaut.  Daraus  ergibt  sich,  daĂź 
hier  auch  zu  ebener  Erde  Hohl- 
räume unter  den  Sitzstufen  sind: 
rings  umlaufend  ein  sich  mit 
einer  Bogenstellung  nach  auĂźen 
öffnender  gewölbter  Gang,  und  an 
ihn  nach  innen  sich  anschlieĂźend 
überwölbte  Räume  zwischen 
Mauern  in  radialer  Richtung. 
Und  weiter  ergibt  sich,  daĂź  die 
Krypta,  die  hier  wie  in  Pompeji 
die  Summa  cavea  trägt,  nicht 
wie  dort  von  einem  höher  ge- 
legenen Platz  aus  ohne  weiteres 
zugänglich  ist,  sondern  über 
Treppen  erstiegen  werden  muĂź. 
Diese  liegen  an  beiden  Enden 
des  untern  Umganges,  zunächst 
den  Seiteneingängen  der  Or- 
chestra  (Parodoi).  So  enthält, 
vom  BĂĽhnenbau  beginnend,  jcder- 
seits  die  erste  Bogenöffnung  des 
Zuschauerbaues  den  Zugang  zur 
Orchestra  (Parodos) ;  die  dritte 
den  zur  Treppe;  die  zweite,  dem 
obern Treppenarm  entsprechend, 
ist  geschlossen;  mit  den  ĂĽbrigen 
öffnet  sich  der  Umgang  frei  nach 


542  Pompeji. 

auĂźen.  In  den  beiden  geschlossenen,  als  Nischen  erscheinenden 
Bögen  standen  auf  gemeinsamer  Basis  je  drei  Bronzestatuen  ver- 
dienter BĂĽrger;  die  der  einen  Seite  wurden  unversehrt  gefunden 
und  sind  jetzt  in  Neapel,  die  der  andern  waren  vom  Schlamm- 
strom fortgerissen  und  zerstört  worden. 

Aus  der  ganz  wie  in  Pompeji  am  obern  Ende  der  Media 
cavea  umlaufenden  Krypta  fĂĽhren  nach  innen,  etwas  ansteigend, 
sieben  TĂĽren  (Vomitorien)  zu  den  sieben  Treppen,  die  die  Media 
cavea  in  sechs  Cunei  teilen,  nach  auĂźen  vier  Treppen,  zur 
Summa  cavea.  Von  diesen  Treppen  wieder  zweigt  sich  an 
beiden  Enden,  nahe  der  BĂĽhne,  je  eine  kleine  Treppe  ab  auf 
die  Oberfläche  der  das  Ganze  einschließenden  Umfassungsmauer, 
ähnlich  wie  in  Pompeji. 

Diese  Oberfläche  war  sehr  breit.  Auf  ihr  standen,  der  Mitte 
der  Bühne  gegenüber  und  an  beiden  Enden  zunächst  der  Bühne, 
drei  kleine  Gebäude,  Tempelchen  oder  Tabernakel,  und  in  jedem 
eine  Bronzestatue.  Zwei  dieser  Statuen  sind  erhalten:  es  sind 
Mitglieder  der  julisch-claudischen  Kaiserfamilie,  vielleicht  Livia 
und  Tiberius.  Neben  jedem  dieser  Tabernakel  standen,  mit 
ihren  Postamenten  in  die  Summa  cavea  vortretend,  zwei  ver- 
goldete bronzene  Reiterstatuen:  nur  geringe  Reste  derselben 
sind  gefunden  worden.  Und  in  dem  Umkreis  zwischen  den 
Tabernakeln  standen  in  Zwischenräumen  auf  Postamenten  über- 
lebensgroße bronzene  Standbilder  von  Männern  und  Frauen. 
Ein  reicher  Schmuck,  den  wir  ähnlich  für  das  Theater  von  Pom- 
peji vermuten  dĂĽrfen;  nur  wird  dort  am  rechten  Ende,  gegen 
das  Forum  trianguläre,  die  Oberfläche  der  Umfassungsmauer  so 
schmal,  daß  für  ein  Tabernakel  kein  Platz  war.  Wir  können 
annehmen,  daĂź  nur  ein  solches,  der  Mitte  der  BĂĽhne  gegen- 
ĂĽber, vorhanden  war. 

Die  Orchestra  ist  kleiner  als  in  Pompeji:  ein  Halbkreis,  zu 
dem  nur  noch  der  den  Seiteneingängen  (Parodoi)  entsprechende 
Streif  hinzukommt.  Um  sie,  wie  in  Pompeji,  vier  breite  und 
niedrige  Stufen  fĂĽr  die  Bisellien  der  Ratsherren  [iina  cavea). 
Bemerkenswert  ist,  daĂź  in  der  Mitte  eine  Bacchusstatue  stand: 
der  Gott  des  Theaters  als  idealer  Zuschauer  seines  Festes.  Ăśber 
den  Seiteneingängen  sind,  wie  in  Pompeji,  die  Tribunalien,  die 
Plätze    für    den    Spielgeber    und    andere    bevorzugte   Zuschauer. 


I,X.    Ilerculancum. 


543 


Und  man  fand  auf  ihnen  zwei  Sellae  curules,  MagistratsstĂĽhle, 
aus  Bronze,  in  der  bekannten  Form  mit  den  gekreuzten  FĂĽĂźen. 
Ganz  abweichend  aber  war  der  Zugang  zu  ihnen;  er  ging  durch 
das  Bühnengebäude. 

Dieses  nämlich  unterscheidet  sich  von  dem  pompejanischen 
dadurch,  daĂź  fĂĽr  die  Vorbereitungen  zur  AuffĂĽhrung  nicht  nur, 
wie  dort,  ein  Raum  hinter,  sondern  auch  noch  zwei  geräumige 
Zimmer  neben  der  BĂĽhne  vorhanden  sind.  Diese  aber  liegen 
nicht  unmittelbar  an  der  BĂĽhne,  sondern  etwa  2,20  m  von  ihr 
entfernt;  ein  kurzer  Durchgang  eben  dieser  Länge  stellt  die 
Verbindung  her.  Und  ĂĽber  diesen  Durchgang  hinweg,  in  dem 
Zwischenraum  zwischen  BĂĽhne  und  Seitenzimmer,  fĂĽhrt  eine 
Treppe  zum  Tribunal,  erst  ansteigend,  dann  wieder  absteigend. 
Zu  vergleichen  ist  das  kleine  Theater  in  Pompeji,  wo  die  Inhaber 
der  Tribunalien  ĂĽber  die  BĂĽhne  gehen  muĂźten  (S.  162). 

In  betreff  der  Säulenhallen  hinter  und  neben  der  Bühne  ge- 
genügt es,  auf  den  Plan  zu  verweisen.  Vermutlich  schlössen  sich 
den  dort  sichtbaren  noch  weitere  Anlagen  an. 

Von  Tempeln  in  Herculaneum  wissen  wir  sehr  wenig;  von 
keinem  einzigen  können  wir  genau  die  Lage  angeben.  Am 
meisten  wissen  wir  noch  von  dem  Tempel  der  Göttermutter, 
den  Vespasian  nach  dem  Erdbeben  des  Jahres  63  wieder  auf- 
bauen ließ,  wie  die  schon  oben  S.  529  erwähnte  Inschrift  besagt. 
Der  Tempel  lag  in  dem  Stadtteil  unterhalb  des  Forums  und 
war  sehr  groĂź.  Umstehend  der  GrundriĂź  nach  einer  Skizze 
Webers.  Es  war  ein  Tempel  in  antis  mit  zwei  Säulen  in  der 
Front  und  seltsamerweise  mit  einer  TĂĽr  in  der  RĂĽckwand.  Der 
ganze  Tempel  war  reichlich  23  m  lang:  die  Cella  maĂź  im  Innern 
etwa  15,50X8  m,  war  also  eben  so  lang  aber  schmäler  als  die 
des  Kapitols  von  Pompeji.  Sie  war  bedeckt  mit  einem  Tonnen- 
gewölbe, das  auf  weißem  Grunde  mit  grünen,  gelben  und  roten 
Sternen  bemalt  war.  Außen  auf  dem  Gewölbe  war  Mosaikfuß- 
boden kenntlich;  es  waren  also  über  der  Cella  obere  Räume. 
Der  Tempel  lag  auch  nicht  isoliert,  sondern  an  seine  rechte 
Seite  waren  andere  Räume  angebaut.  Die  Orientierung  folgte 
dem  StraĂźenzug;  die  Front  war  nach  NO  gerichtet. 

Südwestlich  vom  Tempel  sind  Teile  einer  Säulenhalle  an- 
gegeben  und  es  scheint,  daĂź   er  sich  hier  auf  einen  zu  ihm  ge- 


544 


Pompeji. 


hörigen  Säulenhof  öffnete.  War  also  vielleicht  hier  der  Haupt- 
eingang und  die  Front  in  antis  eine  Art  Dekoration  der  an  der 
Straße  liegenden  Rückseite?  Es  ist  nicht  gut  möglich,  auf  Grund 
der  flĂĽchtigen  Skizze  Webers  diese  Fragen  zu  beantworten.  Man 
fand  in  der  Cella  drei  schöne  Dreifüße  und  mancherlei  Hausgerät, 
das  aber  nicht  zum  Tempel  gehörte  sondern  durch  den  Schlamm- 
strom hierher  getrieben  worden  war. 


