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Full text of "Prüfende Blicke auf die Ansprüche der Katholischen Gemeinde zu Frankfurt, und den Sinn des Art. 46 der Wiener Congressakte"

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Prufende Blicke auf die Anspruche 


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bb. der Katholischen Gemeinde 


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er Frankfurt, 
| und 5 
den Sinn des Art. 46 der Wiener Congreßakte. 


* 3 


* 


Es iſt nicht intolerant, zu widerlegen: wer 
widerlegt, ſagt nur, daß er die Sache 
anders anſieht. 


J. G. Schloſſer's kl. Schriften 


Th. II. S. 204. 


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Frankfurt am Mayn 
bei Heinrich Ludwig Brönner. 
Auguſt 1816. 


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* 


Das Recht ſey eine Mauer! Wer daran cost, zer⸗ 
ſchmettre; wer darauf wohnt, wohnt gut. Bil lig⸗ 


17 


keit macht's zum Sandhügel: jeder Wurm kann 
5 iin durch, aber es wohnt ſich i ibel darauf. 


9.0. Solo ſſers fl. Sr un, 226 | 


Vor wort. 


Seitdem im Art. 46 der Wiener Congreßakte die 
Gleichheit der Rechte unter den verſchiedenen 
Bekennern der chriſtlichen Religion feſtgeſetzt W 
zugleich beſtimmt worden iſt, daß dieſe Gleichheit 
ſich auf alle bürgerlichen und politiſchen Rechte, 
auf alle Beziehungen der Regierung und Verwal⸗ 
tung ausdehnen ſolle, hat ſich die katholiſche Ge— 
meinde in Frankfurt, oder vielmehr deren Vorſtand, 
in ſo überſpannte Anſprüche verloren, daß man 
auch in dieſen politiſchen Beſtrebungen den bekeh— 
rungsſüchtigen und Ueberzeugung aufdringenden 
Eifer nicht verkennen wird, der den Katholieismus 
in kirchlicher Hinſicht auszeichnet. 

Es iſt der Mäßigung und Beſonnenheit der 
beyden andern chriſtlichen Gemeinden zu Frankfurt 


IV 


zu verdanken, daß dem Publikum wenigſtens hier⸗ 
bey nur von der einen, nemlich der katholiſchen, 
Seite der traurige Anblick inneren Zwieſpalts ger 
währt worden iſt. Nur die Minorität von Frank: 
furts Bürgern (denn wie das numeriſche Verhält⸗ 
niß ſteht, wird ſich unten zeigen) klagt, daß man 
ihr nicht zugeſtehe, was die Congreßakte beſtimme, 
proteſtirt mit Heftigkeit gegen die Conſtitutions— 
Ergänzungsakte, die doch mit ſo vieler Umſicht 
alle Vorſchriften der Congreßakte beachtet, alſo in 
dieſer Hinſicht keinen Angriff zu ſcheuen hat, und 
tritt immer unverhüllter mit ihrer für das Gemein⸗ 
weſen der Stadt ſo verderblichen Tendenz einer 
Berufung an den deutſchen Bundestag hervor. 
Niemand würde ſie, obgleich es oft edler, ja 
ſelbſt klüger iſt, Unrecht zu leiden, als es zu 
thun, deshalb zu tadeln berechtigt ſeyn, wenn bey 
genauer Prüfung ſich ergäbe, daß die katholiſche 
Gemeinde durch die Conſtitutions⸗Ergänzungsakte 
von dem Beſitz derjenigen Rechte ausgeſchloſſen 
werde, welche die Congreßakte ihr, gleich den an— 
dern chriſtlichen Gemeinden, zuerkannt hat. 
Einige Worte ruhiger Unterſuchung dürften 
daher auch jetzt noch, wo der Senatsbeſchluß vom 
25. July den erſten Akt des ſonderbaren Schau: 


* 


ſpiels geſchloſſen hat, nicht ohne Nutzen ſeyn, und 
den unbefangenen Gemüthern, ſelbſt unter der rö⸗ 
miſch⸗katholiſchen Gemeinde, den Streitpunkt in fo 
klarem Lichte zeigen, daß es der Leidenſchaftlichkeit 
doch etwas ſchwerer werden dürfte, die Verwirrung 
der Begriffe, in der ſie ſich ſo wohl e al 
gemein zu verbreiten. 

Der Verfaſſer dieſer Blätter will ſeinen Pro⸗ 
teſtantismus nicht verbergen, aber wenn er auch 
in religiöſer Hinſicht gegen die Dogmen der römi⸗ 
ſchen Kirche noch fo viel einzuwenden hätte, fo 
würde er doch mit inniger Wärme auch gegen jede 
Verletzung der Rechte ihrer Bekenner proteſtiren, 
traut ihnen aber die Ueberzeugung zu, daß nicht 
ſie allein Rechte haben, und hofft daher, daß die 
geſtörte Harmonie wieder aufleben wird, wenn nur 
jeder bedenkt, daß die Einheit der Bürgerſchaft 
ein viel zu koſtbares Gut iſt, als daß es wegen 
erträumter Beeinträchtigung unbeſtimmter Rechte 
aufs Spiel geſetzt werden dürfte. 

Die freye Stadt Frankfurt iſt nicht darum 
nach dem Willen der hohen verbündeten Mächte 
in ihre frühere glückliche Unabhängigkeit zurückge⸗ 
treten, damit die Minderzahl der Bürger, durch 
ungemeſſene Anſprüche und leidenſchaftliches Trei— 


yı 


ben dem Gemeinwohl eutgegenwürken könne: ſollte 
auf dieſem Syſteme verharrt werden, ſo würden 
die Folgen unabfehlich, aber für die katholiſche Ge: 
meinde im letzten Reſultat gewiß nicht erſprießlich 
ſeyn, denn niemand zweifelt wohl, daß die Prote⸗ 
ſtanten, drey hundert Jahre nach ihres herrlichen 
Luthers erſtem Auftritt, ihre politiſchen 
Rechte mit eben der Unerſchrockenheit und Stand: 
haftigkeit vertheidigen werden, mit der fie einft die 
Geiſtesfreyheit erkämpften. | 


Der Artikel 46 der Wiener Congreßakte, welcher bey der 
Unterſuchung der katholiſchen Rechtsanſprüche alleiniger 
Leitfaden ſeyn kann, enthält folgende Beſtimmungen: 
v die Stadt Frankfurt mit ihrem Gebiet, fo wie 
ves 1803 war, iſt für frey erklärt, und wird 
»einen Theil des deutſchen Bundes ausmachen. 
»Ihre Einrichtungen ſollen auf das Prinzip einer 
v» vollkommenen Rechtsgleichheit der verſchiedenen 
»chriftlihen Religions-Bekenntniſſe gegründet wer: 
»den. Dieſe Rechtsgleichheit wird ſich auf alle 
bürgerliche und politiſche Rechte ausdehnen und 
»in allen Regierungs- und Verwaltungsverhält— 
»niſſen beobachtet werden. « 