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Fig.  29g.     Grundriß  des  Tempels  der  Göttermutter  in  Herculaneur 


Nicht  weit  von  diesem  Tempel  liegt  ein  noch  größerer;  seine 
Größe  wird  auf  115X45  Palm,  d.  i.  30,42  X  1 1,10  m  angegeben. 
Auch  dieser  ist  von  ungewöhnlicher  Form:  er  öffnet  sich  nach 
beiden  Schmalseiten  mit  einer  Vorhalle  in  anlis^  wie  die  Front 
des  Tempels  der  Göttermutter.  Die  eine  Front  lag  an  einer 
StraĂźe;  hier  war  ein  marmorner  Brunnen  aber  kein  Altar.  Vor 
der  andern  Front  haben,  wie  es  scheint,  keine  Erforschungen 
stattgefunden;  es  ist  also  möglich,  daß  diese  sich  auf  einen 
Tempelhof  öffnete  und  hier  der  Altar  war;  dann  wäre  auch  hier 
die  zweite  Front  gemacht  worden,    um   die  geschlossene   RĂĽck- 


LX.   Ilerculancum. 


545 


wand  an  der  StraĂźe  zu  vermeiden.  Unbekannt  ist,  nach  welcher 
Himmelsrichtung  der  Tempel  orientiert  war.  Man  fand  in  ihm 
ein  schönes  großes  bronzenes  Kohlenbecken  (0,97  x  0,70  m), 
das  zu  Rauchopfern  dienen  mochte.  Wir  erfahren,  daĂź  der 
Tempel  nicht  gewölbt  war  sondern  ein  mit  Ziegeln  gedecktes 
Balkendach  hatte. 

Weitere  drei  Tempel  wurden  —  so  scheint  es  —  in  den  Jahren 
1743  und  1744  erforscht.  Da  aber  die  Berichte  verloren  ge- 
gangen sind,  so  haben  wir  von  ihnen  keinerlei  Kenntnis. 

Wir  unterlassen  es,  auf  die  Stadthäuser  einzugehen.  Von 
den  unterirdisch  durchforschten  wissen  wir  so  gut  wie  nichts  und 
von  den  freiliegenden  ist  kein  einziges  vollständig  ausgegraben. 
Wertvoll  ist  es,  daĂź  hier  die  oberen  Teile  besser  erhalten  waren 
als  in  Pompeji,  so  daß  es  in  zwei  Häusern  möglich  war,  sie  in 
Zeichnung  wiederherzustellen.  Aber  diese  Teile  bieten  nicht 
eben  viel  charakteristisches.  Es  mag  bemerkt  werden,  daĂź  kein 
deutliches  Beispiel  des  regelmäßigen  Atriumhauses  vorliegt,  wie 
es  in  Pompeji  gewöhnlich  ist.  Indeß  bei  dem  geringen,  fast 
verschwindenden  Umfang  der  uns  bekannten  Stadtteile  wäre  es 
unvorsichtig  hierauf  Gewicht  zu  legen. 

Weit  wichtiger  ist  eine  groĂźe  Villa  auĂźerhalb  'er  Stadt,  die 
in  den  Jahren  1750 — 65  erforscht  wurde.  Erforscht  durch  unter- 
irdische Gänge;  aber  glücklicherweise  ist  hier  der  von  Weber 
aufgenommene  Plan  mit  hinlänglich  genauen  Aufzeichnungen 
erhalten  und  von  Giulio  de  Petra  in  mustergĂĽltiger  Weise  zu  einer 
sorgfältigen  Beschreibung  —  so  weit  eine  solche  möglich  ist  — 
verarbeitet  worden  (Comparetti  und  De  Petra,  La  villa  ercolanese 
dei  Pisoni.  Turin  1883).  Vollständig  freilich  war  die  Erforschung 
nicht,  aber  doch  hinlänglich  um  von  der  Anlage  des  Ganzen 
eine  Vorstellung  zu  geben. 

Die  Villa  liegt  auf  dem  HĂĽgel  am  Meeresstrand  nordwestlich 
der  Stadt,  von  ihr  getrennt  durch  einen  Terraineinschnitt,  in  dem 
wenigstens  in  einem  Teil  des  Jahres  ein  Bach  geflossen  sein 
mag.  Ihre  Längenausdehnung  ist  von  Südost  nach  Nordwest, 
ungefähr  dem  Strande  parallel.  Und  zwar  liegen  die  Wohn- 
räume im  Südosten,  nach  Nordwesten  erst  ein  langgestrecktes 
Peristyl,  dann  noch  weitere  Gartenanlagen,  dem  Meere  sich  mehr 
und  mehr  nähefnd   und   endend    mit  einem  Aussichtsturm.     Es 

Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.  •ji; 


546 


Pompeji. 


ist  eine  Wohnungsvilla  {^uilla  pseiidourbana\  vgl.  S.  376),  ein 
groĂźes  herrschaftliches  Landhaus.  Ob  mit  ihr  in  den  nicht  er- 
forschten Teilen  etwas  wie  ein  dem  Ackerbau  dienender  Wirt- 
schaftshof i^üilla  rusticä)  verbunden  war,  können  wir  freilich  nicht 
wissen.     Gefunden  ist  nichts  der  Art. 

Der  Haupteingang  ist  von  der  Meerseite  (SW)  und  zwar  an 
dem  der  Stadt  nächsten  Ende  derselben.  Vor  ihm  eine  Säulen- 
halle (i);  und  es  scheint,  daĂź  diese  den  hier  nach  SĂĽdwest  vor- 
springenden Teil  des  Hauptwohnungskomplexes  auf  allen  drei 
Seiten  einfaĂźte.    Auffallend  ist,  mit  wie  vielen  und  groĂźen  TĂĽren 


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Fig.  300.     GrundriĂź  der  Villa 


sich  die  Wohnräume  auf  diese  Säulenhallen  öffnen.  Wir  dürfen 
daraus  wohl  schlieĂźen,  daĂź  diese  ihrerseits  sich  nicht  etwa  auf 
das  offene  Land  oder  gar  auf  eine  Straße  öffneten,  sondern  auf 
ein  zur  Villa  gehöriges,  geschlossenes,  gartenartiges  Grundstück. 
Im  ĂĽbrigen  ist  der  Hauptkomplex  angelegt  nach  Art  eines 
groĂźen  Stadthauses,  jedoch  mit  einigen  charakteristischen  Be- 
sonderheiten. Man  betritt  ihn  durch  einen  Eingangsraum  (2),  den 
Fauces  entsprechend,  aber  freilich  viel  breiter  (zirka  6,öo  m)  als 
diese  zu  sein  pflegen,  und  offenbar  darauf  berechnet,  daĂź  man 
hier  in  der  heiĂźen  Jahreszeit  sich  aufhielt  als  in  einem  besonders 
luftigen,  nach  zwei  Seiten  weit  offenen  Raum,  ganz  ähnlich  dem 
Tablinum    des  Stadthauses,    das   ja    auch    als   Sommerspeisesaal 


LX.    Herculaneum. 


547 


diente  (S.  263).    Natürlich  war  dies  nur  möglich,  wenn  die  Säulen- 
hallen sich  auf  einen  geschlossenen  Garten  öffneten. 

Weiter  gelangen  wir  in  ein  tuskanisches  Atrium  (3)  mit  Im- 
pluvium.  Es  ist  10  X  15  m  groß,  ungefähr  wie  das  Hauptatrium 
der  Casa  del  Fauno  (S.  300).  Keine  Seitenzimmer,  entsprechend 
der  ganzen  Entwicklung  der  Wohnungsverhältnisse  in  der  Kaiser- 
zeit: frĂĽher  das  Zentrum  der  Wohnung  ist  das  Atrium  jetzt  ein 
Vor-  und  Durchgangsraum  geworden;  Zentrum  der  eigentlichen 
Wohnung  ist  das  Peristyl.  Auch  kein  Tablinum;  die  RĂĽckseite 
des  Atriums  ist  gestaltet  wie  im  Hause  der  Vettier  (S.  340):  drei 


bei  Herculaneum. 


TĂĽren,  eine  breite  und  zwei  schmale  fĂĽhren  in  das  Peristyl  und 
markieren  die  Öffnung  des  Tablinum  und  die  Türen  der  gewöhn- 
lich neben  ihm  liegenden  Zimmer. 

Die  Alen  (4)  liegen  nicht,  wie  gewöhnlich,  hinten,  sondern 
vorn  am  x^trium.  Und  wenn  wir  uns  nun  erinnern,  daĂź  der 
Eingangsraum  einem  Tablinum  gleicht,  wenn  wir  ferner  be- 
merken, daĂź  neben  diesem  durch  Nischen  zwei  TĂĽren  markiert 
sind,  da  wo  in  den  Stadthäusern  die  Türen  der  Hinterzimmer 
zu  sein  pflegen,  so  dĂĽrfen  wir  wohl  sagen,  die  Eingangsseite  des 
Atriums  bot,  von  innen  gesehen,  denselben  Anblick  wie  die 
Rückseite  des  Atriums  der  Stadthäuser:  rechts  und  links  die  Alen, 
gradeaus   das  Tablinum,   dieses   nach  vorn   in   ganzer  Breite  auf 

33 


548  Pompeji. 

das  Atrium,  nach  hinten  mit  breiter  TĂĽr  auf  den  Gartenportikus 
geöffnet.  Und  wiederum  wird  dieser  Eindruck  erst  dann  recht 
vollständig,  wenn  wir  uns  den  Portikus  eben  auf  einen  Garten 
geöffnet  denken. 

Es  zeigt  sich  also  bei  näherer  Betrachtung,  daß  hier  von  dem 
Schema  des  Stadtatriums  doch  sehr  wesentlich  abgewichen  ist. 
Dies  Atrium  hat  keine  eigentliche  Vorderseite.  Von  den  Schmal- 
seiten entspricht  die  eine  (vordere)  der  RĂĽckseite  wie  sie  ge- 
wöhnlich ist,  die  andere  derselben  wie  sie  in  Häusern  ohne 
Tablinum  gestaltet  wird. 