Eine vollkommene Gleichheit der Rechte der chriſtlichen 
Bürger von verſchiedenen Bekenntniſſen wird hier klar aus⸗ 
geſprochen: ausdehnen. fol fie ſich auf alle bürgerliche und 
politiſche Verhältniſſe, beobachtet ſoll ſie werden in allen 
Beziehungen der Regierung und Verwaltung. 5 

So deutlich dieſe Beſtimmung ſcheint, ſo ſchwierig iſt 
ihre Anwendung, wenn man ſie auf einen gegebenen Fall 


1 


bezieht. Die freye Stadt Frankfurt hat eine Bevölkerung 
von etwa 44000 Seelen und zwar gehören davon | 
28000 zu der Lutheriſchen Bürgergemeinde, 
4000 zu den Beyſaſſen, Permiſſioniſten und dienen⸗ 
den Klaſſen Lutheriſchen Glaubens, | 
4000 zu der Römiſch-Katholiſchen, und 
2000 zu der reformirten Gemeinde; 


38000. ö 1 
die übrigen 6000 Seelen aber bekennen ſich zur jüdiſchen 
Religion. 0 
Wenn nun die Congreßakte in Bezug auf Frankfurt 
die vollkommene Rechtsgleichheit der verſchiedenen 
Confeſſionen ausſpricht, ſo muß man, um nicht eines feſten 

Standpunkts ganz zu entbehren, ſofort annehmen, daß 
dieſe Gleichheit eine verhältniß mäßige ſeyn ſoll. 

Denn angenommen, daß die Bevölkerungs⸗ Baſis bey 
der Anwendung der Vorſchrift des Art. 46 der Congreß⸗ 
akte ganz außer Acht gelaſſen werden könnte, ſo würden 
4000 Katholiken und 2000 Reformirte bey der Beſetzung 
aller Staatsverwaltungsſtellen gleiche Rechtsanſprüche ha⸗ 
ben, wie 28000 Lutheraner, und wenn nun dieſe An⸗ 
ſprüche ſich auch realiſirten, fo würden 28000 Luthera⸗ 
ner im würklichen Veſitz von nicht mehreren Stellen ſeyn 
als 4000 Katholiken und 2000 Reformirte, jede für ſich 
genommen. Wo würde aber in dieſem Fall das gleiche 
Recht der Lutheriſchen Gemeinde zu finden ſeyn? Die über⸗ 
wiegende Mehrzahl der Bürger, aus ihrem Beſitzſtand ver⸗ 


trieben, würde in den ſogenannten liberalen und toleranten 
Grundſatzen unſerer Zeit auf die unerträglichſte Weiſe be— 
eintrachtigt erſcheinen: nicht genug, daß die zu ihren Gun: 
ſten früherhin beſtandene Vorrechte, die ſie dem Zeitgeiſt 
gerne zum Opfer bringen, aufhören ſollen, würde vielmehr 
der entgegengeſetzte Zuſtand eintreten, die proteſtantiſch⸗ 
lutheriſchen Glaubensgenoſſen in Frankfurt nur tolerirt 
werden, und innerer Zwieſpalt, fo wie der Ruin des alle 
ſeitigen Wohlſtandes müßten die Folgen einer ſolchen 
von der rückſichtloſeſten Willkühr ausgehenden Gleichſtel⸗ 
a der Rechte ſeyn. N 


clic dürfen wir daher in dem Art. 46 der 
Congreßakte nur eine relative keine abſolute Gleich— 
heit der Rechte der verſchiedenen chriſtlichen Religionsdeken⸗ 
ner ausgeſprochen finden, und von dieſem Grundſatz aus: 
gehend wird die Prüfung der Anſprüche des katholiſchen 
Gemeindevorſtands nicht ſchwer fallen. Vorläufig muß 
jedoch bemerkt werden, daß, da die Bevollmächtigung die⸗ 
ſes kirchlichen Vorſtands von Seiten feiner Glaubens⸗ 
genoſſen, um als Vertreter und Sprecher der Gemeinde 
in politiſchen Angelegenheiten aufzutreten, noch abgeht, 
ſeine Anſichten und Forderungen vorerſt nur als individuelle 
Ueberzeugung angeſehen und das Irrige darin um deſto 
| ſchärfer aufgedeckt werden muß, als es außerdem dem 
hyper⸗orthodexen Treiben leidenſchaftlicher Menſchen leichter 
gelingen dürfte, den beſſer und ruhiger denkenden Theil 
ihrer Gemeinde zu ubereilten Maasregeln zu verleiten. 


— 10 — 

10 Politiſche Rechte, welche einer Geſammtheit chriſtlicher 
Bürger in einem Freyſtaat in gleichem Maaſe zugeſprochen 
werden können, ſind nach unſerer Anſicht folgende: 

I. Ein verhälinißmäßiger Antheil jeder krchli⸗ 
chen Parthey an der legislativen und executiven 
Gewalt. 

II. Die möglichſt erreichbare Freyheit für jede PEN 
ihr Kirchen- und Schulweſen unter Oberaufſicht der 
Regierungsbehörde nach eigener Wahl einzurichten. 
III. Vollkommene Befähigung zu allen öffentlichen 
Stellen. N 

IV. Vollkommene Gleichheit in Bezug auf die onticen 

Laſten und Abgaben. 

V. Vollkommene Gleichheit vor dem Geſetz. 0 

VI. Modificirung aller Zunftgeſetze, in ſofern fie die Auf⸗ 
nahme gewiſſer chriſtlichen Confeſſionsverwandten 
beſchränkten. ga 

Geht man aber Über diefe, aus der Natur eines bür⸗ 
gerlichen Vereins ſich entwickelnde Rechte noch hinaus, und 
behauptet, jede einzelne kirchliche Parthey müſſe auch in 
ſtaats rechtlicher Hinſicht als ein beſonderer Beſtandtheil des 
politiſchen Staatskörpers gelten, und könne als ſolcher ſeine 
eigenthümliche Vertretung in Anſpruch nehmen, fo entſteht 
eine höchſt verderbliche Spalt ing unter den Gliedern des 

Gemeinweſens, der nur bey den Proteſtanten ruhende, 

bey der römisch kalholiſchen Gemeinde aber noch aufs thä⸗ 

tigſte unterhaltene religibſe Fanatismus bekommt die gefähr⸗ 
lichſte Nahrung, es bildet ſich ein Staat. im Staate, und 


ftatt daß jene Ueberſpannung der Anſprüche eine Sicherung 
des Gemeinwehls eben ſo ſehr als der individuellen Rechte 
gründen ſollte, welche redliche Tendenz doch wohl den met- 
ſten Katholiken nicht ganz fremd iſt, würde ſie vielmehr, 
wenn die Proteſtanten ſchwach genug wären ihr nachzuge⸗ 
ben, der fruchtbarſte Keim ewiger Unruhen und höchſt be— 
denklicher fremder Einmiſchung werden. 

Daß aber die obigen, in dem Sinn des Art. 46 der 
Wiener Congreßakte liegenden Rechte den Bekennern der 
verſchiedenen chriſtlichen Confeſſionen durch die von der 
Majoritat der Frankfurter Bürger angenommene und da⸗ 
durch Staatsgrundgeſetz gewordene Conſtitutions-Ergänzungs— 
akte in gleichem Maaße und in vollkommener Uebereinftims 
mung mit den von den hohen verbündeten Mächten in dem 
beſagten Artikel der Congreßakte ausgeſprochenen Grund— 
ſätzen zugeſichert worden ſind, wird ſich leicht beweiſen 
laſſen. 

N Ad I. 

Daß den Catholiken zu Frankfurt ein verhslinit, 
mäßiger Antheil an der legislativen und executiven Ge: 
walt durch die Conſtitutions-Ergänzungsakte geſichert iſt, 
ergiebt ſich aus den Artikeln 6. 11. 12. 19. 45. 47. und 
5 1. die wir hier zur bequemen Ueberſicht für die zahlreichen 
Kritiker, welche dieſe Verfaſſungsurkunde beurtheilen, ohne 
ſie geleſen zu haben, in den treffenden Stellen auszugs⸗ 
weiſe folgen laſſen. 

a et. 1 

»Bei Beſetzung der Staatsverwaltungs⸗ und uff 


e 6 

ſtellen, auch bey allen andern Stäbt und Gerichtsämtetn, 
Anſtellungen und Dienſten muß zwar auf das Be⸗ 
kenntniß der chriſtlichen Religion ſchlechter⸗ 
dings, es darf aber darauf, ob ſich jemand zu dieſer 
oder jener der drei chriſtlichen Confeſſienen bekennt, nicht 
geſehen werden. Im Senate müſſen fortwährend meh⸗ 
rere Mitglieder aller drei chriſtlichen Confeſſionen würklich 
ſeyn. Auch geſchieht dieſer Vorſchrift dadurch kein Genü⸗ 
gen, daß ſich etwa nur ein oder zwei Mitglieder der einen 
oder der andern Confeſſion darinnen befinden. 

Wer nur bedenken will, daß die Anzahl der Ha 
ſchen Bürger Frankfurts ſich zu den katheliſchen und refor⸗ 
mirten wie 28 zu 4 und 2 verhält, daß ferner unter den 
4000 katholiſchen Seelen nur 1500 würklich eingebürgerte 
Individuen, und unter dieſen, nach dem Nathsbeſchluß 
vom 25ten July nur etwa 300 ſtimmfähige Bürger 
ſich befinden, der wird es angemeſſen finden, daß bey Bes 
ſetzung der 42 Rathsſtellen das gleiche numeriſche Ver- 
hältniß beobachtet werde. Streng genommen würde daher 
die katholiſche Gemeinde mehr nicht als höoͤchſtens drei 1 
Rathsſtellen in Anſpruch nehmen können. 

Man hat aber durch die Beſtimmungen dieſes Artikels 
der Bürgerſchaft die Hände nicht binden wollen, ſondern 
es den Wahlcollegien freygelaſſen die Rathsſtellen, ohne 
auf irgend ein beſonderes chriſtliches Religionsbekenntniß 
Rückſicht zu nehmen, den verdienteſten und talentvollſten 
Männern zu verleihen. Hinreichend deutlich iſt es dabey 
au geſproche n, daß A drei Rorhsglieder von 


— 13 — 


dem römiſch⸗katholiſchen und eben fo viele von dem refor⸗ 
mirten Bekenntniß ſeyn müſſen, aber es ſteht den Mitglie⸗ 
dern beyder kirchlichen Partheyen frey, ſich durch Bürgers 
ſinn und Verwaltungstalent den ſichern Weg zu weit meh⸗ 
reren Rathsſtellen zu bahnen, und ihre lutheriſchen Mit— 
bürger würden dann gewiß, wenn nur freye Wahl die 
Auszeichnung bewürkt, auch einen unverhältnißmäßigen 
Antheil an der Staatsleitung ohne Mißgunſt oder Par— 
theyhaß in den Händen verdienter Nicht⸗Lutheraner ſehen. 
4 „ Art, II. 

„Um ein Wahlcollegium von 73 hieſigen chriſtlichen 
Bürgern zu bilden, ſollen alle chriſtliche Bürger 
zu ſtimmen berechtigt ſeyn. « 

4 Art. 12. 

»Es verſammeln ſich nun dieſe 75 Wahlmänner. 45 
und wählen ſofert aus allen Ständen der geſammten 
hieſigen chriſtlichen Bürgerſchaft ... 45 chriſtliche Bür⸗ 
ger, in deren Rechtſchaffenheit und Kenntniſſe fie Vers 

trauen ſetzen, zu Mitgliedern des diesjährigen 
| geſetzgebenden Körpers. « 
Art. 19. i 

»Die Geburt giebt kein Vorrecht und keinen poſiti⸗ 
ven Anſpruch auf Rathsſtellen, und die Verſchiedenheit des 
chriſtlichen Religionsbekenntniſſes iſt ſchlechterdings kein 
Hinderniß, vielmehr muß desfalls die allgemeine Vorſchrift 0 
des Art. 6 genau beobachtet werden. « 

en Art. 45. a 

v Außer dem Senate als dem Regierungs- und Ver: 


— 4 — 


waltungscollegio, beſtehet fortwährend eine eigene Bürger⸗ 
repräſentation oder ein Bürgerausſchuß von 51 hieſigen 
Bürgern, gewählt aus allen Ständen der hieſigen chriſtli— 
chen Bürgerſchaft, mit Berückſichtigung aller 
drei chriſtlichen Confeſſionen, von welchen 
ſich zu aller Zeit mehrere Mitglieder | darin 
befinden müffen. « 
Art. 47. 

„Jeder chriſtliche hieſige Bürger ohne Unterſchied 
der Confeſſion, des Standes und Gewerbes, welcher 
nicht bereits in anderen Dienſten des hieſigen Staats 4 
kunn in den Bürgerausſchuß gewählt werden. « 

Art. 51, N. 