Das  Atrium  war  ein  reich  geschmĂĽckter  Raum.  Der  FuĂź- 
boden war  aus  schwarzweiĂźem  Mosaik,  dessen  Zeichnung  um  das 
Impluvium  [a]  eine  Stadtmauer  mit  Türmen  darstellte.  Zwölf  kleine 
Bronzefiguren  —  Silene  und  Satyrn  mit  verschiedenen  Attributen, 
paarweise  zusammengehörig  —  entsandten  je  einen  Wasserstrahl 
in  das  Impluvium;  dazu  in  der  Mitte  ein  sitzender  Silen  mit  einem 
Schlauch,  aus  dem  ebenfalls  ein  Wasserstrahl  kam.  Die  Seiten- 
wände haben,  wie  unser  Plan  zeigt,  Nischen,  drei  links,  eine  rechts. 
In  der  ersten  Nische  links  [ö]  war,  wie  es  scheint,  ein  Brunnen : 
ein  großes  Bleigefäß  —  es  stand,  in  der  Wand  eingemauert, 
etwa  1,30  m  über  dem  Boden  —  an  dessen  Rande  aus  vierzehn 
Tigerköpfen  Wasser  floß.  In  der  zweiten  [c)  zwei  bronzene 
Büsten:  einer  fehlte  der  Kopf;  die  andere  ist  das  Porträt  eines 
nicht  sicher  zu  benennenden  Königs  aus  der  Zeit  nach  Alexander. 
In  der  dritten  Nische  [d]  fand  man  fĂĽnf  Kandelaber  und  zwei 
kleine  Bronzefiguren:  einen  tanzenden  Satyr  und  einen  flöten- 
blasenden Silen.  In  der  einzigen  Nische  der  rechten  Wand  [e] 
stand  die  Bronzebüste  eines  andern  hellenistischen  Königs. 

Aus  diesem  Atrium  kommen  wir  weiter  einwärts  in  ein  großes 
Peristyl  (4) ;  der  offene  Raum  zwischen  den  Portiken  mißt  ungefähr 
20  m  im  Quadrat,  ziemlich  wie  das  zweite  Peristyl  der  Casa  del 
Fauno  (S.  308).  In  der  Mitte  ein  groĂźes  Wasserbassin,  in  jeder 
Ecke  ein  schön  geformtes  Marmorbecken,  aus  dem  Wasser  auf- 
sprudelte. Auch  hier  wieder  reicher  Schmuck  an  Kunstwerken. 
Und  zwar  sind  es  in  diesem  Räume  ausschließlich  überlebensgroße 
Bronzebüsten  auf  Marmorpfeilern,  meist  Porträts,  aber  auch  zwei 
Idealköpfe.  Im  Vorderportikus  standen  nahe  den  Säulen,  dem 
Eintretenden   zugewandt,   zwei   unbenannte   Porträts    (/,  g)^    von 


LX.   Herculaneum. 


549 


denen  das  eine  (/)  fälschlich  Demokrit  genannt  worden  ist. 
Andere  standen  zwischen  den  Säulen,  vermutlich  dem  Garten 
zugewandt:  im  ersten  Intercolumnium  des  Seitenportikus  links  [h] 
der  Kopf  des  Doryphoros  des  Polyklet  (S.  172),  rechts  das  Porträt 
eines  Philosophen  (/),  auf  der  RĂĽckseite  im  Endintercolumnium 
links  {k)  ein  Idealkopf  aus  der  Zeit  des  Polyklet  —  man  pflegt 
ihn  als  Amazone  zu  bezeichnen  —  rechts  (/)  wieder  ein  Philosoph. 
Endlich  im  Garten  neben  der  Piscina  links  [m]  ein  eigentĂĽmlicher 
Porträtkopf  mit  Ringellocken,  mit  dem  man  bis  jetzt  nichts  rechtes 
anzufangen  gewuĂźt  hat;,  nicht  einmal  ĂĽber  das  Geschlecht  ist 
man  einig.  Von  der  entsprechenden  BĂĽste  rechts  [n]  wurde  nur 
der  Marmorpfeiler  gefunden.  —  In  der  linken  Säulenhalle  bei  0 
standen  zwei  Kisten  mit  Papyrusrollen. 

Von  den  umliegenden  Räumen  fallen  namentlich  zwei  ins  Auge. 
Erstens  auf  der  RĂĽckseite  der  Komplex  5,  6,  7.  Auf  ein  groĂźes 
Zimmer  —  etwa  7  m  im  Quadrat  —  öffnet  sich,  dem  Eingang 
gegenĂĽber,  ein  kleineres,  das  an  seiner  RĂĽckseite  eine  Apsis  hat 
mit  einem  Postament,  auf  dem  die  Füße  einer  Marmorstatue  — 
wir  wissen  nicht  welchen  Geschlechts  —  gefunden  wurden:  ver- 
mutlich eine  Kapelle  der  Hausgötter.  Aus  dem  größern  Zimmer 
(5)  kommt  man  links,  zwischen  Pfeilern,  denen  Halb-  oder  Drei- 
viertelsäulen angesetzt  sind,  in  ein  noch  größeres  (6),  auch  direkt 
aus  der  Säulenhalle  zugängliches:  ganz  unklar  bleibt,  was  der  in 
dieses  eingezeichnete  runde  GrundriĂź  bedeutet. 

Zweitens  links  der  groĂźe  Durchgangsraum  y  mit  weitem, 
durch  zwei  Säulen  geteiltem  Eingang,  nach  der  andern  Seite  mit 
zwei  Türen  ?iuf  einen  zweiten  größern  Garten  geöffnet.  Hier 
stand  zwischen  den  Säulen  (/),  dem  Peristyl  zugewandt,  eine 
Marmorstatue  der  kämpfenden  Athene  (Fig.  301),  an  der  rechten 
(nördlichen)  Wand  die  Marmorstatue  einer  Frau,  die  das  Gewand 
ĂĽber  den  Kopf  gezogen  hat  (</),  mitten  im  Zimmer  (;-)  acht 
Bronzebüsten  verschiedener  Größe,  sechs  in  einer  Reihe,  zwei 
an  den  Enden  etwas  weiter  zurück.  Es  sind  zwei  Idealköpfe 
(Epheben);  ferner  Demosthenes  und  Epikur;  eine  vielbesprochene 
BĂĽste  mit  kahlgeschorenem  Kopf,  die  lange  fĂĽr  den  altern  Scipio 
gehalten  wurde,  nach  den  neuesten  Untersuchungen  aber  sich 
als  ein  Isispriester  herauszustellen  scheint;  endlich  noch  drei  un- 
benannte Porträtköpfc,  zwei  männliche  und  ein  weiblicher  (sogen. 


550  Pompeji. 

Agrippina).  —  In  der  Nordvvestecke  des  Zimmers  [s)  fand   man 
einige  Papyrusrollen. 

Auch  in  einigen  Räumen  nördlich  und  südlich  von  diesem 
Durchgang  fanden  sich  Kunstwerke.  In  einem  groĂźen  Zimmer 
nördlich   (9)   standen  vier  kleine  Bronzebüsten,    alle   mit  Namen 


Fig.  301.     Kämpfende  Athene.    Marmorstatue  aus  der  Villa  bei  Herculaneum.    Photogr.  Esposito 

versehen:  Demosthenes  und  die  drei  Philosophen  Epikur,  Her- 
march  und  Zeno.  In  einem  kleinen  Zimmer  sĂĽdlich  (10),  mit 
schönem  Mosaikfußboden,  wo  auch  einige  Papyrusrollen  gefunden 
wurden,  stand  wahrscheinlich  eine  kleine  BronzebĂĽste  des  epi- 
kureischen Philosophen  Metrodor.  Weiter  südwärts  {e)  ein  be- 
rühmter schöner  Bacchuskopf,  überlebensgroß;  ihm  gegenüber 
eine  unbenannte  jugendliche  MarmorbĂĽste. 


LX.   Herculaneuni. 


551 


Gehen  wir  nun  weiter  durch  den  Durchgangsraum,  so  kom- 
men wir  in  einen  sehr  groĂźen  (etwa  95  X  32  m),  auf  allen  vier 
Seiten  von  Säulenhallen  umgebenen  Garten  (11).  Auch  hier 
ĂĽberall  reicher  Schmuck  an  Statuen,  BĂĽsten  und  sonstigen  Skulptur- 
werken. Gleich  an  den  Säulen  des  Vorderportikus  vier  Marmor- 
statuen: die  berĂĽhmte  Statue  des  Redners  Aeschines  [it],  ferner 
Homer  [v],  ein  Redner  [zv)  und  noch  eine  {x),  von  der  nur  ein 
Arm  und  ein  FuĂź  gefunden  wurden. 
Im  vordem  Teil  des  linken  Portikus, 
einwärts  der  Säulen  (j,  z,  a\  b')  vier 
der  berühmten,  meist  als  Tänzerinnen 
bezeichneten  Bronzestatuen  (Fig.  302). 
Mitten  im  Garten  ein  groĂźes,  langes 
Wasserbassin  [piscina].  In  dem  Halb- 
rund an  seinem  Ostende  [c')  die  lebens- 
groĂźe Bronzefigur  eines  sitzend  schlafen- 
den Satyrs,  etwas  weiter  rückvvärts(rt'', 
/,/')  drei  bronzene  Rehe.  GegenĂĽber 
am  Westende  zwei  ebenfalls  sitzende 
berĂĽhmte  Bronzefiguren:  Hermes  {g') 
und  ein  trunkener  Satyr  (//).  Etwas 
weiter  zurĂĽck  [i\  k')  zwei  Ringer  im 
Begriff  den  Kampf  zu  beginnen,  auch 
diese  Bronzefiguren. 

Weiter  am  Nordrande  der  Piscina 
entlang  vier  Paare  marmorner  BĂĽsten, 
und  zwar,  von  Westen  beginnend, 
zuerst  Demosthenes  (/')  und  ein  Mann 
mit  reichem,  krausem  Haar  (w';,  den 
man  ohne  rechten  Grund  Hannibal  genannt  hat.  Weiter  ein 
weiblicher  Kopf  (;/')  mit  über  den  Kopf  gezogenem  Gewände 
(sogen.  Vesta  oder  Vestalin)  und  eine  Minerva  [d).  Dann  König 
Pyrrhus  [p\  Fig.  303)  und  der  Redner  Lysias  (/),  endlich  der 
spartanische  König  und  Söldnerführer  Archidamos  (;';  und  ein 
ohne  Grund  Regulus  genannter  Kopf  {$'). 

Von  diesem  letzten  BĂĽstenpaar  gegen  die  Nordostecke  stand 
zunächst  eine  nur  in  Fragmenten  erhaltene  Bronzestatue  /'j, 
weiter  zwei  Bronzebüsten:    ein  weibliches   Porträt,   sogen.  Bere- 


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Fig.  302.     Tänzerin.     Bronzestatue 

aus  der  Villa  bei  Herculaneum. 

Photographie  Esposito. 


552 


Pompeji. 


nike  (?/)   und  ein   altertĂĽmlicher  Apollo  {7/);   noch   weiter  gegen 
die  Ecke  ein  bronzener  Eber  (zv'}. 

SĂĽdlich  vom  Ostende  der  Piscina  eine  Marmorgruppe:  Pan 
mit  einer  Ziege  (x')  und  weiter  rückwärts  vier  marmorne  Porträt- 
büsten: ein  bärtiger  Mann  (sogen.  Anakreon  j'),  Alexander  der 
Große  [z'),  ein  Philosoph  (sogen.  Zeno  a"),  und  weiter  rückwärts 

noch  ein  Philosoph  {d"). 
Weiter  rechts  ein  jugend- 
licher Idealkopf  aus  Bronze 
[c")  und  in  der  SĂĽdostecke 
{d")  ein  hellenistisches 
Königsporträt. 

Nahe  der  SĂĽdwest- 
ecke eine  vielbesprochene 
BronzebĂĽste  {e") ,  sogen, 
Seneca,  wahrscheinlich  ein 
alexandrinischer  Dichter 
(Kallimachos?),  Weiter 
rechts  zwei  marmorne  Por- 
trätbüsten :  ein  behelmter 
Mann  (/")  und  ein  helle- 
nistischer König  (sogen. 
Ptolemäus  I,  g"),  noch  wei- 
ter rechts  die  Bronzestatue 
einer  Tänzerin  (//'). 

Endlich  in  der  Nordwest 
ecke  eine  Bronzestatue  (z"), 
ein  junges  Mädchen  dar- 
stellend, und  zwei  bronzene 
Porträtbüsten :  ein  helle 
nistischer  König  (sogen. 
Ptolemäus  I,  k")  und  ein  weibliches  Porträt  (sogen.  Sappho,  /"). 
SĂĽdlich  von  diesem  groĂźen  Garten  lief  ein  bedeckter  Gang 
(Krypta,  12).  Westlich  kam  man  in  noch  weitere  Gartenanlagen, 
die  aber  fast  garnicht  erforscht  sind.  Wir  wissen  wesentlich  nur 
von  einer  grade  durchgehenden  Mauer  (13],  an  der  entlang  ein 
Weg  zu  einem  kleinen  runden  Aussichtsturm  (14)  fĂĽhrte;  auĂźer- 
dem sind  mehrere  Springbrunnen  gesehen  worden.    Vier  Bronzc- 


Fig.  303.    König  Pyrrhus.    Marmorbüste  aus  der  Villa 
bei  Herculaneum.     Photographie  Brogi. 


LX.   Herculaneum. 


553 


Statuetten,  die  als  vvasserspeiende  Brunnenfiguren  dienen  sollten, 
waren  nicht  aufgestellt,  sondern  in  einem  Zimmer  (15)  aufbe- 
wahrt: Knabengestalten,  paarweise  zusammengehörig,  zwei  mit 
einem  Delphin  unter  dem  Arm,  zwei  mit  einem  Gefäß  auf  der 
Schulter.  In  einem  Zimmer  daneben  (16)  stand,  auch  wohl  nur 
vorläufig  aufbewahrt,  eine  marmorne  Knabenstatue  und  ein 
Marmorgefäß. 

Das  ist   alles,  was  wir  von  der  Anlage  der  Villa  und   ihrem 
Skulpturenschmuck  wissen.    Von  ihren  Malereien  wissen  wir  fast 


Fig.  304.     GrundriĂź  eines  Grabes  bei  Herculaneum. 


garnichts.  Sie  hat  aber  noch  einen  andern  Ruhmestitel :  die  in 
ihr  gefundenen  Papyrusrollen.  Einige  Funde  der  Art  wurden  schon 
erwähnt.  Der  Hauptfund  aber  geschah  in  einem  Zimmer  östlich 
vom  Peristyl  (17),  das  als  Bibliothek  eingerichtet  war,  mit  ĂĽber- 
mannshohen Schränken  an  den  Wänden  und  einem  Schrank  in 
•der  Mitte,  und  in  diesen  etwa  350  Papyrusrollen,  die  nur  zum 
kleinen  Teil  aufgerollt  und  gelesen  worden  sind.  Auf  diese 
können  wir  hier  nicht  weiter  eingehen;  es  ist  bekannt  genug, 
daĂź  bis  jetzt  der  Inhalt  dieser  Rollen  die  auf  sie  gesetzten  Hoff- 
nungen nicht  erfĂĽllt  hat.     Es  sind  fast  alles  Schriften  eines  nicht 


554  Pompeji. 

eben  bedeutenden  epikureischen  Philosophen  namens  Philodemus, 
und  es  ist  daher  wahrscheinlich  mit  Recht  vermutet  worden,  daĂź 
er  der  Besitzer  der  Bibliothek  war.  Schwerlich  auch  Besitzer  der 
Villa;  es  ist  wahrscheinlicher,  daĂź  er  als  Klient  des  Besitzers 
hier  seine  Wohnung  hatte. 

Gräber  wurden  gefunden  östlich  von  der  Stadt,  wo  La  Vega 
in  seinem  Plan  die  Stelle  bezeichnet.  Aber  nur  von  einem  ein- 
zigen liegt  in  dem  mehrfach  genannten  Buche  von  Goch  in  und 
Bellicard  eine  Beschreibung  mit  Zeichnungen  vor.  Beistehend 
der  Grundriß.  Eine  Grabkammer  von  ungefähr  3x4m,  mit 
einem  Tonnengewölbe  bedeckt,  zugänglich  durch  eine  Treppe, 
also  unterhalb  des  äußern  Erdbodens.  Rings  umlaufend  eine 
Art  Bank,  etwa  i  m  hoch,  und  in  dieser  Nischen,  in  denen  die 
Aschenurnen  standen.  Die  äußere  Gestalt  des  Grabes  ist  un- 
bekannt. 


REGISTER. 


Abinnerichus   17. 

Abtritte  232 ;  öffentlicher  am  Forum  88. 

Abzugskanäle  232. 

Acceptus  und  Euhodia,  ihr  Haus  360. 

Acerrae  3. 

Achilleus  in  Wandgeni. :  sein  Streit  mit 

Agamemnon  80.  367.  500;  —  und 

Briseis    335 ;    —   auf   Skyros    367. 

500;  —  und  Troilos  494. 
Actius  Anicetus,   Theaterdirektor  147. 

420. 
Admet  und  Alcestis  329.  492 ;  —  und 

Apollo  495. 
Adonis  368.  496. 
Aedilen   il.   118.   189.  207. 
Ă„gyptisches  174  ff.  321.  361.  362.  484. 
Aemilius  Celer,  Inschriftenmaler  504. 
Aeneas,  Statue   iii. 
Aerarium  87. 

Aeskulap  als  Hausgott  278. 
Agamemnon  in  Wandgem. :  sein  Streit 

mit  Achilleus  80.   367.   500;  —  im 

Heiligtum  der  Artemis  348  ;  —  beim 

Opfer  der  Iphigenie  336. 
agricolae  506. 
Agrippina  45.   95. 
Ahnenbilder  264. 
Aktäon,  Wandgem.  299. 
Ala  im  Wohnhaus  264.    326.    340;  im 

Tempel   der   städtischen  Laren  98. 
Alcestis  s.  Admet. 
-Mcubierre  24. 

Alexanderschlacht,  Mosaik  306. 
Alexandria  484. 


aliari  403. 

Alleja  Decimilla  447. 

M.AllejusLucciusLibella,  sein  Grab 447. 

M.  Allejus  Minius,  sein  Grab  449. 

Cn.  Allejus  Nigidius  Majus  224.  507. 

Altäre,  bei  Tempeln:  des  Apollo  82. 
83 ;  der  städtischen  Laren  98 ;  des 
Vespasian  102;  beim  dor.  Tempel 
139;  der  Isis  177.  180;  des  Zeus 
Meilichios  188.458;  —  im  Macel- 
lum  98;  beim  Triclinium  270.  296. 
444;  an  Gräbern  428.  429.  432. 
434.  436  ff.  447 ;  Straßenaltäre  239  ff. 

Alveus   191.    197.    198.   209.   215. 

Amazonen,  Wandgem.   346.  494. 

ambulationes  9. 

.\mor,  Stuckrelief  209.  Amoren  in 
verschiedenen  Beschäftigungen  93. 
96.  35off.     Amorenncst  337. 

Amorini  dorati,  Gasa  degli   —   371. 

Amphitheater  21 6. 