» Auch ſollen unter den 20 zu wählenden Rathsglie— 
dern dieſesmal wenigſtens vier der katholiſchen und zwei 
der reformirten Religion zugethan ſeyn. « f 

Ad II. 

Wie beſorgt man geweſen iſt, der katholiſchen Gemein— 
de die Einrichtung ihrer Kirchen- und Schul-Angelegenhei⸗ 
ten nach freyem Gutbefinden zu überlaſſen, und wie ſehr 
man hierbey überall in dem Sinne der Wiener Congreßakte 
zu handeln ſich beſtrebt hat, beweiſen die Art. 35. 38. 39. 
40 und 41. die wir abermals in den Hauptſtellen mit⸗ 
theilen: Bra IR 

Art. 35. 

„Allgemeine, von den unmittelbar vorgeſetzten kirchli⸗ 
chen Behörden eines Religionstheils verfaßte Verordnungen 
bedürfen der Sanctien des Staats; rein biſchöflichen 


— 15 — | & 
Dioceſan⸗Gerechtſamen, fo viel die katholiſche Ger 
meinde betrifft, wie ſolche nach geläuterten Grundſätzen 
des deutſchen Staats- und Kirchenrechts, ohne Rückſicht 
auf das nicht ferner anwendbare Entſcheidungsjahr des 
weſtphäliſchen Friedens inſtruments, beſtehen, oder in Zus 
kunft durch Concerdate für ganz Deutſchland regulirt wer; 
den dürften, durchaus unvorgreiflich.« 

Art. 38. 
II. Katholiſche Gemeinde. 
Katholiſche Kirchen- und Schul-Commiſſion. 

»Zu Beſorgung der Kirchen ⸗, Schul- und Erzie— 
hungsſachen der hieſtgen katholiſchen Gemeinde beſteht die 
rubricirte beſondere Commiſſion. « 

Art. 39. 

»Es ſoll nach ausgemitteltem Bedarf für die eigene 
Dotation des lutheriſchen und katholiſchen Religionscultus 
und Schulweſens geſorgt werden. 

1 | | Art. 40. 

„ Eine jede der drei chriſtlichen Gemeinden kann 
einen beſondern kirchlichen Gemeindevorſtand anordnen. 

»Dieſer hat in kirchlichen Angelegenheiten die Ges 
meinde bei der einſchlagenden Behörde zu vertreten, über 


die äußere Disciplin zu wachen, das Kirchengut zu ver— 

walten, für die Unterhaltung der Kirchen- und Pfarrhäu⸗ 

ſer zu ſorgen, die niederen Kirchen ⸗Officianten zu ernennen 
und au infpteiren. « | 
Art. 41. 1 

»Das hieſige Gymnaſium ſoll funf eine, allen 


chriſtlichen Confeſſtonen gemeinſchaftlich angehörende, jüdi⸗ 
ſche Religionsbekenner nicht ausſchließende, jedoch dem 
evangeliſchen Confifterio , wie ehedem, allein untergeord— 
nete Unterrichtsanſtalt ſeyn und bleiben. In dieſem Fall 
ſollen die katholiſchen Schüler des Gymnaſiums ihren ei⸗ 
genen Unterricht in der Religion, und wenn es gewünſcht 
wird, auch in andern wiſſenſchaftlichen Zweigen erhalten 
und behalten; auch bey der Wahl der Lehrer durchaus keine 
Rückſicht auf ein beſonderes chriſtliches Bekenntniß genommen 
werden. Sollte aber die katholiſche Gemeinde die Wieder— 
herſtellung des Fridericianums, als des vormaligen katholi— 
ſchen Gymnaſiums, unter ihrer alleinigen Direction, lieber 
wünſchen, ſo iſt ſofort dieſe Wiederherſtellung vorzunehmen. 
Dieſer letzte Artikel bedarf einer Erläuterung, da es 
den Ununterrichteten ſcheinen dürfte, als ſey es der Rechts⸗ 
gleichheit zuwider, daß das Gymnaſium dem evangeliſchen 
Conſiſtorio allein untergeordnet ſeyn ſoll. Der unbefan⸗ 
gene Prüfer wird aber leicht die Urſache entdecken, apt 
in dieſer Beziehung nicht anders gehandelt werden konnte, 
wenn er ſich folgende faktiſche Umſtände deutlich vor Au⸗ 
gen ſtellt. a 
1. Die lutheriſche Gemeinde in Frankfurt hat ein 
ſpecielles, von allgemeinen ſtaatsrechtlichen Gleichheitsbeſtim⸗ 
mungen unabhängiges Recht auf das Gymnaſium, indem 
eine Urkunde vorhanden iſt. wornach der päpſtliche Legat 
Sebaſtian Pighino, Erzbiſchof von Siponto, im J. 1551 
auf dem Reichstag zu Augsburg dem Abgeordneten der 
Stadt, Syndikus Fichard, das Barfüßer Kloſter mit allem 
Zubehör, 


— 17 — | 

Zubehör, um es als lateiniſche Schule für die evangeliſche 
Gemeinde einzurichten, abgetreten hat, wogegen aber von 
Seiten der Proteſtanten allen künftigen Anſprüchen auf 
den Dom, in deſſen alleinigem Beſitz ſie früherhin 23 Jahre 
lang geweſen waren, entſagt wurde. — Dieſen auf fo 
authentiſche und rechtliche Weiſe erworbenen Beſitzſtand 
kann und wird die lutheriſche Gemeine ſich nicht abdringen 
laſſen, wohl aber wird ſie den Genuß dieſer ihr eigen⸗ 
thümlich zuſtehenden Lehranſtalt jedem auch nicht zu ihrer 
Confeſſion gehörigen Schüler gerne vergönnen, wenn nur 
darunter die innere Einrichtung des Gymnaſiums nicht lei 
det und der Unterricht ihrer Kinder vor dem verkehrten 
Gange bewahrt wird, den eine vermiſchte eee, 
ſo 1 befördert. 7 

Was aber dieſes feſte Beharren auf urkundlichem 
AT noch dringender macht, iſt der Umſtand, daß ſeitdem 
die frevende Hand der Gewalt die beyden ehemals dahier 
beſtandenen Gymnaſten zuſammengeſchmolzen hat, wobey 
aber freylich 45 heterogenen Stoffen die Amalgamirung 
unterblieb, der Erfolg keineswegs für die Räthlichkeit des 
Fortſchreitens auf dieſem Wege bewieſen hat. 

Gar manche, die moraliſche Bildung der aufwach⸗ 
ſenden Jugend nachteilige Reibungen ſind eingetreten, 
und es bedurfte der ganzen Standhaftigkeit der Lehrer, 
um dem unermüdlich um ſich greifenden Katholicismus den 
nöthigen Einhalt zu thun. * 

Um nur ein Beyſpiel anzuführen, ſo hatte vor kurzem 
noch ein Mitglied des proviſoriſchen gemiſchten Scholarchats 

2 


— 18 — 


den Verſuch gemacht, die Feyer der ſämmtlichen katholi⸗ 
ſchen Feſte an dem Gymnaſio durchzufechten. Wegen 
neunzehn catholiſchen Schülern ſollten künftig 128 pro⸗ 
teſtantiſche tagelang müßig gehen, während ohnedem der 
Unterricht durch die Ferien oft genug unterbrochen und 
| verkürzt wird. Will man ſich, wie natürlich, dieſer unge⸗ 
reimten Forderung nicht bequemen, fo entfteht die bey jeder a 
vermiſchten Lehranſtalt unvermeidliche Folge, daß die Schi 
ler in ihrem regelmäßigen Fortſchreiten ſich nicht gleich 
bleiben ; und durch die aufgeregte Aufmerkſamkeit der Gef; 
tengeiſt ſchon bey der zarten Jugend ſich entwickelt. 
3. Zu allem diefen kommt noch, daß eine Gleichheit 
der Rechte aller chriſtlichen Confeſſionsverwandten recht gut 
bey getrennten Schul⸗Anſtalten beſtehen kann. Mögen | 
unfere katholiſchen Mitbürger ihr Fridericianum wieder her: 
ſtellen, dort jede ihnen beliebige Unterrichtsmethode ein⸗ 
führen und alle erdenklichen Feſttage feyern, die Froteſtan⸗ 
ten werden ihnen dabey nichts in den Weg legen. Das 
evangeliſche Gymnaſium bleibe jedoch den karholiſchen, das 
katholiſche den evangeliſchen Schuͤlern unverſchloſſen, viel⸗ 
leicht findet ſich dann die Vereinigung von der einen oder 
der andern Seite eher ein „ als wenn man ſie erzwingen 
will. Sollten endlich finanzielle Rückſichten noch in Anſchlag 
kommen, fo bietet Art. 39 der Conſtitutions⸗Ergänzungs⸗ 
akte auch hier ein bereites Auskunftsmittel dar. Wer 
den Zeitgeiſt erkannt hat, wird in dieſen die kirchliche 
Trennung unterhaltenden Anſichten die Sektenſäure nicht 
ſinden, die der denkende Proteſtant auch bey dem wärm⸗ 


Pe ee 


Eifer für erkannte Wahrheit dennoch gerne den Zeloten 
des Reformations- Jahrhunderts überläßt, er wird vielmehr 
in dem neu erwachten, Beftreben der Eathelifchen Kirche 
Proſelyten zu gewinnen, und durch fie vornemlich den Pro- 
teſtanten entgegen zu treten, einen zureichenden Grund für 
jede kluge Vorſichtsmaasregel erblicken. | 
Ad III. RUN 

So wie durch die ad I angeführten Stellen der Cen⸗ 
fitutions. Ergänzungsakte der würkliche Antheil der ka⸗ 
choliſchen Gemeinde an der legislativen und executiven 
Macht eſichert iſt, ſo erſcheint nicht minder die allge⸗ 
meine Befähigung ihrer Mitglieder zu jedem Staats- 
dienſt ohne Ausnahme / alſo die in dem Art. 46 der Con⸗ 
greßakte ausgeſprochene formale Rechtsgleichheit in fol⸗ 


genden Stelen aufs unumwundenſte ausgeſprocen. 
1 . 


Art. 5 1 a 
„Ale 9 Hobeits und Selbſtverwaltungsrechte be⸗ 
ruhen in ihrem weiteſten Umfange auf der Geſammt⸗ 
Wicht chriſtlichen Bürgerſchaft. e 


g Art. 6. 

is geſammte chriſtliche hieſige Bürgerſchaft bildet 
nur ein Ganzes. Die kirchliche Verſchiedenheit der drei 
chriſtlichen Confeſſionen hat auf die Rechte und Verhält⸗ 
niſſe, welche aus dem bürgerlichen Staatsverbande entſte⸗ 
hen, fernerhin nicht den mindeſten Einfluß; viel⸗ 
mehr ſind alle hieſigen chriſtlichen Bürger der drei Confeſſionen 
einander an Rechten und Obliegenheiten durchaus gleich. « 


As V V. und Lima, ai 
Wenn, wie eben angeführt, nach Art. 6 der Eon 
e een die kirchliche Verſchiedenheit der 
drei chriſtlichen Confeſſionen auf die aus dem bürgerlichen 
Staats verband entſtehenden Rechte und Verhältniſſe ferner: 
hin nicht den mindeſten Einfluß haben ſoll, ſo verſteht 
es ſich von ſelbſt 
* daß die Katholiken zu Frankfurt verhältnißmaßig nicht 
mehr zu den öffentlichen Laſten beyzutragen haben, 
als die zu den andern chriſtlichen Religiensbekenntniſ⸗ 
ſen ſich haltende Bürger, wobey noch beſonders be⸗ 
merkt werden muß, daß in Bezug auf den Beytrag 
zu den Staatsrevenuen Frankfurts die Anſprüche der 
katholiſchen Gemeinde noch übertriebener und ungerech⸗ 
ter erſcheinen, da die Abgaben ihrer Mitglieder nur 
etwa den zehnten Theil von jenen der lutheriſchen 
Bürger und nicht viel über die Hälfte von ra der 
Reformirten betragen: N 
bb) daß vor dem Geſetz kein Unterſchied des wellen. 
bekenntniſſes gelten kann, und jede aus Verſchieden⸗ 
heit der kirchlichen Anſichten ausgehende Partheylich⸗ 
keit zugleich eine Verletzung der Verfaſſung ſeyn 
würde: da übrigens die endliche Entſcheidung aller be⸗ 
deutenderen Rechtshändel nach Art. 29. der Ergän⸗ 
zungsakte gar nicht einmal dem aus der Mitte des 
Senats gebildeten Appellationsgericht zuſteht, ſondern 
wenn die Partheyen es fordern, die Aktenverſendung 
oder die Berufung an das zu errichtende gemeinſchaft⸗ 