Amphoren    13.   309.   381.   521. 

Ampulla  400. 

Ancora,   casa  dell"  —  368. 

Andromeda,  Wandgem.  495. 

Andron  266. 

animula   506. 

P    .\ninius    194. 

Antepagmenta  254. 

Antiochia  489. 

Aphrodite  fischend,  Wandgem.  423. 
501;  —  und  Spes,  Statuette  467; 
Statue  beim -Xpollutempel  182.  Vgl. 
\'enus. 


556 


Pompeji. 


Apollo,  Tempel  des  —  47.  76;  Haus 
des  —  368;  Statuen  83.  146.  373; 
Stuckrelief  209;  in  Wandgemälden 
368;  —  und  Admet  495;  —  und 
Daphne  346;  —  und  Marsyas  328; 

—  nach  Tötung   des  Python    349 ; 

—  als  Hausgott  278.  436. 
Apulejus  und  Veja,  ihr  Grab  450. 
Area  260.  310.  340. 
Architektur  455. 

Ares  und   Aphrodite    186.    299.     Vgl. 

Mars. 
Ariadne    in  Wandgemälden   337.    346. 

357-  495- 

Armband  401. 

Arrier,  Gräber  der  —  444. 

Artemis,  Statuen  83.  468;  in  Wand- 
gemälden 337.  349.  502. 

M.  Artorius  Primus   149. 

Aschenurnen  432.  433.  434.  440.  443. 
445—452- 

Aspendos,  Theater  146. 

Athene  und  Marsyas,  Wandgem.  502. 
Vgl.  Minerva. 

Atrium  255;  viersäuliges  256.  309. 
317;    korinthisches   257.    259.  367. 

Augustalen  96.  220. 

Augustus,  sein  Kultus  84;  mit  Vespa- 
sian  verglichen   104. 

aurifices  403.  506. 

Authepsa  398. 

Bacchus,  Triumphzug  des,  Wandgem. 
354;  —  und  Ariadne,  Wandgem. 
359-  495-  Statuette  beim  Isis- 
tempel 176.  181.  —  und  Ariadne, 
DoppelbUste  466;  —  als  Hausgott 

436- 

Backofen  274.  379.  384. 

Badegerät  400. 

Bäckerei  295.  370.  384.  407. 

Bäder  191;  in  Privathäusern  274.  310. 
321.  365.  374.  378.  383.  387;  in 
der  Villa  der  Julia  Felix  508. 

Balneum  Venereum  et  nongentum  508. 


Basilika  50.  67;    —  sogen,   in  Hercu- 

laneum  535. 
Befestigungen  242. 
Beinschienen   169. 
Biberon  394. 
Bilder  490;    auf  Holztafeln   299.    473. 

490. 
Bildhauerwerkstatt  405. 
Bisellium    143.    149.    219.    «20.    393. 

441-  473- 
Bocchoris    17. 
Boscoreale  13.  382.  527. 
Briseis,  Wandgem.  334.  335. 
Brunnen  an  den  StraĂźen  1 14. 233  ff.  247. 
Brunnenfiguren  466. 
Brunnenhaus    beim    dorischen   Tempel 

139- 
Buccii,  Grab  der  —  432. 
BĂĽstensteine  431.  437.  445.  446.  448. 

449.  451.  452. 

Caccia,  casa  della  —  371. 

Caecilia  Metella,  ihr  Grab  440. 

L,  Caecilius  Jucundus  371.  415.     BĂĽste 

464.     Relief  in   seinem  Hause   60. 

Wachstafeln  516. 
L.  Caecilius  Phoebus   182. 
P.  Caesetius  Postumus  85. 
L.  Caesius  206. 

L.  Caesius  und  Titia,  ihr  Grab  451. 
L.  Caesius  Logus  452. 
M.  Caesius  Blandus  405. 
Caligula   12, 

Calventius  Quietus,  Grab  441. 
Campani  510- 
Campanien  7. 
Campanienses   10.  506. 
O.  Campanius  76. 
Campanus,  M.  Nonius  405. 
Capitelli  figurati,  casa  dei  —  370. 
Capitelli  colorati,   casa  dei  —  371. 
Capitolium  63. 

Castor  und  Pollux,  Haus  367. 
Mr.  Castricius  243. 
caupones  419.   506. 


Register. 


557 


cave  canem,  Mosaik  331. 

L.  Ceius  Labeo,  Grab  445. 

Celadus,  Gladiator  229. 

Cella  vinaria  385. 

cenacula  28.  323.  507.  508. 

Centauren,  Haus  des  —  368. 

Centenario,  casa  del  —  371. 

M.  Cerrinius  Restitutus,  Grab  428. 

M.  Cerrinius  Vatia  506. 

Chaicidicum  69.   107. 

Chirurgen,  Haus  des  —  290. 

Christen  16.   17. 

Chryseis  334. 

Cicero   130.   160.     Seine  Villa  15. 

eisiarii  247. 

Citarista,  casa  del  —  373. 

Claudius  45.  95. 

Ti.  Claudius  Verus  505.  506. 

A.  Clodius  Flaccus  54.  85.  88. 

Clovatius,  Grab  449. 

cochlear  398. 

Colonie,    römische     in     Pompeji     11; 

Bauten  ihrer  ersten  Zeit  40. 
Colonne  di  Musaico,  casa  delle  —  426. 

436. 
Comitium  Ii5- 

Compluvium  255;   Haus  ohne  —  362. 
Concordia  Augusta  107.   112.   114. 
Conventus  der  Salinen   10. 
Conviva,  Sklave  der  Veja  451. 
Corelia  Celsa  176. 
A.  Cornelius  A.  f.  82. 
Cn.  Cornelius  Cn.  f.  82. 
Cornelius  Rufus,  Haus  des  —  375. 
M.  Crassus  Frugi  427. 
Crescens,  Gladiator  229. 
Crescens,  Fullo   10. 
Crypta  107.   172.  220. 
Culina,  im  Landhause  258.  382. 
Cumae  8.  317. 
C.  Cuspius  Pansa  222. 
Cyparissus,  Wandgem.  357.  496. 

Daedalus  und  Ikarus  204.  502;  —  und 
Pasiphae  359.  497. 


Danae  357;  —  auf  Seriphos  498. 

Daphne  346. 

Q.  Decius  Hilarus  454. 

Dekurionen  11.  iii.  117.  143.  162. 
219. 

Delos,  Haustypus  260.  —  Wand- 
dekoration 479. 

Demosthenes,  BĂĽste  465. 

Destrictarium  194.  202. 

Diadumeni  277.   328. 

Dichter  mit  Freundin,  Wandgem.  347. 

Dichter,  Haus  des   tragischen  —  329. 

Diogenes  structor  406. 

Diomedes,  M.  Arrius  —  4445  Villa 
des  —  376. 

Dionysos  s.  Bacchus. 

Dirke,  Wandgem.  358. 

DĂĽrpfeld   150. 

dormientes  506. 

Doryphoros    172. 

Drusus,  Sohn  des  Tiberius  112;  — 
Sohn  des  Germanicus  45 ;  —  Sohn 
des  Claudius   15. 

Duumvirn    11;  ihr  Amtsraum   I19. 

C.  Egnatius  Postumus  81. 

Eichenkranz   103.  441. 

Eichtisch  88. 

P^inwohnerzahl   15. 

Elbeuf,  FĂĽrst,  seine  Ausgrabungen  24. 

Elephant,  Wirtshaus  zum  —  419. 

Endymion  495- 

Ente.  Knabe  mit  — ,  Bronzefigur  342 ; 

Wandgem.   350. 
Epidius  Rufus,  Haus  des  —  325. 
M.  Epidius  Sabinus  506. 
Epikur,  BĂĽste  465. 

Erdbeben  des  Jahres  63  n.  Chr.  18.  42. 
Eumachia,   Gebäude  der  —    106;    ihre 

Statue    108.  463. 
Europa,  Wandgem.  299.  497, 

Fabia  Sabina  432. 
Färbereien  404. 
Fasces  445. 


558 


Pompeji. 


Fauces  253. 

Faun,  Haus  des  —  300. 

Fenster  288;  in  der  Ala  265.  295.  301. 

318. 
Festa,  Tochter  des  Apuleius  451. 
N.  Festius  Ampliatus  437. 
Festzug  zum  Theater  55.   134.   165. 
Fiorelli  25. 
T.  Fisanius  243. 
Fischfang   13.  404. 
D.  Fontana,  sein  Kanal  23. 
Fontana  grande,  casa  della  —  368. 
Fontana  piccola,  casa  della  —  368. 
Fortuna    als    Hausgottheit    278.    362. 

Opfer  an  — ,  Wandgem.  356. 
Fortuna  Augusta,  ihr  Tempel   129. 
Forum  43;    —  trianguläre   133;    —  in 

Herculaneum535  ff.;  —  des  Augustus 

in  Rom  iii. 
Freskotechnik  472. 
Fulcrum  271.  389. 
FuUonen,  Fullonica  108.  353.  412. 
fundus   Badianus,    Arrianus,    Asinianus 

522;  Mamianus  454. 
fures   foras    frugi    intro,  Wandinschrift 

363- 
furunculi  506, 

Fuß,  oskischer  und  römischer  42. 
Fußböden  287. 
FuĂźeisen    169. 

Qalatea,  Wandgem.  423.  495.  501. 

galerus   169. 

gallinari  506. 

Ganymedes,  Stuckrelief  209. 

Garten    267.    326;    beim    Grab    436. 

Triclinium    im    —    270.    296.    323. 

vgl.  381.  436. 
gartibulum  260.  390. 
garum   13.  502;  —  castum   17. 
Geldkiste  s.  Area. 
Genius  99.  277 ff.  328. 
Geräte  388. 
Gerberei  416. 
CJigantenkampf,  Wandgem.  359. 