— 21 u 


liche Ober⸗Appellationsgericht der freyen Städte ſtatt 

8 findet, fo iſt in dieſer Hinſicht das gleiche Rechtsver⸗ 

hältniß der geſammten Bürgerſchaft hinreichend ges 
ſichert: 

| W. daß die früherhin bey manchen Zünften eingeführt ge⸗ 

weſenen Ausſchließung der nicht zu der lutheriſchen 

Confeſſion ſich haltenden chriſtlichen Bürger als durch 

jene allgemeine Verfügung aufgehoben und nicht mehr 

beſtehend angeſehen werden muß. — 

Geht man nun weiter und prüft mit unbefangenem 
Sinn, warum denn wohl, dieſer in der Conſtitutions-Er⸗ 
gänzungsakte durchgängig beobachteten Rückſicht auf den 
Art. 46 der Wiener Congreßakte ohnerachtet, der katholiſche 
Geme indevorſtand gegen beſagte von der Mehrheit der Bür⸗ 
gerſchaft angenommene Verfaſſungsurkunde mit ſo heftiger 
Leidenſchaftlichkeit proteſtirt, wie ſolches in der von dem 
Handelsmann Berna unterzeichneten Erklärung an den 
Senat geſchehen iſt, ſo ſtößt man ſogleich auf Erſcheinun⸗ 
gen, die nur entweder in übermäßigem Mißtrauen oder 
in herrſchſüchtiger Meinungsettelkeit ihren Grund haben 
können. 

Es darf wohl angenommen werden, daß der katholi⸗ 
ſche Gemeindevorſtand hauptſächlich aus dem Grund gegen 
die Conſtitutions⸗Ergänzungsakte proteſtirt, weil die Com⸗ 
miſſion der XIII den Anträgen und Forderungen 
nicht nachgegeben hat, die eben dieſer Vorſtand, Namens 
der Gemeinde, jedoch ohne alle Bevollmächtigung abſeiten 
derſelben, unterm 24. März 1816 an die Commiſſion ge⸗ 


Se A 


richtet, und im April 1816 durch den Druck bekannt ge⸗ 
macht hat. Wir müſſen daher zuſehen, ob er etwas 
anderes oder mehreres verlangt hat, als nach obiger Aus⸗ 
führung rechtlicher Weiſe gefordert werden konnte und dem⸗ 
gemaß auch würklich conſtitutionell angeordnet worden if, 


und ob zu wünſchen wäre, daß die Commiſſion der XIII 


darauf mehr als geſchehen Rückſicht genommen hätte. 

Dieſe Unterſuchung hat ihre beſonderen Schwierigkei⸗ 
ten, da der Verfaſſer jener Anträge und Forderungen — 
das Gerücht nennt einen Neophyten, den ſein Eifer für 
die neue Ueberzeugung oft weiter führt, als bey ſtaats⸗ 
rechtlichen Gegenſtänden, wo nur beſonnenes Abwägen 
aller Gründe und Gegengründe zu einem reifen Schluſſe 
führen kann, zuläßig iſt — das myſtiſche Dunkel liebt, 
und in der Logik Ketzerey zu wittern ſcheint. 


Doch dem redlichen Forſchen gelingt manches, woran 
man beym erſten Blicke verzweifelt; deshalb wagen wir es, 


in jenes Labyrinth ungeregelter Anſprüche vom. ene 
Schritte zu thun. 

Warum zuvörderſt nach der Behauptung des 1 
ſchen Gemeindevorſtandes die ehemalige reichsſtädtiſche Ver⸗ 
faſſüng, in Betracht des Art. 46 der Congreßakte, nicht 
mehr die Baſis der zu errichtenden neuen 
Conſtitution abgeben dürfe, wird kein Unbefange⸗ 
ner einſehen können. Die ſe wohlthätige alte Verfaſ⸗ 
fung, unter welcher unſere Vorfahren glücklich gelebt ha: 


ben, und die in dem nie genug zu beklogenden Sturme 


einer alles urkundliche Recht zerſtörenden Zeit untergege 


e 


gen war, durfte immerhin als Grundlage des neuen 
Bürgervereins dienen, wenn nur dabey ſtipulirt wurde, 
daß die vorhin nicht beſtandene, nunmehr aber durch die 
Congreßakte angeordnete Gleichſtellung der verſchiedenen 
chriſtlichen Confeſſionen in allen bürgerlichen und politi⸗ 
ſchen Verhältniſſen ſtatt finden ſollte. Weder der Buch⸗ 
ſtabe des Art. 46 der Congreßakte, noch die über die Be- 
förderung leidenſchaftlicher Privatrückſichten weit erhabenen 
Abſichten der Allerhöchſten verbündeten Mächte, denen 
Frankfurt ſeinen Rücktritt in die Unabhängigkeit verdankt, 
hatten dem Gemeinſinne der Bürger unterſagt, einen 
Schutz gegen die verderbliche Reuerungsſucht in den 
durch die Erfahrung bewährten Einrichtungen der Väter 
zu ſuchen und zu finden, und nur einem Gophiften 
konnte es beyfallen dieſen einzig richtigen Geſichtspunkt zu 
verrücken; die Commiſſion der XIII, von den Trug— 
ſchluſſen des katholiſchen Gemeindevorſtandes nicht gerührt, 
hat daher mit Recht kein Bedenken getragen, in Art. I 
der Ergänzungsakte die Wiedereinführung der alten Stadt: 
verfaſſung auszuſprechen; ſie hat aber auch, wie wir oben 
gezeigt haben, die in der Congreßakte angeordneten Grund⸗ 
füge mittelſt beſonderer conſtitutionellen Beſtimmungen in 
Anwendung gebracht. a 

Der Vorſtand der katholiſchen Gemeinde behauptet 
ferner (S. 7 der Anträge und Forderungen) die Gleiche 
heit der chriſtlichen Religionspartheyen ſey als Bedin⸗ 
gung der der Stadt Frankfurt geſchenkten Freiheit anzuſehen. 
So wenig wir die verbindende Kraft der auf die bürgerliche 


und politiſche Gleichſtellung der verſchiedenen chriſtlichen 
Confeſſionsverwandten ſich beziehenden Stellen des Art, 46 
der Congreßakte in Zweifel ſetzen, ſo ſehr müſſen wir 
doch gegen jene in höchſt unbürgerlichem Sinne herbeyge⸗ 
zogene Folgerung proteſtiren. ö 5 iti 

Die klaren Eingangsworte jenes Artikels: 

v die Stadt Frankfurt mit ihrem Gebiet, fo wie es 
51803 war, iſt für frei erklärt, und wird einen 
»Theil des deutſchen Bundes ausmachen. « 

enthakten nichts von einer Bedingung der zuerkannten 
Freiheit, vielmehr deuten die Worte: „mit ihrem Gebiet, 
fo wie es 1803 war auf eine den gerechten Geſin⸗ 
nungen erhabener Souveräne allein angemeſſene Würdi⸗ 
gung des früheren Beſitzſtandes, und wenn auch der wei⸗ 
tere Inhalt des Art. 46 jene Gleichſtellung ausſpricht, ſo 
iſt doch auch hier nirgends geſagt, ſie ſey die Bedin⸗ 
gung der neu gewährten Beige, 

Indeſſen hatte ſich die Idee einer aus reiner Gnade 

und bedingungsweiſe geſchenkten Freiheit des katholiſchen 
Gemeindevorſtands ſo ſehr bemeiſtert, daß er mit dem 
Triumphe der Geiſtes⸗Armuth S. 9. feiner Forderungen 
das Axiom aufſtellt: „die Stadt Frankfurt verdankt ihre 
dermalige ihr aufs neue verliehene Freiheit einzig und 
allein der Gnade der Allerhöchſten europäiſchen Mächte.“ 
Wir aber glauben die Souveräne, welchen Frankfurt 
ſeine dankende Huldigung ſo gerne widmet, mehr zu eh⸗ 
ren, wenn wir ihrer Gerechtigkeit eben ſo vielen Antheil 
an dem Beſchluß über die Wiederherſtellung unſerer Un⸗ 


— 29 — 


abhängigkeit zuſchreiben, als ihrer nie zu verkennenden 
Gnade, haben jedoch dieſe zarte Saite nur darum berührt, 
um die feinen Mittel ins Licht zu ſtellen, welche der ka⸗ 
tholiſche Gemeindevorſtand anzuwenden für nöthig hält, 
um ſeinen Forderungen Vertreter zu gewinnen, da ja 
übrigens hier nur von einem Wortſtreite die Rede ſeyn 
kann, und es niemanden einfällt, die vollſtändige 
Erfüllun g des Art. 46 der Congreßakte im en 
zu erſchweren. 
Der Vorſtand der katheliſchen Gemeinde fahrt fort 

S. 9 — 14 der Anträge und Forderungen, die nach ſei⸗ 
ner Anſicht weſentlichen Hauptpunkte vorzutragen, ohne 
deren Beachtung er jedem Conſtitutionsentwurf den Stem⸗ 
pel der Nullität aufzudrücken gedenkt. Man findet hier 
theils triviale Gemeinplätze, die ihm niemand beſtreiten 
wird, theils mühſam herbeygezogene Folgerungen aus fal⸗ 
ſchen Prämiſſen. Eine beſondere Widerlegung würde da⸗ 
bey um fo unnbthiger ſeyn, als S. 12. F. 8. das endliche 
Reſultat der katholiſchen Bänke in folgenden Worten 
eee it: 

»Es iſt daher auch nicht dem e oder der 

» Willkühr zu Überlaſſen, ob und inwieferne dieſes 

»Geſetz der Gleichheit realiſirt werden möge; fone 

»dern die Nothwendigkeit feiner, nach ein em 

„gerechten Maasſtabe und ſonſtigen gerechten 

» Normen, zu bewerkſtelligenden Realiſirung, muß 

»in der Verfaffung ſelbſt begründet werden. « 
und wir jedem Leſer überlaſſen dürfen, aus unſcrer obi⸗ 


. 


gen Darſtellung die Ueberzeugung zu ſchöpfen, daß dieſer 

gerechten Forderung überall Genüge geleiſtet worden iſt. 

Anterſucht man nun ferner die zwölf Forderungen, 

welche der katholiſche Gemeindevorſtand in Gemäßheit die⸗ 

ſes von allen Seiten anerkannten Grundſatzes an die 

Commiſſion der XIII gerichtet hat, ſo zeigt ſich, daß 

diefelben entweder durch die Conſtitutions⸗Ergänzungsakte ; 

erledigt oder fo beſchaffen ſind, daß fie, als aus jenem 

Grundſatz nicht abgeleitet, abgewieſen werden mußten. 

Der Gemeindevorſtand verlangt nemlich: 

1. Die Beſtimmung eines abſoluten und relativen Mi: 

nnimums katholiſcher Mitglieder der Regierung x und 
Verwaltungsbehörden; de e ee 

2. das Recht der Präſentation zu ee Stelen in 

na ſo fern fie zur Ergänzung des katholiſchen Minimums 

N gehören; a % ie 

3. einen Antheil an der Juſtiz- und Finanzverwaltung 
mittelſt eines gleichmäßigen Minimum; * 

4. Unter fünf Syndiken einen katholiſchen, und für 
dieſen das Präſentationsrecht der Gemeindt; 

5. Gleichſtellung der chriſtlichen Confeſſionen bey dem 

Biürgercolleg nach dem durch das Minimum beſtimm⸗ 

ten eee ; 

6. Aufhebung aller die Aufnahme in den asia 
beſchränkenden Beſtimmungen für die nächſten zwan⸗ 
zig Jahre; | 

7. eine beſondere Vertretung der gaihelighen Gemeinde, 
als ſolcher, durch ihren Vorſtand; 


8. Eine ausſchließende Befähigung der katholiſchen Mit 
| glieder der Regierungs- und Verwaltungsbehörden in 
Gegenſtänden, die das Intereſſe ihrer Gemeinde ba⸗ 
rühren, zu entſcheiden; \ 
9. die Unzuläßigkeit der Entfiheiduug durch rinnen: 
mehrheit in Colliſi onsfällen; u. 
10. Gleiche Achtung der verſchiedenen Betigionsäbunn 
gen; 
II. Aufhebung jeder Sac 
12. proviſoriſches Aufrechthalten der bey Auflbſung 10 
Großherzogthums Frankfurt beſtandenen Gränzlinie 
der geiſtlichen und weltlichen Gewalt. 1 
Von dieſen Forderungen find die unter 1. 3. 5. 6. 
10 und 11. verzeichneten, wenn auch nicht geradezu, doch 
der inneren Bedeutung nach, in denen S. 11 — 21 dieſer 
Darſtellung angeführten Artikeln der enen ai 
reichend berückſichtigt worden. g 
Das abſolute Minimum hat man dahin , 
daß mindeſtens drey Glieder des Senats zu der katholi⸗ 
ſchen Gemeinde und eben fo viele zu der reformirten ger 
hören müſſen: dabey aber iſt die Wahlbefaͤhigung nicht 
auf dieſe Zahl beſchränkt, ſondern der Möglichkeit Raum 
gegeben, daß nach dem Prinzip der vollſtändigen formellen 
Gleichheit auch eine größere Zahl Katholiken im Senate 
ſitzen könne. Da die Juſtizverwaltung von dem allge⸗ 
meinen Verwaltungscolleg ausgeht, ſo erledigte ſich die 
dritte Forderung von ſelbſt. | 
Daß auch im Bürgercolleg katholiſche Mitglieder ſich 