Gladiatorenkämpfe  224  ff. ;  auf  dem 
Forum  54.  216;  Stuckrelief  am 
Grabe  des  Scaurus  437.  439  ;  Mar- 
morrelief von  einem  Grabe  449. 

Gladiatorenkaseme   164. 

Glasfenster  207.  289. 

Glasgefäß,  blaues  434. 

Glaukus,  Haus  des  —  329. 

Glycera,  Brief  an  Menander  347. 

Götterbilder  auf  Straßenwänden  241. 

Goldschmiede,  Wandgem.  353. 

Goldschmuck  9.  170.  331.  381.  388. 
401. 

Gräber  139.  425;    —  in  Herculaneum 

554- 
Graffiti  509. 
Griechen  15. 
Großherzog  von  Toscana,  Haus  des  — 

370. 
Guirlandengrab  434. 
gustaticium  502. 

Haarnadeln  401. 

Hafen  9. 

Hahnenkampf,  Wandgem.  357. 

Harpokrates  178. 

Haus  250. 

Hauskapelle  275 ;  —  des  Apollo,  Bac- 
chus, Herkules  und  Merkur  436. 

HaustĂĽr  254. 

Hecuba,  Wandgemälde  495. 

Helm  aus  der  Gladiatorenkaserne  169. 

Herakles  in  Wandgemälden :  Schlangen 
würgend  358 ;  im  Löwenkampf  und 
den  Eber  tragend  494;  bei  Om- 
phale  495 ;  bei  den  Hesperiden 
502.  Stuckrelief,  H.  und  Satyr 
204,  Tf  XIV.     Vgl.  Herkules. 

Herbst,  Genius,  Mosaik  306. 

Herculaneum  20.    24.  528 ff. 

Herculaner  Tor  28.  248. 

Herd    273.     382;    im    Atrium    258  ff. 

363- 
M.  Herennius  Epidianus  82.   135. 
Herkules  als  Ilausgott    278.  323.  436. 


Register. 


559 


Hermaphrodit,  Statuette  beim  Apollo- 
tempel 82. 

Hermes  s.  Merkur. 

Hermes,  Herberge  des  —  421. 

Herodes  Atticus,  sein  Odeum  161. 

Hirtia  Psacas  513. 

Holconius,  Haus  des  —  375. 

M.  Holconius  Celer  148. 

M.  Holconius  Priscus  403. 

M.  Holconius  Rufus  81.  85.  148 ff.; 
seine  Statue  463. 

Holzwerk  verkohlt  20. 

Homerus  499. 

Horaz,  seine  BĂĽste  (?)  466;  Od.  I,  2:  85. 

horologium  135. 

Hostilius  Conops  513. 

Hyginius  Firmus,  Wirtshaus  des  —  419. 

Hylas,  Stuckrelief  204.  Tf.  XIV. 

Icarus  204.  502. 

Impluvium  255. 

Inschriften  503. 

Insulae  30.    Insula  Arriana  Polliana  507. 

lo,  Wandgemälde  93.  494. 

Iphigenie,  Opferung  der  —  335 ;   —  in 

Tauris  348.  375. 
Isiaci  506.  , 

Isis,  Tempel  der  —   174;    Statue   181. 
Istacidier,  Grab  der  —  430;  vgl.  442. 

Joseph  IL,  Haus  363. 
Juden   17. 

Julia  Felix,  Villa  der  —  508. 
Juliani   226.  439. 
C.  Julius  Speratus  420. 
Juno     im    Jupitertempel     verehrt    63. 
Tonstatue   188;  Genius  der  Frauen 

277-  365-  437- 
Jupiter,  Tempel  59;    Marmorkopf  65; 

Tonstatue     188;     Stuckrelief    204; 

—  als  Hausgott  278. 
ius  luminum  opstruendorum  81. 

Kämme  399. 

Kaiserkultus  94.    Vgl.  Augustus. 


Kalksteinatrien  36. 

Kalksteinfachwerk  33. 

Kallimachus,  BĂĽste  465. 

Kandelaber  394. 

Kapitelle  457 — 461;   mit  Figuren  326. 

370. 
Kapitol  63. 

Kastell  der  Wasserleitung  236. 
Kastor  und  Pollux,  Haus  des  —  367. 
Keller  275.  381. 
Klima  4. 
Kloaken  232. 
Knetmaschine  410. 
Knidischer  Wein  522. 
Kohlenbecken  202.  208.  400. 
Koischer  Wein  522. 
kombenniom  11. 
Kompositkapitelle  450. 
Korinthisches  Atrium  257.  325.  367. 
Kranzflechter,  Wandgem.  94.  351. 
Krater  398. 

KĂĽche  258.  273.  327.  382. 
Küchengerät  274.  378.  382.  397. 
KĂĽste  3. 
Kyparissos  357.  496. 

Laconicum  194.  200 f.  215. 

Läden  232.  285. 

Lampen  393  ff. ;   beim   Isistempel   187; 

in  den  Thennen  beim  Forum  208. 
Lampenträger  394  ff. 
Landschaftsbilder  493.  499.   500. 
Larenkultus  275.   309.   322. 
Laren,  städtische,  ihr  Tempel   98. 
Lares  Compitales  238. 
Laube  im  Garten  271.  381.  423.  436. 
Lava  als  Baumaterial  31. 
lectus  adversus,  genialis  263. 
lecti  tricliniares  269.   384.  389. 
Leda,  Wandgem.  357. 
LeichenabgĂĽsse  22. 
Cossus  Lentulus,  Konsul  317. 
Libationen,  Vorrichtungen    für   —   an 

Gräbern  445.  449.  451. 
libellus  gladiatorius  225. 


56o 


Pompeji. 


ligula  397. 

liquamen   13.   522. 

Livia  107.  437. 

Livinejus  Regulus  223. 

Livius  Andronicus   141. 

Löffel  397. 

l.okalgottheiten,  Wandgem.  im  Macel- 

lum  94. 
lomentum  523. 
Lorbeer,  am  Kaiserhaus  103. 
Lucretius,  der  Anfang  seines  Gedichtes 

als  Graffito  514. 
Lucretius,  Haus  des  —  372. 
Lucretius  Fronto,  Haus  des  —  372. 

Macellum   90. 

Magistri  der  Vorstadt  13.  182.  222. 
425.  444. 

Maja  84. 

Malerei  472. 

Malerin,  Wandgemälde  292. 

Mamia,  Grab  der  —  430. 

Mamianus,  fundus  —  454. 

Manetho   174. 

Marcellus,  Sohn  der  Octavia,  Statue 
94.   136. 

Maria  17. 

Markthalle  88. 

Marmor  32.  42. 

Marmorarbeiter,  seine  Werkstatt  405. 

Mars  als  Hausgott  278.     Vgl.  Ares. 

Marsyas,  Wandgemälde  502. 

Martha  17. 

Maurer  406. 

Medea,  Wandgem.  93. 

Medix  tuticus  11.   139. 

Meleager,  Haus  des  —  368. 

Melissaei,  Familiengrab  432.  Cn.  Me- 
lissaeus  Aper  209.  432. 

Menander  347. 

Mensa  ponderaria  88. 

Merkur,  Herme  im  Apollotempel  83; 
Gott  der  Palästra  2045  Hausgott 
278.  436.  —  und  Maja  84.  Attri- 
bute 357;  Augustus  als  —  85. 


T.  ^lescinius  Amphio  85. 

Mietanzeigen  507. 

Minerva,  ihr  Tempel  139;  im  Jupiter- 
tempel verehrt  63  ff. ;  TonbĂĽste 
im  Tempel  des  Zeus  Meilichios 
188;  Schutzgöttin  der  Thore  247 
— 248;  —  Marmorstatue  aus  Her- 
culaneum  549. 

Ministri  Fortunae  Augustae  131 ;  — 
Mercurii  Maiae,  später  Augusti  84, 
—  des  Pagus  Augustus  Felix  13. 

Mischgefäß  (Krater)  398. 

Mosaik  288  f.  303—309.  314.  330.  418. 
481. 

MĂĽhlen  14.  408. 

MĂĽnzen  gefunden  381.  388;  in  Aschen- 
urnen 432.  433.  451. 

muliones  404. 

L.  Munatius  Caeserninus  454. 

C.  Munatius  Faustus  443. 

Munizipalgebäude   117. 

muria  522;  —  casta  17. 

Musen,  Wandgem.  328.  502. 

Naevius  141. 

Narcissus,  Wandgem.  495 ;  —  soge- 
nannter, Bronz^statuette  470. 

Nero  45.  95.  317;  —  Sohn  des  Ger- 
manicus  45. 

Neroniani  226. 

M.  Nigidius  Vaccula  202.  208. 

L.  Niraemius  206. 

Nola  3.  444;  Gladiatorenkämpfe  in  — 
224. 

Nolaner  Thor  248;  Gräber  vor  dem- 
selben 440. 

nongentum  528. 

M.  Nonius  Campanus  405. 

C.  Norbanus  Sorex,  Herme   182. 

Nuceria  3;  Gladiatorenkämpfe  in  — 
224;  Gräber  an  der  Straße  nach  — 
450  ff. ;  Wahlprogramme  von  — 454. 

Nuceriner,  Schlägerei  mit  den  —  223. 

509- 
M.  Numistrius  Fronto   107. 


Register. 


561 


Obere  Räume  der  Häuser  280. 

C.  Occius  206. 

Ocker  20. 

Octavia,  Statue  94. 

M.  Oculatius  Verus   163. 

Odysseus  und  Penelope,  Wandgem.  93. 

Oecus  272. 

Oedipus  und  Sphinx,    Stuckrelicf  442. 