befinden müſſen, beſagt Art. 45 der Ergänzungsakte, und 
wenn die nächſte Erfahrung beweiſen ſollte, daß auch hier 
ein Minimum feſtgeſetzt werden müſſe, ſo kann das des⸗ 
fallſige Geſuch vor den geſetzgebenden Körper gebracht, 
und muß von dieſem das erforderliche angeordnet werden. 
Die gleiche Achtung für den Cultus der verſchiedenen 
chriſtlichen Religionspartheyen durfte nicht erſt conſtitutio⸗ 
nell ausgefprohen werden, fie verſteht ſich von 
ſelbſt, in einer Stadt, wo die drei Confeſſienen grund: 
geſetzmäßig gleiche bürgerliche und politiſche Rechte haben. 
Die Zunftbeſchränkungen endlich find durch die allge— 
meinen Beftimmungen des Art. 6 der Ergänzungsakte 
aufgehoben, und die durch Verwandtſchaft, Indigenat 
oder zehnjährigen Beſitz des Bürgerrechts bedingte Quali⸗ 
fication zu Rathsſtellen iſt bey den dermalen vorzunehmen: 
den neuen Wahlen nach Maasgabe der tranſitoriſchen Ver⸗ 
fügungen des Art. 51. V. nicht zu beachten. 
Dagegen aber konnten die unter ſich eng verbundenen 
Forderungen des katholiſchen Gemeindevorſtandes sub 2. 
4. 7. 8 und 9. nicht berückſichtigt werden, weil man auf 
ſerdem den verderblichſten Sektengeiſt und die heilloſeſten 
Spaltungen im innern der Bürgerſchaft befördert haben 
würde. Das Präſentationsrecht einzelner Gemeinden in 
einem Freyſtaat, wo die Hoheit auf der Geſammtheit der 
chriſtlichen Bürgerſchaft beruht, läßt ſich nicht ohne einen 
Eingriff in dieſe Hoheitsrechte ausüben, die vorgeſchlagene . 
Ttio in partes aber würde ein nie erlöſchender Zunder der 
Zwietracht ſeyn, und in dem Verwaltungscolleg den Par⸗ 


theyhaß aufs regfte unterhalten, während alle die Zwecke, 
welche man ſich vernünftigerweiſe als dabey beabſichtet den⸗ 
ken mag, auf weit würdigere Art durch bürgerliche Ein⸗ 
tracht und vertrauendes Mitwirken zum Gemeinwohl er⸗ 
reicht werden können. 

Was noch zuletzt die n Forderung des katholiſchen 
Gemeindevorſtands betrifft, fo iſt hier der Raum zu bes 
engt, um die wichtige Materie von der geiſtlichen und 
weltlichen Gewalt und ihren wechſelſeitigen Attributionen 
ausführlich zu beleuchten, indeſſen glauben wir, daß auch 
in dieſer Beziehung Art. 35 der Ergänzungsakte einen 
jeden beruhigen kann, der ſich nicht aus übertriebenem 
Mißtrauen Luftgebilde ſchafft und überall verſteckte Plane 
gegen die biſchöfliche Jurisdiktion wittert. 

Iſt es uns nun durch vorſtehende Darſtellung W 
gen, den unpartheyiſchen Leſer zu der Ueberzeugung zu 
bringen, daß der katholiſche Gemeindevorſtand keine hin⸗ 
reichende Urſache hatte gegen die Conſtitutions-Ergänzungs⸗ 
akte zu proteſtiren, und daß die katholiſche Gemeinde eben 
ſo ungerecht als unklug verfahren würde, wenn ſie, der 
durchgängigen Befolgung aller durch Art. 46 der Congreß⸗ 
akte angeordneten Beſtimmungen ohnerachtet, bey dem 
deutſchen Bundestag gegen ihre Mitbürger klagend auftre⸗ 
ten wollte, ſo dürfen wir unſere Mühe nicht für verloren 
achten. 

Es iſt ein betrübender Anblick, wenn man die freye 
Stadt Frankfurt, welche in allen Bedrängniſſen der Ieg- 
ten Zeit ſo rühmlich beftanden hat, in Gefahr ſieht, ihr 


1 
— 


75 
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— - | 

Höchftes Gut, den Gemeinfinn, der nur in der Ein 

tracht ſich erh alten kann „wegen bloſer Meinungs⸗ 

verſchiedenheiten mitten im Frieden einzubußen. Aber noch 

iſt es Zeit zurückzukehren, ſich gegenſeitig die verſöh⸗ 

nende Hand zu bieten, und die Freyheit W ge⸗ 
mießen, ſtatt über fie zu ſtreiten. 

Den guten Sinn der katholiſchen Me 
ber für dieſe redlich gemeinte Tendenz rege zu machen, 
könnte das verdienſtlichſte Werk eines ihrer Glaubensgenoſ— 
ſen werden; denn ſchwerlich liegt der Friede in dem Plan 
derer, welche gegenwärtig die Angelegenheiten der Gemeinde 
leiten. Befangen in dem irrigen Glauben, daß man nur 
recht laut über verletzte Rechte klagen müſſe, um als un⸗ 
terdrückte Parthey zu gelten, verblendet über die trauri⸗ 
gen Folgen ſolcher Berufung auf fremde Hülfe, und mit 
Haß verfolgend was ihnen ſonſt ehrwürdig war ) ſind 
‚fie nichts weniger als geeignet das wahre Intereſſe ihrer 
Mitbürger zu wahren. Mildernd, mäßigend, jeder gegen⸗ 
ſeitigen Annäherung den Weg bahnend, muß derjenige 
würken, dem man es glauben ſoll, er habe ein tadelloſes 
Ziel vor Augen: wer aber immer nur zum Beharren in 
der Zwietracht raͤth, immer nur fordert, ehne das Ge⸗ 


2 


) O sun — I hate thy beams % 
That bring to my remembrance from whatgstate | 
i fell — when pride and worse ambition threw | 


me down, ! . 
Milton's Par. lost. IV. 37. 


N — 31 — 


währte prüfend zu erkennen, wer nicht bedenkt, wie un⸗ 
möglich es ift, die Wünſche Aller zu erfüllen, wer endlich 
in fremder Einmiſchung das Heil des Gemeinweſens zu 
ſuchen keine Scheu trägt, den kann die katholiſche Ge⸗ 
meinde, wenn ſie einſieht, was zu ihrem wahren Beßten 
führt, eben ſo wenig, als die proteſtantiſche für einen 
guten Bürger halten. 


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