Ăślbau    13;    Ă–lfabrikation,    Wandgcni. 

351 ;   Ă–lkelter  387. 
Oenone,  Wandgem.  495. 
offectores  404. 
Officiosus,   Gladiator  228. 
Oliven  in  Amphoren  523. 
Olivcnquetschmaschine  386. 
Omphale,  Wandgem.  495. 
Opfer  an  Fortuna,  Wandgem.  356. 
Opus  incertum  33 ;  —   reticulatuni  33. 

41. 
Orange,  Theater   144.    146. 
Orestes    und    l'ylades,    Wandgem.  348. 

375- 
otiosis  locus  hie  non  est  241. 
Otricoli,  Zeus  von  —  65. 
Ovid,  Verse  von  ihm  als   (Iraftito  515. 

Pagani    13. 

Pagus   Augustus  l'elix  10.  13.   182.  222. 

442.  444. 
Palästra  171.    194. 
Pan  und  Eros.   Wandgem.  357;  —  und 

Nymphen  497. 
Pansa,  Maus  des  —  369.   507. 
Papyrusrollen   553. 
Paquius  Proculus,  sein   untl  seiner  Iran 

Porträt,  Wandgem.  499. 
Parete  nera,  casa  della  —   370. 
Paris    in  Wandgem.    mit    Helena    299; 

mit   Oenone  495 ;   Parisurteil  334. 
Pasiphae  und  Daedalus,  Wandgem  359. 

497- 
Penaten   278. 

Pentheus,  Wandgem.   358. 
Pergula  286.  507. 
Peristyl  267;  rhodisches  267.  319. 

M.iu,  Pompeji.     2.  Aut1. 


Perseus  unil  Andromeda,  Wandgem. 
346,  495;  Stuckrelief  186. 

M.  Petacius  Dasius,  sein  Grab  449. 

Petronia  lex   12.  222. 

Pferd,  Anzeige  bezĂĽglich  auf  ein  ver- 
laufenes 454. 

Pflasterung  231. 

Phantasiekapitelle  461. 

Philostratus  502. 

Phrixus  und  Helle,   Wandgem.   299. 

piscicapi  404. 

Plato  499. 

M.  Plautius  Silvanus.   Konsul  85. 

Plinius  d.  J.  ĂĽber  den  Ausbruch  des 
Vesuv   18:   seine  Villen   376.   380. 

Polyklet,  Doryphoros  des  —   172. 

Polyphem,  Wandgem.    423.    495.    501. 

pomarii  403.   506. 

Pompa  55.    134.    165. 

Pompeji,  Bedeutung  des  Namens   7. 

N.   Pontius   189. 

\  .  Popidius,  Erbauer  der  Forumsporti- 
ken 47. 

N.  Popidius  Ampliatus,  X.  Popidius 
Gelsinus    175. 

N.   Popidius  Moschus  85. 

M.  Porcius  82.  160.  216.   Sein  (Jrab  429. 

Porta  Marina.   Haus   bei  —  312. 

Porträtskulpturen  463  IT.  —  in  Hercula- 
neum  536  IT.  542.  5480".;  Purträt 
des  Hausherrn  im  Atrium  260.  375. 
416.  464. 

Poseidon  und  Amymone,  Wandgem.  346. 

Praefectus  i.  tl.  12.  223;  —  ex  lege 
Petronia    12.   222. 

l'rätorianer  in   Pompeji  405.   420.   510. 

Priene,   Wanddekoration  479. 

Priester   12. 

Priesterinnen    13.    107.    144.   225.  430. 

447- 
Primipilaris  510. 
Properz .    \  erse    von     ihm    al>    (Jraffiti 

5'3-  515- 
Psychen.  Blumen  ptUickend.  Wandgem. 


355- 


36 


502 


Pompeji. 


Puteoli   175.  420. 
Pyrrhus,  MarmorbĂĽste  552. 

Quaderbau  34. 

Quästor  II.  47.  76.   172.  205. 

Quasireticulat  23. 

Quattuorvim  li.  82. 

C.  Quinctius  Valgus   160.  216. 

Quinquennalen   12. 

KednerbĂĽhne  46.   60. 
Regionen  30. 
Reticulat  33.  41. 
Rocca  Monfina  i.    14. 
Romulus,  seine  Statue    iii. 
Rostra  46.  60. 
Rullus   160. 

Saccarii  404. 

sagarii  404. 

Salinen,  Salinenses   10. 

Q.  Sallustius,  seine  Statue  44. 

Sallust,  Haus  des  —  294. 

Salomon,  Urteil  des  —   16. 

Salus,  Altar  der  —  240. 

Salvius,   sein  Grab  445. 

Samniten  8fF. ;  ihre  Gräber  426. 

Samowar  398. 

Samus,  Gladiator  229. 

Sarnokalkstein  31.  36.  290. 

Samus  2.  9;  pons  Sarni  454. 

Satyr,    tanzender,    Bronzestatuette    aus 

dem  Hause  des  Faun  470 ;  Marmor- 

statuette  331. 
Säule,  alte  —  34. 
Schatzkammer  87. 
Scheibenwerfen,  Wandgem.   350. 
Schenken     419  ff-      Szenen      aus      der 

Schenke,  Wandgem.  422. 
Schiff  am  C^rab  443. 
Schlafzimmer  268. 
Schlangen,  gemalte  241.  280. 
SchminkbĂĽchsen  401. 
Schola  135.    191. 
Schule,  Wandgem.   53. 


Schuster,  Wandgem.   52.    —    Werkstatt 

405- 
Scipio,   seine  Villa    bei   Liternum  212. 
Seneca  ĂĽber  das  Bad  des  Scipio  212; 

über  Lärm  in  Bädern  205. 
L.  Sepunius  Sandilianus  82.    135. 
sera  255. 

Serapis,  Tempel  des  —  in  Puteoli  175. 
seribibi  506. 
V.  Seximbrius  243. 
L.  Sextilius  82. 
Siegelring  447. 
Signacula  523. 
Silbergefäße  401 ;    —    von   Boscoreale 

388. 
Silberne  Hochzeit,  Haus  der  —  315. 
Silen,     gefäßtragend,     Bronzestatuette 

470. 
Sittius  restituit  elepantu  419. 
M.  Sittius  189. 
Skelettfunde  21.   381. 
Skulptur  462. 

Sockel  der  Wände  475.  478. 
Sodoma  (iomora,  Graffito   16. 
Sonnenuhr  82.   135.  205.  2ir.  215. 
Sorrent  6.  431. 
Mr.  Spurnius  243. 
Stabiae  3.   19.  20. 
Stadtmauer  242. 
M.  Stajus  Rufus  209 
Stall  310.  383. 
Statuen   462;    auf   Gräbern    430.   446. 

452  ff 
Stempel  523. 
Steuerruder,    bronzenes,    beim  Tempel 

der  Venus  Pompejana   125. 
Stilleben  493. 
Stilmischung    in     der    Architektur    79. 

306.   457. 
StraĂźen.   Stral^ennetz  29.   230. 
Strigilis  400. 

T.  Sucdius   Clemens  427.   506. 
A.   Suettius  CxTtus   225. 
L.  Sulla,  der  Diktator  9.  246. 
P.  Sulla  9. 


Register. 


563 


Tablinum  261;  \'orhängc  vor  —  262. 

319- 

S.  Tadius  499. 

Tänzerinnen,  Bronzestatuen  aus  Hercula- 
neum   551. 

Tempel  des  Apollo  47.  76;  der  For- 
tuna Augusta  127;  der  Isis  174; 
des  Jupiter  (Capitolium)  59;  der 
städtischen  I.aren  98;  der  Minerva 
(dor.  Tempel)  133.  137;  der  Venus 
Pompejana  126;  des  Vespasian  102; 
des  Zeus  Meilichios    188. 

Tempelfassade  im  Eingang  des  Hauses 
des  Faun  303. 

T.  Terentius  Felix,  sein   Grab  432. 

testudo  alvei   199.  210.  215.  383. 

Theater  133.  141  ff.  —  in  Hercula- 
neum    54°  ^• 

Theateraufführung,  Vorbereitung  zu  — 
Mosaik  330. 

Thermen,  Stabianer  193;  —  beim  Fo- 
rum 206;   Centralthermen  212. 

Thermopolium  422. 

Theseus  und  Ariadne,  Wandgem.  337; 
—  nach  Tötung  des  Minotauru*, 
Wandgem.   536;   Stuckrelief  442. 

Thetis  bei  Ilephaestus,  Wandgem.  497. 
500;  mit  den  Waffen  des  Achilleus 
500. 

Tholus  im  Macellum   90. 

Thore  28.  246. 

Tiberius  45.   107.    1 12. 

Timanthes  335- 

Timotheus   174. 

N.  Tintirius  Rufus  85. 

Tische,  TischfĂĽr''e   260.   261.   390. 

TĂĽpferei  405. 

tonsores  403. 

Trapetum  386. 

Travertin,  sogen.   32. 

N.  Trebius   139. 

Tribunalia  im  Theater   144.    162. 

Triclinium  269;  —  funebre  444;  xgl. 
436;  Gartcntriclinien  270.  296.  323  ; 
I.ecti  tricliniarcs  69  ff.   389. 


Tuchwalker   108.  353.  412. 
Tiinne  223.  242.  245. 
Tuff  31;  Tuffperiode  38.  455. 
M.  Tullius    129;   sein   Grab  448. 
Tyche,  Sklavin   der  I.ivia  437. 

Umbricia  Januaria  519. 

UmbriciusScaurus  13;   (irab  des — 437. 

unguentari  403. 

Urania,  Wandgem.   357. 

Urbana  420. 

urna  aenia  pereit  de  taberna  508. 

C.  Uulius   194. 

C.  Valerius  ^'enustus  420.    510. 

Vatia  506. 

Veja,  ihr  Grab  450. 

A.  Vejus,  sein   (irab  428. 

N.  Vejus  Phylax   85. 

N.  Velasius  Gratus,   sein   (irab  445. 

velum    144.   223.   225. 

Venus  Pompejana  ii;  ihr  Tempel  120; 
als  Ilausgottheit  278:  \'enusstatue 
beim  Apollotempel  82;  im  Tempel 
der  Venus  Pompejana  122;  beim 
Isistempcl  182;  in  einem  Hause  467. 
\'gl.  Aphrodite. 

T.  Vesonius  Primus  415. 

Vespasian.  sein  Tempel    102. 

\esta,  Schutzgüttin  der  Bäcker  278; 
Vestalia  93.   354. 

Vestibulum  259.  302. 

\'esuv    I.   23. 

Vcttier,  Haus  der  —  338. 

Vibius  Restitutus  420. 

Vibius  \'inicius    172. 

Cn.  \ibrius  Saturninus,   sein   (;rab444. 

vicini   505.   506. 

Villen,  \illa  des  Diomedes  376.  \illa 
in  Herculaneum   545  ff- 

\'illa  rustica   382. 

\  irgil.  \  erse  von  ihm  als  (Iraft'iti  514; 
seine   iUiste  V    466. 

X'orhänge  im  .\trinm  317;  .im  'i'abli- 
num   262.   310. 

v>* 


564 


Pompeji. 


Vorratskammern  275. 
Vulkan  als  Hansgott  278. 

"Wachstafeln  516. 

Wahlen,  Wahlprogramme  12.  338.  372. 

403.  504. 
Wanddekorationen  39.  40.  42.  472. 
Wasserleitung  233  ff. 
Wasserreservoir  beim  Theater  159;  bei 

den  Fonimsthermen  234. 
Wegebauinschriften   189.   247. 
Weinbau  13. 

Weinhandel,  Wandgem.    355. 
Weinkelter  354.   384. 


Weinlese,  Wandgem.   354. 
Weinschenken  419. 

Wettfahrt  der  Amoren,  Wandgem.  352. 
Wirtshäuser  298.  419. 

Xenia  493. 

Zeus  und  Hera,  Wandgem.  334;  Zeus 
bartlos,  Wandgem.  357.  Vgl.  Ju- 
piter. 

Zeus  Meilichios,  Tempel  des  —  188; 
Altar  458. 

Ziegel  32. 


Druck  von  Hrcitkopf  &  Hiirtcl  in  Leipzit;. 


Mau,  Pompeji.     2.  Aufl.     Plan  VI. 


Region  I. 

40.  Haus  des  Caesius  Blandus  (S.  405). 

2  n.  I.  Casa  della  regln 

Insula 

45.  Gasthaus  zum  Elephanten  (S.  419). 

4.  Casa  del  triciini 

1 

n.  5.  Wirtshaus. 

2  n.  II.  Färberei  (S.  504). 

Bildern      in 

8.           »           des  Hermes. 

16.  Haus  des  M.  Gavius  Rufus. 

zimmer,     d 

2 

n.  24.  Gastwirtschaft. 

18.  Haus  des  C.  Vibius. 

Gastmahls 

28.  Haus ,  dessen  Compluvium  durch 

2  n.  2G.  Haus  des  Popidius  Priscus. 

a.  Haus  der  silberi 

ein  Eisengitter  geschlossen  ist 

22.  Bäckerei. 

4         a.  Haus  des  Lucret 

zum  Schutz  gegen  Diebe. 

45.  Casa  deir  Orso  (genannt  nach  dem 

5  n.  2..  Haus  mit  bedeck 

4 

n.  5.  Casa  del  Citarista. 

einen  verwundeten  Bären  dar- 

3. Haus  der  Gladit 

5 

n.  2.  Gerberei. 

stellenden  Mosaik  der  Fauces). 

3  n.  29.  Haus  des  M.  Spurius  Mesor.  Hier- 

Region 

Region  II  (VIII). 

her   die  Dekoration    (S.  484). 

Insula 

4  n.  I.  Tempel  der  Fortuna  Augusta. 

Inrula  occidentalis  n.  i. 

1 

Basilika. 

48.  Casa  della  Caccia. 

1  n.   7.  Casa  delle  Vest 

2 

n.   I.  3.  Gase  di  Championnet. 

51.  Casa  dei  Capitelli   colorati   (Casa 

IG.  Casa  del  Chirur 

6.  Amtsraum  der  Ă„dilen. 

di  Arianna). 

13.  Sogenanntes  Zo 

8.  Sitzungssaal  des  Stadtrates. 

56.  Casa  del  Granduca  di  Toscana. 

2  n.  4.  Haus  des  Sallus 

IG.  Amtsraum  der  Duumvirn. 

57.  Casa  dei  Capitelli  figurati. 

6.  Bäckerei. 

17-21.  Mehrstöckiges    Haus    am   Ab- 

59. Casa      della      parete      nera     (der 

14.  Casa  delle  Araa 

hang,  mit  Bad  (S.  193). 

schwarzen  Wand). 

3  n.  3.  Bäckerei  (S.  407 

23.  Badeanstalt  (S.  193). 

5  n.  2.  Thermen  beim  Forum. 

7.  Sogen.  Accadem 

39.  Casa  deir  Imperatore  Giuseppe  11. 

0  n.  17.  Wasserbehälter. 

20.  Schenke. 

S 

n.  I.  Comilium. 

7  n.  5.  Haus  des  Cissonius. 

5  n.  3.  Casa  di  Nettum 

4.  Haus    des   Ebers,    genannt    nach 

27.  Schatzkammer. 

28.  Ă–ffentlicher  Abtritt. 

6  n.   I.  Haus  des  Pansa 

dem  eine  Eberjagd  darstellen- 

7 n.  18.  Casa  di  Adone. 

den  Mosaik  der  Fauces. 

29-30.  Markthallen. 

20.  Casa  dell'  Argei 

4 

n.  4.  Haus  des  M.  Holconius  (S.  375). 
15.  Haus  des  Cornelius  Rufus  (S.  375). 

. 

31.  Eichtisch. 

22.  Wirtshaus. 

5 

(5.  6)  n.  39.    Haus    des    Acceptus   und 

37.  Tempel  des  Apollo. 

23.  Casa  di  Apollo. 
S  n.   5.  Haus  des  tr.agis 

der  Euhodia. 

8              Forum.     S.  Plan  H. 

7 

(8)       Die      Theater      und     Umgebung. 

a.  Tempel  des  Jupiter  (Capitolium). 

20.  Fullonica. 

S.  Plan  III. 

9  n.   I.  Gebäude  der  Eumachia. 

22.  Casa  della  Font 

2.  Tempel  des  Vespasiau. 

23.  Casa  della  Font 

3.  Heiligtum  der  städtischen  Laren. 

9  n.  2.  Casa  di  Meleagi 

Kegion  Jll  (IX). 
Insula 

8.  IMacellum. 

3.  Casa  del  Cent.au 

1 

n.  20.  Haus  des  Epidius  Rufus. 

12  n.  18.  Bordell. 

6.  Casa  di  Castore 

22.  Haus  des  Epidius  Sabinus. 

28.  Haus  mit  Erker   (Casa   del  Bal- 

10    n.  I.  Schenke  (S.  42 

2 

n.  16.  Haus  des  Baibus. 

cone  pensilc,  S.  281). 

7.  Casa  deir  Anc 

» 

n.  2.  Färberei. 

35.  Wirtshaus  (S.  419). 

Tl.  Casa  del  Nävi 

5.  Haus  des  M.  Lucrctius  (S.  372). 

14   n.  9.  Casa  dello  Scheletro.     In  einem 

11  n.  10.  Casa  del  Labe 

IG.  Bäckerei. 

gewölbten      Räume      Skelett 

12   n.  2.  Casa  del  Faun 

25.  Haus  des  L.  Clodius  Varus. 

eines  hier  VerschĂĽtteten. 

i;j   n.   6.  Haus  des  M.T 

4 

Zentralthermen. 

15   n.  8.  Haus     mit    oberem    Speiserauni 

14  n.  2u.  Haus   des    M. 
(Casa  di  ĂĽi 

5 

n.  II.  Haus     mit    Gartentriclinium    und 

(cenaculum,  S.  28:?). 

Sitz    fĂĽr    die    Kinder  (S.  271, 

Insula  orcidentalis  n.  13.  Haus  bei   Porta 

22.  l'ullonica. 

Tafel  VII). 

^larina. 

3(1.  Casadi  Laocoo 

8  (7)  n.  6.  Casa  del  Centcnario  (Haus  des 

einem  das  I 

Ti.  Claudius  Verus  ,    S.  371). 

darstellen<lc 

a.  Gasthaus  de>  Hyginius  Firmus 

Region  V. 

35.  P.äckcrci       nii 

(S.  4,y.) 

Insula 

(S.  4.0). 

1    n.  7.  Casa  ilcl  Torello   di  brouzo. 

43.  Casa  degli  sci< 

Region  IV  (VH|. 

18.  Casa   dcgli    epigrammi.      Hierher 

15    n.    I.  Haus  der  Vcttl 

Ii 

sula 

die  Dekoration  Tafel  XIII. 

9.  Haus  mit  zwei 

1 

n.  8.  Stabiancr  Thermen. 

26.  Haus  des  L.  Caecilius  Jucundus. 

(S.  407). 

25.  Haus  des  Siricus. 

28.  Haus  des  M.  Tofelanus  Valens. 

Kl   n.  7.  Casa  degli  Arno 

Der  ausgegrabene  Teil  von  Pompeji. 


Uer  ausgegrabene  Teil  von  Pompeji. 


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